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Norden oder
Süden - Das ist hier die Frage
Bisher haben wir
uns eher allgemein mit dem Alleinreisen beschäftigt.
Was gesagt wurde, das gilt sozusagen für jeden
x-beliebigen Urlaubsort. Im Folgenden spielt dagegen
der konkrete Urlaubsort eine größere Rolle.
Ob man auf
Teneriffa den Norden oder den Süden bevorzugt, das ist
eine Grundsatzentscheidung.
Leichtes Licht
"»Wohin geht's?«
Sie zuckte zusammen.
»In den Norden«, wandte sie sich halb zu ihrer
Nachbarin, die sie freundlich anblickte.
»Wir haben in Los Cristianos gebucht. Zum fünften Mal.
Strandwandern tut unseren Beinen gut.«
»In Cristianos haben Sie vielleicht mehr Sonne als
ich.«
Die Nachbarin wiegte den Kopf.
»Aber im Norden (...) ist die Landschaft gewaltiger.
Die Küste ist felsig und grün. Die Brandung donnert
ungeheuerlich.«
»Brandung ist nichts für uns. Wir waten durchs Wasser
(...).«"
(2005, S.40)
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Wir haben uns also
mit Christine für den Norden Teneriffas entschieden.
Wohin im Norden ist damit die nächste Frage.
Puerto de la
Cruz
Puerto de la Cruz,
kurz Puerto genannt, ist der Urlaubsklassiker der
Insel und auch Christine hat sich entschlossen, dort
ihren Kurzurlaub zu verbringen.
Straßen und Plätze in Puerto de la
Cruz
Das Leben spielt
sich im Süden weniger drinnen als auf Straßen und
Plätzen ab. PLESCHINSKI warnt
jedoch davor die südländischen Menschen über
einen Kamm zu scheren und hebt deshalb die feinen
Unterschiede hervor.
Leichtes Licht
"Viele Jalousien
und Fenster im Altstadtviertel standen offen. Als
Passant spähte man nie aufdringlich in die fremden
Wohnungen, nahm aber dennoch gern flüchtige Eindrücke
mit. Bewohner putzten Schuhe, strickten, Familien
saßen ums Abendessen. Die Tapeten in den Wohnräumen
von Tenerifinos waren bunt. Die Anrichten, Sessel und
Sofas erinnerten sofort an Möbel in altdeutscher
Manier, aber in leichterer Konstruktion und mit dem
Schwung hispanischer Schnitzschnörkel. Aus
Porzellanschüsseln auf Wachstuchdecken dampften an
einem Wochentag gewiß Gemüsesuppen, eher Teigwaren als
Fleisch und teurer Fisch. Hinter keinem Fenster wurde
gelärmt. Das Trugbild von turbulenten,
bramabasierenden südländischen Menschen bei ihrer
Familienzusammenkunft um den Tisch stimmte bei den
Bewohnern der jahrhundertlang entlegenen,
ausgebeuteten Vulkaninsel im Atlantik überhaupt nicht.
Ziemlich still scheint unter den Deckenlampen
gelöffelt zu werden, wobei aus mancher Zimmerecke der
Fernseher plärrte. Von Madrid aus gesehen, galten die
Tenerifinos vielleicht als die Ozean-Tiroler der
iberischen Welt, deren Dialekt auf dem Festland
niemand verstand."
(2005, S.101) |
In der abendlichen
Rushhour ist Gelassenheit erforderlich.
Leichtes Licht
"Die abendliche
Betriebsamkeit störte sie nicht. Autos, Jeeps und
Pick-ups schoben sich langsam durch die Calle Doctor
Ingram. (...). Motorradfahrer in hochgekrempelten
Jeans, selten mit Helm, stützten sich, wenn sie nicht
gleich an Kleinlastern vorbeikamen, solange mit einem
Fuß auf der Gehsteigkante ab. Niemand hupte, wenige
eilten. Die Passanten wechselten zwischen den
Stoßstangen von einer Seite der Calle zur anderen
hinüber, brachten die späte Rush-hour noch mehr ins
Stocken und bummelten an Schaufenstern von
Likör-Bodegas, Bademodegeschäften, geöffneten
Fincavermietungen vorüber."
