|
Einführung
Sachsen kann als neoliberales Musterland mit all
seinen daraus resultierenden Konsequenzen der Demografisierung
gesellschaftlicher Probleme bezeichnet werden. Kurt
BIEDENKOPF, sächsischer Ministerpräsident, herrschte von
1990 bis 2002 mit einer CDU-Alleinregierung. Seit dem Abgang von
BIEDENKOPF haben seine Nachfolger Georg MILBRADT (2002-2008) und
Stanislaw TILLICH (2008-2017) bei den Landtagswahlen keine
CDU-Alleinregierung mehr aufrechterhalten können, sondern
mussten mit wechselnden Koalitionspartnern regieren (SPD und
FDP). Bei der
Landtagswahl 2014 flog die FDP aus dem Landtag, stattdessen
zog die AfD erstmals in den Landtag eines Flächenlandes ein und
erzielte fast 10 Prozent der Stimmen. Bei der Bundestagswahl
2017 wurde die AfD in Sachsen erstmals stärkste Partei in einem
Flächenland. Nach diesem Desaster trat TILLICH zurück und
Michael KRETSCHMER, der sein Direktmandat an einen bis dahin
unbekannten AfD-Kandidat verlor, wurde neuer Ministerpräsident.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht unwahrscheinlich, dass
Sachsen das erste Flächenland sein könnte, in dem die AfD bei
einer Landtagswahl die stärkste Partei wird und damit Anspruch
auf den Ministerpräsidentenposten erheben kann. Aus diesem Grund
wird in dieser Bibliografie die öffentliche Debatte um den
demografischen Wandel im Zusammenhang mit der Neoliberalisierung
Sachsens und den daraus entstandenen Problemen beleuchtet.
Im Mittelpunkt dieser Bibliografie steht die
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme, die exemplarisch
an Sachsen aufgezeigt wird. Als ein Vordenker dieser Politik
gilt Meinhard
MIEGEL, der von 1973 bis 1977 Mitarbeiter des
CDU-Generalsekretärs BIEDENKOPF war, mit dem er 1977 den
neoliberalen Think Tank
IWG Bonn gründete. MIEGEL war u.a. 1995 bis 1997
Vorsitzender der von BIEDENKOPF initiierten Kommission für
Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen. Die heutigen
Probleme des Freistaats Sachsen resultieren aus einer
neoliberalen Politik, die auf die Stärkungen der Starken setzte
und die regionale Ungleichheit damit zusätzlich verschärfte. Die
Politik des schlanken Staats führte zum Rückzug aus der Fläche
und die Prioritätensetzung auf den Abbau von Schulden zur
Vernachlässigung von Investitionen in die Infrastruktur. Die
Thesen vom "programmierten Niedergang" (Reiner
KLINGHOLZ) durch den demografischen Wandel und die Rede von
der deformierten Gesellschaft (MIEGEL) erklärte die
Neoliberalisierung zur alternativlosen Politik. Die
Kollateralschäden einer solchen Sichtweise lassen sich nun in
Sachsen erkennen.
Die
Bibliografie
Der ländliche Raum und Mittelstädte im demografischen Wandel
widmet sich dem Thema anhand bundesweiter Beispiele und befasst
sich mit der grundlegenden Frage der Gleichwertigkeit der
Lebensverhältnisse.
Ein
Hinweis zu den Rankings zur Zukunftsfähigkeit der Landkreise,
kreisfreien Städte und Gemeinden
In
Deutschland gibt es mehrere neoliberale Organisationen, die seit
2004 die Zukunftsfähigkeit Deutschlands mittels Rankings
bewerten und dadurch das Bild von Bundesländern, Kreisen und
Gemeinden prägen. Das Berlin-Institut, das früher den
Zusatz "für Weltbevölkerung und globale Entwicklung" trug und
sich heute "für Bevölkerung und Entwicklung" nennt, hat sich in
den Nullerjahren wie die Prognos AG auf die Erstellung
eines Zukunftsindex für Kreise und kreisfreie Städte
spezialisiert, während die Privatstiftung Bertelsmann mit
seinem Wegweiser Kommune beansprucht die Zukunftsfähigkeit aller
Gemeinden über 5.000 Einwohner zu bewerten. Solche Rankings
prägen das Image aufgrund ihrer hohen medialen Präsenz und
können dadurch bestehende regionale Ungleichheiten verschärfen,
insbesondere wenn sich Politiken auf die Stärkung der Starken
beschränken und ganze Regionen abgehängt werden wie das in den
letzten Jahren verstärkt der Fall war.
Die
Aussagekraft solcher Rankings ist einerseits stark abhängig von
der Indexbildung, d.h. der Auswahl und der Gewichtung der
einzelnen Indikatoren, und andererseits von Änderungen der
Indexbildung über die Zeit, die zudem wie in Sachsen auf die
Änderung bei der Abgrenzung von Gebieten treffen kann. Daraus
ergeben sich teils gravierende Einschränkungen bei der
Vergleichbarkeit der Rankings über einen längeren Zeitraum. Die
hier aufgelisteten Rankings sollen deshalb kritisch hinterfragt
werden. Zum einen stellen sich Fragen hinsichtlich des
tatsächlichen Einflusses des demografischen Wandels auf die
Entwicklung von Kreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden. Zum
anderen stellt sich die Frage inwieweit Kreisreformen die
Bewertung der Zukunftsfähigkeit verändern, ohne dass dem reale
Veränderungen entsprechen. Die in dieser Bibliografie
aufgelisteten Rankings sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:
Tabelle: Liste der
Rankings zur Zukunftsfähigkeit der Landkreise,
kreisfreien Städte und Gemeinden in Sachsen |
Organisation |
Publikation |
Jahr |
Anzahl
Untersuchungs-einheiten
(Sachsen) |
Untersuchungsebene |
Berlin-Institut |
Deutschland 2020
- Die demografische Zukunft der Nation |
2004 |
440 |
Landkreise und
kreisfreie Städte |
Die demografische
Lage der Nation |
2006 |
439 |
Landkreise und
kreisfreie Städte |
Bertelsmann-Stiftung |
Wegweiser Kommune
(Bevölkerungsprognose 2020) |
2006 |
2.959 |
Gemeinden über
5.000 Einwohner |
Wegweiser Kommune
(Bevölkerungsprognose 2006-2025) |
2008 |
2.959 |
Wegweiser Kommune
(Bevölkerungsprognose 2012-2030) |
2015 |
2.944 (178) |
Prognos AG |
Zukunftsatlas |
2004 |
439 |
Landkreise und
kreisfreie Städte |
2007 |
439 |
2010 |
412 |
2013 |
412 |
2016 |
402 |
|
Eine
detaillierte Analyse der Aussagekraft der Rankings wird zu einem
späteren Zeitpunkt erfolgen. Dies ist in erster Linie eine
Bestandsaufnahme.
Städterankings zur Zukunftsfähigkeit, zur Entwicklung des
Immobilienmarkts und anderen Themen
Rankings sind
Ausdruck der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme im
neoliberalen Standortwettbewerb. Durch die mediale Verbreitung
entsteht eine Städtehierarchie, die sich im Bewusstsein
festsetzt. Die Indikatorenbildung ist nicht wertfrei, sondern
ist interessengeleitet. Dadurch, dass bestimmte Indikatoren
immer wieder in unterschiedlichen Kontexten maßgeblich die
Bewertungen von Städten bestimmen, erhalten sie im Laufe der
Zeit den Rang einer unhinterfragbaren Selbstverständlichkeit.
Bewertungen
von städtischen Immobilienmärkten führen nicht nur zu einer
Hierarchie der Städte, sondern führen auch zu einer
innerstädtischen Hierarchie, die zwischen sozialen
Brennpunkten, Szenevierteln, Trendvierteln oder Toplagen
unterscheiden. In der folgenden Liste sind einige der
Städterankings aufgeführt, die in Zeitschriften in regelmäßigen
Abständen wiederholt werden:
Tabelle: Liste
diverser Städterankings bzw. Stadtviertelrankings in
Zeitschriften |
Zeitschrift |
Typus |
Erstes Ranking
(Jahr) |
Weitere
Rankings
(Jahr) |
Abstand zwischen
den Rankings |
Rankingebene |
Zielgruppe |
Capital |
Immobilien-Kompass |
|
|
jährlich |
Stadtviertel in
ausgewählten Großstädten |
Investoren |
Euro |
Immobilienatlas |
|
|
jährlich |
Stadtviertel in
Großstädten und Städte ab 20.000 Einwohner |
Investoren |
Focus |
Großstadtranking
von HWWI / Berenberg Bank |
2008 |
|
zwei- bis
dreijährlich |
Zukunftsfähigkeit
bzw. Wirtschaftsstärke der 30 einwohnerstärksten
Großstädte |
|
Focus |
Regionenranking |
|
2015
2016
2018 |
|
Wirtschaftsstärke
und Lebensqualität in den Kreisen und kreisfreien
Städten |
|
Handelsblatt |
Trendviertel
- Dresden
- Leipzig |
2011 |
Dresden:
2016
2017
Leipzig:
2014
2016
2017 |
jährlich |
Stadtviertel, in
denen die Preise im Dreijahreszeitraum
überdurchschnittlich gestiegen sind |
Investoren |
WirtschaftsWoche |
Großstadtranking |
2004 |
|
jährlich |
Zukunftsfähigkeit
bzw. Wirtschaftsstärke der 50 einwohnerstärksten
Großstädte oder der kreisfreien Großstädte |
|
WirtschaftsWoche |
Immobilienatlas |
|
|
jährlich |
50
einwohnerstärkste Großstädte |
Investoren |
|
Übersicht: Gliederung des Freistaats Sachsen in Landkreise
und
kreisfreie Städte
Tabelle:
Die zehn Landkreise und drei kreisfreien Städte
sowie 50 Große Kreisstädte im Sachsen des Jahres 2018 |
Die kreisfreien Städte und
Landkreise in Sachsen |
Landkreise und
kreisfreie Städte, die bei früheren Kreisreformen
eingegliedert wurden |
Große Kreisstädte |
Bautzen
(Landkreis) |
Bautzen
(Landkreis 1994-2008) |
Bautzen |
|
Bischofswerda |
Hoyerswerda
(kreisfreie Stadt 1996-2008) |
Hoyerswerda |
Kamenz (Landkreis
1996-2008); |
Kamenz |
|
Radeberg |
Chemnitz
(kreisfreie Stadt) |
Dresden
(kreisfreie Stadt) |
Erzgebirgskreis
(Landkreis) |
Annaberg
(Landkreis 1994-2008) |
Annaberg-Buchholz |
Aue-Schwarzenberg
(Landkreis 1994-2008) |
Aue |
Schwarzenberg |
Mittlerer
Erzgebirgskreis (Landkreis 1994-2008) |
Marienberg |
Zschopau |
Stollberg
(Landkreis bis 2008) |
Stollberg |
Görlitz (Landkreis) |
Görlitz
(kreisfreie Stadt bis 2008) |
Görlitz |
Löbau-Zittau
(Landkreis 1994-2008) |
Löbau |
Zittau |
Niederschlesischer Oberlausitzkreis (Landkreis
1994-2008) |
Niesky |
Weißwasser |
Leipzig
(kreisfreie Stadt) |
Leipzig
(Landkreis) |
Leipziger Land
(Landkreis 1994-2008) |
Borna |
Markkleeberg |
Muldentalkreis
(1994-2008) |
Grimma |
Wurzen |
Meißen
(Landkreis) |
Meißen (Landkreis
1996-2008); |
Coswig |
Meißen |
Radebeul |
Riesa-Großenhain
(Landkreis 1994-2008) |
Großenhain |
Riesa |
Mittelsachsen
(Landkreis) |
Döbeln (Landkreis
1990-2008) |
Döbeln |
Freiberg
(Landkreis 1994-2008) |
Brand-Erbisdorf |
Flöha |
Freiberg |
Mittweida
(Landkreis 1994-2008) |
Mittweida |
Rochlitz |
Nordsachsen
(Landkreis) |
Delitzsch
(Landkreis 1994-2008) |
Delitzsch |
Eilenburg |
Schkeuditz |
Torgau-Oschatz
(Landkreis 1994-2008) |
Orschatz |
Torgau |
Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge (Landkreis) |
Sächsische
Schweiz (Landkreis 1994-2008) |
Pirna |
Sebnitz |
Weißeritzkreis
(Landkreis 1994-2008) |
Dippoldiswalde |
Freital |
Vogtlandkreis
(Landkreis) |
Plauen
(kreisfreie Stadt bis 2008) |
Plauen |
Vogtlandkreis
(Landkreis 1996-2008) |
Auerbach |
Oelsnitz |
Reichenbach |
Zwickau
(Landkreis) |
Chemnitzer Land
(Landkreis 1994-2008) |
Glauchau |
Hohenstein-Ernstthal |
Limbach-Oberfrohna |
Zwickau
(kreisfreie Stadt bis 2008) |
Zwickau |
Zwickauer Land
(1994-2008) |
Crimmitschau |
Werdau |
|
Übersicht: Reportagen über sächsische Städte und Gemeinden in
der überregionalen Presseberichterstattung
Übersicht:
Bevölkerungsentwicklung und Anteil der über 65-Jährigen in den
Landkreisen und kreisfreien Städten des Freistaats Sachen
Tabelle:
Bevölkerungsentwicklung 2000 - 2015 in den sächsischen
Landkreisen und kreisfreien Städten |
Landkreis bzw. kreisfreie Stadt |
Bevölkerungsverluste
bzw. - Gewinne
2000-2015 (in %) |
Bevölkerungsanteil der
über-65 Jährige
(in %) |
Bautzen
(Landkreis) |
- 15,20 % |
25,88 % |
Chemnitz
(kreisfreie Stadt) |
- 16,20 % |
26,69 % |
Dresden
(kreisfreie Stadt) |
15,27 % |
21,57 % |
Erzgebirgskreis
(Landkreis) |
- 16,20 % |
26,83 % |
Görlitz (Landkreis) |
- 18,79 % |
27,96 % |
Leipzig
(kreisfreie Stadt) |
16,20 % |
20,86 % |
Leipzig
(Landkreis) |
- 10,39 % |
25,13 % |
Meißen
(Landkreis) |
- 10,12 % |
25,90 % |
Mittelsachsen
(Landkreis) |
- 14,80 % |
26,52 % |
Nordsachsen
(Landkreis) |
- 13,34 % |
24,37 % |
Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge (Landkreis) |
- 8,48 % |
26,04 % |
Vogtlandkreis
(Landkreis) |
- 14,79 % |
28,29 % |
Zwickau
(Landkreis) |
- 13,90 % |
27,70 % |
|
Quelle:
BBSR 22.05.2017 Übersicht für alle 405 Landkreise
und kreisfreien Städte in Deutschland |
Übersicht: Sachsen
