Einführung
Nach dem
Brexit in Großbritannien und dem Wahlsieg von Donald TRUMP war
die Stimmung vor den Wahlen in Frankreich aufgeheizt und die
Wahlen wurden in Deutschland zur Entscheidung über die Zukunft
Europas stilisiert. Zum Feindbild der deutschen Presse ist
deshalb der Rechtspopulismus des Front National (Abkürzung FN)
unter Marine Le PEN und der Linkspopulismus von Jean-Luc
MÉLENCHON (France
Insoumise,
Abkürzung: FI) geworden. Viele Frankreichberichte drehten sich
deshalb im Vorfeld der Wahlen um die so genannten Hochburgen
dieser beiden Parteien.
Daneben wurde ein Personenkult um den
von den Mainstreammedien bevorzugten Kandidaten Emmanuel MACRON
betrieben, dessen pro-europäische Haltung als herausragendes
Merkmal galt. Die Zeitungen der neuen Mitte sorgten sich
insbesondere um den Niedergang der bislang regierenden
Sozialisten, denen die Führerschaft innerhalb der zerstrittenen
Linken - trotz deren desaströsen Politik der Vergangenheit -
zugedacht wurde. Auch unter diesem Aspekt eignete sich Jean-Luc
MÉLENCHON als Feindbild par excellence. Ansonsten wurde die
"Republikanische Front" gegen den FN beschworen.
Die
deutsche Presse berichtete spärlich über das französische
Wahlsystem, teils sogar falsch
Die
Wahlberichterstattung der deutschen Medien war also in erster
Linie von deutschen Motiven geprägt, während die französische
Sicht unterbelichtet blieb. Es wurden kaum Fakten zum
französischen Wahlsystem geliefert, und wenn, dann waren sie
irreführend. Dies betrifft vor allem die Wahlen zur
Nationalversammlung, in denen die landesweiten Ergebnisse der
einzelnen Parteien im ersten Wahlgang im Vordergrund standen,
während in Wirklichkeit die Stimmen in den einzelnen Wahlkreisen
entscheidend sind. Nicht nur in der taz vom 7. Juni hieß
es z.B.:
"Die
Franzosen wählen in 577 Wahlkreisen jeweils einen Abgeordneten
in die Nationalversammlung. Es gibt zwei Runden: Erhält im
ersten Wahlgang am kommenden Sonntag keiner der Kandidaten mehr
als 50 Prozent, entscheidet eine Stichwahl eine Woche später.
Daran können alle Kandidaten teilnehmen, für die im ersten
Wahlgang mindestens 12,5 Prozent ihres Wahlkreises gestimmt
haben."
Dies ist
jedoch falsch. In der SZ stellt es dann Christian WERNICKE
am
13. Juni richtig dar:
"In nur vier
der 577 Wahlkreise gelang am Sonntag einem Kandidaten der
direkte Sieg. Er gewann die absolute Mehrheit und zugleich die
Stimmen von mehr als 25 Prozent der Wahlberechtigten. Hart sind
auch die Bedingungen für den zweiten Wahlgang: Qualifiziert sind
stets die beiden Erstplatzierten der ersten Runde. Theoretisch
könnte es auch Drei- oder Viererkämpfe geben - wenn diese
Kandidaten im ersten Durchgang mehr Stimmen holen als es 12,5
Prozent der Wahlberechtigten entspricht. Da aber rund 51 Prozent
der Franzosen diesmal nicht zur Wahl gingen, gibt es am 18. Juni
nur eine einzige solche
»Triangulaire«."
Wer sich
ausführlicher mit den Ergebnissen auseinandersetzen möchte, der
wird von der deutschen Presse im Stich gelassen, und ist
stattdessen auf die französische
Website des Innenministeriums
angewiesen. Diese ist nicht besonders benutzerfreundlich, wenn
man sich einen Überblick zu den einzelnen Kandidaten und
Parteien sowie den Wahlkreisen verschaffen will. Auch die
deutschen Medien tragen zur Verwirrung bei, weil sie für die
Parteien andere Abkürzungen als die Website benutzen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die einzelnen Kandidaten nicht nur
für eine Partei stehen müssen, sondern auch für Gruppierungen
stehen können. Für den ersten Wahlgang werden auf der Website
die Stimmen für 17 Gruppierungen bzw. Parteien aufgelistet.
Das
Deutsch-Französische-Institut (beste deutschsprachige Quelle
zu den Wahlen) zählt 4 linke Parteien, die bereits in der
Nationalversammlung vertreten sind, und France Insoumise auf,
und nennt deren Kandidatenanzahl beim ersten Wahlgang. Die
folgende Übersicht zeigt die wichtigsten linken Parteien:
Linke
Parteien |
Abgeordnetenzahl
2012 |
Kandidatenanzahl
1. Wahlgang |
Vereinbarungen
mit anderen Parteien |
La
France Insoumise (FI) |
- |
556 |
Keine gemeinsame
Kandidatenliste von
FI und PCF |
Parti
Communiste Français (PCF; COM) |
7 |
461 |
Parti Socialiste
(PS; SOC) |
280 |
414 |
Vereinbarungen mit
EELV und PRG |
Europe
Écologie-Les Verts (ECO; EELV) |
17 |
458 |
Vereinbarung mit PS |
Parti radical de
Gauche (PRG) |
12 |
62 |
Vereinbarung mit PS;
steht REM nahe |
Für die
rechten Parteien liefert das
Deutsch-Französische-Institut ebenfalls Fakten, die aus der
folgenden Übersicht ersichtlich sind:
Rechte
Parteien |
Abgeordnetenzahl
2012 |
Kandidatenanzahl
1. Wahlgang |
Vereinbarungen
mit anderen Parteien |
Les
Républicains (LR) |
199 |
480 |
Vereinbarung mit UDI |
Union des démocrates
et indépendants (UDI) |
28 |
148 |
Vereinbarung mit LR |
Debout la France
(DLF) |
1 |
388 |
Keine gemeinsame
Kandidatenliste von
DLF und FN |
Front
National (FN) |
1 |
571 |
Rassemblement bleu
Marine (FN) |
2 |
Auf
rtl.fr ist nachzulesen, dass von den 526 Kandidaten von
Republique en Marche (REM) und den Verbündeten von Mouvement
démocrate (Abkürzungen: MDM bzw. MoDem) im ersten Wahlgang nur 19 Kandidaten ausgeschieden sind.
Marseille - Hochburg des Front National oder von France
Insoumise?
