2019
LASCH, Hendrik
(2019): Schlechte Zeiten für die Regionalbahn 110.
Das sächsische Nossen ist seit 2015
vom Zugverkehr abgehängt, schöpft vor der Landtagswahl 2019 aber
Hoffnung,
in:
Neues Deutschland
v. 02.01.
"Der Bahnhof
Nossen
liegt zwar nach wie vor an Gleisen, aber nicht mehr an einer
Bahnstrecke. Am 12. Dezember 2015 fuhr zum letzten Mal die
Regionalbahn 110 in Richtung Meißen und Döbeln; dann wurde der Betrieb
eingestellt. Zu unrentabel, hieß es bei den zwei zuständigen
sächsischen Verkehrsverbünden",
berichtet Hendrik LASCH, der mit
Peter
WUNDERWALD, Abgeordneter der Grünen im Kreistag Meißen, einen
Verfechter des Schienenverkehrs vorstellt, der die straßenfixierte
Verkehrspolitik kritisiert:
"Spätestens seit der Bahnreform
1994 werde das »System Rad/Schiene systematisch an die Wand gefahren«.
Es sei »Opfer einer Verkehrspolitik, die einseitig auf die Straße
setzt«"
LASCH schildert eindrucksvoll wie
die neoliberale Verkehrspolitik in Sachsen zur Stilllegung von
angeblich unrentablen Bahnstrecken führte.
"Während im benachbarten Tschechien
auch abgelegte Strecken regelmäßig und mit modernen Fahrzeugen bedient
werden, wurde das Schienennetz im Freistaat radikal ausgedünnt: Allein
zwischen 1994 und 2012 wurde auf 39 Abschnitten mit einer Gesamtlänge
von 700 Kilometern der Personenverkehr eingestellt. Darunter sind
Trassen wie, die zwischen Annaberg-Buchholz und Schwarzenberg,
Eilenburg und Bad Düben, Hainichen und Rosswein oder auch die gut 33
Kilometer von Nossen nach Riesa. Viele wurden durch Busse ersetzt."
Proteste wurden bislang von der
sächsischen Regierung ignoriert. Es musste erst die Bundestagswahl
2017 kommen, bei der die AfD in Sachsen stärkste Partei wurde, um ein
"erstes Umdenken" zu erreichen. Das ist mehr als traurig, denn es
zeigt die eklatante Schwäche der ostdeutschen "Linken". Das Versagen
der "Linken" und der Aufstieg der Rechten als einzige Partei, die noch
auf die neoliberalen Regierungen ernstzunehmenden Druck ausüben kann,
ist ein Armutszeugnis für die Rest-Linke.
"Im Fall der Bahntrasse durch
Nossen kam die Kehrtwende bei einem Bürgergespräch, das Sachsens
Kabinett im Mai nach Freiberg führte und bei dem es Ex-Landrat Graetz
gelang, CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer persönlich für das
Anliegen zu erwärmen. (...).
Am 13. Dezember 2018, auf den Tag genau drei Jahre nach dem Ende der
RB 110, fiel im Landtag in Dresden eine Entscheidung, die (...)
Hoffnung machen könnte. Das Parlament beschloss den Haushalt für
2019/20. Er enthält (...) »Zuschüsse für strukturbestimmende
Einzelmaßnahmen«, in dem für eine mögliche Wiederinbetriebnahme der
Trasse für 2019 zwei Millionen und für 2020 bis 2023 jeweils drei
Millionen Euro eingestellt sind."
Ob es tatsächlich zu einer
Wiederinbetriebnahme kommt, ist aufgrund der hohen Kosten und den
politischen Gegebenheiten fraglich. Am Ende könnte es lediglich
Wahlkampfgetöse gewesen sein, denn die entscheidenden Akteure sehen
die Sache offensichtlich anders.
LASCH, Hendrik
(2019): Pop-up-Dinner in der Provinz.
Viele Industriebrachen, viel Platz
und ein Faible für moderne Kunst: Die Kleinstadt Zeitz bietet sich als
Zuflucht für verdrängte Großstädter an - zum Beispiel aus Leipzig,
in:
Neues Deutschland
v. 02.01.
Hendrik LASCH berichtet über die kleine Mittelstadt Zeitz in
Sachsen-Anhalt, die von den Verdrängungsprozessen im knapp 50
Kilometer entfernten
Leipzig profitieren möchte und dabei mit sächsischen Städten
konkurriert:
"Städte wie Wurzen und Grimma,
Delitzsch und Torgau rechnen sich ebenfalls Chancen aus. Zeitz liegt
jenseits der Landesgrenze in Sachsen-Anhalt und hat bisher auch keine
Anbindung an die S-Bahn, die direkt bis unter den Leipziger Markt
fährt."
LASCH, Hendrik
(2019): Mehr Augenmerk auf die Erststimme.
Sachsens Linke will bei der
Landtagswahl verstärkt um Direktmandate kämpfen, hält aber
nichts von Absprachen mit anderen Parteien,
in:
Neues Deutschland
v. 04.01.
Hendrik LASCH berichtet über die Hoffnungen der Linkspartei auf
Direktmandate in Sachsen. 2004 war die damalige PDS bei der
Landtagswahl in zwei Wahlkreisen von
Leipzig und in
Hoyerswerda
und Chemnitz erfolgreich. Bei geschwächter CDU und erstarkter AfD steigen die Chance als lachender Dritter hervorzugehen.
SDIE. (2019):
Deutsche Innenstädte sind nur mäßig attraktiv.
Leipzig liegt in der Gunst der
Passanten vorne,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.01.
GASSMANN, Michael (2019):
Attraktivste Innenstädte liegen im Osten.
Eine große Umfrage zeigt, wo
Menschen am liebsten einkaufen und ins Café gehen. Unter den
fünf Gewinnern ist nur eine West-Stadt,
in:
Welt v. 24.01.
STAUDE, Jörg
(2019): Es ist sinnvoller, Menschen individuell zu fördern.
IWH-Forscher Oliver Holtemöller
hält nichts von pauschalen Subventionen für Regionen und Unternehmen
beim Braunkohleausstieg,
in:
Neues Deutschland
v. 25.01.
SEIFERT, Sabine (2019): Was kommt nach der Kohle?
Weißwasser
- Nahaufnahme: Die Oberlausitz soll
mit Milliarden für den Kohleausstieg entschädigt werden. Im
Braunkohle-Städtchen Weißwasser ist man über die Zusage der Politik
erleichtert - es gibt aber auch Ängste,
in:
TAZ v. 22.02.
POLLMER, Cornelius (2019): Das gezeichnete Land.
Der Tagebau in der Lausitz geht zu
Ende. Jetzt träumen viele von einem Neuanfang, den es so noch nicht
gegeben hat,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 23.02.
Neben
Weißwasser
darf auch der Sachsen-Versteher
Lukas RIETZSCHEL bei der SZ nicht fehlen, denn
"ganz nett wäre auch zu erfahren,
was eigtentlich jene von der Zukunft denken, die sie in größerem
Umfang noch erleben werden. Da trifft es sich ganzgut, dass nahe der
Hochschule in Görlitz schon Lukas Rietzschel am Straßenrand auf einen
wartet. (...).
Mit Lukas Rietzschel geht es nun auf einen Roadtrip durch die Lausitz.
(...). Er wünscht sich, dass seine Heimat zu einer Art Modellregion,
zu einem Labor wird, in dem nicht alle aufs Bruttoinlandsprodukt
schielen und sich von ihm sagen lassen, wie glücklich sie gerade sein
dürfen und sollten. Wirtschaft komplett neu organisieren, Ökologie in
den Mittelpunkt nehmen, ja, warum nicht?"
Ökologie ist zur neuen Religion
geworden, aber warum sollte das die bessere Alternative zum BIP sein?
Schlagwörter machen noch keine
Lebensqualität!
IWH (2019)(Hrsg.): Vereintes Land – drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall.
Halle (Saale)
Die Broschüre ist von einer
produktivitätsorientierten Sichtweise auf Deutschland geprägt,
für die die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse eher ein
Hindernis ist:
"Am augenfälligsten zeigte
sich im Produktivitätsunterschied das West-Ost-Gefälle
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Produktivität lag
im Jahr 1991 in Ostdeutschland (einschließlich Berlin), gemessen
am Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, im Durchschnitt nur
bei 45% des westdeutschen Werts (...). Von 1991 bis 2003 nahm in
den Neuen Ländern die Produktivität schneller als in
Westdeutschland zu. Die Konvergenz bei der Produktivität verlor
aber schon Mitte der 1990er Jahre an Tempo, und in den 2000er
Jahren kommt sie höchstens noch in Trippelschritten voran. Im
Ergebnis beträgt die Produktivität im Durchschnitt der Neuen
Länder einschließlich Berlin im Jahr 2017 82% des westdeutschen
Durchschnitts. Kein ostdeutsches Flächenland reicht an das
westdeutsche Land mit der geringsten Produktivität – das
Saarland – heran. In der regionalökonomischen Debatte wird die
Frage gestellt, ob an die Stelle des kleiner gewordenen
West-Ost-Gefälles ein Süd-Nord-Gefälle tritt. Wenn die Länder
Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland,
Sachsen und Thüringen dem Süden und die übrigen Länder dem
Norden zugeordnet werden, wird in der Tat eine sich öffnende
Schere bei der Produktivität zwischen Süd- und Norddeutschland
sichtbar (...). Doch diese Schere ist immer noch viel kleiner
als der West-Ost-Abstand." (S.8f.)
WINTER, Steffen
(2019): "Ideen, egal wo".
Subventionen: Sachsens
Regierungschef Michael Kretschmer, 43 (CDU), wehrt sich gegen
Empfehlungen des Instituts für Wirtschafsforschung Halle,
künftig kein Geld mehr in die Provinz zu stecken,
in:
Spiegel Nr.11
v. 09.03.
MALZAHN, Claus Christian
(2019): Zwei Welten in Deutschland.
Ein erklärtes Ziel der
Bundesregierung ist es, "gleichwertige Lebensverhältnisse" im
Land zu schaffen - in Ost und West. Doch wie sieht die Realität
aus? Eine Geschichte aus zwei Städten - Neustadt in Bayern und
Neustadt in Sachsen,
in:
Welt
v. 09.03.
Claus Christian MALZAHN
vergleicht die Städte
Neustadt an der Aisch und
Neustadt in Sachsen folgendermaßen:
"Eine Autofahrt von Neustadt
an der Aisch in Bayern nach Neustadt in Sachsen dauert etwa vier
Stunden. An der rund 400 Kilometer langen Strecke liegen
Bamberg, Bayreuth, Hof, Plauen, Chemnitz und Dresden. (...). Das
fränkische Städtchen sieht seinem sächsischen Pendant auf den
ersten Blick ganz ähnlich aus.. (...).
In Neustadt an der Aisch wurden zum 31. Dezember 2017 insgesamt
12.941 Einwohner gezählt; in Sachsen zum selben Zeitpunkt 12.200
Bewohner. (...).
Die Arbeitslosenquote in Neustadt an der Aisch ist mit 1,5 bis
zwei Prozent verschwindend gering, es pendeln mehr Angestellte
in die Stadt hinein als heraus. Die meisten arbeiten bei Franken
Brunnen, einem mittelständischen Traditionsunternehmen. Das
Unternehmen vertreibt in Deutschland exklusiv den Almdudler.
(...). Dem örtlichen Druckereibetrieb ging es vor 20 Jahren gar
nicht gut. Es stand kurz vor der Pleite.
Dann ging der Besitzer ans Netz, die Stadt half mit digitalen
Anschlüssen. Heute ist das Unternehmen mit insgesamt 1.400
Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zuletzt 200 Millionen
Euro eine der erfolgreichsten Onlinedruckereien Europas.
(...).
Einen »Schandfleck« hat Peter Mühle, der Bürgermeister von
Neustadt in Sachsen (...) immer im Blick, wenn er aus seinem
Rathaus schaut oder über den Markt läuft. Seit Jahren verfällt
dort ein Stadthaus in der nordöstlichsten Ecke des Platzes.
(...).
Der Besitzer, ein Dresdner, lässt die Immobilie verfallen.
(...). Selbst im mit viel Geld aufgehübschten Weimar ist mitten
in der Stadt eine ähnliche Trümmerburg zu besichtigen. Auch in
Neustadt in Sachsen wirkt das abbruchreife Eckhaus wie ein
Mahnmal der deutschen Einheit inmitten einer ansonsten
blitzblank geputzten Stadtlandschaft.
Peter Mühle (...) gründete seine eigene Partei (...). Sie heißt
Neustädter für Neustadt und ist heute vor der CDU die
erfolgreichste politische Kraft in dem Städtchen. Wie Meier
wurde auch Mühle direkt zum Bürgermeister gewählt - mit fast 70
Prozent der Stimmen. (...).
Mühle leitete (...) die Werkfeuerwehr des VEB Fortschritt. Den
Betrieb (...) gibt es heute nicht mehr, abgewickelt, 6.500
Arbeitsplätze einfach weg. In Franken gab es damals
wirtschaftliche Schwierigkeiten, in den östlichen Bundesländern
eine beschäftigungspolitische Katastrophe nach der anderen.
(...).
Im sächsischen Neustadt werden inzwischen Reisemobile gefertigt.
Die Capron GmbH beschäftigt 600 Mitarbeiter (...). Die
Arbeitslosenquote ist mit derzeit rund fünf Prozent nicht so
niedrig wie in Franken, war aber in der Vergangenheit weit
höher. (...).
Wenn man die wichtigsten Daten beider Städte aneinanderlegt,
bleibt kein Zweifel, dass Neustadt an der Aisch für die
kommenden Jahre besser gerüstet ist (...): Die Bevölkerung in
Neustadt in Sachsen ist mit durchschnittlich 50,2 Jahren
deutlich älter als im fränkischen Pendant mit 44,4 Jahren.
In Neustadt an der Aisch arbeiten 7.365
sozialversicherungspflichtige Beschäftigte; drüben in Sachsen
sind es 4.500 Personen. Neustadt an der Aisch kann mit einem
Gymnasium und einem Krankenhaus aufwarten. Diese Institutionen
gab es früher auch in Neustadt in Sachsen (...). Die Liste ließe
sich fortsetzen: Bei Kitas, Restaurants und Arztpraxen hat
Franken die Nase vorn."
Verschwiegen wird uns beim
Vergleich jedoch, dass das bayerische Neustadt die Kreisstadt
des mittelfränkischen Landkreises
Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim ist während Neustadt in
Sachsen nur eine Kleinstadt im Landkreis
Sächsische Schweiz/Osterzgebirge ist. Im Grunde werden hier
Äpfel und Birnen miteinander verglichen.
GERLACH, Thomas
(2019): Die Hexenjagd von Bautzen.
Nahaufnahme: Annalena Schmidt kam
aus dem Westen in die ostsächsische Stadt. Sie mischt sich ein.
Schmidt steht für Weltoffenheit, dort, wo Rechte Morgenluft
wittern. Sie wird angefeindet, sie soll ihre Koffer packen. Doch
Annalena Schmidt beugt sich nicht,
in:
TAZ
v. 11.03.
LOCKE, Stefan (2019): Rezepte für das Labor.
Kann es sich Deutschland wirklich
leisten, seine ländlichen Regionen brach liegen zu lassen?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.03.
Stefan LOCKE kritisiert den Standpunkt der IWH-Forscher, die Stadt-
statt Landförderung fordern:
"(D)as Rezept, in der Wirtschafts-
und Regionalförderung alles auf eine Karte zu setzen, (hat sich)
bisher nicht als das bessere erwiesen. Das verdeutlichen die Beispiele
Thüringen und Sachsen (...). Während Thüringen viel Geld in nahezu
alle Teile des Landes pumpte und so auch abgelegene Regionen
lebenswert gehalten hat, in denen Mittelständler in ihren Nischen
Weltmarktführer sind, stärkte Sachsen viele Jahre vor allem seine
Metropolen Leipzig und Dresden. Diese »Leuchtturmpolitik« schuf
international wettbewerbsfähige Cluster, etwa in der Mikroelektronik,
ließ aber auch vernachlässigte Regionen zurück und geriet deshalb bei
den eigenen Leuten in Verruf. Wer heute in Ostsachsen oder im
Erzgebirge unterwegs ist, kommt sich dort im Vergleich zu Thüringen
auf machen Straßen, in manchen Orten wie in der DDR vor. Die
Wirtschaftskraft beider Länder aber unterscheiden sich so gut wie
nicht. Während Thüringen sich immens verschuldete, zahlt das sparsame
Sachsen heute vor allem einen politischen Preis - in Form von Frust,
Aufruhr, Protestwahl.
Auch dieser durchaus bekannte Umstand illustriert die Weltfremdheit
der IWH-Forscher."
LASCH, Hendrik
(2019): Die Klagen der "Sonderdeutschen".
Die Ost-West-Frage hat im 29. Jahr
der deutschen Einheit mehr Brisanz denn je,
in:
Neues Deutschland
v. 06.04.
"Im Jahr 2005 hat Christoph
Links das Buch »Am Ziel vorbei« verlegt, laut Untertitel eine
»kritische Bilanz« nach 15 Jahren deutscher Einheit. Das
Interesse war bescheiden (...).
Im September 2018 ist in Links' Verlag wieder ein Buch über den
Osten erschienen, eine »Streitschrift« der sächsischen
SPD-Politikerin Petra Köpping: »Integriert doch erst mal uns!«.
Das Buch wird Links förmlich aus den Händen gerissen (...).
Köpping (...) reist zu Vorträgen selbst ins Ruhrgebiet, wo sie
erklären soll, warum es im Osten im 29. Jahr der Einheit so viel
Unmut gibt. Die Frage füllt Zeitungsspalten,
Schwerpunktsendungen und gibt Anstoß für wissenschaftliche
Formate wie dieser Tage in Dresden und der Lausitz, »Kolonie
Ost?« hieß eine gut besuchte Tagung.
(...).
Der Soziologe Rai Kollmorgen, der in Görlitz und Zittau lehrt,
vermutet (...) eine »Enttäuschungskurve« und nennt Punkte, an
denen der Ärger wuchs: die Hartz-IV-Reform, die den Osten hart
traf; die Schuldenkrise 2008, in der nach Meinung vieler
»Griechenland« mit Geld gerettet wurde, das auch Ostdeutschland
hätte brauchen können; schließlich die »Migrationskrise« 2015.
Seither tobe verstärkt ein »Kampf um den zweiten Platz« im Land,
sagt die Berliner Migrationsforscherin Naika Foroutan. (...). Es
gebe »klare Zusammenhänge« zwischen Deprivation, also dem Gefühl
von Mangel und Verlust, sowie dem »Wunsch, andere Deprivierte
nicht an sich vorbeiziehen zu lassen«, sagt Foroutan - ein
»Wunsch«, der sich verbreitet in Stimmen für die AfD
manifestiert.
Die anderen Parteien beteuern derweil fast fieberhaft, dieser
Wunsch werde gehört. (...). Die Formel von einer »Anerkennung
der Lebensleistung« von Ostdeutschen führen Politiker fast aller
Parteien im Mund",
zitiert Hendrik LASCH
Meinungen zu den Ursachen des Unmuts in Ostdeutschland, der
niemanden interessieren würde, wenn es nicht die AfD gäbe.
NYMOEN, Ole
(2019): Halbes Hoyerswerda.
Kolonie II: Die Brikettpresse
schweigt, leere Trampoline warten auf Enkel: eine Bustour durch
die Oberlausitz,
in:
Freitag Nr.15
v. 11.04.
"In Bernsdorf, einem der
ältesten Industriestandorte der Westlausitz, wurde bis in die
frühen 1990er Jahre Glas produziert (...). Nach der
Betriebsschließung wurde der Bahnhof angeblich nicht mehr
benötigt - heute keimt Hoffnung, Bernsdorf könne doch wieder ans
Schienennetz angeschlossen werden; denn das circa 50 Kilometer
entfernte Dresden wächst und mit ihm der Bedarf an Wohnungen -
vielleicht reicht der Speckgürtel der sächsischen
Landeshauptstadt eines Tages bis hierher. (...).
In Hoyerswerda, relativ zur Bevölkerungszahl einst die
kinderreichste Stadt der DDR, hat sich die Einwohnerzahl auf
33.000 halbiert, Tendenz fallend. Es ist ein sonniger
Freitagnachmittag, auf den Straßen sind kaum Menschen zu sehen,
vor allem keine unter 30-Jährigen", schreibt Ole NYMOEN über
Orte auf einer Busfahrt, die von der Tagung "Kolonie OSt?"
veranstaltet wurde.
LASCH, Hendrik
(2019): Grüne Könige von Sachsen.
Ökopartei will im Freistaat
erstmals mitregieren. Überlegungen für Rot-Rot-Grün spielen
keine Rolle,
in:
Neues Deutschland
v. 15.04.
"Den Umfragen zufolge ist als
Alternative zu Schwarz-Blau derzeit in Sachsen nur ein Drei-
oder gar Viererbündnis von CDU, SPD und Grünen sowie eventuell
der FDP möglich. Dass die Ökopartei sich dafür wappnet, zeigt
der völlige Verzicht auf Anti-CDU-Rhetorik in ihrem
Wahlprogramm. Während es noch im August 2018 in einem Beschluss
hieß, man wolle bei der Landtagswahl »die Macht der CDU
brechen«, fehlen solche Passagen jetzt", berichtet Hendrik
LASCH.
LASCH, Hendrik
(2019): Die Balance bleibt doch gewahrt.
Sachsens Linke wählt
Kandidatenliste für die Landtagswahl. Ringen um Regionalproporz,
in:
Neues Deutschland
v. 15.04.
Hendrik LASCH berichtet über die Prozedur der Durchsetzung von
Listenkandidaten der Linken für die Landtagswahl 2019:
"Nach Platz 12 (...) wurde
dem Listenvorschlag nicht mehr in jedem Fall gefolgt. Platz 14
errang der dort zunächst nicht berücksichtigte, für seinen
unorthodoxen Politikstil bekannte Hochschulpolitiker René Jalaß;
die Leipzigerin Jule Nagel, die 2014 das einzige Direktmandat
für ihre Partei geholt hatte, kam auf Platz 15. Ihre Befürworter
betonten, dass beide bei der CDU »Schaum vor dem Mund«
verursachten. Auf Platz 13 steht Antonia Mertsching, die in
entwicklungspolitischen Netzwerken arbeitet und ihre
Entscheidung für die Linke damit begründet, dass man »die Roten
grüner, aber die Grünen nicht roter machen« könne. (...). Platz
19 erkämpfte mit der Finanzexpertin Verena Meiwald erneut eine
Abgeordnete, die es zunächst nicht auf den Listenvorschlag
geschafft hatte. Dadurch rutschte Marion Junge als erste
Vertreterin aus Bautzen auf Platz 21.
Auch dieser gilt angesichts aktueller Prognosen, welche die
Linke bei 17 Prozent sehen, als sicher."
Ob Listenplatz 21 sicher ist,
das ist zweifelhaft!
LASCH, Hendrik
(2019): Stimmungstest vor der Landtagswahl.
Kommunalwahl in Sachsen: AfD dürfte
von niedrigem Niveau kräftig zulegen. Linke mit 1.200
Kandidaten,
in:
Neues Deutschland
v. 14.05.
"Für die CDU geht es um die
Rolle als stärkste Kraft, für die Linke unter anderem um
politischen Einfluss in den drei Großstädten. (...).
In den Landkreisen und Kommunen hat die Linke weniger Einfluss,
abgesehen von Hochburgen wie Bennewitz bei Leipzig, wo sie 2014
auf sagenhafte 51,2 Prozent kam und neun der 16 Gemeinderäte
stellt, oder Lugau im Erzgebirge, wo sie 31 Prozent erreichte.
Bei den Wahlen der Kreistage fuhr man mit knapp 20 Prozent das
beste Ergebnis in Zwickau ein. Insgesamt errang die Partei vor
vier Jahren 1.200 Mandate, davon 793 in Gemeinderäten und 204 in
den Kreistagen und Stadträten der drei kreisfreien Städte. Auf
dieser Ebene hatten 782 Bewerber für die Partei kandidiert;
jetzt sind es 730, sagt Tilman Loos, Sprecher des
Landesverbandes. Für die Gemeinderäte gehen 1.200 Kandidaten ins
Rennen, 2014 waren es noch 1388 gewesen. (...).
Bürgermeisterwahlen finden parallel zur Kommunalwahl in nur 13
Städten und Gemeinden statt. In Görlitz (...) in den ehemaligen
Kreisstädten Döbeln, Werdau sowie Aue, wo nach der Fusion mit
dem benachbarten Bad Schlema erstmals ein Verwaltungschef
bestimmt wird. (...) So gut wie sicher hat die Partei den
Rathausposten im Urlauberort Gohrisch in der Sächsischen
Schweiz", berichtet Hendrik LASCH
LASCH, Hendrik
(2019): Die Freien Wähler als Trojanisches Pferd.
Kritiker verorten etliche
FW-Kandidaten für die Stadtratswahl in Dresden im "braunen
sächsischen Mief",
in:
Neues Deutschland
v. 20.05.
Hendrik LASCH macht Stimmung
gegen Kandidaten der Freien Wähler in Dresden. Genützt hat es
nichts. Die Freien Wähler zogen auf Anhieb mit 4 Kandidaten in
den
Stadtrat von Dresden ein.
LASCH, Hendrik
(2019): Die Sorge, dass es kippt.
In Sachsens Großstädten wird bei
Kommunalwahl über Mitte-Links-Mehrheiten entschieden,
in:
Neues Deutschland
v. 22.05.
"Dresden ist kein Einzelfall
in Sachsen. Auch in den Stadträten in Leipzig und
Chemnitz
stellten die Mitte-Links-Parteien in der am Sonntag zu Ende
gehenden Legislaturperiode die Mehrheit. (...).
Freilich: Ob die Mitte-Links-Mehrheiten in den drei Großstädten
noch bestehen, wenn Sachsen am 1. September einen neuen Landtag
wählt, ist ungewiss. Bei der Wahl am 26. Mai werden erhebliche
Verschiebungen der Kräfteverhältnisse in den kommunalen
Parlamenten erwartet - vor allem, weil für die AfD, die 2014
noch am Anfang ihres Aufstiegs stand, hohe Stimmzuwächse
erwartet werden", meint Hendrik LASCH.
LASCH, Hendrik
(2019): Rechtsextreme werden übermütig.
AfD fordert nach Wahlerfolg in
Sachsen "Unterordnung" der CDU - Linke gewinnt Leipzig,
in:
Neues Deutschland
v. 28.05.
"Auf kommunaler Ebene setzt
die AfD die CDU vor allem in Ostsachsen unter Druck. In den
Kreistagen von Görlitz und Bautzen stellt sie mit knapp 30
Prozent künftig die stärksten Fraktionen, im Kreis Sächsische
Schweiz/Osterzgebirge rettete die CDU einen Vorsprung von ganzen
1,2 Punkten. (...). In den mittel- und westsächsischen
Landkreisen hielt die CDU die AfD deutlicher auf Abstand, in
Zwickau und dem Vogtland sogar um mehr als zehn Prozentpunkte.
(...).
Erfreut über ihre Wahlergebnisse waren ansonsten nur die Grünen.
Sie wurden in Dresden stärkste Kraft im Stadtrat, stellen in
Leipzig die zweitstärkste Fraktion und werden künftig auch in
allen Kreistagen mit eigenständigen Fraktionen vertreten sein.
(...).
Enttäuscht zeigte sich dagegen die Linke-Landeschefin. Antje
Feiks verwies zwar auf einen Lichtblick in der Stadt Leipzig, wo
die Partei mit 21,4 Prozent zur stärksten Kraft wurde. Mit Blick
auf die Wahl im Herbst (...), sagte Feiks, in Leipzig habe man
in vier der sieben Landtagswahlkreise vor der CDU gelegen. In
der Fläche allerdings schnitt die Linke schwächer als 2014 ab",
berichtet Hendrik LASCH über
das
Abschneiden der Parteien bei der Kommunalwahl in Sachsen.
In Bautzen sieht es ganz düster aus: Die Linke verliert 9,4
% der Stimmen und kommt nur auf 3 Sitze. Die CDU bricht sogar um
11,2 % ein und kommt auf 8 Sitze, ist damit noch stärkste
Fraktion vor der AfD (7 Sitze)
LASCH, Hendrik
(2019): (K)eine rote Insel im schwarz-blauen Meer.
In Leipzig wurde die Linke bei der
Stadtratswahl stärkste Kraft - nicht nur dank
"Latte-Macchiato-Linker",
in:
Neues Deutschland
v. 11.06.
LASCH, Hendrik
(2019): Keine Zeit zum Wundenlecken.
Sachsens Linke beschließt ihr
Programm für die Landtagswahl und setzt dabei auf "revolutionäre
Realpolitik",
in:
Neues Deutschland
v. 24.06.
Hendrik LASCH präsentiert uns die Phrasendrescher der
Linkspartei, die sich angesichts ihrer desolaten Lage nach
Kommunal- und Europawahl, mit Pfeifen im Walde üben. Da wird
z.B.
"eine
Absage (erteilt), Kretschmer als eine Art letzten Garant gegen
eine bundesweit erste schwarz-blaue Koalition zu unterstützen."
Das ist wohl eine völlige
Verkennung der Sachlage.
LASCH, Hendrik
(2019): Ein sichtbarer Gegenentwurf.
Sachsen: Initiativen wollen vor
sächsischer Landtagswahl für ein rot-rot-grünes Bündnis werben,
in:
Neues Deutschland
v. 26.06.
