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Sommerthema

 
       
   

Die Coronavirus-Pandemie - Eine erste Zwischenbilanz

 
       
   

Zwischen Hysterie und Verharmlosung. Wie uns die Medien und die Wissenschaft bei der Bewältigung der Krise im Stich lassen

 
       
     
       
   
     
 

Einführung

Spätestens Ende Februar dürfte es den gut informierten Menschen in Deutschland klar geworden sein, dass COVID-19 keine Krankheit ist, die Deutschland nicht betrifft. Bereits seit dem 28. Januar wurden die ersten Fälle aus Bayern gemeldet. Diese wurden jedoch von verantwortlicher Seite nicht als Weckruf verstanden, sondern als leicht einzudämmende Einzelfälle gehandhabt, da sie sich auf einen Autozuliefererbetrieb beschränkten. Dieses Muster wird sich wie ein roter Faden durch die Bekämpfung der Krankheit ziehen, wie hier gezeigt werden wird.

Es hätte vieles einfacher gemacht, hätte das Bundesgesundheitsministerium damals bereits gehandelt. Es rächte sich, dass dies nicht als Anlass verstanden wurde, ausreichend Schutzausrüstung - zumindest für das medizinische Personal - anzuschaffen. Stattdessen wurde die Gefahr von Gesundheitsminister Jens SPAHN heruntergespielt.

Es dauerte bis zum Massenausbruch im Landkreis Heinsberg aufgrund einer Karnevalsveranstaltung, dass der Ernst der Lage  - langsam - erkennbar wurde. Das Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht tägliche Situationsberichte. Online archiviert und damit für jedermann abrufbar sind diese erst ab dem 4. März 2020. Damals gab es 262 erfasste Infektionsfälle in Deutschland, 113 Fälle werden dem Ausbruch im nordrhein-westfälischen Landkreis Heinsberg zugeordnet.

Als Risikogebiete galten damals neben China, nur Teile von Iran und Italien. Österreich fehlt. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass ein Großteil der nach Deutschland eingeschleppten Fälle ihren Ausgangspunkt außerhalb der vom RKI genannten Risikogebiete hatten. Insbesondere Baden-Württemberg und Bayern waren von infizierten Urlaubsrückkehrern aus Österreich und Südtirol betroffen. Erst am 11. März wird in Frankreich die Region Grand Est, die u.a. das an Baden-Württemberg grenzende Elsass umfasst, zum Risikogebiet erklärt. Erst am 13. März kommt das österreichische Bundesland Tirol (mit dem Hotspot Ischgl) als Risikogebiet hinzu. Am 15. März beschließt die Bundesregierung Grenzschließungen u.a. zu Frankreich, Österreich und die Schweiz.

Für Baden-Württemberg sind die Lageberichte erst ab dem 6. April beim Landesgesundheitsamt online archiviert. Zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits in allen 44 Kreisen über 20.000 COVID-19-Fälle und 427 Todesfälle. Eine eigenständige Bewertung der Lage für Baden-Württemberg wird nicht vorgenommen, sondern nur die Bewertung des RKI für Deutschland wiedergegeben. In Baden-Württemberg stiegen die Infektionsfälle seit dem 3. März dramatisch an, nachdem der erste Fall am 25. Februar im Landkreis Göppingen erfasst wurde. Am 3. März wurden vom Landesgesundheitsamt (LGA) erst 37 Fälle für Baden-Württemberg gemeldet. Am 13. März, dem Tag als das RKI Tirol zum Risikogebiet erklärte, waren es bereits 569 gemeldete Fälle.

Ähnlich rasant war der Verlauf in Bayern. Dort gab es am 24. Februar 14 gemeldete Fälle bei einem Autozulieferer, am 13. März waren es gemäß RKI 558 Fälle. Für Baden-Württemberg meldete das RKI zum gleichen Zeitpunkt nur 454 Fälle, also 115 Fälle weniger als das LGA. Hier zeigt sich bereits das erste große Problem der Pandemiebekämpfung: Durch den Meldeverzug vom Kreisgesundheitsamt (KGA) über das Landesgesundheitsamt zum Robert-Koch-Institut werden viele Neuinfektionen erst Tage später sichtbar. Und das ist nur einer von vielen Aspekten, die das wahre Ausmaß des Infektionsgeschehen im Dunkeln lassen, wie hier gezeigt wird.

Wenn Medien den Pandemieverlauf in Deutschland mit Zahlen beschreiben, dann greifen sie zu allererst auf die täglichen Veröffentlichungen der Zahlen des Robert-Koch-Instituts und der US-amerikanischen Johns Hopkins Universität (JHU) zurück. Wer aktuellere Zahlen für die Landkreise will, der ist auf das Informationsangebot der Kreisgesundheitsämter angewiesen. Das Informationsangebot reicht von so gut wie nicht vorhanden bis zu ausführlich und detailliert. Dafür werden hier einige Beispiele anhand von Ausbrüchen aufgeführt.

Die Medien schmücken sich gerne mit Attributen wie "objektiv" oder "umfassende Information", doch das Gegenteil ist der Fall. Wer sich z.B. durch die TV-Programme der "Nachrichtensender" zappt, der stellt schnell fest, dass sich die Meldungen ziemlich ähneln und meist werden sie auch noch zum gleichen Zeitpunkt ausgestrahlt. Wer sich durch Tagesschau 24, n-TV, Welt, Phoenix oder Euronews zappt, der kann von Informations- bzw. Meinungsvielfalt nur Träumen. Kritiker der Mainstreammedien werden schnell in die Ecke der Verschwörungstheoretiker gestellt. Dabei sind Verschwörungen zur Erklärung gar nicht notwendig. Es geht vielmehr um starke gesellschaftliche Interessen, die das Mediengeschehen bestimmen. In der Krise wird dies nur umso offensichtlicher.

Die Medienberichterstattung der ersten fünf Monate lässt sich auf zwei Kernphasen reduzieren: zum ersten die Begründung des "Lockdowns" und zum zweiten die Begründung der Lockerungen. Während in der ersten Phase die Virologen im Vordergrund standen, standen in der zweiten Phase die Experten für die ökonomischen und die gesellschaftlichen Auswirkungen im Mittelpunkt. Hier wird gezeigt wie nach und nach die Krankheit und deren Langzeitfolgen in den Medien in den Hintergrund getreten sind. Dies geht einher mit der Regionalisierung, d.h. der Verantwortungsverschiebung vom Bund und den Ländern auf die Kreise. Damit verschwindet das Krankheitsgeschehen großteils aus den überregionalen Medien und wird in die lokalen Medien verbannt. Wie dies geschieht, das wird hier ebenfalls aufgezeigt.

Seit kurzem erleben wir den Beginn einer dritten Phase, in der die Krankheit wieder mehr aus dem Abseits rückt, aber dazu später.

Heidelberg im Juli 2020, Foto: Bernd Kittlaus

Die Macht der Bilder

Zahlen und seien sie noch so erschreckend, sind für sich alleine wenig wirkungsvoll. Ihre Wirkung zeigen sie erst, wenn sie mittels dramatischer Bilder oder Grafiken versinnbildlicht werden. Dies zeigt sich nicht nur in dieser Krise, sondern diese Mittel begleiten uns auf vielen Feldern der gesellschaftlichen Debatten. So z.B. bei den demographischen Krisengemälden. Was dort die Demographen waren, das sind hier die Virologen. Auch wenn in den Medien gerne behauptet wird, dass die Macht der virologischen Expertise ein singuläres Phänomen sei, das ohne Vorbild ist, so ist das falsch. Nicht erst seit mit dem Neoliberalismus die wissenschaftliche Expertise die Alternativlosigkeit von Maßnahmen beschwört, spielen Experten eine entscheidende Rolle bei den Begründungen von politischen Maßnahmen. Bei der Durchsetzung des Kurzzeit-"Lockdowns", der im Vergleich mit anderen Ländern wie z.B. Italien, bereits eine Lightversion war, spielten zwei Bilder eine zentrale Rolle. Da sind zum einen die Bilder von nächtlichen Leichentransporten mittels Militärlastwagen aus dem italienischen Bergamo. Lucien SCHERRER schreibt dazu:                                   

Diese schrecklichen Bilder – wie ein junger Italiener unsere Sicht auf das Coronavirus verändert hat

"Es ist der 18. März 2020 – der Tag, an dem der Name Coronavirus jenen bedrohlichen Beiklang erhält, der bis heute nachwirkt. Denn inzwischen weiss fast jeder, was die Lastwagen damals transportiert haben: Särge mit Corona-Toten, die in andere Städte abtransportiert werden mussten, weil das Krematorium in Bergamo überlastet war.
Die Fotos und Videos des nächtlichen Beerdigungszuges gehen am Morgen des 19. März um die ganze Welt, das Echo ist gewaltig."
(Neue Zürcher Zeitung Online v. 30.05.2020)

Ist es Zufall, dass diese Bilder gerade dann um die Welt gingen, als in Deutschland die Durchsetzung des Lockdowns in die entscheidende Phase ging? Am 21. März tritt jedenfalls in Bayern die erste bundeslandweite Ausgangsbeschränkung in Kraft. Zuvor war bereits am 18. März im Landkreis Tirschenreuth die erste Ausgangssperre für die Stadt Mitterteich verhängt worden. Dazu heißt es in einer Untersuchung zur Epidemie im Landkreis:

Ergebnisse der Untersuchung der COVID-19-Epidemie im Landkreis Tirschenreuth

"Der Landkreis Tirschenreuth liegt im Norden des bayerischen Regierungsbezirks Oberpfalz. Im Norden grenzt er an den Regierungsbezirk Oberfranken und im Osten an die Tschechische Republik. Der Landkreis besteht aus insgesamt 26 Gemeinden und hat 72.504 Einwohner (Datenstand Dezember 2018). Kreisstadt ist die gleichnamige Stadt Tirschenreuth.
Die erste Meldung einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 ging am 10.03.2020 beim örtlichen Gesundheitsamt (GA) Tirschenreuth ein. Innerhalb einer Woche stieg die Zahl der gemeldeten Fälle auf 42. Am 18.03.2020 wurde für die Stadt Mitterteich die bundesweit erste Ausgangssperre verhängt. Die Situation im Landkreis verschärfte sich daraufhin weiter und erreichte am 01.04.2020 mit 103 gemeldeten Fällen an einem Tag ihren Höhepunkt. Über die nächsten Wochen beruhigte sich die Situation langsam. Die hohe Anzahl der an COVID-19 Verstorbenen erregte Besorgnis bei Behörden, Bürgern und der Öffentlichkeit."
(RKI-Studie v. 13.07.2020)

Das zweite prägende Bild der Pandemie sind die Kurvendiagramme, deren Veränderungen die dominanten Debatten illustrieren. Am Beispiel der Süddeutschen Zeitung lässt sich zeigen, dass die Darstellung der Pandemieentwicklung mittels Diagrammen den Debattenverlauf begleitet. Bis zum 22. April beherrschten die Diagramme mit den steil ansteigenden kumulativen Fallzahlen (rote Linie) und die Totenzahlen der einzelnen Bundesländer die Lockdown-Phase (siehe Kurvendiagramm 1). Ab dem 24. April wechselte die Süddeutsche Zeitung zu Diagrammen, in denen die Genesenden (grüne Fläche) die aktuell Infizierten (rote Fläche) dominieren und die Toten (schwarze Fläche) als irrelevante Zahl erscheinen lassen (siehe Kurvendiagramm 2). Diese Diagramme begleiteten die ersten Lockerungen, die ab dem 20. April in Kraft getreten sind. Ab dem 9. Mai wird die Regionalisierungsphase dann durch die Debatte um die Inzidenz-Obergrenze eingeläutet. Die 50 Neuinfektionen innerhalb von 7 Tagen pro 100.000 Einwohner in einem Kreis werden zum wichtigsten Wert erklärt (Kurvendiagramm 3)   

Die Kurvendiagramme der Süddeutschen Zeitung

 

Am 6. Mai wird hierzu ein Beschluss gefasst, den die Bundeskanzlerin folgendermaßen erklärt:

Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Söder und dem Ersten Bürgermeister Tschentscher im Anschluss an das Gespräch mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

"Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Söder hat gestern gesagt: »Jetzt ist Corona unter Kontrolle«. Teilen Sie diese Einschätzung? Gab es einen Dissens bei den Zahlen 35 und 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern?

BK’in Merkel: Nein, heute war nur die 50 Gegenstand der Gespräche. Wir haben uns das noch einmal überlegt. Früher gab es auch einmal die Betrachtung mit den 35, aber wir haben uns jetzt angeschaut: Wie sind die Gesundheitsämter bestückt - wir haben pro 20.000 Einwohnern ein Team von fünf Leuten - und kann man die Infektionsketten verfolgen? Wir glauben, dass man das bei bis zu 50 akut Infizierten pro Tag - wenn man das über sieben Tage mittelt - und 100.000 Einwohnern erreichen und leisten kann, und auf dieser Grundlage gab es da heute keine große Diskussion. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Situation in einem Landkreis sich von der Situation in einer Großstadt unterscheidet. Das ist klar, und insofern wird, wenn man heute bei 10 Infizierten pro 100.000 Einwohnern ist, auch niemand warten und seelenruhig zugucken, bis man 48 erreicht hat. Vielmehr wird sich jeder sicherlich genau überlegen, was zu tun ist, wenn er ein stärkeres Infektionsgeschehen sieht.
(aus: Mitschrift der Bundespressekonferenz v. 06.05.2020 in: bundesregierung.de)

Um zu vermeiden, dass die Gesundheitsämter durch die beschlossenen Lockerungen überlastet werden, wenn es um die Eindämmung lokaler Ausbrüche geht, soll also eine Obergrenze eingeführt werden, bei deren Überschreitung Lockerungen zurückgenommen werden. Stand in der Debatte um den Lockdown am Anfang die Überlastung der Krankenhäuser und des Pflegepersonals im Mittelpunkt, so rücken nun die Gesundheitsämter ins Zentrum, die mit ihrem Personal die Infektionsketten unterbrechen sollen, um eine unbeherrschbare Situation zu verhindern, bei der es zur Triage kommt.