im Ranking des Berlin-Instituts für Weltbevölkerung und globale
Entwicklung aus dem Jahr 2004 und 2006
Tabelle:
Ranking der 23 Landkreise und 6 kreisfreien Städte in
Sachsen: Ein Vergleich der Jahre 2004 und 2006 |
Rang |
Note |
Rang |
Note |
Landkreis bzw. kreisfreie Stadt
(Jahr 2004/2006) |
Zugehörigkeit
seit 2008 |
Jahr 2004 |
Jahr 2006 |
1 |
3,68 |
8 |
3,86 |
Muldentalkreis (Landkreis) |
Leipzig (Landkreis) |
2 |
3,33 |
Weißeritzkreis (Landkreis) |
Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge (Landkreis) |
3 |
3,73 |
4 |
3,74 |
Sächsische Schweiz (Landkreis) |
Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge (Landkreis) |
4 |
3,77 |
1 |
3,19 |
Dresden (kreisfreie Stadt) |
5 |
3,86 |
3 |
3,66 |
Kamenz
(Landkreis) |
Bautzen
(Landkreis) |
6 |
3,90 |
6 |
3,83 |
Meißen-Radebeul
(gemeint ist: Landkreis Meißen) |
Meißen
(Landkreis) |
7 |
3,95 |
17 |
4,05 |
Delitzsch
(Landkreis) |
Nordsachsen
(Landkreis) |
8 |
4,05 |
10 |
3,94 |
Chemnitzer
Land (Landkreis) |
Zwickau
(Landkreis) |
5 |
3,75 |
Freiberg
(Landkreis) |
Mittelsachsen
(Landkreis) |
24 |
4,25 |
Leipziger
Land (Landkreis) |
Leipzig
(Landkreis) |
11 |
4,10 |
9 |
3,88 |
Torgau-Oschatz (Landkreis) |
Nordsachsen
(Landkreis) |
12 |
4,14 |
21 |
4,18 |
Stollberg
(Landkreis) |
Erzgebirgskreis
(Landkreis) |
|
4,21 |
|
|
Freistaat Sachsen |
|
13 |
4,23 |
14 |
3,99 |
Annaberg
(Landkreis) |
Erzgebirgskreis
(Landkreis) |
20 |
4,11 |
Bautzen
(Landkreis) |
Bautzen (Landkreis) |
7 |
3,85 |
Zwickau
(kreisfreie Stadt) |
Zwickau
(Landkreis) |
16 |
4,27 |
13 |
3,96 |
Mittweida
(Landkreis) |
Mittelsachsen
(Landkreis) |
17 |
4,32 |
10 |
3,94 |
Plauen
(kreisfreie Stadt) |
Vogtlandkreis
(Landkreis) |
15 |
4,00 |
Vogtlandkreis
(Landkreis) |
Vogtlandkreis
(Landkreis) |
22 |
4,23 |
Zwickauer
Land (Landkreis) |
Zwickau
(Landkreis) |
20 |
4,36 |
10 |
3,94 |
Leipzig
(kreisfreie Stadt) |
22 |
4,23 |
Niederschlesischer Oberlausitzkreis (Landkreis) |
Görlitz (Landkreis) |
22 |
4,41 |
25 |
4,30 |
Döbeln
(Landkreis) |
Mittelsachsen
(Landkreis) |
19 |
4,09 |
Riesa-Großenhain (Landkreis) |
Meißen
(Landkreis) |
24 |
4,45 |
16 |
4,02 |
Chemnitz
(kreisfreie Stadt) |
17 |
4,05 |
Mittlerer
Erzgebirgskreis (Landkreis) |
Erzgebirgskreis
(Landkreis) |
26 |
4,59 |
29 |
4,60 |
Hoyerswerda
(kreisfreie Stadt) |
Bautzen
(Landkreis) |
27 |
4,64 |
27 |
4,40 |
Aue-Schwarzenberg (Landkreis) |
Erzgebirgskreis
(Landkreis) |
26 |
4,34 |
Görlitz
(kreisfreie Stadt) |
Görlitz (Landkreis) |
29 |
4,82 |
28 |
4,51 |
Löbau-Zittau
(Landkreis) |
Görlitz (Landkreis) |
|
Quelle:
Geo-Beilage Heft 5, 2004, S.29;
Die demografische Lage der
Nation 2006, S.98f. |
Übersicht: Die 35
sächsischen Gemeinden des Demographietyps 4, die gemäß der BertelsmannStiftung zwischen 2005 und 2020 mehr als 15 Prozent
der Bevölkerung verlieren werden
Tabelle:
Sächsische Gemeinden mit einem prognostizierten
Bevölkerungsverlust von mehr als 15 Prozent zwischen
2005 und 2020 |
Rang |
Gemeinden des
Demographietyps 4 |
Bevölkerung
(31.12.2005) |
Bevölkerungsverlust
(in %) |
1 |
Hoyerswerda
(Landkreis Bautzen) |
42.607 |
36,79 % |
2 |
Weißwasser
O.L. (Landkreis Görlitz) |
21.498 |
33,11 % |
3 |
Johanngeorgenstadt (Erzgebirgskreis) |
5.408 |
32,91 % |
4 |
Wilthen
(Landkreis Bautzen) |
6.176 |
29,19 % |
5 |
Ebersbach/Sa.; Eingemeindung in Ebersbach-Neugersdorf
(Landkreis Görlitz) |
8.832 |
28,68 % |
6 |
Altenberg
(Landkreis Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge) |
6.007 |
26,99 % |
7 |
Rochlitz
(Landkreis Mittelsachsen) |
6.712 |
26,36 % |
8 |
Olbersdorf
(Landkreis Görlitz) |
5.854 |
25,57 % |
9 |
Brand-Erbisdorf (Landkreis Mittelsachsen) |
11.213 |
24,74 % |
10 |
Klingenthal/Sa.; Eingemeindung in Klingenthal
(Vogtlandkreis) |
8.960 |
23,96 % |
11 |
Großschönau
(Landkreis Görlitz) |
6.590 |
22,53 % |
12 |
Kitzscher
(Landkreis Leipzig) |
6.053 |
22,39 % |
13 |
Colditz
(Landkreis Leipzig) |
5.188 |
22,24 % |
14 |
Zeithain
(Landkreis Meißen) |
6.622 |
21,70 % |
15 |
Kirchberg
(Landkreis Zwickau) |
9.401 |
21,50 % |
16 |
Sebnitz
(Landkreis Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge) |
9.049 |
21,46 % |
17 |
Hartha
(Landkreis Mittelsachsen) |
8.367 |
21,26 % |
18 |
Schönheide (Erzgebirgskreis) |
5.316 |
20,32 % |
19 |
Coswig
(Landkreis Meißen) |
22.305 |
19,78 % |
20 |
Lunzenau
(Landkreis Mittelsachsen) |
5.123 |
19,11 % |
21 |
Lugau (Erzgebirgskreis) |
7.622 |
19,08 % |
22 |
Döbeln
(Landkreis Mittelsachsen) |
21.236 |
18,84 % |
23 |
Görlitz
(Landkreis Görlitz) |
57.629 |
18,78 % |
24 |
Hainichen
(Landkreis Mittelsachsen) |
9.502 |
18,66 % |
25 |
Leisnig
(Landkreis Mittelsachsen) |
6.963 |
18,63 % |
26 |
Niesky
(Landkreis Görlitz) |
10.981 |
18,39 % |
27 |
Werdau
(Landkreis Zwickau) |
24.290 |
17,95 % |
28 |
Schwarzenberg
(Erzgebirgskreis) |
18.406 |
17,76 % |
29 |
Lößnitz (Erzgebirgskreis) |
10.374 |
17,64 % |
30 |
Riesa
(Landkreis Meißen) |
36.561 |
17,41 % |
31 |
Zittau
(Landkreis Görlitz) |
25.277 |
16,38 % |
32 |
Bad Schlema (Erzgebirgskreis) |
5.493 |
15,82 % |
33 |
Neustadt in
Sachsen (Landkreis Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge) |
10.227 |
15,79 % |
34 |
Roßwein
(Landkreis Mittelsachsen) |
7.444 |
15,26 % |
35 |
Lauta
(Landkreis Bautzen) |
8.503 |
15,07 % |
|
Quelle:
Regional-Report Sachsen,
Sachsen-Anhalt, Thüringen 2008, S.103ff.;
DESTATIS (2018): Bevölkerungstand in den Gemeinden in
Sachsen (Seitenabruf: 27.05.2018) |
Kommentierte Bibliografie (Teil 1: 2001 - 2009)
2001
KECKE, Anita (2001): Sachsen
hat inzwischen älteste Bevölkerung aller Bundesländer.
Freistaat verlor von 1991 bis
1999 mit 146.000 Wegzügen eine Großstadt an den Westen. Vor
allem Geburtenrückgang lässt Einwohnerzahl schrumpfen,
in: Leipziger
Volkszeitung v. 27.04.
Anita KECKE nennt für Sachsen
ein Durchschnittsalter von 42,1 Jahren.
CARSTENS, Peter (2001): Geburtenrückgang und wachsende Mobilität
in Sachsen.
Der Bevölkerungsrückgang ist
nur bedingt auf die Abwanderung in die alten Bundesländer
zurückzuführen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02.06.
Bericht über eine
Untersuchung zu den Ursachen des Bevölkerungsrückgangs in
Sachsen:
"Wesentlich für den
Bevölkerungsrückgang ist die Tatsache, dass in Sachsen
weniger Kinder zur Welt kommen als früher, die Geburtenrate
liegt bei 1,2, im Westen beträgt sie etwa 1,5".
Was in der
familienpolitischen Debatte immer verschwiegen wird: der
wiedervereinigungsbedingte Geburtenausfall in den neuen
Bundesländern drückt die gesamtdeutsche Geburtenrate. Das
ganze Ausmaß ist auch hier nicht sichtbar, sondern nur in
einem Vergleich über die Jahre von 1989 bis heute. Eine
Familienpolitik, die diesen Aspekt ausblendet, muss scheitern.
"Von der Verschlechterung
der Verhältnisse (...) sind (...) verschiedene Regionen
Sachsens sehr unterschiedlich betroffen. Als Beispiel nennt
das Innenministerium die Städte
Leipzig, wohin fast so viele Menschen zuziehen, wie von
dort weggehen, und
Görlitz,
das nur halb so viele neue Einwohner bekommt, wie es alte
verliert. In manchen Orten Sachsens beträgt der Verlust im
vergangenen Jahr fünf Prozent der Bevölkerung - etwa in
Hoyerswerda, einem ehemaligen Bergbauort in der
Oberlausitz. (...).
Bis 2015 werde die Bevölkerung um zwölf bis sechzehn Prozent
zurückgehen, besonders die Zahl der zwischen sechzehn und
dreißig Jahre alten Bewohner des Freistaates werde sinken,
nämlich um bis zu 32 Prozent,"
werden uns von Peter
CARSTENS Bevölkerungsentwicklungen in Sachsen genannt.
HONNIGFORT, Bernhard & Franz SCHMIDER (2001): Zur Arbeit ohne
Rückfahrkarte.
Eine ostdeutsche Familie: Der
Vater jobbt in Bayern, die Mutter in Sachsen und die Töchter in
Baden-Württemberg,
in:
Frankfurter Rundschau v. 07.06.
"Living apart together" nannte sich
Anfang der 1990er Jahre die freiwillige Bindungsform der
"Aristokraten der Liebe" (Matthias HORX), heutzutage stehen
dagegen die berufsbedingten Formen der
"Spagatfamilie" (Ulrich BECK),
"Commuter-Ehe" (Rüdiger PEUCKERT)
oder
"Fernliebe" im Brennpunkt.
Die Romantisierung der
Familienpolitik - wie sie z.B. im Imagewandel der Grünen zum
Ausdruck kommt (siehe
taz
vom 07.06.2001)
- verkennt die Realitäten in Deutschland. Fehlende
Arbeitsplätze und damit verbundene Abwanderungsprozesse führen
genauso zum Bevölkerungsrückgang wie die Hoffnungslosigkeit
der Daheimgebliebenen:
"was Tochter Nicole in
Lörrach auffiel (...): 'Man sieht hier so viele Kinder
überall.' Im letzten Jahr vor der Wende wurden in den
ostdeutschen Ländern noch 220 000 Kinder geboren. 1994 waren
es gerade noch 79 000, im vergangenen Jahr 104 000.
Nirgendwo sonst auf der Welt werden weniger Kinder geboren
als in Ostdeutschland: 1,1 pro Frau (...). Die fünf
ostdeutschen Länder haben in den vergangenen zehn Jahren
eine Million Einwohner verloren. Hält der Trend an, wird die
Bevölkerungszahl bis 2020 noch einmal um eine halbe Million
sinken. Europaweit haben Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen die höchsten Abwanderungsraten. Nur die
portugiesische Armenregion Alentejo weist vergleichbare
Zahlen auf. Noch schmerzlicher als die reine Zahl ist, dass
vor allem die hoch qualifizierten und jungen Menschen den
Osten verlassen."
WERZ, Nikolaus (2001): Abwanderung aus den neuen Bundesländern
1989 bis 2000,
in:
Aus Politik und
Zeitgeschichte Nr.39-40, S.23-31
"Auf dem Gebiet des heutigen
Freistaates Sachsen lebten 1989 noch 5,03 Millionen Menschen,
Ende 1999 hatte Sachsen nur noch 4,46 Millionen Einwohner. Es
bleibt dennoch das bevölkerungsreichste und am dichtesten
besiedelte der fünf neuen Länder. In zehn Jahren hat der
Freistaat rund 570 000 Einwohner verloren, das sind 11,3
Prozent. Die Zahl der ausländischen Mitbürger erhöhte sich um
rund 29 000 auf 105 000, was 1999 einem Bevölkerungsanteil von
2,4 Prozent entsprach. In dem genannten Zeitraum schritt die
Alterung der Bevölkerung voran, und zwar als Folge der rapiden
Abnahme der Zahl der Jüngeren durch niedrigere Geburtenzahlen
und Wanderungsverluste. Der Anteil der Bevölkerung unter 20
Jahren sank von 24,6 Prozent 1988 auf 19,7 Prozent 1999",
charakterisiert Nikolaus WERZ
die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen.
SAB (2001): Monitoring Wohnungswirtschaft 2001. Perspektiven
und Trends der Entwicklung der sächsischen Wohnungsmärkte,
herausgegeben von der Sächsischen Aufbaubank
"Das Sächsische
Staatsministerium des Innern hat das Projekt Monitoring
Wohnungswirtschaft im Jahre 1997 ins Leben gerufen und
unterstützt die Weiterführung des Projekts durch die SAB GmbH.
(...).
Seit einiger Zeit sind wir mit einem stetig anwachsenden
Wohnungsüberhang konfrontiert. Eine schrumpfende Bevölkerung
aufgrund einer niedrigen Geburtenrate, arbeitsplatzbedingte
Wanderungen, eine anhaltende Neubautätigkeit, nicht zuletzt
aufgrund veränderter Wohnwünsche, sind – weiterwirkende –
Ursachen für diese Entwicklung. (...). Seit dem Jahr 2000
fördert der Freistaat Sachsen den Rückbau von Wohnraum als
notwendige Stadtumbaumaßnahme im Rahmen integrierter
Stadtentwicklungskonzepte. Die Aufwertung der langfristig zu
erhaltenden Wohnungsbestände wird weiter unterstützt. (...).Der
jährlich erstellte Monitoring-Bericht bietet den
Entscheidungsträgern die Möglichkeit, Entwicklungen auf dem
sächsischen Wohnungsmarkt zu analysieren und ihre Entscheidungen
dementsprechend auszurichten",
heißt es im Vorwort zum
Wohnungsbaumonitoringbericht zur Entwicklung des
Immobilienmarkts in Sachsen und der Zielsetzung des Berichts.
KOCHINKE, Jürgen (2001):
In naher Zukunft herrscht im Freistaat Frauenmangel.
Statistiker aus Kamenz legen Jahrbuch 2001 vor. Sachsen
werden immer älter und heiraten später,
in:
Dresdner Neueste Nachrichten v. 07.12.
