|
In den Berliner Clubs der Ausgehmeile kommen
verschiedene Subkulturen auf ihre Kosten
Anhand der Berliner Bar
25 lässt sich vielleicht am ehesten noch der subkulturelle
Charakter der Club-Szene aufzeigen. Die Existenz der Location
ist von allen im Buch behandelten Clubs am unmittelbarsten
bedroht und zwar in vielerlei Hinsicht. Die Bar 25
befindet sich aufgrund seiner Lage im Zentrum der politischen
Auseinandersetzungen um die weitere Entwicklung der Stadt. Und
er bietet ein umfassendes Angebot in allen Bereichen des
hedonistischen Genusses.
In
der öffentlichen Debatte um die Spaßgesellschaft, die sich von
den 90er Jahren bis in die frühen nuller Jahre beharrlich in den
Medien hielt, waren immer auch die Techno-Lebensstile gemeint.
Die so genannten Selbstverwirklichungsmilieus sind den
konservativen Kulturkritikern ein Dorn im Auge
.
Wenn
Techno wieder in den Underground ging, was er ja bis Mitte der
90er Jahre auch war, dann hängt das auch damit zusammen, dass
Subkulturen Schutzräume bzw. Freiräume benötigen. Diesen Aspekt
betont auch RAPP.
Lost and Sound
"Die Leute, die hier
wohnen und feiern, leben ein Leben, für das sie sichere
Barriere brauchen, der sie vom Rest der Stadt trennt. Der
Exzess und der Hedonismus, dem man sich hier am Wochenende
hingibt, ist nicht für das Licht der Öffentlichkeit
gedacht. Die Welt da draußen würde es nicht mögen.
Denn am Ende folgt die Feierei keinem politischen Ziel.
(...). Es sei denn, die Tanzfläche soll einem weggenommen
werden."
(2009, S.48) |
Die Bar 25 gilt
neben dem Berghain als legendär. Die Geschichten über
Exzesse, die man sich von den Clubs erzählt, sind - ob wahr oder
nur erfunden - ein wichtiger Aspekt, warum Berlin zu einem
popkulturellen Sehnsuchtsort geworden ist. Das
Angebot der Bar 25 hat sich in den vergangenen Jahren auf viele
Bereiche ausgedehnt. Dabei hat sich auch der Charakter
verändert. Aber auch heute noch ist die Bar 25 nur zu
bestimmten Zeiten ein Club-Angebot.
Lost and Sound
"Ein
Laden wie die Bar 25 (...) mag als ein Ort für alle
angefangen haben, mittlerweile ist er das aber nur noch
unter der Woche und tagsüber. Abends und am Wochenende
kostet der Besuch nicht nur Eintritt - viele Leute kommen
gar nicht erst an der Türsteherin vorbei. Subkultur ist
eben nicht notwendigerweise demokratisch, auch wenn sie
sich von drinnen so anfühlt"
(2009, S.44) |
Wenn die Wirkung von
'68 noch bis heute währt, dann steht dafür in umfassender Weise
die Bar 25. Wenn überhaupt, dann lässt sich an ihr der
Fortschritt der Subkulturen ablesen. Muss die Verbindung von Leben
und Arbeit wirklich immer ein Selbstausbeutungsprojekt
sein? Der Traum vom unentfremdeten Leben des Hippie-Businessman,
der im Roman von Bernd CAILLOUX noch scheiterte, ist noch immer nicht
ausgeträumt, wie RAPP zeigt.
Lost and Sound
"Die Geschichte der
Subkulturen ist voll von solchen Versuchen, Leben und
Arbeit zu einer neuen, anderen, unentfremdeten
Existenzform zu verbinden. Einen schildert der Berliner
Schriftsteller Bernd Cailloux in seinem Roman Das
Geschäftsjahr 68/69. »Mußegesellschaft« nennt sich die
Gruppe, und Cailloux schildert Glücksmomente der
Business-Hippies genauso wie die unüberwindbaren
Hindernisse, auf die sie bei dem Versuch stoßen, Freizeit
und Bürozeit unter einen Hut zu bekommen. Auf gewisse
Weise erzählt der Roman auch eine Frühgeschichte des
Techno: Die Mußegesellschaft baut ihren Betrieb auf der
Erfindung des Stroboskops auf, und das Ganze spielt in
Düsseldorf, in einer Szene, die wenig später Kraftwerk
hervorbringen wird. (...).
Wenn man sich mit Christoph Klenzendorf unterhält, hat man
das Gefühl, als gäbe es tatsächlich so etwas wie
subkultureller Fortschritt - der Widerspruch zwischen
Arbeit und Leben ist in der Bar 25 aufgehoben, und zwar
ohne dass Freizeit in der Arbeitszeit aufgeht -
Klenzendorf und seine Freunde zeigen, dass man für
Selbstbestimmung nicht automatisch den Preis der
Selbstausbeutung zahlt."
