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Die neue F-Klasse
"Was aber bleibt, wenn
»Feministin« einen unerwünschten Überbau mit sich herum
schleppt und »Karrierefrau« ein Wort ist, bei dem Frau
sofort den Revolver ziehen möchte? Ein neuer Begriff muss
gefunden werden für Frauen, die neue Wege zwischen
Feminismus und Karriere gehen. Es geht um »Klasse-Frauen«"
(...). Warum nicht zugeben, dass es in diesem Buch nicht
um Frauensolidarität um jeden Preis geht, sondern um eine
bestimmte Klasse von Frauen, die sich allerdings nicht
durch privilegierte Herkunft definiert, sondern einzig und
allein durch das individuell von ihr Erreichte und Gelebte
?"
(2006, S.37) |
Der Feminismus ist tot. Es lebe der
F-Klassenkampf!
Der Schlachtruf "Der
Feminismus ist tot. Es lebe der F-Klassenkampf!" (S.310) bringt
die Position von Thea DORN in ihrem Buch Die neue F-Klasse
auf den Punkt.
Es geht den
Karrierefrauen der
Generation Golf, um die
Neupositionierung der weiblichen Elite im Generationenranking,
auch wenn das Thea DORN scheinbar bestreitet:
Die neue F-Klasse
"Natürlich hätte sich
auch ein Begriff angeboten, der mit »Generation« beginnt:
Da ich nur Frauen versammeln wollte, die einerseits so
jung sind, dass sie beim 70er-Jahre-Feminismus noch nicht
aktiv dabei waren, andererseits aber »alt« genug, dass sie
bereits eine stabile eigene (Berufs-)Biografie aufbauen
konnten, ist dieses Buch natürlich auch ein Buch über die
Generation der heute Dreißig- bis Anfang Vierzigjährigen.
Gegen den Begriff »Generation« habe ich mich nicht nur
entschieden, weil er inflationär gebraucht wurde, sondern
weil er mir letztlich eine verschleierte Form des
traditionellen Klassenbegriffs zu sein scheint. Denn
welches »Proletenkind« hatte schon als größte
Kindheitssorge, ob die Zahnspangendose auch tatsächlich
die einzig wahre apfelförmige war? Solange sich die Jungs
der »Generation Golf« bei ihrem Lebensmodell an einem
Wagen der unteren Mittelklasse orientieren, sollten die
Frauen nach den Sternen greifen."
(2006, S.37f.) |
Thea DORN und ihre 11
Interviewpartnerinnen positionieren sich einerseits gegen den 1970er-Jahre Feminismus, für den Alice SCHWARZER steht, und
andererseits gegen den
Trend zur Ästhetisierung, den
Generationenbegriffe wie Golf und Ally nahe legen. Des Weiteren
wird dem Familienfundamentalismus, der mit einem
Antifeminismus einher geht, der Kampf angesagt.
Die F-Klasse als erste heroische Generation
der Post-68er?
In dem Sammelband
Generationen, herausgegeben von Ulrike JUREIT & Michael
WILDT aus dem Jahr 2005, sichtet der Kulturwissenschaftler
Kaspar MAASE die postheroischen Generationen der
Post-68er.
Er stellt in seinem
Beitrag zum einen die Mittelschichtorientierung der Generationen
heraus und zum anderen betont er die "wachsende Rolle von Frauen
- mit Deutungen, die nicht nur den weiblichen Teil der Kohorte
betreffen." (vgl. 2005, S.230). Die
Generation Ally von Katja
KULLMANN und
Zonenkinder von Jana HENSEL stehen für
diesen Trend.
Farbige Bescheidenheit
"Es hat wohl auch mit
den angedeuteten sozialkulturellen Veränderungen zu tun,
daß nach den 68ern hierzulande keine heroische Generation
mehr identifiziert wurde. Seit der APO und den Neuen
Sozialen Bewegungen haben wir nichts Vergleichbares
gesehen. (...). Man mag die Generationen Golf und Ally für
ephemere Produkte des Lifestylemarktes halten und es ist
nicht ausgeschlossen, daß im Gefolge tiefgehender und
polarisierender Erschütterungen wieder
Generationseinheiten die soziale Bühne betreten, die sich
in die Tradition des Aufbruchs der Jungen gegen das
Establishment einreihen. Ob man allerdings die
Voraussetzungen für diese Art der Generationsbildung
herbeiwünschen sollte, ist doch sehr die Frage."
