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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Sachsen im demografischen Wandel

 
       
   

Von der einstigen CDU-Hochburg zum ersten AfD-regierten Bundesland? (Teil 5)

 
       
     
   
     
 

Kommentierte Bibliografie (Teil 5: 2019)

2019

LASCH, Hendrik (2019): Schlechte Zeiten für die Regionalbahn 110.
Das sächsische Nossen ist seit 2015 vom Zugverkehr abgehängt, schöpft vor der Landtagswahl 2019 aber Hoffnung,
in:
Neues Deutschland v. 02.01.

"Der Bahnhof Nossen liegt zwar nach wie vor an Gleisen, aber nicht mehr an einer Bahnstrecke. Am 12. Dezember 2015 fuhr zum letzten Mal die Regionalbahn 110 in Richtung Meißen und Döbeln; dann wurde der Betrieb eingestellt. Zu unrentabel, hieß es bei den zwei zuständigen sächsischen Verkehrsverbünden",

berichtet Hendrik LASCH, der mit Peter WUNDERWALD, Abgeordneter der Grünen im Kreistag Meißen, einen Verfechter des Schienenverkehrs vorstellt, der die straßenfixierte Verkehrspolitik kritisiert:

"Spätestens seit der Bahnreform 1994 werde das »System Rad/Schiene systematisch an die Wand gefahren«. Es sei »Opfer einer Verkehrspolitik, die einseitig auf die Straße setzt«"

LASCH schildert eindrucksvoll wie die neoliberale Verkehrspolitik in Sachsen zur Stilllegung von angeblich unrentablen Bahnstrecken führte.

"Während im benachbarten Tschechien auch abgelegte Strecken regelmäßig und mit modernen Fahrzeugen bedient werden, wurde das Schienennetz im Freistaat radikal ausgedünnt: Allein zwischen 1994 und 2012 wurde auf 39 Abschnitten mit einer Gesamtlänge von 700 Kilometern der Personenverkehr eingestellt. Darunter sind Trassen wie, die zwischen Annaberg-Buchholz und Schwarzenberg, Eilenburg und Bad Düben, Hainichen und Rosswein oder auch die gut 33 Kilometer von Nossen nach Riesa. Viele wurden durch Busse ersetzt."

Proteste wurden bislang von der sächsischen Regierung ignoriert. Es musste erst die Bundestagswahl 2017 kommen, bei der die AfD in Sachsen stärkste Partei wurde, um ein "erstes Umdenken" zu erreichen. Das ist mehr als traurig, denn es zeigt die eklatante Schwäche der ostdeutschen "Linken". Das Versagen der "Linken" und der Aufstieg der Rechten als einzige Partei, die noch auf die neoliberalen Regierungen ernstzunehmenden Druck ausüben kann, ist ein Armutszeugnis für die Rest-Linke.

"Im Fall der Bahntrasse durch Nossen kam die Kehrtwende bei einem Bürgergespräch, das Sachsens Kabinett im Mai nach Freiberg führte und bei dem es Ex-Landrat Graetz gelang, CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer persönlich für das Anliegen zu erwärmen. (...).
Am 13. Dezember 2018, auf den Tag genau drei Jahre nach dem Ende der RB 110, fiel im Landtag in Dresden eine Entscheidung, die (...) Hoffnung machen könnte. Das Parlament beschloss den Haushalt für 2019/20. Er enthält (...) »Zuschüsse für strukturbestimmende Einzelmaßnahmen«, in dem für eine mögliche Wiederinbetriebnahme der Trasse für 2019 zwei Millionen und für 2020 bis 2023 jeweils drei Millionen Euro eingestellt sind."

Ob es tatsächlich zu einer Wiederinbetriebnahme kommt, ist aufgrund der hohen Kosten und den politischen Gegebenheiten fraglich. Am Ende könnte es lediglich Wahlkampfgetöse gewesen sein, denn die entscheidenden Akteure sehen die Sache offensichtlich anders.

LASCH, Hendrik (2019): Pop-up-Dinner in der Provinz.
Viele Industriebrachen, viel Platz und ein Faible für moderne Kunst: Die Kleinstadt Zeitz bietet sich als Zuflucht für verdrängte Großstädter an - zum Beispiel aus Leipzig,
in:
Neues Deutschland v. 02.01.

Hendrik LASCH berichtet über die kleine Mittelstadt Zeitz in Sachsen-Anhalt, die von den Verdrängungsprozessen im knapp 50 Kilometer entfernten Leipzig profitieren möchte und dabei mit sächsischen Städten konkurriert:

"Städte wie Wurzen und Grimma, Delitzsch und Torgau rechnen sich ebenfalls Chancen aus. Zeitz liegt jenseits der Landesgrenze in Sachsen-Anhalt und hat bisher auch keine Anbindung an die S-Bahn, die direkt bis unter den Leipziger Markt fährt."

NEUES DEUTSCHLAND-Tagesthema: Wahlkampf der Linken in Sachsen

LASCH, Hendrik (2019): Mehr Augenmerk auf die Erststimme.
Sachsens Linke will bei der Landtagswahl verstärkt um Direktmandate kämpfen, hält aber nichts von Absprachen mit anderen Parteien,
in:
Neues Deutschland v. 04.01.

Hendrik LASCH berichtet über die Hoffnungen der Linkspartei auf Direktmandate in Sachsen. 2004 war die damalige PDS bei der Landtagswahl in zwei Wahlkreisen von Leipzig und in Hoyerswerda und Chemnitz erfolgreich. Bei geschwächter CDU und erstarkter AfD steigen die Chance als lachender Dritter hervorzugehen.

SDIE. (2019): Deutsche Innenstädte sind nur mäßig attraktiv.
Leipzig liegt in der Gunst der Passanten vorne,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.01.

GASSMANN, Michael (2019): Attraktivste Innenstädte liegen im Osten.
Eine große Umfrage zeigt, wo Menschen am liebsten einkaufen und ins Café gehen. Unter den fünf Gewinnern ist nur eine West-Stadt,
in:
Welt v. 24.01.

STAUDE, Jörg (2019): Es ist sinnvoller, Menschen individuell zu fördern.
IWH-Forscher Oliver Holtemöller hält nichts von pauschalen Subventionen für Regionen und Unternehmen beim Braunkohleausstieg,
in:
Neues Deutschland v. 25.01.

SEIFERT, Sabine (2019): Was kommt nach der Kohle?
Weißwasser - Nahaufnahme: Die Oberlausitz soll mit Milliarden für den Kohleausstieg entschädigt werden. Im Braunkohle-Städtchen Weißwasser ist man über die Zusage der Politik erleichtert - es gibt aber auch Ängste,
in:
TAZ v. 22.02.

POLLMER, Cornelius (2019): Das gezeichnete Land.
Der Tagebau in der Lausitz geht zu Ende. Jetzt träumen viele von einem Neuanfang, den es so noch nicht gegeben hat,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 23.02.

Neben Weißwasser darf auch der Sachsen-Versteher Lukas RIETZSCHEL bei der SZ nicht fehlen, denn

"ganz nett wäre auch zu erfahren, was eigtentlich jene von der Zukunft denken, die sie in größerem Umfang noch erleben werden. Da trifft es sich ganzgut, dass nahe der Hochschule in Görlitz schon Lukas Rietzschel am Straßenrand auf einen wartet. (...).
Mit Lukas Rietzschel geht es nun auf einen Roadtrip durch die Lausitz. (...). Er wünscht sich, dass seine Heimat zu einer Art Modellregion, zu einem Labor wird, in dem nicht alle aufs Bruttoinlandsprodukt schielen und sich von ihm sagen lassen, wie glücklich sie gerade sein dürfen und sollten. Wirtschaft komplett neu organisieren, Ökologie in den Mittelpunkt nehmen, ja, warum nicht?"

Ökologie ist zur neuen Religion geworden, aber warum sollte das die bessere Alternative zum BIP sein? Schlagwörter machen noch keine Lebensqualität!   

IWH (2019)(Hrsg.): Vereintes Land – drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall. Halle (Saale)

Die Broschüre ist von einer produktivitätsorientierten Sichtweise auf Deutschland geprägt, für die die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse eher ein Hindernis ist:

"Am augenfälligsten zeigte sich im Produktivitätsunterschied das West-Ost-Gefälle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Produktivität lag im Jahr 1991 in Ostdeutschland (einschließlich Berlin), gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, im Durchschnitt nur bei 45% des westdeutschen Werts (...). Von 1991 bis 2003 nahm in den Neuen Ländern die Produktivität schneller als in Westdeutschland zu. Die Konvergenz bei der Produktivität verlor aber schon Mitte der 1990er Jahre an Tempo, und in den 2000er Jahren kommt sie höchstens noch in Trippelschritten voran. Im Ergebnis beträgt die Produktivität im Durchschnitt der Neuen Länder einschließlich Berlin im Jahr 2017 82% des westdeutschen Durchschnitts. Kein ostdeutsches Flächenland reicht an das westdeutsche Land mit der geringsten Produktivität – das Saarland – heran. In der regionalökonomischen Debatte wird die Frage gestellt, ob an die Stelle des kleiner gewordenen West-Ost-Gefälles ein Süd-Nord-Gefälle tritt. Wenn die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen dem Süden und die übrigen Länder dem Norden zugeordnet werden, wird in der Tat eine sich öffnende Schere bei der Produktivität zwischen Süd- und Norddeutschland sichtbar (...). Doch diese Schere ist immer noch viel kleiner als der West-Ost-Abstand." (S.8f.)

WINTER, Steffen (2019): "Ideen, egal wo".
Subventionen: Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer, 43 (CDU), wehrt sich gegen Empfehlungen des Instituts für Wirtschafsforschung Halle, künftig kein Geld mehr in die Provinz zu stecken,
in:
Spiegel Nr.11 v. 09.03.

MALZAHN, Claus Christian (2019): Zwei Welten in Deutschland.
Ein erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, "gleichwertige Lebensverhältnisse" im Land zu schaffen - in Ost und West. Doch wie sieht die Realität aus? Eine Geschichte aus zwei Städten - Neustadt in Bayern und Neustadt in Sachsen,
in:
Welt v. 09.03.

Claus Christian MALZAHN vergleicht die Städte Neustadt an der Aisch und Neustadt in Sachsen folgendermaßen:

"Eine Autofahrt von Neustadt an der Aisch in Bayern nach Neustadt in Sachsen dauert etwa vier Stunden. An der rund 400 Kilometer langen Strecke liegen Bamberg, Bayreuth, Hof, Plauen, Chemnitz und Dresden. (...). Das fränkische Städtchen sieht seinem sächsischen Pendant auf den ersten Blick ganz ähnlich aus.. (...).
In Neustadt an der Aisch wurden zum 31. Dezember 2017 insgesamt 12.941 Einwohner gezählt; in Sachsen zum selben Zeitpunkt 12.200 Bewohner. (...).
Die Arbeitslosenquote in Neustadt an der Aisch ist mit 1,5 bis zwei Prozent verschwindend gering, es pendeln mehr Angestellte in die Stadt hinein als heraus. Die meisten arbeiten bei Franken Brunnen, einem mittelständischen Traditionsunternehmen. Das Unternehmen vertreibt in Deutschland exklusiv den Almdudler. (...). Dem örtlichen Druckereibetrieb ging es vor 20 Jahren gar nicht gut. Es stand kurz vor der Pleite.
Dann ging der Besitzer ans Netz, die Stadt half mit digitalen Anschlüssen. Heute ist das Unternehmen mit insgesamt 1.400 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zuletzt 200 Millionen Euro eine der erfolgreichsten Onlinedruckereien Europas.
(...).
Einen »Schandfleck« hat Peter Mühle, der Bürgermeister von Neustadt in Sachsen (...) immer im Blick, wenn er aus seinem Rathaus schaut oder über den Markt läuft. Seit Jahren verfällt dort ein Stadthaus in der nordöstlichsten Ecke des Platzes. (...).
Der Besitzer, ein Dresdner, lässt die Immobilie verfallen. (...). Selbst im mit viel Geld aufgehübschten Weimar ist mitten in der Stadt eine ähnliche Trümmerburg zu besichtigen. Auch in Neustadt in Sachsen wirkt das abbruchreife Eckhaus wie ein Mahnmal der deutschen Einheit inmitten einer ansonsten blitzblank geputzten Stadtlandschaft.
Peter Mühle (...) gründete seine eigene Partei (...). Sie heißt Neustädter für Neustadt und ist heute vor der CDU die erfolgreichste politische Kraft in dem Städtchen. Wie Meier wurde auch Mühle direkt zum Bürgermeister gewählt - mit fast 70 Prozent der Stimmen. (...).
Mühle leitete (...) die Werkfeuerwehr des VEB Fortschritt. Den Betrieb (...) gibt es heute nicht mehr, abgewickelt, 6.500 Arbeitsplätze einfach weg. In Franken gab es damals wirtschaftliche Schwierigkeiten, in den östlichen Bundesländern eine beschäftigungspolitische Katastrophe nach der anderen. (...).
Im sächsischen Neustadt werden inzwischen Reisemobile gefertigt. Die Capron GmbH beschäftigt 600 Mitarbeiter (...). Die Arbeitslosenquote ist mit derzeit rund fünf Prozent nicht so niedrig wie in Franken, war aber in der Vergangenheit weit höher. (...).
Wenn man die wichtigsten Daten beider Städte aneinanderlegt, bleibt kein Zweifel, dass Neustadt an der Aisch für die kommenden Jahre besser gerüstet ist (...): Die Bevölkerung in Neustadt in Sachsen ist mit durchschnittlich 50,2 Jahren deutlich älter als im fränkischen Pendant mit 44,4 Jahren.
In Neustadt an der Aisch arbeiten 7.365 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte; drüben in Sachsen sind es 4.500 Personen. Neustadt an der Aisch kann mit einem Gymnasium und einem Krankenhaus aufwarten. Diese Institutionen gab es früher auch in Neustadt in Sachsen (...). Die Liste ließe sich fortsetzen: Bei Kitas, Restaurants und Arztpraxen hat Franken die Nase vorn."

Verschwiegen wird uns beim Vergleich jedoch, dass das bayerische Neustadt die Kreisstadt des mittelfränkischen Landkreises Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim ist während Neustadt in Sachsen nur eine Kleinstadt im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge ist. Im Grunde werden hier Äpfel und Birnen miteinander verglichen.

GERLACH, Thomas (2019): Die Hexenjagd von Bautzen.
Nahaufnahme: Annalena Schmidt kam aus dem Westen in die ostsächsische Stadt. Sie mischt sich ein. Schmidt steht für Weltoffenheit, dort, wo Rechte Morgenluft wittern. Sie wird angefeindet, sie soll ihre Koffer packen. Doch Annalena Schmidt beugt sich nicht,
in:
TAZ v. 11.03.

LOCKE, Stefan (2019): Rezepte für das Labor.
Kann es sich Deutschland wirklich leisten, seine ländlichen Regionen brach liegen zu lassen?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.03.

Stefan LOCKE kritisiert den Standpunkt der IWH-Forscher, die Stadt- statt Landförderung fordern:

"(D)as Rezept, in der Wirtschafts- und Regionalförderung alles auf eine Karte zu setzen, (hat sich) bisher nicht als das bessere erwiesen. Das verdeutlichen die Beispiele Thüringen und Sachsen (...). Während Thüringen viel Geld in nahezu alle Teile des Landes pumpte und so auch abgelegene Regionen lebenswert gehalten hat, in denen Mittelständler in ihren Nischen Weltmarktführer sind, stärkte Sachsen viele Jahre vor allem seine Metropolen Leipzig und Dresden. Diese »Leuchtturmpolitik« schuf international wettbewerbsfähige Cluster, etwa in der Mikroelektronik, ließ aber auch vernachlässigte Regionen zurück und geriet deshalb bei den eigenen Leuten in Verruf. Wer heute in Ostsachsen oder im Erzgebirge unterwegs ist, kommt sich dort im Vergleich zu Thüringen auf machen Straßen, in manchen Orten wie in der DDR vor. Die Wirtschaftskraft beider Länder aber unterscheiden sich so gut wie nicht. Während Thüringen sich immens verschuldete, zahlt das sparsame Sachsen heute vor allem einen politischen Preis - in Form von Frust, Aufruhr, Protestwahl.
Auch dieser durchaus bekannte Umstand illustriert die Weltfremdheit der IWH-Forscher."

