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Sammelrezension

 
       
   

Die New Economy, ihre Folgen für die Sozialintegration und das neue Menschenbild vom flexiblen "Yettie"

 
       
   

Die Yetties als Ideal der postindustriellen Gesellschaft

 
       
     
       
   
     
 

Das Ende der Gleichheit

Rainer HANK liefert mit seinem Buch Das Ende der Gleichheit oder Warum der Kapitalismus mehr Wettbewerb braucht zur gängigen Praxis, die Ideologie nach. Der "Manchester-Kapitalismus" - bislang Inbegriff von Proletarisierungsprozessen - wird in seiner Umwertung des Begriffs zum Heilsbringer für die "New Economy". HANK fordert einen Paradigmenwechsel von der kommunistischen Ergebnisgleichheit ("materieller Wohlstand für alle") zur sozial gerechten Chancengleichheit ("materieller Wohlstand für Leistungsträger"). Dem amerikanischen Beschäftigungswunder (weil ein Mensch mehr als einen Job zum Überleben benötigt) gilt es nachzueifern. Das Buch wurde in den Wirtschaftsredaktionen der großen überregionalen Zeitungen begeistert aufgenommen. Dagmar DECKSTEIN ("Von der heilsamen Kraft des Wettbewerbs", SZ 09.06.2000) erhofft sich endlich die Rehabilitation des "segensreichen Manchester-Kapitalismus". Mit ihrer Analyse, dass dieses Buch noch keine offene Türen einrennt, bleibt sie dagegen hinter der Realität zurück. Robert MISIK drückt es unverblümter aus: "Text und Titel passen zum Zeitgeist" (vgl. "Wohlstand für alle",Tagesspiegel 04.05.2000). Mark TERKESSIDIS zeichnet die Erfolgsgeschichte der neoliberalen Formel vom "Ende der Gleichheit" innerhalb der Sozialdemokratie nach (vgl. "Deutschland AG ohne Interessenkonflikte?"Tagesspiegel 22.05.2000). Maximilian CARTELLIERI von Ciao.com bemüht sich schon gar nicht mehr um Rechtfertigung seiner neoliberalen Forderungen. Sie ergeben sich für ihn aus dem Naturgesetz der digitalen Revolution (vgl. "Globalisierung", Tagesspiegel 18.05.2000).

Die beschleunigte Gesellschaft

Die beschleunigte Gesellschaft - so das Buch von Peter GLOTZ - macht die Kontroverse um den Neoliberalismus obsolet. GLOTZ fängt dort an, wo HANK aufhört: nach der Durchsetzung des Manchester-Kapitalismus. Er beschreibt die Folgen des Siegeszuges: den Kulturkampf zwischen Beschleunigern und Entschleunigern.

Die beschleunigte Gesellschaft

"Die digitale Revolution verändert den Schaltplan unserer Gesellschaft. Aber die Zukunft wird anders, als es uns naiver Utopismus oder schwarze Skepsis weismachen wollen. Der digitale Kapitalismus bringt eine militante Unterklasse von Ausgegrenzten und Aussteigern hervor, die das Tempo nicht mithalten können oder wollen, und so entbrennen Kulturkämpfe um die richtige Lebensführung."
(aus: Klappentext 2001)

GLOTZ geht es in erster Linie nicht um die Ausgegrenzten, die so genannten Modernisierungsverlierer, sondern um die Elite der Entschleuniger ("Down-Shifter"), jene also, die freiwillig aussteigen aus dem Turbokapitalismus und sich zu Wortführern der Ausgegrenzten machen. Gäbe es diese Elite nicht, GLOTZ wären die Modernisierungsverlierer gleichgültig, denn ihnen traut er keine Gegenmaßnahmen zu, die der "Schönen neuen Welt" gefährlich werden könnten. Ein angenehmer Nebeneffekt des Manchester-Kapitalismus ist der Schub, den die Familienwerte in einer solchen Gesellschaft erhalten. Mit der Marktgesellschaft werden die Singles gleich mit entsorgt. Die aufgeregte Debatte um die Single-Gesellschaft ist in der Perspektive von GLOTZ als Wiedererstarken des Familialismus zu interpretieren. Der Erfolg des französischen Romanciers Michel HOUELLEBECQ ist ein Indiz für die Richtigkeit dieser Annahme .

Der flexible Mensch

Auch Richard SENNETT geht es nicht um die Ausgegrenzten, sondern um die Auswirkungen der Arbeitsorganisation im Turbokapitalismus auf die Identität der Arbeitnehmer.