Im umkämpften
Département
Bouches-du-Rhône mit der
Großstadt Marseille gibt es 16 Wahlkreise. Im
4. Wahlkreis des Départements Bouches-du-Rhône musste
Jean-Luc MÉLENCHON (FI) gegen 19 Kandidaten antreten. Folgende
Kandidaten waren dort aufgestellt:
1 - M. Jean KERGOMARD (DVG)
2 - Mme Jeanne MARTI (Front National; FN)
3 - M. Jean-Victor SHILLING-FORD (DIV)
4 - M. Ferdinand RICHARD (DVG)
5 - Mme Martine CARPENTIER (EXD)
6 - Mme Nora AKHAZZANE (DIV)
7 - M. Cyril BRET (DIV)
8 - Mme Corinne VERSINI (République en Marche;
REM)
9 - M. Léo Hassan TAHIRI (DIV)
10 - Mme Lydie GANDON (ECO)
11 - M. Jean-Luc MÉLENCHON (France Insoumise;
FI)
12 - M. Mohamed NAÏLI DIV
13 - M. Gabriel DUPLAIX DLF
14 - Mme Selma BOUDOUAYA DVD
15 - Mme Julie BOUHET-MASSIANI REG
16 - Mme Solange BIAGGI (Les Républicains; LR)
17 - Mme Isabelle BONNET EXG
18 - M. Halidi ABOUBACAR DVG
19 - M. Patrick MENNUCCI (Parti socialiste; SOC)
20 - Mme Zita ETOUNDI DIV
In der Presse berichteten
z.B.
Nadia PANTEL
(SZ 05.05.),
Helene BUBROWSKI
(FAZ 03.06.) und
Thomas HANKE (Handelsblatt Online v. 05.06.) über die Situation in Marseille.
Die Stadt Marseille ist in folgende 7 Wahlkreise (Nr. 1-7) mit
16 Arrondissements (Arr.) aufgeteilt:
Übersicht:
Die Kandidaten in den 7 Wahlkreisen von Marseille |
Wahlkreis |
Gewinner
2012 |
Stadtgebiet von Marseille |
Kandidaten im 2.
Wahlgang
(Sieger; Zweitplatzierter) |
1 |
Valérie
BOYER
(LR) |
11. und Teile des
10. und 12. Arr. |
Pascal CHAMASSIAN
(REM);
Valérie BOYER (LR) |
2 |
Dominique
TIAN (LR) |
7. und 8. Arr. |
Claire PITOLLAT
(REM);
Dominique TIAN (LR) |
3 |
Sylvie
ANDRIEUX
(SOC) |
13. und Teile des
12., und 14. Arr. |
Stéphane RAVIER (FN);
Alexandra LOUIS (REM) |
4 |
Patrick
MENNUCCI
(SOC) |
1., 2., 3. und
Teile des 5. und 6. Arr. |
Jean-Luc MÉLENCHON
(FI);
Corinne VERSINI (REM) |
5 |
Marie-Arlette
CARLOTTI
(SOC) |
4. und Teile des 5.
und 6. Arr. |
Cathy RACON-BOUZON
(REM);
Hendrik DAVI (FI) |
6 |
Guy
TEISSIER
(LR) |
9. und Teile des
10. Arr. |
Eléonore LEPRETTRE
(MDM);
Guy TEISSIER (LR) |
7 |
Henri
JIBRAYEL
(SOC) |
15. und 16. sowie
Teile des 14. Arr. |
Sophie GRECH (FN);
Saïd AHAMADA (REM) |
|
|
Den ersten Wahlgang haben nur 2 Kandidaten von France Insoumise überstanden, wobei der FI-Spitzenkandidat Jean-Luc MÉLENCHON
die größten Aussichten auf einen Einzug in die
Nationalversammlung hat. Der Begriff
Hochburg des FI ist einzig dadurch gerechtfertigt, dass die
Gruppierung in den anderen Gebieten noch schwächer
abgeschnitten hat. Die bislang regierenden Sozialisten jedoch konnten keinen einzigen
Vertreter ihrer Partei in Marseille durchbringen, sondern wurden
von den FN- und FI-Kandidaten verdrängt.
Der FN ist nur noch in zwei
der 7 Wahlkreise vertreten. Inwiefern diese beiden Kandidaten
auch im zweiten Wahlgang gegen die REM bestehen können, ist eine
der spannenden Fragen.
Das 7. Arrondissement wird seit den Kommunalwahlen 2014 von
einem FN-Bürgermeister regiert, dennoch - oder gerade
deshalb? - konnte dort der FN-Kandidat nicht gewinnen, sondern
landete abgeschlagen auf Platz 4. Erstmals durften nämlich bei
den Wahlen zur Nationalversammlung keine Bürgermeister mehr
antreten. 2012 waren noch 175 der 577 Abgeordneten gleichzeitig
Bürgermeister gewesen (vgl.
ND 10.06.).
Bei Marseille von Hochburgen
der beiden Parteien zu sprechen, ist also einzig und allein
aufgrund des schlechten Abschneidens der beiden Parteien in
anderen Landesteilen gerechtfertigt, nicht jedoch deshalb, weil
sie eine dominante Macht in dieser Stadt sind, die sich bei der
letzten Wahl zur Nationalversammlung die Republikaner und die
Sozialisten teilten. Inwiefern France Insoumise von hier aus
einen Siegeszug durch die Republik antreten kann, ist eine
Frage, die erst in den nächsten Jahren beantwortet werden muss.
Der Norden und der Osten als
Hochburgen des Front National und der Niedergang der Kohle- und
Stahlindustrie
Zahlreiche Berichte in den
deutschen Medien drehen
sich um den Rechtsruck der Arbeiterschaft in Frankreich, der vor
dem Hintergrund des Niedergangs der Industrie gesehen wird. Der
Front National wird in dieser Sicht meist als Erbe der
traditionellen Arbeiterbewegung betrachtet. Schauplätze von
Reportagen waren u.a. folgende Départements: Pas-de-Calais als
ehemaligem Zentrum der Kohleindustrie mit der
FN-Stadt Hénin-Beaumont (Welt
24.04.;
FAZ 03.06.;
ND 08.06.) und das Département Moselle (Lothringen)
als ehemaligem Stahl- und Kohlezentrum mit der
FN-Stadt Hayange (Wirtschaftswoche
21.04.;
FAZ
26.04.)
Die intellektuelle Debatte um
den Rechtsruck der Arbeiterschaft in Frankreich wurde
insbesondere durch das Buch
Rückkehr nach
Reims von Didier ERIBON befördert (mehr zu anderen
Aspekten des Buchs
hier).
Insbesondere die These, dass die Wahl des Front National ein
Notwehrakt sei, weil die Regierungslinke - also die bei der Wahl
abgestraften Sozialisten - durch ihren neoliberalen Kurs die
Arbeiter in die Arme des FN getrieben habe, war in Deutschland
sehr populär. Dies wirft jedoch die Frage auf, ob die
Sozialisten in Frankreich überhaupt als die Vertreter der
traditionellen Arbeiterschaft anzusehen sind.
Rudolf
WALTHER sieht dagegen die Kommunisten als die legitimen
Vertreter der Arbeiterschaft und kritisiert aus dieser Sicht die
Debatte. Als weitere Wortführer dieser Debatte wurden Éduard
LOUIS ("Das Ende von Eddy", z.B.
SZ 20.04.;
FAZ 22.04.) und die jetzt bereits im ersten Wahlgang
ausgeschiedene Kandidatin der Sozialisten
Aurélie
FILIPPETTI ("Das
Ende der Arbeiterklasse") beschrieben.
