|
Einführung
Der
sächsischen Großstadt Chemnitz wurde von der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung noch im Jahr 2006 ein Abstieg
ohne Ende prophezeit. Die Einwohnerzahl könnte sogar unter
200.000 fallen, wurde uns erzählt. Im Jahr 2019 liegt Chemnitz
jedoch eher bei 250.000 Einwohnern, obwohl die Großstadt immer
wieder negative Schlagzeilen machte. Kann sich also Chemnitz
von seinem negativen Image befreien oder stoßen hier die
geplanten Gentrifizierungsprozesse an ihre Grenzen? Diese
Frage steht im Mittelpunkt dieser Bibliografie.
Übersicht:
Einwohnerwachstum durch Eingemeindungen 1990 - 2000
Tabelle:
Eingemeindungen in Chemnitz 1990 - 2000 |
Zeitpunkt |
Eingemeindete Gemeinde (Einwohnerzahl jeweils Ende
des Jahres) |
1994 |
Euba |
1996 |
Teile von
Lichtenwalde |
1997 |
Einsiedel,
Kleinolbersdorf-Altenhain, Klaffenbach |
1999 |
Grüna, Röhrsdorf,
Mittelbach, Wittgensdorf |
|
Quelle:
Statistisches Jahrbuch Chemnitz 2008, |
Übersicht: Die Bevölkerungsentwicklung der Stadt
Hoyerswerda 1990 - 2018
Tabelle:
Die Bevölkerungsentwicklung in der Großstadt Chemnitz |
Jahr |
Chemnitz (Stadt) |
|
Bevölkerungs-
stand
(31.12.) |
Bevölkerungsentwicklung
zum Vorjahr
(in Prozent) |
Anzahl
Lebendgeborene |
Zusammengefasste
Geburtenziffer
(15 - 45-Jährige) |
1990 |
294.244 |
|
2.837 |
|
1991 |
287.511 |
- 6.733 (- 2,3 %) |
1.713 |
|
1992 |
283.590 |
- 3.921 (- 1,4 %) |
1.429 |
|
1993 |
279.520 |
- 4.070 (- 1,4 %) |
1.308 |
|
1994 |
274.162 |
- 5.358 (- 1,9 %) |
1.213 |
|
1995 |
266.737 |
- 7.425 (- 2,7 %) |
1.314 |
|
1996 |
259.187 |
- 7.550 (- 2,8 %) |
1.425 |
|
1997 |
259.126 |
- 61 (0,0 %) |
1.564 |
|
1998 |
251.903 |
- 7.284 (- 2,8 %)
|
1.571 |
|
1999 |
263.222 |
+ 11.319 (+ 4,5 %)
|
1.734 |
|
2000 |
259.246 |
- 3.976 (- 1,5 %) |
1.870 |
|
2001 |
255.798 |
- 3.448 (- 1,3 %) |
1.835 |
|
2002 |
252.618 |
- 3.180 (- 1,2 %) |
1.799 |
1,27 |
2003 |
249.922 |
- 2.696 (- 1,1 %) |
1.771 |
1,28 |
2004 |
248.365 |
- 1.557 (- 0,6 %) |
1.786 |
1,31 |
2005 |
246.587 |
- 1.778 (-
0,7 %) |
1.795 |
1,32 |
2006 |
245.700 |
- 887 (- 0,4 %) |
1.852 |
1,36 |
2007 |
244.951 |
- 749 (- 0,3 %) |
1.896 |
1,39 |
2008 |
243.880 |
- 1.071 (- 0,4 %) |
1.967 |
|
2009 |
243.089 |
- 791 (- 0,3 %) |
1.917 |
|
2010 |
243.248 |
+ 159 (+ 0,1 %) |
2.044 |
1,51 |
2011 |
240.543** |
- 2.705 (-
1,1
%)** |
2.019 |
1,48 |
2012 |
241.210 |
+ 667 (+ 0,3 %) |
2.082 |
1,52 |
2013 |
242.022 |
+ 812 (+ 0,3 %) |
2.123 |
1,51 |
2014 |
243.521 |
+ 1.499 (+ 0,6 %) |
2.096 |
1,49 |
2015 |
248.645 |
+ 5.124 (+ 2,1 %) |
2.356 |
1,64 |
2016 |
246.353 |
- 2.292 (- 0,9 %) |
|
|
2017 |
246.855 |
- 502 (+ 0,2 %) |
|
|
2018 |
247.237 |
+ 382 (+ 0,2 %) |
|
|
|
Quelle:
Statistisches Jahrbuch Chemnitz 2008 (Lebendgeborene
bis 2007);
Statistisches Jahrbuch Chemnitz 2015/16
(Lebendgeborene 2008 - 2015);
Wikipedia (Bevölkerungsstand 1990-2004);
Statistisches Jahrbuch Sachsen 2006 - 2011;
Statistische Berichte Statistisches Landesamt Sachsen
2011-2018; ** zensuskorrigierte Zahlen ab 2011;
eigene Berechnungen |
Kommentierte Bibliografie (2005 - 2017)
2004
JUNGLE WORLD-Thema:
Hartz wie Kruppstahl.
Neonazis in
Sachsen vor der Landtagswahl |
SEITZ, André (2004): Zu jung für diese Stadt.
Chemnitz
schrumpft. Unter den Verbliebenen gewinnen konservative und
rechtsextreme Kräfte an Einfluss,
in: Jungle World Nr.38 v. 08.09.
"Nach drei Uhr (...) sammeln
sich (die letzten Partylöwen) an der Theke des Chemnitzer Clubs
»Atomino«. (...) »Die Leute hier begreifen sich nicht als Mitte
von Europa.« Jens Farag (...) spricht. »Bei der letzten
SPD-Ortsvereinssitzung habe ich vorgeschlagen Chemnitz für alle
Ausländer zu öffnen, die hierher ziehen wollen. Die Genossen
haben nur mit den Köpfen geschüttelt.« (...).