LASCH, Hendrik (2019): Die Klagen der "Sonderdeutschen".
Die Ost-West-Frage hat im 29. Jahr der deutschen Einheit mehr Brisanz denn je,
in:
Neues Deutschland v. 06.04.

"Im Jahr 2005 hat Christoph Links das Buch »Am Ziel vorbei« verlegt, laut Untertitel eine »kritische Bilanz« nach 15 Jahren deutscher Einheit. Das Interesse war bescheiden (...).
Im September 2018 ist in Links' Verlag wieder ein Buch über den Osten erschienen, eine »Streitschrift« der sächsischen SPD-Politikerin Petra Köpping: »Integriert doch erst mal uns!«. Das Buch wird Links förmlich aus den Händen gerissen (...). Köpping (...) reist zu Vorträgen selbst ins Ruhrgebiet, wo sie erklären soll, warum es im Osten im 29. Jahr der Einheit so viel Unmut gibt. Die Frage füllt Zeitungsspalten, Schwerpunktsendungen und gibt Anstoß für wissenschaftliche Formate wie dieser Tage in Dresden und der Lausitz, »Kolonie Ost?« hieß eine gut besuchte Tagung.
(...).
Der Soziologe Rai Kollmorgen, der in Görlitz und Zittau lehrt, vermutet (...) eine »Enttäuschungskurve« und nennt Punkte, an denen der Ärger wuchs: die Hartz-IV-Reform, die den Osten hart traf; die Schuldenkrise 2008, in der nach Meinung vieler »Griechenland« mit Geld gerettet wurde, das auch Ostdeutschland hätte brauchen können; schließlich die »Migrationskrise« 2015. Seither tobe verstärkt ein »Kampf um den zweiten Platz« im Land, sagt die Berliner Migrationsforscherin Naika Foroutan. (...). Es gebe »klare Zusammenhänge« zwischen Deprivation, also dem Gefühl von Mangel und Verlust, sowie dem »Wunsch, andere Deprivierte nicht an sich vorbeiziehen zu lassen«, sagt Foroutan - ein »Wunsch«, der sich verbreitet in Stimmen für die AfD manifestiert.
Die anderen Parteien beteuern derweil fast fieberhaft, dieser Wunsch werde gehört. (...). Die Formel von einer »Anerkennung der Lebensleistung« von Ostdeutschen führen Politiker fast aller Parteien im Mund",

zitiert Hendrik LASCH Meinungen zu den Ursachen des Unmuts in Ostdeutschland, der niemanden interessieren würde, wenn es nicht die AfD gäbe.

NYMOEN, Ole (2019): Halbes Hoyerswerda.
Kolonie II: Die Brikettpresse schweigt, leere Trampoline warten auf Enkel: eine Bustour durch die Oberlausitz,
in:
Freitag Nr.15 v. 11.04.

"In Bernsdorf, einem der ältesten Industriestandorte der Westlausitz, wurde bis in die frühen 1990er Jahre Glas produziert (...). Nach der Betriebsschließung wurde der Bahnhof angeblich nicht mehr benötigt - heute keimt Hoffnung, Bernsdorf könne doch wieder ans Schienennetz angeschlossen werden; denn das circa 50 Kilometer entfernte Dresden wächst und mit ihm der Bedarf an Wohnungen - vielleicht reicht der Speckgürtel der sächsischen Landeshauptstadt eines Tages bis hierher. (...).
In Hoyerswerda, relativ zur Bevölkerungszahl einst die kinderreichste Stadt der DDR, hat sich die Einwohnerzahl auf 33.000 halbiert, Tendenz fallend. Es ist ein sonniger Freitagnachmittag, auf den Straßen sind kaum Menschen zu sehen, vor allem keine unter 30-Jährigen", schreibt Ole NYMOEN über Orte auf einer Busfahrt, die von der Tagung "Kolonie OSt?" veranstaltet wurde.

LASCH, Hendrik (2019): Grüne Könige von Sachsen.
Ökopartei will im Freistaat erstmals mitregieren. Überlegungen für Rot-Rot-Grün spielen keine Rolle,
in:
Neues Deutschland v. 15.04.

"Den Umfragen zufolge ist als Alternative zu Schwarz-Blau derzeit in Sachsen nur ein Drei- oder gar Viererbündnis von CDU, SPD und Grünen sowie eventuell der FDP möglich. Dass die Ökopartei sich dafür wappnet, zeigt der völlige Verzicht auf Anti-CDU-Rhetorik in ihrem Wahlprogramm. Während es noch im August 2018 in einem Beschluss hieß, man wolle bei der Landtagswahl »die Macht der CDU brechen«, fehlen solche Passagen jetzt", berichtet Hendrik LASCH.

LASCH, Hendrik (2019): Die Balance bleibt doch gewahrt.
Sachsens Linke wählt Kandidatenliste für die Landtagswahl. Ringen um Regionalproporz,
in:
Neues Deutschland v. 15.04.

Hendrik LASCH berichtet über die Prozedur der Durchsetzung von Listenkandidaten der Linken für die Landtagswahl 2019:

"Nach Platz 12 (...) wurde dem Listenvorschlag nicht mehr in jedem Fall gefolgt. Platz 14 errang der dort zunächst nicht berücksichtigte, für seinen unorthodoxen Politikstil bekannte Hochschulpolitiker René Jalaß; die Leipzigerin Jule Nagel, die 2014 das einzige Direktmandat für ihre Partei geholt hatte, kam auf Platz 15. Ihre Befürworter betonten, dass beide bei der CDU »Schaum vor dem Mund« verursachten. Auf Platz 13 steht Antonia Mertsching, die in entwicklungspolitischen Netzwerken arbeitet und ihre Entscheidung für die Linke damit begründet, dass man »die Roten grüner, aber die Grünen nicht roter machen« könne. (...). Platz 19 erkämpfte mit der Finanzexpertin Verena Meiwald erneut eine Abgeordnete, die es zunächst nicht auf den Listenvorschlag geschafft hatte. Dadurch rutschte Marion Junge als erste Vertreterin aus Bautzen auf Platz 21.
Auch dieser gilt angesichts aktueller Prognosen, welche die Linke bei 17 Prozent sehen, als sicher."

Ob Listenplatz 21 sicher ist, das ist zweifelhaft!

LASCH, Hendrik (2019): Stimmungstest vor der Landtagswahl.
Kommunalwahl in Sachsen: AfD dürfte von niedrigem Niveau kräftig zulegen. Linke mit 1.200 Kandidaten,
in:
Neues Deutschland v. 14.05.

"Für die CDU geht es um die Rolle als stärkste Kraft, für die Linke unter anderem um politischen Einfluss in den drei Großstädten. (...).
In den Landkreisen und Kommunen hat die Linke weniger Einfluss, abgesehen von Hochburgen wie Bennewitz bei Leipzig, wo sie 2014 auf sagenhafte 51,2 Prozent kam und neun der 16 Gemeinderäte stellt, oder Lugau im Erzgebirge, wo sie 31 Prozent erreichte. Bei den Wahlen der Kreistage fuhr man mit knapp 20 Prozent das beste Ergebnis in Zwickau ein. Insgesamt errang die Partei vor vier Jahren 1.200 Mandate, davon 793 in Gemeinderäten und 204 in den Kreistagen und Stadträten der drei kreisfreien Städte. Auf dieser Ebene hatten 782 Bewerber für die Partei kandidiert; jetzt sind es 730, sagt Tilman Loos, Sprecher des Landesverbandes. Für die Gemeinderäte gehen 1.200 Kandidaten ins Rennen, 2014 waren es noch 1388 gewesen. (...).
Bürgermeisterwahlen finden parallel zur Kommunalwahl in nur 13 Städten und Gemeinden statt. In Görlitz (...) in den ehemaligen Kreisstädten Döbeln, Werdau sowie Aue, wo nach der Fusion mit dem benachbarten Bad Schlema erstmals ein Verwaltungschef bestimmt wird. (...) So gut wie sicher hat die Partei den Rathausposten im Urlauberort Gohrisch in der Sächsischen Schweiz", berichtet Hendrik LASCH

LASCH, Hendrik (2019): Die Freien Wähler als Trojanisches Pferd.
Kritiker verorten etliche FW-Kandidaten für die Stadtratswahl in Dresden im "braunen sächsischen Mief",
in:
Neues Deutschland v. 20.05.

Hendrik LASCH macht Stimmung gegen Kandidaten der Freien Wähler in Dresden. Genützt hat es nichts. Die Freien Wähler zogen auf Anhieb mit 4 Kandidaten in den Stadtrat von Dresden ein.

LASCH, Hendrik (2019): Die Sorge, dass es kippt.
In Sachsens Großstädten wird bei Kommunalwahl über Mitte-Links-Mehrheiten entschieden,
in:
Neues Deutschland v. 22.05.

"Dresden ist kein Einzelfall in Sachsen. Auch in den Stadträten in Leipzig und Chemnitz stellten die Mitte-Links-Parteien in der am Sonntag zu Ende gehenden Legislaturperiode die Mehrheit. (...).
Freilich: Ob die Mitte-Links-Mehrheiten in den drei Großstädten noch bestehen, wenn Sachsen am 1. September einen neuen Landtag wählt, ist ungewiss. Bei der Wahl am 26. Mai werden erhebliche Verschiebungen der Kräfteverhältnisse in den kommunalen Parlamenten erwartet - vor allem, weil für die AfD, die 2014 noch am Anfang ihres Aufstiegs stand, hohe Stimmzuwächse erwartet werden", meint Hendrik LASCH.

LASCH, Hendrik (2019): Rechtsextreme werden übermütig.
AfD fordert nach Wahlerfolg in Sachsen "Unterordnung" der CDU - Linke gewinnt Leipzig,
in:
Neues Deutschland v. 28.05.

"Auf kommunaler Ebene setzt die AfD die CDU vor allem in Ostsachsen unter Druck. In den Kreistagen von Görlitz und Bautzen stellt sie mit knapp 30 Prozent künftig die stärksten Fraktionen, im Kreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge rettete die CDU einen Vorsprung von ganzen 1,2 Punkten.  (...). In den mittel- und westsächsischen Landkreisen hielt die CDU die AfD deutlicher auf Abstand, in Zwickau und dem Vogtland sogar um mehr als zehn Prozentpunkte. (...).
Erfreut über ihre Wahlergebnisse waren ansonsten nur die Grünen. Sie wurden in Dresden stärkste Kraft im Stadtrat, stellen in Leipzig die zweitstärkste Fraktion und werden künftig auch in allen Kreistagen mit eigenständigen Fraktionen vertreten sein. (...).
Enttäuscht zeigte sich dagegen die Linke-Landeschefin. Antje Feiks verwies zwar auf einen Lichtblick in der Stadt Leipzig, wo die Partei mit 21,4 Prozent zur stärksten Kraft wurde. Mit Blick auf die Wahl im Herbst (...), sagte Feiks, in Leipzig habe man in vier der sieben Landtagswahlkreise vor der CDU gelegen. In der Fläche allerdings schnitt die Linke schwächer als 2014 ab",

berichtet Hendrik LASCH über das Abschneiden der Parteien bei der Kommunalwahl in Sachsen.

In Bautzen sieht es ganz düster aus: Die Linke verliert 9,4 % der Stimmen und kommt nur auf 3 Sitze. Die CDU bricht sogar um 11,2 % ein und kommt auf 8 Sitze, ist damit noch stärkste Fraktion vor der AfD (7 Sitze)

LASCH, Hendrik (2019): (K)eine rote Insel im schwarz-blauen Meer.
In Leipzig wurde die Linke bei der Stadtratswahl stärkste Kraft - nicht nur dank "Latte-Macchiato-Linker",
in:
Neues Deutschland v. 11.06.

LASCH, Hendrik (2019): Keine Zeit zum Wundenlecken.
Sachsens Linke beschließt ihr Programm für die Landtagswahl und setzt dabei auf "revolutionäre Realpolitik",
in:
Neues Deutschland v. 24.06.

Hendrik LASCH präsentiert uns die Phrasendrescher der Linkspartei, die sich angesichts ihrer desolaten Lage nach Kommunal- und Europawahl, mit Pfeifen im Walde üben. Da wird z.B.

"eine Absage (erteilt), Kretschmer als eine Art letzten Garant gegen eine bundesweit erste schwarz-blaue Koalition zu unterstützen."

Das ist wohl eine völlige Verkennung der Sachlage.

LASCH, Hendrik (2019): Ein sichtbarer Gegenentwurf.
Sachsen: Initiativen wollen vor sächsischer Landtagswahl für ein rot-rot-grünes Bündnis werben,
in:
Neues Deutschland v. 26.06.

Hendrik LASCH berichtet über die Initiative Sachsen#umkrempeln, die den verzweifelten Versuch für ein rot-rot-grünes Bündnis gestartet hat. Prominente Politiker fehlen bei der Initiative genauso wie der Wille der drei Parteien sich gegen die rechte Mehrheit ein eigenes Profil zu geben. Wer wie die sächsischen Grünen, Linken und Sozialdemokraten lieber mit der CDU kuschelt, der wird die Quittung am 1. September erhalten.    

LASCH, Hendrik (2019): Nur Daumendrücken reicht nicht.
Sachsens CDU beschließt Wahlprogramm. Kretschmer attackiert AfD als "Miesmacher",
in:
Neues Deutschland v. 11.06.

Hendrik LASCH zählt noch einmal die AfD-getriebene Programmatik der sächsischen CDU auf, deren Versäumnisse aufgrund ihrer neoliberalen Austeritätspolitik nicht wett zu machen sind. Und warum die CDU wählen, wenn nur die AfD ein Garant für einen Politikwechsel bei der CDU ist?

KLOTH, Martin (2019): Berggeschrey im Erzgebirge.
Ansturm auf Bodenschätze. Erzbergbau erlebt in Sachsen eine Renaissance,
in:
Neues Deutschland v. 04.07.

"Das erste und derzeit einzige Untertagebergwerk in Sachsen seit 1992 ist die Grube Niederschlag bei Oberwiesenthal. Dort wird Fluss- und Schwerspat abgebaut. Weitere aktive Bergwerke könnten im Schwarzenberger Ortsteil Pöhla für Zinn und Wolfram, in Zinnwald für Lithium und in Schleife (Landkreis Görlitz) für Kupfer entstehen. »Diese drei Projekte haben ein Recht auf Errichtung und den Betrieb eines Bergwerks«, so Cramer.
In Pöhla erkundet das Unternehmen Saxony Minerals & Exploration AG (SME) aus Halsbrücke (Landkreis Mittelsachsen) seit Dezember 2016 das Erdreich (...). 2021 soll in Pöhla der Betrieb aufgenommen und bereits im Jahr darauf die Höchstfördermenge von 400.000 Tonnen Erz pro Jahr erreicht werden", berichtet Martin KLOTH.

LASCH, Hendrik (2019): Kreistag kommt der NPD entgegen.
Sachsen: Lokalparlament im Erzgebirge will Ausschuss zugunsten eines Rechtsextremen vergrößern,
in:
Neues Deutschland v. 04.07.

Hendrik LASCH berichtet über einen Konflikt im Kreistag des Erzgebirgskreises, in dem seit der Kommunalwahl 2019 die AfD mit 21 von 98 Sitzen die zweitstärkste Kraft wurde. Die CDU ist mit 32 Sitzen stärkste Kraft, während die Linke nur noch drittstärkste Kraft (11 Sitze) ist. Die NPD verlor 2 ihrer bisher 4 Sitze. Beim Konflikt ging es um die Vergrößerung des Kreis- und Finanzausschusses von 18 auf 24 Mitglieder, darunter auch ein NPD-Mitglied.

LOCKE, Stefan (2019): Gelebte Demokratie mit eklatanten formalen Fehlern.
Sachsens AfD verliert 43 Listenplätze,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 06.07.

Stefan LOCKE verschanzt sich hinter der Landeswahlleiterin, die die Schuld bei der AfD sieht, die ihre Landesliste zu spät eingereicht habe, denn sonst hätte man die formalen Fehler "heilen" können.

MEYER, Robert D. (2019): AfD-Liste teilweise ungültig.
Partei darf in Sachsen nur mit 18 Kandidaten antreten,
in:
Neues Deutschland v. 06.07.