(2005, S.100) |
In den
Fußgängerzonen von Puerto ist man dagegen unter
seinesgleichen.
Der Plaza del
Charco ist der belebteste Platz in Puertos
Altstadt.
Leichtes Licht
"Hinter der
Douglas-Parfümerie und der
San-Francisco-Coffee-Bar tat sich die Plaza del
Charco auf.
Palmen im Laternenlicht umsäumten das weite Geviert.
An den Eckkiosken des Promenadentreffs leerten sich
die Zeitungsständer, wurde Maronen und
Teide-Postkarten verkauft. Die Gitter des
Pelzgeschäfts neben ihr rasselten herab. (...). Hier
auf dem Brunnenrand des Charco gestikulierte eine
Riege alter Insulaner, lachte, mit wenigen Zähnen,
ließ eine Pulle kreisen und paffte ungeniert in die
abendliche Luft. Über den Tischen der
Restaurantterrassen vermischten sich Sprachen mit Eau
de Cologne und Düften von Paella und Crème Catalan.
Die Kellner schleppten rotfruchtig gefüllte Karaffen,
vielleicht schon Nachbestellungen, an ihr vorüber. Sie
gab den Weg frei: Auf der Querstange einer Art von
Wanderkruzifix mit Lotterielosen wippte ein Papagei im
Rhythmus mit dem Gang und Ruf des Verkäufers: »Aqui
viene la buena suerte!« hörte man die heisere Stimme:
»Quien no gata, no gana!« Der silberne Pirat am
Gassenzugang hatte ein weiteres Jahr durchgehalten und
prangte mit Stulpenstiefeln und Dreispitz neben dem
Bronzekopf Alexander von Humboldts, des
naturkundlichen Inselprominenten. Jede zweite
Felsspitze nannte sich Punto Humboldt."
(2005, S.126) |
Wer es dagegen
idyllischer mag, der bevorzugt dagegen die Plaza de
la Iglesia, einen parkähnlichen Kirchplatz in der
Altstadt von Puerto.
Essen gehen
Puerto bietet für
jeden Geschmack etwas. Problematischer ist jedoch die Situation des Alleinessens.
Leichtes Licht
"So einfach war es
nicht mit dem Essengehen. (...). Die Gourmettempel
würde sie (...), wie jedes Jahr, nur durchwandern und
wieder ins Freie treten. Es bereitete wenig Vergnügen,
als Einzelreisende vor den Aquarien mit Langusten an
einem piekfein gedeckten Tisch Platz zu nehmen, mit
drei Sorten Gläsern. Die Steifheit nähme kein Ende,
wenn ein Kellner die Zusatzkarten für Weine und
Desserts aufschlug und aus der Ecke auf das moderate
Nachschenken lauerte. Rauschzustände, ein Entschweben
blieben dabei aus. Als Single-Kundin wurde sie ohnehin
nur halbherzig begrüßt. Solo nähme sie einen Tisch mit
mehreren Stühlen in beschlag und fühlte sich
infolgedessen verpflichtet, zumindest von den teureren
Menüs auszuwählen Erst falls sie am nächsten Abend
wiederkäme, damit quasi ihren Anlauf zum Stammgast
signalisierte, würde die Begrüßung jovialer ausfallen.
Beim dritten Besuch schließlich (...) ließe die
Aufmerksamkeit des Personals für die einzelne Fremde,
die ohnehin fürs Lokal schon eingefangen zu sein
schien, wieder spürbar nach. Oliven zum Aperitif
würden vergessen, der Gazpacho lauwarm serviert. Sie
kannte diese Abläufe. Zudem wirkten Einzelgäste
armselig, als hätten sie ihre Familie bei einem Unfall
verloren, als wären sie mit allem, bestenfalls nur
noch mit sich selbst nicht - was jedoch auch keinen
Betrachter begeisterte -, gescheitert. (...).
