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Zitate
aus der Debatte um die Spaßgesellschaft
Hass auf die Massen "Die
Spaßgesellschaft ist das schlechthin Falsche, und die
Speerspitze der Spaßgesellschaft ist das Fernsehen. Nun ist
das Fernsehen als Massenmedium immerhin schon fast ein
halbes Jahrhundert alt, und noch immer zieht es die Wut der
Intellektuellen und Schriftgelehrten auf sich wie am ersten
Tag.
Und da haben sie auch ganz Recht, denn das Fernsehen ist das
erste Medium, das sich nicht nur an die Massen wendet,
sondern ihnen gehört, von ihnen gemacht wird: von Hinz für
Kunz. Es ist immer noch das Massenmedium, in dem dank der
kommerziellen Kanäle der letzte Anspruch einer Bildungs- und
Erziehungsideologie verdunstet ist."
(Kurt Scheel im Tagesspiegel vom 02.09.2002)
Du musst dein
Leben ändern
"Noch nie verwandelte
sich eine Katastrophe so schnell in eine Erzählung. Die
Trümmer des World Trade Center rauchten noch, da standen
schon der Grundplot, die Charaktere und der Titel dieser
moralischen Erzählung fest: »Das Ende der Spaßgesellschaft«.
Ein knackiger Titel, der selbst irgendwie nach Hysterie,
nach Pop klang."
(Oliver Fuchs in der SZ vom 11.09.2002)
Wertvoll wie nie
"»Fun ist ein
Stahlbad«. Dieser schlecht gelaunte Unsinn hat uns (...)
auch die letzten Reste klassischer Kulturkritik vermiest.
Der Fun, er lebe hoch! Der Hang der Popkultur zum Billigen
und Schlechten, Bösartigen, Oberflächlichen und Anzüglichen
scheint uns so wertvoll wie nie zuvor.
(...).
Cat Stevens, konvertiert vom Pop zum Islam, wird gerade von
Madonna abgestraft, weil sie erklärtermaßen täglich seine
frühen Lieder zur Gitarre singt. Die sogenannte
Spaßgesellschaft ist unser hehres, unveräußerliches Gut."
(Michael Pilz in der
Welt v. 11.09.2002)
Ist Hallenski
ein Menschenrecht?
"Wo könnte eine Kritik
der Spaßgesellschaft ansetzen, deren Motor nicht das
Ressentiment gegen die kleinen Leute ist, nicht der Dünkel,
nicht die Angst vor der Allgegenwart des Körperlichen oder
den Versuchungen des Trivialen? Am besten bei den kleinen
Leuten selbst, dort, wo sie von der Spaßgesellschaft übers
Ohr gehauen werden.
Denn die Spaßgesellschaft ist nichts anderes als die
gesteigerte Leistungsgesellschaft. (...). Die
Spaßgesellschaft ist nicht sentimental und nicht sehr
barmherzig. Sie ist nicht aus Nächstenliebe so locker,
sondern weil sie die Produktivkraft Kreativität entdeckt
hat, die mehr Gewinn abwirft als » Fleiß« oder » Gehorsam«.
Die gute alte Sozialkritik: wie wäre es damit?"
(Harald Martenstein im Tagesspiegel vom 15.09.2002)
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11.
September 2002 - Ein Jahr nach dem Ende der Spaßgesellschaft
"Keine Atempause
Geschichte wird gemacht
es geht voran"
(Fehlfarben: "Ein Jahr (es geht voran),
1980)
Am 11. September 2001 rief Peter SCHOLL-LATOUR das
Ende der Spaßgesellschaft aus und ein Chor von Backroundsängern
wiederholte das altneue Motto Schluss mit Lustig.
Nichts sollte mehr so sein wie es war. Ein Jahr danach hat sich dagegen die Einschätzung
von single-generation.de bestätigt, dass alles so geblieben ist wie
es vor dem 11. September schon war. Die Schützengräben waren bereits unmittelbar nach
dem Fall der Mauer 1989 ausgehoben worden und seitdem
gibt es immer wieder neue Scharmützel, bei denen eine der beiden
Seiten kurzfristige Geländegewinne verzeichnen konnte, nur um
sie bald darauf wieder an den Gegner zu verlieren. Dieser
Stellungskrieg wird weitergehen - nur das ist heutzutage
wirklich sicher.
Der Bundestagswahlkampf 2002 - So viel Spaß war
nie
Edmund STOIBER war angetreten, um die
Spaßgesellschaft zu beenden. Ironie des Schicksals: Er
war dabei ausgerechnet auf die Spaßpartei FDP angewiesen. Die
jedoch stellte sich als echter Spaßverderber heraus.