"Ob die AfD über eine große Zahl von Direktmandaten die vom Wahlausschuss vorerst zusammengestrichene Landesliste ausgleichen kann, hängt auch davon ab, wie sich die anderen sächsischen Parteien verhalten. Denkbar ist, dass sich Bewerber in stark umkämpften Wahlkreisen absprechen, um einen Erfolg der Rechtsaußenpartei zu verhindern", hofft Robert D. MEYER.

PRIZKAU, Anna (2019): Chemnitz in echt und in Farbe.
Seit letztem Jahr denkt man an Skins, wenn man an Chemnitz denkt. Doch was geschieht da jetzt? Wenn man mit Frank Müller-Rosentritt, einem FDP-Politiker aus dem Osten, durch die Stadt geht, staunt man: wie eine Region mit autonom fahrenden Autos, gutem Rap und pragmatischen Demokraten die Lasten der Vergangenheit abzuschütteln versucht,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 07.07.

NIMZ, Ulrike (2019): Folgenreicher Formfehler.
Die AfD hat bei der Listenaufstellung in Sachsen gepatzt. Das könnte sie bei der Landtagswahl im September Sitze kosten - zur Freude ihrer Gegner,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 09.07.

LACHMANN, Harald (2019): "Eine sehr spezifische Kultur des Miteinanders".
Sachsen: Das ostsächsische Zittau hat die Talsohle durchschnitten und meldet wieder mehr Zu- als Wegzüge,
in:
Neues Deutschland v. 09.07.

"Zittau (schrumpfte) von 40.000 auf gut 25.000 Einwohner. Die ganze Dramatik zeigen die Beschäftigtenzahlen: Von 1991 zu 2017 sanken sie von über 35.000 auf knapp 11.500 Sozialversicherte.
Hauptgrund ist Zittaus extreme Grenzlage im Dreiländereck zu Polen und Tschechien: Nicht nur, dass zwei Drittel des Hinterlandes bereits in Tschechien und Polen liegen, auch die Förderprioritäten sächsischer Landesentwicklung endeten weit vorher."

Harald LACHMANN präsentiert uns die Sicht der Stadtverwaltung mit ihrem parteilosen Oberbürgermeister Thomas ZENKER, den die Wählergemeinschaft "Zittau kann mehr" 2015 nominiert hat. Eine Rückkehrerbörse soll seit 2017 junge Familien anlocken. Außerdem wird auf EU-Fördergelder gesetzt. Firmen sollen mit Subventionen gelockt werden.

"Inzwischen kooperieren auch Sachsen und Böhmen mit einem gemeinsamen Förderprogramm über Grenzen hinweg, um die Region aus ihrer Randlage zu holen",

erläutert LACHMANN. Da stellt sich nur eine Frage: Warum erst jetzt? Im Grunde ist der Artikel nichts als eine kostenlose Werbeanzeige, denn Zittau bewirbt sich als Europas Kulturhauptstadt "Zittau Dreiländereck 2025". Zudem soll an eine glorreiche Vergangenheit angeknüpft werden: den Oberlausitzer Städtebund, der von Görlitz, Löbau, Bauten, Kamenz, Zittau und dem polnischen Luban von 1346 bis 1815 existierte. Wenn so kosmopolitisches Denken aussieht, dann ist das eher ein Armutszeugnis!

Am Ende wird in der "Parteizeitung" noch der Linken gehuldigt, die bei der Oberbürgermeisterwahl 2015 in Zittau kläglich scheiterte und nun mit dem Slogan "Zittau muss munter werden" bei der Kommunalwahl antrat. Das Ergebnis teilt uns LACHMANN lieber nicht mit, denn die AfD wurde mit 7 Sitzen stärkste Fraktion im Stadtrat, dahinter folgten "Zittau kann mehr" (5 Sitze), CDU (4 Sitze) und Linke sowie "Freie Unabhängige Wähler" je 3 Sitze.

Tabelle: Bevölkerungsentwicklung der Großen Kreisstädte im Landkreis Görlitz 2016 bis 2017
Große Kreisstädte 31.12.2016 31.12.2017 Veränderung
2016/2017
31.12.2018 Veränderung
2017/2018
Görlitz 55.904 56.391 + 487 (+ 0,9 %) 56.324 - 67 (- 0,1 %)
Löbau 15.003 14.767 - 236 (- 1,6 %) 14.643 - 124 (- 0,8 %)
Niesky 9.543 9.444 - 99 (- 1,0 %) 9.402 - 42 (- 0,4 %)
Weißwasser/Oberlausitz 16.660 16.348 - 312 (- 1,9 %) 16.130 - 218 (- 1,3 %)
Zittau 25.723 25.575 - 148 (- 0,6 %) 25.381 - 194 (- 0,8 %)
Quelle: statistik.sachsen.de Einwohnerzahlen nach Gemeinden

Der Bevölkerungsverlust in Zittau lag 2016/2017 noch knapp unter dem Landkreisverlust von 0,7 %, 2017/2018 aber knapp darüber. Den höchsten Bevölkerungszugewinn gab es 2017/2018 in der Stadt Bad Muskau (+ 1,6 %), die höchsten Verluste gab es 2016/2017 in Schleife (- 3,5 %) und 2017/2018 in Weißkeißel (- 3,0 %).

LASCH, Hendrik (2019): Der AfD ein Dorn im Auge.
Zivilgesellschaftliche Initiativen in Sachsen müssen eine Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten fürchten,
in:
Neues Deutschland v. 09.07.

KUHN, Philipp (2019): "Sachsen ist ein aufgewühltes Land".
Veränderung wird als Verlust der eigenen Identität empfunden, das persönliche Umfeld wird umgewälzt - und Rechtspopulisten profitieren. Ein Gespräch mit dem Forscher Hans Vorländer,
in:
Welt v. 10.07.

"Die Landtagswahl wird angefochten, und die AfD wird sie überprüfen lassen. Sollte die Entscheidung des Landeswahlausschusses nicht hieb- und stichfest sein, werde es zur Neuwahl kommen, sagt Rozek. Der Landtag kann sich dennoch auf der Basis des Wahlergebnisses konstituieren, auch Gesetze beschließen. Selbst wenn die Wahl nachträglich für ungültig erklärt würde, blieben alle Akte, die das Parlament bis dahin getroffen hat, gültig", meint der Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der Technischen Universität Leipzig.

HÄHNIG, Anne (2019): Mehr Bürokratie wagen.
Sachsen: Die AfD erlebt in Sachsen ein Desaster: Regelverstöße könnten die Partei im Herbst die Hälfte ihrer Mandate kosten,
in:
Die ZEIT Nr.29 v. 11.07.

SCHILK, Felix & Konstantin NOWOTNY (2019): Der Genosse mit dem Punk.
Sachsen: Im Freistaat kommt die Linkspartei mit ihren inneren Gegensätzen gut klar. Aber jetzt stehen Wahlen an,
in:
Freitag Nr.28 v. 11.07.

SCHILK & NOWOTNY schildern wie die Linkspartei in Sachsen und im Osten sich selber sieht. Sie sei neben der CDU dort die einzige Volkspartei. Doch das ist Vergangenheit. Das Problem der Linken schildern SCHILK & NOWOTNY folgendermaßen:

"Einerseits möchte die Partei jene jungen linken Kosmopoliten gewinnen, die gerade den Grünen zufliegen, andererseits jene nicht vergraulen, die statt Inklusion, gendergerechter Sprache und Kohleausstieg eher höhere Löhne und Renten, niedrigere Mieten und die deutsch-russische Freundschaft für vorrangig halten. Das erfordert unterschiedliche Ansprachestrategien."

Die Linkspartei ist für ihre traditionellen Milieus keine Partei mehr, die ihre Interessen vertritt, sondern vorrangig geht es KIPPING & Co. um studentische Milieus in den wenigen Großstädten, z.B. in Leipzig:

"Bei den Kommunalwahlen im Mai wurde sie in der größten Stadt des Freistaates stärkste Kraft. Vor zwei Jahren zog der Leipziger Grundschullehrer Sören Pellmann per Direktmandat in den Bundestag (...). Eine »linke Insel« im »rechten Sachsen« ist Leipzig dennoch nicht. (...).
Die Partei hat noch einen weiteren Feind: den Tod. Sachsen ist alt, und Sachsen ist vor allem Fläche. Allein der deindustrialisierte Erzgebirgskreis verfügt über mehr Wahlberechtigte als Leipzig, die zehntgrößte Stadt Deutschlands. Dort gehen der Linken die Stammwähler verloren. Jeder vierte Sachse ist 65 Jahre und älter. 2007 hatte die Partei hier noch 5.000 Mitglieder mehr als heute: 13.000. Hauptproblem der Linken ist das Fehlend er mittleren Jahrgänge, die den demografischen Verlust ausgleichen könnten - jene Wendegeneration, die nach 1989 wegging oder heute oft bei Pegida marschiert und überdurchschnittlich häufig AfD wählt".

Die Linkspartei ist keine Protestpartei, dazu war sie zu lange in neoliberalen Regierungen mitbeteiligt und für die Probleme des Ostens mitverantwortlich. Wer zudem so sehr nach der Macht schielt, dass selbst die CDU zum möglichen Koalitionspartner zu werden droht, der darf sich über den eigenen Niedergang nicht wundern, zumal die Grünen als Öko-FDP längst die Rolle der FDP als Zünglein an der Waage spielt. Die Linke droht genauso überflüssig zu werden wie die SPD, wenn sie im Revier der Grünen zu wildern versucht. 

HIPP, Dietmar (2019): "Unprofessionell".
Sachsen: Die Juraprofessorin Sophie Schönberger kritisiert den Ausschluss etlicher AfD-Listenkandidaten von der Landtagswahl,
in:
Spiegel Nr.29 v. 13.07.

LOCKE, Stefan (2019): Ab jetzt wird nur noch vor Wut gekocht.
Landtagswahl in Sachsen: Sieben Wochen vor der Landtagswahl läutet die AfD in Sachsen den Wahlkampf ein. Die Redner überbieten sich an Provokationen und werden dafür von der Basis gefeiert,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.07.

LALOIRE, Lotte (2019): Sachsens CDU muss sich bekennen.
Landtagswahl in Sachsen: Zwei Drittel lehnen eine Koalition mit der AfD ab. Linke findet die Kampagne "bekloppt",
in:
Neues Deutschland v. 16.07.

"Eine Gruppe, die sich lautstark gegen eine Regierungsbeteiligung der AfD einsetzt, ist »Zukunft Sachsen«. Nach erfolgreichen Aktionen mit Hollywood-Stars gegen einen rechten Bürgermeister in Görlitz führte die Gruppe nun eine Umfrage durch. Von den Direktkandidaten der CDU wollte »Zukunft Sachsen« wissen, ob sie eine Koalition mit der AfD ausschließen. Das Ergebnis: 45 von 60 Befragten sind klar gegen eine gemeinsame Regierung", berichtet Lotte LALOIRE.

NIMZ, Ulrike & Antonie RIETZSCHEL (2019): "Zeigen, dass hier noch was geht".
Sachsen: Was können West- und Ostdeutsche aus der OB-Wahl von Görlitz lernen? Ein Disput zwischen Octavian Ursu von der CDU, der nur mit Mühe gegen die AfD gewann, und dem Autor Lukas Rietzschel,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 20.07.

JAKOB, Christian (2019): Aufbäumen gegen rechts im Osten.
Nahaufnahme: Wer sich in den AfD-Hochburgen zivilgesellschaftlich engagiert, stößt oft auf Widerstand und öffentliche Ablehnung. Vier Aktivist*innen von #unteilbar setzen auf die Solidarität der Linken,
in:
TAZ v. 20.07.

"Sachsen hatte den glücklichen Umstand, dass die Wahl vor fünf Jahren am Anfang der AfD lag. Wir hatten jahrelang die kleinste AfD-Fraktion, und durch Spaltungen ist sie noch kleiner geworden. Aber bei EU- und Kommunalwahl hat sie in manchen Ortschaften 40 Prozent errungen. Und das wird die Gesellschaft in Sachsen wirklich verändern. Fünf vor zwölf ist schon vorbei", meint ein Aktivist.

SCHÄFER, Christoph (2019): Schatzsuche im Erzgebirge.
In Sachsen schürft ein Investor nach Wolfram und Zinn. Er verspricht Arbeitsplätze und wichtige Rohstoffe für die deutsche Industrie. Doch die Anwohner rebellieren,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 21.07.

Christoph SCHÄFER berichtet über ein Minenprojekt der Saxony Minerals & Exploration AG (SME) in Pöhla, einem Ortsteil der Kreisstadt Schwarzenberg im Erzgebirge. Der Bergbau in Deutschland ist zu teuer, weshalb die Politik den Abbau subventionieren soll. Dafür soll der davongejagte CDU-Fraktionschef Volker KAUDER sorgen, der dafür mit einem Aufsichtsratposten belohnt wird.

"Das Projekt in Pöhla ist weit fortgeschritten. Zwölf Millionen Euro hat SME schon in das Vorhaben gesteckt - und geht nun auf die Zielgerade",

schreibt SCHÄFER, der insbesondere die Rohstoffstrategie der Bundesregierung kritisiert. China gilt dabei als Vorzeigeland, das "sowohl für Magnesium als auch für seltene Erden nahezu eine Monopolstellung geschaffen" hat.

NIMZ, Ulrike/POLLMER, Cornelius/RIETZSCHEL, Antonie (2019): Lasst sie nur reden.
Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen: Die Ansage der Union ist eindeutig, keine Kooperation mit der AfD. Seitdem rumort es bei den Christdemokraten im Osten Deutschlands: Weiß ihre Partei eigentlich, was sie da fordert?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 22.07.

NIMZ/POLLMER/RIETSCHEL porträtieren u.a. Martin PATZELT, der sein Direktmandat bei der Bundestagswahl 2017 in Frankfurt/Oder gegen AfD-Mann Alexander GAULAND verteidigte, und einer Koalition mit der AfD nicht grundsätzlich ablehnt.

"Das Klischee vom entvölkerten, wütenden Osten, es greift nicht als abschließende Erklärung für die Erfolge der AfD, auch nicht in Meißen, Sachsen. (...). Bei der Kommunalwahl hat die AfD hier in der Region eines ihrer besten Ergebnisse erzielt",

schreiben NIMZ u.a., die mit dem CDU-Landrat des Kreises, Arndt STEINBACH, gesprochen haben. Im Meißner Kreistag ist die AfD zweitstärkste Fraktion, mit einem von ihnen, Julien WIESEMANN, haben sich NIMZ u.a. getroffen. Als einstiger Gefolgsmann der nationalkonservativen Frauke PETRY gilt er als "gemäßigt" (eine Umschreibung für alle in der AfD, die nicht zum völkischen Flügel gehören). Tatsächlich sind jedoch die Nationalkonservativen in der AfD diejenigen, die eine Brücke zu den etablierten Parteien darstellen, d.h. die AfD erst salonfähig machen. Nationalkonservatismus und Neoliberalismus sind enge Verbündete im Geiste. Idealtypisch verkörpert durch den populären Ökonom Hans-Werner SINN, der von Bayern aus diese unselige Allianz popularisierte. Zu Thilo SARRAZIN ist es dann nur ein winziges Schrittchen! 

LASCH, Hendrik (2019): Ende der Bewährung.
Landtagswahl in Sachsen: Die sächsische CDU lässt ihren Spitzenmann Michael Kretschmer allein um Stimmen kämpfen,
in:
Neues Deutschland v. 23.07.

KÖCHER, Renate (2019): Das ostdeutsche Identitätsgefühl.
In Ostdeutschland verstärkt sich das Empfinden, abgehängt zu sein. Das schlägt sich in den Parteipräferenzen nieder,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.07.

PEIKERT, Linda (2019): Juliane Nagel ist für Rechte und Sachsens CDU ein rotes Tuch.
Unter Leuten: 8,7 Millionen Menschen leben in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Hier ist eine von ihnen,
in:
TAZ v. 24.07.

BARTSCH, Michael (2019): Heimatflair zum Wahlkampfstart.
Für Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer begann am Montagabend die Überlebensschlacht der CDU im Görlitzer Wahlkreis. Es gab Bratwurst und Bier,
in:
TAZ v. 24.07.

