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Die
demografische Ausgangslage
Die geburtenstarken
Jahrgänge der westdeutschen
Generation Golf (Florian ILLIES) bzw.
Generation Ally (Katja KULLMANN) sind in der
Familienphase oder gründen in den nächsten
Jahren eine Familie. Von 1961 bis 1967 wurden jedes Jahr
über eine Million Kinder in den alten Bundesländern geboren.
Bis zum Jahr 1975 verringerten sich die Geburtenzahlen um
1/3 auf ca. 600.000 Kinder pro Jahr und stabilisierte sich
seitdem auf diesem niedrigeren Niveau (Tiefststand 1984 mit
584.157 Geburten; Höchststand 1990 mit 727.199 Geburten)
.
Von
der Suburbanisierung zur
Family-Gentrification
Während in den 1980er
und 1990er Jahren die Familiengründung
üblicherweise mit dem Wegzug aus der Stadt
einherging und dadurch die Suburbanisierung
mit den typischen Reihenhaussiedlungen im
Umland der Städte voranschritt, bahnt sich
nun eine Trendwende an, die
bereits Anfang der 1990er Jahre von der
Stadtsoziologin Monika ALISCH prophezeit
worden ist.
Wohnen in der
Innenstadt - eine Renaissance?
"Seit
einiger Zeit ist ein verstärktes Interesse am Wohnen
in der Stadt zu beobachten, so dass – zögerlich noch
– die Diskussion über eine »Rückkehr in die Stadt«
beginnt. Vor allem innenstadtnahe Quartiere werden
als Wohnstandort nicht nur von einer bestimmten
Lebensstilgruppe »wiederentdeckt«. Selbst für
Familien scheint das innenstadtnahe Quartier sein
kinderfeindliches Image zu verlieren, sofern die
Umfeldbedingungen stimmen. Die Renaissance der Stadt
und insbesondere der Innenstadt als Wohnstandort
läutet offenbar eine neue Phase der Stadtentwicklung
ein. Suburbanisierungsprozesse dagegen könnten an
Bedeutung verlieren."
(aus: Klappentext 2005) |
ALISCH
sieht darin in dem Buch
Frauen
und Gentrification die Konsequenz der veränderten
Frauenrolle. In der familienpolitischen
Debatte wird dies mittlerweile als
Vereinbarkeit
von Familie und Beruf verhandelt. Anfang
der 1990er Jahre war es jedoch üblich, dass
Familien
ausschließlich als Opfer der Verdrängung
beschrieben wurden:
Frauen und
Gentrification
"In den
Beschreibungen der statushöheren
Haushalte, die in innenstadtnahe
Wohngebiete zogen, die zuvor vom
Niedergang gekennzeichnet waren, war
deren Kinderlosigkeit eines der
wesentlichen immer wieder erwähnten
Merkmale. Den »Young Urban
Professional« vor Augen, der bei hohem
Einkommen in einem hochqualifizierten
Beruf tätig ist, rückten
Familienhaushalte in innenstadtnahen
Wohngebiete auf die Seite der
Verdrängten oder zumindest von
Verdrängung Bedrohten, sofern man
überhaupt noch davon ausging, daß
Familien innenstadtnah wohnten."
(1993, S.126) |
ALISCH kritisierte in
ihrem Buch diese vereinfachende Sichtweise.
Sie verwies dabei auf den Begriff
"Family-Gentrification",
den Peter MARCUSE Mitte der 1980er Jahre
geprägt hat.
Frauen und
Gentrification
"Der Begriff
»Family-Gentrification« wurde von Peter
Marcuse (...) eingeführt und bezeichnet
die abschließende Phase der Auf- und
Umwertung eines Wohnviertels. Er meint
damit den Zuzug von Personen, die älter
als 30 Jahre sind und kleine Kinder
haben."
(1993, S.126) |
ALISCH verwies darauf,
dass Kinderlose nicht von vornherein als Verdränger aufgefasst werden dürfen,
sondern dass gutverdienende Familien
ebenfalls als Verdränger auftreten können.
