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Thema des Monats

 
       
   

Das neue Ethos der Einsamen

 
       
   

Ein Blick in die neue Ratgeberliteratur: Der Lebensstil des souveränen Einsamen und seine Gefährdungen (Teil 3).

 
       
     
       
   
     
 

Die Themenpalette der Ratgeberliteratur

Es gibt beim Bekenntnis zum Alleinleben geschlechtsspezifische Unterschiede. Für Frauen ist das Alleinleben im mittleren Lebensalter - historisch betrachtet - immer noch weniger selbstverständlich als für die Männer. SARTORIUS berichtet jedoch auch von Männern, die sich ihres Alleinlebens schämen. Die beschriebenen Täuschungsmanöver zeigen jedoch, dass es weniger das Alleinwohnen an sich ist, das als beschämend empfunden wird, sondern das Fehlen von Beziehungen.

Die hohe Schule der Einsamkeit

"Einsamkeit scheint in den Augen unsicherer Einsamer nicht nur eine soziale Schwäche, ein Versagen, gar eine Behinderung zu sein, sondern auch eine Art Vergehen, bei dem man nicht erwischt werden möchte. Noch beschämt sie den einen oder die andere, so wie es früher einmal Homosexualität, Alter oder Arbeitslosigkeit taten. Aber das ist, sollte man meinen, lange her.
Das Alleinsein - zeitweise geübt oder als Lebensentwurf gewählt, nun mal nicht zu umgehen oder heiß geliebt - muss als Möglichkeit eines gelungenen Lebens endlich richtig kultiviert werden. Dazu zu stehen, stolz darauf zu sein (auf die Kraft und den Mut, die nun einmal zu einem solchen Leben gehören, darf man ruhig stolz sein), sich meinetwegen sogar mit der Einsamkeit zu brüsten - das sind Haltungen, die ihr künftig gerecht werden sollten "
(2006, S. 86f.)

Ulf POSCHARDT sieht den einsamen Mann stärker gefährdet als die einsame Frau, bei der er noch Emanzipationspotenzial ausmacht.

Einsamkeit

"Der einsame Mann mißversteht sich als Held und verkennt, daß er in einer auf Familie und Gemeinschaft ausgerichteten Gesellschaft ein Mängelwesen ist. Gleichzeitig fungiert er in bürgerlichen Gesellschaften als Leitbild eines konsequenten Individualismus: Sein Freiheitsdrang schreckt auch vor den Härten absolut verstandener Bindungslosigkeit nicht zurück. Aber souverän und nicht pathologisch ist das Einsam-sein-Können nur, wenn ihm gleichwertig das Mit-anderen-sein-Können gegenübersteht."
(2006, S. 74)

"Frauen, die einsam sind, haben in der Wahrnehmung der Außenwelt »keinen abbekommen«. Außer sie sehen aus wie Cameron Diaz, lachen wie Penélope Cruz und haben einen Körper wie Helena Christensen. Einsame Frauen haben ein massives Imageproblem. (...).

Die selbstbewußte Singlefrau ohne tristen feministischen Überbau und verhärmte Jungfern-Ideologie wurde Anfang des 21. Jahrhunderts erst durch TV-Serien wie »Sex and the City« salonfähig.
Die einsame Frau wurde sexy und aufregend, für Männer jeden Alters Herausforderung wie Verlockung. Und dennoch scheint sich dies noch nicht herumgesprochen zu haben.

          
In Deutschland haben einsame Frauen noch das größte Emanzipationspotential. Insofern kann man dieses Buch auch als feministisches lesen.
(2006, S. 48f.)

