Einführung
Die Gentrificationsforschung
beschäftigt sich mit der Aufwertung
innenstadtnaher Wohngebiete.
Jürgen FRIEDRICHS (1996)
bezeichnet mit Gentrification einen Prozess, bei
dem eine statusniedrige Bevölkerung durch eine
statushöhere Bevölkerung in einem Wohngebiet
ausgetauscht wird. Die Akteure der Gentrifizierung werden in einer einfachen
Klassifikation als Pioniere, Gentrifier und
Andere bezeichnet. Idealtypisch verdrängen im
Prozess der Gentrifizierung zuerst die Pioniere
einen Teil der alteingesessenen Bevölkerung,
bevor sie selbst und die restliche
alteingesessene Bevölkerung von den Gentrifier
verdrängt werden. Ein Großteil der
stadtsoziologischen "Singleforschung"
fand in den 80er und 90er Jahren im Rahmen der Gentrificationsforschung statt und prägte
dadurch das
Bild vom Alleinlebenden nachhaltig.
Kommentierte Bibliografie
WAGNER, Michael/DROTH,
Wolfram/DANGSCHAT, Jens (1983): Räumliche
Konsequenzen der Entstehung neuer Haushaltstypen.
Eine Literaturstudie, TU Hamburg-Harburg, Hamburg
Erste deutsche Literaturstudie
zu den neuen Haushaltstypen, worunter die
Autoren Alleinlebende, unverheiratet
zusammenwohnende Paare, Wohngemeinschaften
und Alleinerziehende verstehen. Letztere
bleiben hier jedoch unberücksichtigt.
DROTH, Wolfram (1983a):
Demographische Entwicklungen in der
Bundesrepublik Deutschland, in: Wagner,
M./Droth, W./Dangschat J. (Hg.) Räumliche
Konsequenzen der Entstehung neuer Haushaltstypen.
Eine Literaturstudie, Hamburg, S. 5-25
In
diesem Beitrag wird auf die Probleme bei der
Erfassung der neuen Haushaltstypen durch die
amtliche Statistik eingegangen.
DROTH, Wolfram (1983b):
Die Alleinlebenden, in: Wagner, M./Droth,
W./Dangschat J. (Hg.) Räumliche Konsequenzen der
Entstehung neuer Haushaltstypen. Eine
Literaturstudie, Hamburg, S. 26-67
DROTH
diskutiert zunächst verschiedene
Single-Begriffe, um danach Singles in
Anlehnung an
Peter J. STEIN als
allein wohnende Partnerlose zu definieren.
Eine Typologie Alleinstehender ermöglicht
die begriffliche Einordnung verschiedener
Lebensformen jenseits des ehelichen
Zusammenlebens. Nach diesen begrifflichen
Klärungen präsentiert der Autor den
Forschungsstand zum Thema. Da bis zu diesem
Zeitpunkt in Deutschland nur einige
bevölkerungswissenschaftliche Arbeiten sowie
populärwissenschaftliche Untersuchungen
vorlagen, wird schwerpunktmäßig auf die
US-amerikanische Singleforschung eingegangen.
Zum Abschluss geht der Autor auf die
Forschungsdefizite ein. DROTH lenkt hier den
Blick auf die 20- bis 45jährigen
Alleinlebenden, die er als einkommensstark
ansieht. Dies entspricht dem
Bild des
Yuppies, der das Erkenntnisinteresse der Gentrificationsforschung in den 80er Jahren
geprägt hat.
SPIEGEL, Erika (1983): Neue
Haushaltstypen - Alternativen zu Ehe und
Familie?
in: Baethge, M./Eßbach, W. (Hg.)
Soziologie: Entdeckungen im Alltäglichen.
Festschrift zum 65. Geburtstag von Hans Paul
Bahrdt, Frankfurt/New York: Campus, S. 65-87
Erika SPIEGEL
geht in diesem Beitrag von einem
Strukturwandel der Haushalte aus und
beschreibt Singles, zusammenlebende Paare und
Wohngemeinschaften als quantitativ und
qualitativ bedeutsame neue Haushaltstypen.
SPIEGEL geht dabei sowohl auf historische als
auch auf international-vergleichende Aspekte
(USA) ein und versucht den Strukturwandel
differenzierungstheoretisch zu erklären.