(2009, S.169) |
Subkulturen sehen ihre Emanzipation in der Regel von
Außenstehenden bedroht. Daher stammt auch die Rede vom
Ausverkauf durch Kommerzialisierung. Für die Club-Kultur der
Selbstverwirklichungsmilieus gibt es zwei Schreckensbilder: die
"Touris" und "Prolls". Es wäre
jedoch falsch die "Touris"
mit den Jetsetravern gleichzusetzen. Letztere gehören zur
internationalen Techno-Szeno, während erstere kein Teil der
Szene sind. Es gehört zu den Kompetenzen eines guten Türstehers,
diesen Unterschied zu erkennen.
Die
Techno-Lebensstile haben das Feiern rund um die Uhr salonfähig
gemacht. Techno ist nicht allein Nachtleben, sondern gefeiert
wird auch tagsüber. Dafür haben sich im Laufe der Zeit spezielle Formen und
Musiken herausgebildet.
Lost and Sound
"Tatsächlich wäre das
Feiern in Berlin höchstens halb erzählt, wenn es nur um
die Clubs und das nächtliche Leben ginge. Die andere
Hälfte der Geschichte - und das, was den Ruf Berlins als
eine Art großstädtisches Ibiza am Spreeufer ganz
wesentlich geprägt hat - findet an den zahllosen und
mitunter schnell wechselnden Orten statt, an denen
tagsüber und meist unter freiem Himmel Techno läuft,
besonders gegen Ende des Wochenendes."
(2009, S.150) |
Die
Techno-Szene hat sich ausdifferenziert. Dieser Aspekt ist bei
RAPP unterbelichtet, weil er sich auf bestimmte
Entwicklungslinien konzentriert, die für die Berliner Clubs der
Ausgehmeile wichtig sind. Seit Mitte der 90er Jahre sind einige
Sachbücher und wissenschaftliche Arbeiten erschienen, die gute
Einblicke in die Vielfalt der Techno-Szene geben.
In dem Buch Generation
XTC von Friedhelm BÖPPLE & Ralf KNÜFER stehen die Drogen im Mittelpunkt. Der Titel ist abgeleitet von der Partydroge Ecstasy.
Die beiden Politikwissenschaftler sind zugleich Techno-Fans und
ihr Buch wurde deshalb auch als "Techno-Manifest" verstanden.
Kritisiert wurde das Buch vor allem deshalb, weil des den
Drogenkonsum verteidigt. Das Buch ist ursprünglich 1996
erschienen. In der Taschenbuchausgabe von 1998 wurde in einem
Nachwort auf neue Entwicklungen und Kritiken eingegangen. Weiß
man um diese Hintergründe, dann lässt sich das Buch von BÖPPLE &
KNÜFER mit Gewinn lesen.
Das
Buch electronic vibration der Soziologin Gabriele KLEIN
ist vor allem deshalb von Interesse, weil es den in der
Soziologie bis dahin vernachlässigten Körper in den Mittelpunkt
rückt. KLEIN ordnet zudem den Rave in die Tanzgeschichte ein.
Vieles was KLEIN zur Raver- und Club-Kultur schreibt, findet man
auch bei RAPP wieder.
Und
nicht zuletzt gehört die bereits weiter oben erwähnte Studie von
Julia WERNER im Sammelband Techno-Soziologie dazu. Dort
werden auch die Clubs abseits der Ausgehmeile beschrieben.
Neben
den Touristen sind die "Prolls" in der städtischen Club-Szene
unbeliebt. Jungmännerhorden werden deshalb in Clubs wie dem
Berghain abgewiesen. Das Schlangestehen vor Clubs dient jedoch
nicht nur der Selektion, sondern auch dem Einstimmen auf die
kommende Feier.
Lost and Sound
"Das
Berghain hat nicht nur architektonisch einige Ähnlichkeit
mit einer Kathedrale. Es ist tatsächlich ein Tempel des
Techno. Und ob es so gewollt war oder nicht: Das Warten
ist der Auftakt eines Initiationsritus, der sich mit dem
Kribbeln fortsetzt, das man unweigerlich verspürt, wenn
man sich der Tür nähert. Man sieht, wie die Leute vor
einem abgewiesen werden. Man versucht, die Kriterien zu
ergründen. Meist ist das ziemlich einfach: Gruppen von
Jungmännern haben es immer schwer, sind sie zudem
Touristen, Heteros oder offensichtlich Betrunkene, wird es
noch schwieriger." (2009, S.138f.) |
Die Bar 25 dient
RAPP auch dazu auf die Freundschaft zweiter Szenen aufmerksam zu
machen, die in dieser Form eher ungewöhnlich ist.
Lost and Sound
"Und wenn man es ganz
grundsätzlich erzählen will, so handelt die Bar 25 auch
von einer für Berliner Verhältnisse ungewöhnlichen
Freundschaft zweier Szenen. Es gab in den Neunzigern immer
eine deutliche Trennung zwischen der Goa-Szene, also den
Leuten, die sich bei einem Open-Air-Rave irgendwo in
Brandenburg am wohlsten fühlten, und den städtischen
Ravern, die in Clubs feiern wollten. Das war nicht nur
eine Frage der Musik - der Goa-Sound mit seiner deutlichen
Verwurzelung im Trance war ziemlich inkompatibel mit den
Stilen, zu denen man in den meisten Läden der Stadt
feierte. Die beiden Gruppen unterschieden sich auch
deutlich in den lebensstilistischen Präferenzen: Die einen
waren Hippies, die anderen nicht. Die Bar 25 hat diese
beiden Szenen zusammengeführt und eine neue geformt.