Nein, einfache Tavernen waren am besten. Sich an einen
Tisch mit Papierdecke hinhocken, die Zigaretten
auspacken und sich nicht irritieren lassen!"
(2005, S.107f.) |
In Touristenzentren
wie Puerto ist man jedoch eher auf EinzelesserInnen
eingestellt als in abgelegenen Dörfern.
AlleinesserInnen
sind aber auch in der angeblichen
Single-Gesellschaft Deutschland keineswegs so
selbstverständlich akzeptiert wie das sein sollte.
Dies jedenfalls beklagte die Redakteurin der
Zeitschrift Feinschmecker, Gabriele HEINS,
unlängst in der taz.
Das Nachtleben genießen
Das Nachtleben
spielt sich vorzugsweise in Kneipen, Pianobars und
Diskotheken statt. Christine fühlt sich für die
normalen Diskotheken bereits zu alt.
Leichtes Licht
"Keine Frage, mit
dem Tanzen haperte es längst.
Öfters plante sie, nachts zum Abfeiern, zur
Selbstbestätigung, zur Rückverwandlung?, in eine Disko
loszuziehen, sich bis zum Morgengrauen auszutoben. Wie
einst lasziv-heiter einen Tänzer zu umschlingen. Seit
drei, vier Jahren blieb es bei der Phantasmagorie, und
sie sog statt dessen im Einschlafen den Duft
frischgewaschener Bettwäsche ein.
(...).
Sie zog mittlerweile Restaurants vor. Wichen Ausbruch
und Eros den Vorspeisen mit Balsamico, Haselnußöl und
marinierten Zwiebeln?" (2005, S.71f.)
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Aber neben diesen
Diskotheken für die jüngere Generation, gibt es auch Tanzlokale für die ältere Generation.
Leichtes Licht
"Sie tanzte nicht
mehr gut. Und die Gelegenheiten für Standardtänze ...
eins, zwei, Tangodrehung, vorwärts und zurück! ...
waren begrenzt und nicht sehr lockend. Nur im Café
de Paris, neben dem Hotel Valle del Mar,
kurven die Paare bis in die Morgenstunden
selbstverständlich mit Cha-Cha-Cha über die schwarzen
Marmorfliesen".
(2005, S.75) |
Wer wert auf
In-Lokalitäten legt, der sollte sich in aktuellen
Publikationen und Szene-Zeitschriften informieren.
Nahkampf im Terassencafé
Der Kampf um einen
begehrten Platz für sich allein im Terassencafé
am Meer, nimmt bisweilen skurrile Züge an. Bücher sind
nicht nur zum Lesen da, wie man von Christine lernen
kann.
Leichtes Licht
"Ein Buch in der
Tasche zu haben blieb gerade tagsüber auf der Insel
von rein praktischem und dem allergrößten Nutzen. -
Auf Restaurantterrassen liebte sie besonnte Tische am
Meer, wo die Gischt fast übers Weinglas stäubte.
Solche Plätze zwischen Land und Wasser wurden
allerdings auch gern von Ehepaaren und Rentnerkolonnen
ins Visier genommen. Mitunter erkundigten sich die
Co-Touristen, ob am idealen Tisch, wo der Gast aß,
döste und bräunte, noch Plätze frei wären. Dann mußte
sie unwillig, aber notgedrungen bejahen. Während die
Invasoren unbekümmert ihre Gespräche darüber
weiterführten, daß in Düsseldorf das Garagentor
klemmte, welches Abführmittel das durchschlagendere
Ergebnis zeitigte, daß die Nacht frischer sei als der
Tag, und Omelette bestellte, zog sie plötzlich ihre
Waffe aus der Tasche. Gedrucktes, das unvermittelt auf
der Tischplatte lag, verwirrte die Leute. - Die
Plaudereien verhaspelten sich angesichts eines per se
mysteriösen Buchumschlags. Ließen sich die
Störenfriede durch das bloß drohende Lesen einer
Sitzenden noch nicht vertreiben, würde sie das Werk
mutig in der Mitte aufschlagen. (...) Über den Rand
ihres Taschenbuchs konnte sie zudem sanft vernichtende
Blicke über die Fäkalkolporteure schweifen lassen.