Die Vermeidung der Triage als oberstes Ziel der Virusbekämpfung

Der französische Begriff "Triage" kommt aus dem Bereich der Militärmedizin. Damit werden Kriterien für den Fall bereitgestellt, dass die Kapazitäten für die Behandlung von Patienten nicht ausreichen und Entscheidungen getroffen werden müssen, welche Patienten behandelt werden sollen und welche keine Behandlung mehr bekommen. Franziska LEHNERT erklärt das Problem, das mit dem Triagieren verbunden ist, folgendermaßen:

Was das Triage-System zu bedeuten hat

"Triagieren gehört in Notaufnahmen zum Alltag, stammt jedoch ursprünglich aus der Militärmedizin. Der französische Chirurg Freiherr Dominique Jean Larrey entwickelte die Triage im Jahr 1792 während der Napoleonischen Kriege. In Zeiten knapper Ressourcen brauchte man ein System, um zu entscheiden, welche der zahlreichen Verletzten zuerst behandelt wurden. Ziel der Triage war es, Soldaten möglichst schnell wieder fit für den Einsatz zu machen. Das bedeutet, dass diejenigen mit den besten Aussichten auf Genesung zuerst Hilfe bekamen, und nicht die Menschen, die sie am nötigsten brauchten.
Dieser Ansatz steht im Konflikt mit den Prinzipien der Medizin heutzutage: In einer Notaufnahme werden Menschen, denen es besonders schlecht geht, auch besonders dringlich behandelt. Im Krieg, bei Katastrophen oder in anderen Ausnahmefällen wandelt sich das – es mangelt an Zeit, Personal und Materialien, sodass eine angemessene Versorgung aller nicht möglich ist. In solchen dramatischen Situationen dient die Triage dazu, Behandlungsentscheidungen so zu treffen, dass möglichst viele Menschen überleben."
(in: Quarks v. 23.04.2020)

In Italien war eine solche Triage-Situation eingetreten (auch in Spanien, Frankreich und Großbritannien war es im Verlauf der Pandemie vonnöten). In Deutschland sollte dies im März durch den Lockdown verhindert werden.

Auch wenn in Deutschland von keinen Triage-Situationen berichtet wurde, gibt es dennoch Landkreise mit sehr vielen Toten. Berechnet man die Todeszahlen anhand dem Vergleichsmaßstab Tote pro 100.000 Einwohner (Bevölkerungsstand: 31.08.2018), dann ergibt sich für den 1. August folgendes Bild bei den Kreisen mit den höchsten Todeszahlen:

Rang

Kreis

Bundesland

Einwohner

Tote

Tote/100.000

1

Tirschenreuth (Landkreis)

Bayern

72.504

139

191,71

2

Straubing (kreisfreie Stadt)

Bayern

47.794

48

100,43

3

Neustadt a.d. Waldnaab

Bayern

94.352

73

77,37

4

Rosenheim (Landkreis)

Bayern

260.983

199

76,25

5

Odenwaldkreis

Hessen

96.798

63

65,08

6

Wunsiedel/Fichtelgebirge

Bayern

73.178

41

56,03

7

Amberg-Sulzbach (Landkreis)

Bayern

103.109

54

52,37

8

Traunstein (Landkreis)

Bayern

177.089

88

49,69

9

Altötting (Landkreis)

Bayern

111.210

55

49,46

10

Fürth (Landkreis)

Bayern

117.387

58

49,41

11

Greiz (Landkreis)

Thüringen

98.159

48

48,90

12

Weiden/Oberpfalz (kreisfreie Stadt)

Bayern

42.520

20

47,04

13

Hohenlohekreis

Baden-Württemberg

112.010

47

41,96

14

Wolfsburg (kreisfreie Stadt)

Niedersachsen

124.151

52

41,88

15

Olpe (Kreis)

Nordrhein-Westfalen

134.775

56

41,55

16

Zollernalbkreis

Baden-Württemberg

188.935

77

40,75

17

Würzburg (kreisfreie Stadt)

Bayern

127.880

52

40,66

18

Rottal-Inn (Landkreis)

Bayern

120.659

48

39,78

19

Sonneberg (Landkreis)

Thüringen

56.196

22

39,15

20

Rosenheim (kreisfreie Stadt)

Bayern

63.324

23

36,32

21

Saarbrücken (Regionalverband)

Saarland

329.708

114

34,58

22

Baden-Baden (kreisfreie Stadt)

Baden-Württemberg

55.123

19

34,47

23

Freiburg (kreisfreie Stadt)

Baden-Württemberg

230.241

79

34,31

24

Passau (kreisfreie Stadt)

Bayern

52.469

18

34,31

25

Hof (Landkreis)

Bayern

95.311

32

33,57

26

Heinsberg (Kreis)

Nordrhein-Westfalen

254.322

85

33,42

27

Coburg (Landkreis)

Bayern

86.906

29

33,37

28

Schweinfurt (kreisfreie Stadt)

Bayern

54.032

18

33,31

29

Freudenstadt

Baden-Württemberg

117.935

38

32,22

30

Heidenheim (Landkreis)

Baden-Württemberg

132.472

41

30,95

In diesen 30 Kreisen mit zusammen ca. 3,6 Millionen Einwohnern starben 1.736 Menschen. Das sind im Durchschnitt 47,80 Menschen pro 100.000 Einwohner  Im größten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (17, 9 Millionen Einwohner) starben im gleichen Zeitraum 1.739 Menschen (9,7 Menschen pro 100.000 Einwohner) . Deutschlandweit starben im gleichen Zeitraum 11,02 Menschen pro 100.000 Einwohner.

Der Vergleichsmaßstab mit Bevölkerungsstand 31.12.2018 wurde hier gewählt, weil ihn auch das Robert-Koch-Institut (RKI) benutzt. Nicht alle Landesgesundheitsämter benutzen den gleichen Bevölkerungsstand. Hessen wechselt den Bevölkerungsstand z.B. vierteljährlich, um die Inzidenzen zu berechnen. Derzeit ist das der 30.03.2020. Bei stark schrumpfenden oder stark wachsenden Kreisen kann es hier zu Unterschieden bei der ersten Stelle hinter dem Komma kommen. Mit RKI-Daten lassen sich die Inzidenzen auf 13 Stellen hinter dem Komma unterscheiden und damit Rankings erstellen, die jedoch nur die Illusion von Exaktheit vortäuschen. Darauf wird noch genauer einzugehen sein. Hier soll jedoch zuerst einmal gezeigt werden, inwiefern internationale Vergleiche sinnvoll sind.

Internationale Vergleiche und ihre Fallstricke

In der folgenden Tabelle sind die Toten pro 100.000 Einwohner ersichtlich, die am 01.08.2020 in ausgewählten europäischen Ländern gemeldet wurden:

Land

31.12.2018

Tote

Tote/100.000 EW

Belgien

11.455.519

9.841

85,91

Deutschland

83.019.213

9.148

11,02

Frankreich

67.012.883

30.265

45,16

Italien

60.359.546

35.146

58,23

Niederlande

17.282.163

6.167

35,68

Österreich

8.858.775

718

8,10

Schweden

10.230.185

5.743

56,14

Schweiz

8.544.527

1.981

23,18

Vereinigtes Königreich

66.647.112

46.193

69,31

Belgien zählt gemessen an der Bevölkerungszahl die meisten Toten in Europa, während Österreich sogar besser als Deutschland dasteht. Am Beispiel Italien wird offensichtlich, dass solche Durchschnittszahlen die unterschiedliche Pandemie-Betroffenheit innerhalb der Länder verschleiert. In ganz Italien wurden bis 1. August 35.146 Tote gezählt, die der Pandemie zum Opfer fielen. Doch 25.227 Menschen, also fast 72 Prozent der Toten, starben in nur 3 der 21 italienischen Regionen, die mit unseren Bundesländern vergleichbar sind. In diesen 3 Regionen, nämlich Lombardei, Emilia Romagna und Piemont, leben aber nur rund 31,3 Prozent der italienischen Bevölkerung.

Gebiet

Bevölkerung

Bevölkerungsanteil

Tote

Tote/100.000 EW

Italien

60.359.546

100,0 %

35.146

58,23

Lombardei/Emilia Romagna/Piemont

18.876.457

31,3 %

25.227

133,64

Italien ohne die 3 Regionen

41.483.089

68,7 %

9.919

23,91

Lombardei

10.060.574

16,7 %

16.807

167,06

In Deutschland war das Bundesland Bayern (rund 13 Millionen Einwohner) am stärksten von der Pandemie betroffen. Dort gab es im gleichen Zeitraum 20,05 Tote pro 100.000 Einwohner. In beiden Ländern traf es die wirtschaftlich stärksten Regionen am härtesten, was die Frage aufwirft, inwiefern der Globalisierungsgrad Einfluss auf die Pandemiebetroffenheit von Regionen hat. Schaut man jedoch genauer hin, dann differenziert sich das Bild: Bayern ist zwar am stärksten betroffen gewesen, aber die betroffenen Landkreise gehören nicht unbedingt zu den wirtschaftlich starken Kreise. Es muss also andere Gründe geben, die in einem späteren Beitrag erörtert werden.

Das italienische Gesundheitsministerium macht zu den Sterbefällen nur Angaben für die Regionen, aber nicht für kleinere Gebietseinheiten. Dagegen macht das Vereinigte Königreich, das neben England auch Schottland und Wales umfasst, auch Angaben zu kleineren Gebietseinheiten. Hier soll nun England genauer betrachtet werden.

Die 315 englischen Lower tier Local Authorities mit zusammen 56.286.171 Einwohnern entsprechen den deutschen Kreisen. Im Vergleich mit Italien ist Großbritannien gleichmäßiger von der Pandemie betroffen. Die Spanne reicht von Hastings (8,6) bis Hertsmere (143,0) Tote pro 100.000 Einwohner (Stand: 09.08.2020). Es liegen jedoch nur 4 Verwaltungseinheiten unter 20 Toten pro 100.000 Einwohnern, aber 56 hatten über 100 Tote pro 100.000 Einwohner zu beklagen. Fast zwei Drittel der Verwaltungseinheiten (198) haben dagegen 50 bis 100 Tote pro 100.000 Einwohner zu beklagen. Für England ergibt sich folgendes Bild:

Gebiet

Bevölkerung

Bevölkerungsanteil

Tote

Tote/100.000 EW

England (315 Verwaltungseinheiten)

56.286.171

100,0 %

41.606

74,5

4 Verwaltungseinheiten mit 8 - 20 Tote pro 100.000 Einwohner

403.372

0,7 %

50

12,40

57 Verwaltungseinheiten mit 20 - 50 Tote pro 100.000 Einwohner

9.446.687

16,8 %

3.498

37,0

198 Verwaltungseinheiten mit 50 - 100 Tote pro 100.000 Einwohner

35.502.441

 63,1 %

25.876

72,9

56 Verwaltungseinheiten mit über 100 Tote pro 100.000 Einwohner

10.933.671

 19,4 %

12.182

111,4

Für England gilt, dass 82,5 Prozent der Bevölkerung in Gebieten leben, in denen es viele Pandemie-Opfer zu beklagen gab (50 und mehr Tote pro 100.000 Einwohner). Für Italien existieren solche Daten nicht. Man kann nur sagen, dass es dort 3 stark betroffene Regionen gibt, in denen viele Tote zu beklagen sind. Es lässt sich jedoch nicht ersehen, ob es in den restlichen 18 Regionen nicht auch sehr große Unterschiede gibt.

Für Deutschland gilt dagegen, dass nur sehr wenige Einwohner in Gebieten mit mehr als 50 Toten pro 100.000 Einwohner wohnen. Dagegen leben rund 79 Millionen Menschen in Gebieten mit 30 und weniger Toten pro 100.000 Einwohner. Damit stellt sich die Frage, inwiefern das Aufbegehren gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auch mit den ganz unterschiedlichen Betroffenheiten der Menschen innerhalb eines Landes zusammenhängt.

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass internationale Vergleiche, die sich lediglich auf durchschnittliche Werte beziehen (hier am Beispiel der Toten pro 100.000 Einwohner demonstriert), die Situation in den einzelnen Ländern nicht angemessen beschreiben können. So bleibt uns die dramatische Situation in Italien auch durch die Macht der Bilder eindringlicher in Erinnerung als die Situation in Großbritannien, obgleich dort die Situation ungleich dramatischer ist. Was wir über andere Länder wissen, das hängt auch sehr stark von der Verfügbarkeit von statistischen Daten ab. Hier gibt es jedoch - selbst in Europa - sehr große Unterschiede.

Wer sind die Pandemie-Opfer? Drei Herangehensweisen

Der Blick auf die Toten der Pandemie wird hier als erste Herangehensweise vorgestellt, denn sie ist jene, die in der ersten Phase, d.h. der Lockdown-Begründung, die dominante Rolle spielte, aber dann in der Lockerungsdebatte relativiert wurde.