Das periurbane und periphere
Frankreich als Hochburg des Front National
Ein weiterer
Diskussionsstrang in den deutschen Medien nimmt seinen Ausgang bei der Migration, die
die Großstädte mit ihren Banlieues (taz
21.04.) so verändert hätten, dass die dort ansässigen
Bewohner entweder vertrieben (Stichwort: Gentrifizierung) oder
geflohen sind (Stichwort: Kriminalitätsrate, Muslimisierung).
Dafür steht die Reportage aus der
FN-Stadt
Villers-Cotterêts (SZ
19.04.)
und der Begriff "periurban". Die
FAZ
zählt dazu nicht nur den kleinstädtischen Ring um die Hauptstadt Paris, sondern
auch
die Départments Gironde (Bourdeaux),
Rhône (Lyon) und Haute-Garonne (Toulouse).
Der Geograf Christophe
GUILLUY spricht dagegen vom
peripheren Frankreich ("La France Peripherique", 2014) als Gegensatz zu den Metropolen und
hebt dabei die Strukturschwäche dieser Gebiete hervor, die von
den Segnungen des Wirtschaftswachstums abgehängt wurden. Dazu
gehören Reportagen über verödende Ortskerne in ländlichen
Gemeinden wie Vendoeuvres (FR
20.04.) bzw.
Guéret (FAZ
22.04.)
oder in Mittelstädten wie Albi (taz
19.04.). Aber auch der Kampf gegen die Deindustrialisierung
wie in Les Voivres in den Vogesen (NZZ
28.04.).
Grenzstädte
wie Chalampé im Elsass gelten ebenfalls als Hochburgen des FN,
wenngleich manche auch von ihrer Lage profitieren könnten (Welt
06.05.).
Der Kampf gegen
Werksschließungen wie in La Souterraine
im Département Creuse (SZ
22.05.)
oder Amiens (FAZ
22.04.) ist aber auch eine Mobilisierungsmöglichkeit für
linke Bewegungen (vgl. z.B.
DLF
27.03.).
Im Süden Frankreich spielen
wieder andere Aspekte eine Rolle für die Stärke des FN. Die so
genannten "Schwarzfüsse" ("pieds noir"), d.h. Algerienfranzosen, haben noch
eine Rechnung aus vergangenen Zeiten offen. Dies passt nicht in
die These vom Rechtsruck der Arbeiterschaft, weil hier der FN
nicht die Linke, sondern die Rechte beerbt. Dafür stehen Städte
wie Frejus und Marseille (NZZ
21.04.). Auch ist die Jugendarbeitslosigkeit in
Südfrankreich hoch wie eine Reportage aus Carcasonne zeigt (NZZ
04.05.).
Die
Kommunalwahlen 2014
haben der extremen Rechten nach einem
Bericht von Le Monde 14 Bürgermeisterämter beschert.
Folgende Gemeinden werden von Le Monde aufgeführt:
Übersicht:
Hier regiert die
extreme Rechte seit der Kommunalwahl 2014 |
Gemeinde |
Département |
Einwohnerzahl |
Partei |
Villers-Cotterêts |
Aisne |
rund 10.000 |
FN |
Marseille
(7. Arrondissement) |
Bouches-du-Rhône |
|
FN |
Beaucaire |
Gard |
fast 16.000 |
FN |
Beziers |
Hérault |
rund 75.000 |
RBM |
Hayange |
Moselle |
rund 15.000 |
FN |
Hénin-Beaumont |
Pas-de-Calais |
rund 25.000 |
FN |
Cogolon |
Var |
rund 12.000 |
FN |
Le Luc |
Var |
rund 10.500 |
FN |
Fréjus |
Var |
rund 53.000 |
FN |
Bollène |
Vaucluse |
rund 13.500 |
LDS |
Camaret-sur-Aigues |
Vaucluse |
rund 4.500 |
LDS |
Orange |
Vaucluse |
rund 29.500 |
LDS |
Pontet |
Vaucluse |
rund 17.500 |
FN |
Mantes-La-Ville |
Yvelines |
rund 20.000 |
FN |
|
Abk.: FN:
Front National; RBM: Rassemblement Bleu Marine; LDS: Ligue
du Sud |
Dies sind nicht die ersten Städte,
denn die extreme Rechte war auch vorher schon in französischen
Städten bei der Eroberung von Rathäusern erfolgreich.
"Im katholisch geprägten
Süden erobert der Front National erste Rathäuser: 1995 stellt
die Partei die Bürgermeister in Marignane, Orange und Toulon,
zwei Jahre später in Vitrolles",
berichtet Lilith VOLKERT in
dem Artikel
Wie der Front National eine "normale" Partei wurde (SZ
Online 07.02.17).
Margignane bei Marseille im Département Bouches-du-Rhône
wurde 1995 bis 2001 vom Front National regiert. Die Stadt Orange
wird seit 1995 von der extremen Rechte (Abk. Innenministerium:
EXD) regiert.
2014 erhielt die Liste der Ligue du Sud (LEXD) bereits im ersten
Wahlgang fast 60 Prozent der Stimmen. Die rund 34.000
Einwohner zählende Stadt Vitrolles bei Marseille im Département Bouches-du-Rhône
wurde 1997 bis 2002 von der ersten FN-Bürgermeisterin regiert.
2014 gewannen die Sozilisten im zweiten Wahlgang. Der FN kam nur
auf den zweiten Platz, ist aber mit 6 Sitzen im Stadtrat (conseil
municipal) vertreten. Von 1995 bis 2001 regierte der FN in
Toulon. Es war das erste und bislang einzige Bürgermeisteramt
einer Großstadt in Frankreich. Toulon zählte damals über 160.000
Einwohner und war die 13. größte Stadt. Der Focus titelte
damals:
Die Schande von Toulon. Die Zeit dagegen wies in
dem Artikel
Der Rassismus der Salons (ZEIT 01.09.1995) auf
die bürgerliche Rechte und deren Verfehlungen hin, die den Sieg
des Front National erst ermöglichten. Toulon ist die
Partnerschaft der deutschen Industriestadt Mannheim (mehr
hier).
"Von 36.697 Gemeinden (davon
943 mit mehr als 10.000 Einwohnern) hat der FN in weniger als
500 eigene Listen für die Kommunalwahlen von 2014 aufstellen
können" (S.4),
schreibt Jean-Yves CAMUS in
der Auftragsstudie
Der Front National (FN) – eine rechtsradikale Partei?