Hendrik LASCH berichtet über die Initiative
Sachsen#umkrempeln, die den verzweifelten Versuch für ein
rot-rot-grünes Bündnis gestartet hat. Prominente Politiker
fehlen bei der Initiative genauso wie der Wille der drei
Parteien sich gegen die rechte Mehrheit ein eigenes Profil zu
geben. Wer wie die sächsischen Grünen, Linken und
Sozialdemokraten lieber mit der CDU kuschelt, der wird die
Quittung am 1. September erhalten.
LASCH, Hendrik (2019): Nur Daumendrücken reicht nicht.
Sachsens CDU beschließt
Wahlprogramm. Kretschmer attackiert AfD als "Miesmacher",
in:
Neues Deutschland
v. 11.06.
Hendrik LASCH zählt noch einmal die AfD-getriebene Programmatik
der sächsischen CDU auf, deren Versäumnisse aufgrund ihrer
neoliberalen Austeritätspolitik nicht wett zu machen sind. Und
warum die CDU wählen, wenn nur die AfD ein Garant für einen
Politikwechsel bei der CDU ist?
KLOTH, Martin
(2019): Berggeschrey im Erzgebirge.
Ansturm auf Bodenschätze.
Erzbergbau erlebt in Sachsen eine Renaissance,
in:
Neues Deutschland
v. 04.07.
"Das erste und derzeit
einzige Untertagebergwerk in Sachsen seit 1992 ist die Grube
Niederschlag bei Oberwiesenthal. Dort wird Fluss- und Schwerspat
abgebaut. Weitere aktive Bergwerke könnten im Schwarzenberger
Ortsteil Pöhla für Zinn und Wolfram, in Zinnwald für Lithium und
in Schleife (Landkreis Görlitz) für Kupfer entstehen. »Diese
drei Projekte haben ein Recht auf Errichtung und den Betrieb
eines Bergwerks«, so Cramer.
In Pöhla erkundet das Unternehmen Saxony Minerals & Exploration
AG (SME) aus Halsbrücke (Landkreis Mittelsachsen) seit Dezember
2016 das Erdreich (...). 2021 soll in Pöhla der Betrieb
aufgenommen und bereits im Jahr darauf die Höchstfördermenge von
400.000 Tonnen Erz pro Jahr erreicht werden", berichtet Martin
KLOTH.
LASCH, Hendrik
(2019): Kreistag kommt der NPD entgegen.
Sachsen: Lokalparlament im
Erzgebirge will Ausschuss zugunsten eines Rechtsextremen
vergrößern,
in:
Neues Deutschland
v. 04.07.
Hendrik LASCH berichtet über einen Konflikt im
Kreistag des
Erzgebirgskreises, in dem seit der Kommunalwahl 2019 die AfD
mit 21 von 98 Sitzen die zweitstärkste Kraft wurde. Die CDU ist
mit 32 Sitzen stärkste Kraft, während die Linke nur noch
drittstärkste Kraft (11 Sitze) ist. Die NPD verlor 2 ihrer
bisher 4 Sitze. Beim Konflikt ging es um die Vergrößerung des
Kreis- und Finanzausschusses von 18 auf 24 Mitglieder, darunter
auch ein NPD-Mitglied.
LOCKE, Stefan (2019): Gelebte Demokratie mit eklatanten formalen
Fehlern.
Sachsens AfD verliert 43
Listenplätze,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 06.07.
Stefan LOCKE verschanzt sich hinter der Landeswahlleiterin, die die
Schuld bei der AfD sieht, die ihre Landesliste zu spät eingereicht
habe, denn sonst hätte man die formalen
Fehler "heilen" können.
MEYER, Robert D.
(2019): AfD-Liste teilweise ungültig.
Partei darf in Sachsen nur mit 18
Kandidaten antreten,
in:
Neues Deutschland
v. 06.07.
"Ob die AfD über eine große Zahl
von Direktmandaten die vom Wahlausschuss vorerst zusammengestrichene
Landesliste ausgleichen kann, hängt auch davon ab, wie sich die
anderen sächsischen Parteien verhalten. Denkbar ist, dass sich
Bewerber in stark umkämpften Wahlkreisen absprechen, um einen Erfolg
der Rechtsaußenpartei zu verhindern", hofft Robert D. MEYER.
PRIZKAU, Anna (2019): Chemnitz in echt und in Farbe.
Seit letztem Jahr denkt man an
Skins, wenn man an Chemnitz denkt. Doch was geschieht da jetzt? Wenn
man mit Frank Müller-Rosentritt, einem FDP-Politiker aus dem Osten,
durch die Stadt geht, staunt man: wie eine Region mit autonom
fahrenden Autos, gutem Rap und pragmatischen Demokraten die Lasten der
Vergangenheit abzuschütteln versucht,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 07.07.
NIMZ, Ulrike (2019): Folgenreicher Formfehler.
Die AfD hat bei der
Listenaufstellung in
Sachsen gepatzt. Das könnte sie bei
der Landtagswahl im September Sitze kosten - zur Freude ihrer Gegner,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 09.07.
LACHMANN, Harald (2019): "Eine sehr
spezifische Kultur des Miteinanders".
Sachsen: Das ostsächsische Zittau
hat die Talsohle durchschnitten und meldet wieder mehr Zu- als
Wegzüge,
in:
Neues Deutschland
v. 09.07.
"Zittau
(schrumpfte) von 40.000 auf gut 25.000 Einwohner. Die ganze Dramatik
zeigen die Beschäftigtenzahlen: Von 1991 zu 2017 sanken sie von über
35.000 auf knapp 11.500 Sozialversicherte.
Hauptgrund ist Zittaus extreme Grenzlage im Dreiländereck zu Polen und
Tschechien: Nicht nur, dass zwei Drittel des Hinterlandes bereits in
Tschechien und Polen liegen, auch die Förderprioritäten sächsischer
Landesentwicklung endeten weit vorher."
Harald LACHMANN präsentiert uns die
Sicht der Stadtverwaltung mit ihrem parteilosen Oberbürgermeister
Thomas ZENKER, den die Wählergemeinschaft "Zittau kann mehr" 2015
nominiert hat. Eine Rückkehrerbörse soll seit 2017 junge Familien
anlocken. Außerdem wird auf EU-Fördergelder gesetzt. Firmen sollen mit
Subventionen gelockt werden.
"Inzwischen kooperieren auch
Sachsen und Böhmen mit einem gemeinsamen Förderprogramm über Grenzen
hinweg, um die Region aus ihrer Randlage zu holen",
erläutert LACHMANN. Da stellt sich
nur eine Frage: Warum erst jetzt? Im Grunde ist der Artikel nichts als
eine kostenlose Werbeanzeige, denn Zittau bewirbt sich als
Europas Kulturhauptstadt "Zittau Dreiländereck 2025". Zudem soll
an eine glorreiche Vergangenheit angeknüpft werden: den Oberlausitzer
Städtebund, der von Görlitz, Löbau, Bauten, Kamenz, Zittau und dem
polnischen Luban von 1346 bis 1815 existierte. Wenn so
kosmopolitisches Denken aussieht, dann ist das eher ein Armutszeugnis!
Am Ende wird in der "Parteizeitung"
noch der Linken gehuldigt, die bei der Oberbürgermeisterwahl 2015 in
Zittau kläglich scheiterte und nun mit dem Slogan "Zittau muss munter
werden" bei der Kommunalwahl antrat.
Das Ergebnis teilt uns LACHMANN lieber nicht mit, denn die AfD
wurde mit 7 Sitzen stärkste Fraktion im Stadtrat, dahinter folgten
"Zittau kann mehr" (5 Sitze), CDU (4 Sitze) und Linke sowie "Freie
Unabhängige Wähler" je 3 Sitze.
Tabelle:
Bevölkerungsentwicklung der Großen Kreisstädte im
Landkreis Görlitz 2016 bis 2017 |
Große Kreisstädte |
31.12.2016 |
31.12.2017 |
Veränderung
2016/2017 |
31.12.2018 |
Veränderung
2017/2018 |
Görlitz |
55.904 |
56.391 |
+ 487 (+ 0,9 %) |
56.324 |
- 67 (- 0,1 %) |
Löbau |
15.003 |
14.767 |
- 236 (- 1,6 %) |
14.643 |
- 124 (- 0,8 %) |
Niesky |
9.543 |
9.444 |
- 99 (- 1,0 %) |
9.402 |
- 42 (- 0,4 %) |
Weißwasser/Oberlausitz |
16.660 |
16.348 |
- 312 (- 1,9 %) |
16.130 |
- 218 (- 1,3 %) |
Zittau |
25.723 |
25.575 |
- 148 (- 0,6 %) |
25.381 |
- 194 (- 0,8 %) |
|
Quelle:
statistik.sachsen.de Einwohnerzahlen nach Gemeinden |
Der Bevölkerungsverlust in Zittau
lag 2016/2017 noch knapp unter dem Landkreisverlust von 0,7 %,
2017/2018 aber knapp darüber. Den höchsten Bevölkerungszugewinn gab es
2017/2018 in der Stadt
Bad
Muskau (+ 1,6 %), die höchsten Verluste gab es 2016/2017 in
Schleife (- 3,5 %) und 2017/2018 in
Weißkeißel (- 3,0 %).
LASCH, Hendrik
(2019): Der AfD ein Dorn im Auge.
Zivilgesellschaftliche Initiativen
in Sachsen müssen eine Regierungsbeteiligung der
Rechtspopulisten fürchten,
in:
Neues Deutschland
v. 09.07.
KUHN, Philipp
(2019): "Sachsen ist ein aufgewühltes Land".
Veränderung wird als Verlust der
eigenen Identität empfunden, das persönliche Umfeld wird umgewälzt -
und Rechtspopulisten profitieren. Ein Gespräch mit dem Forscher Hans
Vorländer,
in:
Welt
v. 10.07.
"Die Landtagswahl wird angefochten,
und die AfD wird sie überprüfen lassen. Sollte die Entscheidung des
Landeswahlausschusses nicht hieb- und stichfest sein, werde es zur
Neuwahl kommen, sagt Rozek. Der Landtag kann sich dennoch auf der
Basis des Wahlergebnisses konstituieren, auch Gesetze beschließen.
Selbst wenn die Wahl nachträglich für ungültig erklärt würde, blieben
alle Akte, die das Parlament bis dahin getroffen hat, gültig", meint
der Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an
der Technischen Universität Leipzig.
HÄHNIG, Anne
(2019): Mehr Bürokratie wagen.
Sachsen: Die AfD erlebt in Sachsen
ein Desaster: Regelverstöße könnten die Partei im Herbst die Hälfte
ihrer Mandate kosten,
in:
Die ZEIT Nr.29
v. 11.07.
SCHILK, Felix & Konstantin NOWOTNY (2019): Der Genosse mit dem
Punk.
Sachsen: Im Freistaat kommt die
Linkspartei mit ihren inneren Gegensätzen gut klar. Aber jetzt
stehen Wahlen an,
in:
Freitag Nr.28 v. 11.07.
SCHILK & NOWOTNY schildern wie die Linkspartei in Sachsen und im
Osten sich selber sieht.
Sie sei neben der CDU dort die einzige Volkspartei.
Doch das ist Vergangenheit. Das Problem der Linken
schildern SCHILK & NOWOTNY folgendermaßen:
"Einerseits möchte die Partei
jene jungen linken Kosmopoliten gewinnen, die gerade den Grünen
zufliegen, andererseits jene nicht vergraulen, die statt
Inklusion, gendergerechter Sprache und Kohleausstieg eher höhere
Löhne und Renten, niedrigere Mieten und die deutsch-russische
Freundschaft für vorrangig halten. Das erfordert unterschiedliche
Ansprachestrategien."
Die Linkspartei ist für ihre
traditionellen Milieus keine Partei mehr, die ihre Interessen
vertritt, sondern vorrangig geht es KIPPING & Co. um studentische
Milieus in den wenigen Großstädten, z.B. in Leipzig:
"Bei den Kommunalwahlen im Mai
wurde sie in der größten Stadt des Freistaates stärkste Kraft. Vor
zwei Jahren zog der Leipziger Grundschullehrer Sören Pellmann per
Direktmandat in den Bundestag (...). Eine »linke Insel« im
»rechten Sachsen« ist Leipzig dennoch nicht. (...).
Die Partei hat noch einen weiteren Feind: den Tod. Sachsen ist
alt, und Sachsen ist vor allem Fläche. Allein der
deindustrialisierte Erzgebirgskreis verfügt über mehr
Wahlberechtigte als Leipzig, die zehntgrößte Stadt Deutschlands.
Dort gehen der Linken die Stammwähler verloren. Jeder vierte
Sachse ist 65 Jahre und älter. 2007 hatte die Partei hier noch
5.000 Mitglieder mehr als heute: 13.000. Hauptproblem der Linken
ist das Fehlend er mittleren Jahrgänge, die den demografischen
Verlust ausgleichen könnten - jene Wendegeneration, die nach 1989
wegging oder heute oft bei Pegida marschiert und
überdurchschnittlich häufig AfD wählt".
Die Linkspartei ist keine
Protestpartei, dazu war sie zu lange in neoliberalen Regierungen
mitbeteiligt und für die Probleme des Ostens mitverantwortlich.
Wer zudem so sehr nach der Macht schielt, dass selbst die CDU zum
möglichen Koalitionspartner zu werden droht, der darf sich über
den eigenen Niedergang nicht wundern, zumal die Grünen als Öko-FDP
längst die Rolle der FDP als Zünglein an der Waage spielt. Die
Linke droht genauso überflüssig zu werden wie die SPD, wenn sie im
Revier der Grünen zu wildern versucht.
HIPP, Dietmar
(2019): "Unprofessionell".
Sachsen: Die Juraprofessorin Sophie
Schönberger kritisiert den Ausschluss etlicher AfD-Listenkandidaten
von der Landtagswahl,
in:
Spiegel Nr.29
v. 13.07.
LOCKE, Stefan (2019): Ab jetzt wird nur noch vor Wut gekocht.
Landtagswahl in Sachsen: Sieben Wochen vor der Landtagswahl läutet
die AfD in Sachsen den Wahlkampf ein. Die Redner überbieten sich an
Provokationen und werden dafür von der Basis gefeiert,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.07.
LALOIRE, Lotte
(2019): Sachsens CDU muss sich bekennen.
Landtagswahl in Sachsen: Zwei Drittel lehnen eine Koalition mit
der AfD ab. Linke findet die Kampagne "bekloppt",
in:
Neues Deutschland
v. 16.07.
"Eine Gruppe, die sich lautstark
gegen eine Regierungsbeteiligung der AfD einsetzt, ist »Zukunft
Sachsen«. Nach erfolgreichen Aktionen mit Hollywood-Stars gegen einen
rechten Bürgermeister in Görlitz führte die Gruppe nun eine Umfrage
durch. Von den Direktkandidaten der CDU wollte »Zukunft Sachsen«
wissen, ob sie eine Koalition mit der AfD ausschließen. Das Ergebnis:
45 von 60 Befragten sind klar gegen eine gemeinsame Regierung",
berichtet Lotte LALOIRE.
NIMZ, Ulrike & Antonie RIETZSCHEL (2019): "Zeigen, dass hier noch was
geht".
Sachsen: Was können West- und Ostdeutsche
aus der OB-Wahl von Görlitz lernen? Ein Disput zwischen Octavian Ursu
von der CDU, der nur mit Mühe gegen die AfD gewann, und dem Autor
Lukas Rietzschel,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 20.07.
JAKOB, Christian
(2019):
Aufbäumen gegen rechts im Osten.
Nahaufnahme: Wer sich in den
AfD-Hochburgen zivilgesellschaftlich engagiert, stößt oft auf
Widerstand und öffentliche Ablehnung. Vier Aktivist*innen von
#unteilbar setzen auf die Solidarität der Linken,
in:
TAZ v. 20.07.
"Sachsen hatte den glücklichen
Umstand, dass die Wahl vor fünf Jahren am Anfang der AfD lag. Wir
hatten jahrelang die kleinste AfD-Fraktion, und durch Spaltungen ist
sie noch kleiner geworden. Aber bei EU- und Kommunalwahl hat sie in
manchen Ortschaften 40 Prozent errungen. Und das wird die Gesellschaft
in Sachsen wirklich verändern. Fünf vor zwölf ist schon vorbei", meint
ein Aktivist.
SCHÄFER, Christoph (2019): Schatzsuche im Erzgebirge.
In Sachsen schürft ein Investor
nach Wolfram und Zinn. Er verspricht Arbeitsplätze und wichtige
Rohstoffe für die deutsche Industrie. Doch die Anwohner rebellieren,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 21.07.
Christoph SCHÄFER berichtet über ein Minenprojekt der Saxony Minerals
& Exploration AG (SME) in
Pöhla, einem Ortsteil der Kreisstadt Schwarzenberg im Erzgebirge.
Der Bergbau in Deutschland ist zu teuer, weshalb die Politik den Abbau
subventionieren soll. Dafür soll der davongejagte CDU-Fraktionschef
Volker KAUDER sorgen, der dafür mit einem Aufsichtsratposten belohnt
wird.
"Das Projekt in Pöhla ist weit
fortgeschritten. Zwölf Millionen Euro hat SME schon in das Vorhaben
gesteckt - und geht nun auf die Zielgerade",
schreibt SCHÄFER, der insbesondere
die Rohstoffstrategie der Bundesregierung kritisiert. China gilt dabei
als Vorzeigeland, das "sowohl für Magnesium als auch für seltene Erden
nahezu eine Monopolstellung geschaffen" hat.
NIMZ, Ulrike/POLLMER, Cornelius/RIETZSCHEL,
Antonie (2019): Lasst sie nur reden.
Brandenburg, Sachsen,
Sachsen-Anhalt, Thüringen: Die Ansage der Union ist eindeutig, keine
Kooperation mit der AfD. Seitdem rumort es bei den Christdemokraten im
Osten Deutschlands: Weiß ihre Partei eigentlich, was sie da fordert?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 22.07.
NIMZ/POLLMER/RIETSCHEL porträtieren u.a. Martin PATZELT, der sein
Direktmandat bei der Bundestagswahl 2017 in Frankfurt/Oder gegen
AfD-Mann Alexander GAULAND verteidigte, und einer Koalition mit der
AfD nicht grundsätzlich ablehnt.
"Das Klischee vom entvölkerten,
wütenden Osten, es greift nicht als abschließende Erklärung für die
Erfolge der AfD, auch nicht in Meißen, Sachsen. (...). Bei der
Kommunalwahl hat die AfD hier in der Region eines ihrer besten
Ergebnisse erzielt",
schreiben NIMZ u.a., die mit dem
CDU-Landrat des Kreises, Arndt STEINBACH, gesprochen haben. Im Meißner
Kreistag ist die AfD zweitstärkste Fraktion, mit einem von ihnen,
Julien WIESEMANN, haben sich NIMZ u.a. getroffen. Als einstiger
Gefolgsmann der nationalkonservativen Frauke PETRY gilt er als
"gemäßigt" (eine Umschreibung für alle in der AfD, die nicht zum
völkischen Flügel gehören). Tatsächlich sind jedoch die
Nationalkonservativen in der AfD diejenigen, die eine Brücke zu den
etablierten Parteien darstellen, d.h. die AfD erst salonfähig machen.
Nationalkonservatismus und Neoliberalismus sind enge Verbündete im
Geiste. Idealtypisch verkörpert durch den populären Ökonom Hans-Werner
SINN, der von Bayern aus diese unselige Allianz popularisierte. Zu
Thilo SARRAZIN ist es dann nur ein winziges Schrittchen!
LASCH, Hendrik
(2019): Ende der Bewährung.
Landtagswahl in Sachsen: Die sächsische CDU lässt ihren
Spitzenmann Michael Kretschmer allein um Stimmen kämpfen,
in:
Neues Deutschland
v. 23.07.
KÖCHER, Renate (2019):
Das ostdeutsche Identitätsgefühl.
In Ostdeutschland verstärkt sich
das Empfinden, abgehängt zu sein. Das schlägt sich in den
Parteipräferenzen nieder,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.07.
PEIKERT, Linda (2019):
Juliane Nagel ist für Rechte und Sachsens CDU ein rotes Tuch.
Unter Leuten: 8,7 Millionen
Menschen leben in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Hier ist eine
von ihnen,
in:
TAZ v. 24.07.
BARTSCH, Michael
(2019):
Heimatflair zum Wahlkampfstart.
Für Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer begann am Montagabend die Überlebensschlacht der
CDU im Görlitzer Wahlkreis. Es gab Bratwurst und Bier,
in:
TAZ v. 24.07.
ELLERSIEK, Helke (2019): Wo Anderssein gefährlich ist.
Queer: Manuela Tillmanns berät
LSBTIQA-Personen im sächsischen Hinterland. Die baldigen Wahlen
bereiten ihr Sorge,
in:
Freitag Nr.30 v. 25.07.
"»Que(e)r durch Sachsen«
(...). Organisiert wird das Projekt gemeinsam mit dem Leipziger
Verein RosaLinde. Fast immer sind des Orte wie Grimma, Torgau,
Döbeln, Freiberg oder Eilenburg (...): mittelgroße sächsische
Städte, die vom Dorf aus besser erreichbar sind als Leipzig (...).
Die Räume stellen mal befreundete Vereine und Jugendzentren, mal
ein Amt zur Verfügung",
berichtet Helke ELLERSIEK über
einen Verein, der sich für ein Leben jenseits der
"Heteronormativität" einsetzt. Den akademischen Begriff
"Heteronormativität" kann man im weitesten Sinne als
Leben jenseits der
Normalfamilie übersetzen. Während in den 1990er Jahren der
Kampf um abweichende Lebensformen noch unter dem Begriff "Single"
geführt wurde, wird nun im Zeichen der Identitätspolitik der
Begriff "LSBTIQA" verwendet, der dezidiert die sexuelle
Orientierung statt die Lebensform in den Vordergrund rückt.
Leipzig gilt weithin als die
einzige weltoffene Großstadt in Sachsen. Doch auch dort sind die
Zeiten längst härter geworden, auch wenn die linken Parteien das
nicht zugeben wollen.
"Der Verein wappnet sich für
die Landtagswahlen in Sachsen im September. Die RosaLinde fürchtet
um ihre Finanzierung: Noch kommen viele Gelder über den Freistaat.
Wenn die AfD in Sachsen hohe Ergebnisse einfahren oder sogar an
der Regierung beteiligt werden sollte, wird dieser Geldhahn wohl
zugedreht. Wie viele sächsische Vereine, die sich für eine offene
Gesellschaft einsetzen, will nun auch die RosaLinde ihre
Mitgliederzahlen erhöhen. Um die 150 sind es derzeit. Bis zum Ende
des Jahres müssen es 500 werden, damit der Verein unabhängig vom
politischen Wohlwollen werde, heißt es in einem Aufruf",
erzählt uns ELLERSIEK die
Strategie. Die "offene Gesellschaft" war einst ein Etikett der
Liberalen, das kein Linker für sich reklamiert hätte. Es stand
nach dem Ende der sozialliberalen Epoche für einen
gesellschaftsspaltenden Neoliberalismus. Der Rechtsruck ist so
sehr in den Köpfen der "Linken" verankert, dass ihnen die
Untauglichkeit ihrer Strategien gar nicht mehr auffallen.
BAECK, Jean-Philipp (2019): "Die AfD-Liste hätte nicht gekürzt
werden dürfen".
Bei der Landtagswahl in Sachsen
dürfen viele AfDler wegen formaler Fehler nicht antreten. Der
Grünen-Wahlrechtsexperte Wilko Zicht hält das allerdings für
falsch. Warum?
in:
TAZ v. 25.07.
In der Presse konnte man
bislang lesen, dass die Liste der AfD zu spät eingegangen sei, um
Fehler zu korrigieren. Dagegen sagt Wilko ZICHT:
"In einem Wahlkreis in
Brandenburg ist zum Beispiel ein AfD-Kandidat nicht zugelassen
worden, nur weil eine Unterschrift fehlte. Derartige Mängel hatte
die Sachsen-AfD aber noch fristgerecht ausgebessert."
Was also stimmt? ZICHT sieht in
einer möglichen Neuwahl aufgrund einer erfolgreichen
AfD-Beschwerde das eigentliche Problem.
ZICHT sieht zudem nicht,
dass die Kürzung der AfD-Liste einen Vorteil für die Linkspartei
bzw. die Grünen bringen würde.
Für die Antifa ist jedoch das
einzige Programm, die AfD zu verhindern - notfalls auch um den
Preis, allein die CDU zu stärken. Das könnte ins Auge gehen, wenn
die CDU dann mit der AfD koaliert, was trotz aller Beteuerungen
nicht ausgeschlossen ist.
BECKER, Kim Björn (2019): War es ein Parteitag, oder waren es doch
zwei?
Sachsens AfD und das Listenproblem,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.07.
Kim Björn BECKER berichtet über die Entscheidung des sächsischen
Verfassungsgerichts in Leipzig, das die Entscheidung des
Landeswahlausschusses korrigiert hat. Statt der 18 Listenplätze werden
der AfD nun 30 Listenplätze zugestanden:
"Der Mittelweg, für den sich das
Verfassungsgericht aussprach, trägt beiden Aspekten Rechnung - den
Bedenken des Ausschusses und den gravierenden Folgen seiner
weitreichenden Entscheidung. Deshalb machte es den Wechsel des
Wahlverfahrens von Listenplatz 30 an zum Maßstab und akzeptierte die
Beschwerde der AfD bis zu diesem Punkt. Den Entschluss des
Ausschusses, einen Großteil der Kandidaten aufgrund von angeblichen
Formfehlern zurückzuweisen, sei »nach vorläufiger Bewertung mit hoher
Wahrscheinlichkeit rechtswidrig«. Eine abschließende Bewertung will
das Gericht am 16. August abgeben."
Spätestens seit dem
Spiegel-Interview vom 13.07.
wurde offensichtlich, dass die Entscheidung des Landeswahlausschusses
ein Desaster war. Der Leipziger Richterspruch korrigiert nun den
gröbsten Unfug. Ob damit eine Wiederholung der Landtagswahl in Sachsen
abgewendet werden kann, wird sich zeigen müssen.
GAMMELIN, Cerstin (2019): Ende Gelände.
Wirtschaftsreport: Im Osten der
Lausitz stand einst das größte Energiekombinat der DDR. Den Fall der
Mauer hat es nicht überlebt. Heute gibt es immerhin noch einen echten
Exportschlager - zumindest bis 2038. Und dann?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.07.
"Schwarze
Pumpe, das war lange nur eine Siedlung zwischen den Städten
Hoyerswerda und Cottbus. (...). Dann musste die DDR aufgebaut werden,
und der Ort wurde zum Symbol der ostdeutschen Industrie.
Kohle wurde zum Lebensinhalt. Bis zu 40.000 Menschen arbeiteten in
einem mehr als tausend Fußballfelder großen Industrieareal mit
Tagebauen, Kraftwerken, Kokereien, Gasspeichern.
(...).
Die frühere Treuhand-Chefin Birgit Breuel, zuständig für die
Abwicklung der DDR-Wirtschaft, sagte jetzt in einem Interview der FAS,
sie habe gemeinsam mit der Bundesregierung »die Strategie der
industriellen Kerne entwickelt«. In Schwarze Pumpe gaben sich die
Investoren die Klinke in die Hand: Westdeutsche, Schweden, Tschechen.
Die Treuhand-Strategie trug dazu bei, dass in der Lausitz Zehntausende
Lebensläufe unterbrochen wurden, wie in ganz Ostdeutschland",
schreibt Cerstin
GAMMELIN über die brandenburgisch-sächsische Region, die heutzutage
für die Medien und Politiker nur wegen Wahlen von Bedeutung ist:
"Die Ergebnisse der Europawahl sind
alarmierend. In Südbrandenburg hat die AfD zweistellig zugelegt, auf
bis zu 30 Prozent. Und die Grünen? Sind meist einstellig. Auf der
sächsischen Seite sieht es genauso aus. (...).
Sachsen und
Brandenburg haben etwa eine Million Einwohner verloren
seit den 1990er-Jahren. Heute kann Schwarze Pumpe die Grippe haben,
ohne dass es jemand in der Republik mitkriegt.
Außer jetzt, so kurz vor den Wahlen."
NIMZ, Ulrike (2019): 39 aus 61.
Sachsens Verfassungsgericht gesteht
der AfD mehr Landtagskandidaten zu - das reicht der Partei nicht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.07.
"Für die AfD ist die Entscheidung
Erfolg und Dämpfer. Zwar ist das Risiko unbesetzter Landtagsmandate
nun deutlich kleiner. Zugleich bremst das Urteil den Wahlkampf der
Partei aus. Die Kürzung der Liste wirkte wenige Wochen vor der
Landtagswahl wie ein Katalysator, ermöglichte die Verknappung
politischer Inhalte auf ein Narrativ, das zumindest im Osten als
Gründungsmythos der Partei gelten kann: Wir gegen das System. (...).
Die Partei braucht den Furor, die angebliche Ungleichbehandlung, um
weiter zu mobilisieren",
meint Ulrike NIMZ, die der AfD
vorwirft, dass sie nach der Entscheidung des Landeswahlausschusses
keine Selbstkritik geübt hat, und stattdessen auf Angriff ging. Man
könnte das auch anders sehen: der Landeswahlausschuss hat ein falsches
Urteil gefällt und der AfD Schützenhilfe geleistet.
MEYER, Robert D.
(2019): AfD in Sachsen darf doch mit längerer Liste antreten.