Welche Toten werden überhaupt zu den Opfern der Pandemie gezählt? Das Robert-Koch-Institut erfasst nur Fälle, die "labordiagnostisch" bestätigt wurden. Was das heißt, das lässt sich an den veröffentlichten Zahlen des Ostalbkreises in Baden-Württemberg aufzeigen. Der Ostalbkreis veröffentlichte bis zum 2. Juni nur die Zahl der "Corona-Erkrankten". Ab dem 3. Juni unterschied der Ostalbkreis dann bei den "Corona-Erkrankten" zwischen "laborchemisch bestätigten" und "klinisch-epidemiologisch" Erkrankten. Von den an diesem Tag 1.588 gemeldeten Corona-Erkrankten waren 1.397 "labordiagnostisch" bestätigt im Sinne des RKI und 191 "klinisch-epidemiologisch" erkrankt. Die letzte Zahl stieg bis zum 12. August auf 194, während die Zahl der labordiagnostisch bestätigten Erkrankten auf 1.598 anstieg. Zu den klinisch-epidemiologischen Fällen heißt es beim RKI:

Falldefinitionen des Robert Koch-Instituts zur Übermittlung von Erkrankungs- oder Todesfällen und Nachweisen von Krankheitserregern

"Auftreten von zwei oder mehr Lungenentzündungen (Pneumonien) (spezifisches klinisches Bild) in einer medizinischen Einrichtung, einem Pflege- oder Altenheim, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, auch ohne Vorliegen eines Erregernachweises."
(RKI, 29.05.2020)

In der Anfangsphase der Pandemie als noch sehr wenig getestet wurde, gab es vermehrt Fälle, die nicht labordiagnostisch bestätigt sind. Diese Fälle wurden also nicht gezählt, d.h. diese Toten tauchen in keiner RKI-Statistik auf. Für den Ostalbkreis lässt sich sagen, dass dort keine Zahlen zu Verstorbenen veröffentlicht wurden, die nicht auch labordiagnostisch bestätigt wurden. Ob es andere gab, das lässt sich jedoch aus den Veröffentlichungen nicht ersehen. Deutschlandweit gibt es viele Kreisgesundheitsämter, die mehr Fälle erfasst haben als jene, die dann in die RKI-Statistik eingehen. Das hat nichts mit dem Meldeverzug zu tun, der in den Debatten diskutiert wird.

Noch komplizierter wird es, wenn das baden-württembergische Landesgesundheitsamt in seinen Lageberichten die Kategorie der "klinisch-epidemiologisch bestätigten Erkrankungen" aufführt und folgendes dazu vermerkt:

Lagebericht COVID-19

"Neben laborbestätigten SARS-CoV-2 Fällen, die der Referenzdefinition entsprechen und in der offiziellen Fallstatistik aufgeführt werden, werden im Rahmen von Ausbruchsgeschehen auch klinisch-epidemiologisch bestätigte COVID-19 Fälle an das LGA übermittelt. Bis Redaktionsschluss waren es insgesamt 272 klinisch-epidemiologische COVID-19-Fälle und 15 klinisch-epidemiologische COVID-19-Todesfälle. Für die Bewertung der COVID-19-Fälle als klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung muss das klinische Bild laut Falldefinition erfüllt sein und zusätzlich eine epidemiologische Bestätigung vorliegen. Diese liegt vor, wenn der Fall mit einem labordiagnostisch nachgewiesenen Fall in einem epidemiologischen Zusammenhang gebracht werden kann."
(Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, S.6, 13.08.2020)

Der Landkreis Schwäbisch Hall meldete für den 12. August 1.100 Corona-Erkrankte. Das LGA dagegen zählt für den Landkreis am selben Tag nur 894 Infizierte, also eine Differenz von über 200 Fällen. Ein Artikel der Südwestpresse beschäftigte sich bereits im April mit dieser Differenz im Landkreis Schwäbisch-Hall:

Viel mehr Infizierte laut Landratsamt Schwäbisch Hall: So zählen Amt, RKI und Ministerium

"Das RKI und das Sozialministerium nehmen in ihre Statistik nur auf, wer durch einen Test nachgewiesener Corona-Infizierter ist. Das Landratsamt nimmt auch Fälle auf, die von den Ärzten gemeldet wurden, ohne getestet worden zu sein. Das teilte Marlena Merkel, Sprecherin des Amtes, auf Nachfrage von swp.de mit.
Die Ärzte melden Fälle, die eine »entsprechende Symptomatik und epidemiologischen Zusammenhang haben« – also zum Beispiel im selben Haushalt wohnen, sagt Steffen Baumgartner, auch Sprecher des Landratsamtes Schwäbisch Hall, in seiner Antwort auf unsere Nachfrage. In der Liste werden also Menschen geführt, die Symptome von Covid-19 haben und Kontaktpersonen der Kategorie I sind.
Das Gesundheitsamt behandelt diese Erkrankte wie nachweislich Infizierte. Das bedeutet: Sie müssen in Quarantäne und es werden die Menschen ermittelt, die mit diesen Personen Kontakt hatten. »Nur als Verdachtsfälle gemeldete Personen ohne Test werden routinemäßig nicht nachverfolgt.«, so Baumgärtner weiter. (...).
Bei den Todesfällen zählt auch das Landratsamt nur die nachweislich mit dem Coronavirus Infizierten.
(swp.de, 03.04.2020)

Diese Beschreibung der Sachlage entspricht ziemlich genau jenen "klinisch-epidemiologisch bestätigten Erkrankungen" des LGA. Als der Zeitungsbericht erschien, gab es im Lagebericht noch keine Ausführungen zu den klinisch-epidemiologisch bestätigten Fällen. Erst am 20. April führte das LGA diese Kategorie in den Lagebericht ein. Damals wurden 268 solcher Fälle und 11 Todesfälle gezählt. Bis heute sind also nur 4 weitere Fälle und 4 Todesfälle dazu gekommen.

In Baden-Württemberg gibt es 44 Landkreise. Allein in den genannten 2 Landkreisen gibt es rund 400 Fälle, die nicht in die Fallstatistik eingegangen sind. Das LGA nennt 15 Todesfälle, die zwar als "klinisch-epidemiologisch bestätigt" gelten, aber nicht in der RKI-Todeszahlenstatistik geführt werden. Deutschlandweit könnte dies zu einer Unterschätzung der Todeszahlen führen - insbesondere in der akuten Phase im März und April 2020. 

An oder "nur" mit SARS-CoV-2 verstorben

Erregte öffentliche Debatten kreisen um die scheinbar weite Definition der Corona-Toten, die das RKI benutzt. Dabei lädt in erster Linie die Passage "mit SARS-CoV-2 verstorben" zu wilden Spekulationen und Fake-News ein. Dabei gehen die Gesundheitsämter, die hier einen gewissen Ermessensspielraum besitzen, eher restriktiv mit der Definition "mit Corona verstorben" um. Infizierte, die z.B. bei einem Autounfall gestorben sind, gehören da genauso wenig dazu wie Selbstmörder, um nur einige der gängigen Argumente von Corona-Leugnern zu nennen.

Politische Brisanz erlebte diese Debatte durch die Aussage des baden-württembergischen Grünen-Politikers Boris PALMER "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." (Sat-1-Frühstücksfernsehen, 28.04.20) Diese Debatte erfolgte nach dem Beschluss erster Lockerungen, die ab dem 20. April, d.h. nach nicht einmal einem Monat der - im Vergleich mit Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich geringen Einschränkungen - in Kraft traten, und den Hardlinern der Lockerungsverfechtern bei weitem nicht ausreichend waren. Zwei Tage zuvor hatte der neoliberale CDU-Politiker Wolfgang SCHÄUBLE einen Gegensatz von "absolutem" Lebensschutz und unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schäden konstruiert (Tagesspiegel, 26.04.20). Einen Tag später titelte das Hamburger Abendblatt "Alle 133 Hamburger Coronatoten litten an schweren Vorerkrankungen". Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) war angetreten, um mittels Obduktionen zu belegen, dass man damit jene Corona-Toten von anderen mit dem Virus Infizierten unterscheiden kann, die zwar infiziert waren, aber nicht ursächlich daran gestorben waren. Die Saarbrücker Zeitung hatte dies bereits Anfang April folgendermaßen formuliert:

RKI rechnet mit Dunkelziffer bei Corona-Toten in Deutschland

"Hintergrund (...) der gegenwärtigen Debatte um die Zahl der Toten ist unter anderem, dass Hamburg diese anders erfasst als das RKI. Die Hansestadt lässt mutmaßliche Corona-Tote im Institut für Rechtsmedizin untersuchen. Dadurch werde medizinisch differenziert nachgewiesen, welche Menschen nicht nur mit, sondern ursächlich durch eine Covid-19-Erkrankung gestorben seien, erklärte die Hamburger Gesundheitsbehörde."
(Saarbrücker Zeitung, 03.04.2020)

Mittlerweile ist klar, dass es sich bei Corona-Erkrankungen nicht um eine schlichte Atemwegs- bzw. Lungenkrankheit handelt, sondern um eine "Multiorgankrankheit", die neben der Lunge auch Niere, Herz und Gehirn angreifen kann. Welche Spätfolgen eine solche Infektion haben kann, das ist jedoch längst noch nicht ausreichend geklärt. Es wird deshalb auch künftig heftige Konflikte, um die Todeszahlenstatistik entbrennen, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen.

Hinter der Kritik an einer "weiten Definition" der Corona-Toten stecken ganz handfeste wirtschaftlichen Interessen z.B. von Heimbetreibern, die sich den Ruf ihres Heimes nicht beschädigen lassen wollen. Die Rhein-Neckar-Zeitung hat einen Heimbetreiber seine Kritik in polemische Worte fassen lassen:

An oder mit Corona gestorben?

"»Sterben zukünftig alle Bewohner unserer Einrichtung, auch in den nächsten Monaten, die irgendwann mal positiv waren, 'im Zusammenhang mit Corona'?« Und weiter: »Dass selbst noch nach überstandener Erkrankung die Menschen zu den mit Corona Verstorbenen zählen, macht mich sprachlos.«"
(RNZ, 07.05.2020)

Eine andere Konsequenz hat die Kreisverwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm aus einem solchen Fall gezogen:

Künftige Fallzahlen-Meldungen der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm

"Am gestrigen Donnerstag haben wir die genaueren Umstände des am 6. Juni verstorbenen 66-Jährigen Eifelers mit dem Krankenhaus in St. Wendel geklärt. Das St. Wendeler Krankenhaus hatte dem Gesundheitsamt des Eifelkreises diese Woche schriftlich als Grund des Todes eine Coviderkrankung mitgeteilt. Die zuständige Ärztin des St. Wendeler Krankenhauses erklärte auf unsere Nachfragen, dass bei zwei Tests im April der Coronavirus beim Patienten nicht mehr festgestellt wurde. Der Verstorbene war insofern vom neuartigen Virus seit April 2020 geheilt und starb an den körperlichen Folgeauswirkungen.
Wie solche Krankheitsverläufe künftig korrekt zu erfassen sind, werden wir mit dem Gesundheitsministerium im Mainz klären. Bis dahin geben wir keine Statistik zu den Todesfällen im Zusammenhang mit Covid heraus. Wir benennen Neuinfektionen und Erkrankte."
(Pressemitteilung vom 12.06.2020)

Die Todeszahlenstatistik ist hart umkämpft, weil damit ganz unterschiedliche politische und wirtschaftliche Interessen verknüpft sind. Revisionen sind deshalb nicht unüblich, werden aber selten öffentlich diskutiert, sondern werden möglichst geräuschlos über die Bühne gebracht. So veröffentlichen z.B. das RKI oder die Landesgesundheitsämter nur die tägliche Gesamtzahl an Todesfällen. Revisionen werden dann nur sichtbar, wenn plötzlich weniger Tote als am Vortag gemeldet werden. In Baden-Württemberg hatte z.B. das Landesgesundheitsamt am 3. und 7. Juli die Todeszahlen jeweils um einen Toten nach unten korrigiert. Die Stuttgarter Zeitung veranlasste dies zur Aufklärung dieses Vorganges: 

Wer gilt eigentlich als Corona-Todesfall?

"In der zurückliegenden Woche ist die Zahl der Corona-Todesfälle im Land erst auf 1.839 gestiegen, dann lag sie wieder bei 1.837. Allerdings wurde da keine Statistik frisiert, wie eine Nachfrage bei den Gesundheitsämtern Emmendingen und Konstanz ergab. Vielmehr lag bei den Verstorbenen ein nicht allzu lange zurückliegender positiver Corona-Test vor. Erst nachträglich wurden laut Sprechern der beiden Ämter neuere, negative Corona-Tests bekannt. Daher seien die Verstorbenen wieder aus der Statistik herausgenommen worden.
Im Falle der Konstanzer und Emmendinger Verstorbenen habe sich auch wegen der nachträglich bekannt gewordenen negativen Corona-Tests gezeigt, dass »kein Zusammenhang mit der zurückliegenden Infektion bestand«, so eine Sprecherin des Landesgesundheitsamts. Dieser Zusammenhang sei relevant dafür, ob jemand in die Statistik der an und mit Corona Verstorbenen einfließe oder nicht."
(Stuttgarter Zeitung, 09.07.2020)

Ob das Vorhandensein eines Negativtests der Multiorgankrankheit und den damit verbundenen möglichen Spätfolgen gerecht wird, das darf bezweifelt werden. Aber das Beispiel zeigt, welche Ermessensspielräume bei der Frage eines Zusammenhangs mit der Infektion den Gesundheitsämtern offen stehen.