Demographische Studien zeichnen ein trostloses Bild von
Chemnitz. Der Altersdurchschnitt von 45 Jahren ist der höchste
Deutschlands. Auf Plakaten des städtischen Netzwerks für Kultur-
und Jugendarbeit verkündete ein bekümmerter junger Mann: »Ich
bin zu jung für diese Stadt!«. Vor allem jüngere Frauen wandern
ab, weil sie keine Lohnarbeit finden. Chemnitz gleich vielerorts
einer Geisterstadt, 42.000 Wohnungen stehen leer. Die aktuelle
Studie »Deutschland 2020« prognostiziert einen weiteren
Bevölkerungsrückgang um 25 Prozent bis zum Jahr 2020. »Wir
müssen uns darauf einrichten, statt in einer Stadt mit 300.000
Einwohnern in einer Stadt mit 200.000 zu leben«, meint Dominik
Zschocke, ein Vertreter der Grünen im Chemnitzer Stadtrat.
Dort sitzen seit der Kommunalwahl im Juni auch fünf
Republikaner. (...) Ihr Spitzenergebnis erzielten die
Republikaner im Stadtteil Ebersdorf, wo sich das zentrale
Asylbewerberheim für Sachsen befindet. (...).
Rassistische Übergriffe werden nur in drastischen Fällen
bekannt. (...). Die NPD plakatierte (...): »Grenzen dicht für
Lohndrücker«, »Quittung für Hartz IV« oder »Wahltag ist Zahltag«
(...).
Ganz oben auf dem Sonnenberg steht das Humboldt-Gymnasium (...).
Dort (...) liest man Publikationen rechtsintellektueller
Institutionen (...).
Der Stuhl des Chemnitzer Bürgermeisters Peter Seifert (SPD)
wackelt, seit die SPD nur noch mit zehn Sitzen im Stadtrat
vertreten ist. (...) Dagegen hofft die CDU auf den Sieg bei der
Bürgermeisterwahl, die mit den Landtagswahlen am 19. September
stattfindet. (...):
Die Freie Presse ist treu konservativ. (...).
In den Prognosen zur sächsischen Landtagswahl liegt die NPD bei
acht Prozent, die SPD im Rekordtief bei 10 Prozent. Ȇber meinen
Listeplatz habe ich keine Chance, in den Landtag zu kommen«,
sagt Jens Farag, dem die Hoffnung bleibt, wegen seiner lokalen
Prominenz genügend Erststimmen sammeln zu können",
berichtet André SEITZ über
die Lage in Chemnitz. Jens FARAG, der im Wahlkreis Chemnitz 1
antrat, war chancenlos und belegte nur den dritten Platz hinter
dem CDU-Wahlkreissieger und dem PDS-Kandidaten.
2005
RÜHLE,
Axel
(2005): Bin ich jetzt rechtsextrem?
NPD? Die
Probleme liegen viel tiefer. Ein Besuch in Sachsen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 05.02.
Axel RÜHLE fährt nach dem
Wahlerfolg der NPD bei der Landtagswahl
nach Chemnitz, um die rechte Jugendkultur zu inspizieren. Dabei
fallen Begriffe wie "Skins" und "Stinos", die 10 Jahre später
kaum noch jemand kennt.
"In Sachsen müssen wegen
Schülermangels Schulen geschlossen werden. Wenn da jemand
zugibt, dass er Probleme mit den Rechten hat, ist seine Schule
quasi schon zu",
zitiert RÜHLE einen Linken.
"Soziologen sprechen (...)
von langfristig gewachsenen Minderwertigkeitsgefühlen, fehlender
Ich-Stärke, antizipatorischem Hospitalismus, der auf Hilfe von
höheren Instanzen wartet",
behauptet RÜHLE. Das
Vokabular entstammt jedoch der Persönlichkeits- bzw.
Entwicklungspsychologie und nicht der Soziologie. Der Bericht
ist typisch für die damalige Zeit und den Rechtsruck - nicht nur
- im Osten.
2006
KLOEPFER, Inge (2006): Chemnitz.
Abstieg
ohne Ende,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.02.
"Gera,
Cottbus, Halle, Leipzig, Magdeburg und eben Chemnitz als größte
dieser Städte bilden ein eigenes Cluster nach den Kriterien der
Forscher: das der schrumpfenden und alternden ostdeutschen
Großstädte. Demographisch und wirtschaftlich geht es bergab.
Alle entsprechenden Merkmale sind schlechter als im Schnitt der
insgesamt 82 deutschen Großstädte mit mehr als 100.000
Einwohnern. Chemnitz wird im Jahr 2020 womöglich nur noch gut
200.000 Einwohner haben. Fast ein Fünftel wird der Stadt den
Rücken gekehrt haben, vor allem auch 18- bis 24jährige, die
andernorts Perspektiven suchen. In 15 Jahren werden 40 Prozent
der Menschen, die dort leben, 60 Jahre und älter sein. (...).
Chemnitz hat kaum Chancen, den Prozeß des Niedergangs
aufzuhalten. Es muß sich darauf einstellen und stabile
Siedlungskerne schaffen, die Infrastruktur an den sinkenden
Bedarf anpassen, sich regional vernetzen und vor allem viel für
Familienfreundlichkeit tun, um nicht eine noch größere
Abwanderung zu riskieren",
schreibt Inge
KLOEPFER über die düsteren Aussichten für Chemnitz, die die
Bertelsmann-Stiftung prognostiziert hat.