Der Lebensstil des souveränen Einsamen und seine Gefährdungen

Sowohl für POSCHARDT als auch für SARTORIUS gilt, dass sie das Leben in den urbanen Mittelschichtmilieus beschreiben. Bei POSCHARDT lassen sich sogar bestimmte Viertel oder Szenen wie Hamburg-Eppendorf oder Berlin-Mitte identifizieren. Dies kann soweit führen, dass bei POSCHARDT die Ästhetisierung des Lebens wichtiger wird als verallgemeinerbare Lebensprinzipien oder Konsum therapeutische Qualität erhält (Tendenziell jedes Auto mit mehr als 200 PS kann einen Therapeuten ersetzen). Bei den popkulturellen Verweisen sind generationstypische Vorlieben deutlich erkennbar. Lässt man diese milieu- und generationsspezifischen Aspekte oder sonstige Idiosynkrasien weg, dann lassen sich dennoch einige grundlegendere Prinzipien des propagierten Lebensstils, seine Voraussetzungen und seine Gefährdungen erkennen, die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich sind. Es handelt sich dabei um die Essentials eines Ethos der Einsamen, wobei weder Vollständigkeit noch umfassende Systematisierung angestrebt wurde, sondern eher ein grober Überblick vermittelt werden soll. Wenn zwischen den beiden Autoren differenziert wurde, dann ging es dabei weniger um exakte Abgrenzungen, sondern eher um das Sichtbarmachen von Schwerpunktsetzungen der Autoren. Die Unterschiede deuten in erster Linie auf altersgruppenspezifische Verschiebungen hin. Wie bereits erwähnt, ist POSCHARDTs Zielgruppe jünger. Sie steht noch mitten im Berufsleben, während bei SARTORIUS schon gewisse Bedürfnisse im Vordergrund stehen, die für junge Alte typischer sind. Manches deutet auch auf geschlechtsspezifische Unterschiede hin.

 

souveräne Einsame

Gefährdungen

  POSCHARDT SARTORIUS POSCHARDT SARTORIUS
Alleinwohnen   Geborgenheit   Unbehaust sein
Alleinessen Er achtet auf seine Ernährung, ißt abwechs-lungsreich und gesund, achtet auf seine Manieren   Leere oder Monokultur im Kühlschrank; beim Fernsehen essen; Süchte  
Umgang mit der Zeit Genaue Zeiteinteilung, Aversion gegen Zeitver-schwendung Beachtung des persönlichen Rhythmus; Gespür für den richtigen Augenblick    
Netzwerk   Auf Qualität, statt auf Quantität achten; hoher Stellenwert der Freundschaft    
Persönlich-keitsent-wicklung Erlernen von Unabhän-gigkeit, Ichwerdung, Neuorien-tierung,  gesteigerte Kreativität, Resensibi-lisierung, Lockerbleiben Verbesserung der Lebensqualität; Verfeinerung zur Lebenskunst;  gesteigerte Kreativität; Religiösität; Erlebnis von Grenzer-fahrungen; Steigerung der Attraktivität; soziales Engagement Narzißmus, Egozentrik, Misanthropie, Hybris der Menschen- feindlichkeit, Unflexibilität Karrierismus, Neid und Missgunst, Egoismus Kontakt-schwierig-keiten, fehlende soziale und emotionale Intelligenz
Anerkannte Gründe für die Einsamkeit Unmöglichkeit, Liebe zu finden Familien-losigkeit, Migration, Krankheit, Armut    

Das Bild der neuen Alleinlebenden als Abgrenzung zum klassischen Problemsingle

Beide Bücher sind darauf bedacht, einen neuen Typus des Alleinlebenden zu beschreiben, der sich vom klassischen Typus des Problemsingles deutlich unterscheidet. Das Bild des souveränen Einsamen entspricht ziemlich exakt dem Klischee, das in den 1990er Jahren zum Schreckgespenst der Familienmenschen avancierte. Der souveräne Einsame ist beruflich erfolgreich, hat ein ausgedehntes Netzwerk, das ihn in allen Lebenslagen unterstützt. Sein gestärktes Selbstbewusstsein ist Basis der Selbstsorge, d.h. er vernachlässigt weder Körper, Intellekt noch seine Gefühle. Er achtet auf sein Wohlbefinden. Kurzum: er ist ein glücklicher Einsamer. Natürlich ist dieser souveräne Einsame mehr Ideal als Realität, aber als solcher bestimmt er das Ethos des Einsamen. Die beiden Autoren sehen sich selber als Vorbilder einer solchen souveränen Lebensführung, an der sich die Alleinlebenden zu messen haben. Insbesondere POSCHARDT erzählt viele Lebensgeschichten mit biografischen Wendepunkten, die den Nutzen der Ressource Einsamkeit illustrieren. Bei SARTORIUS steht dagegen eher die eigene Lebensgeschichte im Mittelpunkt, von der aus sich das Souveräne gegenüber seinen Gefährdungen abhebt. Das hat zur Folge, dass  der typische Problemsingle der Distinktion zur Opfer fällt.

