|
Zitate: Die häusliche Arbeitsteilung
"I was thinking that maybe I'd
get a maid
Find a place nearby for her to stay.
Just someone to keep my house clean,
Fix my meals and go away.
A maid - A man needs a maid."
(Neil Young 1974)
"Auch die ausgestorbene
Dienstbotenkaste könnte in veränderter
Gestalt wiederkommen. (...) Und mit ihnen -
in differenzierter Form - die verstorbene
Kunst, dem Beieinander-Bleiben auch dann noch
eine gute Seite abzugewinnen, wenn es nicht
leicht fällt"
(Barbara Sichtermann "Die Kunst,
miteinander auszukommen", in: Freibeuter
Nr.23, 1985)
"Die
Young Urban Professionals und die
berufstätigen, kinderlosen Paare, die in der
Marketing-Sprache als 'Dinks' (double income,
no kids) bezeichnet werden, waschen, bügeln
und kochen nicht mehr selbst. Sie lassen
diese Tätigkeiten von anderen
erledigen."
(Reinhard Kreissl "Bediene Dich
nicht selbst! Was ist wirklich neu am Wandel
zur Dienstleistungsgesellschaft?, in:
Süddeutsche Zeitung vom 04.11.1999)
|
Die Besonderheiten des Ansatzes
Während
der Soziologe Pierre BOURDIEU in
Frankreich die feinen Unterschiede im Klassenkampf
untersucht, widmet sich sein französischer
Kollege Jean-Claude KAUFMANN den groben
Sichtbarkeiten des Geschlechterkampfes: der
schmutzigen Wäsche.
Nach
einer Dekade makrosoziologischer
Anstrengungen das Wirrwarr postmoderner
Beziehungsbegriffe auf einen gemeinsamen Nenner
wie Individualisierung, Pluralisierung oder
Differenzierung zu bringen, haben nun
mikrosoziologische Ansätze Konjunktur,
die in die Eingeweiden der Beziehungen vordringen
wollen. Der Ansatz von KAUFMANN ist der
phänomenologischen Tradition von BERGER/LUCKMANN
bzw. Alfred SCHÜTZ und dem
interaktionstheoretischen Zugang von GOFFMAN
verpflichtet. In Deutschland versuchen besonders
Günter BURKART ("Lebensphasen - Liebesphasen") und Karl LENZ den
mikrosoziologischen Ansatz zu erneuern. Mit dem
Wäsche waschen hat sich die deutsche
techniksoziologische Forschung im Kontext der
Technisierung
des Alltags beschäftigt. Dabei kamen
die technischen Systeme zwar in umfassenderer
Weise (z.B. Ingo BRAUN) in den Blick, aber es
stand der Struktur- und nicht der Prozessaspekt
der Haushaltsintegration im Mittelpunkt der
Betrachtung.
Wann ist ein Paar ein Paar?
KAUFMANNs
Buch ist ein zeitgemäßes Remake von
BERGER/KELLNERs Die Ehe und die
Konstruktion der Wirklichkeit (1965),
das ganz im Zeichen des Geschlechterkampfes der
68er steht. Vielleicht gibt es sogar mehr
Parallelen als man auf den ersten Blick vermutet.
Erschien BERGER/KELLNERs Verteidigungsschrift der
bürgerlichen Ehe zu einer Zeit als durch den
aufkommenden Feminismus die Institution Ehe
erschüttert wurde, so erscheint KAUFMANNs Buch
zu einer Zeit, in der das Aufkommen des
Postfeminismus den Geschlechterkampf der 68er
antiquiert erscheinen lässt.
KAUFMANN
zeigt auf, wie es war, als die Welt des
Geschlechterkampfes noch in Ordnung war.
Dies ist ein großer Verdienst, denn diese
Periode wurde aus dieser Alltagskampf-Perspektive
noch nicht aufgezeigt. Das Buch liest sich gut,
weil es auf theoretische Darlegungen weitgehend
verzichtet und statistisches Zahlenmaterial nicht
den Blick auf die Welt der Alltagspraktiken
verstellt, die detailliert beschrieben werden.
Bei der Materialfülle ist es jedoch manchmal
schwierig den Überblick zu behalten und die
zentralen Thesen des Buches nicht aus den Augen
zu verlieren.
Eine
zentrale Frage ist: Wann wird aus einem Paar ein
Paar? Die amtliche Statistik hat eine
einfache Antwort: Aus Singles werden Paare, wenn
sie zusammen wohnen und gemeinschaftlich
wirtschaften. Konservative
Familienforscher haben sich dieser
Definition prinzipiell angeschlossen.
Fortschrittliche
Sozialwissenschaftler begnügen sich mit
der Selbstdefinition der beiden Partner. Sehen
sie sich selbst als Paar, dann sind sie auch ein
Paar. KAUFMANN beschreitet dagegen einen
dritten Weg. Beide Positionen empfindet
er als unzureichend. Für ihn ist ein Paar erst
dann ein Paar, wenn es einen gemeinsamen
Hausstand gegründet hat. Er spricht dann vom
"Beginn der Haushaltsintegration". Der
Kauf einer Waschmaschine ist der wichtigste
Indikator für diesen Beginn der Paarbildung.