der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung vom April 2014. CAMUS
beschreibt den Erfolg des FN bei den Präsidentschaftswahlen 2012
in der periurbanen Zone Frankreichs folgendermaßen:
"Regionen Picardie (25,03
Prozent) und Nord-Pas de Calais im Norden Frankreichs und
Champagne-Ardenne (23,9 Prozent) und Lorraine (23,66 Prozent) im
Nordosten Hochburgen des Front National. Ebenso gute oder sogar
bessere Resultate erreicht der FN in der Region Provence-
Alpes-Côte d’Azur (23,87 Prozent) im Südosten und
Languedoc-Roussillon (23,454 Prozent) im Süden, mit
Spitzenwerten von 27,03 Prozent im Département Vaucluse und 25,5
Prozent im Département Gard. Es wäre allerdings falsch, diese
geographische Verteilung allein auf die lange Geschichte des FN
in diesen Departements und Regionen zurückzuführen. Sie steht in
engem Zusammenhang mit dem Anteil der unter der Armutsgrenze
lebenden Franzosen an der Wohnbevölkerung und dem der Einwohner
der sogenannten »periurbanen Zonen«. Dies sind Vororte, die 80
bis 90 Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt liegen und
deren Bewohner mit prekären sozialen Verhältnissen,
Abgeschnittenheit und massiver Deindustrialisierung zu kämpfen
haben." (S.7)
Jean-Yves CAMUS erläutert,
dass die Kommunalwahlen vom 23. und 30. März 2014 es dem FN
ermöglichten, die Hürde für die Aufstellung eines
Präsidentschaftskandidaten zu überspringen und berichtet darüber
welche rechtsextremen Parteien die 14 Bürgermeisterämter
errungen haben:
"Nach einer Wahl, die für die
Linke und besonders für die Sozialistische Partei mit einer
historischen Niederlage endete und bei der die UMP 162 Städte
mit über 10.000 Einwohnern erobern konnte, übernahm der FN elf
Kommunen, davon neun mit mehr als 10.000 Einwohnern. Vor dem
Hintergrund einer starken Wahlenthaltung (41 Prozent) kommt der
FN auf 16,9 Prozent der Stimmen in den 244 Gemeinden, in denen
er im zweiten Wahlgang antrat. Die Partei von Marine Le Pen
verfügt nun über 1.200 Stadträte und verstärkt somit ihre
Präsenz vor Ort, auch wenn es ihr noch nicht gelang, das von UMP,
PS und ihren jeweiligen Verbündeten beherrschte politische
System zu durchbrechen. Damit hat der FN die bisherige Hürde von
500 »Wahlpatenschaften« überwunden, die für die Nominierung
eines Kandidaten für die Präsidentschaftswahl notwendig ist.
Geographisch hat die FN in
Gemeinden gewonnen, wo die Partei bereits stark verankert war:
In Nordfrankreich wurde die Stadt
Hénin-Beaumont, der Stammsitz von Marine Le Pen, von Steve
Briois bereits im ersten Wahlgang erobert, in der Picardie, die
ebenfalls im Norden Frankreichs liegt,
Villers-Côterets und in
Lothringen Hayange, wo der neue
Bürgermeister Fabien Engelmann, ein ehemaliger
CGT-Gewerkschafter, sehr aktiv in dem anti-islamischen Verein
»Laizistischer Gegenschlag« agiert. Im Languedoc-Roussillon, im
Süden Frankreichs, eroberten Robert Ménard, Gründer und
ehemaliger Generalsekretär der Journalistenvereinigung »Reporter
ohne Grenzen«, für Rassemblement Bleu Marine ohne Schwierigkeit
Béziers und Julien Schnabel die
Stadt Beaucaire. Im Südosten
erhielt der FN in der Region Provence- Alpes-Côte d’Azur wieder
viel Zustimmung und gewann das 7.
Arrondissement von Marseille sowie die Stadt
Fréjus und die Gemeinden
Cogolin, Le Luc und Le Pontet.
In der Region Ile-de-France konnte der FN einzig in
Mantes-la-Ville durch die
Zersplitterung der linken Parteien die Wahl im zweiten Wahlgang
überraschend für sich entscheiden. Zu diesen Erfolgen der FN
müssen noch drei weitere Gemeinden hinzugefügt werden, die
fortan von der Ligue du sud geführt werden, einer extremen
Rechtspartei, die einzig in der Provence- Alpes-Côte d’Azur
vertreten ist: Orange, Bollène und
Camaret sur Aigues. Hier wurde der siegreiche Kandidat von
Marion Maréchal-Le Pen unterstützt. Insgesamt werden die
Rechtsextremen 14 Gemeinden verwalten." (S.10)
Alles in allem sind die
Erfolge des Front National - auch aufgrund des französischen
Wahlsystems - eher bescheiden, zumal die Partei - im Gegensatz
zur AfD in Deutschland - eine lange Geschichte hat. Die Erfolge
auf der kommunalen Ebene betreffen vor allem den Süden von
Frankreich, der nicht in die in Deutschland sehr populäre
Erklärung vom Rechtsruck der Arbeiterschaft passt. Der Front
National und die extreme Rechte beerbte hier vor allem die
Rechte und nicht die Linke.
Wie wahrscheinlich ist es, dass France Insoumise
einen Fraktionsstatus in der Nationalversammlung erhält?
Auf der
Website von France Insoumise werden 69 Kandidaten (darunter
67 eigene FI-Kandidaten)
in 33 Départements (incl. Ausland und Übersee) aufgezählt, die
noch für den zweiten Wahlgang zur Verfügung stehen. Aus der folgenden
Tabelle sind die Kandidaten ersichtlich:
Nr. |
Département |
Wahlkreis |
Partei |
Platzierung |
Gegenpartei
(Anzahl Duelle) |
1 |
Alpes de
Haute Provence (4) |
2 |
FI |
2 |
REM (1) |
2 |
Ariège
(9) |
1 |
FI |
2 |
REM (2) |
3 |
Ariège
(9) |
2 |
FI |
2 |
REM (3) |
4 |
Bouches-du-Rhône (13) |
4 |
FI |
1 |
REM
(4) |
5 |
Bouches-du-Rhône (13) |
5 |
FI |
2 |
REM (5) |
6 |
Charante (16) |
1 |
FI |
2 |
REM (6) |
7 |
Dordogne (24) |
1 |
FI |
2 |
REM (7) |
8 |
Dordogne (24) |
4 |
FI |
2 |
REM (8) |
9 |
Finistere (29) |
2 |
FI |
2 |
REM (9) |
10 |
Haute
Garonne (31) |
1 |
FI |
2 |
REM
(10) |
11 |
Haute
Garonne (31) |
2 |
FI |
2 |
MDM (1) |
12 |
Haute
Garonne (31) |
4 |
FI |
2 |
REM
(11) |
13 |
Haute
Garonne (31) |
6 |
FI |
2 |
REM
(12) |
14 |
Haute
