|
Zitate: Die Auslagerung der Hausarbeit im Mitte-Milieu
"Dankbar
war man (...), als Kracht und Stuckrad-Barre
als erste Generationsgenossen zugaben, eine
Putzfrau zu haben. Da ging ein Ruck durchs
junge Deutschland. Ich wollte ja immer, hatte
mich nur nie getraut, weil ich dachte, das
macht man nicht - so dachte es quer durch die
Studentenwohnungen in Hamburg, Bonn und
Heidelberg. Und dann ging es los. Ende der
neunziger Jahre war es inzwischen sogar schon
so weit, daß sich Studenten-WGs einmal die
Woche eine Putzfrau leisteten, um in der
gesparten Zeit Inline-Skating machen zu
können. Nie war die Frage, andere für sich
die Drecksarbeit machen zu lassen, sowenig
eine Frage der Moral wie für uns. Ich gab
die Nummer mit einer guten Putzfrau so weiter
wie mein älterer Bruder die Telefonnummer
eines Freundes, der kostengünstig Autos
repariert. Es ist ein köstliches Gefühl,
abends nach getaner Arbeit die Wohnung, die
man morgens chaotisch verlassen hat, in einem
picobello Zustand wieder anzutreffen."
(Florian Illies "Generation
Golf", 2000)
"Die
Bundesrepublik ist (...) ein konservatives
Modell der Organisation von sozialen
Dienstleistungen. Sie werden in dieser
'Selbstbedienungsgesellschaft' weitgehend den
unbezahlten Tätigkeiten der Frauen in den
privaten Haushalten zugeschoben, oder sie
werden in der Grauzone des Arbeitsmarkts als
Schwarzarbeit und in 'geringfügiger
Beschäftigung' angesiedelt. Der Weg in eine
Dienstleistungsgesellschaft scheint also im
Interesse besserer Arbeitsverhältnisse und
(ökonomischer) Selbständigkeit -
insbesondere von Frauen - wünschenswert und
unvermeidlich."
(Hartmut Häußermann und Walter Siebel
"Dienstleistungsgesellschaften",
1995) |
Vom feministischen Geschlechterkonflikt zum
Postfeminismus
Für den
französischen Soziologen JEAN-CLAUDE KAUFMANN
ist der Kampf um die gerechte Verteilung der
Hausarbeit innerhalb der Partnerschaft ein
zentrales Moment der Paarbildung. Er hat deshalb
die Analyse der Hausarbeitstätigkeit in den
Mittelpunkt seiner Arbeiten gestellt (siehe
hierzu meine Rezension des Buches Schmutzige
Wäsche).
Schmutzige Wäsche
"Während
BOURDIEU die feinen Unterschiede im Klassenkampf
untersucht, widmet sich sein französischer Kollege
JEAN-CLAUDE KAUFMANN den groben Sichtbarkeiten des
Geschlechterkampfes: der schmutzigen Wäsche.
(...)
KAUFMANNs Buch ist ein zeitgemäßes
Remake von
BERGER/KELLNERs "Die Ehe
und die Konstruktion der Wirklichkeit" (1965),
das ganz im Zeichen des Geschlechterkampfes der 68er
steht. Vielleicht gibt es sogar mehr Parallelen als man
auf den ersten Blick vermutet. Erschien BERGER/KELLNERs
Verteidigungsschrift der bürgerlichen Ehe zu einer Zeit
als durch den aufkommenden Feminismus die Institution Ehe
erschüttert wurde, so erscheint KAUFMANNs Buch zu einer
Zeit, in der das Aufkommen des Postfeminismus den
Geschlechterkampf der 68er antiquiert erscheinen läßt.
KAUFMANN zeigt auf,
wie es war, als die Welt des Geschlechterkampfes noch in
Ordnung war. Dies ist ein großer Verdienst, denn
diese Periode wurde aus dieser Alltagskampf-Perspektive
noch nicht aufgezeigt."