Das Verfassungsgericht korrigiert
die Entscheidung der Landeswahlleitung teilweise. Das endgültige Urteil
steht noch aus,
in:
Neues Deutschland
v. 27.07.
"Bisher ist es bundesweit gängige
Praxis, dass sich eine Partei gegen die Entscheidung eines
Wahlausschusses erst nach einer Wahl juristisch wehren kann.
Konsequenzen hatte dies in der bundesrepublikanischen Geschichte
bisher nur ein Mal: 1993 erklärte das Verfassungsgericht Hamburg die
Bürgerschaftswahl von 1991 für ungültig", erklärt uns Robert D. MEYER.
KAMANN, Matthias
(2019): Wenig für die AfD, aber viel für das deutsche Wahlrecht.
Nach einem Richterspruch können die
Rechtspopulisten mehr Kandidaten zur Landtagswahl in Sachsen ins
Rennen schicken - aber nicht so viele, wie sie wollten.
Parteienrechtler hält das Urteil für wegweisend,
in:
Welt
v. 27.07.
KAMANN, Matthias
(2019): "So etwas hat noch kein Gericht gemacht".
Rechtswissenschaftler Morlok über
die Entscheidung zu Sachsens umstrittener AfD-Landtagswahlliste,
in:
Welt
v. 27.07.
Matthias KAMANN interviewt den
emeritierten Professor für Öffentlichtes Recht, Rechtstheorie und
Rechtssoziologie Martin MORLOK zum Urteil des Leipziger
Verfassungsgericht, der darauf hinweist, dass AfD-Versammlungsleiter
den Wechsel des Wahlverfahrens beim Bundesparteitag zur Europawahl
2019 im sächsischen Riesa abgelehnt haben:
"Insofern müssten nun die
sächsischen AfDler (...) gegen die Überzeugungen anerkannter Experten
in ihrer eigenen Partei argumentieren. Ob sie das wirklich versuchen
wollen, wird sich spätestens bei der Hauptverhandlung am 16. August
zeigen."
DPA/ND
(2019): Kein Zug wird kommen...
Städtebahn Sachsen stellt Betrieb
auf all ihren Strecken ein,
in:
Neues Deutschland
v. 27.07.
Die Agenturmeldung informiert über
die Einstellung des Betriebs durch die Städtebahn Sachsen auf
sächsischen Schienen, ohne auf die Insolvenz des Unternehmens
einzugehen. Stattdessen werden uns Politikermeinungen präsentiert.
SCHMIDT, Christina
(2019): "Man greift auf uns als Klischee zurück".
Landtagswahl in Sachsen: Heiko Kosel ist Landtagsabgeordneter in
Sachsen - und Sorbe. Er fordert eine eigene Partei für Sorben. Denn
die bestehenden hätten ihr Versprechen gebrochen,
in:
TAZ
v. 30.07.
Christina SCHMIDT interviewt den
Linkspartei-Nachrücker Heiko KOSEL, der für die Dresdner
Bürgermeisterin
Annekatrin KLEPSCH im Sächsischen Landtag sitzt. KLEPSCH war 2014
auf Listenplatz 2 in den Landtag gekommen. 2019 tritt KOSEL als eher
chancenloser Direktkandidat im
Wahlkreis 56 Bautzen 5 an. Auf der Liste belegt er den letzten
Platz 60. KOSEL klagt deshalb:
"(A)ktuell haben wir eine
Situation, in der die Gefahr besteht, dass kein Sorbe mehr im
Sächsischen Landtag vertreten sein wird. Meine Partei hat mich auf den
letzten Listenplatz gesetzt und die Abgeordneten der CDU haben auch
nicht gerade aussichtsreiche Plätze. gleichzeitig bangen sie um
Direktmandate wegen der Konkurrenz der AfD."
Warum aber wird in der
"Parteizeitung" der Grünen die Repräsentation von Sorben bei den
Grünen nicht genannt? Schließlich geht es den Grünen ja um die
"Ethnisierung" von Konflikten, zumindest wenn solche "Völker" als
Minderheiten etikettierbar sind.
LASCH, Hendrik
(2019): Taktik schadet der AfD nicht mehr.
Landtagswahl in Sachsen: Nach Urteil des Verfassungsgerichts
bleiben vermutlich keine Mandate mehr unbesetzt,
in:
Neues Deutschland
v. 31.07.
LASCH, Hendrik
(2019): Ende der schwarzen Dominanz.
Landtagswahl in Sachsen: Während Sachsens Linke auf mehr als ein
Direktmandat hofft, könnten Grüne erstmals Wahlkreise gewinnen,
in:
Neues Deutschland
v. 31.07.
SCHRÖRS, Tobias (2019): Noch ist Wahlkreis 37 nicht verloren.
Landtagswahl in Sachsen: In Sachsen wehrt sich die CDU gegen die
aufstrebende AfD. Ministerpräsident Kretschmer will bis zur Wahl allen
Bezirken einen Besuch abstatten - ob das reicht?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 31.07.
Die
ZEIT-Kontroverse:
In Sachsen wird am 1.
September gewählt. CDU und AfD liefern sich ein Duell. Der
Ministerpräsident, der sich mit Putin fotografieren ließ, ist
umstritten. Zwei Ansichten zu Michael Kretschmer |
MACHOWECZ, Martin (2019): Er ist da, wo es wehtut,
in:
Die ZEIT Nr.32 v. 01.08.
HENSEL, Jana (2019): Er ist überall und nirgends,
in:
Die ZEIT Nr.32 v. 01.08.
KAHRS, Horst
(2019): Das Erbe von König Kurt.
Landtagswahl in Sachsen: Während Sachsens Linke auf mehr als ein
Direktmandat hofft, könnten Grüne erstmals Wahlkreise gewinnen,
in:
Neues Deutschland
v. 03.08.
"»Warum ausgerechnet in Sachsen?«
fragen sich die politischen Berichterstatter, als es 2004 darum ging,
den Einzug er NPD in den Landtag oder das Pegida-Syndrom zu erklären.
Ausgerechnet Sachsen, wo es seit Mitte der 1990er Jahre wirtschaftlich
besser läuft als in den anderen östlichen Bundesländern; wo die
öffentlichen Finanzen sich in einem ordentlichen Zustand befinden - so
oder so ähnlich drückten Erstaunen und Ratlosigkeit sich aus. Selten
nur wurde die Dynamik nicht im sozialen, ökonomischen oder kulturellen
Feld gesucht, sondern im politischen Feld selbst, im
Demokratieversagen einer Staatspartei",
kritisiert der
Sozialwissenschaftler Horst KAHRS. Doch das politische Feld kann die
Situation in Sachsen keineswegs allein erklären, auch wenn
Linksliberale inzwischen die mangelnde politische Bildung im Osten als
Hauptproblem entdeckt haben. Der Versuch von KAHRS, das
unterschiedliche Wählerverhalten der Sachsen bei Bundes- und
Landtagswahlen als Gegenargument herauszustreichen, ist wenig
überzeugend. Die Entwicklung von Sachsen wird folgendermaßen
beschrieben:
"2004 begann, was (...) die Rede
von »sächsischen Verhältnissen« rechtfertigen könnte: Der Zerfall
einer konservativen absoluten Regierungsmacht nach rechts. Mit knapp
zehn Prozent zog damals die NPD in den Landtag ein, erreichte in der
sächsischen Schweiz und Ostsachen sowie unter jungen Wählerinnen -
überdurchschnittliche Werte. 2009 konnte sie wieder in den Landtag
einziehen.
Vor vier Jahren wurde sie von der AfD abgelöst, die 2019 nach der
Macht, zumindest der Rolle als »stärkste Partei« greift."
KAHRS sieht dafür zwei Gründe: zum
einen die Verleugnung von Rechtsextremismus durch die CDU samt der
Geringschätzung einer Erziehung zur Demokratie, stattdessen der Glaube
an den wirtschaftlichen Erfolg als Demokratiefundament. Dies ist
jedoch nur die halbe Wahrheit, denn Sachsen ist das Bundesland im
Osten mit der tiefgehendsten sozioökonomischen Spaltung und das ist
der entscheidende Punkt:
"Abwanderung aus der Provinz in die
Städte beziehungsweise in andere Bundesländer (betrachtete die CDU)
als naturwüchsige Marktbewegung, der sie mit dem Rückbau der
öffentlichen Infrastruktur folgte. In den Augen derjenigen, die in
Orten, »aus denen man weggeht«, verblieben, wandte der fürsorgliche
Staat sich ab und zog seine schützende Hände zurück. In den
verbliebenen zivilgesellschaftlichen Strukturen, reüssierten, zuweilen
mangels Alternativen, die meinungs- und organisationsstarken
Rechtskonservativen und Nationalen."
Sachsen ist hier jedoch kein
Sonderfall, sondern lediglich neoliberaler Musterknabe. Kurt
BIEDENKOPF & Meinhard MIEGEL haben mit ihrem Institut die
Demografisierung der gesellschaftlichen Probleme im Westen
vorbereitet. MIEGEL galt in den Nuller Jahre als der große Prophet des
demografischen Niedergangs, dem gleichermaßen Nationalkonservative als
auch Neoliberale huldigten. Sachsen war das ideale Experimentierfeld
für die neoliberale Leuchtturmpolitik mit ihren zerstörerischen
Verwerfungen im ländlichen, strukturschwachen Raum.
KAHRS sieht wie Cornelia KOPPETSCH
("Die Gesellschaft des Zorns") in der AfD eine Wähler-Bewegung, die
ein "vertikales, soziale Schichten und Klassen übergreifendes Bündnis
von Menschen" darstellt. Nur ist es so, dass
"sich unter den Wahlberechtigten
mit einer einfachen und mittleren Bildung ein überdurchschnittlicher
Anteil dorthin gezogen fühlt".
Für diesen Sachverhalt macht KAHRS
die Schwäche der Mitte-Links-Parteien verantwortlich:
"Auf welche soziale und kulturelle
Wertschätzung können in der vielbeschworenen Wissenschökonomie
diejenigen zählen, deren Platz in der gesellschaftlichen
Arbeitsteilung nicht in deren »kreativen Zentren« ist oder die aus
welchen Gründen auch immer weniger »gebildet« sind?
Für sie taugt die Glitzerwelt vom innovativen Sachsen nicht einmal als
Sehnsuchtsort. Und die Mitte-Links-Parteien haben bislang keinen
überzeugenden Entwurf, in dem sie einen angemessen Platz für sich
sehen."
Von der Vielzahl der Artikeln des
Wochenendthemas ist das der einzige, der wenigstens ein paar
wesentliche Punkte der Misere anspricht.
ROTH, Eva
(2019): Deutsch-sächsische Zustände.
Landtagswahl in Sachsen: Wie geht es den Menschen im Freistaat?
Ein Blick auf die sozialen Verhältnisse,
in:
Neues Deutschland
v. 03.08.
Eva ROTHs Darstellung der sozioökonomischen Verhältnisse in Sachsen
krankt daran, dass mit Durchschnittswerten für das Land gearbeitet
wird, weshalb die tiefgehende Spaltung von Sachsen nicht in den Blick
gerät. In Blick gerät dagegen die Schwäche der "Mitte-Links-Parteien":
"Die Linkspartei, die SPD und die
Grünen wollen Tariftreue-Regelungen im sächsischen Vergabegesetz
verankern, doch bislang haben sie sich nicht auf ein gemeinsames
Vorgehen verständigt."
Der Schwarze Peter wird von ROTH
der mitregierenden SPD zugeschoben. Aber so einfach ist es nicht, denn
sowohl Linkspartei als auch Grüne sind inzwischen in Regierungen
verantwortlich und dort verhalten sie sich nicht anders als die SPD in
Sachsen.
Fazit: Es braucht eine neue linke
Sozialstaatspartei, die nicht durch Regierungsverantwortung
verschlissen ist und dadurch der AfD, die sich zur einzigen echten
Opposition erklärt, Paroli bieten kann.
BARTSCH, Michael
(2019): Alternative für Sachsen?
Landtagswahl in Sachsen: Über Visionen, konkrete Ziele und die
machtpolitische Strategie der Linkspartei,
in:
Neues Deutschland
v. 03.08.
Michael BARTSCH, freier Autor, der bei taz, Freitag und
Neues Deutschland den Sachsenversteher mimen darf, brüht seinen
Rot-Rot-Grün-Koalitionskaffe zum x-ten Mal auf. Fehlt den Linken
lediglich der Wille zur Macht? Im Gegenteil, denn die
Regierungsbeteiligungen der Linken und ihre Neoliberalisierung ist das
zentrale Problem ihrer Schwäche. Darüber kann Thüringen als die
"letzte Bastion" nicht hinwegtäuschen. Der Personenkult um Bodo
RAMELOW als einziger linker Ministerpräsident erinnert fatal an den
Kult um König BIEDENKOPF.
LASCH, Hendrik
(2019): Wende-Wahlkampf.
Landtagswahl in Sachsen: Was die AfD im Landtag Sachsens getan hat
und was sie nun plant,
in:
Neues Deutschland
v. 03.08.
Hendrik LASCH verweist auf die Schwächen der AfD im sächsischen
Landtag, als ob das die Wählerschaft interessieren würde. Auch der
Versuch das Regierungsprogramm mit dem Titel Trau dich, Sachsen
als "Projektionsfläche für unterschiedliche Wähler" abzuwerten, geht
daneben. Denn das ist ja gerade der große Vorteil, solange die AfD
nicht in der Regierungsverantwortung ist.
Fazit: Die Berichterstattung in den
Medien stärkt letztlich nur die AfD und zeigt eklatant die Schwäche
der etablierten Parteien.
MEYER, Robert D.
(2019): Der Männerbund.
Landtagswahl in Sachsen: Warum Bundesprominenz im AfD-Wahlkampf
kaum eine Rolle spielt,
in:
Neues Deutschland
v. 03.08.
MALZAHN, Claus Christian
(2019): So stark kann die AfD werden.
In Sachsen, Brandenburg und
Thüringen werden im Herbst die Landtage neu gewählt. Eine Datenanalyse
zeigt: Auch bei Direktmandaten könnte die Rechtspartei große Erfolge
erzielen,
in:
Welt
v. 03.08.
Claus Christian MALZAHN präsentiert
uns die Ergebnisse von wahlkreisprognose.de und zählt die Hochburgen
der Parteien in den drei Bundesländern auf.
"Keine der derzeitigen Koalitionen
könnte (...) ihre Mehrheit in den Parlamenten verteidigen. Neue
Regierungsbildungen wären hoch kompliziert",
fasst MALZAHN zusammen.
MALZAHN,
Claus Christian
(2019): Ein Appell von Maaßen verpufft trotz aller Zustimmung.
Landtagswahl in Sachsen: Der Ex-Verfassungsschutzcef wirbt auf
einer Veranstaltung der Werte-Union in Sachsen für die CDU. Er findet
den Saal voller Sorgen - und voller AfD-Wähler,
in:
Welt
v. 03.08.
BARTSCH, Michael
(2019): Stimmung wie bei der AfD.
Landtagswahl in Sachsen: Auf Einladung der CDU-Splitterbewegung
"Werte-Union" macht Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen
Wahlkampf in Sachsen. Dort wird der von den Rechten gefeiert,
in:
TAZ
v. 03.08.
LOCKE, Stefan (2019): Apokalyptischer Reiter.
Landtagswahl in Sachsen: Der frühere Chef des Verfassungsschutzes,
Hans-Georg Maaßen, macht Wahlkampf für die CDU in Sachsen. Sein erster
Auftritt in Radebeul ist vor allem ein Fest für die AfD,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.08.
LÖHR, Julia (2019): Zerrissen.
Lounge: Weniger Gehalt, weniger Rente - viele Ostdeutsche fühlen sich
als Bürger zweiter Klasse. Ökonomen warnen: Die wahren Probleme liegen
woanders,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.08.
"Nach den aktuellen Umfragen müssen
sich CDU und SPD auf ein Debakel einstellen. In Sachsen, wo die
Christdemokraten (...) durchregieren konnten, liegen sie nun gleichauf
mit der AfD bei 26 Prozent. In Brandenburg könnte die SPD zum ersten
Mal seit der Wiedervereinigung das Amt des Ministerpräsidenten
verlieren - womöglich auch hier an die AfD. Allein in Thüringen (...)
ringen CDU und Linke darum, die stärkste Kraft zu werden",
erzählt uns Julia LÖHR. Außer LÖHR
glaubt jedoch niemand, dass in Brandenburg die AfD den
Ministerpräsidenten stellen könnte! Auch sonst werden uns einseitige
Befunde vorgetragen, denn es kommt auf den richtigen Vergleichsmaßstab
an: Ost-West-Vergleich zu ostdeutschem
Vergangenheit-Gegenwart-Vergleich. Hinzu kommen "globale" Aussagen wie
"Kitaplätze lassen sich um einiges leichter finden", die lediglich für
bestimmte Regionen gelten. Ein CDU-Politiker wird mit seiner
Positiv-Thinking-Attitüde zitiert. Und natürlich muss die Demographie
als Sündenbock herhalten. Allein der Indikator "Durchschnittsalter"
soll z.B. das Problem der Ostdeutschen verdeutlichen. Investitionen?
Unwichtig! Doch das wird sofort widerlegt, wenn es um die Lausitz und
den Kohleausstieg geht und die "letzten gutbezahlten Arbeitsplätze in
der Industrie" wegzubrechen drohen.
LASCH, Hendrik
(2019): Die an den Rädern dreht.
Landtagswahl in Sachsen: Die Ex-Punkerin Katja Meier führt die
Grünen im sächsischen Wahlkampf - und danach womöglich in die
Regierung,
in:
Neues Deutschland
v. 06.08.
PEIKERT, Linda (2019): Pödelwitz will nicht weichen.
700 Jahre alt ist das Dorf, nun ist
der Braunkohle-Tagebau ganz nah herangerückt. Die letzten
Bewohner*innen haben das Klimacamp Leipziger Land eingeladen, um
Strategien zu beraten,
in:
TAZ v. 06.08.
RIETZSCHEL, Antonie & Jens SCHNEIDER (2019):
Mittelfinger des Ostens.
Brandenburg, Sachsen und Thüringen: In den ostdeutschen
Wahlkämpfen inszeniert sich die AfD als Erbin der Wende. Obwohl ihre
Protagonisten gar nicht dabei waren, gelingt ihr so, worum sich andere
Parteien vergeblich mühen: die Stimmung zu treffen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 06.08.
RIETZSCHEL & SCHNEIDER arbeiten sich an den parteiinternen
Widersprüchen der AfD ab, als ob das die AfD-Wähler interessieren
würde. Auch, dass etliche AfD-Politiker aus dem Westen stammen und
deshalb die Wende nicht miterlebt hatten oder gar auf der vermeintlich
falschen Seite standen, wird keinen potenziellen AfD-Wähler abhalten
die Partei zu wählen. Unsere kosmopolitischen Medien arbeiten sich
meist nur an Phantomen ab, statt die Ursachen zu benennen.
"Die Leute wollen nicht nur reden,
sondern Ergebnisse",
zitieren die SZ-Journalisten
die sächsische SPD-Integrationsministerin Petra KÖPPING.
Wer meint, dass er als Regierungspartei einfach mit Versprechungen die
Wähler ködern könnte, der irrt gewaltig. Wer die AfD wählt, der muss
sich nicht mehr machtlos und ohnmächtig fühlen, denn er weiß, dass er
damit die etablierten Parteien zum Handeln zwingen kann. So lange die
etablierten Parteien also nur der AfD hinterher hecheln, macht das die
AfD nur stärker. Anti-AfD-Koalitionen führen da nur zu Trotzreaktionen
und einem Jetzt-erst-Recht-Gefühl ("Reaktanz").
|
Foto: Bernd
Kittlaus 2018 |
Wenn
RIETZSCHEL & SCHNEIDER die Einführung der Grundrente als
notwendiges und überzeugendes Ergebnis der SPD präsentieren und der
CDU die Schuld der Verhinderung zuschreiben wollen
("Blockadehaltung"), dann ist das nur dumm. Die SPD hat im
Koalitionsvertrag eine Bedürftigkeitsprüfung akzeptiert, weswegen
Hubertus HEIL den schwarzen Peter zu verantworten hat. Wenn also die
SPD über den Koalitionsvertrag hinausgehen will, dann hätte sie
notfalls auch die Aufkündigung der Koalition in Kauf nehmen müssen.
Aber dazu war die Partei zu feige. Die SPD ist zu allererst an ihrer
eigenen Widersprüchlichkeit gescheitert. Die Partei möchte ihre
traditionellen Wähler ansprechen, aber dafür nichts wirklich
riskieren. Außerdem wäre zu fragen, ob die Grundrente ohne
Bedürftigkeitsprüfung nicht zu allererst ein auf Westfrauen
zugeschnittenes Projekt ist.
GRASNICK, Belinda (2019): Die Stille nach dem Sturm.
Nahaufnahme: Rassistische
Übergriffe und Demonstrationen gegen Geflüchtete - Freital hat
kein gutes Image. Aber wie denken die Menschen hier über ihre
Stadt,
in:
TAZ v. 09.08.
Was die Menschen über ihre Stadt
denken, das erfährt man in dem Artikel nicht, sondern wie es in
einer Mittelstadt mit rund 40.000 Einwohnern im Speckgürtel von
Dresden aussieht, die vom kosmopolitischen Milieu aufgegeben
wurde. Die verbliebenen Kontrahenten kennzeichnet eine
Bunkermentalität.
"Man kann
Freital entlang seiner Hauptstraße der Dresdner Straße,
durchqueren. Beginnt man den Stadtspaziergang im Norden am
S-Bahnhof Potschappel, in dessen Nähe auch der Verein Biotec
liegt, so landet man direkt vor dem Rathaus. Hier sitzt der
Stadtrat, in dem seit der Stadtratswahl im Mai 2019 die AfD mit
neun Sitzen eine Mehrheit hat. Die CDU hat acht Sitze, die freien
Wähler fünf. Für die Bürger für Freitag und die Linke sitzen
jeweils drei Stadträte im Rathhaus, Grüne, SPD und FDP haben
jeweils zwei Sitze. (...).
Im frisch gewählten Stadtrat haben die SPD, die Grünen, die FDP
und die Linke sich zu einer Fraktion zusammengeschlossen. Die CDU
hat mit acht Sitzen genug eigene Stimmen, um sich nicht dem
Anti-AfD-Bündnis anzuschließen",
erzählt uns Belinda GRASNICK.
Die Verhältnisse im Stadtrat kann man als Vorstufe zu einer AfD/CDU-Koalition
betrachten. Das Anti-AfD-Bündnis ist mit 9 Sitzen nur noch so
stark wie die AfD-Fraktion. Uns wird die dürftige
zivilgesellschaftliche Infrastruktur, die vom verbliebenen
kosmopolitischen Milieu geprägt wird, beschrieben, sowie die
Entwicklung der rechten Szene. Ansonsten gibt es eine große
Leerstelle.
LASCH, Hendrik
(2019): Sorgenfalten bei Tante Emma.
Landtagswahl in Sachsen: Weil es in Sachsen mit der Nahversorgung
hapert, schickt die Linke einen rollenden Laden über Land,
in:
Neues Deutschland
v. 09.08.
Die Linke würde es nicht
interessieren, dass die Nahversorgung in Sachsen hapert, wenn nicht
die AfD im ländlichen Raum Erfolge verbuchen würde!
"Sausedlitz
(...). In dem Dorf, in dem 9.000 Schweine, aber nur 300 Einwohner
leben, gibt es keinen Laden mehr. Der einstige Konsum ist zum
Bürgerhaus umgebaut, in dem sich (...) die Landfrauen treffen (...).
Ein kleiner Dorfladen schloss Ende 2018 (...). Wo also kaufen sie ein?
In
Löbnitz, erzählt eine der Landfrauen, sieben Kilometer entfernt",
berichtet Hendrik LASCH über eine
Station mit dem Wahlkampfmobil der Linkspartei, das als
Tante-Emma-Laden dient. Das Problem ist nicht neu, nur dass es die
Linke nun interessiert, ist neu:
"Die Provinz - freundlicher
formuliert: der ländliche Raum - wird für den Ausgang der Landtagswahl
in gut drei Wochen entscheidend sein (...).
Schon vor mehr als zehn Jahren kam eine Studie des Dresdner
Wirtschaftsministeriums zu dem Schluss, dass in jeder siebten
sächsischen Gemeinde »ausgeprägte Versorgungsdefizite« herrschen. Zwar
sei das netz an Discountern im Freistaat so dich wie kaum anderswo
(...).
Gleichzeitig ziehen sich die großen Handelsketten aber aus der Fläche
zurück und setzen auf umsatzstarke Standorte. Folge: Schon 2008 fehlte
in 74 Gemeinden in Sachsen ein Lebensmittelgeschäft, das in
vertretbarer Zeit zu Fuß erreichbar ist. (...).
Versuche, der Misere fehlender Einkaufsmöglichkeiten abzuhelfen, gab
es im Freistaat: einen Bürgerkonsum im erzgebirgischen Bad Schlema
beispielsweise oder einen Markt in Falkenau bei Chemnitz, beide auf
der Basis einer Genossenschaft. (...). Wer dieser Tage nach Beispielen
für alternative Einkaufsmöglichkeiten sucht, landet noch immer bei
diesen und wenigen weiteren Beispielen."
LASCH sieht zwei Probleme für
dieses Defizit:
"Mindestens 1.000, besser 1.500
Einwohner seien das »Mindestpotenzial« für einen Lebensmittelladen,
sagen Branchenexperten. Sie weisen in aller Regel auch darauf hin,
dass die Kaufkraft in Sachsen außerhalb der Ballungszentren deutlich
unter dem Bundesdurchschnitt liegt - in weiten Teilen Ost- und
Nordsachsens bei nur etwas mehr als 75 Prozent."
Eine weitere Station der
Wahlkampftour ist
Badrina:
"Ort mit weniger als 600
Einwohnern, wo (...) die Gaststätte im »Leine-Saal« dicht ist und der
ehemalige Konsum schon vor Jahren zu einer Tierfutterhandlung
umfunktioniert wurde (...). Immerhin: In dem Ort gibt es einen kleinen
Minimarkt, der mittwochs und samstags sogar mit Brötchen beliefert
wird. Wer mehr will, muss in den Bus oder ins Auto steigen und in die
Kreisstadt Delitzsch fahren."
Luise NEUHAUS-WARTENBERG wird uns
als Linksparteikandidatin im Wahlkreis 35 - Nordsachsen vorgestellt.
Dort sieht sowohl
wahlkreisprognose.de als auch
election.de die CDU mit leichten Vorteilen vorne.
Erst im letzten Drittel rückt LASCH
mit einer Alternative für die Nahversorgung im ländlichen Raum heraus:
"Politik (...) könnte und dürfte
den Händlern unter die Arme greifen - wie das zum Beispiel in dem seit
2018 schwarz-grün regierten österreichischen Bundesland Tirol
praktiziert werde. (...). Dort gibt es (...) eine
»Nahversorgungsförderung«. Ziel sei die »Unterstützung kleiner
Nahversorgungsunternehmen«. Diese können vom Land eine
»Nahversorgungsprämie« von bis zu 10.000 Euro erhalten, wenn sie sich
für mindestens fünf Jahre zum Betrieb eines Geschäfts in einem Ort
bereit erklären, in dem die Nahversorgung »ernsthaft gefährdet« ist.
Die Gemeinden müssen ebenfalls einen Zuschuss »in der Regel von zehn
Prozent« zahlen. Angeboten werden muss (...) dann ein
»Grundsortiment«".
Läden werden nicht nur als
Einkaufsorte, sondern auch als Begegnungsorte betrachtet, die dem
gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen sollen. Da fragt man sich
eigentlich nur, warum die Linke erst bei den Kommunalwahlen im Mai ein
Drittel ihrer Mandate einbüssen musste, um den ländlichen Raum zu
entdecken und nun mit Wahlkampfmobilen die Themen
Nahversorgungsdefizite, Defizite der ärztlichen Versorgung oder
mangelnder ÖPNV zu beackern. Das war reichlich spät und ob die Wähler
diesen Schwenk bei den bevorstehenden Wahlen noch würdigen, ist mehr
als fraglich. Vertrauen zu verlieren ist leicht, es wieder zurück zu
gewinnen dagegen Schwerstarbeit. Die Linke hat sich ihre Misere selber
zuzuschreiben! Und offenbar hat sich die Linkspartei über ihre
Tourstandorte vorher nicht ausreichend informiert, sondern aus der
Panik heraus Aktionismus betrieben, denn:
"Der Tante-Emma-Laden (...) findet
in manchen Dörfern nicht einen einzigen Kunden - weil »wochentags am
Vormittag eben niemand in den Dörfern ist«."
LASCH, Hendrik
(2019): Der Dorfladen als Heimat.
Landtagswahl in Sachsen: "Sachsen-Monitor" fragte zu Abbau von
Infrastruktur,
in:
Neues Deutschland
v. 09.08.
LEHMANN,
Timo/MÜLLER, Ann-Katrin/PIEPER, Milena (2019): Sie sind schon da.
Demokratie: In den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen bald
gewählt wird, ist die AfD längst Volkspartei, sie könnte auf dem
ersten Platz landen. Woher schöpft die Partei ihre Kraft? Eine
Spurensuche in fünf Gemeinden,
in:
Spiegel Nr.33 v. 10.08.
"Steffen Janich, 48, (...) ist von Anfang an dabei, Mitgliedsnummer
235. Er hat den AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
gegründet, den ersten im Land. (...). Heute ist er
Regionalgruppenleiter, sitzt im Kreistag und Gemeinderat. Den
Landesverband unterstützt er im Fachausschuss 5, Innere Sicherheit,
denn Janich ist Polizist. (...).