ELLERSIEK, Helke (2019): Wo Anderssein gefährlich ist.
Queer: Manuela Tillmanns berät LSBTIQA-Personen im sächsischen Hinterland. Die baldigen Wahlen bereiten ihr Sorge,
in:
Freitag Nr.30 v. 25.07.

"»Que(e)r durch Sachsen« (...). Organisiert wird das Projekt gemeinsam mit dem Leipziger Verein RosaLinde. Fast immer sind des Orte wie Grimma, Torgau, Döbeln, Freiberg oder Eilenburg (...): mittelgroße sächsische Städte, die vom Dorf aus besser erreichbar sind als Leipzig (...). Die Räume stellen mal befreundete Vereine und Jugendzentren, mal ein Amt zur Verfügung",

berichtet Helke ELLERSIEK über einen Verein, der sich für ein Leben jenseits der "Heteronormativität" einsetzt. Den akademischen Begriff "Heteronormativität" kann man im weitesten Sinne als Leben jenseits der Normalfamilie übersetzen. Während in den 1990er Jahren der Kampf um abweichende Lebensformen noch unter dem Begriff "Single" geführt wurde, wird nun im Zeichen der Identitätspolitik der Begriff "LSBTIQA" verwendet, der dezidiert die sexuelle Orientierung statt die Lebensform in den Vordergrund rückt.

Leipzig gilt weithin als die einzige weltoffene Großstadt in Sachsen. Doch auch dort sind die Zeiten längst härter geworden, auch wenn die linken Parteien das nicht zugeben wollen.

"Der Verein wappnet sich für die Landtagswahlen in Sachsen im September. Die RosaLinde fürchtet um ihre Finanzierung: Noch kommen viele Gelder über den Freistaat. Wenn die AfD in Sachsen hohe Ergebnisse einfahren oder sogar an der Regierung beteiligt werden sollte, wird dieser Geldhahn wohl zugedreht. Wie viele sächsische Vereine, die sich für eine offene Gesellschaft einsetzen, will nun auch die RosaLinde ihre Mitgliederzahlen erhöhen. Um die 150 sind es derzeit. Bis zum Ende des Jahres müssen es 500 werden, damit der Verein unabhängig vom politischen Wohlwollen werde, heißt es in einem Aufruf",

erzählt uns ELLERSIEK die Strategie. Die "offene Gesellschaft" war einst ein Etikett der Liberalen, das kein Linker für sich reklamiert hätte. Es stand nach dem Ende der sozialliberalen Epoche für einen gesellschaftsspaltenden Neoliberalismus. Der Rechtsruck ist so sehr in den Köpfen der "Linken" verankert, dass ihnen die Untauglichkeit ihrer Strategien gar nicht mehr auffallen.

BAECK, Jean-Philipp (2019): "Die AfD-Liste hätte nicht gekürzt werden dürfen".
Bei der Landtagswahl in Sachsen dürfen viele AfDler wegen formaler Fehler nicht antreten. Der Grünen-Wahlrechtsexperte Wilko Zicht hält das allerdings für falsch. Warum?
in:
TAZ v. 25.07.

In der Presse konnte man bislang lesen, dass die Liste der AfD zu spät eingegangen sei, um Fehler zu korrigieren. Dagegen sagt Wilko ZICHT:

"In einem Wahlkreis in Brandenburg ist zum Beispiel ein AfD-Kandidat nicht zugelassen worden, nur weil eine Unterschrift fehlte. Derartige Mängel hatte die Sachsen-AfD aber noch fristgerecht ausgebessert."

Was also stimmt? ZICHT sieht in einer möglichen Neuwahl aufgrund einer erfolgreichen AfD-Beschwerde das eigentliche Problem. ZICHT sieht zudem nicht, dass die Kürzung der AfD-Liste einen Vorteil für die Linkspartei bzw. die Grünen bringen würde.

Für die Antifa ist jedoch das einzige Programm, die AfD zu verhindern - notfalls auch um den Preis, allein die CDU zu stärken. Das könnte ins Auge gehen, wenn die CDU dann mit der AfD koaliert, was trotz aller Beteuerungen nicht ausgeschlossen ist. 

BECKER, Kim Björn (2019): War es ein Parteitag, oder waren es doch zwei?
Sachsens AfD und das Listenproblem,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.07.

Kim Björn BECKER berichtet über die Entscheidung des sächsischen Verfassungsgerichts in Leipzig, das die Entscheidung des Landeswahlausschusses korrigiert hat. Statt der 18 Listenplätze werden der AfD nun 30 Listenplätze zugestanden:

"Der Mittelweg, für den sich das Verfassungsgericht aussprach, trägt beiden Aspekten Rechnung - den Bedenken des Ausschusses und den gravierenden Folgen seiner weitreichenden Entscheidung. Deshalb machte es den Wechsel des Wahlverfahrens von Listenplatz 30 an zum Maßstab und akzeptierte die Beschwerde der AfD bis zu diesem Punkt. Den Entschluss des Ausschusses, einen Großteil der Kandidaten aufgrund von angeblichen Formfehlern zurückzuweisen, sei »nach vorläufiger Bewertung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig«. Eine abschließende Bewertung will das Gericht am 16. August abgeben."

Spätestens seit dem Spiegel-Interview vom 13.07. wurde offensichtlich, dass die Entscheidung des Landeswahlausschusses ein Desaster war. Der Leipziger Richterspruch korrigiert nun den gröbsten Unfug. Ob damit eine Wiederholung der Landtagswahl in Sachsen abgewendet werden kann, wird sich zeigen müssen.

GAMMELIN, Cerstin (2019): Ende Gelände.
Wirtschaftsreport: Im Osten der Lausitz stand einst das größte Energiekombinat der DDR. Den Fall der Mauer hat es nicht überlebt. Heute gibt es immerhin noch einen echten Exportschlager - zumindest bis 2038. Und dann?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.07.

"Schwarze Pumpe, das war lange nur eine Siedlung zwischen den Städten Hoyerswerda und Cottbus. (...). Dann musste die DDR aufgebaut werden, und der Ort wurde zum Symbol der ostdeutschen Industrie.
Kohle wurde zum Lebensinhalt. Bis zu 40.000 Menschen arbeiteten in einem mehr als tausend Fußballfelder großen Industrieareal mit Tagebauen, Kraftwerken, Kokereien, Gasspeichern.
(...).
Die frühere Treuhand-Chefin Birgit Breuel, zuständig für die Abwicklung der DDR-Wirtschaft, sagte jetzt in einem Interview der FAS, sie habe gemeinsam mit der Bundesregierung »die Strategie der industriellen Kerne entwickelt«. In Schwarze Pumpe gaben sich die Investoren die Klinke in die Hand: Westdeutsche, Schweden, Tschechen.
Die Treuhand-Strategie trug dazu bei, dass in der Lausitz Zehntausende Lebensläufe unterbrochen wurden, wie in ganz Ostdeutschland",

schreibt Cerstin GAMMELIN über die brandenburgisch-sächsische Region, die heutzutage für die Medien und Politiker nur wegen Wahlen von Bedeutung ist:

"Die Ergebnisse der Europawahl sind alarmierend. In Südbrandenburg hat die AfD zweistellig zugelegt, auf bis zu 30 Prozent. Und die Grünen? Sind meist einstellig. Auf der sächsischen Seite sieht es genauso aus. (...).
Sachsen und Brandenburg haben etwa eine Million Einwohner verloren seit den 1990er-Jahren. Heute kann Schwarze Pumpe die Grippe haben, ohne dass es jemand in der Republik mitkriegt.
Außer jetzt, so kurz vor den Wahlen."

NIMZ, Ulrike (2019): 39 aus 61.
Sachsens Verfassungsgericht gesteht der AfD mehr Landtagskandidaten zu - das reicht der Partei nicht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.07.

"Für die AfD ist die Entscheidung Erfolg und Dämpfer. Zwar ist das Risiko unbesetzter Landtagsmandate nun deutlich kleiner. Zugleich bremst das Urteil den Wahlkampf der Partei aus. Die Kürzung der Liste wirkte wenige Wochen vor der Landtagswahl wie ein Katalysator, ermöglichte die Verknappung politischer Inhalte auf ein Narrativ, das zumindest im Osten als Gründungsmythos der Partei gelten kann: Wir gegen das System. (...).
Die Partei braucht den Furor, die angebliche Ungleichbehandlung, um weiter zu mobilisieren",

meint Ulrike NIMZ, die der AfD vorwirft, dass sie nach der Entscheidung des Landeswahlausschusses keine Selbstkritik geübt hat, und stattdessen auf Angriff ging. Man könnte das auch anders sehen: der Landeswahlausschuss hat ein falsches Urteil gefällt und der AfD Schützenhilfe geleistet.

MEYER, Robert D. (2019): AfD in Sachsen darf doch mit längerer Liste antreten.
Das Verfassungsgericht korrigiert die Entscheidung der Landeswahlleitung teilweise. Das endgültige Urteil steht noch aus,
in:
Neues Deutschland v. 27.07.

"Bisher ist es bundesweit gängige Praxis, dass sich eine Partei gegen die Entscheidung eines Wahlausschusses erst nach einer Wahl juristisch wehren kann. Konsequenzen hatte dies in der bundesrepublikanischen Geschichte bisher nur ein Mal: 1993 erklärte das Verfassungsgericht Hamburg die Bürgerschaftswahl von 1991 für ungültig", erklärt uns Robert D. MEYER.

KAMANN, Matthias (2019): Wenig für die AfD, aber viel für das deutsche Wahlrecht.
Nach einem Richterspruch können die Rechtspopulisten mehr Kandidaten zur Landtagswahl in Sachsen ins Rennen schicken - aber nicht so viele, wie sie wollten. Parteienrechtler hält das Urteil für wegweisend,
in:
Welt v. 27.07.

KAMANN, Matthias (2019): "So etwas hat noch kein Gericht gemacht".
Rechtswissenschaftler Morlok über die Entscheidung zu Sachsens umstrittener AfD-Landtagswahlliste,
in:
Welt v. 27.07.

Matthias KAMANN interviewt den emeritierten Professor für Öffentlichtes Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie Martin MORLOK zum Urteil des Leipziger Verfassungsgericht, der darauf hinweist, dass AfD-Versammlungsleiter den Wechsel des Wahlverfahrens beim Bundesparteitag zur Europawahl 2019 im sächsischen Riesa abgelehnt haben:

"Insofern müssten nun die sächsischen AfDler (...) gegen die Überzeugungen anerkannter Experten in ihrer eigenen Partei argumentieren. Ob sie das wirklich versuchen wollen, wird sich spätestens bei der Hauptverhandlung am 16. August zeigen."

DPA/ND (2019): Kein Zug wird kommen...
Städtebahn Sachsen stellt Betrieb auf all ihren Strecken ein,
in:
Neues Deutschland v. 27.07.

Die Agenturmeldung informiert über die Einstellung des Betriebs durch die Städtebahn Sachsen auf sächsischen Schienen, ohne auf die Insolvenz des Unternehmens einzugehen. Stattdessen werden uns Politikermeinungen präsentiert.

SCHMIDT, Christina (2019): "Man greift auf uns als Klischee zurück".
Landtagswahl in Sachsen: Heiko Kosel ist Landtagsabgeordneter in Sachsen - und Sorbe. Er fordert eine eigene Partei für Sorben. Denn die bestehenden hätten ihr Versprechen gebrochen,
in:
TAZ v. 30.07.

Christina SCHMIDT interviewt den Linkspartei-Nachrücker Heiko KOSEL, der für die Dresdner Bürgermeisterin Annekatrin KLEPSCH im Sächsischen Landtag sitzt. KLEPSCH war 2014 auf Listenplatz 2 in den Landtag gekommen. 2019 tritt KOSEL als eher chancenloser Direktkandidat im Wahlkreis 56 Bautzen 5 an. Auf der Liste belegt er den letzten Platz 60. KOSEL klagt deshalb:

"(A)ktuell haben wir eine Situation, in der die Gefahr besteht, dass kein Sorbe mehr im Sächsischen Landtag vertreten sein wird. Meine Partei hat mich auf den letzten Listenplatz gesetzt und die Abgeordneten der CDU haben auch nicht gerade aussichtsreiche Plätze. gleichzeitig bangen sie um Direktmandate wegen der Konkurrenz der AfD."

Warum aber wird in der "Parteizeitung" der Grünen die Repräsentation von Sorben bei den Grünen nicht genannt? Schließlich geht es den Grünen ja um die "Ethnisierung" von Konflikten, zumindest wenn solche "Völker" als Minderheiten etikettierbar sind.

LASCH, Hendrik (2019): Taktik schadet der AfD nicht mehr.
Landtagswahl in Sachsen: Nach Urteil des Verfassungsgerichts bleiben vermutlich keine Mandate mehr unbesetzt,
in:
Neues Deutschland v. 31.07.

LASCH, Hendrik (2019): Ende der schwarzen Dominanz.
Landtagswahl in Sachsen: Während Sachsens Linke auf mehr als ein Direktmandat hofft, könnten Grüne erstmals Wahlkreise gewinnen,
in:
Neues Deutschland v. 31.07.

SCHRÖRS, Tobias (2019): Noch ist Wahlkreis 37 nicht verloren.
Landtagswahl in Sachsen: In Sachsen wehrt sich die CDU gegen die aufstrebende AfD. Ministerpräsident Kretschmer will bis zur Wahl allen Bezirken einen Besuch abstatten - ob das reicht?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 31.07.

Die ZEIT-Kontroverse: In Sachsen wird am 1. September gewählt. CDU und AfD liefern sich ein Duell. Der Ministerpräsident, der sich mit Putin fotografieren ließ, ist umstritten. Zwei Ansichten zu Michael Kretschmer

MACHOWECZ, Martin (2019): Er ist da, wo es wehtut,
in:
Die ZEIT Nr.32 v. 01.08.

HENSEL, Jana (2019): Er ist überall und nirgends,
in:
Die ZEIT Nr.32 v. 01.08.

NEUES DEUTSCHLAND-Titelthema: Gestatten: Sachse

KAHRS, Horst (2019): Das Erbe von König Kurt.
Landtagswahl in Sachsen: Während Sachsens Linke auf mehr als ein Direktmandat hofft, könnten Grüne erstmals Wahlkreise gewinnen,
in:
Neues Deutschland v. 03.08.

"»Warum ausgerechnet in Sachsen?« fragen sich die politischen Berichterstatter, als es 2004 darum ging, den Einzug er NPD in den Landtag oder das Pegida-Syndrom zu erklären. Ausgerechnet Sachsen, wo es seit Mitte der 1990er Jahre wirtschaftlich besser läuft als in den anderen östlichen Bundesländern; wo die öffentlichen Finanzen sich in einem ordentlichen Zustand befinden - so oder so ähnlich drückten Erstaunen und Ratlosigkeit sich aus. Selten nur wurde die Dynamik nicht im sozialen, ökonomischen oder kulturellen Feld gesucht, sondern im politischen Feld selbst, im Demokratieversagen einer Staatspartei",

kritisiert der Sozialwissenschaftler Horst KAHRS. Doch das politische Feld kann die Situation in Sachsen keineswegs allein erklären, auch wenn Linksliberale inzwischen die mangelnde politische Bildung im Osten als Hauptproblem entdeckt haben. Der Versuch von KAHRS, das unterschiedliche Wählerverhalten der Sachsen bei Bundes- und Landtagswahlen als Gegenargument herauszustreichen, ist wenig überzeugend. Die Entwicklung von Sachsen wird folgendermaßen beschrieben:

"2004 begann, was (...) die Rede von »sächsischen Verhältnissen« rechtfertigen könnte: Der Zerfall einer konservativen absoluten Regierungsmacht nach rechts. Mit knapp zehn Prozent zog damals die NPD in den Landtag ein, erreichte in der sächsischen Schweiz und Ostsachen sowie unter jungen Wählerinnen - überdurchschnittliche Werte. 2009 konnte sie wieder in den Landtag einziehen.
Vor vier Jahren wurde sie von der AfD abgelöst, die 2019 nach der Macht, zumindest der Rolle als »stärkste Partei« greift."