Dieser kleine Laden an der Spree, gleichzeitig in der
Natur und in der Stadt, ist Outdoor- wie Indoor-Rave."
(2009, S.173) |
In
seinem Roman Faserland hat Christian KRACHT seinen
namenslosen Erzähler auch auf ein Out-door Rave nach München
geschickt. Zum Zeitpunkt des Erscheinens von Faserland war die
Techno-Szene gerade erst vor kurzem im Mainstream angekommen.
Große Raves standen im Brennpunkt der Mediendebatte.
Faserland
"Im
Zug muss ich wohl mit jungen Leuten gesessen haben, die zu
einem Rave wollten, auf einer Wiese etwas außerhalb von
München. Ich schätze, ich habe ihnen ein Taxi ausgegeben,
vom Bahnhof zur Wiese.
Jedenfalls
sitze ich auf dieser Wiese, in der Nähe eines
pyramidenförmigen Zeltes. Um mich herum sind Hunderte von
jungen Menschen, vielleicht sogar Tausend oder mehr. Sie
sehen alle nicht besonders schlau aus, und ich schätze,
die meisten haben irgendwelche Drogen genommen.
Da
hinten gibt es eine Tanzfläche. Einige große Boxen sind
angeschlossen worden und ein Stroboskop auch. (...).
Ich
sitze also auf der Wiese und Rollo sitzt neben mir, und
wir beobachten die Menschen.
(...).
Weil wir ordentliche Kleidung tragen, also keine
Techno-Stiefel und organgefarbene T-Shirts und
Bundeswehr-Hosen, und weil wir keine rasierten Schädel
haben und keinen Ring in der Nase und irgendwelche
tätowierte Drachen auf dem Nacken, werden wir pausenlos
gemustert und prüfend von der Seite angesehen. Das ist
aber eigentlich ganz lustig, daß man so durch Erscheinen
provozieren kann, und Rollo meint, die Irren hier würden
denken, wir seien vom Drogendezernat."
(1995, S.113f.) |
An einer anderen Stelle
wird der städtische Techno als "Intelligent Techno" bezeichnet.
Dieser Begriff kam in den Jahren zuvor in der englischen
Musikpresse auf. Welche
Spuren Techno bisher in der Belletristik hinterlassen hat, das
ist bislang offenbar noch nicht zum Gegenstand der Forschung
gemacht worden. In einem De:Bug-Artikel von Jörg
SUNDERMEIER vom Oktober 2007 werden lediglich 4 Werke
diskutiert, wobei die Werke des englischen Schriftstellers Irvin
WELSH genauso abgelehnt werden wie die Erzählung Rave von
Rainald GOETZ. Dem Rockismus-Vorwurf halten nur zwei
Werke stand, zum einen eine Fortsetzungsgeschichte über den
"Technodeppen Tom" und zum anderen die autobiografische
Erzählung Die Tickerlady der Raverin Nancy von BUNKER. Auf
diesem Gebiet sind Deutungskämpfe im Gange, die sich u. a. wieder
auf den weiter oben bereits angesprochenen Gegensatz von München
und Berlin zurückführen lassen.
In
seinem Poproman
Die Jugend von heute lässt Joachim
LOTTMANN die Protagonisten u.a. durch die Berliner und Münchner
(Techno-)Clubszene ziehen. Der Roman ist 2004 erschienen und es
finden sich darin zahlreiche Anklänge an die Debatte um den
demografischen Wandel. Die Jugend von heute - so die Klage - ist
kinderlos: oversexed and underfucked. Das ist u. a. auch Schuld
der schwulen Clubkultur.
Julia
WERNER weist in ihrer Untersuchung der Berliner Techno-Clubs
darauf hin, dass sich die normalen Diskotheken von den Clubs
auch dadurch unterscheiden, dass nur in ersteren die
Partnersuche ein zentrales Motiv ist (zur Partnersuche in der
Leipziger Diskotheken- und Clubszene siehe dagegen Gunnar OTTE
"Körperkapital und Partnersuche in Clubs und Diskotheken.
Eine ungleichheitstheoretische Perspektive" in der Zeitschrift
Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, Heft 2, 2008).
Die Club-Party: Eine Ethnographie der Berliner
Techno-Szene
"»Anmache«
und »Abschleppe« sind (...) unerwünscht.
(...).
Die Grundsätzlichkeit, mit welcher das für junge Menschen
eigentlich natürliche Geschlechterverhalten im Kontext
einer Techno-Party zurückgewiesen wird, ist auffällig. Es
müssen andere Erlebniserwartungen sein, die für den Besuch
einer Techno-Party maßgeblich sind. Für den Besuch einer
Diskothek hingegen ist es häufig ein zentrales Motiv,
jemanden für eine Nacht »abzuschleppen« oder einen Partner
kennenzulernen".
(aus: Techno-Soziologie 2001, S.45) |
Aber das bürgerliche München ist auch nicht mehr das,
was es früher einmal war. Die Ekstase
erlebt Onkel Jolo zuerst in einem Münchner Latino-Club, in dem
nur "Neger und Spanier" verkehren. Die Berliner-Clubkultur
erscheint aus dieser Perspektive dann verlogen.