KRÖHNERT, Steffen/MEDICUS, Franziska/KLINGHOLZ, Reiner (2006):
Die demographische Zukunft der Nation. Wie zukunftsfähig
sind Deutschlands Regionen? München: Dtv, April
BERTELSMANN-STIFTUNG (2006)(Hrsg.): Wegweiser Demographischer
Wandel 2020. Analysen und Handlungskonzepte für Städte und
Gemeinden, Gütersloh: Bertelsmann Verlag, April
Die 12 ostdeutschen
Großstädte werden folgenden Demographietypen zugeordnet:
Tabelle:
Die Zuordnung der ostdeutschen Großstädte zu den
Demographietypen |
G 3: Schrumpfende
und alternde ostdeutsche Großstädte |
Großstädte |
Bundesland |
Bevölkerungs-
entwicklung
(2003 - 2020 |
Medianalter
im Jahr 2020 |
Gera |
Thüringen |
- 21,6 % |
55,2 Jahre |
Cottbus |
Brandenburg |
- 18,3 % |
51,1 Jahre |
Chemnitz |
Sachsen |
- 16,7 % |
52,6 Jahre |
Halle/Saale |
Sachsen-Anhalt |
- 16,7 % |
44,1 Jahre |
Magdeburg |
Sachsen-Anhalt |
- 11,2 % |
49,5 Jahre |
G 6: Aufstrebende
ostdeutsche Großstädte mit Wachstumspotenzialen |
Rostock |
Mecklenburg-Vorpommern |
- 6,0 % |
46,3 Jahre |
Berlin |
Berlin |
- 0,5 % |
44,3 Jahre |
Leipzig |
Sachsen |
+ 1,8 % |
44,3 Jahre |
Erfurt |
Thüringen |
+ 2,5 % |
45,4 Jahre |
Dresden |
Sachsen |
+ 3,1 % |
42,8 Jahre |
Jena |
Sachsen-Anhalt |
+ 5,7 % |
38,4 Jahre |
Potsdam |
Brandenburg |
+ 11,0 % |
42,8 Jahre |
|
Quelle:
Wegweiser Demographischer Wandel, 2006, S.43 und S.56 |
LOSSE, Bert (2006):
50 Städte im Test.
Wo gibt es in Deutschland die
meisten Jobs, die höchste Wirtschaftskraft, die beste
Lebensqualität? Wo ist die Dynamik am größten, sind die
Zukunftsaussichten am besten?. Ein Exklusiv-Ranking mit den
Stärken und Schwächen der 50 größten Städte,
in: WirtschaftsWoche Nr.27 v. 03.07.
Bert LOSSE präsentiert
zum
dritten Mal das jährliche Städteranking, das von den
neoliberalen Lobbyorganisationen INSM und IW Köln gesponsert
wird. Dresden wird als Aufsteiger des Jahres gefeiert (Rang 10
von 50 in der Gesamtwertung; Vorjahr Rang 30). Chemnitz
liegt auf Rang 38; Vorjahr: Rang 43) vor Leipzig (Rang 41;
Vorjahr: Rang 47).
Beim Demografie-Index
(Wachstum/Schrumpfung) liegt Dresden auf Rang 28 vor Leipzig
(Rang 43) und Schlusslicht Chemnitz.
2007
GROSSMANN, Katrin (2007): Am Ende des Wachstumsparadigmas?
Zum Wandel von Deutungsmustern in der Stadtentwicklung. Der Fall
Chemnitz, Bielefeld: transcript
Katrin
GROSSMANN beschreibt die Debatte zu schrumpfenden Städten
folgendermaßen:
"Der Diskurs
zum Thema schrumpfende Städte lässt sich m.E. rückblickend in
drei Phasen einteilen. Da wäre zunächst die Phase der
Tabuisierung des Themas in Politik und Wissenschaft, die bis
in das Jahr 2000 hineinreicht und spätestens mit der
Veröffentlichung des Berichts der Leerstandskommission endet
(ausführlich beschrieben bei Hannemann 2004: 77ff.). Dem folgte
etwa von 2000 bis etwa 2003 die Phase der Problematisierung,
für die eine Mischung aus praxisbezogenen und alarmierenden,
appellierenden Beiträgen charakteristisch war. Etwa seit etwa
2004 beginnt nun eine Phase der Differenzierung des
Themas und der Beiträge, die zunehmend analytischer und weniger
normativ gestaltet werden.
In der Phase der Problematisierung durchziehen zwei wesentliche
Motive die Beiträge zum Thema: Auf der einen Seite ist von
Schwierigkeiten die Rede, von einer Krise, von Verlusten und
Abwärtsspiralen. Auf der anderen Seite, meist in denselben
Beiträgen – und tendenziell am Schluss – werden Chancen und
Möglichkeiten beschrieben, Experimente eingefordert, Kreativität
und Mut oder Gelassenheit angemahnt. (...).
Inzwischen beginnt sich die wissenschaftliche Diskussion zu
differenzieren und tritt damit in die dritte Phase, die durch
die Ausbildung von speziellen Themenstellungen gekennzeichnet
sein wird. Das Thema ist nun nicht mehr neu, die Beiträge
beginnen nicht mehr mit der Verkündung der ungeheuerlichen
Nachricht. Die experimentellen, appellativen Texte werden von
systematischeren und spezialisierteren Darstellungen abgelöst.
Die ersten Monographien von Forschungsprojekten erscheinen wie
beispielsweise die Pionierstudie von Hannemann (2004), die
Schrumpfungsprozesse in ostdeutschen Kleinstädten untersucht
(...).
Kennzeichnend für die jetzige, dritte Phase der Diskussion ist
auch, dass Einigkeit darüber besteht, dass die Phänomene in
Ostdeutschland kein Sonderfall sind, sondern nur zuspitzen, was
sich als grundsätzliche, allgemeine Tendenz auch in weiten
Teilen der Bundesrepublik, Europas bzw. überhaupt der westlichen
Welt abspielen wird. Überall da, wo die Deindustrialisierung
bzw. Deökonomisierung Wanderungsschübe auslöst, wo aufgrund
einer Geburtenrate unterhalb des Reproduktionsniveaus, aufgrund
von Suburbanisierung oder neuer, noch nicht beobachteter
Ursachenkomplexe die Einwohnerzahlen in Zukunft sinken und
bauliche Strukturen brach fallen, wird über kurz oder lang die
Rede sein von schrumpfenden Städten und Regionen." (S.22ff.)
GROSSMANN
folgt gewissermaßen der Christiane HANNEMANN-Doktrin:
Hoyerswerda ist überall. Das Fallspiel Chemnitz steht
gewissermaßen exemplarisch für die Irrtümer der deutschen
Stadtsoziologie, die den Fehlprognosen der
Bevölkerungsvorausberechnungen neoliberaler Privatstiftungen
aufgesessen ist.
IW Köln (2007): Deutsche Großstädte im Vergleich.
Untersuchung für das Jahr 2007 und den Zeitraum von 2001 bis
2006. Im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und
der Wirtschaftswoche v. 09.09.