Garonne (31) |
9 |
FI |
2 |
REM
(13) |
15 |
Haute
Garonne (31) |
10 |
FI |
2 |
REM
(14) |
16 |
Gironde
(33) |
3 |
FI |
2 |
REM
(15) |
17 |
Gironde
(33) |
12 |
FI |
2 |
REM
(16) |
18 |
Hérault
(34) |
2 |
FI |
2 |
REM
(17) |
19 |
Hérault
(34) |
3 |
FI |
2 |
REM
(18) |
20 |
Ille et
Vilaine (35) |
4 |
FI |
2 |
REM
(19) |
21 |
Ille et
Vilaine (35) |
8 |
FI |
2 |
REM
(20) |
22 |
Isere
(38) |
3 |
FI |
2 |
REM
(21) |
23 |
Landes
(40) |
2 |
FI |
2 |
REM
(22) |
24 |
Loire
(42) |
2 |
FI |
2 |
REM
(23) |
25 |
Loire
Atlantique (44) |
2 |
FI |
2 |
REM
(24) |
26 |
Loire
Atlantique (44) |
3 |
FI |
2 |
REM
(25) |
27 |
Loire
Atlantique (44) |
4 |
FI |
2 |
REM
(26) |
28 |
Loire
Atlantique (44) |
8 |
FI |
2 |
REM
(27) |
29 |
Meurthe
et Moselle (54) |
3 |
FI |
2 |
REM
(28) |
30 |
Meurthe
et Moselle (54) |
6 |
FI |
2 |
FN (1) |
31 |
Morbihan (56) |
3 |
FI |
2 |
REM
(29) |
32 |
Morbihan (56) |
5 |
FI |
2 |
REM
(30) |
33 |
Nord
(59) |
1 |
FI |
2 |
REM
(31) |
34 |
Nord
(59) |
2 |
FI |
2 |
REM
(32) |
35 |
Puy de
Dôme
(63) |
1 |
FI |
2 |
REM
(33) |
36 |
Hautes
Pyrénées (65) |
1 |
FI |
2 |
REM
(34) |
37 |
Rhône
(69) |
1 |
FI |
2 |
REM
(35) |
38 |
Rhône
(69) |
3 |
FI |
2 |
REM
(36) |
39 |
Paris
(75) |
6 |
FI |
2 |
REM
(37) |
40 |
Paris
(75) |
9 |
FI |
2 |
REM
(38) |
41 |
Paris
(75) |
10 |
FI |
2 |
REM
(39) |
42 |
Paris
(75) |
15 |
FI |
2 |
SOC (1) |
43 |
Paris
(75) |
16 |
FI |
2 |
REM
(40) |
44 |
Paris
(75) |
17 |
FI |
2 |
REM
(41) |
45 |
Seine
et Marne (77) |
10 |
FI |
2 |
REM
(42) |
46 |
Deux
Sèvres (79) |
1 |
FI |
2 |
REM
(43) |
47 |
Somme
(80) |
1 |
FI |
2 |
REM
(44) |
48 |
Somme
(80) |
2 |
FI |
2 |
REM
(45) |
49 |
Vienne
(86) |
1 |
FI |
2 |
REM
(46) |
50 |
Haute
Vienne (87) |
1 |
FI |
2 |
REM
(47) |
51 |
Essonne
(91) |
1 |
FI |
2 |
DVG (1; VALLS) |
52 |
Essonne
(91) |
3 |
FI |
2 |
REM
(48) |
53 |
Essonne
(91) |
10 |
FI |
2 |
REM
(49) |
54 |
Hauts
de Seine (92) |
11 |
FI |
2 |
REM
(50) |
55 |
Seine-Saint-Denis (93) |
1 |
FI |
2 |
REM
(51) |
56 |
Seine-Saint-Denis (93) |
2 |
FI |
1 |
REM
(52) |
57 |
Seine-Saint-Denis (93) |
3 |
FI |
2 |
REM
(53) |
58 |
Seine-Saint-Denis (93) |
6 |
FI |
2 |
REM
(54) |
59 |
Seine-Saint-Denis (93) |
7 |
FI |
2 |
REM
(55) |
60 |
Seine-Saint-Denis (93) |
9 |
FI |
2 |
REM
(56) |
61 |
Seine-Saint-Denis (93) |
11 |
FI |
1 |
REM
(57) |
62 |
Val de
Marne (94) |
2 |
FI |
2 |
REM
(58) |
63 |
Val de
Marne (94) |
10 |
FI |
2 |
REM
(59) |
64 |
Val de
Marne (94) |
11 |
FI |
2 |
REM
(60) |
65 |
Val
d'Oise (95) |
10 |
FI |
2 |
REM
(61) |
|
Français de L'étranger (99) |
2 |
ECO |
2 |
REM
|
66 |
Français de L'étranger (99) |
4 |
FI |
2 |
REM
(62) |
67 |
Français de L'étranger (99) |
5 |
FI |
2 |
REM
(63) |
|
Réunion
(974) |
2 |
DVG |
1 |
LR |
Die KandidatenInnen des FI liegen bis auf
vier Ausnahmen auf Platz zwei, meist aussichtslos hinter REM.
Eine Kandidatin auf Platz 1 gehört einer verbündeten Gruppierung
an.
In den zwei Wahlkreisen von Seine-Saint-Denis, in denen
FI-Kandidatinnen gewonnen haben, gab es keinen Kandidaten der
Kommunisten (PCF).
Ohne Verbündete kann FI keine Fraktionsstärke erreichen
wie
manche glauben. Die besten Aussichten nach dem
Spitzenkandidaten MÉLENCHON dürfte die
Kandidatin Caroline FIAT im 6. Wahlkreis im Département Meurthe
et Moselle haben, da sie nur knapp hinter dem FN-Kandidaten
liegt und zudem auf die Unterstützung von anderen linken
Gruppierungen hoffen kann..
In den deutschen Medien wird
die Kommunistische Partei (Parti Communiste Français) als
Bündnispartner von France Insoumise beschrieben. Die PCF lässt
auf ihrer
Website für den zweiten Wahlgang folgendes verlauten:
"Face à ces deux menaces,
l'urgence est d'élire dimanche prochain 18 juin, partout où ils
sont présents au second tour, en Métropole et en Outre Mer, des
députés communistes et Front de gauche, des députés de la France
insoumise et d'autres forces de gauche, qui sont prêts, aux
côtés des forces sociales, à combattre la casse du Code du
travail par ordonnances, la hausse de la CSG, la diminution
drastique du nombre des fonctionnaires, la remise en cause des
services publics, comme des moyens des collectivités
territoriales, la restriction de nos libertés publiques,
l'amplification des politiques de soutien à la finance."
In der
Beilage der Parteizeitung L'Humanité vom 14. Juni
werden folgende 17 Kandidaten der PCF (COM) für den zweiten
Wahlgang aufgelistet:
Nr. |
Département |
Wahlkreis |
Partei |
Platzierung |
Gegenpartei
(Anzahl Duelle) |
1 |
Allier (3) |
1 |
COM |
2 |
REM
(1) |
2 |
Bouches-du-Rhône
(13) |
13 |
COM |
1 |
REM
(2) |
3 |
Cher (18) |
2 |
COM |
2 |
MDM
(1) |
4 |
Nord (59) |
16 |
COM |
2 |
FN (1) |
5 |
Nord (59) |
20 |
COM |
1 |
FN (2) |
6 |
Puy de
Dôme
(63) |
5 |
COM |
1 |
REM
(3) |
|
Rhône
(69) |
2 |
DVG |
2 |
REM |
7 |
Seine-Maritime (76) |
3 |
COM |
2 |
REM
(4) |
8 |
Seine-Maritime (76) |
6 |
COM |
2 |
REM
(5) |
9 |
Seine-Maritime (76) |
8 |
COM |
1 |
REM
(6) |
|
Somme
(80) |
1 |
FI |
2 |
REM |
10 |
Haute Vienne
(87) |
2 |
COM |
2 |
REM
(7) |
11 |
Hauts
de Seine (92) |
1 |
COM |
2 |
REM
(8) |
|
Hauts
de Seine (92) |
11 |
FI |
2 |
REM |
|
Seine
Saint-Denis (93) |
2 |
FI |
1 |
REM |
12 |
Seine
Saint-Denis (93) |
4 |
COM |
1 |
REM
(9) |
|
Seine
Saint-Denis (93) |
11 |
FI |
1 |
REM |
In vier Wahlkreisen kam France Insoumise durch die Unterstützung
der Kommunisten in den zweiten Wahlgang, zwei davon sogar auf
Platz 1. Da sich aber auch andere Gruppierungen
zusammenschließen, können sich noch Verschiebungen ergeben.