KAHRS sieht dafür zwei Gründe: zum einen die Verleugnung von Rechtsextremismus durch die CDU samt der Geringschätzung einer Erziehung zur Demokratie, stattdessen der Glaube an den wirtschaftlichen Erfolg als Demokratiefundament. Dies ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn Sachsen ist das Bundesland im Osten mit der tiefgehendsten sozioökonomischen Spaltung und das ist der entscheidende Punkt:

"Abwanderung aus der Provinz in die Städte beziehungsweise in andere Bundesländer (betrachtete die CDU) als naturwüchsige Marktbewegung, der sie mit dem Rückbau der öffentlichen Infrastruktur folgte. In den Augen derjenigen, die in Orten, »aus denen man weggeht«, verblieben, wandte der fürsorgliche Staat sich ab und zog seine schützende Hände zurück. In den verbliebenen zivilgesellschaftlichen Strukturen, reüssierten, zuweilen mangels Alternativen, die meinungs- und organisationsstarken Rechtskonservativen und Nationalen."

Sachsen ist hier jedoch kein Sonderfall, sondern lediglich neoliberaler Musterknabe. Kurt BIEDENKOPF & Meinhard MIEGEL haben mit ihrem Institut die Demografisierung der gesellschaftlichen Probleme im Westen vorbereitet. MIEGEL galt in den Nuller Jahre als der große Prophet des demografischen Niedergangs, dem gleichermaßen Nationalkonservative als auch Neoliberale huldigten. Sachsen war das ideale Experimentierfeld für die neoliberale Leuchtturmpolitik mit ihren zerstörerischen Verwerfungen im ländlichen, strukturschwachen Raum.

KAHRS sieht wie Cornelia KOPPETSCH ("Die Gesellschaft des Zorns") in der AfD eine Wähler-Bewegung, die ein "vertikales, soziale Schichten und Klassen übergreifendes Bündnis von Menschen" darstellt. Nur ist es so, dass

"sich unter den Wahlberechtigten mit einer einfachen und mittleren Bildung ein überdurchschnittlicher Anteil dorthin gezogen fühlt".

Für diesen Sachverhalt macht KAHRS die Schwäche der Mitte-Links-Parteien verantwortlich:

"Auf welche soziale und kulturelle Wertschätzung können in der vielbeschworenen Wissenschökonomie diejenigen zählen, deren Platz in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung nicht in deren »kreativen Zentren« ist oder die aus welchen Gründen auch immer weniger »gebildet« sind?
Für sie taugt die Glitzerwelt vom innovativen Sachsen nicht einmal als Sehnsuchtsort. Und die Mitte-Links-Parteien haben bislang keinen überzeugenden Entwurf, in dem sie einen angemessen Platz für sich sehen."

Von der Vielzahl der Artikeln des Wochenendthemas ist das der einzige, der wenigstens ein paar wesentliche Punkte der Misere anspricht.        

ROTH, Eva (2019): Deutsch-sächsische Zustände.
Landtagswahl in Sachsen: Wie geht es den Menschen im Freistaat? Ein Blick auf die sozialen Verhältnisse,
in:
Neues Deutschland v. 03.08.

Eva ROTHs Darstellung der sozioökonomischen Verhältnisse in Sachsen krankt daran, dass mit Durchschnittswerten für das Land gearbeitet wird, weshalb die tiefgehende Spaltung von Sachsen nicht in den Blick gerät. In Blick gerät dagegen die Schwäche der "Mitte-Links-Parteien":

"Die Linkspartei, die SPD und die Grünen wollen Tariftreue-Regelungen im sächsischen Vergabegesetz verankern, doch bislang haben sie sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt."

Der Schwarze Peter wird von ROTH der mitregierenden SPD zugeschoben. Aber so einfach ist es nicht, denn sowohl Linkspartei als auch Grüne sind inzwischen in Regierungen verantwortlich und dort verhalten sie sich nicht anders als die SPD in Sachsen.

Fazit: Es braucht eine neue linke Sozialstaatspartei, die nicht durch Regierungsverantwortung verschlissen ist und dadurch der AfD, die sich zur einzigen echten Opposition erklärt, Paroli bieten kann.

BARTSCH, Michael (2019): Alternative für Sachsen?
Landtagswahl in Sachsen: Über Visionen, konkrete Ziele und die machtpolitische Strategie der Linkspartei,
in:
Neues Deutschland v. 03.08.

Michael BARTSCH, freier Autor, der bei taz, Freitag und Neues Deutschland den Sachsenversteher mimen darf, brüht seinen Rot-Rot-Grün-Koalitionskaffe zum x-ten Mal auf. Fehlt den Linken lediglich der Wille zur Macht? Im Gegenteil, denn die Regierungsbeteiligungen der Linken und ihre Neoliberalisierung ist das zentrale Problem ihrer Schwäche. Darüber kann Thüringen als die "letzte Bastion" nicht hinwegtäuschen. Der Personenkult um Bodo RAMELOW als einziger linker Ministerpräsident erinnert fatal an den Kult um König BIEDENKOPF.  

LASCH, Hendrik (2019): Wende-Wahlkampf.
Landtagswahl in Sachsen: Was die AfD im Landtag Sachsens getan hat und was sie nun plant,
in:
Neues Deutschland v. 03.08.

Hendrik LASCH verweist auf die Schwächen der AfD im sächsischen Landtag, als ob das die Wählerschaft interessieren würde. Auch der Versuch das Regierungsprogramm mit dem Titel Trau dich, Sachsen als "Projektionsfläche für unterschiedliche Wähler" abzuwerten, geht daneben. Denn das ist ja gerade der große Vorteil, solange die AfD nicht in der Regierungsverantwortung ist.

Fazit: Die Berichterstattung in den Medien stärkt letztlich nur die AfD und zeigt eklatant die Schwäche der etablierten Parteien.  

MEYER, Robert D. (2019): Der Männerbund.
Landtagswahl in Sachsen: Warum Bundesprominenz im AfD-Wahlkampf kaum eine Rolle spielt,
in:
Neues Deutschland v. 03.08.

MALZAHN, Claus Christian (2019): So stark kann die AfD werden.
In Sachsen, Brandenburg und Thüringen werden im Herbst die Landtage neu gewählt. Eine Datenanalyse zeigt: Auch bei Direktmandaten könnte die Rechtspartei große Erfolge erzielen,
in:
Welt v. 03.08.

Claus Christian MALZAHN präsentiert uns die Ergebnisse von wahlkreisprognose.de und zählt die Hochburgen der Parteien in den drei Bundesländern auf.

"Keine der derzeitigen Koalitionen könnte (...) ihre Mehrheit in den Parlamenten verteidigen. Neue Regierungsbildungen wären hoch kompliziert",

fasst MALZAHN zusammen.

MALZAHN, Claus Christian (2019): Ein Appell von Maaßen verpufft trotz aller Zustimmung.
Landtagswahl in Sachsen: Der Ex-Verfassungsschutzcef wirbt auf einer Veranstaltung der Werte-Union in Sachsen für die CDU. Er findet den Saal voller Sorgen - und voller AfD-Wähler,
in:
Welt v. 03.08.

BARTSCH, Michael (2019): Stimmung wie bei der AfD.
Landtagswahl in Sachsen: Auf Einladung der CDU-Splitterbewegung "Werte-Union" macht Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen Wahlkampf in Sachsen. Dort wird der von den Rechten gefeiert,
in:
TAZ v. 03.08.

LOCKE, Stefan (2019): Apokalyptischer Reiter.
Landtagswahl in Sachsen: Der frühere Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, macht Wahlkampf für die CDU in Sachsen. Sein erster Auftritt in Radebeul ist vor allem ein Fest für die AfD,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.08.

LÖHR, Julia (2019): Zerrissen.
Lounge: Weniger Gehalt, weniger Rente - viele Ostdeutsche fühlen sich als Bürger zweiter Klasse. Ökonomen warnen: Die wahren Probleme liegen woanders,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.08.

"Nach den aktuellen Umfragen müssen sich CDU und SPD auf ein Debakel einstellen. In Sachsen, wo die Christdemokraten (...) durchregieren konnten, liegen sie nun gleichauf mit der AfD bei 26 Prozent. In Brandenburg könnte die SPD zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung das Amt des Ministerpräsidenten verlieren - womöglich auch hier an die AfD. Allein in Thüringen (...) ringen CDU und Linke darum, die stärkste Kraft zu werden",

erzählt uns Julia LÖHR. Außer LÖHR glaubt jedoch niemand, dass in Brandenburg die AfD den Ministerpräsidenten stellen könnte! Auch sonst werden uns einseitige Befunde vorgetragen, denn es kommt auf den richtigen Vergleichsmaßstab an: Ost-West-Vergleich zu ostdeutschem Vergangenheit-Gegenwart-Vergleich. Hinzu kommen "globale" Aussagen wie "Kitaplätze lassen sich um einiges leichter finden", die lediglich für bestimmte Regionen gelten. Ein CDU-Politiker wird mit seiner Positiv-Thinking-Attitüde zitiert. Und natürlich muss die Demographie als Sündenbock herhalten. Allein der Indikator "Durchschnittsalter" soll z.B. das Problem der Ostdeutschen verdeutlichen. Investitionen? Unwichtig! Doch das wird sofort widerlegt, wenn es um die Lausitz und den Kohleausstieg geht und die "letzten gutbezahlten Arbeitsplätze in der Industrie" wegzubrechen drohen. 

LASCH, Hendrik (2019): Die an den Rädern dreht.
Landtagswahl in Sachsen: Die Ex-Punkerin Katja Meier führt die Grünen im sächsischen Wahlkampf - und danach womöglich in die Regierung,
in:
Neues Deutschland v. 06.08.

PEIKERT, Linda (2019): Pödelwitz will nicht weichen.
700 Jahre alt ist das Dorf, nun ist der Braunkohle-Tagebau ganz nah herangerückt. Die letzten Bewohner*innen haben das Klimacamp Leipziger Land eingeladen, um Strategien zu beraten,
in:
TAZ v. 06.08.

RIETZSCHEL, Antonie & Jens SCHNEIDER (2019): Mittelfinger des Ostens.
Brandenburg, Sachsen und Thüringen: In den ostdeutschen Wahlkämpfen inszeniert sich die AfD als Erbin der Wende. Obwohl ihre Protagonisten gar nicht dabei waren, gelingt ihr so, worum sich andere Parteien vergeblich mühen: die Stimmung zu treffen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 06.08.

RIETZSCHEL & SCHNEIDER arbeiten sich an den parteiinternen Widersprüchen der AfD ab, als ob das die AfD-Wähler interessieren würde. Auch, dass etliche AfD-Politiker aus dem Westen stammen und deshalb die Wende nicht miterlebt hatten oder gar auf der vermeintlich falschen Seite standen, wird keinen potenziellen AfD-Wähler abhalten die Partei zu wählen. Unsere kosmopolitischen Medien arbeiten sich meist nur an Phantomen ab, statt die Ursachen zu benennen.

"Die Leute wollen nicht nur reden, sondern Ergebnisse",

zitieren die SZ-Journalisten die sächsische SPD-Integrationsministerin Petra KÖPPING. Wer meint, dass er als Regierungspartei einfach mit Versprechungen die Wähler ködern könnte, der irrt gewaltig. Wer die AfD wählt, der muss sich nicht mehr machtlos und ohnmächtig fühlen, denn er weiß, dass er damit die etablierten Parteien zum Handeln zwingen kann. So lange die etablierten Parteien also nur der AfD hinterher hecheln, macht das die AfD nur stärker. Anti-AfD-Koalitionen führen da nur zu Trotzreaktionen und einem Jetzt-erst-Recht-Gefühl ("Reaktanz").

Foto: Bernd Kittlaus 2018

Wenn  RIETZSCHEL & SCHNEIDER die Einführung der Grundrente als notwendiges und überzeugendes Ergebnis der SPD präsentieren und der CDU die Schuld der Verhinderung zuschreiben wollen ("Blockadehaltung"), dann ist das nur dumm. Die SPD hat im Koalitionsvertrag eine Bedürftigkeitsprüfung akzeptiert, weswegen Hubertus HEIL den schwarzen Peter zu verantworten hat. Wenn also die SPD über den Koalitionsvertrag hinausgehen will, dann hätte sie notfalls auch die Aufkündigung der Koalition in Kauf nehmen müssen. Aber dazu war die Partei zu feige. Die SPD ist zu allererst an ihrer eigenen Widersprüchlichkeit gescheitert. Die Partei möchte ihre traditionellen Wähler ansprechen, aber dafür nichts wirklich riskieren. Außerdem wäre zu fragen, ob die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung nicht zu allererst ein auf Westfrauen zugeschnittenes Projekt ist.

GRASNICK, Belinda (2019): Die Stille nach dem Sturm.
Nahaufnahme: Rassistische Übergriffe und Demonstrationen gegen Geflüchtete - Freital hat kein gutes Image. Aber wie denken die Menschen hier über ihre Stadt,
in:
TAZ v. 09.08.

Was die Menschen über ihre Stadt denken, das erfährt man in dem Artikel nicht, sondern wie es in einer Mittelstadt mit rund 40.000 Einwohnern im Speckgürtel von Dresden aussieht, die vom kosmopolitischen Milieu aufgegeben wurde. Die verbliebenen Kontrahenten kennzeichnet eine Bunkermentalität.

"Man kann Freital entlang seiner Hauptstraße der Dresdner Straße, durchqueren. Beginnt man den Stadtspaziergang im Norden am S-Bahnhof Potschappel, in dessen Nähe auch der Verein Biotec liegt, so landet man direkt vor dem Rathaus. Hier sitzt der Stadtrat, in dem seit der Stadtratswahl im Mai 2019 die AfD mit neun Sitzen eine Mehrheit hat. Die CDU hat acht Sitze, die freien Wähler fünf. Für die Bürger für Freitag und die Linke sitzen jeweils drei Stadträte im Rathhaus, Grüne, SPD und FDP haben jeweils zwei Sitze. (...).
Im frisch gewählten Stadtrat haben die SPD, die Grünen, die FDP und die Linke sich zu einer Fraktion zusammengeschlossen. Die CDU hat mit acht Sitzen genug eigene Stimmen, um sich nicht dem Anti-AfD-Bündnis anzuschließen",

erzählt uns Belinda GRASNICK. Die Verhältnisse im Stadtrat kann man als Vorstufe zu einer AfD/CDU-Koalition betrachten. Das Anti-AfD-Bündnis ist mit 9 Sitzen nur noch so stark wie die AfD-Fraktion. Uns wird die dürftige zivilgesellschaftliche Infrastruktur, die vom verbliebenen kosmopolitischen Milieu geprägt wird, beschrieben, sowie die Entwicklung der rechten Szene. Ansonsten gibt es eine große Leerstelle.    

LASCH, Hendrik (2019): Sorgenfalten bei Tante Emma.
Landtagswahl in Sachsen: Weil es in Sachsen mit der Nahversorgung hapert, schickt die Linke einen rollenden Laden über Land,
in:
Neues Deutschland v. 09.08.

Die Linke würde es nicht interessieren, dass die Nahversorgung in Sachsen hapert, wenn nicht die AfD im ländlichen Raum Erfolge verbuchen würde!

"Sausedlitz (...). In dem Dorf, in dem 9.000 Schweine, aber nur 300 Einwohner leben, gibt es keinen Laden mehr. Der einstige Konsum ist zum Bürgerhaus umgebaut, in dem sich (...) die Landfrauen treffen (...). Ein kleiner Dorfladen schloss Ende 2018 (...). Wo also kaufen sie ein? In Löbnitz, erzählt eine der Landfrauen, sieben Kilometer entfernt",

berichtet Hendrik LASCH über eine Station mit dem Wahlkampfmobil der Linkspartei, das als Tante-Emma-Laden dient. Das Problem ist nicht neu, nur dass es die Linke nun interessiert, ist neu:

"Die Provinz - freundlicher formuliert: der ländliche Raum - wird für den Ausgang der Landtagswahl in gut drei Wochen entscheidend sein (...).
Schon vor mehr als zehn Jahren kam eine Studie des Dresdner Wirtschaftsministeriums zu dem Schluss, dass in jeder siebten sächsischen Gemeinde »ausgeprägte Versorgungsdefizite« herrschen. Zwar sei das netz an Discountern im Freistaat so dich wie kaum anderswo (...).
Gleichzeitig ziehen sich die großen Handelsketten aber aus der Fläche zurück und setzen auf umsatzstarke Standorte. Folge: Schon 2008 fehlte in 74 Gemeinden in Sachsen ein Lebensmittelgeschäft, das in vertretbarer Zeit zu Fuß erreichbar ist. (...).
Versuche, der Misere fehlender Einkaufsmöglichkeiten abzuhelfen, gab es im Freistaat: einen Bürgerkonsum im erzgebirgischen Bad Schlema beispielsweise oder einen Markt in Falkenau bei Chemnitz, beide auf der Basis einer Genossenschaft. (...). Wer dieser Tage nach Beispielen für alternative Einkaufsmöglichkeiten sucht, landet noch immer bei diesen und wenigen weiteren Beispielen."

