Sommerzeit
- Singlezeit. Seit den 70er Jahren ist es zu
einem alljährlichen Ritual geworden. Im medialen
Sommerloch werden die Singles wieder entdeckt. Die
Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel widmet den
Singles sogar eine 14tägige Serie. Dem
Stern sind die Singles eine Coverstory wert. Andreas ALBES macht
in dem Artikel Die
Schatzsucher einen neuen Trend aus:
Wie Singles heute Partner finden
"wer allein lebt, hat den neuesten Trend
verpennt: Solo ist out, Familie wieder in". |
Diesen Trend haben
Zeitgeist-Magazine wie Wiener und Tempo jedoch
bereits vor einem
Jahrzehnt verkündet. In den Massenmedien hatte dagegen die Rede
von der "Krise der Familie" Konjunktur.
Weit
verbreitet ist die Zahl von 13 Millionen Singles,
die in Deutschland leben. Wenn man Singles jedoch
wie im Stern-Artikel als
alleinlebende
Partnerlose im Alter zwischen 25 und 55 Jahren
versteht, dann kommt man auf wesentlich
niedrigere Zahlen. ALBES nennt eine Zahl von 4
Millionen Singles. Dabei kann es sich jedoch nur
um eine Schätzung handeln, denn exakte
statistische Zahlen existieren nicht.
Geht es um
Partnersuchende, dann sind beide Zahlen wenig
aussagekräftig. Alleinerziehende ohne
Partner werden statistisch nicht zu den
Alleinlebenden gezählt, weil sie mit einem Kind
zusammenleben. Dieser Familienbias der Statistik
verhindert den Blick auf das Paar. Dies trifft
auch für Partnersuchende in
Mehrpersonenhaushalten zu. Wer noch bei
der Familie lebt, der ist kein Single, auch wenn
er partnerlos ist und einen Partner sucht.
Das
Paar kommt erst richtig in den Blick der
Statistik, wenn es verheiratet ist, die
tatsächlichen Lebensverhältnisse werden deshalb
nicht annähernd erfasst. Wenn die "Branche
der professionellen Kuppler wächst und
wächst", dann liegt dies nicht unbedingt an
den Singles, wie sie gerne in den Medien
dargestellt werden, sondern an einer heterogenen
Gruppe von Partnersuchenden. Die
Zahlenangaben im Artikel beziehen sich auch nicht
unbedingt auf die oben genannte Gruppe der allein lebenden Partnerlosen im Alter von 25 und
55 Jahren.
Wenn
Berlin
als "Deutschlands Single-Hauptstadt"
bezeichnet wird, dann bezieht sich dies auf die
Gesamtzahl der Einpersonenhaushalte in Berlin. Wie viele unverheiratet zusammenwohnende Paare in
diesen
"Single-Haushalten" leben, weiß niemand so recht.
Die
größte Gruppe stellen jedoch die allein lebenden
Witwen und diese passen so gar nicht zum
Yuppie-Bild,
denn Singles sind "Spitzenreiter in der
Einkommenshitliste". Passend hierzu kommen
im Stern ein Absolvent einer Filmhochschule, ein
Anästhesist, ein Grafiker, ein Ex-Model, eine
Regisseurin und Cutterin sowie eine
BWL-Studentin, die nebenher ein Wirtshaus führt,
zu Wort.
Partnersuchende
gehören jedoch keinesfalls per se zu den Besserverdienenden. Die
Einkommensangaben im Artikel sind bei Stefan HRADIL (1995) Die "Single-Gesellschaft"
nachzulesen.
Die "Single-Gesellschaft"
"Die
bislang verfügbaren Daten erlauben es noch nicht, die
Grundfrage nach der Dauer des Single-Daseins exakt zu
beantworten. Hierzu sind Längsschnittuntersuchungen
notwendig. Dafür kommt als einzige Datenquelle in
Deutschland nur das 'Sozioökonomische Panel' in Frage.
Dieses reicht jedoch erst 8 Jahre zurück."