Früher war er in der sächsischen CDU. (...).
Die AfD-Leute in
Pirna
sind keine Gemäßigten",
stellen uns
LEHMANN/MÜLLER/PIEPER einen sächsischen AfD-Politiker vor, der typisch
sein soll für die kommunale Verankerung der AfD. Im
Stadtrat von Pirna haben AfD (19,6 %), Freie Wähler (19,3 %) und
CDU (17,1 %) je 5 der 23 Sitze inne. Die CDU büßte die Hälfte ihrer
Mandate ein. Das Gleiche gilt für die Linkspartei, die nur noch auf 3
Sitze kam. Die Grünen konnten ihren einzigen Sitz verdoppeln, während
die SPD ihre zwei Sitze halbierte. Die Grüne Hochburg liegt in der
Altstadt, Südlichen Innenstadt und Südvorstadt, wo die Partei bis zu
16,6 % der Stimmen erreichte. Aber selbst in ihren grünen Hochburgen
war die AfD stärkste Partei.
MÜLLER, Hansjörg (2019): Auf Gratwanderung im Erzgebirge.
Landtagswahl in Sachsen: Mit gutem Zureden und konservativen Tönen
stemmt sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer gegen
die AfD,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 10.08.
Hansjörg MÜLLER konfrontiert die Sicht von Michael KRETSCHMER mit zwei
rechten CDU-Lokalpolitikern, die sich gegen eine
Koalition mit Grünen und Linkspartei wenden und stattdessen eine
Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD verlangen. Da ist zum
einen Michael NICKEL vom rechtsaußen-Flügel der CDU ("Werte-Union") in
Zwönitz:
"Nickel stammt aus Potsdam und kam
vor zwanzig Jahren als Soldat in die Region. Abwanderung gebe es im
Erzgebirge kaum noch, er klärt er, es sei schlicht keiner mehr da, der
gehen könne. Schuld daran seien die niedrigen Geburtenraten der 1990er
Jahre.
»Uns fehlen die Leute, die vor zwanzig Jahren nicht geboren wurden«.
Die AfD brauche gar keinen Wahlkampf zu machen, den mache die CDU für
sie, klagt Nickel. (...). 4,3 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit im
Erzgebirgskreis. Das ist die niedrigste Quote in ganz Sachsen, doch
die Angst (...) scheint den Leuten in den Knochen zu sitzen.
In Dorfchemnitz, wenige Kilometer entfernt von hier, habe die AfD bei
der EU-Wahl Ende Mai über 50 Prozent der Stimmen gewonnen, berichtet
Nickel (...). Vor zwanzig Jahren habe die rechtsextreme NPD 20 Prozent
der Stimmen gewonnen. Das habe die AfD alles aufgesaugt. Anders als
Kretschmer meint Nickel, dass sich die CDU im Rahmen einer
Minderheitsregierung von der AfD tolerieren lassen sollte. (...).
Falk Haude, ein (...) Mittvierziger (...) ist der lokale CDU-Kandidat.
Er tritt zum ersten Mal an; sein Vorgänger ist in den Bundestag
aufgerückt. Das Mandat für die CDU zu verteidigen dürfte sich als
schwierig erweisen."
Dorfchemnitz liegt nicht im Erzgebirgskreis, sondern in
Mittelsachsen.
Die AfD erzielte dort nicht "über 50 Prozent", sondern 43,5 %. Wer
wie MÜLLER Fake-News unwiderrufen per Zitat in Umlauf setzt, der darf
sich kaum wundern, dass die Mainstreampresse NICHT nur bei AfD-Wählern
verrufen ist. Falk HAUDE tritt im Wahlkreis 15 Erzgebirgskreis 3 an.
Sowohl election.de (Stand: 11.08.2019) als auch wahlkreisprognose.de
(Stand: 09.08.2019) sehen dort die AfD vorne, wobei election.de jedoch
den AfD-Kandidaten deutlicher vorne sieht. MÜLLER zitiert den
sächsischen Ministerpräsidenten, der von den Sachsen abschätzig
spricht:
"Viele Bürger lebten in einer
Internet-Filterblase, sagt Kretschmer (...). »Die lesen keine Zeitung,
hören kein Radio und glauben an eine Umvolkung«"
Da kann man nur sagen: Es ist nur
gut, dass seine Wähler keine NZZ lesen, denn sonst bekäme er
eine noch deutlichere Quittung!
"Etwa 50 Kilometer östlich von
Zwönitz, in Bobritzsch, einem Dorf mit 1.500 Einwohnern befindet sich
der Bauernhof von Johann Haupt. (...). Auf der Bühne steht Steve
Ittershagen, der hier sein Direktmandat verteidigt. (...).
An einem der Tische steht
Veronika Bellmann, die lokale Bundestagsabgeordnete der CDU. Sie
zählt zu den Konservativen in der Partei; auch sie will eine
Minderheitsregierung unter Duldung der AfD nicht ausschliessen",
erzählt uns MÜLLER. ITTERSHAGEN
tritt im Wahlkreis 19 Mittelsachsen 2 an. Sowohl election.de (Stand:
11.08.2019) als auch wahlkreisprognose.de (Stand: 09.08.2019) sehen
dort die AfD vorne, wobei election.de jedoch den AfD-Kandidaten
deutlicher vorne sieht.
Fazit: MÜLLER berichtet lediglich
aus zwei Wahlkreisen, in denen die AfD gewinnen könnte, was dazu
führt, dass die CDU dort ihr Heil in einer Duldung der AfD sieht.
ORDE, Sabine am (2019): "Sie haben erlebt, dass ein System
kollabiert".
Vor den Landtagswahlen inszeniert
sich die AfD als neue Bürgerrechtsbewegung und vergleicht die
Bundesrepublik mit der DDR. Woher kommt das. David Begrich
erklärt, was ostdeutsche Comics mit dem Erfolg der AfD zu tun
haben,
in:
TAZ v. 10.08.
David BEGRICH vom
sachsen-anhaltinischen Verein Miteinander e.V. erklärt das
Anknüpfen der AfD an die Wendeerlebnisse der 1990er Jahre als
Andocken an das "kulturelle Gedächtnis vor allem der mittleren
Generation". Diese aber ist zu großen Teilen in den Westen
abgewandert, weshalb die Erklärung dürftig ist, denn viel
entscheidender ist die ältere Generation. BEGRICH bezieht sich
außerdem auf eine Allensbach-Umfrage zur ostdeutschen Identität
und auf die Feuilleton-Debatte der FAZ, in der auch Ostdeutsche
jene Versionen darlegen dürfen, die der westdeutschen Leitkultur
nicht weh tun. Erst ganz zum Schluss bringt BEGRICH einen
wesentlichen Aspekt vor, der die taz nicht schont:
"Wenn ich in der taz lese:
»Bautzen ist bekannt für die Neonazi-Szene«, trifft das zwar auch
zu, aber würde über Dortmund so geschrieben? Bautzen ist auch
bekannt für Senf. Es gibt diese Ostdeutschland-Bilder, die in
Klischees gefangen sind: Plattenbauten, Arbeitslose, Neonazis. Es
gibt nach wie vor diesen exotischen Blick auf Ostdeutschland."
HANDELSBLATT-Titelthema:
Aufstand der Abgehängten |
GREIVE, Martin/HÖPNER, Axel/KERSTING, Silke/SIGMUND,
Thomas/WASCHINSKI, Gregor (2019): Hilferuf aus den Problemregionen.
Etliche Teile Deutschlands drohen
abgehängt zu werden. Landespolitiker fordern nun endlich Taten statt
Worten und hegen neue Hoffnung: Der Niedergang von Gegenden im Westen
könnte neuen Schwung in die Debatte bringen,
in:
Handelsblatt v. 12.08.
DRIBBUSCH, Barbara
(2019): Zuwanderer gesucht.
Nahaufnahme: Die Auftragslage ist gut bei der Metallbaufirma Göhlert
und dem Raumausstatter Reichelt in Sachsen - doch an Fachkräften
mangelt es. Über Personalbindung in der Provinz,
in:
TAZ
v. 12.08.
Barbara DRIBBUSCH entdeckt im sächsischen
Freital und in "Höckendorf-Ruppendorf"
(in
Wirklichkeit sitzt die Firma in Klingenberg, OT Ruppendorf) im
Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge einen Fachkräftemangel:
"Nicht etwa am unteren Rand, wo die
Regionen mit den hohen (Arbeitslosen-)Quoten stehen, sondern irgendwo
in der Mitte ist der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu
finden. Die Arbeitslosenquote im Juli lag hier bei 4,2 Prozent.
Bundesdurchschnitt ist fünf Prozent. (...). Eine sogenannte abgehängte
Region ist der sächsische Landkreis eigentlich nicht.",
erklärt uns DRIBBUSCH, die auf das
IW-Regionenranking anspielt. Und nie wird vergessen zu erwähnen,
dass viele andere Gebiete im Westen schlechter dran sind. Das ist eine
kosmopolitische Marotte, denn
im
Osten sind von 21 Regionen 11, d.h. mehr als die Hälfte als gefährdet
eingestuft worden. Dagegen befinden sich im Westen nur 10
gefährdete Regionen unter den 75 Regionen.
Die von DRIBBUSCH vorgestellten
Gemeinden liegen im Speckgürtel von Dresden.
Freital gilt im kosmopolitischen
Milieu als verrufen:
"In Freital hat man die Nase voll
davon, als Hochburg von Neonazis verschrien zu sein. (...). Fast 30
Prozent der WählerInnen votierten bei der
letzten Kreistagswahl im
Landkreis für die AfD. Was aber auch bedeutet, dass die Partei von
70 Prozent nicht gewählt wurde. (...).
Ohne MigrantInnen würde Freital einiges an öffentlichem Leben
einbüßen. An einem Sonntagabend haben auf der Dresdner Straße mitten
im Ort fast nur noch das Kebap-Haus und ein Pizzalieferant geöffnet."
Die AfD erhielt im Landkreis 27,9
%. Das
Ergebnis in Freital blieb 27,7 % knapp darunter. Die CDU hat mit
29,4 % in Freital knapp besser als der
Kreisdurchschnitt (29,0 %) abgeschnitten. Die grüne Hochburg in
Freital ist der Ortsteil Pesterwitz, in dem die Partei in zwei
Wahlbezirken mit 13,7 % ihr bestes Ergebnis und mit 11,6 % ihr
zweitbestes Ergebnis holte. Der Ortsteil hat einen Autobahnanschluss,
der eher ins weiter entfernte Leipzig als ins nahe gelegene Dresden
führt - optimal für das kosmopolitische Milieu also.
FRANZEN, Niklas
(2019): Wegschauen ist keine Option.
Landtagswahl in Sachsen: Am Sonnabend machte die Kampagne #wannwennnichtjetzt
in der sächsischen Stadt Plauen halt,
in:
Neues Deutschland
v. 12.08.
"Plauen ist der siebte Stopp
der Marktplatztour. Spätestens seit dem 1. Mai 2019 gilt die Stadt in
Südwestsachsen als Symbol für rechte Hetze. Die Nazipartei »Der Dritte
Weg« marschierte am Tag der Arbeit in NSDAP-Manier auf. (...). Selbst
die »New York Times« berichtete.
Eine vielbefahrene Straße führt von der sanierten Innenstadt in den
Norden der 60.000-Einwohner-Stadt. Spielotheken, viel Leerstand,
verrammelte Fenster.
Haselbrunn heißt der Stadtteil. (...). »Der Dritte Weg« hat hier
seine Bundeszentrale und kürzlich ein weiteres Haus eröffnet. (...).
Neben dem »Dritten Weg« ist in Plauen auch die AfD stark. Außerdem
hängen in der ganzen Stadt NPD-Plakate. (...).
Die Stadt unweit der tschechischen Grenze hat eine kleine, aber aktive
linke Szene. Es gibt ein Hausprojekt, ein Kulturzentrum und mehrere
Vereine und Initiativen, die sich gegen Nazis engagieren",
beschreibt Niklas FRANZEN die
Bunkermentalität in der sächsischen Stadt
Plauen,
der Kreisstadt des Vogtlandkreises. Die Normalos bleiben dagegen die
große Leerstelle.
Bei der
Stadtratswahl im Mai diesen Jahres wurde die CDU mit nur noch
23,68 % (2014: 35,61 %) stärkste Fraktion (11 Sitze) vor der AfD
(19,96 %; 9 Sitze). Linke und SPD erhielten je 6 Sitze und die Grünen
3 Sitze. Der Dritte Weg ist mit einem Sitz (3,85 %) vertreten. Die FDP
rangiert mit 9,93 % vor den Grünen. Sie kommt auf 4 Sitze und stellt
auch seit 2007 den Oberbürgermeister. Schließen sich
überdurchschnittliche Grünen-Wähleranteile und überdurchschnittliche
III. Weg-Wähleranteile aus? In Plauen nicht. Betrachtet man den
Postleitzahlbezirk 08525 zu dem der Stadtteil Haselbrunn in der
Plauener Nordstadt gehört, dann ergibt sich folgendes Bild:
Tabelle:
Vergleich der Stimmenanteile der Wahllokale im
PLZ-Gebiet 08525 bei der Stadtratswahl 2019 |
Wahllokal Nr. |
III. Weg |
Grüne |
17 |
8,55 % |
11,27 % |
21 |
5,16 % |
7,57 % |
22 |
3,71 % |
5,51 % |
23 |
9,44 % |
8,30 % |
24 |
7,92 % |
7,69 % |
25 |
11,96 % |
9,25 % |
26 |
6,92 % |
11,51 % |
27 |
10,13 % |
8,11 % |
28 |
9,53 % |
10,64 % |
29 |
5,40 % |
9,76 % |
30 |
6,21 % |
8,19 % |
31 |
1,54 % |
12,36 % |
32 |
3,00 % |
8,72 % |
Stadtweites
Ergebnis |
3,85 % |
5,36 % |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de |
Für den Postleitzahlbezirk 08525
gilt überwiegend, dass dort sowohl der III. Weg (Ausnahmen: Wahllokal
Nr.21, 22, 31 und 32) als auch die Grüne überdurchschnittliche
Wählergewinne erzielten. Diese Polarisierung zeigt die
Bunkermentalität, die sich - auch durch entsprechende Medienberichte -
hier ausgebildet hat.
Im
Kreistag des
Vogtlandskreises ist die CDU ebenfalls stärkste Fraktion vor der
AfD. Auch dort ist der Dritte Weg nur mit einem Sitz vertreten.
RIETZSCHEL, Antonie (2019):
Nicht zurückbleiben, bitte.
Ein Raum für Kreativität - und ein
Zufluchtsort: Warum zwei Designer mit einem Bus durch die sächsische
Provinz fahren,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 13.08.
"Zehn Jahre lang fuhren
Touristen mit dem Doppelstockbus in den Urlaub. Dann brachte er zehn
Jahre Musiker zum nächsten Konzert. Jetzt ist der Bus eine rollende
Designwerkstatt für Kinder und Jugendliche in Boxberg, Poberschau,
Großpostwitz - oder Annaberg-Buchholz im Erzgebirge.
Sie sind Kleinstädte und Gemeinden fernab der großen Politik und doch
entscheidend für die Zukunft Sachsens. Während Dresden und Leipzig
boomen, vergreist und verwaist der ländliche Raum. In manchen Teilen
des Erzgebirges liegt der Altersschnitt bei 50 Jahren. (...). Zur
Europawahl Ende Mai wurde die Partei (Anm.: AfD) in Annaberg-Buchholz
stärkste Kraft",
erzählt uns Antonie RIETZSCHEL zum
Projekt von Christian ZÖLLNER und Sebastian PIATZA. Bei der
Stadtratwahl 2019 lag in Annaberg-Buchholz, der Kreisstadt des
Erzgebirgskreises jedoch nicht die AfD vorne, sondern die Freie
Wählergemeinschaft (30,9 %; 9 Sitze) vor der CDU (21,6 %; 6 Sitze) und
der AfD (18,6 %; 5 Sitze)
Bei der
Kreistagswahl 2019 lag in Annaberg-Buchholz, das zum Wahlkreis 1
gehört, die Freie Wählergemeinschaft Erzgebirgskreis (FWE) mit 32,0 %
(Wahlkreis
1: 34,3 %; 3 Sitze) weit vor der AfD (21,4 %), die wie CDU und
Linkspartei nur mit einem Sitz vertreten ist (Wahlkreis 1: 20,8 %).
HEIDTMANN, Jan & Ulrike NIMZ (2019):
Planspiele im Osten.
Die AfD wirbelt die politische
Landschaft in Brandenburg und Sachsen durcheinander. Vor den
Landtagswahlen müssen die Parteien über neue, teils gewagte Bündnisse
nachdenken,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 14.08.
HEIDTMANN & NIMZ präsentieren eine Grafik, die auf einer Metaanalyse
von Umfragen beruht, die von
Politico, einem mittig-rechten
Medienverbund in Belgien beruht, das auf eine "europäische
Elitenöffentlichkeit" abzielt. Es wird so getan, als ob diese Daten
brandaktuell sind, doch sie stammen vom
31. Juli (Sachsen) und
05. August (Brandenburg). Aktueller sind dagegen die Wahlumfragen
auf wahlrecht.de (Sachsen:
06.08.;
Brandenburg: 09.08.2019). Obwohl der Artikel nichts Neues zu
bieten hat, ist er auf Seite 1 lanciert!
VERSCHWELE, Lina
(2019): Mit Mikroskopen gegen Misanthropen.
Nahaufnahme: Der Ägypter Shady Sayed forscht an einem Dresdner
Institut über Krebs. Kaum eine deutsche Stadt zieht so viele
ausländische Wissenschaftler an wie die Hauptstadt von Pegida. Wie
geht das zusammen?
in:
TAZ
v. 15.08.
"2014 zog der Ägypter für seinen
Master von Kairo an die Elbe - im selben Jahr, in dem Pegida mit
Demonstrationen begann (...) CDNN und New York Times
berichteten, schrieben von fremdenfeindlichen Protesten, derentwegen
ausländische Wissenschaftler nicht mehr nach Dresden kommen wollten.
Kanada warnte vor Reisen nach Ostdeutschland, und der Leipziger
Polizeichef Bernd Meritz sprach von Progromstimmung.
Dennoch hat sich die Zahl ausländischer Wissenschaftler an der TU
Dresden von 2014 bis 2018 fast verdoppelt. In keinem Bundesland außer
Berlin war im vergangenen Jahr der Anteil von Studierenden aus dem
Ausland höher als in Sachsen. Was zieht sie an- und wie sehen sie die
Stadt heute?"
stellt Lina VERSCHWELE eine
rhetorische Frage, die sich nur aus der Bunkermentalität der Antifa
heraus stellt, denn für ausländische Wissenschaftler ist in erster
Linie die Aufwertung der Dresdner TU zur Exzellenzuniversität
entscheidend:
"Schon in Ägypten hatte er von der
Exzellenzuni gehört. (...). Mehr als 30 renommierte Institute sitzen
in der Landeshauptstadt. Aus der Krebsforschung sind es gleich vier,
die auch vom Deutschen Krebsforschungszentrum gefördert werden. (...)
Für ihre Forschung erhielt allein die medizinische Fakultät 2018 rund
120 Millionen.
Das ist auch Hans Müller-Steinhagen zu verdanken (...). Mit
Müller-Steinhagen ist die TU im Juli zum zweiten Mal als
Exzelenzuniversität anerkannt worden, als einzige in Ostdeutschland.
Müller-Steinhagen (...) kam vor neun Jahren nach Dresden. Der Schwabe
schwärmt für Sachen. (...). Müller-Steinhagen hat die TU mit allen
renommierten Forschungsinstituten der Stadt vernetzt. Im größten
Verband, Dresden Concept, sind fast 30 Institute vertreten. (...). Im
Ausland wirbt er damit, dass Dresden Bildungsniveau mit Lebensqualität
vereint, und das bei niedrigen Preisen. Seit er im Amt ist, habe er
300 neue Professorinnen und Professoren gewonnen. Der Ausländeranteil
an der TU Dresden ist seit 2014 jedes Jahr weiter gestiegen",
erklärt uns VERSCHWELE, die dieses
Bild durch Verweis auf den Anstieg rechter Straftaten zerstören will
und MÜLLER-STEINHAGEN seine Indifferenz gegenüber der AfD vorwirft.
"Wenn die AfD tatsächlich an die
Regierung käme, müsste die TU Dresden nach Möglichkeiten suchen, auch
in diesem politischen Umfeld ihren erfolgreichen Kurs beibehalten",
zitiert VERSCHWELE den Rektor der
TU Dresden. Bekanntlich war das auch während der NS-Zeit in
Deutschland der Mainstream! Am Ende steht der Offenbarungseid der
Antifa und das Selbstverständnis des kosmopolitischen Milieus, dem die
politische Situation eines Landes im grunde egal ist:
"Auf ihre Art haben alle eine
Antwort auf den Hass gefunden: Shady Sayed die Wissenschaft,
Hans-Müller Steinhagen den Optimismus, Sedef Köseer die Empathie
(...). Wenn es hier hart auf hart käme, irgendwann, könnten sie
einfach weiterziehen."
PAULI, Ralf
(2019): Das Volk will's inklusiv.
Landtagswahl in Sachsen: In Sachsen gibt es bisher keine
Gemeinschaftsschulen. Eine Initiative will das ändern. Unterstützt
wird sie von SPD, Grünen und Linkspartei. Dennoch stehen die Chancen
für ein längeres gemeinsames Lernen nicht gut,
in:
TAZ
v. 15.08.
Das Problem des linksliberalen
Mainstreams ist, dass er den zweiten vor dem ersten Schritt machen
will.
Sachsen war lange Zeit der neoliberale Musterknabe, entsprechend fehlt
an allen Enden das Personal, um Inklusion umzusetzen. Wie wäre es
also, wenn die neoliberalisierten "Linksparteien" erst einmal in ihren
Bundesländern, in denen sie schon (mit)regieren, das nötige Personal
bereitstellen würden?
BARTSCH, Michael
(2019): Sehnsucht nach früher.
Sachsen: Die AfD steht schon vor den Landtagswahlen als Gewinnerin da.
Rational ist das nicht,
in:
Freitag Nr.33
v. 15.08.
Michael BARTSCH spricht allen, die nicht zur kosmopolitischen Blase
gehören, die Rationalität ab, denn:
"Weder der Klimawandel noch die im
»Sachsen-Monitor« ausgewiesene hohe Lebenszufriedenheit der Sachsen
noch die Radikalisierung der Partei haben diesem Hoch seither
geschadet."
Gemeint ist die natürlich die AfD.
Zurückgeführt wird das auf das Psychogramm der AfD-Wähler:
"Brüche und Traumata der
Nachwendejahre zeigen Spätfolgen bei der AfD-typischen Generation, die
ihre Biografien nicht mehr korrigieren kann: Es herrscht Sehnsucht
nach der wohlgeordneten, wenn auch abgeschlossenen Welt von früher."
Sehnsucht nach Früher beherrscht
die Kosmopoliten jedoch ebenfalls, denn sonst müssten sie erkennen,
dass ihre Igelhaltung nicht minder zur desolaten Lage beiträgt. Die
Slogans der Kosmopoliten sind nicht minder simpel gestrickt und
offenbar verfehlen sie ihre Wirkung.
BARTSCH beklagt, dass CDU und SPD
das Blaue vom Himmel versprechen können, aber die Zielgruppe will
davon nichts wissen. Das aber ist nicht irrational, sondern durchaus
rational, denn einzig die Wahl der AfD verspricht ja, dass die
Probleme nicht länger ignoriert werden können. Die
Medienberichterstattung trägt dazu bei, dass diese Vorstellung sich
weiter verstärkt.
"Eine personelle Alternative für
den Ministerpräsidenten ist nicht in Sicht",
gehört zum
Standardrepertoire der
kosmopolitischen Blase. Doch genau solche Sätze zeigen die
Erschöpfung des Personals der etablierten Parteien besonders deutlich.
Keine Alternative zur Alternative, das ist der Offenbarungseid unserer
westdeutschen, kosmopolitischen Leitkultur!
VERSCHWELE, Lina
(2019): Stimme aus dem Osten.
Landtagswahl in Sachsen: Die Politikerin Petra Köpping scheint die
neuen Bundesländer und deren Einwohner zu verstehen wie kaum jemand
sonst. Aber reicht das, um SPD-Vorsitzende zu werden?
in:
TAZ
v. 16.08.
|
Foto: Bernd
Kittlaus 2018 |
"1990 verlor Köpping ihr Amt in der
Kleinstadt Großpösna. Weil sie bis Juni 1989 in der SED war, wurde ihr
Studium der Rechtswissenschaften zunächst nicht anerkannt. Köpping
kämpfte sich zurück, erst in den Beruf, dann in die Politik",
porträtiert Lina VERSCHWELE die
sächsische Ministerin für Gleichstellung und Integration in Sachsen
anlässlich eines Treffens in
Weißwasser. KÖPPING tritt im Wahlkreis 24
Leipzig Land 2 an, muss jedoch nicht gewinnen, weil sie auf Platz 2
der SPD-Landesliste steht. Gemäß Wahlkreisprognose (Stand: 23.08.2019)
kann die SPD in keinem einzigen Wahlkreis ein Mandat erringen.
"Die Grundrente, für die sich
Köpping immer wieder einsetzt, ist nicht das Einzige, was sie bisher
nicht durchsetzen konnte. Auch aus einem von ihr geplanten
Integrations- und Gleichstellungsgesetz wurde nichts",
kritisiert die Spitzenkandidatin
der Grünen. Katja MEIER, die im Wahlkreis 37 Meißen 1 auch nicht
gewinnen muss. Dort hat die AfD Vorteile.
LOCKE, Stefan und Markus WEHNER (2019): Das grüne Jawort.
Brandenburg und Sachsen: Brandenburg und Sachsen:
Plötzlich ist die Partei auch im Osten stark. Sie will sogar regieren.
Kann das gelingen?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.08.
"(N)icht überall wird es den Grünen
leichtgemacht. Das erfährt auch der Grünen-Star Habeck im sächsischen
Wahlkampf (...). mitten in der Dresdner Neustadt, wo die Grünen bei
der Kommunalwahl im Mai fast 40 Prozent der Stimmen gewannen. Zum
Wahlkampfauftritt in ihrer Hochburg haben Sachsens Grüne in eine
Kirchenruine geladen, die heute als Theaterspielstätte genutzt wird.
(...)",
erklären uns LOCKE & WEHNER, die
die Grünen in Sachsen schon als Koalitionspartner der CDU sehen, eine
Herzensangelegenheit der früheren Grünen-Gründerin Antje HERMANN, was
besonders hervorgehoben wird. In Dresden kamen die Grünen auf 20,5
Prozent und erlangten 15 der 70 Sitze. Im Wahlkreis 2, zu dem die
Neustadt gehört, erreichten die Grünen 38,2 %. Im Gebiet "Weißer
Hirsch" (Wahlkreis 7), bekannt durch Uwe TELLKAMP, wurden die Grünen
mit 27,8 % stärkste Partei. Den Wahlkreis 6 (20,4 %), den Wahlkreis 8
(21,3 %) und den Wahlkreis 11 (26,0 %) gewann die AfD. In Gebieten wie
Gorbitz-Süd, Grobitz-Ost oder Prohlis-Nord/Süd kam die AfD auf über 30
bzw. 35 %.
Ausgiebig wird auf
"Katja aus dem Plattenbau" und
Wolfram GÜNTHER eingegangen.
"Neulich habe er in Freiberg am
Rand des Erzgebirges vor 500 Leuten gestanden, das habe es früher nie
gegeben. (...).
Den Wandel wollen die sächsischen Grünen nutzen. Bei der Europawahl
erreichten sie mit 10,3 Prozent ihren bisherigen Rekord im Freistaat -
doppelt so viele Stimmen wie vor fünf Jahren. Bei der Landtagswahl
haben sie gute Chancen, in Leipzig und Dresden Direktmandate zu holen;
die Kommunalwahl im Mai in Dresden gewann die Partei mit deutlichem
Abstand vor der CDU."
Die Grünen kamen in der
Universitätsstadt
Freiberg, Landkreis Mittelsachsen, bei der
Stadtratwahl im Mai 2019 auf 8,29 % (3 Sitze von 34 Sitze) und
landeten abgeschlagen auf dem drittletzten Platz. Die AfD wurde noch
vor der CDU stärkste Fraktion (8 Sitze). Bei der
Europawahl 2019 erreichten die Grünen in Mittelsachsen nur 6,2 %.
Die AfD rangierte mit 28,5 % klar vor der CDU. In Freiberg erreichten
die Grünen bei der Europawahl zwar 9,5 %, aber auch hier lag die AfD
mit 25,9 % vorne. Für eine Universitätsstadt ist das Ergebnis mager,
dürfte aber daran liegen, dass Freiberg erst 2015 zur
Universitätsstadt aufgewertet wurde.
KAMPMANN, David (2019): Möglicher AfD-Erfolg im Osten alarmiert die
Wirtschaft.
Der Industriepräsident Dieter Kempf warnt: Der Imageschaden wird den
Unternehmen die Personalsuche deutlich erschweren,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.08.
LASCH, Hendrik
(2019): Die Zeit zum Theoretisieren ist vorbei.
Landtagswahl in Sachsen: Frank Richter, einst Chef der
Landeszentrale für politische Bildung, zieht für Sachsens SPD in den
Wahlkampf,
in:
Neues Deutschland
v. 16.08.
|
Foto: Bernd
Kittlaus 2018 |
LAPPER, Jana (2019): Impfen mit Liebe.