Der flexible Mensch

"Flexibilität ist das Zauberwort des globalen Kapitalismus. Auch der ganz normale Arbeitnehmer muß ständig bereit sein für Veränderungen, muß immer aufs neue wagen und gewinnen. Richard Sennett (...) liefert eine meisterhafte Analyse unserer Lebensbedingungen im Zeichen des neuen Kapitalismus. Sein streitbares Buch zeigt, wie der ständige Zwang zum Neuen den Menschen deformiert. Beruf, Wohnort, soziale Stellung, Familie, alles ist den zufälligen Anforderungen der Ökonomie unterworfen, das eigene Leben wird zum ziellosen und undurchschaubaren Stückwerk. Sennetts Fazit ist eindeutig: Eine Gesellschaftsordnung, die das Bedürfnis des Menschen nach Stabilität so sehr vernachlässigt, kann nicht von Bestand sein."
(aus: Klappentext 2000)

Flexibilität, Mobilität und Teamfähigkeit sind die Zauberworte der Neuen Wirtschaft. Welche Zumutungen diese Anforderungen für das Selbstbild und die Handlungsfähigkeit der Subjekte darstellen, das beschreibt SENNETT an Fallbeispielen. Die Epoche des Industriezeitalters mit Fliessbandroutine und heimeligem Büro erscheint im Kontrast dazu wie eine familiäre Kuschelecke. Der digitale Kapitalismus schürt geradezu ein Bedürfnis nach Stabilität, das in der Privatsphäre der Kleinfamilie gesucht wird. Diese letzte Bastion vor dem Markt, wie die Kleinfamilie von HOUELLEBECQ bezeichnet wird , steht auch für SENNETT im Widerspruch zur Arbeitswelt.

Yettie

"Der Begriff wurde erstmals in der März-Ausgabe des amerikanischen TALK MAGAZINE - einem Lifestyle-Magazin - verwendet, um die unterschiedlichen Lebensstile der Berufstätigen im Bereich der »New Economy« zu beschreiben. Nach PETER YORK ist »Yettie« die Abkürzung für »young, entrepreneurial, tech-based, twentysomething«. Gemeint ist also die Generation der Modernisierungsgewinner." [mehr]
(Aus dem Glossar zum Single-Dasein)

Der flexible "Yettie" ist der Inbegriff des turbokapitalistischen Höchstleisters. Er verkörpert den flexiblen Menschen im Sinne von SENNETT par excellence, weswegen er in allen journalistischen Berichten aus der neuen Arbeitswelt folgerichtig als Single präsentiert wird. Im Umkehrschluss wird der Single zum Modernisierungsgewinner - ein Fehlschluss, dem sich im gegenwärtigen Zeitgeist keiner widmen mag.

Vom Eigentum zum Zugang oder die Tyrannei der Wahl

Jeremy RIFKIN setzt dem Turbo noch einen drauf und widmet sich dem Hyperkapitalismus. Nicht die Arbeitsorganisation steht im Mittelpunkt seiner Prognosen, sondern der Wandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft, deren Basisinstitution nicht mehr das Eigentum, sondern der Zugang ("Access") ist.
 

Access

"Der Kapitalismus ändert sich radikal - und mit ihm unser ganzes Leben. Die Formel des kommenden Zeitalters lautet: Access, Zugriff, Zugang. Der rasche Zugriff auf Ideen, Güter und Dienstleistungen zählt heute bereits mehr als dauerhafter und schwerfälliger Besitz. Das bleibt nicht ohne Folgen für das gesellschaftliche Zusammenleben. Jeremy Rifkin zeigt in seiner brillanten Analyse, wie sich im neuen Access-Zeitalter Alltagsleben, Arbeit, Freizeit und Konsumverhalten radikal verändern. Er führt uns eine Welt vor, in der möglicherweise alles, was wir brauchen, nur noch als bezahlter Service erhältlich ist. Rifkin warnt: Wenn wir der Ökonomie gänzlich das Feld überlassen, sind die Grundlagen unserer Gesellschaft in Gefahr."
(aus: Klappentext 2000)

Die Konfliktlinie im Hyperkapitalismus verläuft zwischen den Usern und den Nicht-Usern. Der Mensch ist für RIFKIN in erster Linie Konsument von Dienstleistungen. Der Wohlstand im Digitalen Kapitalismus drückt sich im Anschluss an Infrastruktur und Nutzungsmöglichkeiten von Waren aus. Entschleuniger bzw. freiwillige Aussteiger existieren für RIFKIN nicht. Jeder will Teilnehmer sein. Die Kehrseite ist die Tyrannei der Wahl, der sich Uwe Jean HEUSER widmet. Wahl heißt negativ gewendet auch Zwang zur Entscheidung. Für HEUSER ist die Überforderung des Menschen angesichts rasch zunehmender Entscheidungssituationen das zentrale Merkmal der "New Economy". Konsequenterweise müsste der Mensch als Schwachstelle aus dem Arbeitsprozess entfernt werden. Robotiker und KI-Forscher arbeiten bereits an der Problemlösung. Damit wäre der Widerspruch zwischen Markt und Familie elegant abgeschafft. Warum ist HOUELLEBECQ nicht auf diese simple Lösung gekommen?

Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte

"Dieses Buch sollte als Beitrag zur Versachlichung der Debatte verstanden werden und liefert deshalb Argumente für eine neue Sichtweise auf das Single-Dasein im Zeitalter der Demografiepolitik. In einer funktional-differenzierten Gesellschaft sollten Kinderlose genauso selbstverständlich sein wie Kinderreiche. Warum sollten sich unterschiedliche Lebensformen, mit ihren jeweils spezifischen Potenzialen nicht sinnvoll ergänzen können? Solange jedoch in Singles nur eine Bedrohung und nicht auch eine Chance gesehen wird, leben wir in einer blockierten Gesellschaft, in der wichtige Energien gebunden sind, die bei den anstehenden Herausforderungen fehlen werden."
(2006, S.254)

 
     
 
       
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 30.August.2000
Stand: 26. November 2018