Letztlich spielt die Mobilisierung der Wählerschaft eine große
Rolle und kann deshalb im zweiten Wahlgang noch zu Überraschungen führen.
Auf der Website der
Tageszeitung
L'Humanité werden neben den 17 Kandidaten der PCF (inkl. 4
Verbündeter) weitere 26 Kandidaten (22 von FI, 3 von SOC, 1 DVG)
die im zweiten Wahlgang vertreten sind, für eine Opposition
gegen MACRON
vorgestellt. Aus diesem Kandidatenreservoir könnte sich dann
eine linke Fraktion bilden, falls die Gruppierungen ihre
Zerstrittenheit überwinden können.
Die Ausgangssituation von Republique en Marche vor
dem zweiten Wahlgang zur Nationalversammlung
Die Ausgangsposition des REM
für den zweiten Wahlgang ist aus der folgenden Übersicht
ersichtlich, deren Zahlen einem
Artikel des Deutsch-Französischen-Instituts entnommen wurden:
Parteienbündnisse |
Kandidatenanzahl
2. Wahlgang |
Anzahl der
Erstplatzierungen |
Duelle |
LRM;REM/MoDem; MDM |
513 |
437 |
273 Duelle gegen Rechte |
|
|
|
134 Duelle gegen Linke |
Front National (FN) |
120 |
20 |
99 Duelle gegen REM/MDM |
France Insoumise wird als
Unbekannte gesehen, wehalb die Situation in Forbach (6.
Wahlkreis des Départements Moselle) als unsicher für
den REM-Kandidaten beschrieben wird. Dort ist der FI-Kandidat
jedoch nur auf Platz 5 (ca. 8 %) gelandet, während die
Republikaner dort doppelt so stark sind und auch der Kandidat
der DVG hat ca. 14 Prozent erreicht. Von daher ist diese
Einschätzung doch sehr weit hergeholt. FI dient hier wohl eher
als Sündenbock.
Die 573 Duelle des zweiten Wahlgangs im
Überblick
Im ersten Wahlgang sind nur
die folgenden 4 Wahlkreise mit absoluter Mehrheit gewonnen
wurden:
Übersicht:
Wahlkreise, die im ersten Wahlgang gewonnen wurden
|
|
|
Für den zweiten Wahlgang sind
deshalb 1.147 Kandidaten in 573 Wahlkreisen nominiert worden.
Die Angaben zu den Kandidaten der einzelnen Parteien in den
Medien widersprechen sich teils. Während die Zeitung Le
Figaro (16.06.) 519 Kandidaten von REM/MDM zählt, spricht
das Deutsch-Französische-Institut (DFI 13.06.) nur von 513
Kandidaten. Beim Front National reicht die Spanne von 110
Kandidaten (ND 17.06.) über 120 (FIGARO 16.06.) bis 121 (DFI
13.06.). Die Unterschiede könnten verschiedene Gründe haben:
Kandidaten könnten zwar nominiert worden sein, aber ihre
Kandidatur zurückgezogen haben; Zu den Parteien könnten
Kandidaten gezählt werden, die nur zum Umfeld der Parteien
gehören. Bei den Sammelkategorien wie Divers droite (DVD) und
Divers gauche (DVG) und kleinen Parteien können sich
Unterschiede durch unterschiedliche Zuordnungen ergeben.
Durch
den Dreikampf (Triangle) im
1. Wahlkreis des Départements Aube ergeben sich für die
Parteien FN, REM und LR jeweils ein Duell mehr als Kandidaten
vorhanden sind, wenn man den Dreikampf als 3 Duelle betrachtet.
Der Widerspruch zwischen den Angaben von Le Figaro und
DFI zum FN könnte also darauf beruhen, dass der Dreikampf
unterschiedlich eingestuft wurde. Die 120 FN-Kandidaten hätten
dann in 120 Wahlkreisen 121 Zweikämpfe zu bestreiten. Wenn das
DFI von "121 Wahlkreisen" spricht, wäre das jedoch falsch.
Die
Website der
Partei Union des démocrates
et indépendants (UDI; Abruf: 18.06.) listet im
Gegensatz zur Zeitung Le Figaro nur 34 statt 35
Kandidaten unter dem Etikett UDI auf. Die Wahlkreisliste auf die
verwiesen wird stimmt jedoch nicht mit den Fakten des frz.
Innenministeriums überein.
Die Zeitung Le Figaro
beruft sich bei ihrer Zusammenstellung der 1.147 Kandidaten auf
das französische Innenministerium, das
17 Kategorien nennt. Davon werden nur 11 aufgelistet und die
restlichen 6 Kategorien unter Andere zusammengefasst. Die 37 von
Le Figaro genannten Duelle für UDI stimmen nicht mit der
Parteiwebsite überein.