(aus: Generationen 2005, S.242) |
MAASE hat aber offensichtlich
nur die Männer im Auge, wenn er an kommende heroische
Generationen denkt:
Farbige Bescheidenheit
"Die
geschlechterpolitische Pluralisierung der
Generationendebatte scheint absehbar und ebenso, daß damit
der Abstand zum heroischen Aufbruchsmodell weiter wachsen
dürfte. (...).Kullmann beschreibt - wie Illies - nahe am
Alltag und an den Markenprodukten Lebensgeschichte und
Lebensgefühle (...) der Mittelschichtmädchen dieser
Jahrgänge, die eine Hochschulausbildung durchlaufen haben.
(...). Die »Generation Ally« tritt nicht an, um mit dem
Impuls einer gemeinsamen Erfahrung Altes abzulösen und die
Welt besser einzurichten, ja nicht einmal, um mehr Einfluß
zu fordern. Hier fragen sich Frauen um die 30, wie ein
befriedigenderes Leben aussehen könnte."
(aus: Generationen 2005, S.228f.) |
Sicher hat Kaspar MAASE -
auf den ersten Blick gesehen - recht, dass Generation Ally
dem Trend zur Ästhetisierung geschuldet ist. Es hätte einen
Sozialforscher jedoch stutzig machen sollen, wenn Katja KULLMANN
am Ende des Buches Bilanz zieht:
Generation Ally
"Ich habe studiert und
das Studium abgeschlossen und wegen der Frauenquote an der
Uni eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft angeboten
bekommen, aber ich ging lieber raus in die Praxis. Dort
habe ich einen damals noch ordentlichen Beruf erlernt, den
der Redakteurin, und mich fest anstellen lassen. Ich war
erfolgreich, so erfolgreich, dass ich mich als
Freiberuflerin selbstständig machte und meine Ich-AG
gründete, in einer Zeit, in der die Start-ups- und
Existenzgründerwelle boomte. Ich wollte weniger arbeiten
und mehr verdienen, was sich beides bislang nicht erfüllt
hat.
(...).
Ich weiß nicht, ob ich eine richtige Frau bin. Ich weiß
nicht, ob ich später einsam bin. Ich habe Angst, Angst zu
haben. Und ich hasse Ally McBeal."
(2002, S.213ff.)"
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Generation Ally
kann als Abgesang auf die Ästhetisierung des Alltags gelesen
werden. Im Jahresrückblick auf das Jahr 2005 war deshalb bei
single-generation.de zu lesen: "Tatsächlich ist die
Single-Ästhetik spätestens im Jahr 2002 mit der Medienkrise
untergegangen. Katja KULLMANN hat ihr mit Generation Ally
den Nachruf zur rechten Zeit verschafft."
Es erstaunt deshalb
auch nicht, dass Katja KULLMANN von Thea DORN nun als Mitglied
der neuen F-Klasse präsentiert wird. Im Vorspann zum Interview
mit KULLMANN beschreibt DORN ihre anfänglichen Vorbehalte:
Die neue F-Klasse
"Anstatt
den Generationsgenossinnen Nussnougatcreme ums Maul zu
schmieren, beschreibt sie mit scharfem Blick und noch
schärferer Feder die Sackgassen, in die sich vor allem die
weiblichen Vertreter der »Generation Golf« manövriert
haben. Doch trotz aller - oder vielleicht gerade wegen der
analytischen Brillanz des Textes vermisste ich den
Kampfgeist. Die Grundstimmung des Buches, die sich bereits
im Untertitel andeutete: Warum es heute so kompliziert
ist, eine Frau zu sein, war mir zu resignativ."
(2006, S.195.) |
Erst zwei Jahre später hat
sich ein Wir-Gefühl entwickelt, bezeichnenderweise weil beide
sich in die Ecke Frauenliteratur gedrängt sahen.
Katja KULLMANN
datiert im Gespräch den Beginn ihres feministischen Engagements
auf die Zeit der Recherche zum Buch Generation Ally. Sie
kritisiert die Literaturkritiker, weil diese die Themen
"Jobkrise, neuer Trend zur Mutterschaft, Verschärfung der
Klassenlage" überlesen haben. Im Vergleich der Bücher
Die
Emanzipationsfalle von Susanne GASCHKE und Generation
Ally von Katja KULLMANN, den single-generation.de
im November 2005 angestellt hat, wird genau auf diese Punkte näher eingegangen
.