2008
BERTELSMANNSTIFTUNG (2008): Regionalreport Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen. Differenzierung des
»Wegweisers Demographischer Wandel« für drei ostdeutsche
Bundesländer, August
Die Großstadt Chemnitz wird
als "schrumpfende und alternde ostdeutsche Großstadt"
klassifiziert (vgl. Tabelle 3, S.15). Dresden und Leipzig gelten
dagegen als aufstrebende ostdeutsche Großstädte mit
Wachstumspotenzialen:
Tabelle:
Vergleich der Bevölkerungsentwicklung der Landkreise und kreisfreien
Städte im Zeitraum 2000-2020 und 2004-2020 (Die
fettgedruckten Regionen wurden in beiden Prognosen mit
der besten oder schlechtesten Note bewertet. Die grün
und rot markierten Regionen verbesserten bzw.
verschlechterten sich um mindestens 2 Noten) |
Demographie-Typ |
Thüringen |
Sachsen-Anhalt |
Sachsen |
Anzahl |
Großstadt |
Bevölkerungs-
entwicklung
2005-2020 |
Großstadt |
Bevölkerungs-
entwicklung
2005-2020 |
Großstadt |
Bevölkerungs-
entwicklung
2005-2020 |
|
G 3: Schrumpfende und alternde ostdeutsche
Großstädte |
Gera |
- 19,7 % |
Halle
Magdeburg |
- 15,7 %
- 11,8 % |
Chemnitz |
- 15,6 % |
4
(von 5) |
G 6: Aufstrebende ostdeutsche Großstädte mit
Wachstumspotenzialen |
Erfurt
Jena |
+ 1,94 %
+ 5,84 % |
- |
|
Dresden
Leipzig |
+ 0,66 %
+ 0,75 % |
4
(von 7) |
Großstädte in Ostdeutschland gesamt |
3 |
|
2 |
|
3 |
|
8
von 12) |
|
Quelle:
Regionalreport, Tabelle 3, S.15 |
LOSSE, Bert (2008):
Im hellen Schein.
Wohlstand, Wachstum, Jobs,
Zukunftsperspektiven. Der große Städtetest der WirtschaftsWoche
sagt, wo es sich am besten arbeiten und leben lässt. Wo Politik
und Verwaltung tüchtig arbeiten. Und wo sich Bürger und
Unternehmen am wohlsten fühlen,
in: WirtschaftsWoche Nr.37 v. 08.09.
Bert LOSSE präsentiert das
jährliche Städteranking, das von den neoliberalen
Lobbyorganisationen INSM und IW Köln gesponsert wird. Dresden
wird als dynamischste Stadt (Rang 9 von 50 in der Gesamtwertung;
Vorjahr Rang 8), Chemnitz als billigste Stadt (Rang 27; Vorjahr: Rang
41 und damit Aufsteiger des Jahres!) vorgestellt, während Leipzig
(Rang 23; Vorjahr: Rang 34) unerwähnt bleibt.
ZÜTPHEN, Thomas van (2008): Exodus der Neuzeit.
Nach einer
Demografiestudie der Bertelsmann Stiftung altert Deutschland bis 2025
rasant,
in: Focus Nr.50 v. 08.12.
"Die aktuelle Prognose für
alle 3.000 Kommunen mit mehr als 5.000 Einwohnern zufolge stehen vor
allem die neuen Bundesländer mit Ausnahme weniger Regionen vor einem
enormen Bevölkerungsverlust. Zwar sind Städte wie Dresden (plus acht
Prozent) und Potsdam (plus sieben Prozent) mit steigenen
Einwohnerzahlen die demografischen Gewinner der nächsten 17 Jahre.
Doch den Schnitt der Landeshauptstädte ruinieren im selben Zeitraum
andere Ost-Städte wie Rostock (minus 8,6 Prozent) oder Chemnitz (minus
15 Prozent). (...).
Die arbeitsfähigen Jungen flüchten westwärts. Nur die Alten bleiben im
Osten. So sind Chemnitz und Halle an der Saale die ersten deutschen
Großstädte, in denen der Anteil der über 80-Jährigen schon
zweistellige Prozentzahlen erreicht",
berichtet Thomas van ZÜTPHEN über
die Ergebnisse einer Bevölkerungsvorausberechnung der neoliberalen
Bertelsmann-Stiftung für die Jahre 2006 bis 2025 (mehr
hier). Die Privatstiftung definiert die Hochbetagten als
80-Jährige und älter "mit einem höheren Anteil an Pflegebedüftigen".
Der Focus hat folgende Anteile in einem Schaubild zusammengefasst:
Tabelle: Anteil der 80-Jährigen (Hochbetagte) in
ausgewählten Städten über 100.000 Einwohner |
Großstadt |
Bundesland |
Anteil der 80-Jährigen
im Jahr 2006 |
Anteil der 80-Jährigen
im Jahr 2025 |
Chemnitz |
Sachsen |
5,89 % |
11,83 % |
Halle/Saale
|
Sachsen-Anhalt |
4,94 % |
10,13 % |
Bergisch-Gladbach |
Nordrhein-Westfalen |
5,36 % |
9,79 % |
Magdeburg |
Sachsen-Anhalt |
4,86 % |
9,47 % |
Rostock |
Mecklenburg-Vorpommern |
3,64 % |
9,40 % |
Leipzig |
Sachsen |
4,96 % |
8,99 % |
Mülheim a.d.R. |
Nordrhein-Westfalen |
5,66 % |
8,95 % |
Lübeck |
Schleswig-Holstein |
6,11 % |
8,83 % |
Dresden |
Sachsen |
4,90 % |
8,75 % |
Wolfsburg |
Niedersachsen |
5,09 % |
8,65 % |
Solingen |
Nordrhein-Westfalen |
5,05 % |
8,32 % |
Koblenz |
Rheinland-Pfalz |
6,03 % |
8,32 % |
Erfurt |
Thüringen |
4,18 % |
8,31 % |
Remscheid |
Nordrhein-Westfalen |
4,94 % |
8,07 % |
Leverkusen |
Nordrhein-Westfalen |
4,59 % |
8,07 % |
|
Quelle:
Focus 08.12.2008, Schaubild "Seniorenstädte der Nation",
S.35 |
HONNIGFORT, Bernhard (2008):
Der Osten vergreist,
in:
Frankfurter Rundschau v. 09.12.