Die Jugend von heute
"Das
Schöne an diesem Nachtleben war ja, daß es keine
Einschränkungen mehr gab. Jeder war ein Mensch, ein
Geistwesen, nicht behindert durch Alter, Hautfarbe oder
jedwede Zugehörigkeit. Ich war den Leutchen sympathisch,
egal wie »daneben« ich mich aufführte. Wie schon im
Backstage erlebte ich wieder dieses Rauschhafte, das sich
in der Hauptstadt niemals gesehen hatte, diese echte, eben
nicht gespielte Ekstase."
(2004, S.173) |
Erst gegen Ende des Romans
versteht Onkel Jolo das Berliner Club-Leben als Utopie des
Moments, als Leben im Loop wie es RAPP bezeichnet.
Die Jugend von heute
"Die
dummen Jungs von der Sonnenallee waren verschwunden. Die
Menschen bewegten sich selbstsicher, tanzten selbstsicher,
lachten viel.
Ein
gutes Publikum. Der Abend begann erst. Auffallend war der
Garderobenwechsel. Viele wohlhabende Töchter aus
Charlottenburg und Umgebung tanzten in Abendkleidern, die
Rastafarilocken um sich werfend. Athletisch schöne Lesben
tanzten mit den Freunden der elektronischen Musik und
Redakteuren der Zeitschrift de:bug, und auch mein Kollege
aus Schweden wirkte um Jahrzehnte schöner, jünger und
unwiderstehlicher. Man verstand die Gesetze des
Nachtlebens eben nicht, wenn man nicht bis zum Ende blieb.
Erst um vier Uhr ging es wirklich los. Alles davor zählte
gar nicht.
Die
Leute sah ich nun anders. Sie lebten in einer Welt, die
den Kapitalismus bereits hinter sich gelassen hatte. Eine
Welt, die in sich funktionierte, in der jeder schön war
und in der die Musik die Sprache ersetzt hatte.
Hier
waren die Menschen, deren Gesichter leuchteten und die
längst alles verstanden und überwunden hatten, was die
müden Feuilletons jeden Tag vor sich hinbeteten. Leute,
die arbeiteten, sich liebten und verstanden ohne Worte und
in der Kälte Lebten mit einer schicken Wollmütze auf.
»Es
iste die Utopie des Moments«, erklärte Kjell, der sich mit
der nordischen Zukunft auskannte, »der Moment, der siche
an den nächsten reihte und an dene nächsten, eine ganze
Leben lang.«
Die
Frauen tanzten, und die Männer wippten ihnen glücklich in
der warmen Musik zu. Was sie aufgestellt hatten, dauert
immer in einem fort."
(2004, S.310) |
Warum
Menschen in die Berliner Clubs kommen, das hängt auch mit dem
Möglichkeitsraum zusammen, den Alexis WALTZ für das Berghain
beschreibt.
Lost and Sound
"Das Berghain stellt
eine existenzielle Herausforderung dar: Es ist nicht
allein ein Ort, um den Dampf einer Arbeitswoche
abzulassen, einen Partner zu finden oder interessante
Musik zu hören. Es ist ein freier Raum - was man dort
macht, muss nicht aus der sonstigen Lebensweise ableitbar
sein. Indem der Club einem die größtmöglichen Genüsse
vorführt, muss man sich selbst die Frage stellen: Was will
ich? Wo trage ich mich in die Karte des sozialen,
sexuellen und musikalischen Genießens ein? Das Berghain
ist ein Ort, an dem man lernt, seinem eigenen Begehren ins
Auge zu schauen."
(Alexis Waltz, 2009, S.132) |
Die neue Feierkultur zwischen Protest und
Anpassung an die neue Arbeitswelt
DJ-Culture hieß
eine erste wissenschaftliche Arbeit, die den DJ in den
Mittelpunkt stellte. Es ging um eine Ästhetik-Geschichte, die
jedoch den Arbeitsalltag eines DJs ausklammerte. Dies
kritisierte bereits Rainald GOETZ in der Erzählung Rave.
Rave
"Ich
dachte an Ulf Poschardt und sein Buch »DJ-Culture«. Was da
total fehlt ist die reale PRAXIS, die Kultur und Kunst des
handwerklichen Tuns des Mischens und des Mixens, des
Cuttens und des Scratchens.
Diese Kultur beginnt
zuhause beim Erlernen der Kunstfertigkeit dieses realen
Handwerks, mit zwei verschiedenen Plattenspielern
gleichzeitig EINE Musik zu machen.
Wie erlernt man dieses schöne, alte Handwerk? Wie das
meiste, Freund, ganz einfach nur durch Zuschauen und
Nachmachen. Beim Zuschauen kommt es hier auf die
Beobachtung der vielleicht schwierigsten Geistesaktivität
an: des ZUHÖRENS."
(1998, S.82) |
In einem Beitrag für die
Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte aus dem Jahr
2008 über den Arbeitsalltag einer Kultfigur folgt der Soziologe
Ronald HITZLER und Mitherausgeber des Sammelbandes
Techno-Soziologie dieser Kritik von GOETZ und beschreibt das
Handwerk des DJ.