(Rezension von Bernd Kittlaus, Juli 2000) |
Das
feministische Ideal
der Gleichberechtigung sieht eine veränderte Arbeitsteilung
zwischen den Geschlechtern
vor, die
auf eine Umverteilung von Hausarbeiten auf den
Mann hinausläuft. Damit war ein
Geschlechterkonflikt vorprogrammiert, weil weder
das männliche Rollenmodell noch die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine solche
Umverteilung unterstützen. Postfeministische
Bestrebungen zielen dagegen auf eine
Vermeidung des Geschlechterkonflikts ab. Während
im geschlechterpolitischen Diskurs
noch Gender-Mainstreaming und
Geschlechterdemokratie (Freitag Nr.27 vom
30.06.2000) als neue Ansätze diskutiert werden,
wird auf der Alltagsebene die
Auslagerung des Geschlechterkonfliktes aus der Partnerschaft
praktiziert. Es können dabei
zwei
Methoden unterschieden werden: entweder
wird auf unbezahlte Personen
(meist Verwandte) oder auf
bezahlte
Hilfskräfte (Kinderfrauen,
Tagesmütter, Babysitter, Putzfrauen oder
Pflegekräfte) zurückgegriffen.
Eine Studie untersucht erstmals das
postfeministische Arrangement
Die heimliche Rückkehr der Dienstmädchen
"Haushalte
neigen ab einem bestimmten Einkommen dazu, Hausarbeit
bezahlt durch Dritte erledigen zu lassen – unabhängig von
den sonstigen Lebensumständen und der im Haushalt
bestehenden Personenkonstellation. Die in diesem
Zusammenhang ebenfalls wichtige und inzwischen bekannte
Tatsache, dass diese Haushaltshilfen in der Regel
Migrantinnen sind, wird durch Odiernas Untersuchung
bestätigt."
(Rezension von Katrin Kraus in der Kölner
Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Juni 2001) |
Die Arbeit
von ODIERNA beschäftigt sich mit der
Auslagerung
von Haushaltstätigkeiten auf bezahlte
Hilfskräfte. Damit widmet sie sich
einem "blinden Fleck" der bisherigen
Sozialforschung. In der Familiensoziologie wurde
- wenn überhaupt - der Rückgriff auf Verwandte
diskutiert. In der Tradition des
Kommunitarismus ist die (Groß-)Familie
eine Solidargemeinschaft, die Probleme ohne
Rückgriff auf Markt oder Staat löst. Da
heutzutage aber weder die Großfamilie (diese war
von jeher eher Ideal als Realität) noch die
Kernfamilie der vorherrschende Familientypus ist,
sondern die multilokale
Mehrgenerationen-Familie, ist der
Rückgriff auf Verwandte nicht in dem Maß
möglich, wie er wünschenswert wäre
. Die Lücke
soll deshalb die Dienstleistungsgesellschaft
schließen
. ODIERNA ist
in ihrer nicht-repräsentativen, qualitativen
Erhebung der Frage nachgegangen, unter welchen
Bedingungen die Vergabe von Hausarbeit in Ein-
und Mehrpersonenhaushalten stattfindet, welcher
Schicht die Hilfskräfte entstammen und wie der
Arbeitsmarkt Privathaushalt strukturiert ist. Das
Motto
der Vergabe ist: zuerst werden solche
Tätigkeiten vergeben, "die wenig Spaß
machen, da sie eintönig sind und nur geringe
intellektuelle Anforderungen stellen". Das
ist zu allererst das Grobputzen, danach folgen
Fensterputzen, Wäschepflege und Gartenpflege.
Das Kochen wird dagegen selten ausgelagert.
Wie der Postfeminismus die Entwicklung zur
Klassengesellschaft vorantreibt
Als
Gründe
für die Vergabe wurde genannt,
Überlastung zu vermeiden und hausarbeitsfreie
Zeit zu gewinnen. Nutznießer der Vergabe
sind nach ODIERNA in erster Linie die Frauen, da
sie von der Hausarbeit entlastet werden. Diese
Frauen sind der "Auseinandersetzung
innerhalb der Partnerschaft um die
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt
müde". Eine solche
Lösung des Geschlechterkonflikts steht jedoch
vor allem den "relativ einkommensstarken
Haushalten im Bereich der Oberschicht und oberen
Mittelschicht" offen. Die Haushaltshilfen
sind dagegen vor allem Frauen, die der unteren
Mittelschicht bzw. Unterschicht angehören. In
historischen Sicht sieht ODIERNA darin eine
Reorganisation
alter Arbeitsteilungen zwischen Frauen
innerhalb des Reproduktionsbereichs, d.h. eine
Wiederkehr des Dienstmädchens.
|
|