"Besonders dramatisch wird sich der Bevölkerungswandel in
Ostdeutschland vollziehen. Dort werden nur wenige Städte wie
Dresden, Potsdam und Leipzig noch wachsen und in Zukunft mehr
Einwohner haben. Städte wie Chemnitz, Halle, Magdeburg oder
Rostock werden dagegen zwischen acht und 15 Prozent ihrer
Einwohner verlieren",
erklärt uns Bernhard
HONNIGFORT anlässlich einer neuen
Bevölkerungsvorausberechnung der Bertelsmann-Stiftung bis 2025 und zitiert den Ökonom Joachim RAGNITZ, der uns
erklärt, dass wir das nur hinnehmen können!
2010
BOLZEN, Stefanie
(2010): Chemnitz wird zur "ältesten" Stadt in ganz Europa.
Die
meisten Senioren - Deutschland ist Rentnerland,
in: Welt v. 20.01.
"Die Stadt Chemnitz wird in
20 Jahren die älteste Stadt Europas sein. Keine andere Region
hat dann einen so hohen Anteil an über 65-Jährigen: 37,7
Prozent. In der britischen Hauptstand London werden es nur 10,4
Prozent sein.
Diese Entwicklung blegt eine neue Studie von Eurostat, die eine
Bevölkerungsprojektion für die 281 EU-Regionen zwischen 2008 und
2030 aufstellt", berichtet Stefanie BOLZEN.
2012
PILZ, Michael (2012): Die Luschen und Trottel aus dem Osten.
Alle Jungen fliehen aus Chemnitz. Die Band
Kraftklub bleibt. Und will von dort aus die deutsche Popmusik
retten,
in: Welt v. 18.01.
Michael PILZ hebt bei
Kraftklub den Aspekt des demografiegetriebenen
Generationenkonflikts hervor, der gemäß Diedrich DIEDERICHSEN
in der Popmusik bislang belanglos war:
"Chemnitz, sagt Felix
Brummer, sei die älteste Stadt Deutschlands. Demografisch.
25 Prozent der Einwohner sind über 65, schon 2020 wird die
Stadt ein Drittel der Bevölkerung im Rentenalter zu
verkraften haben. Nie zuvor ist das Methusalem-Komplott so
schön besungen worden wie von Kraftklub in »Zu jung«, dem
Lied der abgehängten Jugend: »Ich bin 20/ Einer ganzen
Generation geht es ähnlich/ Pornos, Gruppensex - alles schon
mal da gewesen/ Wir haben Philip Roth zehn Jahre danach
gelesen/ Unsere Eltern kiffen mehr als wir/ Wie soll man
rebellieren?/ Egal, wo wir hinkommen, unsere Eltern waren
schon eher hier/«. Im Video pöbeln sich fünf Greise in
Collegejacken durch die Stadt. Sie schüchtern die Jugend ein
und pochen auf das Recht der sicheren Rente. Man kann sagen:
Kraftklub pflegen ihre Handicaps, verspätete Geburt und
Herkunft, und machen daraus das Beste."
Aber der Song Zu jung
behandelt gar keinen demografisch bedingten
Generationenkonflikt im Sinne eines Rentnerproblems ("Recht
auf sichere Rente") wie PILZ weismachen will (wenn überhaupt:
eher ein "Bellheim-Syndrom"), sondern im Kern geht es um ein
Hipster-Problem mangelnder Distinktionsmöglichkeiten (das 1999
bereits die Dandys der Generation Golf in ihrer
Tristesse Royale beklagt haben), hier nicht auf dem Feld
der Gleichaltrigen, sondern eben im Generationenvergleich
("Generationenspiel"). Eine Steigerung zu den rebellischen
Eltern scheint nicht möglich. Man könnte zwar gegen den "Rock
'n' Roll"-Lebensstil der Eltern mit dem "Spießer"-Lebensstil
punkten, wie Gerhard MATZIG bereits vor über einem halben
Jahrzehnt gezeigt hat. Wie könnte das aber auf dem Felde der
Popkultur funktionieren?
Eine Vision von
single-generation.de aus dem Jahre 2006, die heute im
Prenzlauer Berg bereits Realität geworden ist: Der Wandel der
Popkultur und die Verdrängung der Hipster durch die
Family-Gentrifier.
STREICH, Juliane (2012): Ich bin Verlierer, Baby.
Pop: Super-Ossis als neue Hipster: die
Indierocker von der Band Kraftklub. Auf ihrem Debütalbum " … mit
K" geben sie den Slacker, mokieren sich über den Osten, wollen
aber auch nicht nach Berlin - und haben auch noch Erfolg damit,
in: TAZ v. 28.01.
VOLKMANN, Linus (2012): Wie
Karl-Marx-Stadt dein komisches Leben rettet.
Vor den Türen zu ihren Auftritten lecken sich
die Ausgeh-Kids den Schnapsbart wund. Denn mit Kraftklub zieht
die derzeit aufregendste Gang durch die Städte. Im Intro wurden
die fünf Chemnitzer bis dato allerdings als Party-Stullen für
Atzen mit Abitur bezeichnet. Was verdammt noch mal ist denn nun
Sache?
in: Intro Nr. 199, Februar
Der Erfolg der "Anti-Hipster-Hymne"
Ich will nicht nach Berlin beruht für VOLKMANN nicht
auf einem Missverständnis (Der Hipster weiß nicht, dass er ein
Hipster) ist, sondern auf den strukturellen Zwängen des
kulturellen Kapitalismus:
"jeder hier in diesem
Saal kennt den kalten Hauch von Berlin im Nacken - und er
fühlt sich nicht nur gut an: Wenn was gehen soll, dann musst
du nach Berlin, wenn nichts mehr geht, dann erst recht.
Dieses Gespenst eines popkulturellen Zentralismus hat sich
das letzte Jahrzehnt noch mehr als zuvor schon in den
Vordergrund gespukt. Jeder Club der Kraftklub-Tour schreit
aus Trotz und Verzweiflung: »Ich will nicht nach Berlin!«
Selbst in Berlin ist das ein Hit."