Von der
Generation Ally führt ein mehr oder weniger direkter Weg zur
heroischen F-Klasse. Ob sich hier so etwas wie die erste
heroische Generation formiert, das wird die Zukunft zeigen
müssen, denn dazu müsste Thea DORN erst einmal die nötigen
Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden. Der Wille zum
heroischen Kampf ist zumindest vorhanden.
Feindbild 70er-Jahre-Feminismus
Aus Sicht der angestrebten
Neupositionierung ist die kinderlose Katja KULLMANN eine
grenzwertige Borderline-Figur. KULLMANN entspricht so ziemlich
genau dem Klischeebild der egoistischen Karrierefrau.
Sie schwärmt für
den Rebell-Chic in der Tradition von James Dean und der
Beat-Poeten, sowie deren weiblicher Variante, die in den 1990er
Jahren mit Filmen wie Thelma & Louise die Bühne betreten
hat und von KULLMANN als "Girls with Guns" bezeichnet wird.
Damit ist sie nah am Girlietum der 1990er Jahre.
KULLMANN schwärmt für die Neue Frau, die als typisch für die 1920er Jahre der
Weimarer Republik angesehen wird. Ihre Erzählung
Fortschreitende Herzschmerzen bei milden 18 Grad ist
davon inspiriert. Im Interview geht sie näher darauf ein.
Die neue F-Klasse
"Ich
weiß gar nicht, ob ich mich konkret vom
Kunstseidenen
Mädchen habe inspirieren lassen. Der Aufbruch des
Provinzmädchens - oder auch des Provinzjungens - in die
große Stadt, sein Traum vom Glücksrittertum und die
Gefahr, mit diesem Traum unterzugehen, ist ein alter
Topos. Aber in der Tat erzählen besonders viele Autorinnen
und Autoren im frühen 20. Jahrhundert diese Geschichte
wieder, nicht nur Irmgard Keun, auch Lasker-Schüler,
Fleißer oder Arthur Schnitzler in Fräulein Else. Sie
beschreiben, wie der oder die Einzelne vor der großen
Maschine namens »Stadt« steht, die faucht, spuckt
und stinkt, aber auch glitzert und Erlösung verspricht.
Und dieses Motiv ist für mich in keiner Weise
»historisch«, sondern ein ganz zentrales sowohl für meine
Biografie als auch für unsere heutige Welt."
(2006,S.215) |
Auch ihre
radikalfeministische Position des Konstruktivismus, der die
biologische Determiniertheit völlig ablehnt, ist typisch für den
1970er-Jahre-Feminismus. Gerade die Neue Frau stand
von Anfang an unter dem Verdacht des unpolitischen Eskapismus.
Katja KULLMANN
gehört andererseits zur Zielgruppe von Thea DORN. Sie ist durch
ihr Buch Generation Ally eine Identifikationsfigur für
die Karrierefrauen der Generation Golf geworden und damit für
DORN eine wichtige Mitstreiterin. Wenn sich Thea DORN
gegen die egoistische Karrierefrau abgrenzt, dann ist das
einerseits dem weiblichen Renegatentum Mitte der 1980er Jahre
geschuldet, die als
Neue Mütterlichkeit Geschichte
schrieb und andererseits eine Reaktion auf den
Trend zur
neuen Hausfrau, den derzeit Eva HERMAN bedient:
Die neue F-Klasse
"Wenn ich die
weibliche »Selbstlosigkeit« nicht lobe, sondern sie eher
für eine Neurose, für den »Alkestis-Komplex« halte, mache
ich mich damit automatisch zu einer Hohepriesterin des
Egoismus? Ich denke nicht. Das »egoistische Karriereweib«
und die »aufopferungsvolle Mutter/Ehefrau« sind zwei
Seiten derselben Münze. Ein stabiles, ausbalanciertes
Selbst- und Weltverhältnis haben sie beide nicht. Und so
ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass es immer wieder
Frauen gibt, die mit Mitte dreißig vom einen (dem
Karriereweib) zum anderen (der Aufopfermutti) mutieren und
einer interessierten Öffentlichkeit erklären, dass sie
jetzt erst zu ihrer wahren Bestimmung gefunden hätten und
alles vorher Irrtum war. (...). Wollen wir unserer
Gesellschaft - und uns selbst - etwas Gutes tun, sollten
wir diese Münze in den Gully der Geschichte werfen. Und
eine neue Münze prägen, die auf der einen Seite einen
Menschen zeigt, der sich selbst liebt, ohne
größenwahnsinnig zu sein. Und auf der anderen Seite einen
Menschen, der sich tatsächlich um andere sorgt, der fähig
ist to care, ohne damit die eigene Leere zu
kaschieren, die das Wort »Selbstlosigkeit« ja bereits
ausdrückt.