DROTH, Wolfram/DANGSCHAT,
Jens (1985): Räumliche Konsequenzen der
Entstehung "neuer" Haushaltstypen, in: Friedrichs,
J. (Hg.) Die Städte in den 80er Jahren,
Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 147-180
Die
Autoren skizzieren rechtliche, ökonomische
und kulturelle Rahmenbedingungen, die zur
Entstehung und Verbreitung der neuen
Haushaltstypen (Alleinlebende, unverheiratet
zusammenlebende Paare und Wohngemeinschaften)
beigetragen haben. Anhand statistischer Daten
beschreiben sie die bevorzugten Wohnstandorte
der verschiedenen Haushaltstypen am Beispiel
der Großstadt Hamburg. Unter Rückgriff auf
eine durchgeführte nicht-repräsentative
Interviewstudie (siehe SPIEGEL 1986) werden
die Wohnwünsche der neuen Haushaltstypen
beschrieben. Als Konsequenz der
Zunahme von
Alleinlebenden wird ein zunehmender Druck auf
den innerstädtischen Wohnungsmarkt
prognostiziert, der durch den Wunsch nach
großen Wohnungen zusätzlich verstärkt
wird. Daneben werden auch Doppelverdiener
(unverheiratet zusammenlebende Paare und
kinderlose Ehepaare) als diejenigen
angesehen, die zur Gentrifizierung beitragen.
SPIEGEL, Erika (1986): Neue
Haushaltstypen. Entstehungsbedingungen,
Lebenssituation, Wohn- und Standortverhältnisse,
Frankfurt/New York: Campus
In
dem Buch
Neue Haushaltstypen von Erika SPIEGEL werden die Ergebnisse der ersten
empirischen Untersuchung zu den neuen
Haushaltstypen präsentiert. Es wurden 58
Interviews mit 20 bis 45jährigen
Alleinlebenden, unverheiratet
zusammenlebenden Paaren und
Wohngemeinschaftsmitgliedern geführt. Als
Kontrastgruppe dienten 17 Ehepaare. Alle
Befragten lebten in Hamburg. Die Ergebnisse
der Studie machen deutlich, dass die
verwendete Typologie der Haushalte nicht
differenziert genug ist. So wird z.B.
deutlich, dass Alleinleben nicht
gleichbedeutend mit Partnerlosigkeit ist.
HÄUßERMANN, Hartmut &
Walter SIEBEL(1987): Neue Urbanität, Frankfurt
a/M: Suhrkamp
Im
Kapitel Vom Müsli zum Kaviar oder Die
Renaissance der Innenstädte des Buches
Neue Urbanität wird von Hartmut
HÄUßERMANN & Walter SIEBEL der Aufwertungsprozess von
Altbauquartieren idealtypisch beschrieben.
Alternative (im Sinne von Pionieren) und
Yuppies (im Sinne von Gentrifier) werden als
die Träger der Gentrifizierung angesehen.
Die Begriffe "Alleinlebende",
"Singles" und "Yuppies"
werden von den Autoren nicht definiert.
Die
Begriffe "Single" und
"Yuppie" werden synonym verwendet,
nur zu den älteren Alleinlebenden wird eine
Abgrenzung bei den
Einpersonenhaushalten
vorgenommen. Empirische Untersuchungen zum
tatsächlichen Verlauf von Gentrificationsprozessen fehlten in
Deutschland zu diesem Zeitpunkt jedoch noch.
BLASIUS, Jörg & Jens
S. DANGSCHAT (Hg.)(1990): Gentrification. Die
Aufwertung innenstadtnaher Wohngebiete,
Frankfurt/New York: Campus
Der
Sammelband von Jörg BLASIUS
&
Jens S. DANGSCHAT enthält Beiträge von Praktikern
und Forschern. Es werden stadtplanerische
Maßnahmen vorgestellt, methodische Probleme
der Gentrificationsforschung behandelt und
Ergebnisse empirischer Studien präsentiert.
BLASIUS, Jörg & Jens
S. DANGSCHAT (1990): Die Aufwertung
innenstadtnaher Wohngebiete - Grundlagen und
Folgen, in: Blasius, J./Dangschat, J. (Hg.)
Gentrification. Die Aufwertung innenstadtnaher
Wohngebiete, Frankfurt/New York: Campus, S.