Ab 2008, prophezeit das
Statistische Landesamt, seien in Sachsen die Männer nicht nur im
mittleren Alter, sondern in allen Altersstufen in der Überzahl,
weil im Jahr 2000 der Frauenüberschuss nur noch 136.000 betrug,
während er 1990 noch bei 275.608 in Sachsen lag.
LVZ (2001):
Leipzig spitze bei Singles, letzter Platz bei Familien.
Neue Statistik für Sachsen. Nur in Plauen mehr
Ein-Personen-Haushalte,
in: Leipziger Volkszeitung v. 07.12.
2002
BARTSCH, Michael (2002): Der
Osten altert schneller.
Generationen in Ostdeutschland: Abwanderung, demografische
Falle und Generationenkonflikt wurden von zwei Studien
untersucht,
in:
Freitag Nr.51 v. 13.12.
Michael BARTSCH
berichtet über die erste sächsische Wanderungsanalyse, bei der
2.238 Abwanderer aller Altersstufen befragt wurden, von denen
jedoch 53 % jünger als 30 Jahre waren. Mit 37 % seien es überproportional
Höhergebildete mit Hochschulreife, die in den Westen flüchten.
BARTSCH spricht von einer dritten "Republikflucht"-Welle, bei
der nur der "doofe Rest" zurückbleibe. Sorgen bereit - neben der
Abwanderung selbst - zu allererst der dadurch verursachte
Geburtenschwund:
"Sachsen
verlässt man überwiegend allein stehend, aber ein Viertel dieser
jungen Singles geht bald nach dem Umzug eine feste Bindung ein.
Bis zum Alter von 21 Jahren überwiegt der Anteil junger Frauen.
Damit wird die Zahl potenzieller Mütter weiter eingeschränkt. In
Sachsen wurden im Vorjahr 3,6 Prozent weniger Kinder als im Jahr
2000 geboren."
2003
SAB (2003): Monitoring Wohnungswirtschaft 2002,
herausgegeben von der Sächsischen Aufbaubank
STEINBERGER, Karin (2003):
Stillleben mit Schwein und Graupen.
Armes Deutschland (IV): Die
Jungen ziehen der Arbeit nach, die Alten beißen sich durch - wie
man in einem Ort bei Leipzig die Kluft zwischen den Generationen
studieren kann,
in: Süddeutsche Zeitung v.
28.01.
Karin STEINBERGER
berichtet aus dem sächsischen Dorf
Heuersdorf im Landkreis Leipzig (2003: Leipziger Land), das
seit 2004 zur Gemeinde Regis-Breitingen gehört. Die letzten
Bewohner wurden 2009 ausgesiedelt, weil der Ort dem
Braunkohletagebau zum Opfer fiel. STEINBERGER sieht in dem Ort
jedoch nur ein Sinnbild für das "vergreisende Europa":
"Das
Durchschnittsalter in Heuersdorf liegt nach all den Wegzügen
mittlerweile bei 48,9 Jahren. So gesehen leben sie hier bereits
in der Zukunft. Europa wird im Jahr 2050 erst bei einem
Durchschnittsalter von 47,4 Jahren angekommen sein."
Der
Bürgermeister beschreibt den sächsischen "König" Kurt BIEDENKOPF
als Teufel, weil der sich zu wenig um die Kollateralschäden des
Braunkohletagebaus kümmert.
"Arbeitsplätze gibt es so gut wie keine mehr. Und so macht sich
die Jugend davon. Richtung Arbeit, Richtung Geld, und lässt sie
hier allein, die Alten, mit ihren Löchern und
Schaufelradbaggern, mit ihren Krankheiten und Todesängsten, mit
der Abrissbirne überm Haus und einer Kneipe vor der Tür, die
schon vor Jahren zugesperrt hat, weil man von Rentnern allein
nicht leben kann. Den Jugendclub gibt es nicht mehr, ihm
mangelt's an Mitgliedern.
Den Alten macht das nichts aus. Hier vernimmt man ohne
Verständnis, dass sie im Bundespräsidialamt den über
100-Jährigen das Geschenk von 150 auf 125 Euro gesenkt haben,
weil's so viele sind. 2.333 Uralten hat der Bundespräsident 1995
gratuliert zum 100ten, 105en oder 110ten. Letztes Jahr waren's
bereits 3.883. Und wegen so was wackelt dann gleich der
Generationenvertrag",
erzählt uns
STEINBERGER, die uns dann mit dem Entwicklungspsychologen
Leopold ROSENMAYR kommt, der die Alten von Heuersdorf als
"Spätlebemenschen" diffamiert, die in der
Aktivierungsgesellschaft als "passiver Typus" gelten. Dieser
"wohlverdiente Ruheständler" begreift die "gewonnen Jahre" nicht
etwa als Chance, sondern jammert nur!
"Seit 1970
hat sich die mittlere Lebenserwartung um fünf Jahre verlängert.
Jedes Jahr kommen für die über 60-Jährigen eineinhalb Jahre
dazu. Und die Alten werden immer gesünder",
jammert
deshalb STEINBERGER, die zwar das Wort vom Generationenkrieg
ablehnt, aber Generationenkämpfe und Verteilungskämpfe
beschwört, von denen man in Heuersdorf nichts wissen will:
"Die Jungen
zahlen's in die Rentenkasse ein und bekommen's aus Papas
Rentenkasse zurück. Nicht nur bei Eißners. 2000 Euro gehen im
Durchschnitt pro Jahr von den Eltern an die Kinder. Und die
meisten haben auch noch die Zwangsvorstellung, etwas vererben zu
müssen. Und da kommen sie ihm (...) mit dem
Generationenkonflikt, mit Ausdrücken wie Altenbombe,
Kukident-Generation, Langlebigkeitsrisiko und all diesen
Unverschämtheiten",
schildert
STEINBERGER diese Perspektive der Leugner, die von den Metaphern
der Mainstreammedien nichts wissen wollen, nur weil der "private
Generationenvertrag" noch immer funktioniert.
"221 Euro
Rente bekommt die Frau. »Wenn sie allein wäre, würde sie
verhungern.« Über die Renten der Männer erfährt man nichts.
Bergbaurente. »Nicht viel, aber für uns reicht's.«",
erklärt uns
STEINBERGER, was wohl im Kontext der Reportage heißen soll: Das
ist ja geradezu üppig, hört auf zu jammern! Noch betrogener als
die Bergbaufamilien fühlen sich nur die Bauern:
"»Zu
DDR-Zeiten hat man sich über das Alter keinen Kopf gemacht, über
die Rente schon gar nicht. War doch alles sicher.« Und jetzt,
alles teurer, alles in Frage gestellt. Und die Jungen sind so
verwöhnt."
Typisch
Ossi-Mentalität eben, denkt sich da der westdeutsche Leser.
Welche Verletzungen solche Darstellungen ausgelöst haben, das
wird sich erst ein, zwei Jahrzehnte später zeigen.
MELLE, Stefan (2003): Wiederbelebungsversuch.
Wo es an
Arbeit fehlt, schrumpfen die Städte. Die Kultur soll neue
Impulse geben,
in: Berliner Zeitung v. 22.02.
Für Sozialpopulisten wie Meinhard MIEGEL oder Hermann ADRIAN ist die Sache klar:
Der demographische Wandel bzw. Kinderlose sind schuld an allen
Problemen unserer Gesellschaft, also auch an schrumpfenden
Städten. Tatsache
ist jedoch: Die Bevölkerung wächst dort, wo Arbeitsplätze
entstehen, die Menschen ernähren können. Diesen Ansatz stellt
Stefan MELLE vor:
"In den meisten
Häusern, die in Ostdeutschland abgerissen werden, hätten
noch lange Leute wohnen können. Aber sie ziehen weg aus
Leinefelde, Schwedt oder Suhl - wie die Industrie, die sie
ernährte. Die leeren Häuser verfallen und kosten Geld. Also
beseitigen Bund, Länder und Kommunen sie für viel Geld als
unerwünschte Ruinen.
Aber der Abriss ist für die Städte keine Dauerlösung, und er
vergeudet Ressourcen. Daher will die Bundeskulturstiftung
jetzt die kulturellen Folgen für schrumpfende Städte
international untersuchen. Denn seit 1950 büßten 136
Großstädte aller Kontinente jeweils mehr als 100 000
Einwohner ein. In Afghanistan eher durch Kriege. Im Osten
der USA oder in
Großbritannien aber wie in Ostdeutschland durch den
Umbau der Wirtschaft.
Das
Projekt vergleicht die US-Autostadt Detroit sowie Liverpool
und Manchester, die alle rund die Hälfte der Bewohner
verloren - mehr als die Region Halle/Leipzig, die in dem
Projekt besonders beleuchtet wird."
HAHNEMANN, Christine (2003): Schrumpfende Städte in
Ostdeutschland - Ursachen und Folgen einer Stadtentwicklung ohne
Wirtschaftswachstum,
in:
Aus Politik und Zeitgeschichte Nr.28 v.
07.07.
Hoyerswerda
ist überall, meint Christine HANNEMANN.
Geprägt wird die Debatte um den Stadtumbau durch das Denken in
Abwärtsspiralen, das aus der folgenden Grafik hervorgeht:
|
Quelle:
Christine Hannemann, 2003, S.20 |
Es wäre also zu klären
inwiefern solche Dynamiken überhaupt typisch sind für
schrumpfende Städte in Deutschland und ob die Dynamiken nicht
politisch verstärkt werden.
Der Punkt "schlechtes Image"
ist auch eine Frage nach der medialen Berichterstattung über den
demografischen Wandel. Hoyerswerda wurde Anfang der 1990er
Jahre international bekannt durch Ausländerfeindlichkeit.
Inwiefern trug z.B. dieser Imageschaden zu den heutigen
Problemen bei? Welche Rolle spielen überzogene
Wachstumserwartungen nach der Wiedervereinigung für die heutigen
Probleme?
Das Bild der Abwärtsspirale
zeigt, dass nicht unbedingt der demografische Wandel Ursache der
Entwicklung ist, sondern eher die Folge bzw. Begleiterscheinung
wirtschaftlicher Entwicklungen, politischer Fehlentscheidungen
bzw. medialer Berichterstattung.
Abwärtsspiralen wären also
eine empirisch zu beantwortende Frage. Wer diese jedoch zum
Ausgangspunkt von globalen Handlungsstrategien macht, der trägt
zu einer Blickverengung oder gar Denkverboten bei, die
gegenteilige Entwicklungen vernachlässigt bzw. die Chance des
selektiven Gegensteuerns vergibt. Bevölkerungsprognosen geben
für ein solches Denken den Takt vor:
"Folgt man den amtlichen
Bevölkerungsprognosen, so wird (die)(...)
»Umverteilung«
der Bevölkerung und der Flächen in den nächsten Jahrzehnten
weiter voranschreiten: Bis zum Jahr 2025 – so die Schätzung –
werden die ostdeutschen Städte bis zu 25 Prozent ihrer
Bevölkerung verlieren."
HANNEMANN sieht deshalb in
den schrumpfenden Städten den neuen Normalfall der
Stadtentwicklung in Deutschland:
"Vielfach wird noch
versucht, Schrumpfung auf den demographischen Faktor zu
reduzieren. Im Falle Ostdeutschlands konzentriert sich die
politische Debatte um
»schrumpfende
Städte«
jedoch aktuell auf das von der Bundesregierung aufgelegte
Programm »Stadtumbau
Ost«,
in dessen Kontext 262 Kommunen integrierte
Stadtentwicklungskonzepte als Voraussetzung zur Förderung von
Rückbau und Abriss erarbeitet haben. Das Bund-Länder-Programm
ist der erste Versuch, die anspruchsvolle gesellschaftliche
Aufgabe der Gestaltung von Schrumpfungsprozessen zu
instrumentieren",
erläutert HANNEMANN und
kritisiert gleichzeitig, dass dieses Programm lediglich ein
Rettungsplan für die Wohnungswirtschaft ist und damit der
Großteil des Problemspektrums vernachlässigt wird:
"Nicht nur der
prognostizierte absolute Bevölkerungsrückgang, sondern auch
die Zusammensetzung der Bevölkerung und die
Haushaltsstrukturen signalisieren mittel- und langfristig
Handlungsbedarf. Zudem geriert die Verschiebung der
Altersstruktur einen dramatischen Wandel der städtischen
Bevölkerung; der Altersdurchschnitt der StadtbewohnerInnen
wird sich deutlich erhöhen, wie es demographische
Hochrechnungen nahe legen. Durch den Geburtenrückgang ist von
immer weniger familiären Unterstützungssystemen für ältere
Menschen auszugehen."
Das
Denken in Abwärtsspiralen kann als Gegenpol zu den
überzogenen Wachstumshoffnungen der frühen 1990er Jahre gesehen
werden. Mit seinem Dogma der Unumkehrbarkeit läuft es Gefahr
zeitweilige Phasen zu verabsolutieren. Stattdessen gilt es jene
Punkte ausfindig zu machen, die Wendepunkte markieren. Hier
besteht Forschungsbedarf.
TIEFENSEE, Wolfgang (2003): Stadtentwicklung zwischen
Schrumpfung und Wachstum,
in:
Aus Politik und Zeitgeschichte
Nr.28 v. 07.07.
KIL, Wolfgang/DOEHLER, Marta/BRÄUER, Michael (2003): Zukunft der
Städte und Stadtquartiere Ostdeutschlands,
in:
Aus Politik und Zeitgeschichte Nr.28 v.
07.07.
SAB (2003): Monitoring Wohnungswirtschaft 2003,
herausgegeben von der Sächsischen Aufbaubank
2004
HERRMANN, Ulrike (2004): Wo Deutschland jung ist.
In religiös geprägten Gegenden
kommen viele Kinder zur Welt. Bald öd und leer: Gelsenkirchen
und Löbau-Zittau
in: TAZ v. 23.04.
"Wer um seine
demografische Zukunft fürchtet, sollte nicht in das Altenburger
Land in Thüringen ziehen. Und auch nicht nach Bremerhaven,
Gelsenkirchen oder ins sächsische Löbau-Zittau. Diese
Industriegebiete überaltern", erklärt uns Ulrike HERRMANN
anlässlich der Vorstellung einer Studie..
GRASSMANN, Philip (2004): Forscher sehen Deutschland auf dem Weg
in die zweite Liga.
Studie
über Folgen der Überalterung und des Wegzugs junger Menschen.
Schlechte Zukunftschancen für den Osten, aber auch für einige
Regionen im Westen/Bayern und Baden-Württemberg am besten
gerüstet,
in: Süddeutsche Zeitung v. 23.04.
Philip
GRASSMANN weist darauf hin, dass die 5 Landkreise mit der
schlechtesten Zukunftsfähigkeit allesamt Leidtragende des
Zusammenbruchs traditioneller Industrien seien: "Altenburger
Land (Braunkohletagebau), Wismar und Bremerhaven (Schiffbau),
Gelsenkirchen (Kohle), Löbau-Zittau (Textilwirtschaft)."
SCHWÄGERL, Christian (2004): Im alten
Land.
Raum ohne Volk: Zwischen Usedom
und Fichtelgebirge wird man schon im Jahr 2020 kaum noch
Menschen begegnen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.04.
BÄUMLISBERGER, B/BEHREND,
T./FUHRER, A./HEISSMEYER, A./SCHWAB, F. (2004): Die geteilte
Republik.
Bis zum
Jahr 2020 öffnet sich eine Riesenkluft zwischen Boomregionen und
Landschaften, die veröden. Der Abstieg trifft nicht nur den
Osten, sondern auch Teile des Westens,
in: Focus Nr.18 v. 26.04.