HENSEL, Jana (2012): Ich bin ein Verlierer, Baby!
Die Band
Kraftklub holt den ostdeutschen Diskurs aus dem Museum heraus
und bringen ihn dorthin zurück, wo er hingehört: auf die Straße,
in: Freitag Nr.6 v. 09.02.
POMOGAJKO, Kirill & Michael VOIGTLÄNDER (2012): Demografie und
Immobilien. Der Einfluss der erwarteten Flächennachfrage auf
die heutigen Wohnimmobilienpreise, IW-Trends Nr.2, Juni
Tabelle:
Schätzungen der Flächennachfrage bis 2025 in Chemnitz |
Stadttyp |
Stadt |
Bevölkerungsentwicklung
2006 - 2025 |
Veränderung der Flächennachfrage
2006 - 2025 |
jährliche Veränderung
der Flächennachfrage 2010 - 2025 |
C |
Chemnitz |
- 15,2 % |
- 13,0 % |
- 0,73 % |
|
Quelle:
IW Köln 2009 Immobilien 2025 und IW Köln 20012,
Anhang S.14ff. |
BIALLAS, Jörg (2012): Vom Leben unterm Nischel.
Parlament-Thema Demografischer Wandel: Chemnitz - Besuch in
einer Stadt, die sich dem demografischen Wandel gestellt hat und
optimistisch in die Zukunft blickt,
in: Das Parlament v. 06.08.
2014
OVERBECK, Jochen (2014): Kraftklub - Aber
hier leben? Sehr gerne!
Titel: Kraftklub begannen als Antithese zum
hippen Grossstadtkünstler und wurden zu einer der
erfolgreichsten Rockbands Deutschlands. Warum eigentlich? Zum
zweiten Album, In Schwarz, begaben wir uns auf Ursachenforschung
in ihre Heimatstadt Chemnitz,
in: Musikexpress, Oktober
Die Hauptrolle im Artikel
spielt der Brühl und die Vertreibung des Clubs Atomico
durch einen Investor.
HAYLER, Flo (2014): Aber die Welt ist bunt.
Titel: Kraftklub sind vielleicht zurück in
schwarz, aber nicht überall in Chemnitz sind bereits die Lichter
ausgegangen. Zwei Jahre, nachdem die "Luschen aus dem Osten"
mitsamt ihrem Album K zur neuen deutschen Indiie-Rock-Sensation
aufgestiegen sind, gibt es auch für ihre unfreiwillig in den
öffentlichen Fokus gezogene Heimatstadt neue Hoffnung. Visions
hat sich von Kraftklub in das Nachleben der Stadt entführen
lassen, vom Schlossteich über die Kanalisation bis auf den
Kaßberg. Eine einsame, aber spannende Angelegenheit,
in: Visions Nr. 259, Oktober
"10.000 zukünftige
Akademiker sollen es sein, die sich in Chemnitz auf ihrem
abgeschirmten Campus zwischen zentralem Hörsaalgebäude,
Edeka und den beiden Uni-Clubs bewegen und sich deshalb nur
selten hinab ins Zentrum wagen. Wieso auch? Wenn man auf den
hochgeklappten Bordsteinen des Brühl entlang schlendert, ist
Schlafengehen immer noch die beste Alternative.
Der Brühl. Seit sie die Möglichkeit dazu haben, schwärmen
Kraftklub von dem Potenzial, das in dieser stillgelegten
Einkaufsstraße steckt. Leere Läden, von den Stadtwerken vom
Netz genommene Altbauten mit großzügigen, stuckbehängten
Wohnungen. Eine breite Fußgängerzone mit ausreichend Platz
zum Abhängen und Zeittotschlagen, nah am Schlossteich, kaum
rumstreunende Nazis und nur einen Steinwurf entfernt vom
Bahnhof - falls man doch Lust bekommt, nach Leipzig, Dresden
oder eben Berlin zu flüchten",
beschreibt Flo HAYLER die
Geografie von Chemnitz, die geradezu nach Gentrifizierung zu
schreien scheint.
VOLK, Pia (2014): Gegenwart war Gestern.
Leipzig
gilt als das neue Berlin. Wird nun Chemnitz das neue Leipzig?
Versuch über eine Stadt,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 19.10.
"Es ist
der Tag, an dem die Band Kraftklub (...) ihr zweites Album
veröffentlicht. (...).
Chemnitz ist die drittgrößte Stadt Sachsens mit rund 250.00
Einwohnern. Das sind fast so viele wie in Mannheim oder
Münster und doppelt so viele wie in Ulm oder Würzburg. Per
Definition ist Chemnitz also eine Stadt, aber urban ist sie
deswegen noch lange nicht. Sie hat Stadtviertel, aber alle
sind gleich: Überall leben Studenten, Rentner und
Arbeitstätige nebeneinander. Es gibt keine Kneipenmeile und
kein Clubareal. Keins Segregation und keine Gentrifizierung.
(...). Karl-Marx-Stadt hieß sie mal, wegen der starken
Arbeiterbewegung. (...). Brühl (...) war einst die
Vorzeigeeinkaufsstraße der sozialistischen Vorzeigestadt.
Chemnitz war seit der industriellen Revolution das
Manchester Sachsens. (...) So wurde die Stadt reich, das
Jugendstil- und Gründerzeitviertel Kaßberg nordwestlich der
Innenstadt zeugt noch heute vom einstigen Ruhm. Dort sieht
es ein wenig aus wie in Leipzig oder Berlin, was eigentlich
nur heißt, dass die Häuser bewohnt sind von Menschen, die
irgendwas mit Medien machen. Der Brühl aber liegt im Osten
der Stadt, (...) wo die Industriekultur stattfindet und der
touristische Stadtplan vom Informationszentrum endet",
beschreibt Pia VOLK die
Industriestadt in ihrem vom aktuellen Musikexpress-Titel
inspirierten Reisebericht, bei dem der KUMMER-Clan nicht
fehlen darf.