Am 14. Juli meldete das RKI für Brandenburg einen Toten weniger als am Vortag (167 statt wie am Vortag 168). Dagegen findet sich in den Tagesmeldungen des Landesgesundheitsamts kein Rückgang der Todeszahlen in den einzelnen Landkreisen. Jedoch zählt das Landesgesundheitsamt mit 173 Toten mehr Tote als es dem RKI weiter gemeldet hat. Nur über die Fallzahlen der Landkreise, die das RKI veröffentlicht, lässt sich ermitteln, dass der Tote im Landkreis Potsdam-Mittelmark verschwunden ist (37 statt am Vortag 38 Tote). Das LGA zählt für diesen Landkreis jedoch wie am Vortag 43 Tote. Am 10. Juli meldet das LGA 29 Fälle weniger für Brandenburg als am Vortag, weil es nur 4 "Neuinfektionen" gab. Hintergrund: 33 Fälle in Potsdam-Mittelmark waren aus der Statistik herausgefallen. Zu dieser Revision heißt es lapidar:

Coronavirus: Insgesamt 3.475 bestätigte COVID-19-Fälle in Brandenburg statistisch erfasst

"Landkreis Potsdam-Mittelmark hat eine Datenrevision durchgeführt. Bei der Überprüfung der Zahlen wurden 33 falsch klassifizierte Fälle in den Monaten April und Mai neu bewertet und rückwirkend korrigiert. Die Korrektur wirkt sich auch auf die Zahl der Genesenen aus, die entsprechend rückläufig ist. Die Ermittlung der Anzahl der aktuell Erkrankten bleibt davon unberührt."
(Koordinierungszentrum Krisenmanagement in Brandenburg, Pressemitteilung vom 10.07.2020)

Das Kreisgesundheitsamt Potsdam-Mittelmark meldet diese Korrektur am selben Tag mit folgendem Wortlaut:

Pressemitteilung vom 10. Juli 2020 - 13:30 Uhr

"Im Landkreis Potsdam-Mittelmark sind derzeit 554 (-21 zum Vortag) Personen als infiziert gemeldet. Einige bisher im System positiv gelistete Personen mussten nach Überprüfung durch das Gesundheitsamt Potsdam-Mittelmark neu bewertet und aktualisiert werden. Bei den korrigierten Fällen handelt es sich um fehlerhafte Datenübertragungen und Systemeingaben von negativen Laborergebnissen ins Meldesystem des RKI (SurVNet@RKI). Die unzutreffenden Eingaben sind während der regelmäßigen Überprüfungen des Systems festgestellt worden. Da die Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist, kann es zu weiteren Anpassungen kommen."
(Potsdam-Mittelmark, 10.07.2020)

Es gibt also neben spurlos verschwindenden Toten auch im Statistikdschungel verschwindende Fälle. 10 Tage später liest man in der Pressemeldung dann Folgendes:

Lagebild Nr. 119 Corona vom 20. Juli 2020

"Mit dem heutigen Datum wird das Corona-Lagebild umgestellt. Der Landkreis veröffentlicht nur noch Daten, die auch im SurVNet des Robert-Koch-Institutes gespeichert werden. Damit sollen zukünftig Doppeleingaben und unterschiedliche Aussagen zu den Daten vermieden werden."
(Potsdam-Mittelmark, 20.07.2020)

Also Neuanfang in Potsdam-Mittelmark, aber das Dunkel der Vergangenheit wird dadurch nicht erhellt.

Bleiben wir in Brandenburg, denn in der Landeshauptstadt Potsdam gab es im Land die meisten Verstorbenen. Viele davon sind im Zusammenhang mit Ausbrüchen im Klinikum Ernst von Bergmann gestorben. Bis zum 11. Mai wurden tägliche Lageberichte veröffentlicht, danach nur noch Corona-Updates. Am 5. und 8. Juni verschwanden dann 3 Verstorbene aus der Statistik, wodurch sich die Todeszahl von 53 auf 50 reduzierte. Begründet wurde das Verschwinden mit der nachträglichen Änderung der Diagnose auf den Totenscheinen:  

Corona-Updates für Potsdam

"Die Zahl der verstorbenen Potsdamerinnen und Potsdamer wurde (...) nach unten korrigiert, da durch den Arzt auf dem Totenschein Covid 19 gestrichen und eine andere Diagnose als Todesursache angegeben wurde"
(Verwaltungsstab der Landeshauptstadt Potsdam, 05.06.und 08.06.2020)

Am 14. August sind weitere zwei Verstorbene mit der gleichen Begründung aus der Statistik verschwunden, die eine Woche zuvor mit folgender Bemerkung in die Statistik aufgenommen wurden:

Corona-Updates für Potsdam

"Die Zahl der verstorbenen Potsdamerinnen und Potsdamer im Zusammenhang mit dem Corona-Virus wurde in dieser Woche auf 52 erhöht, da eine nachträgliche Prüfung der Todesursachen bereits früher Verstorbener dieses Ergebnis zeigte."
(Verwaltungsstab der Landeshauptstadt Potsdam, 07.08.2020)

Neben plötzlich auftauchenden Negativtests können also auch nachträglich geänderte Totenscheine zum Verschwinden von Toten aus der Statistik führen.

Eine Panne im nordrheinwestfälischen Landkreis Heinsberg zeigt wie schnell Tote aus den Statistiken verschwinden können. Während am 7. Juni noch 79 Tote gemeldet wurden, waren es am 8. Juni plötzlich nur noch 70 Tote. Aufschlussreich sind die jeweiligen Begründungen für den Wegfall bzw. die Wiedereinführung der 9 Toten am nächsten Tag:

Aktuelle Informationen

"Aufgrund inzwischen vorliegender Befunde sind neun bisher in der Statistik geführte verstorbene Personen nachweislich nicht an bzw. mit Covid19 verstorben. Die Statistik ist daher entsprechend angepasst worden."
(Kreis Heinsberg, 08.06.2020)

"In der am 8. Juni 2020 veröffentlichten Statistik wurden aufgrund einer veränderten Filtereinstellung in der Corona-Software des Kreises nur die Todesfälle berücksichtigt, in denen Corona-Positive, noch nicht geheilte Personen betroffen waren. Todesfälle von bereits genesenen, ehemals positiv getesteten Menschen wurden nicht genannt. Da laut Expertise des Gesundheitsamtes aber nicht auszuschließen ist, dass auch bei Genesenen der Todesfall auf mögliche Spätfolgen der Coronaerkrankung zurückzuführen ist, werden auch diese Verstorbenen ab sofort wieder in die Statistik aufgenommen."
(Kreis Heinsberg, 09.06.2020)

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Todeszahlenstatistik immer zur Disposition steht und großmaßstäbliche Revisionen wie sie in anderen Ländern üblich waren (z.B. Spanien, Frankreich und Großbritannien, wo Tausende von Toten durch unterschiedliche Erfassungsformen verschwanden oder statistisch inexistent waren) auch in Deutschland erfolgen können.

Das unsichtbare Sterben in der Statistik

Wenn das RKI keine Toten in einem Bundesland meldet, heißt dies nicht unbedingt, dass es keine neu gemeldeten Toten an diesem Tag gab. Weil das RKI nur zusammengefasste Zahlen zu den Toten veröffentlicht, können durch Revisionen einzelner Landesgesundheitsämter ein falscher Eindruck entstehen. Die Medien melden gewöhnlich nur die Gesamtzahl und nicht, wenn Revisionen erfolgen. Nur negative Todeszahlen erwecken das Medieninteresse.

Am 10. Juni meldete z.B. das LGA in Baden-Württemberg keinen Toten für das Bundesland. Nur wer sich die einzelnen Landkreise betrachtet, der bemerkt, dass im Ostalbkreis ein Toter neu gemeldet wurde, gleichzeitig aber im Landkreis Schwäbisch-Hall ein Toter aus der Statistik entfernt wurde. Am 21.05. meldete Baden-Württemberg 8 Tote für das Bundesland, obwohl 9 Tote neu gemeldet wurden. Doch ein Toter verschwand gleichzeitig aus der Statistik. Dies sind - deutschlandweit - keine seltene Fälle. Über die Hintergründe wird von den Ämtern nur sehr selten aufgeklärt.

Exkurs: Spanien als Corona-Wunderland - Von heute auf morgen vom abschreckenden Beispiel zum europäischen Musterknabe?

In Westeuropa sind Tausende Tote aus den Statistiken verschwunden, indem die Erfassungsformen verändert wurden. Am 24. Mai meldete die offizielle spanische Statistik noch 28.752 Tote. Einen Tag später waren es nur noch 26.834 - also 1.918 Tote weniger. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) schwieg zu diesem Vorgang, übernahm jedoch die Zahlen der revidierten Statistik. Während die 28.752 Toten 61,5 Toten pro 100.000 Einwohner entsprachen, waren es am Tag danach nur noch 57,4. Es verschwanden somit 4 Tote pro 100.000 Einwohner oder anders gerechnet fast die Toten der letzten 14 Tage, die in Spanien gezählt worden waren!

In der deutschen Presse war das kein Thema. Es ist schließlich die Zeit, in der die Urlaubsfrage Fahrt auf nimmt. Am 28. Mai titelt die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung noch: "Die Sehnsucht nach Orten in der Ferne ist riesig. Doch mit Urlaubsfahrten ins Ausland wird es so schnell nichts werden". Aber Spanien ist ein Lieblingsreiseland der Deutschen, weswegen das Sterben in Spanien ein Ende haben soll. Am 24. Mai gab es noch 70 Tote an einem Tag. In den 23 Tagen vom 26. Mai bis zum 18. Juni starben laut Statistik nur 19 Menschen in ganz Spanien. In den 12 Tagen vom 7. bis zum 18. Juni starb sogar gemäß Statistik kein einziger Mensch in ganz Spanien! Das ECDC übernahm diese Zahlen ohne irgendeinen Hinweis in die eigene Statistik. Am 19. Juni wurden dann in Spanien an einem einzigen Tag 1.179 Tote sozusagen nachgemeldet.

In den deutschen Medien herrschte Stillschweigen zu diesem Statistikirrsinn. Im Internet fand sich auf web.de ein einziger Artikel am 8. Juni. Marco FIEBER fragte darin: "Seit Ende Mai hat Spanien kaum mehr neue Corona-Tote vermeldet. An vielen Tagen gab es laut Behörden nur einen oder sogar gar keinen Fall. Vom Coronavirus-Hotspot zum vorgeblich sicheren Reiseziel innerhalb kürzester Zeit – wie kann das sein?" Darin heißt es:

Spanien meldet plötzlich nur noch einen Corona-Toten pro Tag – das steckt dahinter

"Spanien hat am 25. Mai die Erfassungsmethode grundlegend geändert. Die Behörden begründeten den Schritt damit, dass das neue Datenerfassungssystem ein besseres Bild der Pandemie liefern würde. Zum einen wird seitdem bei einem Corona-Todesfall der Zeitpunkt gezählt, an dem ein Infizierter gestorben ist – und nicht mehr das Datum, an dem die Behörden informiert wurden. Zum anderen führt die spanische Regierung nun nicht mehr die Zahl der Todesfälle in den vergangenen 24 Stunden auf. Die Gesamtzahl der Todesfälle wird nur noch einmal pro Woche aktualisiert. Und neue Todesfälle werden nur dann in die laufende Gesamtzahl aufgenommen, wenn sie in den 24 Stunden vor jedem täglichen Bericht aufgetreten sind. Deshalb führt der aktuellste Bericht auch lediglich einen neuen Todesfall für den Sonntag auf."
(web.de, 08.06.2020)

Ralf STRECK berichtet im Online-Magazin Telepolis in diversen Artikeln (z.B. hier und hier) über die spanische Statistik und ihre Tücken. STRECK geht es vor allem um statistische Lücken, die den politischen Interessen und Konflikten (Madrid contra Katalonien/Barcelona) geschuldet sind und um Belege für falsche politische Strategien, deren Folgen sich in unterschiedlich hohen Todeszahlen bzw. Übersterblichkeiten ausdrücken. Die Methoden mit denen Statistiken für bestimmte Zwecke instrumentalisiert werden können, bleiben dagegen unterbelichtet. Hier dagegen soll es um die Aufklärung über genau diese Methoden gehen, denn die spanische Methode macht Schule in Europa.

Bis 8. Juli meldete das ECDC, sozusagen das europäische Pendant zum Robert-Koch-Institut, die Toten pro 100.000 Einwohner. Seit dem 9. Juli werden dagegen nur die Toten der letzten 14 Tage pro 100.000 Einwohner aufgelistet. Was das bedeutet? Während am 8. Juli z.B. für Großbritannien 66,8 Tote pro 100.000 Einwohner gemeldet wurden, waren es am 9. Juli plötzlich 2,2 Tote pro 100.000 Einwohner. Das sieht natürlich viel besser aus, denn wer rechnet das schon um? Bis zu diesem Tag waren in Großbritannien 44.602 Menschen am Coronavirus verstorben. 14 Tage zuvor waren es dagegen erst 43.230 Menschen. Folglich bedeuten die 2,2 Toten pro 100.000 Einwohner in Wirklichkeit 1.372 Menschen, die in nur 14 Tagen gestorben waren. Immerhin durchschnittlich fast 100 Tote pro Tag. In den täglichen Meldungen des ECDC ist das auf den ersten Blick nicht erkennbar.

Exkurs: Großbritannien als nächstes Corona-Wunderland

Seit einigen Tagen folgt nun auch Großbritannien dem spanischen Pfad des Umgangs mit Verstorbenen. Am 13. August meldete Großbritannien noch 46.706 Tote. Tags darauf waren es nur noch 41.357 Tote. Kurz mal 5.349 Tote aus der Statistik heraus geworfen! Für das ECDC sind das gerade einmal 7,1 Tote pro 100.000 Einwohner in den letzten 14 Tagen weniger gewesen. Großbritannien begleitete diese neue Sicht auf die Toten mit der Umstellung der Website. Wie in Spanien werden nun die Toten unsichtbar gemacht, indem eine neue Definition der veröffentlichten Todeszahlen benutzt wird: Wer nicht spätestens 28 Tage nach einem positiven Test verstirbt, der wird nicht als Corona-Toter gezählt - wie immer das berechnet wird. Warum aber 28 Tage?