In der nachfolgenden Tabelle
sind die Duelle des zweiten Wahlgangs ersichtlich, wie sie sich
aufgrund einer eigenen Recherche auf der Website des
französischen Innenministeriums ergeben:
Übersicht:
Die
Duelle des zweiten Wahlgangs |
Partei |
Gesamtzahl
Duelle |
Gegenpartei |
Anzahl
Duelle |
REM |
456 |
|
REM |
|
LR |
202 |
REM |
|
FN |
91 |
REM |
|
FI |
63 |
REM |
|
SOC |
44 |
REM |
|
UDI |
25 |
REM |
|
DVD |
9 |
REM |
|
COM |
9 |
REM |
|
Andere |
13 |
MDM |
60 |
|
MDM |
|
LR |
33 |
MDM |
|
FN |
10 |
MDM |
|
SOC |
8 |
MDM |
|
UDI |
4 |
MDM |
|
DVD |
2 |
MDM |
|
FI |
1 |
MDM |
|
Andere |
1 |
LR |
265 |
|
LR |
|
REM |
202 |
LR |
|
MDM |
33 |
LR |
|
FN |
8 |
LR |
|
SOC |
7 |
LR |
|
Andere |
15 |
UDI |
35 |
|
UDI |
|
REM |
22 |
UDI |
|
MDM |
4 |
UDI |
|
FN |
3 |
UDI |
|
SOC |
1 |
UDI |
|
DVD |
1 |
UDI |
|
REG |
1 |
DVD |
20 |
|
DVD |
|
REM |
9 |
DVD |
|
LR |
2 |
DVD |
|
DVD |
2 |
DVD |
|
SOC |
2 |
DVD |
|
MDM |
1 |
DVD |
|
DIV |
1 |
DVD |
|
UDI |
1 |
DVD |
|
FN |
1 |
DVD |
|
REG |
1 |
SOC |
65 |
|
SOC |
|
REM |
44 |
SOC |
|
MDM |
8 |
SOC |
|
LR |
7 |
SOC |
|
DVD |
2 |
SOC |
|
DIV |
1 |
SOC |
|
FI |
1 |
SOC |
|
UDI |
1 |
SOC |
|
FN |
1 |
FI |
67 |
|
FI |
|
REM |
63 |
FI |
|
MDM |
1 |
FI |
|
FN |
1 |
FI |
|
SOC |
1 |
FI |
|
DVG |
1 |
COM |
12 |
|
COM |
|
REM |
9 |
COM |
|
FN |
2 |
COM |
|
MDM |
1 |
FN |
121 |
|
FN |
|
REM |
93 |
FN |
|
MDM |
10 |
FN |
|
LR |
8 |
FN |
|
UDI |
3 |
FN |
|
COM |
2 |
FN |
|
FI |
1 |
FN |
|
SOC |
1 |
FN |
|
DVG |
1 |
FN |
|
DVD |
1 |
FN |
|
RDG |
1 |
Andere |
48 |
|
Gesamt |
1149 |
|
|
Quelle: Website des frz. Innenministeriums;
eigene Berechnungen |
Die Prognosen für den 2. Wahlgang der Wahlen zur Nationalversammlung
Folgende Sitzverteilungen werden in den deutschen Printmedien für den
zweiten Wahlgang prognostiziert:
Parteienbündnisse |
Prognostizierte Sitze in
der Nationalversammlung |
FAZ/SZ/TAZ |
FR |
ND |
TSP |
13.06.17 |
17.06.17 |
La République en Marche
(REM)/Modem |
415 - 455 |
400 - 440 |
- 455 |
440 - 470 |
Les Républicains (LR)/UDI |
70 - 110 |
95-132 |
70 - 130 |
60
- 90 |
Parti Socialiste (SOC)/PRG/DVG
|
20 - 30 |
15 - 25 |
15 - 35 |
20
- 35 |
France Insoumise (FI)/Parti
communiste |
8 - 18 |
13 - 23 |
ca. 15 |
|
Front National (FN) |
1 - 5 |
2 - 5 |
|
|
Sonstige (u.a.
Écologiste, ECO) |
7 - 12 |
1 - 3 |
|
|
Die
prominenten Kandidaten in der folgenden Übersicht gelten den
deutschen Print-Medien als Verlierer bzw. gefährdete Kandidaten,
die im zweiten Wahlgang unterliegen könnten:
Parteien |
Kandidaten |
Département /
Wahlkreis / Stadt |
Parti
Socialiste (SOC) |
Jean-Christophe CAMBADELLIS (Parteivorsitzender)
"Mit seinem Erfolg trug
Mahjoubi zum frühzeitigen Ausscheiden (...) bei, der seit 20
Jahren in diesem Wahlkreis gewählt worden war" (FAZ)
- ausgeschieden im ersten
Wahlgang gegen Kandidaten von REM und FN |
Paris
(75)
16. Wahlkreis
(19. Arrondissement) |
|
Benoît
HAMON
(Präsidentschaftskandidat)
- ausgeschieden im ersten
Wahlgang gegen Kandidaten von REM, FI und ECO |
Yvelines
(78)
11. Wahlkreis
|
|
Matthias
FEKL
(Ex-Innenminister)
- ausgeschieden im ersten
Wahlgang gegen Kandidaten von REM und FN |
Lot-et-Garonne (47)
2. Wahlkreis |
|
Najat
VALLAUD-BELKACEM
(Ex-Bildungsminiserin)
"droht am nächsten Sonntag
die Niederlage" (FAZ)
"muss bangen" (Welt) |
Rhône
(69)
6. Wahlkreis
Villeurbaine bei Lyon
|
|
Elisabeth
GUIGOU
- ausgeschieden im ersten
Wahlgang gegen Kandidaten von REM und FI |
Seine
Saint-Denis (93)
6. Wahlkreis |
|
Jean-Jacques URVOAS
(Ex-Justizminister)
"kann sich des Einzugs
nicht sicher sein" (FAZ) |
Finistère
(29)
1. Wahlkreis |
|
Myriam El
KOHMRI
(Ex-Arbeitsministerin)
"kann sich des Einzugs
nicht sicher sein" (FAZ)
"muss bangen" (Welt)
"Außer in wenigen Fällen, wo (...) Macrons Bewegung keine
Gegenkandidaten aufgestellt hatte, enden diese politischen
Schwergewichte alle auf dem politischen
»Elefantenfriedhof«" (TAZ) |
Paris
(75)
18. Wahlkreis |
|
Patrick MENNUCCI
"Mélenchon hat gute
Chancen, sich in seinem Wahlkreis (...) durchzusetzen, wo er
bereits den bisherigen PS-Abgeordneten (...) aus dem Rennen
warf" (ND) |
Bouches-du-Rhône (13)
4. Wahlkreis |
|
Aurélie FILIPETTI
(Ex-Kulturministerin und Schriftstellerin: Familienroman
Das
Ende der Arbeiterklasse)
"wurde in ihrem Wahlkreis
im verarmten Osten des Landes abgestraft. Sie kam nur auf den
dritten Platz" (Welt)
- ausgeschieden im ersten
Wahlgang gegen Kandidaten von REM und FN |
Moselle
(57)
1. Wahlkreis |
UMP
|
Henri
GUAINO (einst Redenschreiber von Staatspräsident SARKOZY)
- abgeschlagen als Kandidat
der DVD im ersten
Wahlgang auf Platz 7 gelandet
"Ich finde die Wähler
zum Kotzen" (Welt) |
Paris
(75)
2. Wahlkreis |
Les
Républicains (LR) |
Eric
WOERTH
(Ex-Haushaltsminister)
"wurde (...) in seinem
Wahlkreis von einem bis dahin unbekannten LREM-Kandidaten
überholt" (FAZ)
"dürfte sein Mandat
(...) an einen Marschierer verlieren" (SZ) |
Oise (60)
4. Wahlkreis |
|
Claude
GOASGUEN (Ex-Bürgermeister im 16. Arr.)