LASCH sieht zwei Probleme für dieses Defizit:

"Mindestens 1.000, besser 1.500 Einwohner seien das »Mindestpotenzial« für einen Lebensmittelladen, sagen Branchenexperten. Sie weisen in aller Regel auch darauf hin, dass die Kaufkraft in Sachsen außerhalb der Ballungszentren deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt - in weiten Teilen Ost- und Nordsachsens bei nur etwas mehr als 75 Prozent."

Eine weitere Station der Wahlkampftour ist Badrina:

"Ort mit weniger als 600 Einwohnern, wo (...) die Gaststätte im »Leine-Saal« dicht ist und der ehemalige Konsum schon vor Jahren zu einer Tierfutterhandlung umfunktioniert wurde (...). Immerhin: In dem Ort gibt es einen kleinen Minimarkt, der mittwochs und samstags sogar mit Brötchen beliefert wird. Wer mehr will, muss in den Bus oder ins Auto steigen und in die Kreisstadt Delitzsch fahren."

Luise NEUHAUS-WARTENBERG wird uns als Linksparteikandidatin im Wahlkreis 35 - Nordsachsen vorgestellt. Dort sieht sowohl wahlkreisprognose.de als auch election.de die CDU mit leichten Vorteilen vorne.

Erst im letzten Drittel rückt LASCH mit einer Alternative für die Nahversorgung im ländlichen Raum heraus:

"Politik (...) könnte und dürfte den Händlern unter die Arme greifen - wie das zum Beispiel in dem seit 2018 schwarz-grün regierten österreichischen Bundesland Tirol praktiziert werde. (...). Dort gibt es (...) eine »Nahversorgungsförderung«. Ziel sei die »Unterstützung kleiner Nahversorgungsunternehmen«. Diese können vom Land eine »Nahversorgungsprämie« von bis zu 10.000 Euro erhalten, wenn sie sich für mindestens fünf Jahre zum Betrieb eines Geschäfts in einem Ort bereit erklären, in dem die Nahversorgung »ernsthaft gefährdet« ist. Die Gemeinden müssen ebenfalls einen Zuschuss »in der Regel von zehn Prozent« zahlen. Angeboten werden muss (...) dann ein »Grundsortiment«".

Läden werden nicht nur als Einkaufsorte, sondern auch als Begegnungsorte betrachtet, die dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen sollen. Da fragt man sich eigentlich nur, warum die Linke erst bei den Kommunalwahlen im Mai ein Drittel ihrer Mandate einbüssen musste, um den ländlichen Raum zu entdecken und nun mit Wahlkampfmobilen die Themen Nahversorgungsdefizite, Defizite der ärztlichen Versorgung oder mangelnder ÖPNV zu beackern. Das war reichlich spät und ob die Wähler diesen Schwenk bei den bevorstehenden Wahlen noch würdigen, ist mehr als fraglich. Vertrauen zu verlieren ist leicht, es wieder zurück zu gewinnen dagegen Schwerstarbeit. Die Linke hat sich ihre Misere selber zuzuschreiben! Und offenbar hat sich die Linkspartei über ihre Tourstandorte vorher nicht ausreichend informiert, sondern aus der Panik heraus Aktionismus betrieben, denn:

"Der Tante-Emma-Laden (...) findet in manchen Dörfern nicht einen einzigen Kunden - weil »wochentags am Vormittag eben niemand in den Dörfern ist«."

LASCH, Hendrik (2019): Der Dorfladen als Heimat.
Landtagswahl in Sachsen: "Sachsen-Monitor" fragte zu Abbau von Infrastruktur,
in:
Neues Deutschland v. 09.08.

LEHMANN, Timo/MÜLLER, Ann-Katrin/PIEPER, Milena (2019): Sie sind schon da.
Demokratie: In den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen bald gewählt wird, ist die AfD längst Volkspartei, sie könnte auf dem ersten Platz landen. Woher schöpft die Partei ihre Kraft? Eine Spurensuche in fünf Gemeinden,
in:
Spiegel Nr.33 v. 10.08.

"Steffen Janich, 48, (...) ist von Anfang an dabei, Mitgliedsnummer 235. Er hat den AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gegründet, den ersten im Land. (...). Heute ist er Regionalgruppenleiter, sitzt im Kreistag und Gemeinderat. Den Landesverband unterstützt er im Fachausschuss 5, Innere Sicherheit, denn Janich ist Polizist. (...).
Früher war er in der sächsischen CDU. (...).
Die AfD-Leute in Pirna sind keine Gemäßigten",

stellen uns LEHMANN/MÜLLER/PIEPER einen sächsischen AfD-Politiker vor, der typisch sein soll für die kommunale Verankerung der AfD. Im Stadtrat von Pirna haben AfD (19,6 %), Freie Wähler (19,3 %) und CDU (17,1 %) je 5 der 23 Sitze inne. Die CDU büßte die Hälfte ihrer Mandate ein. Das Gleiche gilt für die Linkspartei, die nur noch auf 3 Sitze kam. Die Grünen konnten ihren einzigen Sitz verdoppeln, während die SPD ihre zwei Sitze halbierte. Die Grüne Hochburg liegt in der Altstadt, Südlichen Innenstadt und Südvorstadt, wo die Partei bis zu 16,6 % der Stimmen erreichte. Aber selbst in ihren grünen Hochburgen war die AfD stärkste Partei.

MÜLLER, Hansjörg (2019): Auf Gratwanderung im Erzgebirge.
Landtagswahl in Sachsen: Mit gutem Zureden und konservativen Tönen stemmt sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer gegen die AfD,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 10.08.

Hansjörg MÜLLER konfrontiert die Sicht von Michael KRETSCHMER mit zwei rechten CDU-Lokalpolitikern, die sich gegen eine Koalition mit Grünen und Linkspartei wenden und stattdessen eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD verlangen. Da ist zum einen Michael NICKEL vom rechtsaußen-Flügel der CDU ("Werte-Union") in Zwönitz:

"Nickel stammt aus Potsdam und kam vor zwanzig Jahren als Soldat in die Region. Abwanderung gebe es im Erzgebirge kaum noch, er klärt er, es sei schlicht keiner mehr da, der gehen könne. Schuld daran seien die niedrigen Geburtenraten der 1990er Jahre. »Uns fehlen die Leute, die vor zwanzig Jahren nicht geboren wurden«.
Die AfD brauche gar keinen Wahlkampf zu machen, den mache die CDU für sie, klagt Nickel. (...). 4,3 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit im Erzgebirgskreis. Das ist die niedrigste Quote in ganz Sachsen, doch die Angst (...) scheint den Leuten in den Knochen zu sitzen.
In Dorfchemnitz, wenige Kilometer entfernt von hier, habe die AfD bei der EU-Wahl Ende Mai über 50 Prozent der Stimmen gewonnen, berichtet Nickel (...). Vor zwanzig Jahren habe die rechtsextreme NPD 20 Prozent der Stimmen gewonnen. Das habe die AfD alles aufgesaugt. Anders als Kretschmer meint Nickel, dass sich die CDU im Rahmen einer Minderheitsregierung von der AfD tolerieren lassen sollte. (...).
Falk Haude, ein (...) Mittvierziger (...) ist der lokale CDU-Kandidat. Er tritt zum ersten Mal an; sein Vorgänger ist in den Bundestag aufgerückt. Das Mandat für die CDU zu verteidigen dürfte sich als schwierig erweisen."

Dorfchemnitz liegt nicht im Erzgebirgskreis, sondern in Mittelsachsen. Die AfD erzielte dort nicht "über 50 Prozent", sondern 43,5 %. Wer wie MÜLLER Fake-News unwiderrufen per Zitat in Umlauf setzt, der darf sich kaum wundern, dass die Mainstreampresse NICHT nur bei AfD-Wählern verrufen ist. Falk HAUDE tritt im Wahlkreis 15 Erzgebirgskreis 3 an. Sowohl election.de (Stand: 11.08.2019) als auch wahlkreisprognose.de (Stand: 09.08.2019) sehen dort die AfD vorne, wobei election.de jedoch den AfD-Kandidaten deutlicher vorne sieht. MÜLLER zitiert den sächsischen Ministerpräsidenten, der von den Sachsen abschätzig spricht:

"Viele Bürger lebten in einer Internet-Filterblase, sagt Kretschmer (...). »Die lesen keine Zeitung, hören kein Radio und glauben an eine Umvolkung«"

Da kann man nur sagen: Es ist nur gut, dass seine Wähler keine NZZ lesen, denn sonst bekäme er eine noch deutlichere Quittung!

"Etwa 50 Kilometer östlich von Zwönitz, in Bobritzsch, einem Dorf mit 1.500 Einwohnern befindet sich der Bauernhof von Johann Haupt. (...). Auf der Bühne steht Steve Ittershagen, der hier sein Direktmandat verteidigt. (...).
An einem der Tische steht Veronika Bellmann, die lokale Bundestagsabgeordnete der CDU. Sie zählt zu den Konservativen in der Partei; auch sie will eine Minderheitsregierung unter Duldung der AfD nicht ausschliessen",

erzählt uns MÜLLER. ITTERSHAGEN tritt im Wahlkreis 19 Mittelsachsen 2 an. Sowohl election.de (Stand: 11.08.2019) als auch wahlkreisprognose.de (Stand: 09.08.2019) sehen dort die AfD vorne, wobei election.de jedoch den AfD-Kandidaten deutlicher vorne sieht.

Fazit: MÜLLER berichtet lediglich aus zwei Wahlkreisen, in denen die AfD gewinnen könnte, was dazu führt, dass die CDU dort ihr Heil in einer Duldung der AfD sieht.

ORDE, Sabine am (2019): "Sie haben erlebt, dass ein System kollabiert".
Vor den Landtagswahlen inszeniert sich die AfD als neue Bürgerrechtsbewegung und vergleicht die Bundesrepublik mit der DDR. Woher kommt das. David Begrich erklärt, was ostdeutsche Comics mit dem Erfolg der AfD zu tun haben,
in:
TAZ v. 10.08.

David BEGRICH vom sachsen-anhaltinischen Verein Miteinander e.V. erklärt das Anknüpfen der AfD an die Wendeerlebnisse der 1990er Jahre als Andocken an das "kulturelle Gedächtnis vor allem der mittleren Generation". Diese aber ist zu großen Teilen in den Westen abgewandert, weshalb die Erklärung dürftig ist, denn viel entscheidender ist die ältere Generation. BEGRICH bezieht sich außerdem auf eine Allensbach-Umfrage zur ostdeutschen Identität und auf die Feuilleton-Debatte der FAZ, in der auch Ostdeutsche jene Versionen darlegen dürfen, die der westdeutschen Leitkultur nicht weh tun. Erst ganz zum Schluss bringt BEGRICH einen wesentlichen Aspekt vor, der die taz nicht schont:

"Wenn ich in der taz lese: »Bautzen ist bekannt für die Neonazi-Szene«, trifft das zwar auch zu, aber würde über Dortmund so geschrieben? Bautzen ist auch bekannt für Senf. Es gibt diese Ostdeutschland-Bilder, die in Klischees gefangen sind: Plattenbauten, Arbeitslose, Neonazis. Es gibt nach wie vor diesen exotischen Blick auf Ostdeutschland."

HANDELSBLATT-Titelthema: Aufstand der Abgehängten

GREIVE, Martin/HÖPNER, Axel/KERSTING, Silke/SIGMUND, Thomas/WASCHINSKI, Gregor (2019): Hilferuf aus den Problemregionen.
Etliche Teile Deutschlands drohen abgehängt zu werden. Landespolitiker fordern nun endlich Taten statt Worten und hegen neue Hoffnung: Der Niedergang von Gegenden im Westen könnte neuen Schwung in die Debatte bringen,
in:
Handelsblatt v. 12.08.

DRIBBUSCH, Barbara (2019): Zuwanderer gesucht.
Nahaufnahme: Die Auftragslage ist gut bei der Metallbaufirma Göhlert und dem Raumausstatter Reichelt in Sachsen - doch an Fachkräften mangelt es. Über Personalbindung in der Provinz,
in:
TAZ v. 12.08.

Barbara DRIBBUSCH entdeckt im sächsischen Freital und in "Höckendorf-Ruppendorf" (in Wirklichkeit sitzt die Firma in Klingenberg, OT Ruppendorf) im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge einen Fachkräftemangel:

"Nicht etwa am unteren Rand, wo die Regionen mit den hohen (Arbeitslosen-)Quoten stehen, sondern irgendwo in der Mitte ist der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu finden. Die Arbeitslosenquote im Juli lag hier bei 4,2 Prozent. Bundesdurchschnitt ist fünf Prozent. (...). Eine sogenannte abgehängte Region ist der sächsische Landkreis eigentlich nicht.",

erklärt uns DRIBBUSCH, die auf das IW-Regionenranking anspielt. Und nie wird vergessen zu erwähnen, dass viele andere Gebiete im Westen schlechter dran sind. Das ist eine kosmopolitische Marotte, denn im Osten sind von 21 Regionen 11, d.h. mehr als die Hälfte als gefährdet eingestuft worden. Dagegen befinden sich im Westen nur 10 gefährdete Regionen unter den 75 Regionen.

Die von DRIBBUSCH vorgestellten Gemeinden liegen im Speckgürtel von Dresden. Freital gilt im kosmopolitischen Milieu als verrufen:

"In Freital hat man die Nase voll davon, als Hochburg von Neonazis verschrien zu sein. (...). Fast 30 Prozent der WählerInnen votierten bei der letzten Kreistagswahl im Landkreis für die AfD. Was aber auch bedeutet, dass die Partei von 70 Prozent nicht gewählt wurde. (...).
Ohne MigrantInnen würde Freital einiges an öffentlichem Leben einbüßen. An einem Sonntagabend haben auf der Dresdner Straße mitten im Ort fast nur noch das Kebap-Haus und ein Pizzalieferant geöffnet."

Die AfD erhielt im Landkreis 27,9 %. Das Ergebnis in Freital blieb 27,7 % knapp darunter. Die CDU hat mit 29,4 % in Freital knapp besser als der Kreisdurchschnitt (29,0 %) abgeschnitten. Die grüne Hochburg in Freital ist der Ortsteil Pesterwitz, in dem die Partei in zwei Wahlbezirken mit 13,7 % ihr bestes Ergebnis und mit 11,6 % ihr zweitbestes Ergebnis holte. Der Ortsteil hat einen Autobahnanschluss, der eher ins weiter entfernte Leipzig als ins nahe gelegene Dresden führt - optimal für das kosmopolitische Milieu also.

FRANZEN, Niklas (2019): Wegschauen ist keine Option.
Landtagswahl in Sachsen: Am Sonnabend machte die Kampagne #wannwennnichtjetzt in der sächsischen Stadt Plauen halt,
in:
Neues Deutschland v. 12.08.

"Plauen ist der siebte Stopp der Marktplatztour. Spätestens seit dem 1. Mai 2019 gilt die Stadt in Südwestsachsen als Symbol für rechte Hetze. Die Nazipartei »Der Dritte Weg« marschierte am Tag der Arbeit in NSDAP-Manier auf. (...). Selbst die »New York Times« berichtete.
Eine vielbefahrene Straße führt von der sanierten Innenstadt in den Norden der 60.000-Einwohner-Stadt. Spielotheken, viel Leerstand, verrammelte Fenster. Haselbrunn heißt der Stadtteil. (...). »Der Dritte Weg« hat hier seine Bundeszentrale und kürzlich ein weiteres Haus eröffnet. (...).
Neben dem »Dritten Weg« ist in Plauen auch die AfD stark. Außerdem hängen in der ganzen Stadt NPD-Plakate. (...).
Die Stadt unweit der tschechischen Grenze hat eine kleine, aber aktive linke Szene. Es gibt ein Hausprojekt, ein Kulturzentrum und mehrere Vereine und Initiativen, die sich gegen Nazis engagieren",

beschreibt Niklas FRANZEN die Bunkermentalität in der sächsischen Stadt Plauen, der Kreisstadt des Vogtlandkreises. Die Normalos bleiben dagegen die große Leerstelle.