Man sollte daran erinnern, dass Großbritannien bis zum 24. April nur die Toten zählte, die im Krankenhaus verstorben waren. Ab dem 25. April kamen dann auch die Toten, die in Alten- und Pflegeheimen verstarben hinzu. Das waren damals 3.316 Menschen. Mit der neuen Revision entsorgt man offenbar diese Toten wieder. Während das ECDC dieses Spiel - wie bei Spanien - mitspielt, meldet die Johns-Hopkins-Universität für den 15. August 46.791 Tote. Auch hierzu schweigen die Medien und die JHU hat ihre Zahlen mittlerweile nach unten korrigiert!

Die Kontaktnachverfolgung als Königsweg zur Vermeidung von Überlastungen im Gesundheitswesen bei gleichzeitiger Normalisierung des Alltags

Wie weiter oben gesehen, wurde mit der Obergrenze von 50 Neuinfektionen über 7 Tage pro 100.000 Einwohner ein Schwellenwert definiert, bei dessen Überschreitung wieder einschränkende Maßnahmen ergriffen werden sollten. Die Kontaktnachfolgung durch die Gesundheitsämter sollte bei niedrigeren Werten noch möglich sein, ohne dass ein Lockdown vonnöten ist, der die Wirtschaft weiter schädigt. Die Vermeidung höherer sogenannter Inzidenzen hatte damit oberste Priorität. Doch von Anfang an wurde dieser Wert eher als nach oben dehnbar verstanden. Dazu diente die Formel von den "eindeutig räumlich eingrenzbaren Ausbrüchen". Damit waren vor allem Ausbrüche in Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheime oder in Betrieben gemeint. Dies soll nun als zweite Herangehensweise an die Pandemieopfer erörtert werden, denn hier geht es nicht um die Toten, sondern um die Vermeidung von Schäden für die Wirtschaft.

Nach den Lockerungen im Juni, Foto: Bernd Kittlaus

Der Umgang mit der Neuinfektionsobergrenze anhand einzelner Fallbeispiele

Bereits vor Einführung der Obergrenze hatte der Landkreis Greiz in Thüringen die Obergrenze deutlich überschritten. Es stellte sich also die Frage nach der Verlängerung des Lockdowns. Die Wochenzeitung Die Zeit berichtete am 12. Mai über den Widerstand der Landrätin gegen die Verlängerung des Lockdowns.

Eine Landrätin stellt die Vertrauensfrage

"Martina Schweinsburg muss sich fragen lassen, warum sich das Virus in ihrem Landkreis besonders heftig verbreitet. Stand Anfang der Woche: 538 Infizierte – etwa 20 Prozent aller offiziellen Infektionsfälle in Thüringen. Und 37 Todesfälle. Schließlich kam noch die offizielle Alarmstufe hinzu, der von Bund und Ländern festgelegte Grenzwert: Ab 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, soll die »Notbremse« gezogen werden und ein Beschränkungskonzept gelten. Greiz ploppte als einer der ersten Landkreise in Deutschland auf, denn dort wurde der Wert deutlich überschritten – mit aktuell 75 Neuinfektionen in einer Woche. (...).
Aber was ist, wenn sich die Kreise einfach nicht an die Abmachung halten? Von Notbremsungen ist in Greiz nämlich überhaupt nicht die Rede. Stattdessen hört man von Martina Schweinsburg andere Töne: Eine neue Maßnahmenoffensive wird es bei ihr nicht geben, keine Landkreisquarantäne, keine Schließungen. »Ich warte noch ab«, sagt sie. »Ich mache jetzt keinen Schnellschuss, den ich vielleicht wieder einsammeln muss.« Nur das Besuchsverbot für Senioreneinrichtungen und Kliniken bleibt weiter bestehen."
(Die Zeit, 12.05.2020)

Das Robert-Koch-Institut hat zwar bereits seit dem 25. März den Indikator 7-Tage-Inzidenz in seinen täglichen Situationsberichten als Maßzahl benutzt, aber zur Beschreibung der epidemiologischen Lage in Deutschland wurden nur die Fälle pro 100.000 Einwohner benutzt. Erst am 20. Mai stellte das RKI dies um. Die täglichen Bulletins des Thüringer Landesgesundheitsamts, die am 10. Juli eingestellt wurden, verwendeten die 7-Tage-Inzidenz bis zum 7. Mai überhaupt nicht zur Beschreibung der Lage in den einzelnen Landkreisen. Am 7. Mai wies das LGA dann bei Greiz eine 7-Tage-Inzidenz von 87,5 aus. Danach folgten der Landkreis Gera mit 20,0 und Sonneberg mit 19,6. Nur für zwei der 23 Landkreise meldete das LGA keinen einzigen Fall innerhalb von 7 Tagen. Doreen REINHARDT schildert uns die Sicht der Landrätin auf die Entwicklung der Pandemie im Landkreis folgendermaßen:

Eine Landrätin stellt die Vertrauensfrage

"Den ersten offiziellen Corona-Fall gab es Mitte März im Greizer Krankenhaus. Doch schon Wochen vorher war das Virus im Landkreis. Winterurlauber haben es aus Italien mitgebracht. Drei Familienfeiern spielten eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung. (...). Schnell wurden Greizer Seniorenheime und Kliniken zu Virenschleudern. Inzwischen entfällt auf sie die Hälfte der Fälle im Kreis. Die 37 verstorbenen Menschen waren zwischen 67 und 98 Jahre alt. Alle hätten teils schwere Vorerkrankungen gehabt, sagt die Landrätin. Sie wolle nichts verharmlosen, sagt sie, »aber wir wissen ja nicht, ob die Leute mit oder wegen des Virus gestorben sind«. Obduktionen seien nicht durchgeführt worden. In Greiz hat es gedauert, bis an den kritischen Orten breit getestet wurde. Erst Anfang Mai fand der erste Massentest statt – nach Verzögerungen, in die etliche Behörden verwickelt waren. (...). Die Ergebnisse haben die Greizer Statistik weiter in die Höhe getrieben."
(Die Zeit, 12.05.2020)

Die Reaktion der Landrätin, die die hohe Zahl von Toten zu verharmlosen versucht, kann angesichts der desolaten Lage in ihrem Landkreis kaum verwundern. Greiz führt die Liste der Toten pro 100.000 Einwohner in Ostdeutschland am 1. August mit weitem Abstand vor weiteren thüringischen Landkreisen an. Dies ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich:

Rang

Bundesland

Kreis

Einwohnerzahl

Tote

Tote/100T

1

Thüringen

Greiz (Landkreis)

98.159

48

48,90

2

Thüringen

Sonneberg (Landkreis)

56.196

22

39,15

3

Thüringen

Gera (kreisfreie Stadt))

94.152

22

23,37

4

Thüringen

Gotha (Landkreis)

135.452

30

22,15

5

Brandenburg

Potsdam-Mittelmark (Landkreis)

214.664

38

17,70

6

Sachsen

Zwickau (Landkreis)

317.531

52

16,38

7

Brandenburg

Barnim (Landkreis)

182.760

29

15,87

8

Thüringen

Saale-Orla-Kreis (Landkreis)

80.868

12

14,84

9

Sachsen

Erzgebirgskreis (Landkreis)

337.696

43

12,73

10

Sachsen

Vogtlandkreis (Landkreis)

227.796

22

9,66

Der Landkreis Greiz gehört auch deutschlandweit zur Spitzengruppe der 30 Landkreise mit den meisten Toten pro 100.000 Einwohner. Seit dem Zeitungsartikel, der gemäß der Meldung des Kreisgesundheitsamts dem Stand vom 9. Mai entspricht, sind weitere 11 Tote im Landkreis hinzu gekommen. Der letzte Tote starb jedoch bereits am 16. Juni. Seitdem hat der Kreis keinen weiteren Toten mehr gemeldet. Ob dies nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist, wird sich zeigen müssen. Genau 2 Monate später führt der Landkreis nämlich wieder die 7-Tage-Inzidenz-Rangliste des Bundeslandes an. Diese liegt zwar erst bei niedrigen 8,2, was sich aber schnell ändern könnte.

Die simple Formel "Wer viel testet, der findet auch viel" ist nur scheinbar stimmig, denn sie hängt maßgeblich mit der jeweiligen Teststrategie zusammen. Dass in Thüringen - gemessen an der Bevölkerungszahl - sehr viele Opfer im Vergleich mit anderen ostdeutschen Bundesländern zu beklagen sind, das ist eine Frage, die in einem eigenen Beitrag erörtert werden soll. Hier soll dagegen ein Vergleich mit dem Landkreis Sonneberg erfolgen, um zu zeigen, dass es gravierende Unterschiede hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit der Landkreise gibt.

Während der Landkreis Greiz eine restriktive Öffentlichkeitsarbeit betreibt: lediglich Veröffentlichung der Anzahl der Toten in den nicht einmal täglichen Meldungen zur Lage des Kreises. Dagegen geht der Landkreis Sonneberg offensiv mit der eigenen Lage um: Täglich wird diese anhand der Veränderung der 7-Tage-Inzidenzen beschrieben und zu den Verstorbenen gibt es Altersangaben und Hinweise zu Besonderheiten. Durch die Angabe der Inzidenzen lassen sich damit die Unterschiede der Verläufe zwischen Kreis, Land und Robert-Koch-Institut erkennen. Bekanntlich sollte der Schwellwert die Überlastung der Kreisgesundheitsämter anzeigen. Doch die Medien greifen meist nur auf die Zahlen des RKI zurück, obwohl diese Zahlen dem Arbeitsanfall in den Kreisen nicht gerecht werden. Das folgende Schaubild zeigt die unterschiedlichen Entwicklungen der 7-Tage-Inzidenzen:

Es wird deutlich, dass die Höchstwerte der 7-Tage-Inzidenzen, die vom Robert-Koch-Institut und der thüringischen Landesmeldestelle gemeldet werden, weit unter jenen Werten liegen, die auf der Ebene des Kreisgesundheitsamtes die Kontaktnachverfolgung bestimmen. Während RKI und LGA nur an 5 Tagen eine Überschreitung der Obergrenze melden, wird vom Kreisgesundheitsamt die Überschreitung an 15 Tagen gemeldet. RKI/LGA sehen den Höchststand bei 64,1 (Stand: 11.05.). Das KGA dagegen bei 75,3 (Stand: 12.05.).

Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Da ist zum einen, dass RKI und LGA mit dem Bevölkerungsstand vom 31.12.2018 (56.196 Einwohner) rechnen, während das KGA mit dem Bevölkerungstand vom 30.06.2019 (58.076 Einwohner) rechnet. Der Landkreis Sonneberg gehört zu den wachsenden Landkreisen, sodass sich eine Zunahme von 1.880 Menschen ergibt. Nimmt man die Annahmen der Politik ernst, d.h. 5 Leute für 20.000 Einwohner, dann würde das umgerechnet bedeuten, dass aufgrund des Bevölkerungswachstums fast eine Halbtagskraft notwenig ist, um den normalen Mehrbedarf zu schaffen.

Je höher die 7-Tage-Inzidenzen steigen, desto stärker wirkt sich der Unterschied jedoch aus. Bis zu einer Inzidenz von ca. 25 ergibt sich kein Unterschied. Bei rund 25 - 70 ist es ein Fall. Darüber sind es schon zwei Fälle. Beim Höchststand von 75,3 bedeutet dies, dass das KGA von 44 Fällen spricht, während RKI/LGA nur 42 Fälle annehmen. Die Obergrenze in Sonneberg liegt also je Berechnung bei 28 oder 29 Fällen. Inzwischen liegen für die thüringischen Landkreise die Bevölkerungszahlen für den 31.12.2019 vor. Danach ist der Kreis auf 57.717 Einwohner geschrumpft. Dennoch stimmen die Zahlen des KGA weiterhin, jedoch ist die Zunahme auf 1.521 zurückgegangen. Erst bei Veröffentlichung der Zahlen für Mai/Juni 2020 wissen wir, welche Berechnung der heutigen Wirklichkeit am nächsten kommt.

Nimmt man die Differenz der Höchstwerte, dann ergibt sich selbst bei gleicher Berechnung eine Differenz von 4 Fällen. Diese Differenz ist dem Meldeverhalten und den Eigenarten der 7-Tage-Inzidenz geschuldet. Kommen wir noch einmal auf die Greizer Landrätin und den Zeitungsartikel zurück. Dort heißt es:

Eine Landrätin stellt die Vertrauensfrage

"Schon Anfang Mai, beim ersten Massentest, hat die Landrätin sich deshalb Sorgen gemacht. Bund und Länder haben sich auf den Grenzwert von 50 Infektionen geeinigt, als die Tests in Greiz gerade liefen. »Rein theoretisch hätte ich auch sagen können, wir testen nicht sechs Pflegeheime auf einmal, sondern nur drei in einer Woche und die nächsten drei in der anderen Woche, dann hätte es das Ergebnis vielleicht halbiert.« Aber solche Zahlenspiele, fügt sie schnell hinzu, seien nicht Teil der Lösung. »Nur um eine Statistik schönzumachen, das ist ja nicht Sinn der Sache.«"
(Die Zeit, 12.05.2020)

Die Landrätin legt hier den Akzent auf jene Verzögerungen, die durch den Zeitpunkt der Testung entstehen. Doch das ist nur eine Möglichkeit, um die Statistik besser aussehen zu lassen. Und es braucht nicht einmal Absicht dahinter zu stehen, sondern Verzerrungen entstehen bereits aufgrund der Arbeitsbedingungen bei den Kreisgesundheitsämtern, den Meldewegen und den Arbeitsweisen der Landesgesundheitsämter. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die hier zusammenwirken und die Verzerrungen bewirken.

Exkurs: Was bedeutet es, wenn von einer 7-Tage-Inzidenz gesprochen wird?