GEO-Titelgeschichte:
Deutschlands Zukunft.
Wie werden
wir leben? Wo werden wir leben? Welche Aussichten hat unsere
Gesellschaft? |
SPARMANN, Anke (2004): "Vielleicht irgendwann...".
Geburtenreichtum und -armut sind
ungleich verteilt. Im Kreis Cloppenburg bekommen Frauen doppelt
so viele Kinder wie in Heidelberg. In
Hoyerswerda leben viele
Männer ohne Aussicht auf eine eigene Familie. Liegt das am Geld
oder am Glauben? An Beruf, Bildung oder Beziehungen? Die Suche
nach den Ursachen hat überraschende Einsichten zutage gebracht -
wenn auch keine einfachen Antworten,
in: GEO. Das neue Bild der Erde, Mai
MICHAL, Wolfgang
(2004): Region der Zukunft.
...haben
Raumplaner die entvölkerten Gebiete in Deutschlands Mitte
genannt. Weil es hier schon heute aussieht wie bald vielerorts
auf dem Land: verlassen. Ein Teufelskreis aus Landflucht,
Alterung und wegbrechenden Steuereinnahmen, dem Politiker
ohnmächtig gegenüberstehen. Schulen, Geschäfte und Bahnhöfe
machen dicht. Zurück bleibt demographisches Ödland, zu schwach
für einen Neuanfang,
in: GEO. Das neue Bild der Erde, Mai
GEO -Extrabeilage: Kreise und Städte im Test.
Der
demographische Wandel: Daten, Trends und Analysen |
GEO
-Extrabeilage: Kreise und Städte im Test. Der demographische Wandel:
Daten, Trends und Analysen
Die Beilage
macht viele Worte, hat jedoch nur wenig Fakten zur regionalen
Bevölkerungsentwicklung zu bieten. Die Fakten werden durch Noten
verschleiert, die viel Spielraum für Spekulation lassen.
Aussagen zur Bevölkerungsentwicklung
von 2000 bis 2020:
"Zu den leidtragenden Gebieten zählen vor allem die Oberlausitz im
Osten und das Erzgebirge im Südwesten. Im Kreis
Löbau-Zittau etwa kamen zudem im Jahr 2001 in der
Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen auf 100 Männer nur
noch knapp 80 Frauen, und 9,3 Prozent der Einwohner waren
älter als 75 Jahre. Das Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung sagt für die Region bis 2020 einen weiteren
Bevölkerungsverlust von rund 15 Prozent voraus." (2004,
S.13)
Das
Länderprofil Sachsen wird folgendermaßen zusammengefasst:
"Abwanderung
und Sterbeüberschuss sind keine neuen Phänomene, doch seit dem
Kollaps der DDR-Industrien kann nur das Umland von Leipzig und
Dresden noch auf stabile Einwohnerzahlen hoffen. Im Osten kehren
schon die Wölfe zurück" (S.13)
Für folgende
Kreise und Städte in Sachsen werden starke Bevölkerungsverluste bzw. -zugewinne
prognostiziert:
Tabelle:
Bevölkerungsentwicklung der Landkreise und kreisfreien
Städte in Sachsen im Zeitraum 2000-2020 |
Landkreise und Städte in Sachsen mit Bevölkerungsverlusten
von 15 und mehr Prozent (Note 6) |
Landkreise und Städte in Sachsen mit Bevölkerungswachstum von
10 und mehr Prozent (Note 1) |
Aue-Schwarzenberg |
Leipziger Land |
Chemnitz |
Muldentalkreis |
Görlitz |
Sächsische Schweiz |
Löbau-Zittau |
Weißeritzkreis |
Mittweida |
|
Riesa-Großenhain |
|
|
Quelle:
Geo-Beilage Heft 5, 2004, S.22ff. |
PROGNOS
(2004): Zukunftsatlas 2004.
Das Ranking zur Zukunftsfähigkeit der 439 Regionen in
Deutschland,
in: Pressemitteilung der Prognos AG v. 21.07.
Der
Zukunftsatlas 2004 unterscheidet zwischen 7 Regionstypen. Als
Regionen mit sehr schlechten Zukunftsaussichten. Einzig bei
Görlitz wird nicht zwischen kreisfreier Stadt und Landkreis
unterschieden. Die Zukunftsfähigkeit der sächsischen Regionen
ist aus der folgenden Übersicht ersichtlich:
Tabelle:
Zukunftsfähigkeit der 439 Landkreise und kreisfreien
Städte in Sachsen |
Regionskategorien |
Anzahl der Kreise
und Städte |
Einstufung der Landkreise und kreisfreien Städte in
Sachsen |
Rang
Gesamt-Index |
Rang
Demografie-
Index |
Name |
Region mit Top-Zukunftschancen |
6 (0) |
- |
- |
- |
Region mit sehr hohen Zukunftschancen |
17 (0) |
- |
- |
- |
Region mit hohen Zukunftschancen |
28 (0) |
- |
- |
- |
Region mit Zukunftschancen |
58 (0) |
- |
- |
- |
Region mit ausgeglichenem Chancen- und Risikomix |
211 (1) |
110 (1) |
82 (1) |
Dresden |
Region mit
Zukunftsrisiken |
61 (15) |
334 (2) |
236 (2) |
Leipzig |
340 (3) |
370 (12) |
Mittweida |
342 (4) |
420 (25) |
Chemnitz |
350 (5) |
380 (15) |
Chemnitzer Land |
351 (6) |
356 (8) |
Freiberg |
353 (7) |
394 (19) |
Zwickauer Land |
354 (8) |
397 (20) |
Zwickau |
363 (9) |
354 (7) |
Meißen |
368 (10) |
334 (5) |
Muldentalkreis |
373 (11) |
359 (9) |
Bautzen |
375 (12) |
390 (17) |
Döbeln |
376 (13) |
402 (22) |
Vogtlandkreis |
378 (14) |
268 (3) |
Weißeritzkreis |
379 (15) |
409 (24) |
Riesa-Großenhain |
381 (16) |
365 (11) |
Stollberg |
Region mit hohen
Zukunftsrisiken |
47 (9) |
383 (17) |
371 (13) |
Delitzsch |
384 (18) |
321 (4) |
Kamenz |
391 (19) |
393 (18) |
Sächsische Schweiz |
401 (20) |
400 (21) |
Aue-Schwarzenberg |
406 (21) |
385 (16) |
Torgau-Oschatz |
408 (22) |
353 (6) |
Annaberg |
409 (23) |
362 (10) |
Mittlerer Erzgebirgskreis |
416 (24) |
372 (14) |
Leipziger Land |
420 (25) |
404 (23) |
Löbau-Zittau |
Region mit sehr
hohen Zukunftsrisiken |
11 (3) |
431 (26) |
428 (26) |
Görlitz |
436 (27) |
432 (27) |
Niederschlesiger-Oberlausitzkreis |
439 (28) |
439 (28) |
Hoyerswerda |
|
Quelle:
Prognos AG
Zusammenfassung Zukunftsatlas 2004, S.15ff., eigene
Berechnungen |
RHEINISCHER MERKUR-Spezial:
Deutschland - Uneinig Vaterland.
Die Armut
nimmt wieder zu. Neue Gegensätze spalten die Republik. Droht ein
Klassenkampf wie in der Vergangenheit? |
MEHLITZ, Johannes
(2004): West gegen Ost.
RM-Spezial Deutschland - Uneinig Vaterland:
Hoyerswerda
blickt in eine blasse Zukunft,
in: Rheinischer Merkur Nr.32 v. 05.08.
OCHS, Birgit (2004):
Wie schafft man eine lebenswerte Stadt für alle.
Gendermainstreaming im Städtebau, das ist bisher vor allem
Theorie. Nun experimentieren Dessau und Pulheim, ob und wie sich
die Interessen von Männern und Frauen in den Alltag kommunaler
Stadtplanung übertragen lassen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 22.08.
GEINITZ, Christian & Winand von PETERSDORFF (2004):
"Der Osten wird dem Bund langsam lästig".
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt über Berliner
Phantasielosigkeit, den Frust mit Hartz IV und das Geld aus dem
Westen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.09.
"Wir werden
die absolute Mehrheit nicht verlieren! Die
wirtschaftspolitischen Konzepte der anderen Parteien sind nicht
geeignet, Sachsen voranzubringen",
meint der
westdeutsche Georg MILBRADT noch 14 Tage vor der
Landtagswahl, bei der die CDU erstmals die absolute Mehrheit
verliert und von 56,9 Prozent auf 41,1 Prozent abstürzt. Die NPD
gewann fast 8 Prozent dazu und kam auf 9,2 Prozent. Die CDU muss
seitdem mit einem Koalitionspartner regieren.
MEHR, Max Thomas (2004):
Wo den Parteien die Basis fehlt.
Bürgermeister kann man importieren, Mitglieder nicht. Am
Beispiel Sebnitz: Blick in das politische Innenleben
Ostdeutschlands,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 26.09.
"Sebnitz
gehört zu den Orten in Sachsen, in denen die NPD bei der
Landtagswahl am vergangenen Sonntag am meisten Stimmen gewonnen
hat. Landesweit kamen die Rechtsradikalen auf mehr als neun
Prozent. (...).
Sebnitz, Sächsische Schweiz (...). Dreimal soviel Stimmen wie
die SPD. Die erreichte in Sebnitz gerade einmal 5,9 Prozent; die
NPD: 15,8. Am stärksten freilich ist nach wie vor die CDU: 43,9
Prozent, gefolgt von der PDS mit 20,5 Prozent. (...).
Bürgermeister Mike Rukh, CDU, kommt aus dem
Baden-Württembergischen und ist schon bald elf Jahre im Amt.
(...). Sebnitz und das tschechische Dolni Poustevna
(Niedereinsiedel) gehen ineinander über. (...).
Das Problem der Stadt: Bei knapp 8.000 Wahlberechtigten findet
sich kaum mehr als eine Handvoll, die politische Verantwortung
übernehmen will - und das sind fast immer dieselben. Den
Parteien fehlen die Ortsvereine, es fehlt die Basis. (...).
Die Schwäche der etablierten Parteien ist die Stärke der NPD",
meint Max Thomas MÜLLER.
KIRBACH, Roland (2004): Die letzten Kinder.
Weißwasser: 23.000 Menschen leben in Weißwasser in Sachsen. Jedes Jahr verlassen 1.000 Bewohner
den Ort. Auch der 19-jährige Paul überlegt, ob es an der Zeit
ist zu gehen,
in: Die ZEIT Nr.41 v. 30.09.
RHEINISCHER MERKUR-Spezial:
Deutschland im Jahr 2020.
Geisterstädte und leere Landstriche – das
Geburtendefizit wird unser Land radikal verändern. Blick in eine
düstere Zukunft |
KLINGHOLZ, Reiner (2004): Abstieg in die zweite Liga.
Einwohnerschwund nicht
ausgleichen. Der wirtschaftliche Niedergang ist programmiert,
in: Rheinischer Merkur Nr.42 v. 14.10.
"Weil in
keinem der 440 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte die
Kinderzahlen hoch genug sind, um eine gleich bleibende
Bevölkerungszahl zu garantieren, können nur jene Regionen auf
Stabilität hoffen oder gar wachsen, die anderswo Menschen
abziehen. Dies tun sie aufgrund wirtschaftlicher Stärke, denn
die Menschen siedeln sich dort an, wo sie Arbeitet und ein
Auskommen finden. Der Niedergang beschleunigt sich somit in den
Gegenden, die ohnehin schon in besonderem Maße unter
Abwanderung, Überalterung und Arbeitsmangel leiden. Manche
deutschen Kreise werden bis 2020 mehr als 20 Prozent ihrer
Bevölkerung verlieren - vor allem in den neuen Bundesländern. In
der sächsischen Stadt
Hoyerswerda etwa leben heute bereits ein
Drittel weniger Menschen als zu DDR-Zeiten",
erklärt uns
Reiner KLINGHOLZ seine neoliberale Ideologie des programmierten
Niedergangs, bei dem die Abwärtsspirale sozusagen naturgegeben
ist. Eine solche Ideologie rechtfertigt dann die
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme. Doch was auf den
ersten Blick möglicherweise einleuchtend erscheint, ist es
nicht. Politisches Gegensteuern wäre eine Alternative zum
Neoliberalismus.
HAMANN, Götz (2004): Wie schrumpft man eine
Stadt?
Wir werden weniger (3):
Sachsen erlebt, was westliche Bundesländer
noch vor sich haben: Verlassene Wohnungen und verfallende
Viertel in fast jeder Kommune. Stadtplaner, Politiker und Bürger
lernen allmählich, mit der neuen Leere umzugehen,
in: Die ZEIT Nr.45 v. 28.10.
"Es war eine
Fahrt im September. Eine Fahrt (...) bis nach Görlitz, tiefer
geht es nicht in den sächsischen Osten. (...).
Statt fünf Millionen Menschen wie zu Wendezeiten leben heute
noch 4,3 Millionen in Sachsen, was bitter ist, der Region aber
auch den Ruf eingetragen hat, dort ließe sich ein Blick in die
gesamtdeutsche Zukunft werfen (...).
Sachsen (ist) dem Westen um mehrere Jahre voraus. Denn in all
den Irrtümern, Rückschlägen und Erfolgen stecken Erfahrungen,
die der Westen noch machen muss",
erklärt uns
Götz HAMANN. Die Geschichte "Sachsen ist überall" ist eine
Variation der
"Hoyerswerda ist überall"-Geschichte, in der der
demografische Niedergang zum Leitbild erhoben wird. Görlitz ist
für HAMANN ein Sinnbild für fehlenden Mut, dem Untergang ins
Gesicht zu sehen:
"Görlitz. Das
Licht härtet an diesem Morgen auch die erdigsten Farben. Das
Gelb und das Braun und die Sandtöne des Görlitzer Untermarktes
erkalten mit jeder Minute mehr, was die Fassaden aus Barock und
Renaissance noch stärker hervortreten lässt und die Häuser
binnen Minuten in ein historisches Bühnenbild verwandelt. Wer im
Vergleich dazu Fotos aus dem Jahr 1989 betrachtet, ahnt, warum
es Lokalpolitikern und Stadtplanern bis heute misslingt, sich
dem Schrumpfen zu widmen.
Zu Wendezeiten trug die Innenstadt Züge einer Ruine, die
Baupolizei hatte viele Gebäude gesperrt, und nicht viel wäre vom
Stadtkern geblieben, hätte er weiter vor sich hin rotten müssen.
Seither wurden Laubengänge, Kaufmannshäuser, Speicher und
Wohnstraßen, zusammen fast 4000 Baudenkmäler, saniert und mit
immensen Zuschüssen von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in
ihren Urzustand versetzt. Gegen so viel Verfall anzugehen kostet
Kraft. (...).
Von den 72000 Menschen, die im Jahr 1990 in der Stadt lebten,
zogen Tausende auf der Suche nach Arbeit gen Westen. Geblieben
sind 58000, was logischerweise dazu führt, dass der Leerstand am
Stadtrand wie im Zentrum gestiegen ist. Und er dürfte weiter
steigen, weil die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2020 auf 46000
gesunken sein wird – so das Statistische Landesamt. Derzeit
bleibt nahe des Untermarkts abends jede dritte Wohnung dunkel,
und wo die Dunkelheit einmal nistet, breitet sie sich aus, weil
Leerstand neuen Leerstand anzieht. Wer wohnt schon gern in halb
verlassenen Straßen? Einem derartigen Schrumpfen der Bevölkerung
allein mit einer Sanierungsstrategie zu begegnen, weil man auf
künftiges Wachstum hofft, muss scheitern – und hat Folgen wie in
Görlitz.