Bei der Stadtratswahl im Mai diesen Jahres wurde die CDU mit nur noch 23,68 % (2014: 35,61 %) stärkste Fraktion (11 Sitze) vor der AfD (19,96 %; 9 Sitze). Linke und SPD erhielten je 6 Sitze und die Grünen 3 Sitze. Der Dritte Weg ist mit einem Sitz (3,85 %) vertreten. Die FDP rangiert mit 9,93 % vor den Grünen. Sie kommt auf 4 Sitze und stellt auch seit 2007 den Oberbürgermeister. Schließen sich überdurchschnittliche Grünen-Wähleranteile und überdurchschnittliche III. Weg-Wähleranteile aus? In Plauen nicht. Betrachtet man den Postleitzahlbezirk 08525 zu dem der Stadtteil Haselbrunn in der Plauener Nordstadt gehört, dann ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle: Vergleich der Stimmenanteile der Wahllokale im PLZ-Gebiet 08525 bei der Stadtratswahl 2019
Wahllokal Nr. III. Weg Grüne
17 8,55 % 11,27 %
21 5,16 % 7,57 %
22 3,71 % 5,51 %
23 9,44 % 8,30 %
24 7,92 % 7,69 %
25 11,96 % 9,25 %
26 6,92 % 11,51 %
27 10,13 % 8,11 %
28 9,53 % 10,64 %
29 5,40 % 9,76 %
30 6,21 % 8,19 %
31 1,54 % 12,36 %
32 3,00 % 8,72 %
Stadtweites Ergebnis 3,85 % 5,36 %
Quelle: wahlen.sachsen.de

Für den Postleitzahlbezirk 08525 gilt überwiegend, dass dort sowohl der III. Weg (Ausnahmen: Wahllokal Nr.21, 22, 31 und 32) als auch die Grüne überdurchschnittliche Wählergewinne erzielten. Diese Polarisierung zeigt die Bunkermentalität, die sich - auch durch entsprechende Medienberichte - hier ausgebildet hat.

Im Kreistag des Vogtlandskreises ist die CDU ebenfalls stärkste Fraktion vor der AfD. Auch dort ist der Dritte Weg nur mit einem Sitz vertreten.

RIETZSCHEL, Antonie (2019): Nicht zurückbleiben, bitte.
Ein Raum für Kreativität - und ein Zufluchtsort: Warum zwei Designer mit einem Bus durch die sächsische Provinz fahren,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 13.08.

"Zehn Jahre lang fuhren Touristen mit dem Doppelstockbus in den Urlaub. Dann brachte er zehn Jahre Musiker zum nächsten Konzert. Jetzt ist der Bus eine rollende Designwerkstatt für Kinder und Jugendliche in Boxberg, Poberschau, Großpostwitz - oder Annaberg-Buchholz im Erzgebirge.
Sie sind Kleinstädte und Gemeinden fernab der großen Politik und doch entscheidend für die Zukunft Sachsens. Während Dresden und Leipzig boomen, vergreist und verwaist der ländliche Raum. In manchen Teilen des Erzgebirges liegt der Altersschnitt bei 50 Jahren. (...). Zur Europawahl Ende Mai wurde die Partei (Anm.: AfD) in Annaberg-Buchholz stärkste Kraft",

erzählt uns Antonie RIETZSCHEL zum Projekt von Christian ZÖLLNER und Sebastian PIATZA. Bei der Stadtratwahl 2019 lag in Annaberg-Buchholz, der Kreisstadt des Erzgebirgskreises jedoch nicht die AfD vorne, sondern die Freie Wählergemeinschaft (30,9 %; 9 Sitze) vor der CDU (21,6 %; 6 Sitze) und der AfD (18,6 %; 5 Sitze)

Bei der Kreistagswahl 2019 lag in Annaberg-Buchholz, das zum Wahlkreis 1 gehört, die Freie Wählergemeinschaft Erzgebirgskreis (FWE) mit 32,0 % (Wahlkreis 1: 34,3 %; 3 Sitze) weit vor der AfD (21,4 %), die wie CDU und Linkspartei nur mit einem Sitz vertreten ist (Wahlkreis 1: 20,8 %).

HEIDTMANN, Jan & Ulrike NIMZ (2019): Planspiele im Osten.
Die AfD wirbelt die politische Landschaft in Brandenburg und Sachsen durcheinander. Vor den Landtagswahlen müssen die Parteien über neue, teils gewagte Bündnisse nachdenken,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 14.08.

HEIDTMANN & NIMZ präsentieren eine Grafik, die auf einer Metaanalyse von Umfragen beruht, die von Politico, einem mittig-rechten Medienverbund in Belgien beruht, das auf eine "europäische Elitenöffentlichkeit" abzielt. Es wird so getan, als ob diese Daten brandaktuell sind, doch sie stammen vom 31. Juli  (Sachsen) und 05. August (Brandenburg). Aktueller sind dagegen die Wahlumfragen auf wahlrecht.de (Sachsen: 06.08.; Brandenburg: 09.08.2019). Obwohl der Artikel nichts Neues zu bieten hat, ist er auf Seite 1 lanciert!

VERSCHWELE, Lina (2019): Mit Mikroskopen gegen Misanthropen.
Nahaufnahme: Der Ägypter Shady Sayed forscht an einem Dresdner Institut über Krebs. Kaum eine deutsche Stadt zieht so viele ausländische Wissenschaftler an wie die Hauptstadt von Pegida. Wie geht das zusammen?
in:
TAZ v. 15.08.

"2014 zog der Ägypter für seinen Master von Kairo an die Elbe - im selben Jahr, in dem Pegida mit Demonstrationen begann (...) CDNN und New York Times berichteten, schrieben von fremdenfeindlichen Protesten, derentwegen ausländische Wissenschaftler nicht mehr nach Dresden kommen wollten. Kanada warnte vor Reisen nach Ostdeutschland, und der Leipziger Polizeichef Bernd Meritz sprach von Progromstimmung.
Dennoch hat sich die Zahl ausländischer Wissenschaftler an der TU Dresden von 2014 bis 2018 fast verdoppelt. In keinem Bundesland außer Berlin war im vergangenen Jahr der Anteil von Studierenden aus dem Ausland höher als in Sachsen. Was zieht sie an- und wie sehen sie die Stadt heute?"

stellt Lina VERSCHWELE eine rhetorische Frage, die sich nur aus der Bunkermentalität der Antifa heraus stellt, denn für ausländische Wissenschaftler ist in erster Linie die Aufwertung der Dresdner TU zur Exzellenzuniversität entscheidend:

"Schon in Ägypten hatte er von der Exzellenzuni gehört. (...). Mehr als 30 renommierte Institute sitzen in der Landeshauptstadt. Aus der Krebsforschung sind es gleich vier, die auch vom Deutschen Krebsforschungszentrum gefördert werden. (...) Für ihre Forschung erhielt allein die medizinische Fakultät 2018 rund 120 Millionen.
Das ist auch Hans Müller-Steinhagen zu verdanken (...). Mit Müller-Steinhagen ist die TU im Juli zum zweiten Mal als Exzelenzuniversität anerkannt worden, als einzige in Ostdeutschland.
Müller-Steinhagen (...) kam vor neun Jahren nach Dresden. Der Schwabe schwärmt für Sachen. (...). Müller-Steinhagen hat die TU mit allen renommierten Forschungsinstituten der Stadt vernetzt. Im größten Verband, Dresden Concept, sind fast 30 Institute vertreten. (...). Im Ausland wirbt er damit, dass Dresden Bildungsniveau mit Lebensqualität vereint, und das bei niedrigen Preisen. Seit er im Amt ist, habe er 300 neue Professorinnen und Professoren gewonnen. Der Ausländeranteil an der TU Dresden ist seit 2014 jedes Jahr weiter gestiegen",

erklärt uns VERSCHWELE, die dieses Bild durch Verweis auf den Anstieg rechter Straftaten zerstören will und MÜLLER-STEINHAGEN seine Indifferenz gegenüber der AfD vorwirft.

"Wenn die AfD tatsächlich an die Regierung käme, müsste die TU Dresden nach Möglichkeiten suchen, auch in diesem politischen Umfeld ihren erfolgreichen Kurs beibehalten",

zitiert VERSCHWELE den Rektor der TU Dresden. Bekanntlich war das auch während der NS-Zeit in Deutschland der Mainstream! Am Ende steht der Offenbarungseid der Antifa und das Selbstverständnis des kosmopolitischen Milieus, dem die politische Situation eines Landes im grunde egal ist:

"Auf ihre Art haben alle eine Antwort auf den Hass gefunden: Shady Sayed die Wissenschaft, Hans-Müller Steinhagen den Optimismus, Sedef Köseer die Empathie (...). Wenn es hier hart auf hart käme, irgendwann, könnten sie einfach weiterziehen."

PAULI, Ralf (2019): Das Volk will's inklusiv.
Landtagswahl in Sachsen: In Sachsen gibt es bisher keine Gemeinschaftsschulen. Eine Initiative will das ändern. Unterstützt wird sie von SPD, Grünen und Linkspartei. Dennoch stehen die Chancen für ein längeres gemeinsames Lernen nicht gut,
in:
TAZ v. 15.08.

Das Problem des linksliberalen Mainstreams ist, dass er den zweiten vor dem ersten Schritt machen will. Sachsen war lange Zeit der neoliberale Musterknabe, entsprechend fehlt an allen Enden das Personal, um Inklusion umzusetzen. Wie wäre es also, wenn die neoliberalisierten "Linksparteien" erst einmal in ihren Bundesländern, in denen sie schon (mit)regieren, das nötige Personal bereitstellen würden?

BARTSCH, Michael (2019): Sehnsucht nach früher.
Sachsen: Die AfD steht schon vor den Landtagswahlen als Gewinnerin da. Rational ist das nicht,
in:
Freitag Nr.33 v. 15.08.

Michael BARTSCH spricht allen, die nicht zur kosmopolitischen Blase gehören, die Rationalität ab, denn:

"Weder der Klimawandel noch die im »Sachsen-Monitor« ausgewiesene hohe Lebenszufriedenheit der Sachsen noch die Radikalisierung der Partei haben diesem Hoch seither geschadet."

Gemeint ist die natürlich die AfD. Zurückgeführt wird das auf das Psychogramm der AfD-Wähler:

"Brüche und Traumata der Nachwendejahre zeigen Spätfolgen bei der AfD-typischen Generation, die ihre Biografien nicht mehr korrigieren kann: Es herrscht Sehnsucht nach der wohlgeordneten, wenn auch abgeschlossenen Welt von früher."

Sehnsucht nach Früher beherrscht die Kosmopoliten jedoch ebenfalls, denn sonst müssten sie erkennen, dass ihre Igelhaltung nicht minder zur desolaten Lage beiträgt. Die Slogans der Kosmopoliten sind nicht minder simpel gestrickt und offenbar verfehlen sie ihre Wirkung.

BARTSCH beklagt, dass CDU und SPD das Blaue vom Himmel versprechen können, aber die Zielgruppe will davon nichts wissen. Das aber ist nicht irrational, sondern durchaus rational, denn einzig die Wahl der AfD verspricht ja, dass die Probleme nicht länger ignoriert werden können. Die Medienberichterstattung trägt dazu bei, dass diese Vorstellung sich weiter verstärkt.

"Eine personelle Alternative für den Ministerpräsidenten ist nicht in Sicht",

gehört zum Standardrepertoire der kosmopolitischen Blase. Doch genau solche Sätze zeigen die Erschöpfung des Personals der etablierten Parteien besonders deutlich. Keine Alternative zur Alternative, das ist der Offenbarungseid unserer westdeutschen, kosmopolitischen Leitkultur!

VERSCHWELE, Lina (2019): Stimme aus dem Osten.
Landtagswahl in Sachsen: Die Politikerin Petra Köpping scheint die neuen Bundesländer und deren Einwohner zu verstehen wie kaum jemand sonst. Aber reicht das, um SPD-Vorsitzende zu werden?
in:
TAZ v. 16.08.

Foto: Bernd Kittlaus 2018

"1990 verlor Köpping ihr Amt in der Kleinstadt Großpösna. Weil sie bis Juni 1989 in der SED war, wurde ihr Studium der Rechtswissenschaften zunächst nicht anerkannt. Köpping kämpfte sich zurück, erst in den Beruf, dann in die Politik",

porträtiert Lina VERSCHWELE die sächsische Ministerin für Gleichstellung und Integration in Sachsen anlässlich eines Treffens in Weißwasser. KÖPPING tritt im Wahlkreis 24 Leipzig Land 2 an, muss jedoch nicht gewinnen, weil sie auf Platz 2 der SPD-Landesliste steht. Gemäß Wahlkreisprognose (Stand: 23.08.2019) kann die SPD in keinem einzigen Wahlkreis ein Mandat erringen.

"Die Grundrente, für die sich Köpping immer wieder einsetzt, ist nicht das Einzige, was sie bisher nicht durchsetzen konnte. Auch aus einem von ihr geplanten Integrations- und Gleichstellungsgesetz wurde nichts",

kritisiert die Spitzenkandidatin der Grünen. Katja MEIER, die im Wahlkreis 37 Meißen 1 auch nicht gewinnen muss. Dort hat die AfD Vorteile.  

LOCKE, Stefan und Markus WEHNER (2019): Das grüne Jawort.
Brandenburg und Sachsen: Brandenburg und Sachsen: Plötzlich ist die Partei auch im Osten stark. Sie will sogar regieren. Kann das gelingen?

in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.08.

"(N)icht überall wird es den Grünen leichtgemacht. Das erfährt auch der Grünen-Star Habeck im sächsischen Wahlkampf (...). mitten in der Dresdner Neustadt, wo die Grünen bei der Kommunalwahl im Mai fast 40 Prozent der Stimmen gewannen. Zum Wahlkampfauftritt in ihrer Hochburg haben Sachsens Grüne in eine Kirchenruine geladen, die heute als Theaterspielstätte genutzt wird. (...)",

erklären uns LOCKE & WEHNER, die die Grünen in Sachsen schon als Koalitionspartner der CDU sehen, eine Herzensangelegenheit der früheren Grünen-Gründerin Antje HERMANN, was besonders hervorgehoben wird. In Dresden kamen die Grünen auf 20,5 Prozent und erlangten 15 der 70 Sitze. Im Wahlkreis 2, zu dem die Neustadt gehört, erreichten die Grünen 38,2 %. Im Gebiet "Weißer Hirsch" (Wahlkreis 7), bekannt durch Uwe TELLKAMP, wurden die Grünen mit 27,8 % stärkste Partei. Den Wahlkreis 6 (20,4 %), den Wahlkreis 8 (21,3 %) und den Wahlkreis 11 (26,0 %) gewann die AfD. In Gebieten wie Gorbitz-Süd, Grobitz-Ost oder Prohlis-Nord/Süd kam die AfD auf über 30 bzw. 35 %.

Ausgiebig wird auf "Katja aus dem Plattenbau"  und Wolfram GÜNTHER eingegangen.

"Neulich habe er in Freiberg am Rand des Erzgebirges vor 500 Leuten gestanden, das habe es früher nie gegeben. (...).
Den Wandel wollen die sächsischen Grünen nutzen. Bei der Europawahl erreichten sie mit 10,3 Prozent ihren bisherigen Rekord im Freistaat - doppelt so viele Stimmen wie vor fünf Jahren. Bei der Landtagswahl haben sie gute Chancen, in Leipzig und Dresden Direktmandate zu holen; die Kommunalwahl im Mai in Dresden gewann die Partei mit deutlichem Abstand vor der CDU."