Arbeitsalltag einer Kultfigur: Der Techno-DJ
"Der
Arbeitsplatz des DJs befindet sich auf der so genannten
»DJ-Bühne«, einer im Verhältnis zur Tanzfläche zumeist
leicht erhöhten Plattform am Rande derselben, die dem DJ
und den Tanzenden eine relativ gute Sicht auf einander
ermöglicht. Die DJ-Bühne wird dominiert vom so genannten
»DJ-Pult«, einem in der Regel tischhohen Gestell mit einer
ebenen Arbeitsfläche. Darauf ist, normalerweise mittig,
ein Mischpult mit zahlreichen Drehknöpfen und
Schiebereglern (»faders«) angeordnet, mittels derer beim
Mischen das Klangbild und die Lautstärke zweier
Musikstücke (»tracks«) angeglichen bzw. abgestimmt, das
heißt klanglich gefiltert, werden kann. Links und rechts
vom Mischpult befindet sich normalerweise jeweils
(mindestens) ein Plattenspieler mit einem »Pitchregler«
(oder »pitcher«) zum Beschleunigen und Verlangsamen der
Laufgeschwindigkeit der jeweiligen Platte.
Zur Grundausstattung des Arbeitsplatzes (Mischer und zwei
Plattenspieler) gehören außerdem ein bis zwei zum DJ hin
ausgerichtete Lautsprecher (Monitorboxen)."
(Aus Politik
und Zeitgeschichte Nr.52 v. 22.12.2008) |
Die
Arbeitsplatzbeschreibung von HITZLER gilt mittlerweile nicht
mehr für alle DJs, denn auch der Arbeitsplatz des DJs ist einem
technologischen Wandel unterworfen. Und es ist eine Berliner
Firma, die dafür verantwortlich ist, dass immer mehr DJs einen
Laptop benutzen.
Lost and Sound
"Gut zwanzig Jahre lang
hat die Vinylplatte überlebt, weil die Dance Musik dieses
Medium nicht aufgeben wollte. Techno und House waren das
auf der einen, HipHop auf der anderen Seite. Genres, in
denen die DJs das Format bestimmen. (...). Und
jetzt? Während die Vinylschallplatte ein höchst
erstaunliches Comeback erlebt (...), hören immer mehr DJs
auf, Vinyl aufzulegen. Stattdessen nutzen sie ihr Laptop".
(2009, S.235) |
Wir werden noch darauf
zurückkommen, dass Berlin nicht nur für eine neue Feierkultur
verantwortlich ist, sondern auch die technologische Entwicklung
auf dem Gebiet des Techno wird in Berlin vorangetrieben. Der DJ
wird in manchen Büchern als Schamane oder hoher Priester
beschrieben. RAPP liegt solches Pathos fern, wenngleich er sein
Sujet leidenschaftlich vertritt. Wenn es in dem Buch einen DJ
gibt, der eine Hauptrolle spielt, dann ist es Ricardo VILLALOBOS,
aber auch sein Anteil wird durch andere Aspekte relativiert.
Immer wieder geht es im Buch von RAPP darum die einzigartige
historische Konstellation hervorzuheben. Das Neue wird nicht von
einem einzelnen Protagonist - wie z.B. dem DJ hervorgebracht,
sondern es muss vieles zusammenkommen.
Die Ausdehnung des Feierns
Die Internationalisierung
der Techno-Szene fiel mit verkehrstechnischen Entwicklungen
zusammen, ohne die die neue europäische Ausgehgeografie nicht
denkbar gewesen wäre. Und diese Veränderungen betrafen nicht nur
die Raver, sondern auch die DJs. Neben den Easyjetraver trat der
Easyjet-DJ. Und einer dieser DJs sorgte für die Ausdehnung des
Feierns.
Lost and Sound
"Wenn man einen Moment
in den nuller Jahren festlegen müsste, an dem zum ersten
Mal klar wurde, wie sehr die Billigfluglinien und die
billigen Berliner Mieten das Nachtleben veränderten, wie
international die Berliner Szene in kürzester Zeit
geworden war, dann dürften das die M-Partys gewesen sein,
die ab 2004 im WMF-Sommerlager stattfanden. (...) Das »M«
stand für »Mittwoch«, weil die Party immer am Mittwoch
stattfand, dem ersten Mittwoch im Monat - wenn man den
Zettel umdrehte, stand das »W« für »Wednesday«. (...) Es
war die Party von Dave Turov und was sie so besonders
machte, war nicht nur, dass der Eintritt trotz der vielen
sehr bekannten DJs kaum der Rede wert war. Sondern vor
allem, dass so gut wie keine Deutschen da waren. Dafür
wimmelte es von DJs, Produzenten und anderen Musikleuten
aus aller Herren Länder. Hier versammelten sich die
Briten, Amerikaner und anderen Zugezogenen, die gerade in
die Stadt gekommen waren und zusammen feiern wollten."