KAUFMANN genügt weder der Beziehungsaspekt, noch
der ökologisch-ökonomische Aspekt der
Haushaltsführung. Beides sind eher
Rahmenbedingungen, die den sozialen Prozess der
Paarbildung begleiten. Paarbildung ist
Gewohnheitsbildung. Aus individuellen
Praktiken soll eine gemeinsame Praxis werden. Die
Liebe in den Köpfen muss sich erst in der
alltäglichen Lebensführung bewähren, bevor man
von einem "wirklichen" Paar sprechen
kann. Eine andere
Konsequenz dieser Sicht ist: das
Alleinleben ist ebenfalls Gewohnheitsbildung.
Ein längeres Alleinleben führt zu
Verfestigungen von Gewohnheiten, die einer
späteren Haushaltsintegration entgegensteht.
KAUFMANN sieht das Alleinleben also nicht als
Chance, neue Verhaltensweisen einzuüben, die
für eine Partnerschaft bereichernd sind, sondern
als "Verharren in einem Wartezustand"
bzw. als Widerstand endlich erwachsen zu werden.
Das Scheitern von Beziehungen
ist dann nicht mehr nur die Folge von kognitiven
oder emotionalen Prozessen, sondern von
reflexhaft verankerten Gewohnheiten, die
Verständigungsprozesse quasi "hinter dem
Rücken" der Beteiligten torpedieren. Paare, denen
die Haushaltsintegration nicht gelingt, werden
von KAUFMANN als "Quasi-Paare"
bezeichnet. Bei diesen Paaren entwickeln sich
Methoden
der individualisierten, doppelten
Haushaltsführung, die eine
partnerschaftliche Arbeitsteilung verhindern.
Der
veränderte Stellenwert der Haushaltsintegration in Zeiten der
Dienstleistungsgesellschaft
Der
Familiensoziologe geht jedoch davon aus, dass
sich bei Paaren, die längere Zeit zusammenleben
die Haushaltsintegration durchsetzt, weil eine
partnerschaftliche Arbeitsteilung rationeller
ist. KAUFMANN
sieht im Kleidungsstil einen Indikator für das
jeweilige Rollenverständnis der Partner:
"Das Tragen von Jeans weist zum Beispiel auf
die Ablehnung von Hausarbeit hin und schließt
zumeist ein, dass das Paar, das heißt vor allem
die Frau keinem allzu großen Leistungsdruck in
Bezug auf den Haushalt ausgesetzt sein wird,
während ein perfekt mit Krawatte und Anzug
gekleideter Mann eine radikal andere Einstellung
zur Häuslichkeit zum Ausdruck bringt, mit der
meistens eine bestimmte Erwartung an die Rolle
der Frau verbunden ist." Eine solche Aussage
hat heute nicht mehr umstandslos Gültigkeit. Vor
allem Doppelverdiener können es sich heutzutage
leisten einen Bügelservice in Anspruch zu
nehmen. In einer Dienstleistungsgesellschaft,
in der Haushalts- und Putzhilfen zum Alltag immer
weiterer Kreise der Gesellschaft gehören,
verliert die Haushaltsintegration zumindest für
Besserverdienende an Bedeutung. Milieuunterschiede
müssen also weiterhin systematisch beachtet werden.
Der Kauf
einer Waschmaschine ist für KAUFMANN der
wichtigste Indikator für den Beginn
einer Haushaltsintegration. In einer
Gesellschaft, in der das Alleinleben auch im
mittleren Erwachsenenalter zumindest zeitweise
Realität ist, erscheint eine solche Aussage in
einem anderen Licht. Es weist nämlich darauf
hin, dass KAUFMANN sich vor allem mit dem
erstmaligen
Zusammenleben von Jugendlichen
beschäftigt. Singles im mittleren Lebensalter
bringen dagegen öfters eine eigene Waschmaschine
in die Beziehung ein. Wenn man sich
solche Beschränkungen beim Lesen bewusst macht,
dann kann man das Buch von KAUFMANN auch heute
noch gewinnbringend lesen.
Die Stärke des Ansatzes
ist gleichzeitig seine Schwäche
Der große Verdienst
des Familiensoziologen besteht darin, dass der
soziale
Prozess der Paarbildung detailliert in
den Blick kommt. Dies ist bei den meisten Autoren
keine Selbstverständlichkeit. Die Stärke des
Ansatzes ist aber zugleich seine größte
Schwäche: Der gemeinsame Hausstand als zentrales
Definitionskriterium des Paarbegriffs, schließt
viele Paare - obgleich sie Jahrzehnte
zusammenleben können - als Untersuchungsobjekt
aus. Die Haushaltsintegration sollte von daher
zwar als ein Aspekt betrachtet werden, der die
Paarbildung erleichtern oder behindern kann, aber
nicht als unbedingt notwendiger Bestandteil der
Paarbildung.
|
|