Es ist die Zeit, als der Club Atomio aus der Brühl
vertrieben wird,
"den einzigen Chemnitzer Club, der über die Stadtgrenzen
hinaus bekannt ist". Am Sonnenberg wird ein alternativer Club
angepriesen.
2015
BBSR (2015): Unterschiede zwischen Stadt und Land vergrößern
sich.
BBSR legt Studie zur Entwicklung der Städte und Gemeinden vor,
in: Pressemitteilung
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
v. 13.08.
HAUSER, Jan (2015): Chemnitz lockt die
Gründer.
Nach der Wende zogen die
Menschen aus der Stadt weg. Aber jetzt wächst sie wieder.
Fachkräfte finden Arbeit und Jungunternehmer genügend Raum,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 01.10.
"Chemnitz braucht den Zuzug. Nach der Wende hat die Stadt
60.000 Einwohner verloren. Die Prognosen sahen eine
schrumpfende Stadt voraus, doch jetzt wächst Chemnitz
wieder. Seit 2009 ziehen mehr Menschen in die Stadt, als
diese verlassen. (...). Chemnitz, früher Karl-Marx-Stadt,
hat die Wende aus eigener Kraft geschafft. Die
Arbeitslosenquote liegt leicht unter 9 Prozent",
berichtet
Jan HAUSER fast ein Jahrzehnt, nachdem
Inge KLOEPFER in der FAS
unkritisch über die Prognosen der neoliberalen Bertelsmann
Stiftung berichtete. Diese hatte für Chemnitz und andere
ostdeutsche Großstädte den
Demographietyp der "schrumpfenden und alternden ostdeutschen
Großstädte" entworfen. Auch das neoliberale Berlin-Institut
für Bevölkerung und Entwicklung sah 2006 Chemnitz von 2004
bis 2020 mit einem Bevölkerungsrückgang von fast 20 Prozent
schrumpfen. Deren Daten stammten vom Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung.
2016
SLUPINA, Manuel/DAMM, Theresa/KLINGHOLZ, Reiner (2016): Im Osten
auf Wanderschaft. Wie Umzüge die demografische Landkarte
zwischen Rügen und Erzgebirge verändern, Berlin-Institut für
Bevölkerung und Entwicklung, Januar
STREIT, Matthias (2016): "The better
Berlin".
Neue Immobilien-Studie: Warum
Leipzig und Dresden stetig attraktiver werden,
in:
Handelsblatt v. 18.05.
Matthias
STREIT berichtet über den Wohnmarktreport von CBRE und Vonovia,
in dem 29 Städte mit mehr als 200.000 Einwohner untersucht
wurden. Während Leipzig und Dresden unter den 10 Städten mit den
höchsten Mietpreissteigerungen zwischen 2012 und 2015 geführt
werden, gehört Chemnitz zu den 10 Städten mit den niedrigsten
Mietpreissteigerungen.
PSOTTA, Michael (2016): Nicht nur die
Metropolen,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 20.05.
Michael
PSOTTA stellt uns den neuen
Wohnungsmarktreport 2016 von CBRE und Vonovia vor, der die
30 "wichtigsten" deutsche Städte untersucht hat und sie in 5
Kategorien eingeteilt hat. Chemnitz wird in die Gruppe der
Trendumkehrer eingeordnet, die
"vor kurzem noch als die
klassischen Verlierer galten (...). Ihnen wird bescheinigt,
nach teilweise schmerzhaften Anpassungsprozessen die Umkehr
bewältigt zu haben. Auch die Wohnungsmärkte normalisieren
sich dort, wenn auch meist noch auf niedrigem Niveau."
MÖTHE, Alexander (2016): Gründerstolz und
Vorurteil.
In Chemnitz
hat sich abseits der Ost-Metropolen wie Leipzig eine lebhafte Start-up- und Technologieszene entwickelt. De Prognos Zukunftsatlas
bescheinigt dem ehemaligen Karl-Marx-Stadt eine höchst kapitalistische
Dynamik,
in:
Handelsblatt v. 02.06.
Alexander MÖTHE ist angetreten, um Vorurteile über Chemnitz zu zerstreuen, die Neoliberale in die Welt gesetzt haben.
"Die Einwohnerzahl wächst wieder,
und zwar besonders im wichtigen Bereich der 18- bis 29-Jährigen. Vor
der Wende lebten noch gut 300.000 Menschen in Chemnitz, auf dem
Tiefpunkt 2011 waren es nur noch 240.000. Seit acht Jahren läuft
inzwischen das Programm »Chemnitz zieht an«, das (...) die
Bewohnerzahl wieder auf 248.000 getrieben hat. Das fünfte Jahr in
Folge wächst die Stadt",
macht MÖTHE Stadtmarketing mit
Zensus-Korrekturen, die 2011 zu einem Einwohnerverlust von ca. 3.000
Menschen führten. Ohne diese Korrektur würde Chemnitz bereits seit
2009 wachsen, was natürlich nicht so schön zum Märchenerfolg des
Chemnitzer Stadtmarketing passen würde wie MÖTHEs statistischer
Taschenspielertrick.
Das Stadtporträt betont vor allem
die Start-up-Szene und die Bausubstanz, die sich zur Gentrifizierung
eignet. Die Subkulturszene wird lediglich erwähnt, obwohl deren
Zugpferd Kraftklub jenen Mythos verkörpert, den uns MÖTHE
präsentiert:
"Die regionale Bindung und
Verwurzelung ist ein Schlüsselelement, der Zuzug nach Chemnitz
nachweislich häufig ein Zurück-Zug von Chemnitzern, die nach der Wende
in anderen Bundesländern ihr Glück gesucht haben."
Zahlen liefert uns MÖTHE zu diesem
Pathos nicht.