(2006, S.336) |
Thea DORNs Feindbild des
1970er-Jahre-Feminismus entspricht außerdem jenem Feindbild, das
Mariam LAU in ihrem Buch Die neuen Sexfronten pflegt.
Opferstatus und "Lesbentum" werden als Sackgassen des
1970er-Jahre-Feminismus angeprangert
.
Im Gespräch mit der
forensischen Psychiaterin Nahlah SAIMEH wird der Opferstatus der
Frau anhand der Kriminalstatistik entkräftigt und im Gespräch
mit Charlotte ROCHE wird die Frontstellung des Feminismus gegen
den "Heterosex" als Fehler dargestellt. Das differenz- bzw.
postfeministische Credo formuliert Thea DORN in ihrer
Einleitung:
Die neue F-Klasse
"Aus meiner
eigenen Sozialisation weiß ich, dass der »Feminismus«
einen noch schlechteren Ruf hat als die Deutsche
Bundesbahn. Außerdem gibt es inhaltlich unübersehbare
Differenzen zum klassischen 70er-Jahre-Feminismus, der -
wenigstens in seiner vulgärsten Form - die Trennlinie
zwischen »Gut« und »Böse« schlicht zwischen »Frau« und
»Mann« zog und in der »Zwangsheterosexualität« die Wurzel
allen Geschlechterübels ausgemacht haben wollte. Keine der
Frauen, die mich interessieren, würde in irgendeiner Weise
Wert darauf legen, für benachteiligt oder gar für »ein
Opfer« gehalten zu werden. Ebenso würde keine der Frauen
fürchten, sich bereits in dem Moment ins Patriarchat zu
fügen, in dem sie den Lippenstift aus der Tasche holt."
(2006, S.36f.) |
Feindbild
Familienfundamentalismus
Ihr feministisches
Coming-out datiert Thea DORN auf den 11. September 2001, aber
erst der neue Familienfundamentalismus hat zur Neupositionierung
gezwungen. Das Buch reagiert damit auf die Feuilletondebatten,
die von Frank SCHIRRMACHER ("Minimum", 2006), Matthias MATUSSEK
("Die vaterlose Gesellschaft", 1998), Philip LONGMAN ("The
Empfty Cradle", 2004)
oder Eva HERMAN ("Das Eva-Prinzip", 2006) angestossen wurden und von DORN und ihren
Mitstreiterinnen als bedrohlicher Backlash empfunden werden.
DORN wendet sich gegen die
Jammerkultur, die bei ihren Generationsgenossinnen verbreitet
ist. Es geht um einen Weckruf in der Tradition einer heroischen
Generation. Es gilt die Bastion der Führungsetagen in Politik,
Wissenschaft und Wirtschaft zu stürmen.
DORN gibt sich
optimistisch, obwohl sie auch bei den Frauen einen Rückfall in
alte Positionen wahrnimmt. Im Gespräch mit der Berufsberaterin
Uta GLAUBITZ wird die Frage gestellt, warum sich viele gut
ausgebildete Frauen mit Mitte dreißig aus dem Arbeitsleben in
die private Rolle der Hausfrau und Mutter zurückziehen bzw.
Frauen- statt Männerberufe wählen.
Die F-Klasse lehnt
den Rückfall in die Muster der 1950er-Jahre-Rollenverteilung
kategorisch ab. Die Lösung des Vereinbarkeitsproblems sehen sie
zum einen in einer neuen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau
sowie in der Schaffung neuer gesellschaftlicher
Rahmenbedingungen.