Das Prinzip der 7-Tage-Inzidenz ist im Grunde einfach, wenn man es oberflächlich betrachtet: Jeden Tag fallen die Fälle eines Tages aus der Berechnung heraus, während die Fälle des aktuellen Tages hinzu kommen. Jeden Tag erfolgt dieses Spiel dann von Neuem. Doch was einfach aussieht ist es nicht, weil die Sache in der Realität ganz anders aussieht.

Das Landesgesundheitszentrum (LZG) in Nordrhein-Westfalen (NRW) veröffentlichte bis vor kurzem die Zahlen des Vortages, die in die Inzidenzberechnung einfliesen, lediglich von Montag bis Freitag. Seit 8. August aber auch am Wochenende. Dadurch können anhand der Veröffentlichung, die dem Datenstand des RKI entspricht, diejenigen Fälle ermittelt werden, die jeweils am ersten Tag in die Inzidenzen (Fallzahlen) eingeflossen sind. Im Idealfall müsste dann die 7-Tage-Inzidenz identisch sein mit der Summe der jeweiligen Tagesmeldungen. In der Regel ist das aber nicht der Fall, sondern die Ausnahme. Beispielhaft soll das an der 7-Tage-Inzidenz des 14. August gezeigt werden.

Am 14. August meldete das RKI/LZG für NRW 2.571 Fälle, die bei der 7-Tage-Inzidenz berücksichtigt wurden. Nimmt man jedoch die Fälle zur Hand, die am 7. August, am 8. August, am 9. August, am 10. August, am 11. August, am 12. August, und am 13. August berücksichtigt wurden, dann ergeben sich nur 1.928 Fälle. Das sind 643 Fälle weniger als die von RKI/LZG angegeben 2.571 Fälle, aus denen sich die Inzidenz vom 14. August tatsächlich zusammensetzt. Wie kann das sein?

In der Realität werden Neuinfektionen selten alle am selben Tag gemeldet, an dem das Kreisgesundheitsamt über einen Positivfall informiert wurde, sondern oftmals erst später. Was aber heißt das? Das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist in 53 Landkreise gegliedert. Am 14. August stimmten in nur 7 Landkreisen beide Zahlen überein, d.h. alle gemeldeten Fälle flossen am ersten Tag in den 7-Tage-Wert vom 14. August ein. In 46 Landkreisen gab es stattdessen Nachmeldungen oder es wurden Fälle aus den unterschiedlichsten Gründen wieder gelöscht. Die Gründe sind der Veröffentlichung nicht zu entnehmen, jedoch lassen sich Rückschlüsse ziehen.

In der kreisfreien Stadt Köln wurden am 14. August 149 Fälle für die 7-Tage-Inzidenz berücksichtigt. Jeweils am ersten Tag gemeldet wurden lediglich 35 Fälle. Die Mehrzahl der Fälle, nämlich 114, flossen nicht jeweils am Tag des Meldedatums ein, sondern später. Auch der umgekehrte Fall ist möglich. In der kreisfreien Stadt Essen wurden 108 Fälle jeweils am Tag des Meldedatums übermittelt. In die 7-Tage-Inzidenz gingen dann jedoch nur 104 Fälle ein. Es fanden also innerhalb der 7-Tagesfrist Löschungen statt. Löschungen und Nachmeldungen können sich auf 6 Tage verteilen, weshalb das ganze Ausmaß von Revisionen auch durch die Veröffentlichung des LZG nicht sichtbar wird. Es sollte jedoch klar werden, dass mit dem Begriff der Kontaktnachverfolgung nicht die ganze Arbeit der Gesundheitsämter beschrieben ist. Je undurchsichtiger das Ausbruchsgeschehen ist, desto schwieriger ist die Kontaktnachverfolgung. Möglicherweise stimmen die Angaben zum Wohnort nicht oder ein Umzug wurde nicht gemeldet. Auch können die Angaben auf Kontaktdatenlisten unleserlich oder falsch sein. In den Ferienzeiten ist so mancher auch nicht erreichbar, weil in Urlaub. Damit sind nur einige Probleme genannt.

Das RKI stellt Daten zur Verfügung, die einen größeren Teil aufklären können. Doch auch diese Daten haben große Lücken, weil Nachmeldungen und Löschungen auch nach langen Zeiträumen erfolgen können. Dies nur zur Information. Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) erklärt uns die Sache auf seiner Seite folgendermaßen:

Übersicht der Fallzahlen von Coronavirusinfektionen in Bayern

"Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle der letzten sieben Tage pro 100.000 Einwohner ab. Zur Berechnung wird der Datenstand von 08:00 Uhr des Aktualisierungstages verwendet. Bei den Fällen der letzten sieben Tage handelt es sich um die aufsummierten Fälle mit Meldedatum der letzten sieben Tage sowie Fallmeldungen, die mit Meldedatum des Aktualisierungstages bis 08:00 Uhr eingegangen sind. Das Meldedatum entspricht dem Datum, an dem das Gesundheitsamt vor Ort Kenntnis von einem positiven Laborbefund erhalten hat. Dieses Meldedatum entspricht nicht immer dem Datum, an dem das LGL einen Fall erstmals berichtet. Daher kann die 7-Tage-Inzidenz nicht über die Aufsummierung der jeweils neu berichteten Fälle der vergangenen Tage berechnet werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich Fallzahlen rückwirkend ändern können (z. B. durch Qualitätskontrollen oder Nachmeldungen)."
(LGL, 15.08.2020)

Unter den Begriff "Qualitätskontrolle" fallen die Löschungen. Am 15. August meldete das LGL z.B. 230 "Neuinfektionen". Diese bestanden aus 163 "neu berichtete aktuelle Fälle seit der letzten Aktualisierung", aus 70 Nachmeldungen und aus 3 Löschungen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die 7-Tage-Inzidenzen, die das RKI veröffentlicht, den Arbeitsaufwand in den Kreisgesundheitsämter nicht angemessen abbilden kann. Je größer ein Ausbruch, desto weniger wird das Geschehen auf der Ebene der Kontaktnachverfolgung abgebildet. Und die Kontaktnachverfolgung ist nur ein Teil der Arbeit, die das Gesundheitsamt zu leisten hat. Am Beispiel eines der größten Ausbrüche in Deutschland soll dies gezeigt werden.

Der Fall Gütersloh und was daraus für die Aussagekraft der 7-Tage-Inzidenz zu lernen ist

Kein Fall erregte in letzter Zeit mehr mediale Aufmerksamkeit als der Ausbruch bei der Firma Tönnies. Schlachthöfe und die Fleischverarbeitungsbranche waren zwar schon länger durch die Pandemie in den Blickpunkt geraten, aber kein Ausbruch hatte jene Dimensionen wie der Fall Tönnies. Mit den Kreisen Gütersloh und Warendorf waren gleich zwei Kreise vom bisher einzigen Lockdown nach Einführung der Obergrenze betroffen, auch wenn die Beschränkungen milder ausfielen als im März. Im nachfolgenden Schaubild ist das Ausbruchsgeschehen anhand drei verschiedener Quellen zu sehen:

Die 7-Tage-Inzidenzen stammen zum einen von den täglichen Situationsberichten des Robert-Koch-Instituts. Diese sind identisch mit den täglichen Meldungen des Landesgesundheitsamtes von Nordrhein-Westfalen. Zum Zweiten gab das Kreisgesundheitsamt in seinen Pressemeldungen ebenfalls täglich die Inzidenzwerte an, die dem Dashboard des KGA entnommen wurden. Die Aktualisierung erfolgte wie beim RKI zum gleichen Zeitpunkt (0:00 Uhr).

Mit rund einem Monat Abstand sieht dann jedoch das Ausbruchsgeschehen wiederum anders aus. Das LZG veröffentlicht diese Werte täglich für den Pandemieverlauf in Nordrhein-Westfalen. Es zeigt sich, dass die Inzidenzen, die das RKI täglich meldet, in der akuten Phase eines Ausbruchs zum einen zeitlich und zum anderen wertemäßig weit von der Realität des Arbeitsaufwandes im Kreisgesundheitsamt entfernt sind. Gemäß RKI wurde die Obergrenze erst am 19.06. (94,2 - was 343 Fällen entspricht) überschritten. Auch das KGA selbst sah die Obergrenze erst am 19.06. (71,1 - 259 Fälle) überschritten, weil die Eingabe ins elektronische System nicht hinterher kam. Dagegen zeigt sich nach Aufarbeitung der Fallzahlen zum Zeitpunkt 18.05., dass die Fallzahlen am 16.06. bereits knapp unterhalb der Obergrenze lagen (45,6 - 166 Fälle) und am 17.06. mit 154,6 (563 Fälle) die Obergrenze weit überschritten wurde. Woher kommen diese Differenzen?

Die ersten drei Positivfälle bei Tönnies wurden bereits am 15. Mai gemeldet. Am 18. Mai kam ein weiterer Fall hinzu. Doch erst als am 27. Mai 19 Fälle durch das Unternehmen gemeldet wurden, lief die Testmaschinerie der Behörden endlich an. Es dauerte dann aber noch bis zum 16. Juni, also fast 3 Wochen, bis dann tatsächlich mit Reihentestungen der Belegschaft begonnen wurde. Die Pressemitteilung des Kreises Gütersloh versuchte noch am 15. Juni das Ausbruchsgeschehen folgendermaßen herunterzuspielen:

48 Neuinfektionen übers Wochenende

"Von den 48 Neuinfektionen stehen 46 in direktem Zusammenhang mit dem Schlachtbetrieb Tönnies. »Das Unternehmen Tönnies und seine Werkvertragsnehmer tragen als Arbeitgeber eine außerordentlich große Verantwortung, dass es im Kreis Gütersloh nicht wieder zu einem Anstieg der Infektionen in der Bevölkerung kommt. Die Infektionszahlen müssen wieder sinken! Und wenn die bisherigen Maßnahmen nicht gereicht haben, müssen weitere ergriffen werden!«, erklärte Krisenstabsleiter Thomas Kuhlbusch (Kreis Gütersloh). »Deshalb stehen wir mit dem Land, insbesondere der für den Arbeitsschutz zuständigen Bezirksregierung Detmold und dem Unternehmen Tönnies in engem Kontakt.«
In den vergangenen 7 Tagen waren im Kreis Gütersloh 94 Neuinfektionen zu verzeichnen. Der Anstieg in den vergangenen Tagen beruht ganz überwiegend auf Neuinfektionen von Personen, die bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück tätig sind. Die Zahl der Neuinfektionen innerhalb der letzten sieben Tage ist deshalb von Interesse, weil sich Bund und Länder darauf verständigt haben, dass ab einer Zahl von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner geprüft werden soll, ob in dem betroffenen Kreis oder der kreisfreien Stadt wieder kontaktbeschränkende Maßnahmen getroffen werden sollen. Diese Schwelle wäre im Kreis Gütersloh bei 182 Neuinfizierten innerhalb von 7 Tagen erreicht. Ein Automatismus setzt dann jedoch nicht ein. Der Blick auf die Praxis in anderen Regionen zeigt, dass die Überschreitung dieses Grenzwertes nicht unbedingt zu einem neuen 'Lockdown' führt – beispielsweise dann nicht, wenn das Ausbruchsgeschehen lokal sehr begrenzt auftrat und sich die Neuinfektionen auf einen oder sehr wenige Hotspots beschränkten."
(Kreis Gütersloh, Pressemitteilung 15.06.2020)

Lockdown ja oder nein, das wird als Frage der lokalen Begrenztheit des Ausbruchsgeschehens aufgefasst. Sollte sich das Ausbruchsgeschehen lediglich auf den Fleischverarbeitungsbetrieb beschränken, dann wäre der Ausbruch - trotz sehr hoher Fallzahlen - kein Grund für Einschränkungen für den ganzen Kreis, so diese Sicht.

Zwei Tage später werden erste Testergebnisse bekannt gegeben (395 Positivfälle bei 589 Tests in der Schweinezerlegung, insgesamt 657 von 983 Proben positiv) und die Schließung von Kitas und Schulen beschlossen, aber kein "genereller" Lockdown. Der generelle Lockdown wird dann erst am 23. Juni verkündet. Die Landesregierung sprach dabei von der zweiten Stufe des Lockdowns:

Landesregierung aktiviert zweite Stufe des Lockdowns im Kreis Gütersloh und im Kreis Warendorf

"In Folge des Corona-Ausbruchs in einem Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück aktiviert die Landesregierung die zweite Stufe des Lockdowns. Damit gelten im Kreis Gütersloh und im Kreis Warendorf wieder bestimmte Einschränkungen im öffentlichen Leben. Demnach dürfen im öffentlichen Raum nur zwei Menschen oder Menschen aus einem Familien- oder Haushaltsverbund zusammentreffen. Zudem muss – über die landesweit gültigen Regelungen der Coronaschutzverordnung hinaus – eine Reihe von Freizeitaktivitäten unterbleiben. So müssen zum Beispiel Museen, Kinos, Fitnessstudios, Hallenschwimmbäder und Bars geschlossen werden. Die entsprechenden Vorschriften finden sich in der neuen Coronaregionalverordnung, die um Mitternacht (Mittwoch, 24. Juni 2020) zunächst für eine Woche (bis zum 30. Juni 2020) in Kraft tritt."
(Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Pressemitteilung 23.06.2020)

Am 23. Juni hatte das RKI eine 7-Tage-Inzidenz von 257,4 (KGA: 287,6) gemeldet, was 937 (1.047) Fällen entspricht. Das ist das 5-fache dessen, was die Kreisgesundheitsämter ohne Überlastung schaffen können sollten. Der Fall stellte also eine völlige Überforderung dar. Entsprechend groß war das Chaos, das in diesen Tagen im Kreis Gütersloh herrschte. Nach Aufarbeitung der Fälle, waren es an diesem Tag sogar 1.123 Fälle.