(2009, S.95f.) |
Für Kneipengänger ist der
Mittwoch ein typischer Ausgehtag. Für den Partygänger war das
jedoch ungewöhnlich, denn das Wochenende begann erst mit dem
Donnerstag und endete spätestens mit der Afterhour am Montag.
Dieser
neue Party-Mittwoch war jedoch nicht allein deswegen wichtig,
sondern neben der besseren Auslastung der Clubs, eröffnete sich
für die DJs ein neues Experimentierfeld. Kommerz und Avantgarde
schlossen sich für die großen Clubs nicht mehr aus.
Lost and Sound
"Es hat etwas angenehm
Beiläufiges und zugleich etwas Extremes, mittwochs
auszugehen, nicht zuletzt wegen des
parallelgesellschaftlichen Charmes. Im Grund öffnet sich
hier ein Raum, der zwei Gruppen in ziemlich reiner Form
zusammenführt, die man so ohne Weiteres nicht zusammen
denken würde: die DJs und die Ausgehtouristen. (...). Die
Nacht bezieht ihre Dynamik daraus, dass die DJs das Gefühl
haben, ziemlich frei experimentieren zu können, während
die Ausgehtouristen (...) tanzen, als gäbe es kein Morgen.
Schließlich sind sie ja vor allem deshalb in die Stadt
gekommen."
(2009, S.24f.) |
Aber die Konsequenzen
waren noch weitreichender, denn es fand eine einzigartige
Konzentration statt, die Berlin für immer mehr Macher der
Techno-Szene attraktiv machte. In Berlin sammelte sich in den
vergangenen Jahren ein gewaltiges Innovationspotenzial an.
Lost and Sound
"Man muss
nicht mehr dort wohnen, wo man spielt. Was bedeutet, dass
viele DJs sich erlauben können, nach Berlin zu ziehen
(...). Für manche DJs steigert der Umstand, in Berlin zu
wohnen, sogar den Marktwert.
Die Folgen in den letzten Jahren waren gewaltig. Viele
Hundert DJs, Produzenten und Labelmacher sind nach Berlin
gezogen. (...).
Die Szene, die in den Neunzigern weltweit noch mehrere
Zentren hatte und sich auf Städte wie Chicago, New York,
London, Manchester, Sheffield, Paris, Frankfurt und Köln
verteilte, konzentriert sich mittlerweile sehr stark auf
Berlin."
(2009, S.90f.) |
Wirklich neu ist diese
Arbeitsmigration für Großstädte nicht. Zuzug war von jeher das
Lebenselixier der Städte - was die konservative Zunft der
Bevölkerungswissenschaftler schon immer negativ bewertetet hat.
In diesem Zusammenhang muss man auch die vergangenen 40
Jahre sehen, in denen gemäß RAPP Berlin den Ruf einer
Underground-Hauptstadt hatte.
Lost and Sound
"Dieser Ruf der ewigen
Underground-Hauptstadt haftet Berlin seit gut vierzig
Jahren an. Und ungefähr genauso lange ist der Berliner
Underground eine Zuwanderungskultur. Ob es die Studenten
und die Wehrdienstverweigerer sind [mehr], die Autonomen und die
Lebenskünstler jeder Art, die berühmten Schwaben, die erst
Kreuzberg übernahmen und dann Berlin-Mitte - ohne diesen
konstanten Zuzug hätte Berlin popkulturell keinerlei
Strahlkraft entwickelt. Einzige Ausnahme dürften die Krawallrapper der vergangenen Jahre sein, die meist
tatsächlich Berliner sind, wenn auch häufig mit Eltern,
die eingewandet sind.
Diese Kulturen standen immer im steten Austausch mit dem
Rest des Landes. Wenn auch eher über die Mitfahrzentralen
oder per Anhalter als mit dem Flugzeug. In den Achtzigern
waren es die Freunde »in 36«, die man besuchte (Sven
Regeners Der kleine Bruder erzählt eine schöne
Geschichte darüber), in den Neunzigern
kannten viele west- und ostdeutsche Szenetouristen Leute,
die »im Osten« wohnten. Viele dieser Besucher blieben dann
selbst in Berlin hängen. Das ist heute noch genauso. Nur,
dass sich dieser Prozess europäisiert hat."
(2009, S.98f.) |
Leben im Loop - Die Feierkultur als Protest?
Die neue Feierkultur hat
nach RAPP den Stellenwert der Afterhour verändert, d.h. die Zeit
nach der eigentlichen Party
Lost and Sound
"In den Neunzigern
hatten diese Stunden ihren eigene Soundtrack: Ambient -
beatlose Sphärenmusik zum Wohlfühlen. Interessanterweise
ist dieser Sound heute fast vollkommen ausgestorben, und
mit ihm die Chill-out-Räume, die es früher in vielen Clubs
gab. Minimal Techno und Minimal House ist an die Stelle
getreten - reduzierte Tanzmusik, die auf einfachen und
endlosen Wiederholungsmustern beruht.
Das passt, denn die Afterhour ist ein Leben im Loop. Der
Konsum eines solchen Nachmittags erzählt keinen
Entwicklungsroman. (...). Darum geht es in der Afterhour
nicht - sie handelt vom Weitermachen, von der ziellosen
Bewegung. Von der Selbstverschwendung, vom schönen
Fertigsein."