Die neue Allianz von Karrierefrau und
Karrieremann
Im Februar 2002 hat
single-generation.de die Mär vom Single als Pionier des
flexiblen Kapitalismus thematisiert. Im Rückgriff auf eine
zentrale These der Soziologin Elisabeth BECK-GERNSHEIM wurde
darauf verwiesen, dass nicht der männliche Single, sondern der
männliche Ehemann, dem die Frau an seiner Seite den Rücken frei
hält, das Ideal auch des flexiblen Kapitalismus ist. Dagegen sei
die allein lebende, kinderlose Karrierefrau im Gegensatz zur
verheirateten Mutter im Vorteil
.
Thea DORN stellt
nun Porträts von Frauen vor, die betonen, dass ihnen auf dem Weg
zu Spitzenpositionen vor allem der Mann an ihrer Seite
geholfen hat.
Die neue F-Klasse
Maybritt ILLNER (MI):
"Heutige Frauen suchen Männer, mit denen der »Dreiklang
Kind, Karriere und Küssen tatsächlich funktioniert« - wie
es Silvana Koch-Mehrin so schön formuliert hat.
Würden Sie selbst sagen, einen Mann gefunden zu haben, mit
dem der - vielleicht etwas einfachere - Zweiklang Karriere
und Küssen harmonisch klingt?
MI: Absolut! Und wir haben Respekt vor unserer
jeweiligen Arbeit, wir nehmen Anteil an der Karriere des
anderen, lassen uns aber auch große Freiräume. Besser
könnte es nicht sein. Viele der Frauen in meinem Buch
berichten, dass hinter ihrem Erfolg (auch) ihre uneitlen
Männer stehen. So erzählt zum Beispiel die EU-Kommissarin
Benita Ferrero-Waldner, dass ihr Mann, ein Professor für
spanische Literatur, bei seiner eigenen Karriere Abstriche
gemacht hat, um sie zu unterstützen."
(2006, S.238f.)
Silvana KOCH-MEHRIN
(SKM): "Bei einer
Veranstaltung (...) habe ich im letzten Jahr Ursula
Engelen-Kefer, die langjährige stellvertretende
DGB-Vorsitzende, kennen gelernt. Und obwohl wir politisch
keine großen Gemeinsamkeiten haben, fand ich es persönlich
sehr spannend zu erfahren, das sie ebenfalls zwei Kinder
hat und einen sehr unterstützenden Mann, der frühzeitig in
den Ruhestand gegangen ist und sie jetzt überall hin
begleitet. Das hat mich noch einmal in meiner Überzeugung
bestätigt: Ohne den richtigen Partner im Rücken wird es
für eine Frau, die beruflich etwas erreichen will, ganz,
ganz schwer. Deshalb kann ich Ihnen gar nicht sagen, wie
froh ich bin, einen Mann an meiner Seite zu haben, der
klaglos zur Stelle ist, wenn ich spontan von Brüssel nach
Berlin muss - selbst wenn dadurch sein Rugby-Training oder
ein Business-Termin ausfallen.
TD: Umgekehrt sind Sie auch bereit, mal einen Termin
sausen zu lassen, wenn es bei Ihrem Partner beruflich eng
wird?
SKM: Selbstverständlich. Ohne eine gewisse
Wechselseitigkeit kann das Modell nicht funktionieren."
(2006, S.256) |
Regine SCHNEIDER
porträtiert in dem Buch An ihrer Seite diese Männer als
Pendant zur traditionellen Frau an seiner Seite.
An
ihrer Seite
"In
einer Zeit, in der mehr Frauen als Männer Abitur machen,
Frauen in Führungspositionen streben und wir die erste
Bundeskanzlerin haben, ist von Männern ein Umdenken
gefordert.
Es gibt sie jedoch immer mehr, starke Männer, die eine
starke Partnerin bevorzugen. In Beziehungen mit
Doppelkarrieren hat jeder gleiche Rechte, alles muss neu
verhandelt werden. Wie sich das im Leben ausnimmt, davon
erzählen Prof. Udo Simonis, Markus Lanz (Birgit Schrowange),
Michael Verhoeven (Senta Berger) und zahlreiche andere
mehr.
"
(aus: Klappentext 2006) |
Auffällig ist jedoch, dass
einige der von DORN porträtierten Karrierefrauen statistisch
gesehen als allein erziehend bzw. als allein lebend erscheinen,
auch wenn sie es faktisch nicht unbedingt sind.