Eine Gruppe Geflüchteter fährt wochenlang durch Sachsen, um dort
andere Geflüchtete zu unterstützen. Denn deren Leben in den
Kleinstädten ist nicht einfach. Ein Besuch in Borna,
in:
TAZ
v. 17.08.
"Borna
liegt nur eine S-Bahnfahrt vom links-alternativen Leipzig entfernt und
ist doch eine jener typisch sächsischen Kleinstädte, in denen
pastellfarbene Altbauten einsame Marktplätze säumen. »Typisch
sächsisch« wird später eine Aktivistin über den Ort sagen. Und vor
allem den Alltagsrassismus meinen. (...).
In Borna hat die AfD bei den Kommunalwahlen im Mai 22,7 Prozent geholt
und lag damit nur einen Hauch hinter der Linkspartei an zweiter
Stelle. Bei den Landtagswahlen am 1. September hat sie gute Chancen,
auch hier stärkste Kraft zu werden. (...).
Welcome United (fährt) seit Mai durch Sachsen, nach Bautzen oder
Döbeln, immer dorthin, wo sie Initiativen und Knotenpunkte für
Betroffene aus den umliegenden Dörfern finden. (...).
Mit seinen 20.000 Einwohnern ist Borna so ein Knotenpunkt. Nur ein
paar Meter vom Marktplatz entfernt, gleich gegenüber Franzl's
Bierstube, hat der Verein Bon Courage seine Räume. (...).
Sandra Münch ist in Borna geboren und lebt heute in Leipzig. Seit gut
zehn Jahren leitet sie mit ihrer Schwester den Verein Bon Courage.
Früher war die rechtsextreme Gruppe Oldschool Society in Borna aktiv
(...).
Heute seien die körperlichen Angriffe auf Migrant*innen weniger
geworden. »Aber der Alltagsrassismus ist salonfähiger geworden«, sagt
sie (...). »Es sind weniger die Jungs in Bomberjacke, die sich
rassistisch äußern, sondern mehr die alte Frau von nebenan oder die
Kassiererin.«
Bon Courage ist die einzige Organisation, die sich um Geflüchtete im
Ort kümmert. (...). Borna liegt im ehemaligen Braunkohlegebiet, das
seit der Wende viele Menschen verlassen haben - 1988 lebten hier noch
5.000 Menschen mehr. Auch die Nähe zu Leipzig mit seiner linken Szene
bessert die Situation nicht",
beschreibt Jana LAPPER die
Situation in der
Großen Kreisstadt Borna im sächsischen Landkreis Leipzig. Der
Landkreis liegt zwar in der Nähe der Metropole Leipzig, jedoch sowohl
im ganzen Landkreis als auch in der Stadt
schrumpft die Bevölkerung gegen den sächsischen Trend. Nichts
davon lesen wir bei LAPPER. Ende 2015 lebten noch 19.672 Menschen in
Borna. Ende 2018 waren es nur noch 19.263.
Borna gehört zum Wahlkreis 23 -
Leipzig Land 1. Sowohl
election.de (Stand: 11.08.2019) als auch
wahlkreisprognose.de (Stand: 09.08.2019) sehen in diesem Wahlkreis
für die CDU leichte Vorteile. In Borna stellt die Linkspartei sowohl
den Bürgermeister als auch die stärkste Stadtratsfraktion (6 Sitze).
Die Grünen sind im Stadtrat nicht vertreten. Die NPD kam 2014 auf 4,7
%. Diese Stimmen kamen nun der AfD zugute.
Borna war bei der
Stadtratswahl 2019 die einzige Gemeinde im Landkreis Leipzig, in
der die Linkspartei vorne lag. Die SPD wurde in der Kleinstadt Böhlen
(31.12.2018: 6.701 Einwohner) stärkste Partei. Die AfD lag nur in der
Kleinstadt Naunhof (31.12.2018: 8.728 Einwohner) vorne und das mit nur
15,9 Prozent der Stimmen, was der Zersplitterung des politischen
Spektrums in der Stadt geschuldet ist. Colditz gewannen die Freien
Wähler mit 37,8 %. Die Kleinstadt wies 2018 die höchsten
Bevölkerungsverluste im Landkreis auf (153 Menschen; - 1,8 %).
BECKER, Kim Björn (2019): AfD darf in Sachsen mit 30 Kandidaten
antreten.
Sächsisches Verfassungsgericht bestätigt einstweilige Verfügung. Urban
kündigt Anzeige wegen Rechtsbeugung an,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.08.
LITSCHKO, Konrad
(2019): Der Agent Provocateur.
Landtagswahl in Sachsen: Könnte Ex-Verfassungsschutzchef Maaßen
Innenminister in Sachsen werden? Trotz Unterstützung an der Basis: Die
Chancen sind gering,
in:
TAZ
v. 19.08.
SCHULTE, Ulrich
(2019): Clash der Realitäten.
Landtagswahl in Sachsen:
Chemnitz: Den Grünen könnte in Ostdeutschland ein
großer Erfolg gelingen. Parteichef Robert Habeck reist im Wahlkampf
durch Sachsen. Dabei muss er erfahren, dass der Kampf gegen rechts
manchmal schwieriger ist, als gedacht,
in:
TAZ
v. 19.08.
LOCKE, Stefan & Markus WEHNER (2019): Wenn es nur bergauf gehen kann.
Bei den vergangenen Wahlen flog die FDP aus den Landtagen in
Brandenburg und Sachsen. Nun will sie dort wieder einziehen - ob
das wohl klappt?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.08.
KERSTING, Silke (2019): Grüne werden im Osten zum Machtfaktor.
Landtagswahlen: In Brandenburg und Sachsen schickt sich die Öko-Partei
an, erstmals zweistellige Stimmenanteile zu erreichen. Das könnte bei
der Regierungsbildung eine gewichtige Rolle spielen,
in:
Handelsblatt
v. 21.08.
BARTSCH, Michael
(2019): Der Osten im Osten.
Landtagswahl in Sachsen: Zwischen Sonderwirtschaftszone und
Grundeinkommen: Für die Lausitz gibt es viele Ideen, aber noch keinen
Plan,
in:
Neues Deutschland
v. 22.08.
Die sächsische Tagebauregion träumt
sich zur Tourismushochburg, steht jedoch vor einem Scherbenhaufen wie
Michael BARTSCH am Beispiel der Gemeinde
Boxberg/Oberlausitz im Landkreis Görlitz aufzeigt:
"In
Uhyst am Bärwalder See hat bei idealem Sommerwetter ein einziger
Imbiss geöffnet - mit einem Dutzend Gästen.
Gegenüber am Kraftwerk Boxberg verkündet am Seeufer unverdrossen ein
Schild »Hier entsteht Zukunft«. Nachdem das Kunst- und alternative
Wohnprojekt »Transnaturale« 2015 gescheitert war, ist das Übliche
gemeint: Seehotel, »Sternencamp«, Adventure und Golf. Bis 2022 soll
hier die »beliebteste Sommerfrische Sachsens« entstehen. Doch Boxbergs
CDU-Bürgermeister Achim Junker weiß, dass der Tourismus in der Region
maximal fünf Prozent zum Bruttosozialprodukt beiträgt. (...).
Vom schwedischen Staatskonzern Vattenfall als Kraftwerkseigentümer
flossen lange Zeit jährlich zehn Millionen Euro Gewerbesteuer und
machten Boxberg mit 4.500 Einwohnern zu einer der reichsten Gemeinden
Sachsens. Doch schon mit der erlaubten Rücklagenbildung der
Energiekonzerne infolge des Atomkraftausstiegs 2015 versiegten die
Gewerbesteuern. Schlimmer noch, Boxberg ist mit 13 Millionen Euro
Rückzahlungsforderungen belastet."
Bei den
Gemeinderatswahlen im Mai 2019 dominierten in Boxberg/Oberlausitz
die Wählervereinigungen die zu Lasten der CDU Stimmen dazu gewannen.
Bei der
Kreistagswahl lag ebenfalls nicht die AfD (28,3 %) vorne, sondern
die CDU mit 41,7 %. Das steht im krassen Widerspruch zur
Behauptung:
"Im Lindenhof von Boxberg hatte der
Görlitzer Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla im Frühjahr ein
Heimspiel."
CHRUPALLA von der AfD jagte
bekanntlich bei der Bundestagswahl 2017 Michael KRETSCHMER das
Direktmandat ab. Zum Abschluss stellt BARTSCH noch ein paar "Ideen"
vor, die mehr Träumereien sind: Die Linkspartei will die Lausitz zur
Modellregion für ein Grundeinkommen machen. In
Hoyerswerda soll ein
"Elite-Campus Informationstechnik" als Außenstelle der
Exzellenzuniversität TU Dresden entstehen.
Fazit: Das Problem der Region
Görlitz ist, dass Europa lediglich ein Eliten- und kein Bürgerprojekt
ist und deshalb die normale Bevölkerung in dieser Grenzregion nichts
davon hat. Wäre Europa ein lebenstauglicher Staatenbund, dann müssten
in nationalen Grenzregionen supranationale Infrastrukturen gefördert
werden!
LASCH, Hendrik
(2019): "Die Kollegen reden über fast nichts anderes".
Landtagswahl in Sachsen: Auch nach dem Beschluss zum Kohleausstieg
bis 2038 gibt es bei Beschäftigten und Dienstleistern in der Lausitzer
Braunkohleregion viele offene Fragen,
in:
Neues Deutschland
v. 22.08.
"André Koch ist 31, gerade Vater
geworden und arbeitet bei einer Firma, die im Tagebau Welzow
Großgeräte für den Abbau der Braunkohle wartet",
heißt es am Anfang des Artikel.
Ganz zum Schluss erst erfährt der Leser, dass KOCH seit 2018
Linke-Stadtchef in
Hoyerswerda ist. Der geplante Kohleausstieg wird
als bewältigbares Problem inszeniert und die AfD und FDP als Gegner
kritisiert. Dabei ist der Beschluss der Kohlekommission nicht Gesetz,
sondern bislang nur Wahlversprechung. Auch in diesem Artikel wird die
"Außenstelle der TU Dresden am Scheibesee bei Hoyerswerda" propagiert.
LOCKE, Stefan & Markus WEHNER (2019):
Schwester Agnes und der Ostfaktor.
In
Brandenburg
weiß die Linke nicht, ob sie noch mal regieren will. In Sachsen wird
sie nicht mehr stärkste Oppositionspartei,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.08.
Die
Linkspartei ist in die kleinen Orte in Sachsen gegangen und möchte
sich dort wieder als Kümmererpartei profilieren, eine Position, die
die AfD inzwischen längst besser besetzt hat. LOCKE & WEHNER
präsentieren uns die Sicht des sächsischen Spitzenkandidaten Rico
GEBHARDT. Die Linkspartei ist inzwischen wie die Grünen zur
Großstadtpartei geworden:
"Vor allem in den Großstädten
gewinnt sie junge Leute. In Leipzig gewann sie schon vor fünf Jahren
ein Direktmandat - die anderen 59 holte wie stets die CDU. Diesmal
sieht die Partei Chancen, in Leipzig,
Chemnitz und Dresden mehrere
Wahlkreise direkt zu gewinnen. Für eine Koalition mit SPD und Grünen
aber würde es nicht reichen",
meinen LOCKE & WEHNER. Die Analysen
von election.de und wahlkreisprognose.de sehen dagegen nur in
folgenden Wahlkreisen Chancen der Linkspartei auf ein Direktmandat:
KRÜGER, Anja
(2019): Zukunft made in Sachsen.
Landtagswahl in Sachsen: Nahaufnahme: Die 24-jährige Sally Floss
ist auf Weiterbildung. Sie wird bei Volkswagen in Sachsen schon bald
nur noch elektrische Fahrzeuge bauen. Das Zwickauer Werk verabschiedet
sich vom Verbrennungsmotor. Doch die neue Zeit weckt auch Ängste,
in:
TAZ
v. 23.08.
Anja KRÜGER beschreibt das VW-Werk und die Stadt Zwickau. In
keinem kosmopolitischen Zeitungsartikel aber darf der Hinweis auf die
Kluft zwischen der guten Zahlenlage und der schlechten Stimmung
fehlen. In Wahlzeiten ist die Stimmung immer schlechter als die Lage,
stehen keine Wahlen an, dann ist plötzlich wieder die Stimmung viel
besser als die Lage. Dann weiß der Leser, dass Reformen anstehen!
KRÜGER zitiert den
Linksparteipolitiker René HAHN, der im Stadtrat von Zwickau sitzt. Für
die Linkspartei war die Kommunalwahl ein Desaster. Auch in Zwickau
büßte sie fast ein Drittel der Stimmen ein, während die AfD nun gleich
viele Sitze wie die CDU, nämlich 11, erhalten hat. Die Grünen konnten
sich nur minimal verbessern.
"Die Zweifel sind immer dieselben:
Wie ist das mit den Reichweiten der Autos, der Lade-Infrastruktur, den
Arbeitsplätzen, der Nachfrage. (...). Die Region sei als
Billiglohnland wahrgenommen worden, kritisiert Brodmann - auch, weil
PolitikerInnen damit geworben haben, dass hier für 30 Prozent weniger
gearbeitet werde als im Westen",
klagt ein Gewerkschaften. KRÜGER
sieht jedoch ein Umdenken, denn aufgrund des Fachkräftemangels würden
niedrige Löhne zum Standortnachteil.
taz-Titelthema:
Sachsen von links nach rechts.
Kurz
vor der Landtagswahl sind sieben Redakteur*innen der taz durch
Sachsen gefahren, von Plauen im Westen nach Zittau im Osten. Die
Sachsentour |
TAZ
(2019): Quer durch Sachsen.
Landtagswahl in Sachsen: Sachsentour,
in:
TAZ
v. 24.08.
Zehn Seiten Sachsentour stellen die Leuchtturmprojekte des
linksliberalen Kosmopolitismus in Sachsen vor. Es beginnt in
Reichenbach,
das für die taz eine Kleinstadt im Vogtland mit einem Streetart-Festival
ist. Tatsächlich ist es eine Mittelstadt und
Große Kreisstadt des Vogtlandkreises.
In Plauen, dem Sitz der rechten Partei
"Dritter Weg" wird ein linkes
Hausprojekt vorgestellt. Weiter geht es zur Talsperre Pöhl und das
gleichnamige untergegangene Dorf. In
Schneeberg, einer Kleinstadt im
Erzgebirgskreis ("15.000 Einwohner") wird der Kampf der CDU im Wahlkreis 14
Erzgebirge 2 gegen die AfD präsentiert, denn:
"Im November 2013 zogen 1.800
Menschen mit Fackeln durch die Stadt, aus Protest gegen die
Unterbringung von Geflüchteten. 836 Menschen waren im Sommer 2015 in
der Erstaufnahme in Schneeberg untergebracht. Heute sind es noch 166."
Heimelig da oben von Sebastian ERB
spielt zur Abwechslung nicht in den Extremmilieus, sondern im
Touristenort
Oberwiesenthal:
"Oberwiesenthal liegt am Fuße des
Fichtelbergs, des höchsten Berges Sachsens und ganz Ostdeutschlands.
Gleich nebenan ist Tschechien (...).
Die Fichtelbergbahn fährt hierher, Schmalspur, gezogen von einer
Dampflok, Baujahr 1952. (...). Es sind 17 Kilometer und knapp 240
Höhenmeter in die höchstgelegene Stadt Deutschlands, 915 Meter über
dem Meer. (...).
Von Oberwiesenthal aus kann man seit 1924 weiter mit einer
Luftseilbahn auf den Berg fahren (...).
Der Blick zurück, so scheint es, hilft Oberwiesenthal voranzukommen.
Der Ort hat seit der Wende die Hälfte der Einwohner verloren, heute
wohnen gut 2.000 Menschen hier. Die hohe Arbeitslosigkeit von damals
ist kein Thema mehr. Das liegt vor allem am Tourismus, 600.000
Übernachtungen im Jahr, besonders im Winter."
Waltraud SCHWAB dagegen widmet sich
wieder Grünen und AfD in Freiberg und
Glashütte:
"Das (Freiberger) AfD-Büro in der
Kesselgasse 10 liegt gegenüber dem Laden der Grünen im Haus Nummer 9.
Sie können sich gegenseitig in die Räume gucken. »Aber wir waren
zuerst da«, sagt die junge Grüne (...). Sie studiert
Umweltingenieurwesen an der Technischen Universität Freiberg. Der
AfD-Direktkandidat von gegenüber, Wolf Weigand heißt er, ist dort
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Keramik, Glas- und
Baustofftechnik (...).
Freiberg in Sachsen, 40.000 Einwohner und Einwohnerinnen, mit ältestem
Stadttheater der Welt, einer Universität, einem Schlo9ss,
repräsentativen Plätzen und Kirchen, ist eine kulissentaugliche Stadt.
(...) Seit der Verkehr weitgehend aus dem Zentrum verbannt ist,
erinnern sich die Leute nur langsam, dass Städte für Menschen sind,
nicht für Autos. (...). Ohne 800 Jahre Silbererzabbau wäre die Stadt
nur ein Dorf, sagt einer.
Das ganze Erzgebirge ist unterkellert. 14 Kilometer Stollen, Gänge,
unterirdische Straßen hat allein die Reiche Zeche. (...).
Neuerdings, wo man um Lithium, Wolfram und Seltene Erden im Erzgebirge
weiß, könnte es ein Bergbaurevival geben."
In
Niederbobritzsch in Mittelsachsen, wo der Wirt des Goldenen Löwen
als das frühere Freie Wähler-Mitglied nun als AfD-Vertreter im
Gemeinderat und Kreistag sitzt wird SCHWAB erklärt, dass neue Schulen
wichtiger sind als neoliberale Kennzahlen oder vordere Plätze in
neoliberalen Schulrankings.
Glashütte, wo der Grüne Uwe AHRENDT
im Gemeinderat und Kreistag sitzt und das Erbe der Uhrmacherfamilie
weiterführt, ist SCHWAB entschieden wichtiger:
"Der Ortsname ist geschützt,
deshalb gibt es im Kernort 1.700 Menschen und 1.800 Arbeitsplätze.
Uhren haben Glashütte gerettet, nachdem der Bergbau im 19. Jahrhundert
»ausgeerzt« war. Der Ort hat städtisches Flair.
Ahrendt hat sich öffentlich gegen rechts positioniert. Allein 20
Prozent AfD bei den Kommunalwahlen im Frühjahr in Glashütte, dem
Kernort, wo die Leute ein gutes Auskommen haben."
Glashütte gehört zum Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge.
Bei der
Gemeinderatswahl im Mai 2019 konnten die Grünen ihren
Stimmenanteil fast vervierfachen und kamen auf 11,1 %. Die Linkspartei
ist gar nicht erst angetreten und die CDU hat 26,9 % Verlust
eingefahren und ihren Stimmenanteil mehr als halbiert auf 21,6 %. Das
ist nur knapp vor der AfD (19,8 %).
Lin HIERSE & Hanna VOß zeichnen in
Zurück nach Hause ein trostloses Bild von
Bischofswerda im Landkreis Bautzen:
"Eigentlich ist der Ort günstig
gelegen, zwischen Bautzen und Dresden, an Autobahn und Bahnstrecke.
Trotzdem sind viele Geschäfte »Es-war-einmal-Läden«"
Ein Rückkehrerpaar steht deshalb im
Mittelpunkt des Artikels.
"Herrnhut,
90 Kilometer östlich von Dresden, ist eine Kleinstadt, die tief von
Religion geprägt ist",
erzählt uns Jan PFAFF, der die
Brüdergemeine porträtiert. In
Zittau
im Landkreis Görlitz wird die Projektleiterin bei Lanterna Futuri,
einem Bildugnsprojekt zur Förderung des deutsch-polnisch-tschechischen
Austausches.
Zum Schluss gibt es in Dresden ein
Interview mit der Lieblings-Linksparteipolitikerin Katja KIPPING, die
aus der Partei eine zweite Öko-Partei machen will und damit die
ehemaligen Wähler geradezu in die Hände der AfD treibt.
WINTER, Steffen (2019): Der Ost-Komplex.
Landtagswahlen: Nirgendwo sonst im Land ist die AfD so stark wie im
Osten, nirgendwo sonst fühlen sich die Menschen so benachteiligt und
abgehängt - dabei geht es den meisten besser denn je. Ein Blick in die
ostdeutsche Seele,
in: Spiegel
Nr.35
v. 24.08.
Steffen WINTER will uns
Ostdeutschland erklären, u. a. an Sachsen:
Heidenau und
Leipzig
sind die Orte für zwei Sozialfiguren.
NIMZ, Ulrike (2019):
Alles wird Glut.
Landtagswahl in Sachsen: Seit Wochen grillt sich Michael
Kretschmer durch Sachsen. Es geht um die Zukunft es Landes und auch um
seine eigene. Eindrücke aus einem Wahlkampf, der mindestens so heiß
wie fettig ist,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 24.08.
Ulrike NIMZ sieht in Michael KRETSCHMER einen positiven Populisten
oder anders ausgedrückt: Er verspricht den Menschen das Blaue vom
Himmel und wird wenig davon halten.
"Lange sah es so aus, als könnte
die AfD stärkste Kraft werden im Land und die Regierungsbildung
schwierig. Der Ministerpräsident hat nicht nur Koalitionen mit links
und rechts ausgeschlossen, sondern auch mit den Grünen".
Das CDU-freundliche
ZDF-Politikbarometer wird uns von der SZ präsentiert. Vor der
Landtagswahl 2014 lag die letzte Prognose gemäß
wahlrecht.de für die CDU zu hoch und für die AfD zu niedrig. Die
Prognose anderer Institute liegen zwischen 28 - 30 Prozent für die
CDU. Die AfD kommt auf 24 bis 26 Prozent. Der Vorsprung der CDU liegt
im Unsicherheitsbereich von Prognosen, d.h. die CDU sollte sich nicht
zu sicher sein, dass sie in Sachsen stärkste Partei wird. Für die
Grünen geht der Trend eher nach unten. Vor der letzten Wahl waren die
Prognosen für die Grünen mehrheitlich zu optimistisch. Die FDP wird
von allen Instituten bei 5 % gesehen, d.h. es ist unsicher, ob sie ins
Parlament kommt. Vor der letzten Landtagswahl lagen die FDP-Prognosen
jedoch alle unter dem tatsächlichen Ergebnis.
Fazit: Der Ausgang in Sachsen ist
wenige Tage vor den Wahlen mehr als ungewiss. Bei den Direktmandaten
gibt es jedoch gemäß
wahlkreisprognose (Stand: 23.08.2019) deutliche Verschiebungen
zugunsten der CDU (+ 7 Mandate) und zu Lasten der AfD (- 8 Mandate).
Election.de (Stand: 24.08.2019) sieht die AfD nur in 5 Wahlkreisen
vorne, bei wahlkreisprognose.de sind es dagegen 15. Folgendes Bild
gibt es zur (maximalen) Verteilung der Direktmandate:
|
CDU |
AfD |
Grüne |
Linke |
SPD |
Election.de
(24.08.2019) |
50 |
5 |
2 |
3 |
0 |
Wahlkreisprognose.de (23.08.2019) |
38 |
15 |
4 |
3 |
0 |
LOCKE, Stefan (2019): Der Sachsenflüsterer.
Landtagswahl in Sachsen: Frank Richter war Bürgerrechtler und
Pfarrer, und dreißig Jahre gehörte er zur CDU. Bei der Landtagswahl im
Herbst tritt er nun für die SPD an,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.08.
|
Foto: Bernd
Kittlaus 2018 |
BUDRAS, Corinna (2019): Der Osten wird grüner.
Landtagswahl in Sachsen: Die Grünen hatten im Osten Deutschlands
lange einen schweren Stand, doch das ändert sich gerade. Das hat viel
mit der Wirtschaft zu tun,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.08.
Corinna BUDRAS zitiert die Sicht von Wahlforschern (Infratest Dimap
und Forsa) und dem Politikwissenschaftler Everhard HOLTMANN sowie eine
Studie:
"Größere Bevölkerungsgruppen können
sich auch im Osten Deutschlands den »postmaterialistischen« Ansatz der
Grünen leisten, besonders junge, gut ausgebildete Frauen, die in den
Städten leben. Arbeitslosigkeit und Armut sind für sie nicht die alles
beherrschenden Themen, für sie rücken andere Aspekte in den
Vordergrund: der Umweltschutz, eine gute öffentliche Infrastruktur,
Kindergartenplätze."
»Die Grünen sind tendenziell vor allem dort stark wo die Bevölkerung
wächst«, sagt Wahlforscher Siegel (...).
Der wirtschaftliche Erfolg der einen sorgt für Ärger bei den anderen,
die es nicht so weit bringen. Das hat das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) gerade in einer Studie beschrieben. Die
Forscher haben das Wählerverhalten in Ostdeutschland bei der
Europawahl im Mai analysiert und sind zu dem Schluss gekommen: Der
große Erfolg der Grünen und der AfD zeigt vor allem, dass die
Lebensverhältnisse im Osten stärker auseinanderdriften",
schreibt BRUDRAS über den Aufsatz
Grüne
und AfD als neue Gegenpole der gesellschaftlichen Spaltung in
Deutschland im
DIW-Wochenbericht Nr.34 vom 21.08.2019.
LOCKE, Stefan (2019): Wahlkampfschlager DDR.
Landtagswahl in Sachsen: Um die Wahl in Sachsen zu gewinnen,
zeichnet die AfD ein Zerrbild der Wirklichkeit - was ihre Wähler nicht
stört,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.08.
NIMZ, Ulrike (2019):
Sächsische Klimakrise.
Landtagswahl in Sachsen: Kurz vor der Landtagswahl, bei der die
AfD stärkste Kraft werden will, ist die Stimmung aufgeheizt. In
Unternehmen und Politik wächst die Sorge um Image und wirtschaftliche
Zukunft des Freistaats,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.08.
Vor 3 Tagen zeigte bei Ulrike
NIMZs Artikel eine Grafik, dass die AfD hinter der CDU lag, weshalb
es jetzt nur noch heißt, dass die AfD stärkste Kraft sein will!
"Mehrere Firmen, jüngst
Globalfoundries, haben Wahlaufrufe gestartet, in denen sie zumindest
implizit davor warnen, den Populisten eine Stimme zu geben. (...).
In der Dreikönigskirche schilderte Andreas Bismarck, Chef des
Chemnitzer Strickmaschinenherstellers Terrot und Sprecher von
»Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen« die Lage wie folgt: Eine
Reihe der etwa 70 Mitgliedsfirmen hätten schon Absagen erhalten, weil
Bewerber befürchteten, sich in Sachsen nicht wohlzufühlen",
schreibt NIMZ. Die FAZ
berichtete schon vor 11 Tagen über
Warnungen der Wirtschaft. Solche Warnungen
begleiten den Aufstieg der AfD seit langem, blieben bislang jedoch
ohne Wirkung. Während üblicherweise zwei Drittel der Artikel in den
kosmopolitischen Mainstreamzeitungen vor den Wahlen den tollen
neoliberalen Zahlen gewidmet sind, ist es nun umgekehrt:
"Die Leuchttürme strahlen helle im
Freistaat, doch abseits der urbanen Zentren wachsen die Schatten. Um
zu verstehen, warum (...), hilft ein Blick in den »Deutschlandatlas«
der Bundesregierung. (...). Während Vollzeitbeschäftigte im Westen
2018 durchschnittlich 3.434 Euro pro Monat verdienten, bekamen
Arbeitnehmer im Osten nur 2.707 Euro. Schlusslichter: das Erzgebirge
und der Landkreis Görlitz."
Will man aufzeigen, dass die
Stimmung schlechter ist als die Lage, dann werden die
Arbeitslosenquoten herbeizitiert. Das Umgekehrte wird erreicht, wenn
man die Löhne der Arbeitnehmer in den Blick nimmt. Neoliberale Zahlen
sind deshalb in erster Linie "politische Zahlen".
"Die Kluft zwischen Stadt und Land
ist das bestimmende Thema im sächsischen Wahlkampf",
erklärt uns NIMZ, um dann die
Positionen von IWH und Ifo-Niederlassung Dresden gegenüber zu stellen:
"»56 Prozent der ostdeutschen
Bevölkerung leben im ländlichen Raum, die kann man nicht einfach
vernachlässigen.« Eine Konzentration auf potenzielle Wachstumspole sei
vernünftig, sagt der Ökonom. Aber die gebe es eben auch in Grimma,
Oschatz oder Reichenbach - in »Städten, die es nach der Wende schwer
getroffen hat, auf die aber selten jemand schaut«. Erfolge seien auch
an der Peripherie möglich.
In Torgau soll ein Glascampus neue Impulse in der Keramik- und
Baustoffindustrie setzen, im Vogtland ein Bundeskompetenzzentrum für
Kälte- und Klimatechnik entstehen. In deutschen Chefetagen zeigt eine
Uhr aus Glashütte (...) an, (...) dass man es geschafft hat",
zitiert NIMZ die Sicht von Joachim
RAGNITZ (Ifo-Institut). Als Problem wird wie üblich der
Fachkräftemangel gesehen, der angeblich in 10 Jahren droht. Außerdem
gäbe es keine Probleme, wenn die Menschen engagiert genug wären,
weshalb uns NIMZ die Geschichte einer Rückkehrerin erzählt. Dumm nur,
dass nicht jeder in einen traditionsreichen Handwerkerbetrieb
einheiraten oder gar diesen erben kann.