(2009, S.156) |
Viel zu dieser neuen
Feierkultur hat der DJ Ricardo VILLALOBOS beigetragen, den RAPP
besonders verehrt. Auslöser für die Neugewichtung war jedoch
auch das Verschwinden des Techno-Clubs Ostgut, der 2002
schließen musste. Dadurch wurde die dazugehörige Techno-Szene
quasi heimatlos. Das
Leben im Loop - wie es weiter oben von LOTTMANN beschrieben
wurde, kann man auch als Protest oder Verweigerungshaltung
verstehen, die mit einem bestimmten Politikverständnis
einhergeht, das auch von einigen anderen Szenen geteilt wird.
Lost and Sound
"Haben Tocotronic auf
ihrem Album nicht auch äußerst eloquent zur »Kapitulation«
aufgerufen?
Geistert der Schreiber Bartleby aus Melvilles
gleichnamiger Erzählung nicht seit Jahr und Tag durch die
verschiedensten Zusammenhänge mit seinem berühmten Satz »I
would prefer not to«? Ist die Vorstellung des Exodus nicht
ein zentrales Thema, wenn Negri und Hardt eine Politik der
Multitude skizzieren?
Darauf läuft es
hinaus."
(2009, S.120) |
Ist eine solche
Verweigerungshaltung ein typisch männliches
Verhalten? Denn auffällig ist, dass die Techno-Szene wie andere
Clubkulturen auch, eher von Männern getragen werden. Frauen
kommen bei RAPP nur selten zu Wort. Es gibt z.B. ein Interview
mit einer ehemaligen Clubbeauftragten des Senats und einige Raverinnen werden porträtiert. Ansonsten gehören sie als
Freundinnen zur Entourage von DJs und sonstigen Machern der
Szene. Es ist also eine Jungswelt. Linke Kritik an der
Techno-Szene gab es deshalb vor allem von Frauen. So z.B. in dem
Buch Mainstream der Minderheiten oder in einem
Spex-Artikel aus dem Jahre 2007 von Sonja EISMANN zum Thema
20 Jahre Rave.
Die digitale Bohème als Trägermilieu der neuen
Feierkultur
Eine
der vier Gruppierungen, die die neue Feierkultur
tragen, sind die "Mittis", zu denen die so genannte "digitale
Bohème" zählt, die durch Publikationen der Zentralen
Intelligenzagentur in den Medien viel Aufmerksamkeit
erfahren hat. Auch wenn ihre Lage teils prekär ist, sehen sie
eher die Chancen ihrer Arbeitssituation. Kommt die neue
Feierkultur also den Freiberuflern der neuen
Dienstleistungsbranchen entgegen?
Lost and Sound
"Fast alles Menschen
aus der modernen Dienstleistungsbranche (...). Leute, die
zum Teil sehr viel und sehr hart arbeiten. (...).
Ob die Afterhour, diese neue Organisationsform des
Feierns, mit dieser Daseinsform zusammenhängt? Einem
Leben, in dem das Wochenende nicht mehr das Ende und der
Zielpunkt - das Andere - von Arbeitstagen ist, die von
entfremdeter Maloche in Büro und Fabrik geprägt werden,
sondern lediglich das mehr oder weniger selbstbestimmte
Wegarbeiten diverser Aufträge eine Weile unterbricht, aber
eigentlich derselben Existenzordnung angehört?
Die Musik spricht auf jeden Fall dafür. Es läuft Minimal
Techno". (2009, S.160) |
Die Kultur der
Festanstellung, wie sie für die traditionelle Angestelltenkultur
typisch ist, wird in diesen Kreisen eher belächelt. An einer
Stelle des Buches wird von RAPP auf diese After-Work-Kultur
hingewiesen. Die Passage spricht für sich.
Lost and Sound
"In den Neunzigern kam
einmal der Begriff des Handbag House auf, eine abwertende
Bezeichnung für süßliche House Music, mit der man sich
über den Musikgeschmack einer bestimmten innerstädtischen
After-Work-Club-Angestelltenkultur lustig machte, über
Sekretärinnen, die ihre Handtaschen auf die Tanzfläche
stellten und um sie herumtanzten. So wie an diesem Abend
im Weekend eine ganze Gruppe junger Frauen Anfang zwanzig.
Das sieht süß aus und erinnert entfernt an die
Interrail-Touristen früherer Jahrzehnte, die auf
Bahnsteigen ihre Rucksäcke aufeinanderstapelten, um dann
drumrum zu sitzen und zu kiffen. Allerdings läuft kein
Handbag House (und auch kein »Friseusen-Elektro«, die
deutsche Entsprechung). Der DJ spielt Minimal House, alles
andere als »Sekretärinnenmusik«."
(2009, S.75) |
Ist die neue Feierkultur eine Jugendkultur?
Auffällig an der
Techno-Szene ist, dass die Raver und Raverinnen eher jünger
sind. Wenn sie älter sind, dann arbeiten sie meist in der einen
oder anderen Weise in der Musikbranche oder in den zugehörigen
Medien. Oder sie sind eher Teilzeit-Raver, die an der
Feierkultur nur in einem sehr eingeschränkten Sinne teilnehmen.