In etlichen
Beiträgen auf single-generation.de wurde darauf
eingegangen, dass die Statistik nicht in der Lage ist, die neuen
Lebensverhältnisse der Post-68er abzubilden. Die Haushaltsform
ist kein ausreichender Indikator um Partnerlose oder Kinderlose
von Paaren und Eltern zu unterscheiden
.
Es sind überwiegend
Freiberuflerinnen wie Uta GLAUBITZ und Katja KULLMANN , die ihre
Zufriedenheit mit dem Single-Status betonen.
Die neue F-Klasse
Gespräch von Thea DORN
(TD) mit Uta GLAUBITZ (UG): "UG: Ich fühle mich bis
in mein jetziges zartes Alter als Single.
TD: Obwohl du seit 14 Jahren mit deinem Freund »zusammen«
bist?
UG: Mein Lebensstil ähnelt eher dem eines Singles als dem
einer »gebundenen Frau«. Ich bin die Hälfte des Jahres
beruflich unterwegs, und mein Freund ist als
Fernsehjournalist auch viel on the road - oder er
spielt mit seinen Kumpels Fußball und trainiert Marathon.
Außerdem haben wir weitestgehend getrennte Freundeskreise.
Die einzige Zeit, in der wir wirklich »als Paar« leben,
ist, wenn wir Urlaubsreisen machen. Das tun wir allerdings
regelmäßig und ausgiebig.
TD: Könnte man das Modell »liierter Single« nennen?
UG: Schöner Begriff. Und es ist das Beziehungsmodell, das
nicht nur Frauen am besten bekommt, sondern meiner
Erfahrung nach auch der Beziehung am besten tut."
(2006, S.60)
Katja KULLMANN: "Für
mein eigenes kleines Leben habe ich eine gewisse Autonomie
hinbekommen. Ich bin frei von einem festen Arbeitgeber und
frei von einem festen Partner. Beides womöglich nur
vorläufig. Aber im Augenblick gefällt es mir, wie es ist.
Ich habe die Macker-Bilder im Kopf, On the Road zu
sein wie Jack Kerouac."
(2006, S.217) |
Was aber tun, wenn der
Mann, der einem den Rücken frei hält, ganz fehlt oder nicht
ausreicht? Einige Frauen fordern hierfür politische oder
infrastrukturelle Entlastungen.
Die neue F-Klasse
Vera BOHLE (VB): "TD: Was hältst du von
staatlich durchgesetzten Frauenquoten?
VB: So wie die Situation im Augenblick ist, besteht auf
dem Arbeitsmarkt kein lauterer Wettbewerb zwischen Männern
und Frauen. Eine Frau, die sich um einen Job bewirbt,
konkurriert gegen einen männlichen Mitbewerber, der in der
Regel ein komplettes Support-System im Rücken hat, sprich:
Eine Ehefrau, die ihm den Haushalt und manchmal das Büro
macht, Kinder, die sein emotionales Gleichgewicht
stärken."
(2006, S.132f.)
Efstratia ZAFEIRIOU: "Meine erste Tochter
kam ein Jahr, bevor die Audi-Kinderkrippe gegründet wurde,
zur Welt. Deshalb habe ich damals einen anderen
Krippenplatz gebraucht und glücklicherweise auch gefunden.
Ich bin mit dieser Einrichtung so zufrieden, dass ich auch
meine zweite Tochter dort hingeschickt haben. Zu wissen,
dass meine Kinder professionelle Betreuung zusammen mit
Gleichaltrigen genießen, ist eine enorme Erleichterung.
Trotzdem brauchen mein Mann und ich bei unserer
beruflichen Belastung zusätzlich eine private Kinderfrau."
(2006, S.274) |
Die Hausarbeitsfrage
Spitzenleistungen sind nur
zu erbringen, wenn die - entweder vorhandene oder auch die
nicht-vorhandene - Beziehung nicht jene Energie raubt, die bei
der Arbeit notwendig ist. Im Buch werden Beziehungsarrangements
vorgestellt, die Konflikte minimieren. Auch die
Haushaltstechnisierung und der Rückgriff auf bezahlte
Dienstleistungen dienen diesem Zweck.