"Seit der Schließung der Tagebaue
steigt das Grundwasser an. In den Plattenbauten der einstigen
Musterstadt Hoyerswerda sind die Keller feucht, die Spree verockert,
weil Sulfat und Eisen aus dem sauren Boden gewaschen werden. Die
braune Brühe fließt Richtung Berlin, und wer ein düsteres Bild sucht
für die politische Stimmung im Land, wird in der Lausitz schneller
fündig als anderswo",
meint NIMZ. Wir wären aber nicht im
Wirtschaftsteil, wenn es um "ökonomische Verheerung" ginge, sondern
NIMZ möchte "Versöhnung", d.h. die Pessimisten sollen gefälligst die
Chancen sehen und sich engagieren, denn Engagement ist das neoliberale
Äquivalent im Wirtschaftsbereich zur Eigenverantwortung im
sozialpolitischen Bereich!
ZEISING, Max
(2019): Mutmacher, kein Magier.
Landtagswahl in Sachsen: Spitzenkandidat Martin Dulig möchte der
SPD und den Sachsen zeigen, wie es aufwärts geht,
in:
Neues Deutschland
v. 27.08.
BARTSCH, Michael/MAIER, Anja/Am ORDRE, Sabine (2019): Überlappende
Ränder.
Landtagswahl in Sachsen: Nahaufnahme: Wenn Michael Kretschmer
(CDU) dem AfD-Spitzenmann Jörg Urban begegnet, schaut er demonstrativ
weg. Mit den Rechten will der sächsische Regierungschef nichts zu tun
haben. Doch in seinem Landesverband rumort es,
in:
TAZ
v. 27.08.
LÖWISCH, Georg (2019): Katja Meier will, dass der Boom der Grünen Sachsen wirklich verändert.
Unter Leuten: 8,7 Millionen
Menschen leben in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Hier ist eine
von ihnen,
in:
TAZ v. 27.08.
LOCKE, Stefan & Markus WEHNER (2019): Mit und ohne Merkel.
Die CDU-Spitzenkandidaten Michael Kretschmer und Ingo Senftleben
führen in Sachsen und
Brandenburg einen schweren Wahlkampf. Sie stehen für
unterschiedliche Ausrichtungen ihrer Partei. Und die AfD ist ein
starker Gegner,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.08.
LÖHR, Julia (2019): Die Stadt mit dem höchsten Leerstand.
Landtagswahl in Sachsen:
Chemnitz steht im Schatten von Leipzig
und Dresden. Woran liegt das?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.08.
LASCH, Hendrik
(2019): Die Wähler und der Wolf.
Landtagswahl in Sachsen: Der Umgang mit dem Raubtier hat in
Sachsen und Brandenburg politische Brisanz,
in:
Neues Deutschland
v. 28.08.
Brandenburg spielt in dem Artikel
von Hendrik LASCH keinerlei Rolle. Es geht ausschließlich um Sachsen.
Der Wolf ist eine neoliberale Metapher und in den Nuller Jahren wurde
von "Wolfserwartungsland" gesprochen, um die Entleerung ländlicher
Räume zu umschreiben. Nichts davon lesen wir bei LASCH.
"»Viele, die auf das Thema
einsteigen, haben nicht direkt mit dem Wolf zu tun.« Das belegt auch
der Zuspruch für eine Petition an den sächsischen Landtag, mit der
Anfang 2018 eine Bürgerinitiative aus der Region nördlich von Bautzen
die »Begrenzung der Wolfspopulation« forderte. Sie fand 18.590
Unterstützer.
Manchen von diesen mögen Erlebnisse verstören, wie sie der Initiator
Georg Lebsa, ein Zahnarzt aus Neschwitz, schildert: Wölfe, die man
»während des Frühstücks vom Zaun verscheuchen« müsse (...).
Dabei zeigt sich ein Problem (...): Statistiken decken sich nicht
unbedingt mit dem, was Bürger fühlen - im konkreten Fall: Die
»Landbevölkerung«, die Lebsa einem unzumutbaren »Alltagsrisiko«
ausgesetzt sieht."
LASCH, der nichts versteht, will
das Alltagsrisiko kleinreden. Das aber geht an dem Mythos Wolf vorbei.
Wenn der Mensch geht, kommt der Wolf, haben uns nationalkonservative
und neoliberale Zeitgeistprediger in den Mainstreammedien nun
Jahrzehnte eingehämmert. Es geht also um die Angst, dass der Wolf nur
der Vorbote für Schlimmeres ist.
LÖWISCH, Georg
(2019): Genosse Schmerzensmann.
Landtagswahl in Sachsen: Nahaufnahme: Spitzenkandidat Martin Dulig
kämpft in Sachsen für eine SPD, die schon so klein ist, wie sie
bundesweit werden könnte. Mit ganzem Einsatz. Aber es tut ihm weh: "Im
Bauch. Die Kopfschmerzen kommen dazu",
in: TAZ
v. 28.08.
LEHMANN, Anna (2019): Mit Rechten leben:
der Wurzener Probelauf.
Ein Parlament, in dem die Rechten ein Viertel der Stimmen haben. Was
in Sachsen und Brandenburg droht, hat die sächsische Kleinstadt Wurzen
schon vollzogen,
in:
TAZ
v. 29.08.
"Jörg Röglin (...) ist
Oberbürgermeister von Wurzen mit SPD-Parteibuch, (...) Benjamin Brinsa
(...) ist ein über Wurzen hinaus bekannter Hooligan aus der Naziszene.
Seit Mai ist er auch gewählter Stadtrat. (...).
Wurzen ist eine Kleinstadt östlich von Leipzig. Bekannt für seine
Kekse. Und für seine rechte Szene, die sich in der Stadt fest als
Gewerbetreibende etabliert hat. Seit Dienstag sitzen sie auch im
Stadtrat. Die AfD und das Neue Forum Wurzen, das sich an die NPD
anlehnt, waren die eigentlichen Wahlsieger der Kommunalwahl im Mai
(...). Der rechte Block besetzt im Stadtparlament mehr als ein Viertel
der Sitze. (...). Wurzen ist also Trendsetter und Versuchsfeld. Hier
üben die Parlamentarier schon mal den Umgang mit den Rechten.
Soll man ihnen Paroli bieten? Sollen sie sich selbst entzaubern? Oder
muss man gar mit ihnen zusammenarbeiten? Diese Optionen werden gerade
in Wurzen diskutiert",
erklärt uns Anna LEHMANN. Die
Linkspartei grenzt sich von der AfD ab, hat sie aber mit in den
Kulturausschuss gewählt. Was in Weimar für Empörung bei der
Linkspartei gesorgt hat, ist hier also problemlos vonstatten gegangen.
LEHMANN kritisiert die Haltung von SPD und CDU indirekt:
"Es ist eine bewährte Strategie der
Rechten, Anliegen der politischen Gegner zu kopieren und sie so im
Parlament vorzuführen. Wer mitspielt, hat schon verloren. Entweder
stimmt man für die Rechten oder gegen die eigene Forderung."
Kay RITTER, der als
CDU-Direktkandidat den Wahlkreis 26 Leipzig Land 4 gewonnen hat, wird
folgendermaßen beschrieben:
"Die CDU windet sich. Als
Landtagskandidat der CDU lehnt Kay Ritter eine Zusammenarbeit mit der
AfD ab. Als Stadtrat in Wurzen sagt er: »Hier geht es doch um die
Stadt«"
Für LEHMANN fehlt es an einer
gemeinsamen Strategie eines Anti-AfD-Bündnisses auf der kommunalen
Ebene. Diese Sicht verkennt die Schwäche der etablierten Parteien in
den sächsischen Kommunen. Vor allem die CDU-Basis ist längst erodiert,
eine Folge ihres absolutistischen Herrschaftssystems.
AISSLINGER, Moritz (2019): "Man hat mich politisch
gemacht".
Dossier: Susanne Dagen galt als
beste Buchhändlerin Dresdens. Bei ihr lasen die wichtigsten
Schriftsteller des Landes. Heute sympathisiert sie mit der AfD und
lädt rechte Autoren zu sich ein. Die Geschichte einer Abkehr,
in:
Die Zeit Nr.36 v. 29.08.
"Eigentlich war es eine
Erfolgsgeschichte. Eine Frau, jung und ostdeutsch und voller
Tatendrang, kehrte wenige Jahre nach der Wende aus Rostock zurück in
die Heimat, nach Dresden, und erschuf aus dem Nichts eine der besten
Buchhandlungen des Landes. (...) Sie (...) holte die besten Autoren
des Landes nach Dresden, erhielt Preise. Sie wurde Teil der
gesamtdeutschen Kulturelite.
Dann begann eine neue Geschichte.
In den vergangenen drei Jahren änderte Susanne Dagen ihr Programm.
(...).
Susanne Dagen hat geschaffen, was es sowohl kein zweites Mal gibt in
der Bundesrepublik: ein Kulturhaus für neue Rechte und alte
Konservative. Einen Zufluchtsort für Wütende, Empörte und Besorgte.
Bei ihr treffen sich die Vertriebenen der bürgerlichen Mitte mit
jenen, die immer schon am Rand standen. (...).
Ihr Mann Michael Bormann steht hinter dem Ladentisch. An den Wänden
hängen Urkunden, Buchhandlung des Jahres 2008, Deutscher
Buchhandlungspreis 2015 und 2016, vergeben von der Bundesregierung.
Weitere Auszeichnungen, glaubt Dagen, werde es aus der Kulturbranche
nicht mehr geben. (...).
Sie hat zwei Töchter, die auf eine Waldorfschule gehen. Sie (...)
spricht vier Sprachen. Mit den missgelaunten Autoren, die in ihrem
Kulturhaus über das linksgrüne Establishment herziehen, hat sie wenig
gemein. Was nicht heißt, dass sie deren Meinungen nicht teilt. Sie hat
öffentlich erzählt, die AfD gewählt zu haben",
erzählt uns Moritz AISSLINGER, der
uns die Geschichte ihrer Familie in der DDR präsentiert, um das
"Trotzige" der Buchhändlerin biografisch herzuleiten:
"Die Tochter bekam auch mit, was
passierte, wenn ihre Mutter in der Galerie die falschen Künstler
ausstellte. Anrufe vom Rat des Bezirkes. Ermahnungen, man dürfe
Dissidenten keine Plattform bieten. Androhung von Berufsverbot. (...).
Die Bevormundung, die Zurechtweisung. Im Osten reagiere man sensibler
auf derlei Dinge, sagt Dagen. (...). Irgendwann stand in den
Zeitungen, Dresdens beste Buchhändlerin sympathisiere mit Pegida.
Kunden blieben weg. Sie wurde aus der Jury eines Literaturpreises
ausgeschlossen. Eine literarische Gesellschaft zog sich aus einer
Kooperation zurück. Und Susanne Dagen lud nur umso öfter Autoren von
der »falschen Seite« ein.
Je weiter sie in die rechte Ecke gestellt wurde, desto demonstrativer,
so scheint es, blieb sie dort stehen. Mit der Charta 2017 offenbarte
sie dann erstmals für alle sichtbar ihre Haltung.
Ingo Schulze lehnte es ab, die Charta zu unterzeichnen. (...).
Die Charta 2017 aber machte Dagen bundesweit bekannt. Und in Loschwitz
wurde plötzlich alles irgendwie politischer.
Es ist Ende Mai, Sonntag, Wahltag. (...) Auch Susanne Dagen steht zur
Wahl. Aus der Buchhändlerin ist eine Politikerin geworden. Sie
kandidiert für die Freien Wähler um einen Sitz im Dresdner Stadtrat.
(...).
Die Charta verlieh Dagen (...) eine Bedeutung, die Buchhändler für
gewöhnlich nicht erlangen. Als eine der Ersten aus dem traditionell
eher progressiven Kulturbetrieb hat sie sich rechts positioniert."
Seit Mai 2019 sitzt Susanne DAGEN
für die Freien Wähler im
Stadtrat von Dresden. Die Freie Wähler Dresden e.V. kamen auf vier
der 70 Sitze. Die AfD wurde mit 12 Sitzen drittstärkste Kraft hinter
CDU und Grünen, aber knapp vor der Linkspartei, die ebenfalls mit 12
Sitzen einzog. DAGEN wurde im Wahlkreis 7 gewählt. Die anderen
Vertreter der Freien Wähler waren in den Wahlkreisen 8, 10 und 11
erfolgreich. Zum
Wahlkreis 7 gehören Loschwitz und das Dresdner Villenviertel
Weißer Hirsch, das durch den Schriftsteller Uwe TELLKAMP berühmt
wurde. Die AfD kam im Wahlkreis 7 auf 20,7 % und wurde dort
zweitstärkste Kraft hinter der CDU, die mit nur 0,4 % vorne lag. Der
Soziologe Karl-Siegbert REHBERG spricht von den Bewohnern des
Villenviertels Weißer Hirsch als einem "Refugiumsbürgertum" (vgl.
"Die verleugnete Klasse", 2019):
"Der Erfolg des mit dem Deutschen
Buchpreis 2008 ausgezeichneten und keinesfalls nur in Dresden begierig
gelesenen Romans »Der Turm« von Uwe Tellkamp (2008) belegt das in
atmosphärischer Dichte. Es gelingt ihm das erinnernde Eintauchen in
eine Bürgerlichkeit, die ich lange zuvor schon »Refugiumsbürgertum«
genannt hatte (Rehberg 1999, S.46)(...). Eingekapselt in der DDR
konnten sich diese Kreise vielleicht genuiner erhalten als in den
Modernisierungsprozessen Westdeutschlands." (S.135)
AISSLINGER erzählt uns noch einmal
das Narrativ vom neurechten Netzwerk, in dem Schriftsteller und
Verleger die intellektuelle, bildungsbürgerliche Elite darstellen.
"Den Autor Tellkamp habe man ganz
früh entdeckt, sagt Kositza, lange vor seinem Bestseller Der Turm.
Sie seien schon Leser des Eisvogels gewesen. In diesem,
Tellkamps Romandebüt, geht es um einen Philosophen, der Mitglied einer
rechten Terrorgruppe wird, im Grunde seines Herzens aber ein Guter
ist",
fasst AISSLINGER die zentrale
Bedeutung von Uwe TELLKAMP für das neurechte Bildungsbürgertum
zusammen. Auf dieser Website wurde beim Erscheinen des Debütromans im
Jahr 2005 die Position von Volker WEIDERMANN kritisiert, der in der
"neuen Ernsthaftigkeit" nicht den Keim eines wahrhaftigen Widerstands
sehen wollte, sondern ihn als postmodernes Spiel mit Pathos auffasste.
Dies lächerlich zu machen, war die einzige Reaktion darauf. WEIDERMANN
empörte sich damals per Email über diese Sichtweise. Aber letztlich
zeigt sich, dass der Kulturbetrieb unfähig war, die Bedeutsamkeit des
Autors für das rechte Spektrum zu erkennen. Damals hieß es auf dieser
Website:
"Warum
wirkt WEIDERMANNs Ironie hier so vollkommen deplatziert?
Der größte Fehler der Ironiker ist,
dass sie die Pathetiker nicht ernst genug nehmen. Nicht umsonst hat
BUSH in Amerika die Wahlen gewonnen. Und in Deutschland hat Rot-Grün
nicht einmal mehr im eigenen Lager den nötigen Rückhalt. Ganz davon
abgesehen, dass Rot-Grün nur noch formal regiert, tatsächlich aber von
der Opposition die Themen diktieren lassen muss. WEIDERMANN
agiert genauso hilflos wie Gerrit BARTELS in der taz. Beide
mögen sich im Zeichenkosmos der Popkultur zurecht finden, aber wenn
sie ihn verlassen müssen, sind sie hilflos und blind! Hat jemand
Hitler ernst genommen, bevor er an der Macht war?
Nicht dass die Patheker mit ihrer
Lagebeschreibung recht haben ist das Problem, sondern dass die
Ironiker ihnen die Lagebeschreibung gänzlich überlassen haben.
Pathetiker
müssen ernst genommen werden. Setzen wir ihnen also eine andere
Lagebeschreibung entgegen..."
(10.04.2005)
Rund 15 Jahre später zeigt sich,
dass unser linksliberales, kosmopolitisches Milieu den Ernst der Lage
immer noch nicht begriffen hat. Man freut sich, dass die AfD (noch)
nicht stärkste Kraft wurde, obwohl die Basis der Macht von CDU, SPD
und Linkspartei in Brandenburg und Sachsen längst erodiert ist. Das
politische Gebälk, das Michael KRETSCHMER oder Dietmar WOIDKE derzeit
trägt, ist längst morsch!
"Es gehört zum Selbstverständnis
der bundesdeutschen Demokratie, dass Rechte und Rechtsradikale ihre
Gedanken verbreiten dürfen, selbst wenn sie menschenfeindlich sind.
Aber es gehört eben auch dazu, dass man sich ihnen mit Worten in den
Weg stellen darf",
erklärt uns AISSLINGER. Rechte
kümmert es wenig, wenn man sich ihnen nur mit Worten oder per
Zivilgesellschaft in den Weg stellt. Ihre Vertreter interessieren sich
für die Schalthebeln der Macht - nicht nur in der Politik. Auf diesem
Weg sind sie längst weiter gekommen, als dies die jetzigen
Wahlergebnisse vermuten lassen.
"Die DDR existierte nur 40 Jahre.
Doch sehen manche Ostdeutsche im vereinigten Deutschland eine Art
Fortsetzung der DDR, eine neue alte Meinungsdiktatur",
meint AISSLINGER. Diese Sicht
findet sich längst auch schon in der traditionsreichen Neuen
Zürcher Zeitung:
"Die Bundesrepublik lässt sich
nicht mit der DDR vergleichen. Allerdings findet die Meinungsfreiheit
unter den Bedingungen eines als übermächtig empfundenen westdeutschen
Diskurses statt. Das bringt wieder manchen zum Verstummen. Die Stimme
für die AfD ist ein Ventil für die Schizophrenie auch im neuen
Deutschland",
schreibt Eric GUJER ("Die
Machtverhältnisse sind klar", NZZ 31.08.2019), der die ZEIT als
Wahlhelfer der AfD sieht:
"Die, sagen wir es ruhig,
patriotische Aufgabe, der Entfremdung entgegenzutreten, fällt vor
allem dem Westen als stärkere Seite zu. Liest man jedoch was Politik
und Medien dazu zu sagen haben, muss man an der Bereitschaft zweifeln.
Man appelliert an die Einheit und fördert die Spaltung. Die Hamburger
»Zeit« empfiehlt für den Umgang mit den widerspenstigen Landsleuten
kurz und bündig:
»Ignoriert den Osten!« Wie viele Westdeutsche den Satz wohl
klammheimlich teilen? Die AfD freut sich jedenfalls über diese
Wahlhilfe."
In dem zitierten Artikel vom
13.06.2019 schreibt Mark SCHIERITZ:
"Den Umfragen zufolge kommt die AfD
in den Bundesländern, in denen im Herbst gewählt wird, auf ungefähr 20
Prozent. Das sind etwa 1,7 Millionen Wähler, was wiederum rund zwei
Prozent der Bevölkerung Deutschlands entspricht. Wenn die von vielen
erwartete Diskursverschiebung nach den Ostwahlen stattfände, dann
hätten zwei Prozent der Bevölkerung dem Rest des Landes ihre Agenda
aufgedrängt."
Allein in Brandenburg und Sachsen
lagen die Wahlergebnisse über diesen prognostizierten Zahlen, ganz
davon abgesehen, dass die AfD auch im Westen deutlich zulegen wird,
dank unserer überheblichen Eliten, die nur die Spitze des Eisbergs
sehen wollen.
HÄHNIG, Anne (2019): Wer ist eigentlich mein Vermieter?
Unsere Autorin hat den Besitzer
ihrer Leipziger Wohnung noch nie gesehen, denn der kommt wie so viele
Vermieter hier, aus Westdeutschland. Wie kam es dazu, dass so viel in
den Städten des Ostens dem Westen gehört?
in:
Die Zeit Nr.36 v. 29.08.
BARTSCH, Michael (2019): Tief
in ihr steckt der Punk.
Landtagswahl in Sachsen: Katja Meier: Die Spitzenkandidatin der
sächsischen Grünen rockt vielleicht bald zusammen mit der CDU,
in:
Freitag Nr.35 v. 29.08.
Michael BARTSCH sieht in Katja MEIER bereits eine grüne Ministerin. Er
beschreibt einen Wahlkampfauftritt von MEIER (Wahlkreis 37 Meißen 1)
zusammen mit Robert HABECK in einer Traditionsnudelfabrik in Riesa.
LASCH, Hendrik (2019): Charmeoffensive
am Klapptisch.
Landtagswahl in Sachsen: Wie Kandidaten der Linken in Sachsen
darum kämpfen, dass ihre Partei im Landtag nicht an Bedeutung
verliert,
in:
Neues Deutschland
v. 29.08.
Hendrik LASCH stellt uns eine
chancenlose Direktkandidatin der Linkspartei im Wahlkreis 57 Görlitz 1
und einen
chancenreichen Direktkandidaten im Wahlkreis 29 Leipzig 3 vor:
"Antonia Mertschnig (ist)(...)
Direktkandidatin im Wahlkreis 57 (...).
Kathrin Kagelmann (...) war Mertschings Vorgängerin als
Direktkandidatin und saß im Kreistag. Ihre Fraktion habe »sehr gute
Arbeit« geleistet (...). Honoriert werde das nicht, sagt Kagelmann,
die auf ihr Mandat verzichtet hat. Stärkste Fraktion wurde mit Abstand
die AfD. Im Landtag ist ein ähnlicher Erfolg am Sonntag nicht
ausgeschlossen. (...).
Mertsching (kommt)(...) aus einem Dorf in der Niederlausitz mit 52
Einwohnern. (...). (Ihre) potenziellen Wähler (...) sind oder waren
Kumpel und Kraftwerker und ringen mit der Vorstellung, dass es mit der
Kohle in weniger als 20 Jahren vorbei sein könnte. (...).
Auf dem Listenparteitag der Linken sagte Mertsching (...), es sei
leichter »die Roten grün zu machen als die Grünen rot«. (...). Die
Delegierten waren angetan und setzten sie auf den sicheren Platz 13."
Tatsächlich ist Antonia MERTSCHNIG über Platz 13 noch in den Landtag
gekommen. Platz 14 hätte nicht mehr gereicht.
"Auch für den nächsten Sonntag galt
der AfD-Kandidat im Wahlkreis 57 lange als Favorit. Jetzt scheint die
CDU aufgeholt zu haben; Mertsching aber gilt als weitgehend
chancenlos",
meint LASCH.
Tatsächlich gewann den Wahlkreis
57 Görlitz 1 nicht die CDU, sondern die AfD.
LACHMANN, Harald (2019): Ein
Sahnehäubchen für Hoyerswerda.
Landtagswahl in Sachsen: In der Stadt, in der einst
Computer-Erfinder Konrad Zuse lebte, entsteht eine High-Tech-Schmiede
für IT-Experten,
in:
Neues Deutschland
v. 29.08.
LOCKE, Stefan (2019): Zuversicht aus Trotz.
In Sachsen hat es die SPD seit jeher schwer. Die Polarisierung
zwischen AfD, CDU und Grünen lässt ihre Umfragwerte abermals in den
Keller rutschen. Doch Dulig kämpft,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.08.
|
Foto: Bernd
Kittlaus 2018 |
STEPPAT, Timo (2019): Unter verschärften Bedingungen.
Pia Findeiß wurde als Oberbürgermeisterin von Zwickau über Jahre
bedroht. Viel konnte sie dagegen nicht machen. Auch Anzeige will sie
nicht mehr erstatten,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.08.
WEBER, Julian (2019): Die meisten haben die Klappe gehalten.
Chemnitz:
Die Wirtschaft wird's schon richten, und der Feind steht links. Die
sächsischen Probleme haben mit der CDU zu tun, sind sich Musiker und
Künstlerinnen in Chemnitz einig. Ein Besuch im ehemaligen
"Sächsisch-Manchester",
in:
TAZ
v. 30.08.
NIEJAHR, Elisabeth (2019): Perlen des Ostens.
Aus Angst vor der AfD zieht die Politik die verfehlte
Subventionspolitik für Ostdeutschland weiter durch. Doch es fehlt
nicht an Geld - eher an Machern,
in: WirtschaftsWoche
Nr.36
v. 30.08.
"Glashütte
in Sachsen zum Beispiel. Das Zentrum des Uhrmacherhandwerks und der
Stammsitz mehrerer global erfolgreicher Unternehmen könnte sich über
die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland freuen. Wenn die
AfD nicht ausgerechnet hier immer wieder herausragende Ergebnisse
erzielen würde. Die Versorgung mit Kitaplätzen und anderen
öffentlichen Dienstleistungen ist gut in Glashütte, die Fassaden in
der Innenstadt sind frisch gestrichen, ein Uhrenmuseum lockt Touristen
an, und gerade einmal 32 Geflüchtete leben hier. Lassen sich
Populisten mit Subventionen und Sozialpolitik bekämpfen? In Glashütte
sicher nicht",
meint Elisabeth NIEJAHR. Bei der
Gemeinderatswahl im Mai stimmten nur 19,8 % für die AfD. Bei der
Landtagswahl 2019 waren es dagegen 35,0 %. Damit lag die AfD vor
der CDU. Im
Wahlkreis 49 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 2, zum dem Glashütte
gehört, blieb die AfD (30,0 %) hinter der CDU (33,1 %) zurück. Das
Direktmandat im Wahlkreis 49
konnte die AfD nicht gewinnen. Es hätte schlimmer sein können, denn in
Hartmannsdorf-Reichenau, das im selben Wahlkreis liegt, erhielt die
AfD 38,8 % und der Direktkandidat der AfD kam sogar auf 41,1 %. In den
Wahlkreisen 50 und 51 des
Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dominierten die AfD
noch stärker. Dort gewannen die
Direktkandidaten der AfD ihre jeweiligen Wahlkreise.
Fazit: Wer Strukturpolitik als
Sozialpolitik diffamiert, der könnte in 5 Jahren sein blaues Wunder
erleben, falls die zukünftige, fragile Koalition in Sachsen überhaupt
eine solch lange Wahlperiode überlebt.
NIEJAHR, Elisabeth (2019): "Bauten Nazis meine Uhr"?
Seit den Wahlerfolgen der AfD stellen Kunden des sächsischen
Uhrenherstellers Nomos Glashütte kritische Fragen. CEO Uwe Ahrendt
über einen Balanceakt,
in: WirtschaftsWoche
Nr.36
v. 30.08.
Elisabeth NIEJAHR interviewt
Uwe AHRENDT, der von der CDU zu
den Grünen konvertiert ist.
SCHMIDT, Christina (2019): Der Dauerredner.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer grillt Bratwürste und
redet auch mit Bürgern, die ihn anschreien. Reicht das, seine CDU
wieder zur stärksten Partei zu machen - und die Gesellschaft zu
befrieden?
in: WirtschaftsWoche
Nr.36
v. 30.08.
DUNKEL, Monika (2019): Die Mauer
in den Taschen.
Sachsen war das ostdeutsche Vorzeigebundesland: mehr Wachstum,
weniger Arbeitslose als die Nachbarn. Trotzdem dürfte die Wut der
Bürger die AfD bei den Wahlen weit tragen. Wo kommt dieser Frust her?
in:
Capital
Nr.9, September
LANDESWAHLLEITERIN
(2019): Landtagswahl 2019: Vorläufiges Ergebnis der Wahl.
in:
wahlen.sachen.de
v. 02.09.
Die Wahlen in Sachsen zeigen wieder
einmal, wie die Umfrageinstitute ticken. Die folgenden Tabelle zeigt
die Ergebnisse der CDU-freundlichen Forschungsgruppe Wahlen, die noch
kurz vor der Wahl eine Umfrage veröffentlichte:
|
CDU |
AfD |
Linke |
Grüne |
SPD |
FDP |
Landeswahlleiterin
(vorläufiges Ergebnis v. 02.09.2019 |
32,1
% |
27,5
% |
10,4
% |
8,6
% |
7,7
% |
4,5
% |
ZDF-Forschungsgruppe Wahlen (Umfrageergebnisse v.
29.08.2019) |
32,0
% |
24,5
% |
14,0
% |
11,0
% |
8,5
% |
5,0
% |
Abweichung
Umfrage/Wahlergebnis |
-
0,1 % |
-
3,0 % |
+
3,6 % |
+
2,4 % |
+
0,8 % |
+
0,5 % |
Das "Meinungsbildungsinstitut" hat
zwar das CDU-Ergebnis ziemlich genau wiedergegeben, jedoch die
Ergebnisse der anderen Parteien entsprechend der sozialen
Erwünschtheit verzerrt. Das Ergebnis der Linkspartei wurde am
stärksten überschätzt, während das der AfD am stärksten unterschätzt
wurde.