Die Spaßbürger wählten dann doch lieber die alte
Spaßgesellschaft, statt sich den Spaß vermiesen zu lassen. Aber nach der Wahl, ist vor der Wahl. Und bei der
nächsten Wahl machen es alle bestimmt wieder besser!
Der Kulturkampf um die Spaßgesellschaft - Eine
Typologie der Teilnehmer
Im Kulturkampf um die Spaßgesellschaft lassen sich
grob vier Parteien unterscheiden:
1) Die Gegner der Spaßgesellschaft
Die Gegner
der Spaßgesellschaft sind so verschieden wie Peter SCHOLL-LATOUR,
Edmund STOIBER oder Horst W. OPASCHOWSKI.
Während OPASCHOWSKI seit
Mitte der 1980er Jahre seine Sicht von der Spaßgesellschaft
verbreitet, hat SCHOLL-LATOUR sie in den Zusammenhang vom
Zusammenstoß der Kulturen (HUNTINGTON) gestellt - also quasi
überdeutsch legitimiert. STOIBER dagegen hat innerdeutsch vergeblich
versucht diese Sicht politisch auch in Deutschland
durchzusetzen.
2) Die Anwälte der Spaßgesellschaft
Die Anwälte
der Spaßgesellschaft sind - anders als man meinen könnte - nicht
die Gegner der Gegner, sondern sie kämpfen den gleichen Kampf,
nur in einer anderen Arena bzw. auf einer anderen Ebene.
Diese Fraktion, deren
herausragende Plattform die Zeitschrift Merkur ist, hat gerade
ein Sonderheft zur Lage der Spaßnation herausgebracht.
Lachen. Über westliche
Zivilisation, herausgegeben von Karl Heinz BOHRER
(Flakhelfer-Generation) und Kurt SCHEEL (Single-Generation),
möchte dem westlichen Hedonismus seinen Schonraum erhalten:
Lachen
"Daß Lachen
und Demokratie miteinander zu tun haben, läßt sich (...) aus der
berühmten Formel der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
herauslesen: »the pursuit of happiness« kodifiziert den Anspruch
aller Menschen, nach Glück zu streben, und zwar nach ihrer
Vorstellung von Glück; in selbstbestimmter Weise zu leben, zu
lachen und sich zu vergnügen. Denn was das Glück des Einzelnen
ist, das soll er selbst bestimmen. Diese Formel ist das
Grundgesetz des westlichen Hedonismus geworden und seine
aktuelle Blüte oder Sumpfblüte ist die »Spaßgesellschaft«"
(Karl Heinz Bohrer & Kurt Scheel, Merkur
September/Oktober 2002) |
heißt es im
Editorial der Herausgeber.
Wenn die Anwälte der
Spaßgesellschaft nicht die Gegner der Gegner sind. Wen bekämpfen
Sie dann? Die dritte Partei!
3) Die Verfechter der Spaß-Lüge
Die Verfechter der Spaß-Lüge hängen dem Verdikt
an, dass es kein wahres Leben im Falschen gibt. Ihr
Fundament ist die Suhrkamp-Kultur, ihre Bibel ist die
Dialektik der Aufklärung und ihr Übervater ist Theodor W.
ADORNO. Kurt SCHEEL hat diesem Säulenheiligen den Kampf
angesagt:
Hass auf die Massen
"Hass auf die
Kulturindustrie und Verachtung der Massen haben diese Theorie
vergiftet. Und alle, alle diese Topoi des Verdammens und
Verfluchens sind frisch wie am ersten Tag und werden mit
unverminderter Wut heute wiederholt, wenn es gegen das Fernsehen
und die Spaßgesellschaft geht".
(Kurt Scheel im Tagesspiegel vom
09.02.2002) |
Das ist natürlich nicht unwidersprochen geblieben.
Jens JESSEN erwidert:
Grenzschützer des
Westens
"das Stichwort, unter dem sich die Angeklagten
ebenfalls sammeln lassen, heißt offenbar Kapitalismuskritik. Zu
dessen Topoi gehört seit Horkheimer und Adorno die Beargwöhnung
der Massenkultur; freilich nicht aus Verachtung der Massen,
sondern weil der Marxist sie als Instrument der Manipulation
sieht. Das aber ist augenscheinlich keine gewünschte Sichtweise
mehr",
(Jens
Jessen in der Zeit vom
26.09.2002) |
Nach diesen drei Elitenpositionen fehlt nur noch
die Partei, um die es hier immer wieder geht: die Masse.
4) Die Indifferenten
Diese Kinder
der Massen- und Mediendemokratie sind entweder die
Hätschelkinder der Spaßanwälte und heißen dann
Leistungsträger bzw. mündige Bürger oder sie sind die Problemkinder und heißen dann Hedonisten, Yuppies,
Narzissten oder gar Befriedigungsfaschisten.