Die neue F-Klasse
Ines PAPERT
(Weltmeisterin im Eisklettern): "In der Wand muss man
sich hundert Prozent aufeinander verlassen können. Nicht
umsonst ist »Seilschaft« ja der sprichwörtliche Ausdruck
dafür, dass Leute einander zuverlässig nach oben helfen.
Es bringt auch überhaupt nichts, wenn man schon verkracht
in eine Route einsteigt, weil man vorher grad Streit wegen
Einkaufen oder Staubsaugen oder sonst einem Kram hatte.
Deshalb hat es vielleicht auch etwas Gutes, dass Stef und
ich zur Zeit eine Fernbeziehung führen - die alltäglichen
Reibereien sind da nicht vorhanden."
(2006, S.159)
Silvana KOCH-MEHRIN: "Mein Partner James und
ich, wir haben in Sachen Haushalt eine klare
Aufgabenteilung, und keiner mischt sich in die jeweiligen
Bereiche des anderen ein - was nicht immer ganz einfach
ist, denn Toleranzschwellen sind einfach unterschiedlich
hoch. Dennoch: Da müssen Frauen durch und dürfen nicht
anfangen zu sagen: »Ach, Schatz, nächstes Mal mach' ich
wieder die Wäsche«, nur weil er die Handtücher im Schrank
anders gefaltet hat, als sie das gewohnt ist. als
zusätzliche friedenserhaltende Maßnahmen haben wir
außerdem eine Spülmaschine und eine Haushaltshilfe."
(2006, S.255f.) |
Die Kinderfrage
Es gibt ein Leben jenseits
der klassischen Familie, das ist die frohe Botschaft dieses
Buchs. Thea DORN stellt Frauen vor, die kinderlos sind oder
bereits ein Kind bzw. mehrere Kinder haben. Was sie eint, das
ist die Gegnerschaft zur Biologisierung des Sozialen.
Kinderlosigkeit wird nicht per se abgelehnt und Elternschaft
gilt nicht automatisch als Eintrittskarte ins Reich des
Erwachsenseins.
Die F-Klasse steht damit
in der Denktradition der Soziologin Elisabeth BECK-GERNSHEIM,
für die sich zwischen den Normen der Elternschaft und der
Arbeitswelt ein Spannungsverhältnis auftut
.
Kinderlosigkeit ist
kein privates Problem, sondern die Konsequenz eines
Vereinbarkeitsproblems. Die Probleme fangen nicht erst mit der
Geburt des Kindes an, sondern bereits die Partnerwahl wird zur
entscheidenden Frage. Auch am persönlichen Umfeld und am Fehlen
einer geeigneten Infrastruktur kann die Entscheidung für ein
Kind scheitern. Alle diese Probleme werden zur Sprache gebracht
und münden in politische Forderungen nach Abschaffung des
Ehegattensplittings, nach steuerlicher Absetzbarkeit von
Haushaltshilfen und Kinderfrauen, nach Schaffung von mehr
Ganztagskinderbetreuung und vieles mehr.
Das ländliche
Modell Cloppenburg ist diesen Karrierefrauen fremd, dagegen
tendieren sie zum urbanen Modell Prenzlauer Berg.
Aber nicht nur der
Staat ist Adressat, sondern auch die Männer. Ihnen wird eine
partnerschaftliche Arbeitsteilung im Haushalt abverlangt. Der
neue Mann soll nicht mehr die Alleinernährerrolle ausfüllen
müssen, sondern darf seine weiblichen Anteile als Erzieher
ausleben.
Wir haben es hier
eindeutig mit einem Modell für die Frauenelite zu tun. Zieht man
die politischen Typen heran, die eine aktuelle Studie im Auftrag
der Friedrich-Ebert-Stiftung gefunden hat
(vgl. Gero NEUGEBAUER "Politische Milieus in Deutschland", 2007), dann rekrutiert sich
die Zielgruppe von Thea DORN aus den Leistungsindividualisten,
den etablierten Leistungsträgern, der kritischen Bildungselite,
dem engagierten Bürgertum und den zufriedenen Aufsteigern. Diese
Gruppen machen maximal 58 % der Gesellschaft aus, wobei jedoch
die Gruppe, die sich tatsächlich angesprochen fühlt, weit
geringer sein dürfte. Die restlichen Gruppen (bedrohte
Arbeitnehmermitte, selbstgenügsame Traditionalisten, autoritätsorientierte Geringqualifizierte und das abgehängte
Prekariat) haben dagegen ganz andere Sorgen.