11-31
In
diesem Beitrag wird auf den
Entstehungskontext der
Gentrificationsforschung eingegangen
KRÄMER , Stefan (1992):
Die Großstadt als Wohnstandort: eine
soziologische Analyse der Attraktivität
großstädtischer Wohnstandorte für
unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, (Diss.),
Regensburg: Roderer
KRÄMER
erweitert hier die Typologie der neuen
Haushalte um lebensphasenspezifische Aspekte.
Dabei werden aber auch Abgrenzungsprobleme
sichtbar. Im zweiten Teil des Buches werden
die Ergebnisse von zwei empirischen
Untersuchungen in Mannheim vorgestellt, um
den Zusammenhang zwischen Lebensphase und
Wohnstandortwahl zu belegen.
BLASIUS, Jörg (1993):
Gentrification und Lebensstile. Eine empirische
Untersuchung, (Diss.), Wiesbaden: Deutscher
Universitätsverlag
Jörg BLASIUS
geht in dem Buch
Gentrification und Lebensstile ausführlich auf die unterschiedlichen
Konzeptualisierungen innerhalb der Gentrificationsforschung ein. Hierzu gehört
auch eine kritische Auseinandersetzung mit
den Operationalisierungen der Gruppen, die am
Gentrifizierungsprozess beteiligt sind. So
werden Kinderlose im mittleren Lebensalter
per se den Gentrifier zugeordnet, während
gut verdienende Ein-Kind-Familien aus dem
Blickfeld geraten. Die Zugrundelegung des
Pro-Kopf-Einkommens statt des
Haushaltseinkommens führt außerdem dazu,
dass Alleinlebenden generell ein
Luxuslebensstil unterstellt wird, der
aufgrund der hohen Mietkosten gar nicht
möglich ist. Mit der Unterscheidung zwischen
Gentrifier und Ultra-Gentrifier (eine
wissenschaftliche Bezeichnung für Yuppies)
versucht BLASIUS diesen Unterschied deutlich
zu machen.
ALISCH, Monika (1993):
Frauen und Gentrification: der Einfluß der
Frauen auf die Konkurrenz um den
innerstädtischen Wohnraum, Wiesbaden: Deutscher
Universitätsverlag
Monika ALISCH
hat in dem Buch
Frauen
und Gentrification die Ergebnisse einer Befragung, die in
drei aufgewerteten Stadtvierteln in Hamburg
durchgeführt wurde, unter
geschlechtsspezifischen Fragestellungen reanalysiert. Die Autorin geht ausführlich
auf sozio-ökonomische Unterschiede bei
allein lebenden Männern und Frauen ein. Im
Gegensatz zur weit verbreiteten Auffassung,
dass Singles generell zu den
"Gewinnern" und Familien generell
zu den "Verlierern" der
Gentrifizierung gehören, wird hier mit dem
Begriff "Family-Gentrification" auf
einen neuen Familientyp aufmerksam gemacht.
Nach ALISCH führt der Versuch der
Vereinbarung von Beruf und Familie zu neuen
Wohnwünschen der Familien. Nicht mehr das
suburbane Wohnen, sondern innenstadtnahes
Wohnen wird von diesen einkommensstarken
Familien bevorzugt.
FRIEDRICHS, Jürgen (1996):
Gentrification: Forschungsstand und
methodologische Probleme, in: Friedrichs,
J./Kecskes, R. (Hg.) Gentrification: Theorie und
Forschungsergebnisse, Opladen: Leske und Budrich,
S. 95-129
Der
Beitrag von
Jürgen FRIEDRICHS bietet einen guten Überblick zur
neueren Gentrificationsforschung und ihren
Problemen.
ALISCH, Monika & Jens
S. DANGSCHAT (1996): Die Akteure der
Gentrifizierung und ihre Karrieren, in: Friedrichs,
J./Kecskes, R. (Hg.) Gentrification: Theorie und
Forschungsergebnisse, Opladen: Leske und Budrich,
S. 95-129
In
diesem Beitrag erfolgt eine kritische
Auseinandersetzung mit der
Gentrificationsforschung der 80er Jahre, die
Alleinlebende mit Yuppies gleichsetzte. Es
wird eine differenziertere Typologie der
Akteure, die am Gentrifizierungsprozess
beteiligt sind, vorgestellt. Des Weiteren
versuchen die Autoren die Dynamik der
sozialen Mobilität zu berücksichtigen. Eine
konkrete Person kann so im Laufe des Lebens
verschiedenen Akteursgruppen angehören.
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