Viele, die den Meerestisch okkupiert hatten, sahen
sich bereits während dieser Kampfphase nach einem
freien Platz im hinteren Terrassenbereich um."
(2005, S.110) |
Baden in Puerto
Die Badenanlagen
der Costa Martiánez, die von dem auf Lanzarote
geborenen Künstler César MANRIQUE entworfen worden
sind, gelten als Vorbild der heutigen Spaßbäder.
Christine ist diesen Neuerungen gegenüber nicht
besonders aufgeschlossen.
Leichtes Licht
"Trotz des diesigen
Wetters waren die Liegestühle des Wasserparks um den
Lago Martiánez vermietet. Der legendäre Architekt des
Archipels, wie hieß er noch?, hatte das frühe
Wellnessareal für die Lavagestade entworfen.
Ein
künstlicher See, Wasserfälle und Fontäne, Terrassen
auf etlichen Ebenen, im Untergeschoß das Revuetheater
- von Gemäuer und Türmchen nach alter Inselbauweise umfaßt -, böengeschützt und gleichsam im Meer selbst.
In diesem Gehege döste, las und schwamm, wer die
Brandung fürchtete."
(2005, S.97)
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Am Meer entlang
Wer es bequem haben
möchte, der bummelt auf der breiten Promenade Paseo
San Telmo am Meer entlang. Christine liebt dagegen
das Abenteuer.
Leichtes Licht
"Unweit der
Innenstadt donnerte der Atlantik auf die Betonklötze,
die als immense Brandungsbrecher, übersät von
krabbelndem Schalengetier, in die Fluten versenkt
worden waren. Von der Auftürmung, vom Ozeansaum aus
sähe sie die Lichter der Bergstraßen und des Casino
Taoro glimmen. Wer spät in der Nacht den Weg
oberhalb der Steinquader nahm, jenseits des
Amüsierplatzes auf dem Randpfad einen Spaziergang
wagte, mußte damit rechnen, daß vor ihm plötzlich
meterhohe salzige Fontänen aus dem Dunkel zischten und
ihn in Gischtregen tauchten. Man sprang immer, so
achtsam man auch gewesen war, zu spät beiseite, schrie
durchnäßt auf, vernahm sein eigenes Lachen nicht, weil
das Meer es übertoste. Aus dem Finstern würden die
Kräfte und schaumbewehrten Massen im Nu wieder auf sie
zu wogen. Es war der herrlichste, gewaltigste
Mitternachtsweg, der zu finden war."
(2005, S.118f.) |
In
den Parks
Christine blickt
zwar des öfteren hoch zum Casino de Taoro, aber
dorthin begleiten dürfen wir sie nicht, obwohl es dort
den reizvollen Parque de Taoro mit Wasserfällen
gibt.
Im Botanischen
Garten kann man exotische Pflanzen und ungewöhnliche
Bäume bewundern.
Shopping in Santa Cruz
Was tun, wenn es
doch einmal regnet? Christine würde dann in die
Hauptstadt Santa Cruz fahren. In Santa Cruz geht es
weniger touristisch, dafür aber großstädtischer zu.
Leichtes Licht
"An Tagen, wenn
vorübergehend Regen über die Strände des Nordens
prasselte, konnte man rasch die Expreßlinie 102 in die
Hauptstadt nehmen, um unter den Shoppingarkaden zu
bummeln, sich im Corte Inglés bunte spanische
Teekannen anzuschauen, sich durch die
Kosmetikabteilung zu salben und zu bestäuben und sich
durch Kaufen Swing und Tagesfülle zu verschaffen."
(2005, S.81f.) |
Wem die Großstadt
zu hektisch ist, der kann sich bei Regen auch den
Innenhöfen, Galerien oder Museen von Puerto widmen.
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