Fazit: Das Buch ist Pflichtlektüre für jene,
die wissen möchten wie sich die Karrierefrauen der Generation
Golf das gute Leben vorstellen
Das Buch Die neue
F-Klasse ist politisch unkorrekt und deshalb jenen Büchern
vorzuziehen, die in letzter Zeit den Büchermarkt überschwemmen,
aber einzig die Familienfrau in den Vordergrund stellen.
Es hilft nichts,
wenn die Politik die Augen davor verschließt, dass die
Bildungsexpansion einen neuen Typus Frau hervorgebracht hat,
der mit Vehemenz die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
einfordert, statt sich auf die klassische Familie zurück zu
besinnen. Die Klärung der Kinderfrage steht in den nächsten
Jahren an, nicht etwa weil das aufgrund des demografischen
Wandels notwendig ist, sondern weil es in der Generation Golf
im
Gegensatz zu ihren Vorgängern weitaus mehr gut gebildete Frauen
gibt und diese deshalb in erheblich stärkerem Maße die
Führungsetagen dieser Gesellschaft erobern werden.
Des Weiteren sind
diese Frauen nicht bereit, eine unbefriedigende Partnerschaft
und Elternschaft zu akzeptieren. Wenn die Karrierefrauen nur
"Partner auf Augenhöhe" akzeptieren, dann hat dies erhebliche
Konsequenzen für diese Gesellschaft.
In dem Buch Die
Single-Lüge werden diese Folgen beschrieben. Lange bevor die
Unterschichten-Debatte aktuell wurde, hat
single-generation.de von der neuen Klassengesellschaft
gesprochen. Der F-Klassenkampf, den Thea DORN und ihre
Mitstreiterinnen führen, wird im Kapitel über die
Ökonomisierung des Sozialen beschrieben.
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
Wohn
treibt unsere Gesellschaft? Zwei Eliten mit
unterschiedlichen Vorstellungen über die
Gesellschaftsordnung haben in der Vergangenheit die
Entwicklung geprägt. Während die
»neue Mitte« den
Trend zur Ökonomisierung des Sozialen vorangetrieben hat,
zielt die »alte Mitte« auf die Biologisierung des
Sozialen.
(...). Mit der Ökonomisierung des Sozialen sind Strategien
zur Vereinbarkeit von Beruf und Leben gemeint. Hier geht
es um die Konsequenzen es postfeministischen
Geschlechterarrangements, um die Frage, wer welche
Dienstleistungen herstellt und bezahlt, und nicht zuletzt
darum, welche Rolle dem Sozialstaat zukommt."
(2006,
S.217) |
Welche Wendungen der
Neo-Feminismus nimmt, ist noch offen. Apokalytiker wie Stanley
KURTZ sehen den Feminismus aufgrund des demografischen Wandels
in der Defensive. In die Enge gedrängt, könnte der Feminismus
direkt in ein eugenisches Regime führen. KURTZ und andere
Antifeministen haben deshalb dem Feminismus und damit auch allen
Familienformen jenseits der klassischen Familie den Kampf
angesagt
. Thea DORN zeigt
jedoch, dass es so weit nicht kommen muss, weil neue Allianzen -
zumindest im Elitensegment - andere Auswege offen halten.
Deutlich gesagt
werden muss jedoch auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich
kaum ein Vorbild an diesen Frauen nehmen kann. Die
Supermarktkassiererin wird nicht zur Karrierefrau mutieren und
die Putzhilfen werden höchstens den Dreck der Karrierefrauen weg
machen müssen. Männer ohne akademische Bildung werden von diesen
Frauen kaum eines Blicks gewürdigt werden.
Allein die Auswahl
der Bücher, die den F-Klasse-Frauen und solchen die es werden
wollen, empfohlen werden, zeigt, dass dieser Ich-Feminismus
mit sozialem Engagement jenseits der eigenen Karriere eher wenig
zu tun hat (z.B. Viginia WOOLF: "Ein eigenes Zimmer"; Susan
FALUDI:
"Backlash"; Barbara VINKEN: "Die deutsche Mutter" oder
Barbara BIERACH: "Das dämliche Geschlecht).
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