Längst ist der Immobilienmarkt in der Region aus dem
Gleichgewicht geraten."
Sachsens
Regierung will das Land schrumpfen, aber die Menschen zeigen
sich widerspenstig:
"Die
Görlitzer Stadtpolitik hat einen Trend verschärft, der weite
Teile des Landes erfasst hat: Ministerpräsident Georg Milbradt
rechnete auf einer Tagung vor, dass die Differenz zwischen
denen, die sterben, und denen, die geboren werden, seit 1990
etwa 370000 Bürger betrage. Da in derselben Zeit viele Gemeinden
rund um Dresden und Leipzig sogar noch gewachsen sind, weil sich
überall im Land, aber vor allem dort, mehr als 90000 Sachsen
ihren Traum vom Eigenheim erfüllten, selbst wenn es ein
Musterhaustraum war, schrumpfte die Bevölkerung in mittelgroßen
Städten und den Randlagen noch schneller."
Zwickau gilt
dagegen als mustergültige Baupolitik per Abrissbirne:
"Zwickau.
Eigentlich hilft nur der große Abriss. Auf einem Hügel
nordöstlich des Stadtkerns von Zwickau wächst zwischen der
Carl-Gördeler-Straße und der Moltkestraße ziemlich gewöhnliches
Gras. (...) Es ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit. »Da standen
überall Sechsgeschosser.« Pflug hat nach der Wende das Bauamt
geleitet und wechselte dann zur Zwickauer
Wohnungsbaugenossenschaft, deren Vorstandsvorsitzender er heute
ist. Er ist einer, an den Staatssekretär Buttolo denkt, wenn er
sagt: »Fahren Sie nach Zwickau. Sehen Sie sich das an! So viel
kann man in fünf Jahren erreichen.« Auf dem Hügel im Stadtteil
Eckersbach hat Pflug gemeinsam mit Jutta Giebner, der Chefin der
kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, mehr als 3000 Wohnungen aus
den eigenen Beständen abgerissen. Die Lasten haben die beiden
geteilt, wozu die Stadt beitrug, indem sie die ersten Gespräche
organisierte und den Rückbau gemeinsam mit den
Wohnungsgesellschaften plante.
In Zwickau-Eckersbach gelang es auf diese Weise, ein Dilemma der
Wohnungswirtschaft zu überwinden."
"Abrissblockade" nennt HAMANN es, wenn sich jemand dieser
Schrumpfungseuphorie widersetzt. Um diese Abrissblockade
aufzulösen setzt Sachsen auf die Subventionierung des Abrisses:
"Staatssekretär Albrecht Buttolo versucht gerade, ein
Modellprojekt in der Stadt Wurzen zu starten. Dort will er die
Anwohner dazu bewegen, Teile eines Gründerzeitviertels zu
räumen, in dem viel leer steht. Das Angebot lautet: Wer abreißt,
bekommt einen Zuschuss und verzichtet dafür auf sein
Wohneigentum in diesem Viertel. Oder die Besitzer tauschen ihre
leer stehenden Häuser gegen eine Wohnung der lokalen
Wohnungsgesellschaft in einem Viertel, das stehen bleiben soll.
Es ist immerhin ein Versuch."
Die
Stadtentwicklung in Görlitz wird dagegen als Negativbeispiel
vorgeführt:
"Lutz Penske
ist von solchen Ideen weit entfernt. Der Leiter der Stadtplanung
fährt in seinem Büro, das in einer alten Kaserne liegt, ruhig
und präzise mit seinem Finger über einen Stadtplan. Er fährt um
die rot gefärbte Innenstadt und die orangefarbenen
Einkaufsstraßen aus der Gründerzeit, und dann zeigt er auf die
äußerste Linie, die einen weiten Bogen bis hinter die Bahnlinie
macht, im Süden an die Neiße stößt und dann zur Altstadt
zurückführt. In diesem Gebiet will Penske alle Häuser erhalten,
obwohl etwa die obere Hälfte der alten Prachtstraße hinauf zum
Bahnhof völlig verwaist ist. Dort, wo bis zum Zweiten Weltkrieg
die teuersten Geschäfte lagen, kleben heute ein paar letzte
Nachrichten aus den neunziger Jahren in den Schaufenstern. Die
guten handeln vom Umziehen, die anderen vom Aufgeben."
Die Idee,
dass Görlitz für ältere Menschen so attraktiv werden könnte,
dass dies die Erhaltung der Innenstadt rechtfertigt, hält HAMANN
für verfehlt:
"Keine der
vagen Ideen, die in der Stadt kursieren und die sich darum
drehen, wie Görlitz wieder wachsen könnte, werden die
Unterlassungen in Sachen Abriss auf absehbare Zeit kompensieren.
Es sind einfach keine tausend neuen Arbeitsplätze in Sicht, kein
Zuwandererstrom aus dem polnischen Zgorzelec absehbar, das auf
der anderen Seite der Neiße liegt. Aber zumindest eine
Perspektive gibt es, die das Schrumpfen mildern könnte:
Stadtplaner Penske hofft, dass Görlitz für ältere Menschen aus
den Ballungsräumen des Westens ein begehrter Altersruhesitz
wird, wie die Bretagne und die Toskana. Görlitz, das "Pensionopolis"?
(...).
(E)ine Tradition vom Ende des 19. Jahrhunderts aufleben
(lassen), als deutsche Rentner schon einmal erkannt hatten, wie
gut es sich an der Neiße leben lässt. Ein Teil der
Gründerzeitviertel mit ihren Villen und mehrstöckigen
Stadthäusern ist just in dieser Zeit entstanden, weil ehemalige
Offiziere des Kaiserreichs, pensionierte Beamte aus Berlin sowie
Unternehmer und Ärzte aus Schlesien beschlossen, ihr Vermögen an
der Neiße zu investieren. Die Eichhorns sind zwei, zwei von ein
paar hundert Rentnern. Nur – was sind sie gegen die vielen
tausend, die gehen?"
NEON-Titelgeschichte:
Welche Stadt passt zu dir?
Ausgehen und Arbeiten: neun lebenswerte Umzugsziele von BERLIN bis
FREIBURG |
BUCHHOLZ, Simone
(2004): Leipzig.
Für
Macher,
in: Neon, November
RICHTER, Peter (2004): Dresden.
Für Neugierige,
in: Neon, November
Peter RICHTER
stilisiert Dresden zum besseren Berlin, was später auch Leipzig
widerfahren wird:
"Es ist (...)
so, dass Dresden in letzter Zeit (...) eine Stimmung vermittelt,
die dem saturierten Berlin irgendwie abhanden gekommen scheint:
dass etwas aufbricht. Dass Dinge möglich werden, die man für
ausgeschlossen hielt. Der Zuzug von Westdeutschen und, jawohl:
Amerikanern (wegen der Mikrochip-Fabriken) hat viel bewegt, und
auch, dass aus der Technischen Universität eine Volluni geworden
ist. Wenn man nicht auf dem Überangebot Berlins besteht, wenn
man lieber selber was reißen will - oder hin und wieder
konzentriert ausrasten und hinterher aus schlechtem Gewissen auf
ein paar Sandsteinfelsen klettern, oder einfach nur nicht so
viel Miete bezahlen wie in Mitte: Dann gibt es einige gute
Gründe, die für Dresden sprechen."
2005
DIENEL, Christiane (Hrsg.)(2005): Abwanderung, Geburtenrückgang
und regionale Entwicklung. Ursachen und Folgen des
Bevölkerungsrückgangs in Ostdeutschland, Verlag für
Sozialwissenschaften
RÜHLE,
Axel
(2005): Bin ich jetzt rechtsextrem?
NPD? Die
Probleme liegen viel tiefer. Ein Besuch in Sachsen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 05.02.
Axel RÜHLE fährt nach dem
Wahlerfolg der NPD bei der Landtagswahl
nach Chemnitz, um die rechte Jugendkultur zu inspizieren. Dabei
fallen Begriffe wie "Skins" und "Stinos", die 10 Jahre später
kaum noch jemand kennt.
"In Sachsen müssen wegen
Schülermangels Schulen geschlossen werden. Wenn da jemand
zugibt, dass er Probleme mit den Rechten hat, ist seine Schule
quasi schon zu",
zitiert RÜHLE einen Linken.
"Soziologen sprechen (...)
von langfristig gewachsenen Minderwertigkeitsgefühlen, fehlender
Ich-Stärke, antizipatorischem Hospitalismus, der auf Hilfe von
höheren Instanzen wartet",
behauptet RÜHLE. Das
Vokabular entstammt jedoch der Persönlichkeits- bzw.
Entwicklungspsychologie und nicht der Soziologie. Der Bericht
ist typisch für die damalige Zeit und den Rechtsruck - nicht nur
- im Osten.
BURGER, Reiner
(2005): Der trügerische Babyboom.
In Sachsen
wurden 2004 so viele Kinder geboren wie lange nicht - und doch
schrumpft der Freistaat,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.02.
BIRG, Herwig (2005): Die innerdeutsche Migration.
Grundkurs Demographie - Neunte
Lektion,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.03.
SAB (2005): Wohnungsbaumonitoring 2004/2005, herausgegeben
von der Sächsischen Aufbaubank
taz-Serie:
Deutschland - Räume ohne Volk und auseinanderklaffende
Lebenswelten |
KNIE, Andreas & Susanne SCHÖN (2005): Wenn der
Staat schrumpft.
Die Daseinsvorsorge gehört zum Kernbestand des deutschen
Staatswesens. Bisher. Angesichts dramatischer
Bevölkerungswanderungen kann er gleichwertige Lebensbedingungen
nicht mehr garantieren. Das eröffnet neue Freiheiten. Ein Essay,
in: TAZ v. 12.04.
Ist die
taz nicht überflüssig, wenn Deutschland schrumpft? Diese
Frage stellt sich die taz leider nicht. Was passiert
eigentlich, wenn es keinen Bevölkerungsrückgang bis zum Jahr
2020 gibt?
LBS-Research zweifelt die politisch
korrekten Schrumpfungsszenarien aufgrund der Kluft zwischen
Bevölkerungsvorausschätzungen und Bevölkerungsentwicklung nach
1989 an. Was in
Deutschland fehlt, ist eine Debatte über die Angemessenheit der
Vorausschätzungen. Aber hier herrscht einvernehmliches
Stillschweigen.
BILLERBECK, Liane von (2005): Nichts wie weg.
Was ist weiblich? Warum mehr
junge Frauen als Männer den Osten verlassen,
in: Die ZEIT Nr.17 v. 21.04.
In der Reportage von
BILLERBECK werden ohne Reibungsverluste die Antworten der
Sozialwissenschaftlerin Christiane DIENEL reportagemäßig
umgesetzt. Das mag pädagogisch wertvoll, ganz sicher politisch
korrekt sein, aber der Heterogenität der Lebensverhältnisse wird
es sicher nicht gerecht.
BURGER, Rainer
(2005): Silberbergwerke, Braunkohlebergbau, Brachland.
Demographie-Politik in Sachsen: "Modellregionen" sollen zeigen,
wie es weitergeht, wenn kaum noch jemand weiß, wie es
weitergehen soll,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.04.
IW Köln (2005): Deutsche
Großstädte im Vergleich.
Untersuchung für das Jahr 2004 und den Zeitraum von 1999 bis 2004
Im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der
Wirtschaftswoche, Mai
Das neoliberale
Städte-Ranking wird seit 2004 zum 2. Mal durchgeführt und
bewertet die 50 einwohnerstärksten Großstädte nach ihrer
Wirtschaftsfreundlichkeit. Das Abschneiden der sächsischen
Großstädte ist aus der nachfolgenden Übersicht ersichtlich:
Tabelle: Rang
der sächsischen Großstädte unter den 50
einwohnerstärksten Städten
im INSM-Städtevergleich 2005 |
Großstadt |
Rang im Gesamtranking |
Rang im Niveauranking |
Rang im Dynamikranking |
Dresden |
30 |
32 |
25 |
Chemnitz |
43 |
42 |
43 |
Leipzig |
47 |
46 |
45 |
|
Quelle: IW
Köln 2007, Tabellen S. 7, 9 und 10 |
Es wird nur der Rang
betrachtet, weil die Punktewertung aufgrund der wechselnden
Indikatorenbildung keine Aussagekraft besitzt.
SCHÄUBLE, Juliane (2005): Wild auf den
Westen.
Junge
Frauen kehren Ostdeutschland den Rücken. Zurück bleibt eine "männerlastige
Bevölkerung",
in: Tagesspiegel v. 13.08.
"In ganz Ostdeutschland gibt
es keine einzige Region mit einem Frauenüberschuss, dafür
teilweise 20 Prozent weniger weibliche als männliche Einwohner",
berichtet Juliane SCHÄUBLE über eine Studie von Torsten OBST.
BISKY, Jens (2005): Ost gegen West.
Das Tabu, ängstlich gehütet: Die deutsche
Einheit ist gescheitert,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 25.08.
MANGOLD, Ijoma (2005): Stadt gegen Land.
Parasiten im Speckgürtel: Warum wir die City brauchen
Gigantische Pendlerströme fallen Tag für Tag in die Großstädte
ein. Doch bislang wollten immer weniger Menschen in den
Metropolen wohnen. Jetzt feiert die Stadt Renaissance,
in: Süddeutsche Zeitung v. 08.09.
2006
BERTELSMANNSTIFTUNG (2006): 50 Prozent aller deutschen Kommunen
werden bis zum Jahr 2020 schrumpfen – alle Kommunen altern.
Bertelsmann Stiftung stellt Informations- und Frühwarnsystem für
den demographischen Wandel ins Internet – Daten zur Situation in
2.959 Städten und 432 Landkreisen,
in: Pressemitteilung der BertelsmannStiftung v. 05.02.
GEINITZ, Christian
(2006): Neues Leben in einer alten Industrieimmobilie.
Nach den
gescheiterten Olympia-Plänen sollen in den Leipziger
Buntgarnwerken neue Wohnungen am Wasser entstehen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 26.02.
KRÖHNERT,
Steffen/MEDICUS, Franziska/KLINGHOLZ, Reiner (2006): Die
demographische Zukunft der Nation. Wie zukunftsfähig sind
Deutschlands Regionen? München: Dtv, April
Für folgende
Kreise und Städte werden starke Bevölkerungsverluste bzw. -zugewinne
prognostiziert:
Tabelle:
Vergleich der Bevölkerungsentwicklung der Landkreise und kreisfreien
Städte im Zeitraum 2000-2020 und 2004-2020 (Die
fettgedruckten Regionen wurden in beiden Prognosen mit
der besten oder schlechtesten Note bewertet. Die rot markierten Regionen verschlechterten sich um mindestens 2 Noten) |
Landkreise und Städte mit Bevölkerungsverlusten
von 15 und mehr Prozent (Note 6) |
Landkreise und Städte mit Bevölkerungswachstum von
10 und mehr Prozent (Note 1) |
Aue-Schwarzenberg (Sachsen) |
Leipziger Land |
Chemnitz |
Muldentalkreis |
Görlitz |
Sächsische Schweiz; 2004: Nur noch max. 5
% |
Löbau-Zittau |
Weißeritzkreis |
Mittweida; 2004: Nur noch 10-15 % |
|
Riesa-Großenhain |
|
Döbeln |
|
Hoyerswerda |
|
Niederschlesischer Oberlausitzkreis |
|
Zwickau |
|
|
Quelle:
Geo-Beilage Heft 5, 2004, S.22ff., Die demografische
Lage der Nation, 2006, S.56ff. |
SAB (2006): Wohnungsbaumonitoring 2005/2006, herausgegeben
von der Sächsischen Aufbaubank
KLOEPFER, Inge (2006): Deutschland 2020.