Die hohe Schule der Einsamkeit

"Der hartherzige Sonderling, das freudlose Fräulein - wir wollen nichts beschönigen. Diese Art von Einsamen gibt es auch. Und ich kann nicht leugnen, dass solche Leute zum Teil und mit den Jahren ziemlich unerträglich werden können:
Die unnahbare Karrieristin. Der zanksüchtige Egomane. Die jahrelang hadernde Witwe. Der ungastliche Hagestolz. Die giftende Neidische. Der Eigenbrötler, der sein Brot keinesfalls bricht und teilt. Der verbiesterte Alte. Die verlassene Männerhasserin. All die Grantler und Grübler, die Hunden und Kindern gern mit dem Stock drohen. Die in ihren Herzen und Seelen Verarmten. Alle Menschen, denen die Grundregeln sozialer Intelligenz abhanden gekommen sind: Anteilnahme, Takt, Rücksichtnahme. Und die nichts weiter als böse, aggressiv und hochgradig solipsistisch im Laufe ihres offenbar unreflektierten Alleinlebens geworden sind.
Einsamkeiten, mit denen man sich nicht in einem mutigen Dialog auseinander setzt, denen man stattdessen erlaubt, Gewalt über Denken und Fühlen zu erlangen, Einsamkeiten, die erst traurig machen und später verbittert - das sind die bedrohlichen Einsamkeiten, vor denen nicht genug gewarnt werden kann.

          
 (...).
Die Gewohnheiten der Unkorrigierten, niemals Getadelten führen leicht in die Unbeweglichkeit. So flexibel der gewandte Einzelgänger ist, so erstarrt kann ein Vereinzelter werden, der seinen Lebensstil nicht reflektiert. Lieb gewonnene Eigenheiten, die nicht in Zweifel gezogen werden, können einen Menschen erst originell, später hölzern und schließlich zu Stein werden lassen.

          
 (...).
Bei diesem Pandämonium verquerer Einzelgänger sieht man, dass das Alleinsein also durchaus eine Bedrohung bedeuten und Angst machen kann: (...) vor der Deformation des Charakters.
Man muss die Einsamkeit also in ihre Schranken weisen, bevor sie die Kontrolle übernimmt, die Macht an sich reißt und sich zu einer vergiftenden Beeinflusserin aufplustert."
(2006, S. 88ff.)

Singles, die Kontaktprobleme haben. Alleinlebende, die etwas über den Aufbau von stabilen Netzwerken erfahren möchten. Partnerlose, die mit Unsicherheiten, Schüchternheit, Ängsten oder gar Depressionen zu kämpfen haben, werden sich alleingelassen fühlen. Solche Singles sind mit den klassischen Ratgebern à la Doris WOLF besser beraten. Die neuen Ratgeber wollen dagegen ein neues Lebensgefühl vermitteln. Nicht die Vermittlung von Selbsttechnologien (Anleitungen), steht deshalb im Vordergrund, sondern die identitätspolitische Stiftung einer Gemeinschaft der Gleichgesinnten. Es winkt die Zugehörigkeit zum Club der souveränen Einsamen, die sich in einem speziellen Ethos ausdrückt. Wer diese Beschränkungen beachtet und nicht mit falschen Erwartungen herangeht, der wird die Bücher mit Gewinn lesen. 

Allein auf einer Party

In beiden Büchern wird auf Partysituationen eingegangen.  POSCHARDT bringt die geschlechtsspezifische Asymmetrie der Partysituation auf den Punkt.

Einsamkeit

"Mädchen sind nie länger als 120 Sekunden alleine. Dann wagt ein Mann sein Glück. (...) Jungs sind in jedem Fall 120 Sekunden alleine. Manchmal auch gute zehn Minuten: in dieser Zeit entscheiden sie sich, ob sie ihre Fangnetze nach Girls auswerfen oder Smalltalk machen, ob sie sich umsonst satt essen oder betrinken oder ob sie ihren unverdauten Gedankenmüll den diskussionsfreudigen Brillenträgern unterbreiten".
(2006, S. 94)

Während POSCHARDT auf den Coolness-Faktor setzt, sieht SARTORIUS eher in der Nützlichkeit des Singles die Chance auf einen gelungenen Abend.