(1995, S.27) |
Die Daten sind im Rahmen
des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahre 1991 erhoben
worden. Sowohl Partnerlose in Familienhaushalten als auch
Alleinerziehende der Altersgruppe 25 - 55 Jahre gehören zu
jenen, die finanziell schlechter gestellt sind. Wenn es um den
Lebensstandard geht, dann ist nicht das persönliche
Bruttoeinkommen entscheidend, sondern das
Pro-Kopf-Haushaltseinkommen. Und hier ist ebenfalls bei HRADIL
nachzulesen, dass Alleinwohnende "hinter die Spitzenreiter, die
verheirateten und unverheirateten Paare ohne Kinder"
zurückfallen. ALBES
schreibt weiter: "wer solo ist, lässt sich
lieber Zeit für die Partnersuche. Laut Statistik
lebt die Hälfte der Singles sechs Jahre und
länger allein." Bei HRADIL (1995) heißt
es: "daß von den Singles des Jahres 1991
(...) die Hälfte (47 %) schon mindestens 6 Jahre
lang allein lebte" (1995, S. 27). HRADIL spricht
hier jedoch nur von Singles im Sinne von
Personen, die einen Einpersonenhaushalt führen
und nicht von allein wohnenden Partnerlosen. Auf
die Häufigkeit von Alleinwohnenden mit fester
Partnerschaft geht HRADIL aufgrund der
unzureichenden Datenlage in seinem Buch nur kurz
ein. Hier könnten jedoch die Ergebnisse des
Familiensurveys, das vom Deutschen Jugendinstitut
durchgeführt wurde, weiterhelfen. Die
Dauer
der Partnerlosigkeit ist nicht unbedingt
identisch mit der Dauer des Alleinwohnens. Dies
würde voraussetzen, dass Paare sofort
zusammenziehen. Manche Partnerschaften existieren
jedoch viele Jahre, ohne dass die Partner jemals
einen gemeinsamen Haushalt gegründet hätten. Längsschnittuntersuchungen, die über einen
längeren Zeitraum auch Partnerschaften ohne
gemeinsamen Haushalt erfassen, fehlen immer noch.
Es gibt erst wenige Untersuchungen, die sich mit
diesen Paarformen beschäftigen. Gegenwärtig
läuft z.B. ein Forschungsprojekt zur
"Beruflichen Mobilität und
Lebensform", in dessen Rahmen auch
Partnerschaften ohne gemeinsamen Haushalt
erforscht werden. In
dem Artikel Die Gesetze des Glücks von
Horst GÜNTHEROTH werden vor allem die
biologischen Aspekte der Partnerwahl beleuchtet.
Entscheidendes Kriterium der Partnerwahl
ist die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau und die
Schutz- bzw. Versorgungsfunktion des Mannes.
Sozio-kulturelle oder sozialspychologische Aspekte sind nur im
Hinblick auf den Vermehrungserfolg von Bedeutung. Da nicht jeder
seinen Traummann bzw. seine Traumfrau finden kann, müssen
Kompromisse nach dem ökonomischen Marktmodell geschlossen
werden. Den eigenen Marktwert kann man auch gleich mittels
"Test" ermitteln. Die
Motive der Partnerwahl bei Paaren, die sich nicht dem
traditionellen Rollenmodell verpflichtet fühlen, bleiben hier
jedoch unberücksichtigt. Genauso wenig werden die Motive von
gleichgeschlechtlichen Paaren oder Paaren, die kinderlos bleiben
wollen, erklärbar. Solche Paarformen erscheinen in dieser Sicht
nur als Ausdruck fehlgeschlagener Partnerwahl, oder?
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
Die
Single-Debatte ist längst in eine Sackgasse geraten. Dies
wird in diesem Buch u.a. der Individualisierungsthese des
Münchner Soziologen Ulrich Beck angelastet.
Das Buch
sollte als Beitrag zur Versachlichung der Debatte
verstanden werden und liefert deshalb Argumente für eine
neue Sichtweise auf das Single-Dasein im Zeitalter der
Demografiepolitik.
(Klappentext, 2006) |
|