In den großstädtischen Szenenvierteln gibt es aber immer einige
Postadoleszenten, die den Absprung nicht schaffen
.
Wer zu den
Festangestellten mit starren Arbeitszeiten gehört oder Kinder hat, der gehört selten
zum harten Kern der Feiergemeinde. Im Buch befindet sich ein
Interview von Anton WALDT, in dem er eine Ravermutter und ihr
Kind befragt, das deutlich die Grenzen einer solchen Lebensweise
aufzeigt. Und RAPP deutet
auch an, dass die Integration solcher Menschen bislang nicht
gelungen ist.
Lost and Sound
"Es hat in den letzten
Jahren in Berlin einige Versuche gegeben, dem älter
gewordenen Feierpublikum Ausgehmöglichkeiten zu eröffnen,
die ihren neuen Lebensumständen - Beruf, Kinder -
entgegenkommen. Gerade am Sonntag. (..) Wirklich
funktioniert hat das in Berlin bisher noch nicht."
(2009,
S.152) |
Techno schafft auch außerhalb der Clubs
Arbeitsplätze
Eine andere Möglichkeit
Teil von Techno zu bleiben, ist das Arbeiten in Firmen, die im Umfeld der Club-Kultur entstanden sind.
Berlin hat hier z.B. im Bereich der Musiksoftware einiges zu
bieten. Ableton hat die Produktion von Musik revolutioniert und
Traktor Scratch verändert den Arbeitsplatz von DJs.
Lost and Sound
"Arbeit bei einer Firma
wie Ableton ist auch eine Möglichkeit, Teil von Techno zu
bleiben, wenn man sich nicht mehr die Nächte um die Ohren
schlagen kann oder will. Und Ableton ist nicht die einzige
große Berliner Musiksoftwarefirma, die aus der Technoszene
hervorgegangen ist. Die andere ist Native Instruments, sie
stellt Traktor Scratch her, ein Programm, das es dem DJ
erlaubt, das Auflegen von Schallplatten am Computer zu
simulieren. Auch bei Native Instruments arbeiten ehemalige
DJs."
(2009, S.231) |
Noch am ehesten denkt man
an die Plattenläden oder Labels. Seit 1999 sind viele bekannte
Techno-Labels aus anderen Städten nach Berlin umgezogen. Die
Verbindung von Club und Label ist in Clubs wie dem Berghain
sehr eng. Und auch die Plattenläden selber haben immer noch eine
wichtige Funktion, wie z.B. beim Berliner Hardwax.
Lost and Sound
Manchmal " wird ein
Plattenladen auch selbst zur kreativen Kraft. Gerade im
Bereich Techno und House waren in den vergangenen zwanzig
Jahren immer wieder Plattenläden die Institutionen, um die
herum sich ein Haufen Begeisterter sammelte, um etwas
Eigenes zu machen. Am prominentesten wahrscheinlich
Kompakt in Köln. Irgendwann einmal als Filiale des
Frankfurter Delirium gestartet, ist es heute ein riesiges
Techno-Imperium, das die verschiedensten Labels, einen
international operierenden Vertrieb, eine Booking-Agentur,
einen Verlag und Studios umfasst. Alles in einem Gebäude:
die Factory von Köln, das Bauhaus des Minimal Techno.
Beim Hardwax ist es ganz ähnlich."
(2009, S.246) |
Fazit:
Das lesenswerte Buch von Tobias Rapp zeichnet ein
sehr facettenreiches Bild von Berlin als Welthauptstadt des Techno
Dem Buch Lost and Sound
von Tobias RAPP wurde in diesem Rezessionsessay breiten Raum
eingeräumt und dennoch konnten nicht alle erwähnenswerten
Aspekte angesprochen werden. Dies allein zeigt bereits, dass
dieses Buch sehr viele Facetten anspricht.
Die
Techno-Szene lässt sich nicht auf Musikstile, eine Drogenkultur,
oder eine Feierkultur reduzieren. Das Berliner Techno-Universium
ist zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor der Stadt geworden.
Techno
hat bereits einige Krisen durch gestanden, hat sich jedoch
immer wieder erneuert. Für die nuller Jahre hat Tobias RAPP
überzeugend gezeigt, dass Techno in Berlin noch immer sehr lebendig ist. Das
Buch ist allen zu empfehlen, die an der Berliner
Stadtentwicklung interessiert sind. Sozial- und
Kulturwissenschaftlern bietet das Buch Anregungen für zahlreiche
interessante Fragestellungen wie hier aufgezeigt wurde. Und
nicht zuletzt ist das Buch verständlich und spannend
geschrieben. Wer sich bislang noch nicht für die Techno-Kultur
begeistern konnte, der wird vielleicht durch das Buch Lost
and Sound dazu
verführt.
Das
Buch ist eine Momentaufnahme. Das Berlin der nuller Jahre wurde
durch eine ganz bestimmte historische Konstellation für die
Techno-Szene bedeutend. Diese Konstellationen können und werden
sich verändern. Manches was im Buch beschrieben wird, ist
vielleicht bald schon Vergangenheit, anderes dagegen wird sich
weiterentwickeln.
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