Die hohe Schule der Einsamkeit

"Einzelgänger gehen der Gastgeberin zur Hand, weil sie als geübte Allrounder im Alleingang selbst als Mann sämtliche hausfraulichen Tätigkeiten beherrschen.
Gäste ohne Begleitung sind auf Partys überall einsetzbar. Sie spielen dieses Spiel gern mit, ohne dass ihnen, den Souveränen ihrer Solitüde, ein Zacken aus der Krone fiele. Sie opfern sich gern ein bisschen auf. Es muss ja zum Glück nicht für immer sein."

(2006, S. 127f.)

Man ahnt es schon, POSCHARDTs Partys laufen eher in den Clubs und dort, wo Coolness angesagt ist. Er beschreibt die "Helden des Nachtlebens", die in den 1990er Jahren ihre große Zeit hatten. SARTORIUS dagegen treibt sich eher auf Haus- oder Gartenpartys herum. Aber beide sind sich einig, dass Einsame auf Partys die Attraktion sind, wobei POSCHARDT aber immer auch beschreibt, wie das Scheitern aussieht.

Die hohe Schule der Einsamkeit

"Umgeben von der Aura des Geheimnisvollen und dem Glamour des Außenseiters (...) ziehen die Einzelgänger ihre einsamen Bahnen. Die magische Anziehungskraft einiger von ihnen ist nicht zuletzt auf ihre mangelnde Eindeutigkeit und Vorhersagbarkeit zurückzuführen.
Der solo Auftretende wirkt auffallend wie der Solitär, der einzeln gefasste Brillant. Man möchte ihn auch mal von der Nähe sehen. Er kitzelt die Neugier seiner Mitwelt heraus".
(2006, S. 167f.)

Einsamkeit

"Einsame besitzen eine magische Anziehungskraft auf jene, die sich von morgens bis abends mit Menschen umgeben. Sie sind interessant. Man will sie bekehren. Sie sollen Teil der Gemeinschaft werden."
(2006, S. 89)

Es gibt ein Leben nach der Party

Mit dem Älterwerden, verliert das Partyleben an Attraktivität. Es kann sein, dass sich die Interessen einfach im Laufe des Lebens wandeln. Manche jedoch trifft es auch eher unvermittelt.   

Einsamkeit

"Ein schauerlicher Moment im Leben jedes Partygängers ist, wenn er realisiert, daß die Zeit, in der Partys dem Leben Sinn und Struktur gaben, langsam ausläuft. Wenn die Frequenz, mit der der Clubs besucht, deutlich sinkt und er mehr und mehr Stunden mit klassischer Musik zu Hause verbringt, ahnt der Einsame, daß er sich neu orientieren muß."
(2006, S. 95f.)

Generation Z

"»Jetzt kommen sie schon zum Sterben her!«, ätzte irgendein rotzfrech verschnupftes Techno-Wesen am Eingang eines jener Clubs, die am liebsten schon die dreißigjährigen Mitglieder der »Generation Golf« in den Party-Ruhestand schicken würden. Man wollte es irgendwie gar nicht richtig gehört haben, wollte sich umdrehen, um zu schauen, wer da gemeint war. Doch da war niemand. Nur die jüngere Begleitung hielt in dieser schweren Sekunde die Sache einigermaßen im Lot. (...).
Man hätte es ja kommen sehen können. Doch offensichtlich hat das Frühwarnsystem versagt. Ohne ausreichende Vorwarnung bin ich alt geworden."
(2003, S. 15f.)

Die hohe Schule der Einsamkeit

"Stümper des Einzelgängertums, die sich noch nicht mit ihrer Lebensform angefreundet haben, leben ja gern aushäusig. Jeden Abend verlassen sie ihre Wohnung und ziehen los. Falls sie ihre Wohnung überhaupt aufgesucht haben zwischen Arbeitsplatz und Balz- bzw. Bolzplatz, also Bar und Bodybuildingcenter. Sie meiden nämlich ihr Zuhause wie die Pest. (...).
Es ist tatsächlich wenig einladend, in eine unbelebte Wohnung zu kommen. Und damit meine ich nicht menschenleer, sondern unbeseelt. Wahrscheinlich ist sie lieblos eingerichtet und garantiert schlecht ausgeleuchtet. Und vielleicht wartet nicht nur kein Mensch auf den missmutigen Heimkehrer, sondern auch kein Buch und kein Musikinstrument und kein Alpenveilchen.
Wozu brauchen solche Leute überhaupt eine Wohnung? Sie leben zwar nicht unter der Brücke und sind nicht obdachlos, aber unbehaust sind sie dennoch.
Für den besagten Höhlenmenschen jedoch ist das Alleinwohnen täglich eine Quelle größter Zufriedenheit (...).
Cocooning klappt auch allein. Manche behaupten: nur allein."
(2006, S. 173ff.)