Aus der folgenden Tabelle ist die Verteilung der Sitze im
sächsischen Landtag ersichtlich. Die AfD kann gemäß dem vorläufigen
Endergebnis einen Sitz nicht besetzen:
|
Gesamtzahl
der Sitze |
CDU |
AfD |
Linke |
Grüne |
SPD |
Anzahl Direktmandate |
|
41 |
15 |
1 |
3 |
0 |
Anzahl Listenplätze
|
|
4 |
23 |
13 |
9 |
10 |
Anzahl der Sitze |
119 |
45 |
38 |
14 |
12 |
10 |
Gewinn/Verlust zu
2014 |
126 |
- 14 |
+ 24 |
- 13 |
+ 4 |
- 8 |
Aus der folgenden Tabelle
sind die AfD-Kandidaten ersichtlich, die ihren Wahlkreis gewonnen
haben:
Wahlkreis |
Name des
AfD-Gewinners |
Listenplatz 1-30 |
Election-
Prognose
30.08.2019 |
Wahlkreisprognose.de-
Prognose
23.08.2019 |
Wahlkreisprognose.de-
Prognose
30.08.2019 |
1
Vogtland 1 |
SCHAUFEL, Dietmar Frank |
nein |
CDU |
AfD |
CDU |
15 Erzgebirge 3 |
THUMM, Thomas |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
19 Mittelsachsen 2 |
WEIGAND, Rolf |
ja |
CDU |
AfD |
CDU |
21 Mittelsachsen 4 |
KUPPI,
Lars |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
36 Nordsachsen 3 |
PETZOLD, Gudrun |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
37 Meißen 1 |
HÜTTER,
Carsten |
ja |
CDU |
AfD |
CDU |
38 Meißen 2 |
BEGER,
Mario |
ja |
AfD |
AfD |
CDU |
39 Meißen 3 |
KIRSTE, Thomas |
nein |
CDU |
AfD |
CDU |
50 Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 3 |
ZWERG,
Jan-Oliver Aldo |
ja |
AfD |
AfD |
AfD |
51 Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 4 |
TEICHMANN, Ivo |
ja |
AfD |
AfD |
CDU |
52 Bautzen 1 |
PESCHEL, Frank |
ja |
CDU |
AfD |
CDU |
54 Bautzen 3 |
SCHREYER, Timo |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
55 Bautzen 4 |
SCHWIETZER, Doreen |
nein |
CDU |
AfD |
CDU |
57 Görlitz 1 |
KUHNERT, Roberto |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
59 Görlitz 3 |
KUMPF,
Mario |
ja |
AfD |
AfD |
CDU |
Die grün markierten
Direktkandidaten sind für die AfD besonders wichtig, weil sie nicht
auf den ersten 30 Listenplätzen stehen und deshalb die Anzahl der
Sitze im sächsischen Landtag erhöhen. Außerdem zeigt der Vergleich der
Prognosen von wahlkreisprognose.de, dass das Ergebnis kurz vor dem
Wahltag schlechter war als eine Woche zuvor, als statt der zwei noch
15 Wahlkreise für die AfD gewinnbar erschienen.
Für taktische Wähler waren die
beiden Prognose-Websites wenig hilfreich, da sie wenige Tage vor der
Wahl die 8 wichtigen Wahlkreise der AfD als gewinnbare CDU-Wahlkreise
einstuften. Zu diesem Fehlschluss haben sicher auch die
Umfragewerte der ZDF-Forschungsgruppe
Wahlen mitbeigetragen.
POLLMER, Cornelius (2019):
Wachstumsschmerzen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: In der sächsischen Stadt Meißen sind alte
Gewissheiten schon länger verloren gegangen, links wie rechts. Und:
Die Menschen haben sich politisiert. Das jedenfalls ist eine gute
Nachricht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 02.09.
ENDT, Christian (2019):
Erstaunliche Differenzen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Auch wenn Wählerumfragen oft nah am
späteren Wahlergebnis liegen: Prognosen sind sie nicht. Das hat dieser
Sonntag deutlich bewiesen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 03.09.
In der Regel wird die Problematik
von Umfrageergebnissen kurz vor den Wahlen erläutert, dass dies nun
hinterher geschieht, zeigt, dass solche Fehldeutungen im Grunde
erwünscht waren:
"Immer wieder mahnen
Meinungsforscher zur Vorsicht, dennoch interpretieren Wähler und auch
Journalisten die Umfragen oft als Wahlprognosen. Das liegt auch daran,
dass die Zahlen der Befragungsinstitute dem Wahlergebnis meistens eben
doch sehr nahe kommen. Der Anspruch, gegen den sich die
Meinungsforscher wehren, ist eine Folge der Qualität ihrer Arbeit.
Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen stellen da eine Ausnahme
dar. In beiden Ländern weicht das Wahlergebnis zum Teil deutlich von
allen Umfragen ab, die in den Tagen vor der Wahl erschienen sind",
erzählt uns Christian ENDT. Als in
den USA Hillary CLINTON gegen TRUMP verloren hatte, wurde das den
Meinungsforschern angelastet. Bei ENDT steht nun die Frage im
Mittelpunkt, warum die Abweichungen zwischen Umfrage und Wahlergebnis
teils jenseits der Fehlertoleranzen lag. Diese Fragestellung ist im
Grunde nur sinnvoll, wenn Umfrageergebnisse mit Prognosen verwechselt
werden. ENDT unterliegt also selber dem Irrglauben, den er zu erklären
vorgibt.
Die Fragestellung muss deshalb eine
andere sein, nämlich: Auf welchen Annahmen zum Wählerverhalten beruhen
Umfrage-Fragestellungen und Auswertungen des Antwortverhaltens. Wie
bereits gestern auf dieser Website
aufgezeigt, führt die Veröffentlichung von Umfragewerten (Ursache) zu
taktischem Wahlverhalten (Reaktion), jener Wähler, die nicht auf eine
Partei fixiert sind (Stammwähler). Kein Artikel in einer Zeitung, die
ohne Verweis auf Umfragen auskam. Dabei handelt es sich aber um
Momentaufnahmen, die wiederum das Wahlverhalten ändern können. Das
geschah bei diesen Landtagswahlen besonders stark. Es handelte sich
angeblich um eine "Schicksalswahl" und die Frage, wer die stärkste
Partei sein wird: die etablierte stärkste Partei oder die AfD, prägte
das Wahlverhalten besonders und machte eine Orientierung an
Umfragewerten geradezu zum Muss,
mit zweifelhaftem Erfolg wie gestern belegt wurde.
ENDT nennt aber einen zweiten
Faktor: die Wahlbeteiligung:
"Meinungsforscher müssen mit ihren
Umfragen schließlich zwei Dinge herausfinden: Erstens, welcher Partei
die Befragten gerade zuneigen, und zweitens, ob sie beabsichtigen
tatsächlich zur Wahl zu gehen. Letzteres wird durch die sogenannte
soziale Erwünschtheit erschwert: Nicht jeder gibt am Telefon zu, dass
sein politisches Interesse womöglich nicht ausreicht, um den Weg zum
Wahllokal auf sich zunehmen."
Dies ist natürlich Unsinn, denn
soziale Erwünschtheit verfälscht nicht nur die Wahlbeteiligung,
sondern auch die Neidung, eine Partei den Vorzug zu geben. Wenn
Klimaschutz gerade in den Medien gehypt wird, dann ist die
Wahrscheinlichkeit, dass die Grünen genannt werden, größer als wenn
gerade andere Themen im Mittelpunkt stehen.
Der Hinweis, dass die "Daten mehrer
Institute" verglichen werden sollen bzw. die Fehlertoleranzen zu
beachten sind, kommt zu spät und hätte seriöserweise vor dem Wahltag
kommen müssen!
BIELICKI, Jan (2019):
Das Gefühl, zu kurz zu kommen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
Die AfD ist vor allem in strukturschwachen Regionen stark. Doch das
allein erklärt nicht ihren Erfolg. Die Partei zieht, so zeigt sich in
Wahlanalysen, vor allem Arbeiter an. Und vor allem in Sachsen teilt
ein Großteil ihrer Wähler ihre Politik,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 03.09.
"Östlich des 15. Längengrades gibt
es (...) Zentendorf, Deschka, Zodel und gehören alle zur sächsischen
Gemeinde Neißeaue. (...). 1724 Einwohner lebten zuletzt in
Neißeaue. 895 haben bei der Landtagswahl eine Listenstimme
abgegeben. Drei wählten die KPD, (...) aber 433 die AfD (...), genau
48,4 Prozent. Damit ist
Neißeaue die Gemeinde mit dem höchsten Stimmenanteil in Sachsen.
Das war schon bei der Europawahl im Mai so.
Und es spiegelt einen groben geografischen Trend: Je weiter es in
Brandenburg und Sachsen Richtung Osten geht, desto besser war am
Sonntagabend das Wahlergebnis. 13 ihrer
15 sächsischen Direktmandate gewann die Partei in der östlichen
Hälfte des Landes. (...). Und der Osten beider Bundesländer wäre auf
den Wahllandkarten noch blauer eingefärbt gewesen, hätten dort nicht
auch die beiden prominentesten Direktbewerber kandidiert: Sachsens
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gewann seinen Wahlkreis
Görlitz I (Anm.: Es handelt sich um Görlitz 2) ebenso wie wenige
Kilometer nördlich sein Brandenburger Amtskollege Dietmar Woidke (SPD)
den seinen namens Spree-Neiße I - und das, obwohl in beiden
Wahlkreisen die AfD die meisten Zweitstimmen abräumte",
erzählt uns Jan BIELICKI. Das mit
Neißeaue (Wahlkreis 57 Görlitz 1) ist natürlich eine schöne Story,
aber die AfD hat auch in
Lampertswalde (Wahlkreis
38 Meißen 2) 48,4 Prozent der Stimmen erreicht. Dort haben nicht
nur 433 Wahlberechtigte, sondern sogar 660 Menschen die AfD gewählt.
Bei der Erststimme waren es sogar 50,7 Prozent für den
AfD-Direktkandidaten.
BIELICKI greift u.a. auch auf
Wahlanalysen der Forschungsgruppe Wahlen zurück, diese werden aber
sehr selektiv und verzerrt wiedergegeben. So wird dick hervorgehoben,
dass in Sachsen nur 28 % der AfD-Wähler einen Denkzettel verpassen
wollten, aber 70 Prozent ihre Positionen teilen. Wenn man aber dann
mitbedenkt, dass sich 70 Prozent der AfD-Wähler als Bürger zweiter
Klasse behandelt fühlen und dies nicht als Protest, sondern als
"inhaltliche Übereinstimmung" gewertet wird. Dann lassen sich daraus
ganz andere Schlüsse ziehen, als wenn man diese 70 Prozent als Nazis
oder Rassisten betrachtet. Es muss also ganz genau hingeschaut werden.
Schließlich kamen viele AfD-Wähler auch von der Linkspartei.
BECKER, Kim Björn (2019): Abgehängt in Sachsen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
Lange hat die CDU die Politik im Freistaat dominiert, ihre
Direktmandate waren eine Bank. Diese Zeit ist nun vorbei,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.
"(Matthias Reuter) wollte (...) am
Sonntag in den sächsischen Landtag einziehen, Wahlkreis Görlitz 3,
eine ländliche Gegend mit etwa 50.000 Wahlberechtigten. Doch Reuter
hat verloren. Sein Gegner von der AfD bekam 1.468 Erststimmen mehr.
Der wird jetzt Abgeordneter. (...).
Reuters Vorgänger Heinz Lehmann schaffte es seit der Wende immer
wieder auf seinen Abgeordnetensitz in Dresden. Bei dieser Wahl trat
Lehmann nicht mehr an, er ist jetzt 68 Jahre alt, Reuter war der Neue.
(...)",
porträtiert Kim Björn BECKER einen
CDU-Verlierer, der dem CDU-Gewinner
Marko SCHIEMANN (Wahlkreis 56 Bautzen 5) gegenübergestellt wird.
DECKERS, Daniel (2019): Ende der asymmetrischen Mobilisierung.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
In Sachsen bewegen sich alle Parteien links der AfD auf sehr dünnem
Eis. Das Land ist in sich tief gespalten,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.
Daniel DECKERS ist bei der FAZ für Kirche und Wahlstatistik zuständig.
Das ist eine Kombination, die auf den ersten Blick merkwürdig
erscheint. Tatsächlich hat die Statistik gewissermaßen die Rolle der
Kirche in vormodernen Gesellschaften auf die moderne Gesellschaften
übertragen. Sie ist eine Autorität in der Wissensgesellschaft
geworden, die im kosmopolitischen Milieu für Wahrheit steht. Ein
Monopol, das durch die AfD gebrochen zu werden droht, so jedenfalls
die herrschende Sicht.
DECKERS hat sich von
Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap jene Erklärungsmuster
herausgepickt, die zur Blattlinie passen:
"Für die Mobilisierung potentieller
CDU-Wähler haben (...) - so hat es die
Forschungsgruppe Wahlen ermittelt - nicht das Ansehen der Union
oder die Arbeit der von ihr geführten Koalitionsregierung mit der SPD
den Ausschlag gegeben, sondern der Ministerpräsident und
Spitzenkandidat Michael Kretschmer.
(...).
Wie
infratest dimap zeigen konnte, bestehen eher Zusammenhänge
zwischen einem negativen Wanderungssaldo, einer starken Alterung und
zurückgehender Wirtschaftsleistung einerseits und der Bereitschaft,
AfD zu wählen, andererseits".
Letztere Zusammenhänge hat jedoch
bereits das DIW
vor
rund zwei Wochen anhand der Europawahlergebnisse 2019 behauptet.
Gab KRETSCHMER den Ausschlag oder nicht etwa die Anti-AfD-Kampagne?
Das
Abschneiden von KRETSCHMER als
Direktkandidat zeigt, dass der Ministerpräsident nicht in der Lage
war, durch die Mobilisierung von CDU-Anhängern die AfD zu schlagen. Im
Gegenteil war er auf die Wähler mit anderen Parteipräferenzen
angewiesen.
Fazit: Die FAZ schreibt sich
den sächsischen Ministerpräsidenten schön. Die Koalitionsverhandlungen
werden zeigen müssen, ob die Grünen sich mit ihrer Anti-AfD-Propaganda
nicht eine gute Ausgangsposition verbaut haben. Die Grünen könnten in
Sachsen das Schicksal der SPD im Bund erleiden: zu schwach, um ihre
Positionen zum Kohleausstieg durchzusetzen. Sie stehen mit dem Rücken
zur Wand und KRETSCHMER könnte ihnen die Bedingungen des
Anti-AfD-Bündnisses diktieren, denn letztlich ist das Verbot einer
CDU/AfD-Koalition keineswegs so strikt wie das rhetorisch erscheint.
SCHULZ, Daniel/BARTSCH, Michael/REINECKE, Stefan (2019): Letzter
Warnschuss.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
Görlitzer Bürger, die Parteispitzen in Berlin, eine Grüne in Bautzen:
Nach den Wahlen versuchen sich alle in Erklärungen,
in:
TAZ
v. 03.09.
SCHULZ/BARTSCH/REINECKE ergehen sich in Heldengeschichten des
Anti-AfD-Bündnisses. Da geht es um die symbolischen Kämpfe in den
Wahlkreisen
58
Görlitz 2 und
56 Bautzen 5. Zu Bautzen äußert sich die
gescheiterte grüne Oberbürgermeisterkandidatin Franziska SCHUBERT:
"Sie verweist auf Bautzen, wo
AfD-Landeschef Jörg Urban gegen einen alten CDU-Mann verloren hat, der
noch die sächsische Verfassung mit ausgearbeitet hat. Ausgerechnet in
Bautzen, wo es eine starke rechtsradikale Szene gibt (...).
Fazit:
Die Situation sei schlimm, aber wenigstens nicht schlimmer
geworden."
Der Maßstab für den Erfolg des
Anti-AfD-Bündnisses wird folgendermaßen beschrieben:
"Auch bei der CDU ist der GAU
ausgeblieben - ein Sieg der AfD in Sachsen und ein möglicher Putsch
der CDU-Rechten gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer."
Es wird Sylvia PANTEL,
CDU-Bundestagsabgeordnete und Sprecherin des konservativen Berliner
Kreises zitiert. Sie bewertet die Auftritte von Hans-Georg MAAßEN als
Erfolg, weil er konservative Wähler an die CDU gebunden hat.
LASCH, Hendrik (2019): An
Kenia führt kein Weg vorbei.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Die AfD ist in Sachsen nur von der
Regierung fernzuhalten, wenn sich CDU, SPD und Grüne zusammenraufen,
in:
Neues Deutschland
v. 03.09.
"Sachsens AfD (...). 39 Mandate
hatte sie errungen, aber neun
drohten unbesetzt zu bleiben (...): Eine Koalition von CDU und
Grünen schien möglich.
Inzwischen ist klar: Sachsen steuert auf eine Kenia-Koalition aus CDU,
SPD und Grünen zu",
erklärt uns Hendrik LASCH. Man
könnte das auch anders sehen: Die Anti-AfD-Bündnisse sind auf
Wahlkreisebene mehrheitlich gescheitert! Das lag auch an der Fixierung
auf die gehypten AfD-Kandidaten, wodurch andere AfD-Kandidaten ihr
Soll erfüllen konnten.
LASCH sieht Michael KRETSCHMERs
Position gestärkt, weil die
CDU-Kandidaten, die sich mit Hans-Georg MAAßEN zeigten, und dem Dunstkreis der Werte-Union zugeordnet werden,
abgestraft worden seien.
Den
Sieg im Wahlkreis 58
Görlitz 2 hat
Michael KRETSCHMER jedoch auf Basis seiner CDU geschafft, was seine
Position schwächt. Dass die Zugeständnisse an seine Koalitionspartner
in SPD und Grünen gering ausfallen werden, mag stimmen. Die Grünen
jedoch haben ihre Verhandlungsposition von vorneherein geschwächt,
indem sie sich als Anti-AfD-Partei positioniert haben. Warum sollte
also KRETSCHMER dann überhaupt in Sachen Klimaschutz Zugeständnisse
machen? Den Grünen könnten also ihre Versprechungen noch sehr weh tun!
KAHRS, Horst (2019): Die Deutungsmacht verloren.
Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg: Frühere Wähler der Linken
haben sich in Sachsen und Brandenburg für unterschiedliche Parteien
entschieden,
in:
Neues Deutschland
v. 04.09.
Horst KAHRS interpretiert lediglich die Daten von infratest dimap
hinsichtlich ihrer Relevanz für die Linkspartei. Die Entwicklung der
Linkspartei teilt KAHRS in vier Phasen ein: 2008 - 2010: Hochzeit ,
2010 - 2014: Enttäuschung der Wähler über die Erfolglosigkeit der
Partei, 2014 - 2017 Abwendung jüngerer Menschen, denen Umweltschutz
wichtiger ist. Insgesamt ist die Analyse wenig weiterführend, sondern
zeigt nur die desolate Lage der Partei und ihrer Analysten.
SCHULTE, Ulrich (2019): "Nicht alles, was AfD-Wähler stört, ist
fiktional".
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
Was hilft gegen die AfD? Wahlforscher Matthias Jung erklärt, was man
aus den Wahlen in Sachsen und Brandenburg lernen kann. Parteien müssen
Ängste mit Konzepten kontern,
in: TAZ
v. 06.09.
"Parteien müssen allgemeine
Zukunftsängste und vor allem die Furcht, abgehängt zu werden, ernst
nehmen und mit Konzepten kontern. Das ist in Sachsen und Brandenburg
nicht ausreichend gelungen. Taten helfen mehr, als alle
AfD-WählerInnen als Unmenschen zu klassifizieren",
meint Matthias JUNG, der Chef der
Forschungsgruppe Wahlen, die das CDU-freundliche Politikbarometer
erstellt. JUNG möchte die SPD wieder auf Agenda-Kurs bringen, denn:
"In der Mitte ist Platz genug für
alle. Dort erorten sich nämlich 70 Prozent der WählerInnen, das zeigen
unsere Studien. Unsere Gesellschaft wird ja interessanterweise
konformer, obwohl es hohe Individualitätsansprüche gibt."
Die Mitte ist ein Illusion, die wie
eine Seifenblasen schnell zerplatzen kann.
LEHMANN, Anna (2019): Die linke Krise.
Die Linkspartei ist in
Brandenburg und Sachsen auf das Ergebnis von 1990 zurückgefallen.
Mit dem Ende als Ostpartei steht auch ihre Existenz als bundesweite
Kraft auf dem Spiel. Wie soll es weiter gehen?
in: TAZ
v. 07.09.
"Verena Meiwald (...), 53 Jahre,
saß zehn Jahre für die sächsische Linke im Dresdner Landtag.
Seit Sonntag ist die einstige sportpolitische Sprecherin raus.
Ihr Listenplatz 19 galt eigentlich als sicher:
Die Umfragen sagten der Linken Ergebnisse um die 15 Prozent
voraus. Doch am Sonntag wählten nur knapp über 10 Prozent
der WählerInnen Meiwalds Partei. (...). Das Wahlergebnis traf
sie unvorbereitet",
behauptet Anna LEHMANN.
Die letzte Umfrage lag bei 14 Prozent. Bei einer
Fehlertoleranz von +/- 2 Prozent bedeutet dies, dass die
Linkspartei vom 12 - 17 Prozent rechnen musste. Wer in der
Linkspartei also unvorbereitet getroffen wurde, hat sich in die
eigene Tasche gelogen! Dass das Ergebnis dann sogar unterhalb
des Toleranzbereichs lag, ist auch dem Anti-AfD-Wahlkampf zu
verdanken.
"Als sich der Bundestag 2017
konstituierte, hatte die Fraktion erstmals deutlich mehr
Abgeordnete aus den alten als aus den neuen Ländern. Die taz
fuhr damals nach Dipolidiswalde, in das Büro von Meiwalds
Kreisverband. Damals schilderten die Mitarbeiter, wie es ist,
wenn die Zahl der Mitglieder, die sich ins Jenseits
verabschieden, schneller steigt als die Zahl der Neueintritte:
das man kaum noch jemanden finde, der als Abgeordneter für den
Kreistag kandidiert; dass die Beitragseinnahmen sinken und man
daher Mitgliedern zu runden Geburtstagen nur noch
Glückwunschkarten statt Blumen schicke. Heute, nur zwei Jahre
später, wird das Dippoldiswalder Büro wohl über kurz oder lang
geschlossen",
berichtet LEHMANN über den
Niedergang der Linkspartei, der sich bereits seit Langem
abzeichnet.
BARTSCH, Michael
(2019): Der Versteher.
Dirk Neubauer ist SPD-Bürgermeister in Sachsen. Ein Job, der Stoff für
ein Buch bietet,
in: TAZ
v. 07.09.
Michael BARTSCH bespricht das
Buch
Das Problem sind wir von Dirk NEUBAUER, dem
Bürgermeister von Augustusburg:
"Die Perspektive des Autors ist
(...) die kommunale, der »der politische Kleinstraum«, wie er seine
Viereinhalbtausendseelengemeinde fast liebevoll nennt. Seit sechs
Jahren ist der 48-jährige Dirk Neubauer hier in Mittelsachsen
Bürgermeister. Ins Amt kam er eher zufällig, weil der Ausfall eines
Kandidaten plötzlich seinen Ehrgeiz anstachelte, sich verantwortlich
einzumischen. Also das vorzuleben, woran er auf 234 Buchseiten
appelliert.
Neubauers Perspektive ist neben der des Praktikers auch die
analytische eines Journalisten und Medienkenners. Er war Reporter bei
der Mitteldeutschen Zeitung, Geschäftsführer eines lokalen
Fernsehsenders und Redakteur bei MDR-Jugendprogrammen."
BARTSCH stört insbesondere, dass
NEUBAUER nicht die westdeutsche Top-Down-Perspektive auf den Osten
übernimmt und die zivilgesellschaftlichen Defizite im Osten
anprangert, sondern "Empathie" für die Ostdeutsche empfindet. Für
BARTSCH sind die Ostdeutschen selber schuld, dass sie nur der
westdeutschen Konsumgesellschaft beigetreten sind.
LASCH, Hendrik (2019): Weiße
Flecken bei den Roten.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: In Sachsen ist die Linke außerhalb der
Städte schwach. Die Wahlniederlage wirft nun schwerwiegende
Fragen auf,
in:
Neues Deutschland
v. 07.09.
"In (Silvio) Langs
Wahlkreis
Bautzen 3, der sich vom Dresdner Stadtrand bis fast nach
Hoyerswerda erstreckt, hat die Partei 2.892 Stimmen erhalten:
7,8 Prozent. Dem Direktkandidat gaben immerhin 3.134 Wähler ihre
Stimme: 8,5 %. Der siegreiche AfD-Mann erhielt fast viermal so
viele. (...). Im gesamten Landkreis Bautzen, der gut 300.000
Einwohner hat und fünf Wahlkreise umfasst, leben knapp 500
Genossen, viele von ihnen hoch betagt. Ortsverbände gibt es im
Kreis Bautzen 3 nicht mehr. (...). Die Partei ist auf dem Land
kaum noch präsent. Kommunalmandate hat sie noch am ehesten in
Klein- und Mittelstädten; in Langs Wahlkreis etwa in Radeberg.
In Dörfern aber hat sie (...) keine Ansprechpartner. Ohnehin
sind Orte wie Wachau (...) »kein Terrain, wo es für uns viel zu
holen gäbe«: klassischer Dresdner Speckgürtel, adrette Häuser
hinter getrimmten Hecken, wenig soziale Not, 172 Wählerstimmen.
Dass die Linke auf dem platten Land überhaupt noch präsent ist,
verdankt sich Büros, die zum guten Teil von Abgeordneten
finanziert und von deren Mitarbeitern betreut werden. Lang etwa
ist bei der Bundestagsabgeordneten Caren Lay angestellt und
arbeitet je zwei Tage pro Woche in Büros in Bautzen und
Hoyerswerda. Weitere bestanden in Kamenz und Radeberg; möglich
war das weil es mit Marion Junge und Heiko Kosel auch zwei
Landtagsabgeordnete aus der Region gab.
Das ist vorbei; in der nur noch 14-köpfigen Fraktion ist der
Landkreis Bautzen nicht vertreten, weil seine Vertreter auf der
Landesliste zu weit hinten einsortiert wurden. Regionen wie das
Vogtland trifft es noch härter; dort ist auch keiner der sechs
sächsischen Bundestagsabgeordneten verankert",
beschreibt Hendrik LASCH die
desolate Lage der Linkspartei nach der Landtagswahl in Sachsen.
Obwohl Antje FEIKS, die die Linkspartei mit dem Listenplatz 3
prämierte, 2017 eine Offensive für den ländlichen Raum
versprach, war davon nicht viel zu spüren. Stattdessen
blinder Aktionismus im
Wahlkampf. Die urbanen Vertreter wie
Adam BEDNARSKY, der in Leipzig (Wahlkreis 29) versagte,
wollen die verbliebenen finanziellen Mittel natürlich für sich:
"»Wir müssen uns auf die
Gegenden konzentrieren, wo noch etwas ist«, sagt Adam Bednarsky,
Stadtvorsitzender in Leipzig. Dort holte die Linke ein Fünftel
ihrer Zweitstimmen. Auch Mittelstädte wie
Hoyerswerda, wo mit
Kandidat Ralph Büchner 16,3 Prozent der Erst- und 13,9 Prozent
der Zweitstimmen geholte wurden, zählen dazu. Es ist ein Weg,
den Parteien wie die Grünen seit Jahren gehen müssen".
Die Linkspartei arbeitet also
bereits kräftig an ihrer weiteren Selbstverzwergung.
KALBE, Uwe (2019): Keine Träne dem Protestwähler?
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Eine Linke, die im Kampf gegen Rechts
ihre Wähler aufgibt, gibt sich selbst auf,
in:
Neues Deutschland
v. 07.09.
"(D)ie Linke (hat) ihren
Kompass verloren (...). Partei für alle Menschen zu sein, die
wegen ihrer sozialen Stellung benachteiligt sind - so beschreibt
Bartsch die sinnstiftende Mission der Linkspartei",
schreibt Uwe KALBE, der die
innerparteiliche Debatte um die Zielgruppe der Partei
beschreibt.
KALBE, Uwe (2019): Das Image gilt als Wirklichkeit.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Wie sich der Erfolg der AfD erklärt und
warum die Linkspartei ihre Funktion als Protestpartei verliert,
in:
Neues Deutschland
v. 07.09.
Uwe KALBE interviewt den
Politikwissenschaftler Wolfgang SCHROEDER, für den die
Kerngruppe der AfD im Osten die "männlichen Facharbeiter mit
mittlerem Bildungsabschluss zwischen 24 und 60 Jahren" ist.
"Von der AfD wird nicht
erwartet, dass sie im Sinne der Problemlösung wirkt, sondern im
Sinne der Protestartikulation. Und diese Problemartikulation im
Sinne der Unzufriedenen wirkt. Sie wirkt über das
Anti-Establishment-Moment, dass die Linkspartei längst
aufgegeben hat",
meint SCHROEDER, der in den
"taktischen Wählern" nicht das Hauptproblem der Linken sieht,
sondern in der Ausrichtung an den urbanen Milieus:
"Das taktische Wählen (...)
kann nur einen kleineren Teil der Verluste erklären. In
Brandenburg etwa zwei Prozentpunkte. Damit lässt sich die knappe
Halbierung der Stimmen für die Linkspartei allerdings nicht in
Gänze erklären. Während die Dimension des taktisch aufgeklärten
Linkswählers überbetont wird, ist der seit Längerem zu
beobachtende Abstieg der Linkspartei, der von einer
Funktionsentmächtigung begleitet wird, unterbelichtet. Der
größere Anteil der Verlust ist aber primär mit dieser
funktionalen Fehlorientierung im Parteienwettbewerb zu
erklären."
GERSTER, Livia (2019): Maaßen schadete der CDU.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
Sächsische Gastgeber verloren ihre Wahlkreise. Abgrenzung zur AfD
brachte Gewinne,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 08.09.
LASCH, Hendrik (2019): Eine Partei, die nicht mehr weh tut.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
In der sächsischen Linken sucht man nach Ursachen für das Wahldebakel
- und ringt mit dessen Folgen,
in:
Neues Deutschland
v. 18.09.