Die Differenz zwischen KGA- und LZG-Zahlen sagt etwas darüber aus, welche Schwierigkeiten sich bei der Ermittlung der Fälle ergeben haben, wobei am 15. August ein Großteil der Nachmeldungen zum Ausbruchsgeschehen bereits eingearbeitet waren. Wie immens das Chaos war, zeigt z.B. dass erst am 23. Juni die Suche nach 150 Dolmetschern startete. (Die damalige Pressemeldung ist im Netz nicht mehr verfügbar). Hatte man nicht von Anfang an gewusst, dass es bei den betroffenen osteuropäischen Arbeitern Sprachprobleme gab? Erst nachdem bekannt geworden war, dass Arbeiter die Quarantäne nicht einhielten und sogar in ihre Heimatländer zurück reisten, handelte der Kreis.

Die größeren Ausbrüche in den Betrieben der Fleischverarbeitungsbranche und bei Erntehelfern zeigen, dass die fehlende gesellschaftliche Integration der Arbeiter in der Pandemie geradezu als Vorteil betrachtet wurde. Die "räumlich" lokale Eingrenzbarkeit wurde von der politischen Elite in diesen Fällen in erster Linie als schnelle Isolierbarkeit der "Arbeiter mit Migrationshintergrund" verstanden. Im Beamtendeutsch heißt das dann, dass kein "Eintrag in die allgemeine Bevölkerung" stattgefunden hat. Oder wie es in Gütersloh hieß: "in die übrige Bevölkerung".

Die Frage nach der Aufhebung des zweistufigen Lockdowns wurde in den Pressemeldungen des Kreises auf die Frage reduziert, ob die einheimische Bevölkerung vom Ausbruch betroffen war. Ab dem 26. Juni wurden deshalb täglich die "Fälle in der übrigen Bevölkerung" gemeldet, um zu belegen, dass der Ausbruch auf die meist osteuropäischen Arbeiter begrenzt war. Dass diese Arbeiter oftmals nicht in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht waren, erwies sich nicht als Glücksfall, sondern als Nachteil, da das Unternehmen die Adressen der bei Subunternehmern beschäftigten Arbeiter nicht herausrückte und deshalb Verzögerungen bei der Verordnung von Quarantänemaßnahmen entstanden.

Es ging hier offensichtlich nicht um eine humane Unterbringung von Arbeitern, sondern um schnellstmögliche Wegsperrung der Infizierten. In Göttingen war Anfang Juni schon ein Hochhauskomplex abgeriegelt worden, was als Alternative zu einem generellen Lockdown verstanden wurde. Von diesem Fall war zudem bekannt, dass mit Sprachproblemen zu rechnen war. Aber in Gütersloh lebte man offenbar in einer anderen Welt.

Die Maßnahmen in der Stadt Verl zeigen, dass der Umgang mit den osteuropäischen Arbeitern wenig zimperlich war. Dort wurde eine "Plattenbau"-Siedlung (so der CDU-Bürgermeister) mit 650 Menschen unter Quarantäne gestellt und abgeriegelt, obwohl dort keineswegs hauptsächlich infizierte Tönnies-Mitarbeiter lebten (mehr hier). Die Frage stellt sich, ob man so auch mit der einheimischen Bevölkerung umgegangen wäre. Im Online-Magazin Telepolis erschien am 14. Juli ein Kommentar und ein Interview zu einem Fall, bei dem sich eine Familie 26 Tage ohne Testergebnis in Quarantäne befand. Der WDR, der bereits am 9. Juli darüber berichtete, sprach von einem Informationsstau:

Familie aus Gütersloh von Behörden in der Quarantäne vergessen?

"Das Kreishaus wollte sich gegenüber dem WDR nicht äußern. Eine Mitarbeiterin der Hotline sagt aber, dass die Familie Rejall kein Einzelfall sei. Im Kreis Gütersloh gebe es offenbar einen riesigen Informationsstau. Etwa 4.500 Menschen sind dort noch in Quarantäne - viele von ihnen müssten es wohl gar nicht mehr sein."
(WDR, 09.07.2020)

Die einheimische Bevölkerung kümmerte die Situation der betroffenen Arbeiter und ihrer Familien wenig, vielmehr spielte in der "übrigen Bevölkerung" in erster Linie die Sorge eine Rolle, ob man noch rechtzeitig in Urlaub fahren könne. So jedenfalls war der Mainstreammedientenor. Der Lockdown sollte bis 30. Juni dauern und es stand sogar eine mögliche Verlängerung im Raum. In Nordrhein-Westfalen begannen die Sommerferien aber bereits am 29. Juni. Dass Urlaubswillige des Kreises plötzlich von beliebten deutschen Urlaubsregionen wie Mecklenburg-Vorpommern oder Bayern als Risiko für die Tourismusbranche der deutschen Urlaubsregionen galten und deshalb nicht willkommen waren, war das große Thema. Der Lockdown wurde dann von einem Gericht am 30. Juni aufgehoben, noch bevor die Politiker darüber befunden hatten, und die Gütersloher konnten endlich in Urlaub fahren.

Die Lage im Gesundheitsamt des Kreise war da nur eine unbedeutende Nebensache. Dabei war man zum Zeitpunkt des Ausbruchs in einer sehr komfortablen Lage gewesen. Die Bundeswehr und Nachbarkreise konnten genauso aushelfen wie die Hilfsdienste, um den Ausbruch einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Das aber war nur möglich, weil die Infektionszahlen im Bundesland niedrig waren. Am 27. Juli, also fast einen Monat später hatte die 7-Tage-Inzidenz in Gütersloh mit 8,0 (29 Fälle) ihren Tiefstwert seit dem Ausbruch erreicht. Am 14. August lag die 7-Tage-Inzidenz dann jedoch wieder bei 25,0 (91 Fälle). Der Urlaub der Gütersloher war zu Ende und die Reiserückkehrer schleppten das Virus in den Kreis ein. 

Am 17. Juni, dem Tag als der Ausbruch in Gütersloh in die "heiße Phase" eintrat, lag die 7-Tage-Inzidenz gemäß der Tagesmeldung LZG/RKI im Bundesland Nordrhein-Westfalen bei 3,6 in den 53 Kreisen. Es gab lediglich 3 Kreise, die über 10,0 (Gütersloh, Duisburg und Warendorf) lagen, aber 13 Kreise mit unter 1,0. In 6 Kreisen gab es keinen einzigen gemeldeten Fall innerhalb von 7 Tagen.

Am 17. August dagegen, also keine zwei Monate später, lag die 7-Tage-Inzidenz gemäß LZG/RKI im Bundesland bei 15,0. Es gab 40 Landkreise, die über 10,0 lagen. Es gab keinen einzigen Kreis mehr, der unter 1,0 lag. Der niedrigste Wert lag bei 3,0. Die Tabelle zeigt diese Entwicklung in den Kreisen Nordrhein-Westfalens anhand von Farbabstufungen, die von Grün über Gelb zu Rot reichen:

Kreis

17.06.2020

17.07.2020

17.08.2020

Düsseldorf (kreisfreie Stadt)

8,7

5,2

17,3

Duisburg (kreisfreie Stadt)

16,8

15,4

30,1

Essen (kreisfreie Stadt)

4,6

5,7

20,9

Krefeld (kreisfreie Stadt)

0,9

5,7

7,0

Mönchengladbach (kreisfreie Stadt)

5,0

11,9

21,8

Mülheim an der Ruhr (kreisfreie Stadt)

2,9

7,6

14,6

Oberhausen (kreisfreie Stadt)

0,0

5,2

14,7

Remscheid (kreisfreie Stadt)

0,0

5,4

17,1

Solingen (kreisfreie Stadt)

8,8

10,0

10,0

Wuppertal (kreisfreie Stadt)

2,5

3,7

25,7

Kleve

7,4

2,9

11,3

Mettmann

1,0

21,2

20,6

Rhein-Kreis Neuss

1,6

3,5

13,1

Viersen

2,3

3,3

8,7

Wesel

3,0

5,0

13,3

Bonn (kreisfreie Stadt)

1,5

0,9

13,1

Köln (kreisfreie Stadt)

3,5

9,4

15,8

Leverkusen (kreisfreie Stadt)

2,4

8,5

18,9

Städteregion Aachen

0,9

3,2

6,7

Düren

0,8

3,0

14,8

Rhein-Erft-Kreis

1,1

1,7

15,7

Euskirchen

0,0

20,7

9,9

Heinsberg

4,3

2,8

3,5

Oberbergischer Kreis

0,0

1,1

10,6

Rheinisch-Bergischer Kreis

0,7

2,5

10,6

Rhein-Sieg-Kreis

0,8

2,2

9,8

Bottrop (kreisfreie Stadt)

3,4

6,0

7,7

Gelsenkirchen (kreisfreie Stadt)

6,5

8,1

18,0

Münster (kreisfreie Stadt)

1,0

1,6

14,0

Borken

0,5

1,3

7,8

Coesfeld

1,8

0,0

4,1

Recklinghausen

2,3

2,8

15,6

Steinfurt

2,2

1,1

10,5

Warendorf

10,8

2,2

9,0

Bielefeld (kreisfreie Stadt)

1,5

9,9

15,3

Gütersloh

30,8

15,1

23,1

Herford

2,0

0,4

21,5

Höxter

2,1

0,7

5,7

Lippe

1,1

1,4

10,3

Minden-Lübbecke

0,0

1,6

13,5

Paderborn

1,0

2,3

3,6

Bochum (kreisfreie Stadt)

4,4

8,2

24,7

Dortmund (kreisfreie Stadt)

6,6

7,0

19,6

Hagen (kreisfreie Stadt)

9,0

9,0

24,9

Hamm (kreisfreie Stadt)

4,5

5,0

12,8

Herne (kreisfreie Stadt)

1,3

2,6

32,0

Ennepe-Ruhr-Kreis

1,5

7,1

11,4

Hochsauerlandkreis

1,5

17,7

13,1

Märkischer Kreis

0,7

4,4

18,0

Olpe

8,2

5,9

19,3

Siegen-Wittgenstein

0,0

2,5

19,4

Soest

2,3

1,3

3,0

Unna

5,6

4,3

21,8

Wie wäre der Ausbruch in Gütersloh verlaufen, wenn die Lage im Bundesland eher jener am 17. August geähnelt hätte? Wären dann ebenfalls noch so viele Kapazitäten zur Aushilfe vorhanden gewesen? Und was, wenn der Ausbruch bei Tönnies mit einem Anstieg durch Infektionen bei Reiserückkehrern in der "übrigen Bevölkerung" zusammengefallen wäre? Solche Fragen werden derzeit nicht gestellt. Stattdessen wird die Gefahr einer "zweiten Welle" beschworen.

Droht eine zweite Welle? Die Perspektive der Gesunden und der scheinbar Gesunden

Mit den Reiserückkehrern und dem Schulbeginn in den ersten Bundesländern droht die gewonnene Freiheit der Lockerungen, die vielen noch viel zu viele Beschränkungen aufzuerlegen scheint, wieder zur Disposition zu stehen. Oberste Priorität hat jedoch die Verhinderung eines generellen Lockdowns, um "weitere" wirtschaftliche Schäden abzuwenden. Im April erregte eine Heidelberger Anwältin mediale Aufmerksamkeit, denn sie ist bis vors Bundesverfassungsgericht gezogen, um die Grundrechtseinschränkungen durch den Lockdown zu Fall zu bringen - was scheiterte. Außerdem rief sie zum Widerstand gegen die Anordnungen und zu Demonstrationen auf. Der Begriff "Hygiene-Demo" war damals noch nicht in aller Munde. In Heidelberg war die Geburtstunde dieser Art von Protest am 18. April.  

Eingang zum Büro der Fachanwältin in Heidelberg am 15. und 17. 04.2020, Foto: Bernd Kittlaus

Seit April beherrschten Bilder von Hygiene-Demos in bundesdeutschen Großstädten die Medienberichterstattung. Immer wieder werden Menschen gezeigt, die weder Masken noch Abstand für nötig hielten. Das Coronavirus sei nicht gefährlicher als eine gewöhnliche Grippe, so die vorherrschende Meinung. Warum sind also solche gravierenden Grundrechtseinschränkungen notwendig? Viele Gesunde und scheinbar Gesunde, z.B. asymptomatisch Infizierte, sehen in den Freiheitsbeschränkungen eine unzulässige Einschränkung. Manche fordern deshalb ein Recht, sich infizieren zu dürfen. Wo aber ist die Grenze? Ist das Recht, sich infizieren zu dürfen, nicht eher das Recht andere zu infizieren? Seit dem Beginn der Lockerungen haben Gerichte mehr und mehr Einschränkungen als unzulässig erklärt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident betont deshalb gerne, dass jede Rücknahme von Lockerungen sehr gut begründet sein müsse. Die Hürden für neue Einschränkungen sind also sehr hoch.

Heidelberg im Juli 2020, Foto: Bernd Kittlaus

Mit dem Beginn der Ferienzeit sind die Hygiene-Demos aus den Medien verschwunden und sind Party feiernden Touristen und Reiserückkehrern aus Risikogebieten, die positiv getestet wurden, gewichen. Die Debatte um den Beginn einer so genannten zweiten Welle hat inzwischen an Fahrt aufgenommen. Die täglichen Lageberichte des RKI begannen seit Anfang August bei der Zusammenfassung der aktuellen Lage mit folgender Formel:

Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019

"In den letzten Wochen ist der Anteil an Kreisen, die über einen Zeitraum von 7 Tagen keineCOVID-19-Fälle übermittelt haben, deutlich zurückgegangen. Parallel dazu ist die COVID-19-Inzidenz in vielen Bundesländern angestiegen. Dieser Trend ist beunruhigend."
(RKI, 01.08.2020)

Ab 14. August bezeichnet das RKI diesen Trend nicht mehr nur als beunruhigend, sondern als "sehr" beunruhigend. Das Ausbruchsgeschehen in einzelnen Landkreisen findet beim RKI erst bei einer 7-Tage-Inzidenz von 25,0 und mehr überhaupt Erwähnung. Ausbrüche unterhalb dieses Schwellwertes finden keinen Eingang in die Rubrik "Ausbrüche", obwohl gerade diese Frage des Aufschaukelns von Infektionen in immer mehr Regionen der Republik für die Frage nach dem Beginn einer "zweiten Welle" relevant wäre.