EMPIRICA (2016): Schwarmverhalten in
Sachsen. Eine Untersuchung zu Umfang, Ursache,
Nachhaltigkeit und Folgen der neuen Wanderungsmuster im Auftrag
der Sächsischen Aufbaubank, des Verbands der Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft in Sachsen, und des Verbands sächsischer
Wohnungsgenossenschaften. Endbericht
Chemnitz wird von Empirica zu
den
vier sächsischen Schwarmstädten gezählt, obwohl es
der
ursprünglichen Definition
einer Schwarmstadt nicht entspricht, was
folgendermaßen begründet wird:
"Chemnitz steigt von 165 auf
198, Leipzig von 335 auf kaum mehr fassbare 441, Dresden von 263
auf 280. Chemnitz verfehlte damit zwar knapp den Schwellenwert
einer Kohortenwachstumsrate von 200, ab der nach empirica-
Definition Chemnitz als eine Schwarmstadt gelten würde,
nichtsdestotrotz soll Chemnitz aufgrund der minimalen Differenz
im Folgenden zur Kategorie der Schwarmstadt gezählt werden."
(S.9f.)
FISCHER, Konrad & Bert LOSSE
(2016): Bajuwarische Glückseligkeit.
Exklusivstudie: Welche Stadt
hat die größte Wirtschaftskraft, welche entwickelt sich
dynamisch? Wo werden Unternehmen hofiert und wer rüstet sich am
besten für das digitale Zeitalter? Der große Städtetest der
WirtschaftsWoche zeigt: Der deutsche Süden ist vorn und baut
seinen Vorsprung aus,
in:
WirtschaftsWoche
Nr.41
v. 30.09.
LOBENSTEIN, Caterina (2016): Der Zug ist abgefahren.
Deutschlands teuerste
Bahnstrecke wird nach 25 Jahren fertig. Sie sollte das Land
einen - und hat es geteilt,
in:
Die ZEIT Nr.44 v.
20.10.
"Um München und Berlin in
Rekordzeit zu verbinden, werden etwa die thüringischen Städte
Weimar und Jena vom Fernverkehr abgeknapst. Keine
schrumpfenden Käffer, sondern wichtige Zentren des Ostens, in
denen Bevölkerung und Wirtschaft wachsen. Sie gehören
demnächst zu jenen mittelgroßen Städten, in denen fast nur
Bummelzüge halten. So wie Chemnitz (250.000 Einwohner),
Krefeld (220.000) oder Zwickau (100.000)",
jammert LOBENSTEIN.
PEZZEI, Kristina (2016): Eine Stadt wacht
auf.
Dem Chemnitzer
Immobilienmarkt passiert das, womit niemand mehr gerechnet hat:
Er gewinnt an Dynamik. Investoren schielen vor allem auf
denkmalgeschützte und damit steuerlich attraktive
Sanierungsfälle,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 16.12.
Chemnitz
ist ins Visier der Investoren
geraten, weil in den Nachbarstädten Leipzig und Dresden
renditeträchtige Bauobjekte zur Neige gehen:
"Es gibt zahlreiche
Gründerzeithäuser, Fabrikgebäude und Direktorenvillen aus
der Blütezeit von Maschinenbau und Textilwirtschaft. Sie
stehen größtenteils unter Denkmalschutz - und das macht sie
für Anleger wegen der Abschreibungsmöglichkeiten
interessant."
Zur Attraktivität trägt
gemäß PEZZEI auch die sozio-demografische Entwicklung bei:
"Vor wenigen Jahren (...)
kehrte sich der Trend um: Die Arbeitslosenzahlen sanken
zwischen 2010 und 2015 um mehr als 27 Prozent, die Quote lag
zuletzt bei um die 8 Prozent. Die Bevölkerung wächst leicht,
die Kaufkraft legt zu."
Der Beitrag von PEZZEI kann
als Mosaikstein in der
symbolischen Gentrifizierung von Chemnitz betrachtet
werden. Dabei geht es nicht unbedingt - wie Barbara LANG das
für Berlin-Kreuzberg beschrieben hat - um die Aufwertung
eines einzelnen Stadtteils, sondern um die Herstellung eines
Stadtimages als Voraussetzung der Attraktivitätssteigerung
einzelner Stadtquartiere.
2017
HOYER, Niklas u.a.
(2017):
Der Traum von mehr Raum.
Immobilienatlas 2017: Der
Immobilienboom steuert aufs Finale zu. Unser Ranking der 50
größten Städte zeigt, wo der Kauf noch lohnt,
in:
WirtschaftsWoche Nr.7
v. 10.02.
BBSR (2017): Deutschland altert unterschiedlich.
Freiburg im Breisgau und
Heidelberg haben die jüngste Bevölkerung,
in:
Pressemitteilung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und
Raumforschung
v. 22.05.
Tabelle:
Bevölkerungsentwicklung 2000 - 2015 in den sächsischen
Landkreisen und kreisfreien Städten |
Landkreis bzw. kreisfreie Stadt |
Bevölkerungsverluste
bzw. - Gewinne
2000-2015 (in %) |
Bevölkerungsanteil der
über-65 Jährige
(in %) |
Chemnitz
(kreisfreie Stadt) |
- 16,20 % |
26,69 % |
|
Quelle:
BBSR 22.05.2017 Übersicht für alle 405 Landkreise
und kreisfreien Städte in Deutschland |
WENDT,
Alexander (2017):
In diesen Städten lebt
Deutschlands Zukunft.
Ein Ranking der 30 größten
Kommunen überrascht: Ost-Metropolen schließen zur Spitze auf.
Die Liste der Leuchttürme und Verlierer zeigt auch, wo die
Risiken für den Wirtschaftsstandort liegen,
in:
Focus Nr.38 v. 16.09.
Der Focus
veröffentlicht das
HWWI/Berenberg-Städteranking der 30 einwohnerstärksten Städte in
Deutschland. Leipzig belegt Rang 2, Dresden Rang 4, während
Chemnitz den vorletzten Platz vor Gelsenkirchen belegt.
FABRICIUS, Michael (2017):
Traumrenditen in der Provinz.
Die Mieten steigen, die Kaufpreise
sind niedrig: Ostdeutschland wird für Anleger interessant,
in:
Welt v. 21.10.
LOSSE, Bert & Katharina
MATHEIS (2017): Prinzip Darmstadt.
Exklusivstudie: Der große
WirtschaftsWoche-Städtetest zeigt, wo es sich in Deutschland am
besten arbeiten, leben und investieren lässt - und welche
Faktoren für den Erfolg einer Stadt entscheidend sind,
in:
WirtschaftsWoche
Nr.49
v. 24.11.
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