Demographischer Wandel: Gewinner und Verlierer,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.02.
Inge KLOEPFER stellt eine Analyse der
Bertelsmann Stiftung vor. Jena ("Boom-Town des Ostens"),
Hamburg ("Zukunft für Junge"), Ahrensfelde ("Aufstieg mit
Berlin") werden als Gewinner porträtiert. Dagegen werden
Gelsenkirchen ("Trauer auf Schalke"), Chemnitz ("Abstieg
ohne Ende") und Mittenwald ("Berge ohne Kinder") als
Verlierer beschrieben.
KLOEPFER, Inge (2006): Chemnitz.
Abstieg
ohne Ende,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.02.
SCHRÖDER, Miriam (2006): Der Osten verliert, der
Süden profitiert.
Eine aktuelle Studie zeigt: Große Teile
Ostdeutschlands und manche Gebiete im Westen verlieren schon
jetzt dramatisch viele Einwohner. In den nächsten 15 Jahren
drohen ganze Landstriche auszubluten,
in: Spiegel Online v. 15.03.
ZYLKA, Regine (2006): Deutschlands Osten schrumpft,
in: Berliner Zeitung v.
16.03.
SCHUH, Hans (2006): Systematischer Frauenklau.
Demografische Analysen zeigen: Städte ziehen
junge Frauen an, im Osten droht regional der Niedergang,
in: Die ZEIT Nr.12 v. 16.03.
WAGNER, Richard (2006): Frohe Botschaft!
Die Strukturprobleme einer Gesellschaft sind
primär ökonomisch und organisatorisch bedingt. Es gibt kein
Nachwuchsproblem. Allen demographischen Krisenmeldungen zum
Trotz: Die Lage ist besser als die Stimmung. Nachrichten aus
einem guten Land,
in: TAZ v. 15.04.
RIECHELMANN, Cord (2006): Mythen in den
Bevölkerungsdebatten.
Wer sagt eigentlich, wann ein Territorium
über- oder unterbevölkert ist? Ein Blick auf die überholten
Gegensätze in den Studien zur demografischen Lage der Nation,
in: TAZ v. 06.05.
BOSE, Marc & Peter WIRTH (2006): Gesundschrumpfen oder
Ausbluten?
Die Region um die Kleinstadt
Johanngeorgenstadt in Sachsen zählt zu den deutschen
Extremschrumpfungsgebieten. Wohnungsleerstand, die Schließung
von Schulen und leere Kassen belasten die Kommunen. Gibt es auch
die Möglichkeit, sich gesund zu schrumpfen?,
in:
Aus Politik und
Zeitgeschichte Nr.21-22 v. 15.05.
BOSE & WIRTH bezeichnen die
Region um Johanngeorgenstadt als "Extremschrumpfungsgebiet" und
stellen die sächsische Strategie in Sachen Schrumpfung als
avantgardistisch und vorbildlich vor:
"Johanngeorgenstadt
schrumpft. 1990 hatte die Kleinstadt im Erzgebirge an der
tschechischen Grenze 9.000 Einwohner. Ende 2004 waren es nur
noch 5.600. Johanngeorgenstadt schrumpft also sehr schnell:
Während der Freistaat Sachsen im selben Zeitraum nur 10 Prozent
seiner Einwohner verloren hat, waren es in der ehemaligen
Bergbaustadt 39 Prozent! Eine selbst erstellte Prognose geht von
einer weiteren Abnahme auf 3.800 Einwohner bis zum Jahr 2016
aus. Damit gehört die Region Johanngeorgenstadt zu den
Extremschrumpfungsgebieten in Ostdeutschland.
Während Wissenschaft und Politik die Folgen des »demographischen
Wandels« erst seit Ende der neunziger Jahre offen diskutiert
haben, war in Johanngeorgenstadt und den umgebenden Gemeinden
bereits Mitte der neunziger Jahre klar, dass es abwärts gehen
würde, und zwar nicht nur mit der Einwohnerzahl.
In anderen Regionen wurde zu dieser Zeit noch eine politische
Diskussion darüber geführt, ob es legitim sei, leerstehende
Gebäude abzureißen; in der Johanngeorgenstädter Region war der
Abriss bereits in vollem Gange. Ein stagnierender
Fremdenverkehr, der Zusammenbruch der größten Industriebetriebe
und das Ausbleiben von Investoren runden das Bild von der
schrumpfenden Region ab.
Die sächsische Landesplanung reagierte seinerzeit rasch auf das
heranreifende Problem. Zunächst erstellte man mit staatlicher
Förderung ein städtebauliches Entwicklungskonzept für
Johanngeorgenstadt. Als klar wurde, dass dessen Umsetzung durch
die im Zuge des Bergbaus entstandenen Umweltschäden nicht
möglich sein würde, setzte sich die sächsische Landesplanung
erfolgreich dafür ein, das Bundesmodellvorhaben »Sanierungs- und
Entwicklungsgebiete« in der Region um Johanngeorgenstadt
durchzuführen mit dem Ziel, die Entwicklungshindernisse zu
überwinden und damit die Grundlage für eine nachhaltige
Entwicklung zu schaffen. Bedingung war seinerzeit, dass sich die
Städte und Gemeinden um Johanngeorgenstadt zu einem
Kooperationsverbund zusammenschlössen. Dieser hat bis heute
Bestand und firmiert unter dem Namen Zentrales Erzgebirge um
Johanngeorgenstadt. Als dieses erste gemeinsame Vorhaben zu Tage
brachte, dass die Region mit der Lösung der Probleme überfordert
wäre, wurde ein weiteres Modellprojekt mit dem Namen »Umbau von
Siedlungsstrukturen unter Schrumpfungsbedingungen« initiiert,
das 2005 abgeschlossen wurde." (S.18)
Die Autoren betrachten die
demografische Entwicklung nicht als Sonderfall, sondern als
typisches Muster von "DDR-Entwicklungsstädten":
"Zu Beginn der staatlichen
Intervention in der Mitte der neunziger Jahre war zunächst davon
ausgegangen worden, bei Johanngeorgenstadt handele es sich um
einen Sonderfall. (...). Heute - mit zehn Jahren Abstand - ist
klar, dass es sich um die Spitze eines Eisberges handelte,
dessen Ausmaße inzwischen sichtbar geworden sind.
Johanngeorgenstadt erscheint nun eher als das Sinnbild so
genannter DDR-Entwicklungsstädte, die im Sozialismus
strategische Aufgaben - etwa in der Grundstoff- und
Schwerindustrie - übernehmen mussten und entsprechend als
Produktions- und Wohnstandorte ausgebaut wurden. Nach dem Ende
der DDR und deren wirtschaftlichen Autarkiebestrebungen ging der
Entwicklungsimpuls verloren. Als weitere Beispiele für diesen
Stadttyp lassen sich Weißwasser (37), Hoyerswerda (36),
Eisenhüttenstadt (29) und Schwedt (29) anführen (in Klammern der
relative Bevölkerungsrückgang 1990 - 2004 in Prozent). Mehrere
der aufgezählten Städte scheinen sogar wieder auf ihre
ursprüngliche Größe zurückzufallen, Johanngeorgenstadt liegt
bereits darunter. In den Medien wird für dieses Phänomen
gelegentlich der Begriff »Gesundschrumpfen« verwendet." (S.19)
Der Begriff
"DDR-Entwicklungsstädte" stammt aus dem Kommissionsbericht
Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen
Bundesländern aus dem Jahr 2000. Darin werden 3
Stadttypen (Altbaustädte, Doppelstädte und
DDR-Entwicklungsstädte) in den 6 neuen Bundesländern
unterschieden. In der Betrachtung wurden 140 Städte in diese
Kategorien eingeteilt. 19 Städte fallen dabei in die Kategorie
"DDR-Entwicklungsstädte":
"Die DDR-Entwicklungsstädte
stellen mit 19 der 140 Städte die zweite Gruppe (Schwedt,
Eisenhüttenstadt, Hoyerswerda, Suhl, Frankfurt/Oder). Von den 19
Entwicklungsstädten liegen 9 in Brandenburg, darunter 5 mit mehr
als 80 % DDR-Wohnungsbau. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist
nahezu jede dritte Stadt eine DDR-Entwicklungsstadt." (2000,
S.22)
In einer Fußnote (S.44)
werden folgende 19 DDR-Entwicklungsstädte (Stand: 1995)
aufgezählt:
"Schwedt, Eisenhüttenstadt,
Hoyerswerda, Neubrandenburg, Wolfen, Ludwigsfelde, Weißwasser,
Sangershausen, Senftenberg, Strausberg, Cottbus, Bergen auf
Rügen, Bad Salzungen, Suhl, Frankfurt/ Oder, Rostock,
Greifswald, Guben, Hennigsdorf."
Die folgende Tabelle gibt die
Verteilung der 19 DDR-Entwicklungsstädte gemäß
Kommissionsbericht auf die einzelnen Bundesländer wieder:
Die Stadt Wolfen wurde 2007
mit Bitterfeld zusammengelegt (* Einwohnerzahl 30.06.2017).
Sechs der 19 DDR-Entwicklungsstädte haben - entgegen der
Prognose - eine positive Bevölkerungsentwicklung.
Johanngeorgenstadt wird nicht
als DDR-Entwicklungsstadt genannt, d.h. BOSE & WIRTH benutzen
den Begriff abweichend vom Kommissionsbericht. Die Region um
Johanngeorgenstadt wird als Modellregion "Zentrales Erzgebirge"
bezeichnet. Dies entspricht dem "Sanierungs- und
Entwicklungsgebiet Uranbergbau in Südsachsen" in einem
IOER-Bericht von Peter WIRTH aus dem Jahr 2005. Dort heißt
es:
"Das »Sanierungs- und
Entwicklungsgebiet (SEG) Uranbergbau« umfasst die Stadt
Johanngeorgenstadt, die Gemeinden Breitenbrunn, Erlabrunn, Pöhla,
Raschau und Rittersgrün sowie die Ortsteile Erla und Grünstädtel
der Stadt Schwarzenberg (...). Es liegt im Landkreis
Aue-Schwarzenberg (Regierungsbezirk Chemnitz, Freistaat Sachsen)
an der Grenze zur Tschechischen Republik. Auf einer Fläche von
131 km2 leben 19.990 Einwohner (2001), die
durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt 153 EW/km2.
Damit zählt das Gebiet zu den dichter besiedelten Teilen des
oberen Erzgebirges, allerdings ist die Einwohnerzahl seit 1990
um ca. 19 % zurückgegangen, die Bevölkerungsprognosen gehen von
einem weiteren spürbaren überproportionalen Rückgang der
Einwohnerzahl bis 2016 aus (Müller, Matern 2003)" (S.69)
Johanngeorgenstadt hatte Ende 2015 eine Einwohnerzahl von
4.135 und lag damit über den 3.800 prognostizierten Einwohnern.
Die Stadt gehört seit der Gebietsreform 2008 zum
Erzgebirgskreis. Nach der
Wende gab es - im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden keine
Eingemeindungen um den Bevölkerungsverlusten entgegenzuwirken.
Der Kommissionsbericht aus
dem Jahr 2000 nahm hinsichtlich der Haushaltsentwicklung in den
140 Städten eine ab 2015 nicht mehr zu kompensierende
Bevölkerungsschrumpfung an.
"Nach 2015 kann die
Haushaltsverkleinerung die Bevölkerungsschrumpfung nicht mehr
kompensieren. Die Zahl der Haushalte sinkt, langfristig und
aller Voraussicht nach, dauerhaft. Im Jahr 2030 wird wieder die
Haushaltszahl des Jahres 2000 erreicht." (S.39)
Die Ziele der
Stadtentwicklungsplanung werden folgendermaßen beschrieben:
"Bei anhaltendem
Bevölkerungsrückgang mit der Intensität wie in
Johanngeorgenstadt ist eine kompakte Stadtstruktur - soweit sie
nach dem Bergbau überhaupt noch vorhanden war - nicht mehr
haltbar. Ein im Rahmen des Projektes entwickeltes
städtebaulich-landschaftsplanerisches Konzept sieht deshalb vor,
Johanngeorgenstadt als dezentralisierte Stadt mit neun
Siedlungskernen zu entwickeln. Stabile Siedlungsteile (Kerne mit
wertvollen städtebaulichen Strukturen und geringem Leerstand)
sollen ergänzt, instabile Siedlungsteile (Stadtgebiete mit
Bedeutungs- und Funktionsverlust sowie hohem Leerstand) wie
Bergarbeitersiedlungen der vierziger und fünfziger Jahre und
später entstandene Plattenbausiedlungen schrittweise
zurückgebaut werden."
BOSE & WIRTH sehen bei
solchen "Extremschrumpfungsgebieten" die Gefahr des Ausblutens:
"Wenn sich niedrige
Geburtenraten und Wanderungsverluste zu einem extremen
Bevölkerungsrückgang addieren, wenn zudem junge und aktive
Bevölkerungsgruppen bevorzugt abwandern, wenn städtebauliche
Strukturen rasch zerfallen, Infrastrukturen nicht mehr
finanzierbar sind, Funktionen verloren gehen und negative
individuelle Wahrnehmungen zur Passivität der Menschen führen,
dann verdichten sich die Probleme in der Tat zu einer Gefahr des
»Ausblutens«."
Es zeigt sich, dass die
Entwicklung der DDR-Entwicklungsstädte sehr unterschiedlich
verlief. Die Definition für solche Städte, die einen Anteil von
mindestens 70 Prozent DDR-Wohnungsanteil umfassen, erscheint
also unzureichend, um Schrumpfungsentwicklungen daran
festzumachen, wie das bei BOSE & WIRTH geschieht.
LOSSE, Bert (2006):
50 Städte im Test.
Wo gibt es in Deutschland die
meisten Jobs, die höchste Wirtschaftskraft, die beste
Lebensqualität? Wo ist die Dynamik am größten, sind die
Zukunftsaussichten am besten?. Ein Exklusiv-Ranking mit den
Stärken und Schwächen der 50 größten Städte,
in: WirtschaftsWoche Nr.27 v. 03.07.
Bert LOSSE präsentiert
zum
dritten Mal das jährliche Städteranking, das von den
neoliberalen Lobbyorganisationen INSM und IW Köln gesponsert
wird. Dresden wird als Aufsteiger des Jahres gefeiert (Rang 10
von 50 in der Gesamtwertung; Vorjahr Rang 30).
Chemnitz
liegt auf Rang 38; Vorjahr: Rang 43) vor Leipzig (Rang 41;
Vorjahr: Rang 47).
Beim Demografie-Index
(Wachstum/Schrumpfung) liegt Dresden auf Rang 28 vor Leipzig
(Rang 43) und Schlusslicht Chemnitz.
NEU, Claudia (2006):
Territioriale Ungleichheit - Eine Erkundung,
in:
Aus Politik und
Zeitgeschichte Nr.37 v. 11.09.
BARLÖSIUS, Eva (2006): Gleichwertig ist nicht gleich,
in:
Aus Politik und
Zeitgeschichte Nr.37 v. 11.09.