Die damalige Stadtforschung hat diesen
Einwand jedoch bis heute weitgehend ignoriert
und stattdessen die Kontroverse zwischen
Singles und Familien forciert. ALISCH
konnte in ihrer Untersuchung der Hamburger
Verhältnisse jedoch nachweisen, dass die
Yuppisierung
der Großstädte sich bereits damals
nicht so einfach in das familienpolitisch
beliebte Schema einpasste. ALISCH weist den
Familienhaushalten eine aktivere Rolle im
Aufwertungsprozess zu. Ihr Fazit lautet
deshalb:
Frauen und
Gentrification
"Es konnte mit
dieser Studie erstmalig empirisch belegt
werden, daß die gegebene Nachfrage auf
dem innerstädtischen Wohnungsmarkt - sei
es durch die Alleinlebenden, die
kinderlosen Pare oder die Familien -
nicht ohne ein relativ hohes
Qualifikationsniveau, starke
Berufsorientierung und
Vollzeitbeschäftigung eines großen
Teils der Frauen möglich wäre."
(1993, S.285) |
ALISCH folgert daraus,
dass es zu "neuen
Konfliktpotenzialen" kommt, die
"nicht mehr allein über die finanzielle
Durchsetzungskraft zu lösen sind". Sie
weist darauf hin, dass die Pluralisierung
der Familienformen räumliche Konsequenzen
hat, die damals nur unzulänglich
berücksichtigt wurden:
Frauen und
Gentrification
"Gerade der
Wunsch von Familien, innenstadtnah wohnen
zu bleiben, aber auch das (materielle)
Beharrungsvermögen, sind
gesellschaftlich und
stadtentwicklungspolitisch neue
Phänomene, die sich zum einen auf die
dauerhafte Bewohnerschaft in den
innenstadtnahen Wohnstandorten auswirken
werden und zum anderen nachhaltig die
Struktur der momentan wenig beachteten
Suburbanisierung beeinflussen
werden."
(1993, S.286) |
Während die
vorstädtischen
Wohnstandorte auf dem Mobilitäts- und
Berufsverzicht der Frauen beruhen,
verändert die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie auch den Wohnwunsch der jungen
Familien, d.h. innenstadtnahe Wohnlagen
werden für diese wohlhabenden Familien
attraktiv. In der
Generation Golf/Ally sind diese
neuen Präferenzen bereits dominant. Die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll im
städtischen Rahmen der
Erlebnis- bzw. "Spassgesellschaft" erfolgen
.
Folgen
der Family-Gentrification für die Singles
Mit dem Auftreten
dieser kaufkräftigen
"Family-Gentrifier" ist die
Wiederbelebung der Yuppie-Debatte
vorprogrammiert. Die Instrumentalisierung
des Feindbildes Single für die
Durchsetzung der Interessen dieser neuen
Gruppe, die auf dem umkämpften
Marktsegment der hochwertigen
Wohnungen mit Zwei-Karriere-Paaren und hochmobilen
Wochenendpapas konkurrieren, ist mehr oder
weniger zwangsläufig, denn im Gegensatz zu
ihren Konkurrenten sind sie zusätzlich noch
auf eine entsprechende kinderfreundliche Infrastruktur
angewiesen, die zukünftig bereitgestellt
werden muss. Bei
diesem Kampf der wohlhabenden Gruppen
um sozialstaatliche Gelder werden
einkommensschwache Singles (ältere Witwen,
junge Studenten und Ausländer) als
Sündenböcke herhalten müssen. Der
Verweis auf die hohe Zahl der
Einpersonenhaushalte und die
Gleichsetzung
von Singles mit Yuppies sind die üblichen Mittel
der Dramatisierung
, um die Interessen dieser
wohlhabenden Familien in der angeblichen
"Single-Gesellschaft" durchzusetzen.
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
"Die Rede von der »Single-Gesellschaft«
rechtfertigt gegenwärtig eine Demografiepolitik, die
zukünftig weite Teile der Bevölkerung wesentlich
schlechter stellen wird. In zahlreichen Beiträgen, die
zumeist erstmals im Internet veröffentlicht wurden,
entlarvt der Soziologe Bernd Kittlaus gängige
Vorstellungen über Singles als dreiste Lügen. Das Buch
leistet damit wichtige Argumentationshilfen im neuen
Verteilungskampf Alt gegen Jung, Kinderreiche gegen
Kinderarme und Modernisierungsgewinner gegen
Modernisierungsverlierer." |
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