Sie scheren sich einen Dreck
um den Kulturkampf der alten und neuen Machteliten, sondern
leben einfach ihr Leben, so lange man sie lässt.
Ihre Macht ist die
Kaufverweigerung und die Handhabung der Fernbedienung oder des
Abschalteknopfes. In Form von Quoten sind sie die Scharfrichter,
die über Sein oder Nicht-Sein der Medienbranche entscheidet.
Harald MARTENSTEIN
(Tagesspiegel, 15.09.2002) geht sogar so weit zu behaupten:
"»Spaßgesellschaft« ist nur ein anderes Wort für den kulturellen
Sieg des Proletariats".
Der Einzelne profitiert davon
offensichtlich nur wenig, oder wissen Sie noch, wer Zlatko ist?
Der Konsument kann nur darüber entscheiden, was andere ihm
vorsetzen, aber nicht selbst das Programm gestalten.
Im Zeitalter des Internets
könnte dies jedoch anders sein. Aber nicht das Internet, sondern
das altmodische Fernsehen ist das Medium, um das sich heutzutage
diese rückständige Debatte dreht.
Nach der Wahl ist vor der Wahl - Die
Kontroverse Familien contra Singles geht in die nächste Runde
Vor kurzem verkündete der Präsident des
Statistischen Bundesamts in Wiesbaden, dass die stärkste
Altersgruppen in Deutschland heute die 35- 40jährigen sind
(Saarbrücker Zeitung, 02.10.2002).
Die Jahrgänge der zwischen 1962 und 1967 Geborenen
kennzeichnet den Übergang von der Single- zur
Familien-Generation Golf.
Oder anders ausgedrückt: In diesem Lebensalter gibt
es die wenigsten Singles und die meisten Haushalte mit Kindern.
Es hat also durchaus bevölkerungsstatistische Ursachen, warum
das Familienthema diesmal zentral war. Und auch die nächsten
Jahre wird dieses Thema die Wahlkämpfe bestimmten.
Die Formel Singles = "Spaß"-Fraktion und Familie =
"Ernst"-Fraktion wird in Zukunft noch weniger stimmen als
heutzutage.
Die Jobkrise und die Spaßgesellschaft
Mit dem Schrumpfen der Neuen Mitte aufgrund
der Jobkrise erhält die verteilungs- und identitätspolitische
Debatte eine neue Dimension.
In der Mediendebatte wird oftmals betont, dass die
junge Leistungselite nicht aufgrund fehlender Leistung, sondern
wegen familienfreundlicher Regelungen entlassen wird.
Singles sind die Ersten, die von einem Boom profitieren, aber
auch die Ersten, die von einer Rezession betroffen sind.
Für die Single-Generation ist diese
Erfahrung nicht neu. Sie ist bereits Ende der 1970er bzw. Anfang
der 1980er Jahre (siehe
Von der Nutzlosigkeit erwachsen zu
werden) mit dem Problem der Akademikerarbeitslosigkeit
konfrontiert worden. Die Wirtschaftswunder-Generation Golf
dagegen steht vor ihrer ersten wirklichen Herausforderung.
Die HARTZ-Kommission hat bereits vor der Wahl ihre
singlefeindlichen Vorstellungen zur Neugestaltung des
Arbeitsmarktes vorgelegt. Kein Single kann jetzt sagen, er
wusste nicht, was ihn erwartet.
Entscheidend für die Zukunft der
Spaßgesellschaft ist die Frage inwiefern die "glücklichen" (Guillaume PAOLI)
und "unglücklichen" Arbeitslosen unter den neuen Bedingungen
integriert bleiben. MARTENSTEIN hat dies im bereits erwähnten
Artikel folgendermaßen formuliert:
Ist Hallenski
ein Menschenrecht?
"Der
Kapitalismus hat sich in einer von der Arbeiterbewegung
gezähmten Variante durchgesetzt, und die Spaßgesellschaft ist
das Ergebnis dieses historischen Kompromisses.
(...).
Sozialdemokratie und Gewerkschaften haben dafür gesorgt,
dass sogar die Arbeitslosen in einem gewissen Umfang am
Reichtum und am Spaßangebot der Gesellschaft teilhaben
dürfen. Im Gegenzug hat der Kapitalismus die traditionellen
Bindungen an Familie und Religion gelockert, die alten
Rituale zerstört und einen Teil der Arbeit in andere
Weltgegenden exportiert.
(Harald Martenstein im Tagesspiegel vom 15.09.2002)
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Auch wenn man
nicht in allen Punkten die Meinung von MARTENSTEIN teilt, der
Kern des Problems ist hier formuliert. Single-Generation.de wird
weiter über den Stand der Dinge berichten.
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