-
Sieger im 2. Wahlgang. |
Paris (75)
14. Wahlkreis
16. Arrondissement |
|
Nathalie
KOSCIUSKO-MORIZET
(Nachfolgerin im Wahlkreis von FILLON)
-
im zweiten Wahlgang ausgeschieden (mehr
hier) |
Paris (75)
2. Wahlkreis |
La
République en Marche (REM) |
Christophe
CASTANER
(Ex-Sozialist)
"wird mit großer Sicherheit in der Stichwahl durchkommen"
(Handelsblatt) |
Alpes-de-haute-Provence (4)
2. Wahlkreis |
|
Torera
Marie SARA "muss
(...) in die Stichwahl gegen den FN-Abgeordneten Gilbert
Collard, der nach dem ersten Wahlgang ganz knapp vor ihr
liegt. Am Sonntag dürfte sie auf mehr Wähler kommen"
(Handelsblatt)
- Im zweiten Wahlgang gegen
den Front National-Kandidaten ausgeschieden (mehr
hier). |
Gard (30)
2. Wahlkreis |
|
Annick
GIRADIN (Parti radical de gauche; RDG)
(designierte Überseeministerin)
"Fünf der sechs Minister
seiner Regierung, die sich den Wählern gestellt haben und
dabei ihre Posten aufs Spiel setzten, sind für den zweiten
Wahlgang in aussichtsreicher Position. (...). Sollte die
Überseeministerin (...). am kommenden Sonntag verlieren,
müsste sie ihren Platz in der Regierung räumen" (ND)
|
Saint-Pierre-et-Miquelon (975)
1. Wahlkreis |
Front
National (FN) |
Jean-Lin
LACAPELLE "der
sich in einer Hochburg der Partei (...)
nicht für den zweiten Wahlgang qualifizierte" (FAZ) |
Bouches-du-Rhône (13)
12. Wahlkreis
Vitrolles |
Im
Le Figaro, einer Tageszeitung der bürgerlichen
Rechten, findet sich eine Aufstellung gefährdeter Politiker, die
über jene, die hier aufgelistet ist, hinausgeht bzw. die Sicht
des rechten Parteienspektrums widerspiegelt.
Die Ergebnisse des 2. Wahlgangs der Wahlen zur Nationalversammlung
Noch am Vortag des zweiten Wahlgangs
veröffentlichte der Tagesspiegel Zahlen aus Umfragen
wonach MACRONS Partei La République en Marche
(REM) zusammen mit den Verbündeten von
Mouvement démocrate (MDM)
auf 440 bis 470 Sitze hoffen könnte. Vor diesem Hintergrund
blieb MACRONs Bündnis mit 350 Sitzen letztendlich weit hinter
den Erwartungen zurück. In 456 Duellen wurden 150 Duelle
verloren und 306 Sitze erobert. Gegen linke Parteien konnte
keine Zweitplatzierung in einen Sieg verwandelt werden. Aus der
nachfolgenden Übersicht ist der Ausgang der einzelnen Duelle
ersichtlich:
Übersicht:
Der Ausgang der Duelle von REM/MDM im Überblick
|
Partei |
1.
Wahlgang |
2. Wahlgang (REM: 306
Sitze; MDM: 42 Sitze) |
Sitze |
Gesamtzahl
Duelle |
Gegenpartei |
Anzahl
Duelle |
Verlorene
Duelle als |
Gewonnene
Duelle als |
REM |
2 |
456 |
Erster |
Zweiter |
Erster |
Zweiter |
REM |
LR |
202 |
25 |
56 |
119 |
2 |
REM |
FN |
91 |
kein |
4 |
79 |
8 |
REM |
FI |
63 |
13 |
3 |
47 |
kein |
REM |
SOC |
44 |
18 |
2 |
24 |
kein |
REM |
UDI |
25 |
4 |
7 |
14 |
kein |
REM |
DVD |
9 |
2 |
1 |
6 |
kein |
REM |
COM |
9 |
4 |
4 |
1 |
kein |
REM |
Andere |
13 |
4 |
3 |
6 |
kein |
Gesamt |
2 |
|
|
456 |
70 |
80 |
296 |
10 |
MDM |
0 |
60 |
|
MDM |
|
|
LR |
33 |
8 |
5 |
20 |
kein |
MDM |
|
|
FN |
10 |
kein |
4 |
6 |
kein |
MDM |
|
|
SOC |
8 |
kein |
kein |
8 |
kein |
MDM |
|
|
UDI |
4 |
kein |
kein |
4 |
kein |
|
|
|
DVG |
2 |
kein |
1 |
1 |
kein |
MDM |
|
|
DVD |
1 |
kein |
kein |
1 |
kein |
MDM |
|
|
FI |
1 |
kein |
kein |
1 |
kein |
MDM |
|
|
COM |
1 |
kein |
kein |
1 |
kein |
Gesamt |
0 |
|
|
60 |
8 |
10 |
42 |
kein |
Gesamt |
2 |
516 |
|
516 |
78 |
90 |
338 |
10 |
|
Quelle: Website des frz. Innenministeriums;
eigene Berechnungen |
Der Ausgang der Duelle der
linken Parteien,
France Insoumise (FI) und Parti
Communiste Français (COM) ist aus der nachfolgenden
Übersicht zu ersehen:
Partei |
1.
Wahlgang
|
2. Wahlgang (FI: 17
Sitze; COM: 10 Sitze) |
Sitze |
Gesamtzahl
Duelle |
Gegenpartei |
Anzahl
Duelle |
Verlorene
Duelle als |
Gewonnene
Duelle als |
FI |
0 |
67 |
Erster |
Zweiter |
Erster |
Zweiter |
FI |
REM |
63 |
kein |
47 |
3 |
13 |
FI |
MDM |
1 |
kein |
1 |
kein |
kein |
FI |
FN |
1 |
kein |
kein |
kein |
1 |
FI |
SOC |
1 |
kein |
1 |
kein |
kein |
FI |
DVG |
1 |
kein |
1 |
kein |
kein |
Gesamt |
0 |
|
|
67 |
kein |
50 |
3 |
13 |
COM |
0 |
12 |
|
COM |
REM |
9 |
kein |
1 |
4 |
4 |
COM |
FN |
2 |
kein |
kein |
1 |
1 |
COM |
MDM |
1 |
kein |
1 |
kein |
kein |
Gesamt |
0 |
|
|
12 |
kein |
2 |
5 |
5 |
Gesamt |
0 |
|
|
79 |
kein |
52 |
8 |
18 |
Der Ausgang der Duelle der Parti Socialiste
(SOC) ist aus der nachfolgenden Übersicht zu ersehen:
Partei |
1. Wahlgang
|
2. Wahlgang (SOC: 29
Sitze) |
|
Sitze |
Gesamtzahl
Duelle |
Gegenpartei |
Anzahl
Duelle |
Verlorene
Duelle als |
Gewonnene
Duelle als |
SOC |
0 |
65 |
Erster |
Zweiter |
Erster |
Zweiter |
SOC |
|
|
REM |
44 |
kein |
24 |
2 |
18 |
SOC |
|
|
MDM |
8 |
kein |
8 |
kein |
kein |
SOC |
|
|
LR |
7 |
1 |
2 |
4 |
kein |
SOC |
|
|
DVD |
2 |
kein |
kein |
2 |
kein |
SOC |
|
|
DIV |
1 |
kein |
kein |
1 |
kein |
SOC |
|
|
FI |
1 |
kein |
kein |
1 |
kein |
SOC |
|
|
UDI |
1 |
1 |
kein |
kein |
kein |
SOC |
|
|
FN |
1 |
kein |
kein |
kein |
1 |
Gesamt |
0 |
|
|
65 |
2 |
34 |
10 |
19 |
Aus den gewonnenen Mandaten im ersten und zweiten Wahlgang
ergibt sich für die Parteien folgende Sitzverteilung:
Übersicht:
Die
Sitzverteilung in der
Nationalversammlung 2012/2017 |
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Quelle: Website des frz. Innenministeriums |
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