Hendrik LASCH sucht keine Ursachen mehr, sondern positioniert
sich als Sprachrohr der kosmopolitischen Großstadtpartei. Der
ländliche Raum und seine Vertreter wie z.B. Kai GRÜNLER, der als
Direktkandidat im Wahlkreis 3 Vogtland 3 alleingelassen wurde, dienen
lediglich als abschreckendes Beispiel für die Chancenlosigkeit der
Linkspartei im ländlichen Raum. GRÜNLER war 2016 von der Piratenpartei
zur Linkspartei gewechselt. Dort hatte er bereits erlebt, was nun auch
der Linkspartei im Vogtland und ganz Sachsen passierte:
"Bei der Landtagswahl vor zwei
Wochen bracht die Linke von 18,9 auf 10,4 Prozent ein. Im Parlament
stellt sie nur noch 14 Abgeordnete, keiner davon aus dem Vogtland. Im
Mai hatte die Linke auch bei der Wahl des Kreistags und des Plauener
Stadtrats herbe Verluste erlitten. Ein Büro, das die Stadt- und
Kreisfraktion sowie die örtliche Landtagsabgeordnete finanzierten,
wird sich wohl nicht im bisherigen Umfang halten lassen."
GRÜNLER bringt die Lage im
ländlichen Sachen, wo immer noch die Mehrheit der Menschen lebt, auf
den Punkt:
"Die personelle Basis im Landkreis
ist dünn. Die Landespartei, wettert Grünler, habe Ressourcen in »hippe
Büros« in Großstädten gesteckt, pfiffige Ideen für die Provienz wie
eine »Tante-Emma-Tour« zur Nahversorgung dagegen erst im Wahlkampf
umgesetzt: »Da nahmen uns die Leute das aber nicht mehr ab«.
(...).
Wer als Wähler »Schmerz verursachen«, also Protest artikulieren und
damit von der Politik wahrgenommen werden wolle, wähle jetzt AfD."
LASCH jedoch hält es lieber mit
Jule NAGEL, die das einzige sächsische Direktmandat für die
Linkspartei holte, aber auch dort Probleme sieht, die vermehrt
Parteiressourcen erfordern:
"Beispiel Leipzig: Die dortige
Abgeordnete Jule Nagel rechnet vor, dass sie in ihrem Wahlkreis im
Süden der Stadt zwar genug Erstimmen erhielt, um ihr Direktmandat zu
verteidigen. Bei den Zweitstimmen aber lag die CDU vorn."
Sachsen-Anhalt gilt NAGEL als
Menetekel der Linkspartei, denn dort habe sich der jetzige Niedergang
in Sachsen und Brandenburg bereits 2016 abgezeichnet. Ein weiterer
Gewährsmann ist Bruno RÖSSEL, ein 20-jähriger Bewegungslinker, der bei
der Kreistagswahl in Bautzen im
Wahlkreis 2 antrat und
scheiterte, was LASCH unerwähnt lässt. Er hält das Konzept der
Kümmererpartei für überholt und plädiert für ein neoliberales
Aktivierungskonzept:
"Die PDS habe Sozialberatung für
Arbeitslose angeboten und zugleich betont, Hartz IV müsse weg. Das
Versprechen wurde nicht umgesetzt. Folge? »Die Leute sagen: Ihr habt
es nicht geschafft mit eurem Kümmern«, sagt Rössel: nun sollten es
eben andere versuchen.
Rössel (...) hält andere Ansätze für vielversprechender. Die Partei
solle »Menschen ermutigen, selbst aktiv zu werden«, sagt er; sie solle
»Protest anstacheln und mit Räumen und Ressourcen unterstützen«.
Dieses Aktivierungskonzept
entspringt akademischen Mittelschichtgehirnen und eignet sich nicht
für die Zielgruppe "Arbeitnehmer", sondern zielt in erster Linie auf
die Zielgruppe Student und Akademiker. Man könnte auch sagen: Die
Linkspartei schreibt ihre einstige Klientel ab und drängt in die
Mitte, wo sich bereits alle tummeln außer der AfD.
Zudem wird die Losung: Aufbruch
statt Schockstarre verordnet. Die Linkspartei will sich einerseits
stärker profilieren, setzt aber vor allem auf Parteiexpertokratie:
"Viele gut eingearbeitete
Fachpolitiker in Bereichen wie Inneres, Justiz, Bildung fehlen in der
neuen Fraktion. Manche wurden auf der Landesliste so weit hinten
einsortiert, dass sie ohnehin keine Chance gehabt hätten. Andere
büßten ihre sicher geglaubten Mandate wegen des Wahldebakels ein. Eine
Arbeitsgruppe soll nun die Quadratur des Kreises versuchen: Die Arbeit
von weniger Abgeordneten effizient zu gestalten, dass trotzdem mehr
davon im Land wahrgenommen wird."
Die Linkspartei setzt vor allem auf
"Handwerk" statt auf das Hinterfragen von Positionen, die nicht mehr
zeitgemäß sind. Die Betonung von "guter Regierungsarbeit" oder
"Oppositionsarbeit" wirkt wie das Pfeifen im Walde und passt zu einer
verstaubten Bürokraten-Partei.
LASCH, Hendrik (2019):
"Verantwortung heißt: Den Übergang organisieren".
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
Ex-Spitzenkandidat Rico Gebhardt bleibt Chef der Linksfraktion im
sächsischen Landtag. Wie seine Stellvertreter ist er zunächst nur im
ersten Jahr der Legislatur im Amt,
in:
Neues Deutschland
v. 18.09.
Die sächsische Linkspartei
verordnet sich Kontinuität und Konformismus. Hendrik LASCH heult über
den Verlust von Fachpolitik in der
neuen Landtagsfraktion. Am wichtigsten ist ihm die Finanzexpertin
Verena MEIWALD, deren Landeslistenplatz
LASCH im April noch als
sicher galt (mehr auch hier):
"Diese Expertise wird der neuen
Fraktion fehlen.
In die Materie soll sich nun Nico Brunler einarbeiten, der sich bisher
um Arbeitsmarktpolitik kümmerte. Fraktionschef Gebhardt wird sich
künftig um den Bereich Justiz kümmern, die Antifa-Expertin Kerstin
Köditz um Innenpolitik, um Bildung voraussichtlich Luise
Neuhaus-Wartenberg."
Sachsen-Anhalt gilt LASCH als
Warnung für das, was die Linkspartei in Sachsen als kleinste
Oppositionspartei zukünftig erwartet.
NIMZ, Ulrike (2019):
Wo es wehtut.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen:
Seit Anfang September ist die SPD in Sachsen einstellig, das Land nach
rechts gerückt. Wie soll es weitergehen? Ein Bürgermeister hat da ein
paar Ideen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 18.09.
Anlässlich der am Montag
begonnenen Sondierungsgespräche von CDU, Grünen und SPD, interviewt
Ulrike NIMZ den vormals parteilosen und dann zur SPD konvertierten
Bürgermeister von
Augustusburg, Dirk NEUBAUER, dem Autor des Buchs
Das Problem sind wir. Schuld am schlechten Abschneiden ist für
ihn die Bundes-SPD, während
Martin DULIG als erfolgreicher Spitzenkandidat gelobt wird, der
das Partei-Image nicht retten konnte. Er klagt darüber, dass die
Wähler über die SPD-Erfolge in Sachsen zu schlecht informiert waren.
Der Lehrermangel wird z.B. der CDU angelastet und die Mitschuld der
SPD geleugnet. Aber offenbar waren die Wähler keinesfalls schlecht
informiert, sondern sie haben schlichtweg kein Vertrauen mehr in die
etablierten Parteien, oder wie es NEUBAUER formuliert:
"Viele (...) haben 30 Jahre lang
die Erfahrung gemacht, dass ihre Meinung niemanden interessiert. Jetzt
haben sie Aufmerksamkeit (...). Wir sind an einem Punkt, wo die Leute
uns nur noch das glauben, was sie sehen.
Mit Versprechungen kommen wir da nicht mehr weit."
NEUBAUER lobt die neue Dialogkultur
von Michael KRETSCHMER, der Bürgermeister der Gemeinden mit weniger
als 5.000 Einwohnern zu Gesprächen eingeladen hat. Doch diese
Gesprächskultur ist zu wenig, denn der CDU ist längst die
Machtbasis in den Kommunen weggebrochen.
NEUBAUER, der seit Mai im Kreistag
von Mittelsachsen sitzt, ist ein Gegner der Großen Koalition. Im
Kreistag von Mittelsachsen ist die SPD auf 9 von 98 Mandaten
geschrumpft. Rot-Rot-Grün ist dort mit 25 Sitzen kaum noch stärker als
die AfD, die auf 22 Sitze kommt. Im
Landkreis Mittelsachsen hat die AfD zwei der fünf Wahlkreise
gewonnen. Augustusburg liegt im Wahlkreis 18 Mittelsachsen 1. Dort
gewann die AfD zwei Wahlbezirke, 11 gewann die CDU. Das Direktmandat
ging an die CDU. In der Stadt Augustusburg lag die CDU bei den
Zweitstimmen bei 35,0 % vor der AfD mit 30,96 %. Die SPD wurde zwar
drittstärkste Kraft in der Stadt, aber sie erreichte lediglich 8,8
Prozent.
LABERENZ, Lennart
(2019): Der Blick geht nach innen.
Gohrisch: Uwe Börner sitzt für die Grünen im Gemeinderat. Dort bildete
er mit einem von der AfD und zweien von der CDU eine Fraktion. Wieso
das?
in:
Freitag Nr.38
v. 19.09.
"Kurz vor Tschechien liegt Gohrisch,
1.823 Einwohner, zwei Drittel der Gemeindfläche Wald, fast ein Viertel
Ackerland. Reisezeit ähnlich einer Fahrt nach München, dabei sind es
aus dem Prenzlauer Berg nur 190 Kilometer. Vielleicht liegt es daran,
dass man in Gohrisch recht weit am Rand von allem hantiert und eben
das ist, was Uwe Börner später schlicht »ein Dorf« nennt",
beschreibt Großstadtmensch Lennart
LABERENZ die Gemeinde
Gohrisch im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge. Bei der
Gemeinderatswahl 2019 kamen die etablierten Parteien von CDU (16,2
%; 2 Sitze), Grüne (8,5 %; 1 Sitz) und Linke (8,1 %; 1 Sitz) gerade
einmal auf 4 der 11 Sitze. Die AfD kam auf 22,6 % und 2 Sitze. Die
beiden Wählervereinigungen kamen auf 5 Sitze.
Der Fraktionsstatus ermöglicht mehr
Rechte im Gemeinderat, was LABERENZ und andere Großstadtjournalisten
jedoch nicht als Grund gelten lassen. Aufgrund der zunehmenden
Erodierung der Machtbasis der etablierten Parteien in Sachsen - und
längst auch anderswo - müssen nun vermehrt symbolische Kämpfe auf der
untersten politischen Ebene ausgefochten werden, um eine schleichende
Machtübernahme durch Koalitionen der etablierten Parteien mit der AfD
zu unterbinden. Mediale Empörung wird damit zum Dauerzustand, was
langfristig eher genau dazu führen wird, was eigentlich verhindert
werden soll.
Gohrisch liegt im Landtagswahlkreis
51 Sächsische Schweiz/Osterzgebirge 4. In der Gemeinde wurde die AfD
bei der Landtagswahl mit 41,3 % stärkste Partei vor der CDU (29,0
%). Sowohl in der Gemeinde als auch im Wahlkreis gewann der
AfD-Direktkandidat.
LABERENZ sieht in der
Dorfmentalität das Problem:
"Der Nachbar von der AfD, der sich
für den Ort einsetzen möchte, ist einem näher, als sein
Landesvorsitzender."
Der Großstadtmensch hat dagegen
scheinbar das große Ganze im Blick, was auch am unterschiedlichen
Politikverständnis liege:
"Mit all dem weisen sie in Gohrisch
auf einen anderen Begriff von Politik. Einen, der nicht Streit und
Auseinandersetzung schätzt, sondern unbedingt Gemeinsinn herstellen
will."
Doch letztlich muss man den
Dorftrottel nur zurechtweisen, dann gibt er zumindest die gewünschte
Antwort:
"Die Tragweite haben wir so vorher
nicht gesehen. Vielleicht würde ich heute anders entscheiden."
Angesichts der Vielzahl von Dörfern
in Deutschland, wartet zukünftig eine enorme Aufgabe auf unsere
Hauptstadtjournalisten vor der sie wohl kapitulieren werden!
LASCH, Hendrik (2019): Da geht was miteinander.
Sondierungsergebnis in Sachsen:
Sondierungen von CDU, Grünen und SPD in Sachsen beendet,
in:
Neues Deutschland
v. 05.10.
Beim Sondierungsergebnis heben die Tageszeitungen jeweils
unterschiedliche Aspekte hervor, die bei den zukünftigen
Koalitionspartnern unumstritten bzw. umstritten sind. Aus der
folgenden Tabelle sind die genannten Punkte ersichtlich:
Partei |
Sichtweise |
ND 05.10. |
TAZ 05.10. |
SZ 05.10. |
|
Konsens |
Daseinsvorsorge im ländlichen Raum;
Ausbau ÖPNV;
Gemeinschaftsschule |
Daseinsvorsorge im
ländlichen Raum;
Gesellschaftlicher Zusammenhalt;
Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen;
Wohlstand für alle;
Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit;
Einstellung von 700 weiteren Polizisten |
Erhalt des vom Tagebau
bedrohten Dorfes Pödelwitz |
Ungenannt |
Umstrittene Punkte |
Vergabegesetz;
Integrationsgesetz;
Parité-Gesetz;
Kennzeichnungspflicht für Polizisten;
Residenzpflicht für Asylbewerber;
Klimaschutz als Staatsziel;
Beitragsfreiheit in Kitas;
Nachflugverbot;
Baumschutz;
Wölfe |
Vergabegesetz;
Straßenbauprojekte;
Strukturen des Verfassungsschutzes; |
|
CDU |
Wichtige Punkte |
|
|
Kohleausstieg 2038 |
|
Umstrittene Punkte |
|
Gemeinschaftsschule;
Bildungsfreistellungsgesetz |
|
Grüne |
Wichtige Punkte |
|
Förderung Rad- und
Fußverkehr;
Masterplan Energie und Klimaschutz;
Vollversorgung durch erneuerbare Energien nach
Kohleausstieg;
Reduzierung der Flächenversiegelung;
Senkung der Belastung bei Pflanzenschutzmitteln
Gemeinschaftsschule |
Förderung Radverkehr;
Ökologisierung Landwirtschaft |
|
Umstrittene Punkte |
Basis: Zeitpunkt
Kohleausstieg; |
Polizeigesetz |
|
SPD |
Wichtige Punkte |
|
Mehr Tarifbindung;
Einheitliches Bezahlsystem beim ÖPNV
Gemeinschaftsschule
Beitragsfreies Kitajahr |
Mehr Tarifbindung;
Gemeinschaftsschule |
|
Umstrittene Punkte |
|
|
|
Als Beginn der Koalitionsgespräche wird der 21. Oktober 2019
genannt. Nur was vom Sondierungspapier noch im
Koalitionsvertrag steht, ist entscheidend. Das
Sondierungspapier ist in erster Linie auf die jeweiligen
parteispezifischen Durchsetzungsverfahren gemünzt, d.h. für
jede Partei muss ein Zuckerchen dabei sein, um die Hürde für
die Aufnahme von Koalitionsgesprächen zu senken. Die
Berichterstattung der Medien folgt diesem Prinzip.
BARTSCH, Michael (2019): Kenia liegt in Sachsen.
Sondierungsergebnis in Sachsen:
Nach erfolgreichen Sondierungen wollen CDU, Grüne und SPD in
Sachsen über eine Koalition in der Landesregierung verhandeln,
in:
TAZ
v. 05.10.
POLLMER, Cornelius (2019): Freiheit für Pödelwitz.
Sondierungsergebnis in Sachsen:
In Sachsen beenden CDU, Grünen und SPD ihre Sondierungen,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 05.10.
LASKE, Karsten (2019): Am Tunnel.
Wochenthema Das kurze Glück der Wende: Plauen: In einer gut
bewachten Stadt demonstrierten am 40. Jahrestag der DDR, schon
zwei Tage vor der Leipziger Großdemonstration vom 9. Oktober
1980, 20.000 "Staatsfeinde", fast ein Viertel der Einwohner.
Wieso gingen gerade hier so viele Leute auf die Straße?
in:
Freitag Nr.41 v. 10.10.
"Mit der Vogtlandbahn nach Plauen.
Werdau, tot. Reichenbach, tot. Im Bahnhof Plauen, oberer Bahnhof
(einen unteren gibt es auch) (...).1970 bis ’73 anstelle des im
Krieg zerstörten alten neu erbaut, sollte der Plauener Bahnhof
farbiges Vorzeige- und Schmuckstück sein. Einfallstor aus dem
Westen. Man wollte zeigen, was man hat. Was man leisten kann.
Raus und die Bahnhofstraße hinunter geht es gut einen Kilometer
bergab bis ins Zentrum, wo Straßenbahnen sich kreuzen und, wie
sollte es anders sein, ein riesiger Einkaufsklotz steht. Die
Bahnhofstraße ist Fußgängerzone seit den Achtzigern, nur die
Tram fährt, und einige Lieferwagen sind unterwegs. Läden. Kaum
Leerstand. (...). Die Bahnhofstraße führt bergab bis auf den
Postplatz, den aber kein Mensch hier so nennt, alle sagen »am
Tunnel«",
beginnt Karsten LASKE seine
Reportage aus der AfD-Hochburg Plauen. Dort, im Wahlkreis 1
Vogtland 1, wurde die CDU zwar stärkste Partei,
aber das wichtige Direktmandat gewann die AfD.
UNSLEBER, Steffi (2019): "Jetzt stehst du ganz alleine da".
Die SPD-Bürgermeisterin Martina Angermann wurde von Rechten
gemobbt, bis sie krank wurde. Wenn sie ihren Posten in Arnsdorf
verlässt, könnte die AfD ihren ersten Bürgermeister in Sachsen
stellen,
in:
TAZ v. 12.10.
"Ein Mann aus der Gemeinde, der der
Reichsbürgerszene zugeordnet wird, hat eine Facebookseite
gegründet, auf der er mich und die Gemeinde beschimpft und
meinen damaligen Gegenkandidaten von der CDU unterstützt hat.
Dieser Gegenkandidat, Detlef Oelsner, war dann auch später bei
der Bürgerwehr dabei und ist heute bei der AfD. Ich habe 2015
trotz der Hetze mit 75 Prozent der Stimmen gewonnen. (...).
Wir haben keine Polizeistation in Arnsdorf, die in Radeberg
haben sie auch zugemacht. Die nächste ist in Kamenz, das ist
dreißig Kilometer entfernt. Wenn ich bei der Polizei angerufen
habe, dann bin ich in Görlitz gelandet. Die wussten manchmal gar
nicht, wo Arnsdorf liegt. (...).
Die AfD steht schon in den Startlöchern und würde gerne in
Arnsdorf den ersten Bürgermeister in Sachsen feiern. Detlef
Oelsner, der bei der Bürgerwehr war, würde wohl für die AfD
kandidieren. Hinter dem Mobbing steckt also durchaus auch
Strategie",
meint Martina ANGERMANN. Arnsdorf
liegt im sächsischen Landkreis Bautzen und ist eine Landgemeinde
mit weniger als 5.000 Einwohner. Arnsdorf gehört zum
Landtagswahlkreis 53 Bautzen 2, in dem die CDU stärkste
Partei wurde. In Arnsdorf gewann sowohl die CDU als stärkste
Partei als auch die AfD als zweitstärkste Partei
überdurchschnittlich viele Stimmen, gemessen am
Wahlkreisergebnis.
BINGENER, Reinhard (2019): Das gerissene Netz.
Sachsen: Der Pfarrermangel hat bisher vor allem Dörfer
betroffen, im Osten macht er sich nun auch in Städten
bemerkbar. In Bad Düben wollen die Bürger selbst Abhilfe
schaffen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.10.
"Das dichte Netz, das seit
der Christianisierung das alte Europa überzieht, ist gerissen.
(...). Das alte Ensemble aus Pfarrer, Kirchturm und tausend
mehr oder minder frommen Seelen findet man insbesondere im
Osten Deutschlands nirgends mehr.
Neu ist, dass die Entwicklung auf kleine Städte wie
Bad Düben mit seinen knapp 8.000 Einwohnern übergreift und
auch dort die Pfarrstellen verwaisen. Da hilft der Stadt auch
ihre Bedeutung für den Protestantismus nicht (...).
Eine Reihe von Bürgern der Stadt wollen sich damit nicht
abfinden. Also haben sie einen Verein gegründet, den
Förderverein Sankt Nikolai. (...). Der Vorstand (...) erhofft
sich von einem Pfarrer in der Stadt (...) Vorteile für die
Gesellschaft",
erklärt uns Reinhard
BINGENER. Für den Förderverein ist der Pfarrer lediglich ein
besserer Sozialarbeiter, der die Kollateralschäden des
Neoliberalismus beseitigen soll, was jedoch eine Überforderung
darstellt. Zugleich wird die Evangelische Schule als
Rekrutierungsanstalt für Nachschub pfarrerlicher
Sozialarbeiter gesehen.
Dem steht jedoch die
Kirchenbürokratie entgegen, die sich ihren Rat bei
Unternehmensberatungen sucht, und nun bei Städten, statt auf
dem Land zu sparen versucht. Wie in modernen Unternehmen, so
wird nun auch bei der Kirche auf Projekte gesetzt. Als
"Raumdeckung statt Manndeckung" wird uns das erklärt.
In Bad Düben stehen sich
also wohlhabende Bürger, die sich an Peter SLOTERDIJKs Verdikt
halten, dass der Sozialstaat durch Spenden ersetzt werden
soll, und eine Kirchenbürokratie gegenüber, die sich den
marktwirtschaftlichen Gesetzen unterwirft. Oder wie es
BINGENER formuliert:
"Niemand weiß, wie sich die
Zahl der Kirchenaustritte entwickelt, ob die Staatsleistungen
ins Wanken geraten oder wie unverbrüchlich die Solidarität der
wohlhabenderen Westkirchen mit den armen Ostkirchen ist."
KEILHOLZ, Christine (2019): Nur weg hier.
Sachsen: Dem Osten laufen die Frauen weg. Deshalb wählen die
Männer rechts,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 15.12.
"Zittau, am östlichsten
Zipfel der Republik. (...).
Die Stadt an der Grenze zu Tschechien hat 25.000 Einwohner und
liegt in der Oberlausitz, die zu Sachsen gehört. (...). Es
fehlen Frauen, in der Oberlausitz gut 2.500 im Alter zwischen
25 und 40. (...) Zielgruppe (...): »heiratsfähig« oder
»gebärfähig«. (...).
2.500 Männer werden hier keine Partnerin finden. Sie gehen
leer aus auf dem Heiratsmarkt",
schreibt Christine KEILHOLZ
über frustrierte und sitzengebliebene Männer in der
Oberlausitz. Dieser besorgte Tonfall ist nicht neu, sondern
betraf in den 1950er Jahren die westdeutschen Frauen, die als
"Kriegerwitwen" bezeichnet wurden. Im Grunde jedoch jede
alleinstehende Frau, deren Schicksal als
"alte Jungfer"
vorgezeichnet schien. Heutzutage trifft der besorgte Tonfall
den potenziellen
"Hagestolz". Es geht um den Heiratsengpass:
"In einigen Dörfern sieht
es besonders schlecht aus. In der Gemeinde Boxberg kommen auf
hundert Männer gerade mal 72 Frauen, in Weißkeißel sogar nur
noch 56."
Die Zahlen stammen aus der
Kurzstudie
Wer kommt? Wer bleibt? Wer geht? vom Dezember 2016.
Dort heißt es:
"Tendenziell weisen
Gemeinden mit geringer Bevölkerungsdichte die höchsten
Geschlechterdisproportionen in der Altersgruppe der 18- bis
35-Jährigen auf. Diese altersspezifischen
Geschlechterungleichgewichte sind kein neues Phänomen und die
Folge von geschlechtsselektiven Wanderungen. Einen geringen
Frauenüberschuss verzeichnen sowohl der Hochschulstandort
Görlitz als auch die nördlich angrenzende Gemeinde Neißeaue
mit jeweils 104 Frauen je 100 Männer. Das größte
Ungleichgewicht weist die Gemeinde Weißkeißel aus, in der 56
Frauen auf 100 Männer gezählt werden. In Boxberg/O.L. sind es
72 Frauen je 100 Männer." (S.8)
KEILHOLZ geht es also um
Dramatisierung: Zwischen den "Besten" und den "Sitzengebliebenen"
gibt es bei KEILHOLZ eine große Leerstelle. Stattdessen wird
der kosmopolitischen Lesergemeinde der FAS Honig ums
Maul geschmiert:
"Sie wandern von Zittau
nach Leipzig, von Leipzig nach Berlin, von Berlin nach New
York. Immer dahin, wo es besser ist als da, wo sie gerade
sind. Das ist normal, es ist ein Zeichen der Zeit. (...).
In der Wanderungskette, die in Gang gesetzt wird durch den
Wunsch nach Bildung und Aufstieg, steht die Oberlausitz am
unteren Ende",
erklärt uns KEILHOLZ das
Credo unserer Kosmopoliten. Doch die Wirklichkeit sieht anders
aus, weswegen sich immer weniger Menschen in den
kosmopolitischen Printmedien repräsentiert sehen und sich
abwenden.
"Um Arbeitsplätze für
Frauen hat sich keiner gekümmert. Das rächt sich jetzt",
gegen dieses Fakt schreibt
KEILHOLZ an, denn das wäre ja eine Kritik an der lange Zeit
selbstherrlich regierenden Sachsen-CDU, die gemäß der
neoliberalen Ideologie nur wenige Großstädte im Visier hatte
und das Land den Rechten überließ. Das war für die
absolutistisch herrschende CDU kein Problem. Doch mit der AfD
hat sich das nun geändert:
"In der Oberlausitz gewann
die AfD bei der Landtagswahl im September 30 Prozent - und
holte fast alle Direktmandate.
Zurückgelassene Männer sind Multiplikatoren schlechter
Stimmung. (...). Zurück bleibt ein Überhang an Männern im
heiratsfähigen Alter. Diese demographische Homogenität setzt
eine Abwärtsspirale in Gang",
erklärt uns KEILHOLZ. Diese
Erkenntnis käme leider 30 Jahre zu spät, wenn sie überhaupt in
dieser Simplizität stimmen würde! Dass KEILHOLZ Leipzig statt
Dresden hypt, zeigt dagegen wie sehr die CDU in Sachsen
abgewirtschaftet hat.
Vor 20 Jahren galt Leipzig als abgehängte Großstadt -
vergleichbar mit dem heutigen Görlitz:
Görlitz, ein urbanes Juwel
alter Machart mit Händlerpalästen wie in Venedig und einem
Bürgerstolz wie in Lübeck. In Görlitz wohnten mal Männer, die
keine Schwierigkeiten hatten, Frauen zu finden. Sie waren
reich und kannten die Welt, sprachen Polnisch und Italienisch
und kleideten sich in dem feinen Tuch, den sie verkauften.
Gegenüber dem Görlitzer Bahnhof steht das Landratsamt. Vor
dreißig Jahren war es zuständig für 367.000 Menschen, jetzt
noch für 260.000, und im Jahr 2030 wahrscheinlich nur noch für
224.000."
KEILHOLZ wechselt hier
unter der Hand die Perspektive, wenn sie keinen
Unterschied zwischen der Mittelstadt Görlitz und dem Landkreis
macht. Die Zahl 260.000 steht für die Einwohnerschaft des
Landkreises im Jahr 2015. 2018 waren es nur noch 254.894.
Recherche ist offenbar ein Fremdwort für KEILHOLZ, Hauptsache
die Ideologie stimmt! Die Mittelstadt ist dagegen zwischen
2015 und 2017 von 55.255 auf 56.391 gewachsen und schrumpft
seitdem wieder. Typisch für das heutige Görlitz-Bild ist
inzwischen die ARD-Krimireihe
Wolfsland, die kosmopolitische Klischees über die
Provinz verbreitet.
Görlitz ist stattdessen
Sinnbild für etwas ganz anderes: das Scheitern von Europa.
Europa ist ein Elitenprojekt geblieben und nie in den
europäischen Regionen wirklich angekommen. Oder warum sind
Nationalgrenzen immer noch in aller Regel auch
Infrastrukturgrenzen und Sprachbarrieren? Görlitz könnte
mitten in Europa liegen, wird aber selbst von Kosmopoliten als
Randzone gedacht. Das zeigt eigentlich ganz gut das ganze
Ausmaß der kosmopolitischen Misere.
"Die Bundesregierung könnte
im nächsten Jahr noch mal so viele Bundesbehörden und
Forschungsinstitute mit Tausenden Jobs in der Oberlausitz
ansiedeln - trotzdem würden die bestehen Schulabgänger
weggehen",
meint KEILHOLZ und
kritisiert den Aktionismus der CDU/CSU, der dämmert, dass sich
die Versäumnisse von Jahrzehnten nun rächen. Die CDU hat sich
Zeit in Sachsen gekauft, aber ob das reicht, bleibt fraglich.
Die Lösungen, die KEILHOLZ zu bieten hat, sind jedoch
ebenfalls zum Scheitern verurteilt, denn der Blickwinkel von
Gleichstellungsbeauftragten ist nicht weniger beschränkt als
der von Kreisverwaltungen.