Während für POSCHARDT und seine Generation Golf noch die Frage nach der Familiengründung im Mittelpunkt steht, geht es bei SARTORIUS bereits um Fragen der zweiten Lebenshälfte. Naturerleben, Spiritualität bzw. Religiosität gewinnen an Bedeutung. Ein Blick auf die Statistik der Alleinlebenden zeigt, dass das weibliche Alleinleben eine Domäne der zweiten Lebenshälfte ist, während Männer sich in der Mehrzahl in die Partnerschaft verabschiedet haben. Ob dies auch in Zukunft so sein wird, das ist noch nicht sicher. Reinhard MOHR wirft jedenfalls in seinem Erfahrungsbericht schon einmal die Frage nach dem Lebensgenuss im Alter auf.

Generation Z

"Wir sind diszipliniert, aber auch  flexibel. Wir können auch anders. Und wir machen aus der trivialen Erkenntnis, dass wir nicht mehr wie einst Unmengen von Souvlaki und Keftedes mit Pommes frites und Krautsalat in uns reinstopfen können, ohne eine Gramm zuzunehmen, gleich eine philosophische Weisheit: Weniger ist mehr. Der neueste Imperativ lautet also: Intensiver essen, bewusster schmecken und immer an die Leber denken. (...).
          
 Wenn Essen nach landläufiger Auffassung der Sex des Alters ist, dann ist das ambitionierte Kochen der Breitensport der mittleren Jahre: individuelle Lebensoptimierung im Kampf gegen den biologischen Niedergang."
(2003, S.31f.)

Der französische Soziologe Jean-Claude KAUFMANN hat dem Kochen und Essen das Buch Kochende Leidenschaft gewidmet, in dem die Problematik des individuellen Essens im Mittelpunkt steht. KAUFMANN sieht den Alleinesser als Produkt der fortgeschrittenen Moderne, in der das Zusammentreffen der Frauenemanzipation mit allgemeinen Autonomiebestrebungen auf eine zunehmendes Angebot an neuen Produkten und Dienstleistungen trifft. Die Untersuchung von KAUFMANN hat gezeigt, dass das Interesse an Informationen über richtige Ernährung mit dem Alter zunimmt.

Kochende Leidenschaft

"Vor unseren Augen dehnt gerade ein neues Ernährungsmodell seinen Einfluss schnell und mit aller Macht über den gesamten Planeten aus. Es entspringt einem deutlichen Bruch mit einer historischen Vergangenheit, in der der Esser durch eine richtige Institution, die gemeinsame Mahlzeit der Familie (...), sozialisiert wurde, und entfaltet sich durch eine mit ihm einhergehende Marginalisierung der häuslichen Küche. Es organisiert die Praktiken um ein neues Zentrum herum, den individuellen Esser, der nun von den sozialen Zwängen befreit ist. Manche sprechen von »schlechter Ernährung« und sehen sie in Zusammenhang mit einem »amerikanischen Modell«. Treffender wäre es, es auf der Grundlage der neuen strukturellen Ausgangssituation zu beurteilen, in deren Mittelpunkt der »konsumierende Esser« (...) steht. »Der moderne Esser (...)« (...) geht aus dem Zusammentreffen dreier Kräfte hervor, die im Zentrum der fortgeschrittenen Moderne stehen: der Emanzipation der Frauen, die versuchen die Belastungen durch den Haushalt zu vermindern, der Autonomie der Individuen, die versuchen, der Disziplin der Tischgemeinschaft zu entkommen, und dem immer größer werdenden Angebot an neuen Produkten und Dienstleistungen."
(2006, S.53f.)

 
     
 
       
   

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© 2002-2019
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 13. August 2006
Update: 03. Februar 2019