Heidelberg im Juli 2020, Foto: Bernd Kittlaus

Was bedeutet der Begriff "zweite Welle"?

Der Begriff der "zweiten Welle" verdankt sich der historischen Erforschung der Spanischen Grippe, der viele Millionen Tote weltweit zum Opfer fielen. Wie viele genau, darüber streiten sich jedoch die Geister. Am 14. Mai warnte der WHO-Regionaldirektor für Europa im britischen Telegraph vor einer zweiten, tödlichen Welle in Europa. Hans KLUGE betonte, dass wir aufgrund der Spanischen Grippe wüssten, dass selbst wenig betroffene Länder von einer zweiten Welle betroffen sein können. Ein Bericht von Thorsten MAYBAUM im Ärzteblatt, der bereits 2018 erschien, beschreibt den Verlauf der Spanischen Grippe als Blaupause für neue Pandemien:

Ein Virus – Millionen Tote

"Während der ersten Ansteckungswelle im Frühjahr 1918 erkrankten zwar sehr viele Menschen, aber relativ wenige starben. Im Herbst nahm jedoch eine weitere, tödliche Welle ihren Lauf. Gerade dort, wo Menschen geballt aufeinandertrafen (...) hätten sich auf einen Schlag zahlreiche Menschen angesteckt. (...)(Es) starben ungewöhnlich oft vermeintlich robuste Menschen zwischen 20 und 40 Jahren. (...).
Inzwischen sehen Wissenschaftler die Spanische Grippe nicht mehr unbedingt als Einzelfall, sondern als Prototyp von Pandemien. Sie kann sich wiederholen – das zeigten etwa die Asiatische Grippe (1957) und die Hongkong-Grippe (1968), wenn auch in geringerem Ausmaß."
(Ärzteblatt Nr.1/2018)

Die zweite Ansteckungswelle wird also tödlicher sein und auch jüngere Menschen treffen, so der Tenor dieser Sicht auf die Spanische Grippe. Der sorglose Umgang auf Massenveranstaltungen gilt außerdem als größte Gefahr. Hier sind schon alle Elemente enthalten, die heutzutage bei einer Warnung vor der zweiten Welle eine Rolle spielen.

Aber wie erkennt man den Beginn der zweiten Welle? Sind wir schon mittendrin oder hat die zweite Welle noch gar nicht begonnen? Die Datenjournalisten Johannes SCHMID-JOHANNSEN, Nico HEILIGER und Ulrich LANG wollen mittels Indikatoren den Beginn einer zweiten Welle in Deutschland erkennen. Am 11. August haben sie die 5. Version ihrer Datenanalyse ins Netz gestellt.

So lässt sich eine "Zweite Welle" erkennen

"Eine wissenschaftlich-epidemiologische Definition einer »Welle« gibt es eigentlich nicht. Das Bild entsteht aus der Darstellung der Verlaufskurve der Neuinfektionen. Charakteristisch an einer ungebremsten Epidemie ist das exponentielle Wachstum. Die registrierten Fallzahlen vervielfachen sich dann innerhalb weniger Tage. Die Kurve der Neuinfektionszahlen steigt dann steil an wie eine Welle im Meer. Bei der »ersten Welle« im März / April lag das Niveau innerhalb von 10 Tagen bei knapp 25 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner.
Nehmen wir an, es käme zu einer »Zweiten Welle« und sie wäre ähnlich wie die erste, dann müssten drei Dinge gegeben sein:
1.Innerhalb von wenigen Tagen vervielfachen sich die registrierten Fallzahlen von Tag zu Tag.
2.Die Neuinfektionen betreffen verhältnismäßig viele Menschen in der Bevölkerung.
3.Und das alles passiert an vielen Orten gleichzeitig. (...).
Für das Modell des SWR Zweite-Welle-Radars nehmen wir an, dass ein Landkreis innerhalb von höchstens 10 Tagen mindestens ein Niveau von 24,7 Neuinfektionen pro Hunderttausend Einwohner erreichen müsste."
(SWR, 11.08.2020)

Die zweite Welle wird von den Datenjournalisten analog der ersten Welle modelliert. Ob das sinnvoll ist, ist fraglich, denn bei der ersten Welle musste das Virus erst in Deutschland ankommen, mittlerweile ist es jedoch bereits mittendrin. Die Entwicklung der letzten Woche zeigt, dass innerhalb kürzester Zeit die Neuinfektionen in vielen Landkreisen schnell ansteigen können. Am 11. August sahen die Datenjournalisten nur in 13 deutschen Kreisen eine kritische Entwicklung, am 20. August wird bereits in 40 Kreisen eine Überschreitung des Schwellenwertes gesehen. Das Fazit der Autoren hat sich innerhalb von nur 9 Tagen verändert:

So lässt sich eine "Zweite Welle" erkennen

"Die SWR-Datenanalyse zeigt, dass aktuell zwar ein erhöhtes Grundniveau an Infektionen und akuten Ausbruchsherden vorhanden ist. Noch zeigt sich aber keine Tendenz, dass in Deutschland die Neuinfektionen flächendeckend und kontinuierlich ansteigen."
(SWR, 11.08.2020)

"Die SWR-Datenanalyse zeigt, dass aktuell ein deutlich erhöhtes Grundniveau an Infektionen vorhanden ist. Außerdem gibt es einen Trend, dass die registrierten Neuinfektionen flächendeckend in vielen Landkreisen und kontinuierlich ansteigen. Reiserückkehrer spielen dabei eine verstärkte Rolle."
(SWR, 19.08.2020)

Da es sich bei dieser Datenanalyse um eine Momentaufnahme und nicht um eine Prognose handelt, ist sie kaum geeignet, um Handeln anzuleiten. Wenn die zweite Welle begonnen hat, dann ist ihr im Grunde nur noch mit sehr drastischen Maßnahmen zu begegnen. Dies gilt umso mehr, desto mehr Tote die Pandemie fordert. Wie hier gezeigt wurde, ist die Datenlage auf allen Ebenen der Ämter eher dürftig, was mit unterschiedlichen Ursachen zusammenhängt. Die Kreisgesundheitsämter sind in der akuten Phase der Ausbrüche personell überlastet, wodurch die statistische Dokumentation auf der Strecke bleibt. Hinzu kommen Verzögerungen auf dem Meldeweg zum RKI. Das Einpflegen der Daten ist - besonders, wenn es händisch erfolgt - sehr zeitaufwändig. Die Panne in Bayern bei der Inbetriebnahme der Testzentren für Reiserückkehrer hat das eindrücklich belegt.

Software-Updates führen in jedem Landkreis zu zusätzlichen Verzögerungen und nicht selten zu Pannen. So meldete z.B. Nordrhein-Westfalen am Sonntag, den 2. August nur 43 Fälle für das ganze Bundesland. Ursache: Der Ennepe-Ruhr-Kreis hatte 142 Fälle und 6 Tote weniger als am Vortag gemeldet. Tags darauf waren die Fälle und Toten wieder da. Weder das RKI noch das LGA vermerkten diesen Vorfall in ihren Lageberichten, denn für den Leser war diese Panne nicht sichtbar. Nur wer sich die Differenzen zum Vortag, die das LGA nicht auflistet, anschaut, bemerkt diesen Vorfall.

Dieser Vorfall war schnell behoben, andere sind es nicht, sondern verfälschen mitunter eine Woche und länger die 7-Tage-Inzidenzen. So meldete z.B. Brandenburg erst am 19. August, dass die kreisfreie Stadt Frankfurt/Oder wegen einer technischen Störung zwischen dem 12. und 17. August keinen einzigen Fall an das LGA übermitteln konnte. Dieser Vorfall bescherte dem Kreis beim RKI vom 16. bis zum 18. August eine 7-Tage-Inzidenz von 0, d.h. keinen einzigen Fall innerhalb von 7 Tagen. Tags darauf schnellte die Inzidenz auf 13,8 und noch einen Tag später lag der Kreis bei 25,9 und belegte damit einen Platz in den Top 15. In den Daten des SWR erscheint diese Panne als exponentielles Wachstum: in 2 Tagen von 0 auf 25,9. In Wirklichkeit steigerte sich die Fallzahl über einen längeren Zeitraum.

Aufgrund der Vielzahl von möglichen Störfaktoren auf dem Meldeweg von der Testung bis zum täglichen Lagebericht des RKI ist eine RKI-Datenanalyse, die auf Momentaufnahmen setzt, ungeeignet, um die kommenden Entwicklungen abzuschätzen. Einige Forschungsinstitute setzen auf Prognosen, die die Entwicklung der Todeszahlen in ihren Modellen mit dem Verhalten der Bevölkerung verknüpfen, um dadurch zu Einschätzungen zu kommen, die auch die Überlastung der Krankenhäuser berücksichtigen.

Einen solchen Ansatz verfolgt das Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) an der Universität in Washington.  Anhand ihres Modells prognostizierten die Wissenschaftler Anfang Mai Todeszahlen für Deutschland, die am 4. August erreicht werden sollten. Danach sollten die Toten in Deutschland von 6.922 auf 8.543 steigen, wobei eine Bandbreite zwischen 7.006 und 12.150 Toten für möglich erachtet wurde. Tatsächlich starben bis zum 4. August 9.148 Menschen in Deutschland. Dies würde aus Sicht des Modells bedeuteten, dass die Lockerungen seit Mai zu mehr Toten als nötig geführt haben. Eine neuere Prognose vom 6. August rechnet nun für Deutschland mit rund 13.600 Toten bis Ende des Jahres. Für die Wissenschaftler steht das Tragen von Masken im Mittelpunkt des Verhaltensmodells. Deshalb stellt sich bei solchen Modellen die Frage, inwiefern die Übertragungswege überhaupt bekannt sind und wie die Mechanismen des Ausbruchsgeschehens aussehen. Die Datenjournalisten des SWR kritisieren zu Recht die Dürftigkeit der Ursachendokumentation in Deutschland:

Woher kommen die ganzen Neuinfektionen?

"Natürlich gibt es mittlerweile sehr viele wissenschaftliche Forschungen, die zum Beispiel die Rolle von Aerosolen bei der Ansteckung in geschlossenen Räumen beschreiben. Deshalb ist es nicht aus der Luft gegriffen, Feiern und Veranstaltungen mit vielen Gästen ein hohes Verbreitungsrisiko zuzuschreiben. Aus den epidemiologischen Daten des RKI lassen sich diese Zusammenhänge aber nicht ableiten. Denn die Gesundheitsämter dokumentieren immer noch nicht ausreichend, in welchem Kontext Ansteckungen stattfinden. Gesundheitsbehörden, Forscher und Epidemiologen erhalten damit aus diesen Daten keinerlei Erkenntnisse darüber, was häufige Umstände sind, unter denen das Virus weitergeben wird. (...).
Wohl erst in zwei bis drei Wochen will das RKI ein weiteres Software-Update an die Gesundheitsämter ausrollen. Dann könnten solche Merkmale und Kategorien für jeden Infektionsfall angelegt werden. Wenn dann sehr viele Fälle sorgfältig dokumentiert sind, könnten die Landesgesundheitsämter und das RKI vielleicht in Zukunft die wahrscheinlichsten Umstände für eine Ansteckung zeitnah analysieren. Aber das wird wie schon in der ersten Infektionswelle davon abhängen, ob die Gesundheitsämter mit der Falldokumentation hinterherkommen. Schon in der ersten Welle der Epidemie wurden viele Neuinfektionen dürftig dokumentiert. Die Daten waren im Nachhinein kaum zu gebrauchen, um Zusammenhänge zu entdecken."
(SWR, 19.08.2020)

Die Datenjournalisten befürchten, dass die Politik im Herbst wieder Einschränkungen und Verbote verhängt ohne auf eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zurückgreifen zu können.

Fazit

Nach 6 Monaten, die wir bereits mit dem Virus leben müssen, scheinen viele Fragen offener denn je. Die Datenlage ist unbefriedigend. Das können weder Softwareupdates noch eine Aufstockung des Personals in den Gesundheitsämtern kurz- oder mittelfristig beheben. Der Kampf gegen die Ausbreitung des Virus könnte die Ressourcen schneller aufbrauchen als diese mobilisiert werden können. Wenn die Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung ins Hintertreffen kommen, ist mit einer Überlastung der Krankenhäuser zu rechnen.

Sollte sich die Pandemie wie die Spanische Grippe bei der zweiten Welle tatsächlich tödlicher erweisen als bei der ersten Welle, dann steht uns ein harter Herbst und Winter bevor. Ob ein Impfstoff jene Erwartungen erfüllen kann, der in ihn gesetzt wird, ist offen. Wenn ein Impfstoff aber zum einzigen Ausgang aus der Krise wird und dieser sich als Sackgasse erweist, dann stehen uns womöglich noch härtere Zeiten bevor. Alternativen zu suchen, das wäre dringend notwendig. Unsere Eliten wollen einen zweiten Lockdown nicht nur für Deutschland, sondern auch für größere Landesteile vermeiden. Nicht nur Ökonomen und Eltern haben ein Interesse daran. Auf dieser Website wird das Geschehen weiter verfolgt werden und bestimmte Aspekte tiefergehend erörtert werden. 

 
     
 
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 21. August 2020
Update: 22. August 2020