SCHIRRMACHER, Frank
(2006): Nackte Aste.
Die neue soziale Basis der NPD
ist eine demographische,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.09.
PAETZ, Berthold
(2006): Sonderstudienpläne für Schwangere.
Menschenschwund und Back-Home-Bewegung: Gibt es einen Halt auf
der schiefen Ebene der ostdeutschen Demografie?
in: Freitag Nr.52 v. 22.12.
2007
HORDYCH, Harald (2007): Häuserkampf.
Katastrophe mit großen Löchern:
Wenn in Deutschland Städte schrumpfen. Eine Reise nach Duisburg
und Leipzig,
in: Süddeutsche Zeitung v.
13.01.
Harald HORDYCH
zeichnet zuerst ein deprimierendes Bild von Leipzig als
sterbender Großstadt, die durch verfehlte
Stadtentwicklungspolitik Sinnbild der perforierten Stadt wurde.
Dann setzt jedoch
ein Umdenken ein, weil die Stadt wieder wächst. Und inzwischen
sind sogar die Anfänge
der Gentrifizierung ("Pionierphase") in den Problemvierteln der
Gründerzeit zu beobachten (mehr
hier).
PROKLA-Thema:
"Bevölkerung"
Kritik der Demographie |
BARLÖSIUS, Eva & Claudia NEU (2007): "Gleichwertigkeit - Ade?"
Die
Demographisierung und Peripherisierung entlegener ländlicher
Räume,
in: Prokla 146, H.1, März
TUTT, Cordula (2007): Das große Schrumpfen, Berlin Verlag
PROGNOS
(2007): Zukunftsatlas 2007.
Studie: Alle 439 Städte und Kreise im Test. Ostdeutschland holt
auf Bayern und Baden-Württemberg deutschlandweit vorne,
in: Pressemitteilung der Prognos AG v. 26.03.
SAB (2007): Wohnungsbaumonitoring 2006/2007, herausgegeben
von der Sächsischen Aufbaubank
DIETRICH, Stefan
(2007): Männer in Not,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 31.05.
"Bernd Noack. Seit Mai 2005
ist er Bürgermeister von Ebersbach in Sachsen, einem
siebenhundert Jahre alten Ort, in dem die offizielle Quelle der
Spree liegt. Ohne dass er etwas dafür kann, zerbröselt die Stadt
zwischen seinen Fingern. Dass sich die Einwohnerschaft von
Ebersbach von früher vierzehntausend auf bald siebentausend
halbiert (...) und dass es in seinem Ort viel zu wenige junge
Menschen gibt, all das hat Noack bereits gewusst.
Neu ist ihm, dass in Ebersbach besonders die jungen Frauen
fehlen. Eine »neue männliche Unterschicht« sieht das
Berlin-Institut in Städten wie Ebersbach heranwachsen. (...).
Noacks Amtszeit läuft bis zum Jahr 2012. Er wird tapfer sein
müssen",
meint Christian SCHWÄGERL
zur Broschüre
Not am Mann. Dort heißt es:
"In den neuen
Bundesländern gibt es knapp 60 Gemeinden mit mehr als 5.000
Einwohnern, in denen in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen
weniger als 80 Frauen je 100 Männer leben. Für unsere
Feldforschung haben wir nicht einfach jene Gemeinden mit dem
eklatantesten Frauenmangel ausgewählt (...). Wir haben vielmehr
zwei Orte gesucht, die möglichst exemplarisch für die
demografischen Probleme der peripheren Regionen in den neuen
Bundesländern stehen. Deshalb sollte das zahlenmäßige
Geschlechterverhältnis im gesamten umgebenden Landkreis ähnlich
wie in dem Ort selbst ausfallen. Auch sollten die Orte (...)
nicht zu klein sein (...). Unsere Wahl fiel auf die Städte
Ebersbach, gelegen im Landkreis Löbau-Zittau in Ostsachsen,
sowie auf Herzberg im Landkreis Elbe-Elster im südwestlichen
Brandenburg. Sie sind (...) keine Negativ-, sondern
Durchschnittsbeispiele für die Abwanderung, insbesondere junger
Frauen, für die Bildungserosion und die flächenhaft hohe
Arbeitslosigkeit in vielen Regionen der neuen Bundesländer."
(2007, S.8)
Ebersbach wird als "Stadt
ohne Zentrum" folgendermaßen beschrieben:
"Wer von der sächsischen
Landeshauptstadt Dresden nach Osten fährt, gelangt nach etwa 70
Kilometern in (...) die Oberlausitz. In diesem Gebiet (...)
liegt Ebersbach - unmittelbar an der Grenze zur Tschechischen
Republik. Die Stadt mit knapp 9.000 Einwohnern gehört zum
Landkreis Löbau-Zittau. (...). Ebersbach findet sich etwa in der
Mitte zwischen jenen beiden größeren Städten wieder - Löbau und
Zittau -, die dem Kreis seinen Namen geben. (...). Die Stadt
zieht sich einer ringförmigen Straße um den Schlechteberg
entlang (...). Der Ring (...) besteht aus sieben Ortsteilen. Im
Westen liegt das Stadtzentrum, nördlich zieht sich die endlose
Hauptstraße durch Unter- und Oberdorf. Im Süden dehnt sich das
Plattenbaugebiet »Oberland« aus, das in den 1970er Jahren vor
allem für die zahlreichen zuziehenden Arbeiter der
Textilindustrie, aber auch für die Berufssoldaten des
DDR-Militärstandortes Löbau gegründet wurde. Im Westen steht -
direkt im Ort - der Grenzstein zur Tschechischen Republik.
(...). Die wenigen Restaurants und Gaststätten Ebersbachs liegen
verstreut über das Stadtgebiet, ein urbaner Mittelpunkt fehlt.
(...).
Die »Lautex« hielt bis 1990 eine Art Arbeitsplatzmonopol in
Ebersbach und bot mit rund 2.000 Arbeitsplätzen 80 Prozent aller
Werktätigen in der Stadt ein Auskommen. Nach der
Wiedervereinigung schloss der Betrieb. Die Kleinstadt verlor ihr
wirtschaftliches Rückgrat - und ihren Mittelpunkt. (...).
Nach der Abwicklung der Textilfabrik kamen die Bagger (...). Vom
Rathaus schaut man heute auf gepflegte Rasenflächen. Der
benachbarte Bahnhof ist vernagelt (...). Der lokale Einzelhandel
hat es schwer (...). Wer sparen will, kauft nicht auf deutscher
Seite.
Die alten Wohngebiete von Ebersbach mit ihren teils
denkmalgeschützten so genannten Umgebindehäusern (...)
erschweren den Umbau nach modernen Wohnstandards.
(...) Ebersbach sind weniger als 9.000 der einst 12.000
Einwohner geblieben. Nur noch ein Viertel der Einwohner ist
jünger als 30 Jahre (Bundesdurchschnitt: 32 Prozent). 35 Prozent
haben die 60 überschritten (24 Prozent in ganz Deutschland). Die
Arbeitslosenquote liegt im Kreis Löbau-Zittau bei mehr als 20
Prozent - selbst im Osten ein hoher Wert. Im Jahr 2005 kamen in
Ebersbach 56 Kinder zur Welt, während 121 Menschen verstarben.
Unterm Strich zogen 187 Personen fort. Die Einwohnerschaft des
Städtchens ist so in einem einzigen Jahr, anderthalb Jahrzehnte
nach der Wiedervereinigung, um 2,7 Prozent geschrumpft. (...).
Auswirkungen des sozialen Abstiegs (...) spürt (man)(...) dort,
wo sich die Verlierer (...) aus städtebaulichen Gründen
konzentrieren - in Ebersbach im Oberland. (...) Zunächst war der
höhere Komfort der Plattenwohnungen begehrt. Zu Hoch-Zeiten
wohnten hier 6.500 Ebersbacher. Doch nach der Wende begannen
jene, die es sich leisten konnten, Häuser im Umland zu bauen. In
frei werdenden Wohnungen wurden Aussiedler (...) einquartiert,
worauf die verbliebene Mittelschicht begann, das Oberland zu
verlassen. (...). Heute leben dort noch 3.000 Menschen. (...).
Das Oberland ist zum sozialen Brennpunkt geworden." (2007,
S.8f.)
Eine Tabelle weist
zwischen 2001 und 2005 einen Bevölkerungsrückgang von 9.841 auf
8.832 Personen aus, was einen Rückgang von rund 10,3 Prozent
entspricht. Seit 2011 ist der Ort nur noch ein Ortsteil der
Stadt
Ebersbach-Neugersdorf. Das Statistische Jahrbuch Sachsen
weist letztmalig im Jahr 2009 die Bevölkerung von Ebersbach mit
8.108 Einwohnern aus:
Jahr (31.12.) |
1990 |
1999 |
2001 |
2003 |
2004 |
2005 |
2006 |
2008 |
2009 |
2010 |
2017 |
Einwohner
Ebersbach |
12.592 |
10.519 |
9.841 |
9.232 |
9.082 |
8.832 |
8.630 |
8.321 |
8.108 |
|
|
Einwohner
Ebersbach-Neugersdorf |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
13.817 |
12.072 |
"In Ebersbach herrschte im
Jahr 2004 in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen ein
Frauenmangel von 27 (...) Prozent" (2007, S.12),
schreiben die Autoren.
Eine Tabelle gibt dagegen für das Jahr 2005 nur noch einen
Frauenmangel von 25 Prozent an (S.10). Ansonsten finden sich
keine weiteren Angaben zum Frauenmangel in Ebersbach. Die
Datenlage ist also mehr als dürftig. Dies gilt umso mehr, da sie
eher eine Momentanaufnahme, statt eine Langzeitbetrachtung ist.
Ist aber Ebersbach
überhaupt ein durchschnittlicher Ort in Sachsen oder gar
Ostdeutschland? Eher nicht, denn die neoliberale
Bertelsmann-Stiftung hat der Gemeinde einen
Bevölkerungsverlust
von fast 29 Prozent für die Jahre 2005 bis 2020
prognostiziert. Dies aber ist kein Durchschnitt, sondern ein
Extremwert! Ebersbach wird in den Demographietyp 4 eingestuft,
der nur
einer von 15 Typen ist, und zudem nicht einmal 13 % aller
Gemeinden zwischen 5.000 und 100.000 Einwohnern betrifft.
Fazit: Die Broschüre
Not am Mann gehört in die Sparte demagogischer Literatur,
die Ängste bezüglich des demografischen Wandels schürt, statt
Aufklärung zu leisten. Die Studie will auf die Gefahr des
Rechtsextremismus in abgehängten Regionen aufmerksam machen,
doch ist sie nur gut gemeint, spielt jedoch den Rechten geradezu
in die Hände. Statt der Ursachen, nämlich fehlende
Zukunftsperspektiven in strukturschwachen Gebieten, die durch
eine neoliberale Politik drastisch verschärft wurden, werden uns
nur deren Folgen als Problem präsentiert. Diese
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme ist nicht die
Lösung, sondern das Problem.
Plattenbausiedlungen sind
im Übrigen nicht vorrangig das Problem von Landstädten, sondern
von ostdeutschen Großstädten, was jedoch erst
mehr als 10 Jahre später zum Thema wird.
HONNIGFORT, Bernhard
(2007): Frau = schlau = weg.
Sie geht,
er bleibt. In Ostdeutschlands Dörfern leben zunehmend
Problem-Männer,
in: Frankfurter Rundschau v. 31.05.
OSCHLIES, Renate &
Andrea Beyerlein (2007): Junge Frauen verlassen den Osten.
Sozialstudie: 18- bis 29-Jährige suchen Jobs im Westen.
Dramatischer Männerüberschuss in den neuen Ländern / Forscher
warnen vor neuer Unterschicht und rechten Tendenzen,
in: Berliner Zeitung v. 31.05.
SCHLEGEL, Matthias
(2007): Osten ohne Frauen,
Schwestern, zur Sonne...,
in: Tagesspiegel v. 31.05.
TRETBAR, Christian
(2007): Junge Frauen verlassen den Osten.
Studie
warnt vor "neuer männerdominierter Unterschicht". Grund ist
unterschiedliches Bildungsniveau,
in: Tagesspiegel v. 31.05.
BURGER, Reiner
(2007): Zurückgelassen in der Ödnis.
Die alleinstehenden Männer sind alles andere als Pioniere,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.06.
"Die Frauenmangelzone umfasst
nicht nur Randgebiete wie die Oberlausitz, Uecker-Randow oder
Parchim, sondern beginnt, wie das Beispiel Freital zeigt, gleich
hinter der Stadtgrenze so blühender Städte wie Dresden. Die
sächsische Landeshauptstadt konnte ihre Bevölkerung in den
vergangenen Jahren ebenso wie Leipzig, die thüringische
Städtekette von Erfurt über Jena nach Eisenach oder wie Potsdam
vor allem dank des massiven Zuzugs aus dem Umland stabilisieren.
Bald wird dieser Vorrat ausgeschöpft sein. Sogar die wenigen
ostdeutschen Leuchttürme geraten also bald in Gefahr (...). Der
demographische Wandel wird im Osten zum größten Wachstumshemmnis
werden (...).
Dass unter den Abgewanderten besonders viele Frauen im
gebärfähigen Alter sind, hat in der ersten ostdeutschen
Abwanderungsanalyse schon Ende 2002 das Statistische Landesamt
des Freistaats herausgearbeitet. (...).
Regionen mit Männerüberschuss (entstehen) heute nicht mehr etwa
wie in der Kolonisierungsphase Amerikas oder auch während des
Mittelalters bei der Besiedelung des Erzgebirges durch das
Vordringen junger Pioniere, sondern durch das Zurückbleiben
wenig gebildeter junger Männer, die keine Chance auf Arbeit und
Partnerschaft haben. Diese zurückgelassenen Männer neigen im
Osten zum Rechtsextremismus. Ein Teil dieser Unterschicht hat
den Weillen zum sozialen Aufstieg längst verloren",
erklärt uns Reiner BURGER
anlässlich der Broschüre
Not am Mann. Bildung wird uns
als neoliberale Wunderwaffe gepriesen, denn:
"ein in Stuttgart
arbeitender Brandenburger (trägt) mehr zur volkswirtschaftlichen
Wertschöpfung und zum eigenen Wohlbefinden bei als ein
arbeitsloser Brandenburger in Cottbus".
WEDEL, Mathias
(2007): Not am Mann.
Dem Osten
laufen die Frauen weg,
in: Freitag Nr.23 v. 08.06.
MARTENSTEIN, Harald (2007): Über den
Frauenmangel,
in:
Tagesspiegel v. 01.06.
"Ich bin für Emanzipation und all das.
Gleichzeitig sehe ich, dass die Chancengleichheit den
Karrieredruck auf uns Männer wahnsinnig erhöht. Einerseits haben
wir jetzt all die ehrgeizigen Frauen als Konkurrentinnen,
andererseits werden wir, wenn wir es nicht nach oben schaffen,
dadurch zusätzlich bestraft, dass wir keine Partnerin finden
oder sogar Nazis werden müssen. Es gibt wirklich sehr nette
Fensterputzer!" meint Harald Martenstein zur
Not am Mann.
GÜNTNER, Joachim (2007): Opfer einer
Damenwahl,
in: Neue
Zürcher Zeitung v. 09.06.
"Noch lässt sich der
ostdeutsche Mann in Not mit hängenden Schultern darstellen.
Steht er bald stramm, wie es bereits heute einige tun, reckt den
geschorenen Kopf und die Hand zum unheilvollen Gruss? Über
Skinheads und Neonazis sang die Punkrock-Band «Die Ärzte» 1993
sinnig: «Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe /
Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit.»", fragt
sich GÜNTNER angesichts der Studie
Not am Mann, die von FAZ
und Spiegel gehypt wird.
KIRCHBACH, Roland (2007): Zum Dreinschlagen.
Der Frust Jugendlicher auf dem
Dorf nimmt zu. TV und Internet zeigen ihnen eine unerreichbare
Welt, sagt der Berliner Soziologe Hartmut Häußermann,
in:
Die ZEIT
Nr.28 v. 05.07.
Im ZEIT-Dossier über
die Samstagnacht auf dem Land, macht der 68er
Hartmut HÄUßERMANN den Frauenmangel für Exzesse
mitverantwortlich:
"Wenn
man in einem so beschränkten Handlungskreis lebt, wie es ein
Dorf darstellt, dann gibt es einen Energiestau, der sich
irgendeinen Ausweg sucht – vor allem bei jungen Männern,
Frauen sind davon ja kaum betroffen. Wahrscheinlich ist
sogar der Frauenmangel mit ein Grund, warum sich solche
Männlichkeitsrituale austoben können. Außerdem gibt es einen
kollektiven Teilnahmezwang."
WELT-Serie: Besser Altern (Teil
3) |
REENTS, Heino
(2007): Hoffnungszeichen für Eigenheimbesitzer.
Warum der
demografische Wandel nicht automatisch zum Preisverfall bei
Wohnimmobilien führt,
in: Welt v. 01.08.
WELT-Serie: Besser Altern (Teil 6) |
HOLLSTEIN, Miriam (2007): Ostdeutschland wird zum
Rentnerparadies.
Der Osten entwickelt sich zu einem Ruhesitz für
Westdeutsche. Während die einen sich über den Zuwachs freuen,
fürchten die anderen, dass Städte wie Görlitz und Weimar in
Zukunft ausschließlich als Altersresidenz angesehen werden
könnten,
in: Welt v. 09.08.
Miriam HOLLSTEIN berichtet
über die Altenwanderung nach
Görlitz und Busfahrten nach Leipzig
(mehr
hier).
RATHENOW, Lutz
(2007): Leben und trinken in der Trostlosigkeit.
Der Osten
zerfällt: In den Städten herrscht der Erfolg, in der Provinz
dagegen jugendlicher Stumpfsinn,
in:
Tagesspiegel v. 27.08.
"Den Dorftanz einiger
Ortschaften galt es für Auswärtige zu meiden. »Unsere Hühner
bumsen wir selber!« – ein Spruch, der Minderwertigkeitskomplexe
verriet. Zu ausländerfeindlichen Auseinandersetzungen kam es
damals nicht – in Ermangelung dieser. Auch heute wachsen
Jugendliche heran, die einfach zu wenig Fremdes sehen und
erleben, während sie medial mit dem Glamour einer Erlebniswelt
gefüttert werden, die nach Wustrow oder
Wurzen nie kommt", meint Lutz RATHENOW.
IW Köln (2007): Deutsche
Großstädte im Vergleich. Untersuchung für das Jahr 2007 und
den Zeitraum von 2001 bis 2006. Im Auftrag der Initiative Neue
Soziale Marktwirtschaft und der Wirtschaftswoche v. 09.09.
Das neoliberale
Städte-Ranking wird seit 2004 zum 4. Mal durchgeführt und
bewertet die 50 einwohnerstärksten Großstädte nach ihrer
Wirtschaftsfreundlichkeit. Das Abschneiden der sächsischen
Großstädte ist aus der nachfolgenden Übersicht ersichtlich:
Tabelle: Rang
der sächsischen Großstädte unter den 50
einwohnerstärksten Städten
im INSM-Städtevergleich 2007 |
Großstadt |
Rang im Gesamtranking |
Rang im Niveauranking |
Rang im Dynamikranking |
Dresden |
8 |
25 |
1 |
Chemnitz |
34 |
43 |
7 |
Leipzig |
41 |
47 |
33 |
|
Quelle: IW
Köln 2007, Tabellen S.9, 11 und13 |
Es wird nur der Rang
betrachtet, weil die Punktewertung aufgrund der wechselnden
Indikatorenbildung keine Aussagekraft besitzt.
TAGESSPIEGEL (2007): Not am Mann.
Zum Beispiel in
Großharthau,
Sachsen: Auf 100 Männer kommen hier nur 46 Frauen. "Die Mädels
haben sich einfach fortgemacht", heißt es an vielen Orten
Ostdeutschlands. Es entsteht eine Gesellschaft von Junggesellen,
die sich oft als Versager fühlen, sagt eine Studie. Und manche
driften in die rechte Szene ab,
in: Tagesspiegel v. 03.12.
Die unzähligen
Presse-Geschichten über die
Not am Mann gleichen
sich wie ein Ei dem anderen: Sie spielen im Osten, sie handeln
vom Männerüberschuss und sie bedienen die Angstlust des Lesers
am (Rechts-)extremismus, die der Soziologe Gunnar HEINSOHN mit
seinem Pamphlet
Söhne und Weltmacht auf die
Spitze getrieben hat.
Mit
dieser
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme
wird man jedoch dem Thema
Menschen ohne Beziehungserfahrung
nicht gerecht, denn gerade in Westdeutschland, wo durch die
sexuelle Revolution Beziehungsunerfahrenheit zur Domäne von
Jugendlichen unter 18 geworden ist, gibt es eine beachtliche
Minderheit von Beziehungsunerfahrenen, die unfreiwillig bis
Mitte zwanzig, seltener darüber hinaus partnerlos geblieben
sind.
Wer dieses Problem auf
spektakuläre Fälle im Osten reduziert, der verkennt, dass unfreiwillige Partnerlosigkeit weniger mit Ungleichgewichten
auf dem Partnermarkt zu tun hat, sondern mit den Mechanismen
des modernen Partnermarktes an sich.
2008
BÜCHNER, Gerold (2008): Gesund schrumpfen.
BERLINER ZEITUNG-Tagesthema
Demographischer Wandel: Die Bundesregierung fördert Initiativen
gegen den Bevölkerungsschwund. Zwei Gebiete wurden für
Vorzeigeprojekte ausgewählt. Brandenburg entwickelt eigene
Ansätze,
in: Berliner Zeitung v. 09.01.
BERTELSMANNSTIFTUNG (2008): Regionalreport Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen. Differenzierung des
»Wegweisers Demographischer Wandel« für drei ostdeutsche
Bundesländer, August
Thorsten WIECHMANN &, Ingo
NEUMANN (TU Dresden) analysieren in dem Regionalreport in erster
Linie die Kommunen des Demographietyps 4 "Schrumpfende und
alternde Städte und Gemeinden mit hoher Abwanderung", zu denen
in den drei Ländern die überwiegende Mehrheit der Städte und
Gemeinden mit über 5.000 Einwohnern gehören. Bundesweit gehören
352 Kommunen zu diesem Typ. 228 (vgl. Tabelle 5, S.21) liegen in
Sachsen (125 Kommunen), Sachsen-Anhalt (59 Kommunen) und
Thüringen (44 Kommunen).
Für Sachsen wurden in 162
Kommunen mit 5.000 bis 100.000 Einwohnern 125 Kommunen dem
Demographietyp 4 (77,1 %), 19 dem Typ 2 ("Suburbane Wohnorte mit
hohen Wachstumserwartungen; 11,8 %), 10 dem Typ 6 ("Städte und
Gemeinden im ländlichen Raum mit geringer Dynamik; 6,2 %). 2 der
8 Bertelsmann-Demographietypen gibt es in Sachsen gar nicht. 8
Kommunen verteilen sich auf die restlichen 3 Demographietypen.
Die Großstadt Chemnitz wird
als
"schrumpfende und alternde ostdeutsche Großstadt"
klassifiziert (vgl. Tabelle 3, S.15). Dresden und Leipzig gelten
dagegen als
aufstrebende ostdeutsche Großstädte mit
Wachstumspotenzialen.
"Charakteristisch für den
Demographie-Typ 4 ist die Dominanz von Kommunen mit weniger als
25.000 Einwohnern, die in Sachsen (...) 83 Prozent dieses Typs
ausmachen. Allerdings gibt es in den Altbundesländern mit
Einbeck nur eine einzige Kommune mit mehr als 25.000 Einwohnern,
die von den kumulierten Problemlagen der Alterung, Schrumpfung
und ökonomischen Schwäche betroffen ist. In Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen gehören dagegen 37 größere Kommunen
mit über 25.000 Einwohnern zu diesem Demographie-Typ. Hierzu
zählen beispielsweise die kreisfreien Städte Görlitz,
Hoyerswerda, Plauen, Zwickau, Dessau und Suhl." (2008, S.19f.)
Die genannten vier
sächsischen Städte Görlitz,
Hoyerswerda Plauen und Zwickau haben
ihren Status als kreisfreie Städte ab 2008 verloren.
Von den 53 Kommunen mit einem
prognostizierten Bevölkerungsverlust von mehr als 15 Prozent
zwischen 2005 und 2020 gehören
35 zu Sachsen,
10 zu Sachsen-Anhalt und
8 zu Thüringen. Der Spitzenreiter ist die
Kommune Wolfen (43,2 %), die ab 2007 mit Bitterfeld zusammen die
neue Gemeinde Bitterfeld-Wolfen bildet.
LOSSE, Bert (2008):
Im hellen Schein.
Wohlstand, Wachstum, Jobs,
Zukunftsperspektiven. Der große Städtetest der WirtschaftsWoche
sagt, wo es sich am besten arbeiten und leben lässt. Wo Politik
und Verwaltung tüchtig arbeiten. Und wo sich Bürger und
Unternehmen am wohlsten fühlen,
in: WirtschaftsWoche Nr.37 v. 08.09.
Bert LOSSE präsentiert das
jährliche Städteranking, das von den neoliberalen
Lobbyorganisationen INSM und IW Köln gesponsert wird. Dresden
wird als dynamischste Stadt (Rang 9 von 50 in der Gesamtwertung;
Vorjahr Rang 8), Chemnitz als billigste Stadt (Rang 27; Vorjahr:
Rang 41 und damit Aufsteiger des Jahres!) vorgestellt, während
Leipzig (Rang 23; Vorjahr: Rang 34) unerwähnt bleibt.
HOLLSTEIN, Miriam (2008): Heitere Rückkehr der Frauen.
Viele junge hoch qualifizierte
Frauen wollen Ostdeutschland nicht ungebildeten Männern
überlassen. Sie ziehen zurück in ihre Heimat, um diese zu
verändern,
in: Welt am Sonntag v. 05.10.
SAB (2008): Wohnungsbaumonitoring 2008. Perspektiven und
Trends der Entwicklung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt,
herausgegeben von der Sächsischen Aufbaubank
Aufgrund der Kreisreform gibt
es in Sachsen seit dem 1. August 2008 nur noch 10 Landkreise und
3 kreisfreie Städte statt der bislang 22 Landkreise und 7
kreisfreien Städte. Der Bericht verwendet jedoch noch die alte
Kreisstruktur.
BERTELSMANNSTIFTUNG
(2008): Deutschland wird immer älter.
Bertelsmann Stiftung veröffentlicht Bevölkerungsprognose 2025 –
Daten und Fakten für rund 3.000 Kommunen im Internet abrufbar,
in:
Pressemitteilung der
BertelsmannStiftung v. 08.12.
BERTELSMANNSTIFTUNG
(2008): Sachsen ist 2025 das jüngste Ost-Bundesland.
Zahl der Senioren
über 80 Jahre steigt dennoch stark an,
in:
Pressemitteilung der
BertelsmannStiftung v. 08.12.
Eine
Landkarte zur Pressemitteilung zeigt die prognostizierte
Bevölkerungsentwicklung in Sachsen von 2006 bis 2025.
HONNIGFORT, Bernhard (2008):
Der Osten vergreist,
in:
Frankfurter Rundschau v. 09.12.
"Fünf Wolfsrudel leben heute
in Ostsachsen, angeblich eines auch im Süden Brandenburgs. Der
Mensch geht, der Wolf rückt nach und macht sich breit im Osten
der Republik - eine neue
Studie der Bertelsmann-Stiftung scheint es jetzt zu belegen.
(...). 2025 (...) werden die Städte mit den ältesten Einwohnern
dann im Osten liegen:
Hoyerswerda (15,3 Prozent) oder Suhl
(12,7) werden die meisten über 80-Jährigen unter ihren
Einwohnern haben. (...).
Besonders dramatisch wird sich der Bevölkerungswandel in
Ostdeutschland vollziehen. Dort werden nur wenige Städte wie
Dresden, Potsdam und Leipzig noch wachsen und in Zukunft mehr
Einwohner haben. Städte wie Chemnitz, Halle, Magdeburg oder
Rostock werden dagegen zwischen acht und 15 Prozent ihrer
Einwohner verlieren",
erklärt uns Bernhard
HONNIGFORT und zitiert den Ökonom Joachim RAGNITZ, der uns
erklärt, dass wir das nur hinnehmen können!
2009
TIEFENSEE, Wolfgang (2009): Der Letzte
macht das Licht aus.
Man soll schwach bevölkerte
Regionen nur noch versorgen, nicht mehr fördern,
meint Reiner Klingholz. So spricht die
Wissenschaft. Die Politik kann sich das nicht leisten,
in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 04.07.
FISCHER, Konrad
(2009): Kommunen im Wickelkrieg.
Aus Angst
vor dem drohenden Einwohnerverlust liefern sich Städte und
Gemeinden eine teure Werbeschlacht um junge und bauwillige
Familien,
in: Wirtschaftswoche Nr.34 v. 17.08.
GEINITZ, Christian
(2009): Das Fadenkreuz der Moderne.
Die
Nibelungensiedlung in Leipzig zählt zu den spektakulärsten
Bauprojekten der dreißiger Jahre. Der Architekt des "Rundlings"
war zu modern für die gründerzeitverliebte Stadt und wurde
weggegrault. Die Großanlage mit fast 1000 Wohnungen überstand
vier Regime. Das gilt auch für manche Bewohner,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.08.
Christian GEINITZ stellt die
Nibelungensiedlung in Leipzig-Lößnig im Süden der Großstadt
vor (mehr
hier).
IW Köln (2009): Deutsche
Großstädte im Vergleich. Untersuchung für das Jahr 2008 und
den Zeitraum von 2003 bis 2008. Im Auftrag der Initiative Neue
Soziale Marktwirtschaft und der Wirtschaftswoche v. 09.09.
Das neoliberale
Städte-Ranking wird seit 2004 zum 6. Mal durchgeführt und
bewertet die 50 einwohnerstärksten Großstädte nach ihrer
Wirtschaftsfreundlichkeit. Das Abschneiden der sächsischen
Großstädte ist aus der nachfolgenden Übersicht ersichtlich:
Tabelle: Rang
der sächsischen Großstädte unter den 50
einwohnerstärksten Städten
im INSM-Städtevergleich 2009 |
Großstadt |
Rang im Gesamtranking |
Rang im Niveauranking |
Rang im Dynamikranking |
Dresden |
27 |
30 |
19 |
Chemnitz |
35 |
42 |
14 |
Leipzig |
43 |
49 |
5 |
|
Quelle:
IW Köln 2009, Tabellen S.8, 11 und13 |
Es wird nur der Rang
betrachtet, weil die Punktewertung aufgrund der wechselnden
Indikatorenbildung keine Aussagekraft besitzt.
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