Die Grünen kamen in der Universitätsstadt Freiberg, Landkreis Mittelsachsen, bei der Stadtratwahl im Mai 2019 auf 8,29 % (3 Sitze von 34 Sitze) und landeten abgeschlagen auf dem drittletzten Platz. Die AfD wurde noch vor der CDU stärkste Fraktion (8 Sitze). Bei der Europawahl 2019 erreichten die Grünen in Mittelsachsen nur 6,2 %. Die AfD rangierte mit 28,5 % klar vor der CDU. In Freiberg erreichten die Grünen bei der Europawahl zwar 9,5 %, aber auch hier lag die AfD mit 25,9 % vorne. Für eine Universitätsstadt ist das Ergebnis mager, dürfte aber daran liegen, dass Freiberg erst 2015 zur Universitätsstadt aufgewertet wurde.

KAMPMANN, David (2019): Möglicher AfD-Erfolg im Osten alarmiert die Wirtschaft.
Der Industriepräsident Dieter Kempf warnt: Der Imageschaden wird den Unternehmen die Personalsuche deutlich erschweren,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.08.

LASCH, Hendrik (2019): Die Zeit zum Theoretisieren ist vorbei.
Landtagswahl in Sachsen: Frank Richter, einst Chef der Landeszentrale für politische Bildung, zieht für Sachsens SPD in den Wahlkampf,
in:
Neues Deutschland v. 16.08.

Foto: Bernd Kittlaus 2018

LAPPER, Jana (2019): Impfen mit Liebe.
Eine Gruppe Geflüchteter fährt wochenlang durch Sachsen, um dort andere Geflüchtete zu unterstützen. Denn deren Leben in den Kleinstädten ist nicht einfach. Ein Besuch in Borna,
in:
TAZ v. 17.08.

"Borna liegt nur eine S-Bahnfahrt vom links-alternativen Leipzig entfernt und ist doch eine jener typisch sächsischen Kleinstädte, in denen pastellfarbene Altbauten einsame Marktplätze säumen. »Typisch sächsisch« wird später eine Aktivistin über den Ort sagen. Und vor allem den Alltagsrassismus meinen. (...).
In Borna hat die AfD bei den Kommunalwahlen im Mai 22,7 Prozent geholt und lag damit nur einen Hauch hinter der Linkspartei an zweiter Stelle. Bei den Landtagswahlen am 1. September hat sie gute Chancen, auch hier stärkste Kraft zu werden. (...).
Welcome United (fährt) seit Mai durch Sachsen, nach Bautzen oder Döbeln, immer dorthin, wo sie Initiativen und Knotenpunkte für Betroffene aus den umliegenden Dörfern finden. (...).
Mit seinen 20.000 Einwohnern ist Borna so ein Knotenpunkt. Nur ein paar Meter vom Marktplatz entfernt, gleich gegenüber Franzl's Bierstube, hat der Verein Bon Courage seine Räume. (...).
Sandra Münch ist in Borna geboren und lebt heute in Leipzig. Seit gut zehn Jahren leitet sie mit ihrer Schwester den Verein Bon Courage. Früher war die rechtsextreme Gruppe Oldschool Society in Borna aktiv (...).
Heute seien die körperlichen Angriffe auf Migrant*innen weniger geworden. »Aber der Alltagsrassismus ist salonfähiger geworden«, sagt sie (...). »Es sind weniger die Jungs in Bomberjacke, die sich rassistisch äußern, sondern mehr die alte Frau von nebenan oder die Kassiererin.«
Bon Courage ist die einzige Organisation, die sich um Geflüchtete im Ort kümmert. (...). Borna liegt im ehemaligen Braunkohlegebiet, das seit der Wende viele Menschen verlassen haben - 1988 lebten hier noch 5.000 Menschen mehr. Auch die Nähe zu Leipzig mit seiner linken Szene bessert die Situation nicht",

beschreibt Jana LAPPER die Situation in der Großen Kreisstadt Borna im sächsischen Landkreis Leipzig. Der Landkreis liegt zwar in der Nähe der Metropole Leipzig, jedoch sowohl im ganzen Landkreis als auch in der Stadt schrumpft die Bevölkerung gegen den sächsischen Trend. Nichts davon lesen wir bei LAPPER. Ende 2015 lebten noch 19.672 Menschen in Borna. Ende 2018 waren es nur noch 19.263.

Borna gehört zum Wahlkreis 23 - Leipzig Land 1. Sowohl election.de (Stand: 11.08.2019) als auch wahlkreisprognose.de (Stand: 09.08.2019) sehen in diesem Wahlkreis für die CDU leichte Vorteile. In Borna stellt die Linkspartei sowohl den Bürgermeister als auch die stärkste Stadtratsfraktion (6 Sitze). Die Grünen sind im Stadtrat nicht vertreten. Die NPD kam 2014 auf 4,7 %. Diese Stimmen kamen nun der AfD zugute.

Borna war bei der Stadtratswahl 2019 die einzige Gemeinde im Landkreis Leipzig, in der die Linkspartei vorne lag. Die SPD wurde in der Kleinstadt Böhlen (31.12.2018: 6.701 Einwohner) stärkste Partei. Die AfD lag nur in der Kleinstadt Naunhof (31.12.2018: 8.728 Einwohner) vorne und das mit nur 15,9 Prozent der Stimmen, was der Zersplitterung des politischen Spektrums in der Stadt geschuldet ist. Colditz gewannen die Freien Wähler mit 37,8 %. Die Kleinstadt wies 2018 die höchsten Bevölkerungsverluste im Landkreis auf (153 Menschen; - 1,8 %).  

BECKER, Kim Björn (2019): AfD darf in Sachsen mit 30 Kandidaten antreten.
Sächsisches Verfassungsgericht bestätigt einstweilige Verfügung. Urban kündigt Anzeige wegen Rechtsbeugung an,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.08.

LITSCHKO, Konrad (2019): Der Agent Provocateur.
Landtagswahl in Sachsen: Könnte Ex-Verfassungsschutzchef Maaßen Innenminister in Sachsen werden? Trotz Unterstützung an der Basis: Die Chancen sind gering,
in:
TAZ v. 19.08.

SCHULTE, Ulrich (2019): Clash der Realitäten.
Landtagswahl in Sachsen: Chemnitz: Den Grünen könnte in Ostdeutschland ein großer Erfolg gelingen. Parteichef Robert Habeck reist im Wahlkampf durch Sachsen. Dabei muss er erfahren, dass der Kampf gegen rechts manchmal schwieriger ist, als gedacht,
in:
TAZ v. 19.08.

LOCKE, Stefan & Markus WEHNER (2019): Wenn es nur bergauf gehen kann.
Bei den vergangenen Wahlen flog die FDP aus den Landtagen in Brandenburg und Sachsen. Nun will sie dort wieder einziehen - ob das wohl klappt?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.08.

KERSTING, Silke (2019): Grüne werden im Osten zum Machtfaktor.
Landtagswahlen: In Brandenburg und Sachsen schickt sich die Öko-Partei an, erstmals zweistellige Stimmenanteile zu erreichen. Das könnte bei der Regierungsbildung eine gewichtige Rolle spielen,
in:
Handelsblatt v. 21.08.

NEUES DEUTSCHLAND-Tagesthema: Strukturwandel in der Lausitz

BARTSCH, Michael (2019): Der Osten im Osten.
Landtagswahl in Sachsen: Zwischen Sonderwirtschaftszone und Grundeinkommen: Für die Lausitz gibt es viele Ideen, aber noch keinen Plan,
in:
Neues Deutschland v. 22.08.

Die sächsische Tagebauregion träumt sich zur Tourismushochburg, steht jedoch vor einem Scherbenhaufen wie Michael BARTSCH am Beispiel der Gemeinde Boxberg/Oberlausitz im Landkreis Görlitz aufzeigt:

"In Uhyst am Bärwalder See hat bei idealem Sommerwetter ein einziger Imbiss geöffnet - mit einem Dutzend Gästen.
Gegenüber am Kraftwerk Boxberg verkündet am Seeufer unverdrossen ein Schild »Hier entsteht Zukunft«. Nachdem das Kunst- und alternative Wohnprojekt »Transnaturale« 2015 gescheitert war, ist das Übliche gemeint: Seehotel, »Sternencamp«, Adventure und Golf. Bis 2022 soll hier die »beliebteste Sommerfrische Sachsens« entstehen. Doch Boxbergs CDU-Bürgermeister Achim Junker weiß, dass der Tourismus in der Region maximal fünf Prozent zum Bruttosozialprodukt beiträgt. (...).
Vom schwedischen Staatskonzern Vattenfall als Kraftwerkseigentümer flossen lange Zeit jährlich zehn Millionen Euro Gewerbesteuer und machten Boxberg mit 4.500 Einwohnern zu einer der reichsten Gemeinden Sachsens. Doch schon mit der erlaubten Rücklagenbildung der Energiekonzerne infolge des Atomkraftausstiegs 2015 versiegten die Gewerbesteuern. Schlimmer noch, Boxberg ist mit 13 Millionen Euro Rückzahlungsforderungen belastet."

Bei den Gemeinderatswahlen im Mai 2019 dominierten in Boxberg/Oberlausitz die Wählervereinigungen die zu Lasten der CDU Stimmen dazu gewannen. Bei der Kreistagswahl lag ebenfalls nicht die AfD (28,3 %) vorne, sondern die CDU mit 41,7 %.  Das steht im krassen Widerspruch zur Behauptung:

"Im Lindenhof von Boxberg hatte der Görlitzer Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla im Frühjahr ein Heimspiel."

CHRUPALLA von der AfD jagte bekanntlich bei der Bundestagswahl 2017 Michael KRETSCHMER das Direktmandat ab. Zum Abschluss stellt BARTSCH noch ein paar "Ideen" vor, die mehr Träumereien sind: Die Linkspartei will die Lausitz zur Modellregion für ein Grundeinkommen machen. In Hoyerswerda soll ein "Elite-Campus Informationstechnik" als Außenstelle der Exzellenzuniversität TU Dresden entstehen.

Fazit: Das Problem der Region Görlitz ist, dass Europa lediglich ein Eliten- und kein Bürgerprojekt ist und deshalb die normale Bevölkerung in dieser Grenzregion nichts davon hat. Wäre Europa ein lebenstauglicher Staatenbund, dann müssten in nationalen Grenzregionen supranationale Infrastrukturen gefördert werden!

LASCH, Hendrik (2019): "Die Kollegen reden über fast nichts anderes".
Landtagswahl in Sachsen: Auch nach dem Beschluss zum Kohleausstieg bis 2038 gibt es bei Beschäftigten und Dienstleistern in der Lausitzer Braunkohleregion viele offene Fragen,
in:
Neues Deutschland v. 22.08.

"André Koch ist 31, gerade Vater geworden und arbeitet bei einer Firma, die im Tagebau Welzow Großgeräte für den Abbau der Braunkohle wartet",

heißt es am Anfang des Artikel. Ganz zum Schluss erst erfährt der Leser, dass KOCH seit 2018 Linke-Stadtchef in Hoyerswerda ist. Der geplante Kohleausstieg wird als bewältigbares Problem inszeniert und die AfD und FDP als Gegner kritisiert. Dabei ist der Beschluss der Kohlekommission nicht Gesetz, sondern bislang nur Wahlversprechung. Auch in diesem Artikel wird die "Außenstelle der TU Dresden am Scheibesee bei Hoyerswerda" propagiert.

LOCKE, Stefan & Markus WEHNER (2019): Schwester Agnes und der Ostfaktor.
In Brandenburg weiß die Linke nicht, ob sie noch mal regieren will. In Sachsen wird sie nicht mehr stärkste Oppositionspartei,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.08.

Die Linkspartei ist in die kleinen Orte in Sachsen gegangen und möchte sich dort wieder als Kümmererpartei profilieren, eine Position, die die AfD inzwischen längst besser besetzt hat. LOCKE & WEHNER präsentieren uns die Sicht des sächsischen Spitzenkandidaten Rico GEBHARDT. Die Linkspartei ist inzwischen wie die Grünen zur Großstadtpartei geworden:

"Vor allem in den Großstädten gewinnt sie junge Leute. In Leipzig gewann sie schon vor fünf Jahren ein Direktmandat - die anderen 59 holte wie stets die CDU. Diesmal sieht die Partei Chancen, in Leipzig, Chemnitz und Dresden mehrere Wahlkreise direkt zu gewinnen. Für eine Koalition mit SPD und Grünen aber würde es nicht reichen",

meinen LOCKE & WEHNER. Die Analysen von election.de und wahlkreisprognose.de sehen dagegen nur in folgenden Wahlkreisen Chancen der Linkspartei auf ein Direktmandat:

  WK 11 Chemnitz 2 WK 28 Leipzig 2 WK 29 Leipzig 3 WK 33 Leipzig 7
Election.de (24.08.2019) Susanne Schaper Juliane Nagel Adam Bednarsky -
Wahlkreisprognose.de (23.08.2019) - Juliane Nagel Adam Bednarsky Franz Sodann

KRÜGER, Anja (2019): Zukunft made in Sachsen.
Landtagswahl in Sachsen: Nahaufnahme: Die 24-jährige Sally Floss ist auf Weiterbildung. Sie wird bei Volkswagen in Sachsen schon bald nur noch elektrische Fahrzeuge bauen. Das Zwickauer Werk verabschiedet sich vom Verbrennungsmotor. Doch die neue Zeit weckt auch Ängste,
in:
TAZ v. 23.08.

Anja KRÜGER beschreibt das VW-Werk und die Stadt Zwickau. In keinem kosmopolitischen Zeitungsartikel aber darf der Hinweis auf die Kluft zwischen der guten Zahlenlage und der schlechten Stimmung fehlen. In Wahlzeiten ist die Stimmung immer schlechter als die Lage, stehen keine Wahlen an, dann ist plötzlich wieder die Stimmung viel besser als die Lage. Dann weiß der Leser, dass Reformen anstehen!

KRÜGER zitiert den Linksparteipolitiker René HAHN, der im Stadtrat von Zwickau sitzt. Für die Linkspartei war die Kommunalwahl ein Desaster. Auch in Zwickau büßte sie fast ein Drittel der Stimmen ein, während die AfD nun gleich viele Sitze wie die CDU, nämlich 11, erhalten hat. Die Grünen konnten sich nur minimal verbessern.

"Die Zweifel sind immer dieselben: Wie ist das mit den Reichweiten der Autos, der Lade-Infrastruktur, den Arbeitsplätzen, der Nachfrage. (...). Die Region sei als Billiglohnland wahrgenommen worden, kritisiert Brodmann - auch, weil PolitikerInnen damit geworben haben, dass hier für 30 Prozent weniger gearbeitet werde als im Westen",

klagt ein Gewerkschaften. KRÜGER sieht jedoch ein Umdenken, denn aufgrund des Fachkräftemangels würden niedrige Löhne zum Standortnachteil.

taz-Titelthema: Sachsen von links nach rechts.
Kurz vor der Landtagswahl sind sieben Redakteur*innen der taz durch Sachsen gefahren, von Plauen im Westen nach Zittau im Osten. Die Sachsentour

TAZ (2019): Quer durch Sachsen.
Landtagswahl in Sachsen: Sachsentour,
in:
TAZ v. 24.08.

Zehn Seiten Sachsentour stellen die Leuchtturmprojekte des linksliberalen Kosmopolitismus in Sachsen vor. Es beginnt in Reichenbach, das für die taz eine Kleinstadt im Vogtland mit einem Streetart-Festival ist. Tatsächlich ist es eine Mittelstadt und Große Kreisstadt des Vogtlandkreises. In Plauen, dem Sitz der rechten Partei "Dritter Weg" wird ein linkes Hausprojekt vorgestellt. Weiter geht es zur Talsperre Pöhl und das gleichnamige untergegangene Dorf. In Schneeberg, einer Kleinstadt im Erzgebirgskreis ("15.000 Einwohner") wird der Kampf der CDU im Wahlkreis 14 Erzgebirge 2 gegen die AfD präsentiert, denn:

"Im November 2013 zogen 1.800 Menschen mit Fackeln durch die Stadt, aus Protest gegen die Unterbringung von Geflüchteten. 836 Menschen waren im Sommer 2015 in der Erstaufnahme in Schneeberg untergebracht. Heute sind es noch 166."

Heimelig da oben von Sebastian ERB spielt zur Abwechslung nicht in den Extremmilieus, sondern im Touristenort Oberwiesenthal:

"Oberwiesenthal liegt am Fuße des Fichtelbergs, des höchsten Berges Sachsens und ganz Ostdeutschlands. Gleich nebenan ist Tschechien (...).
Die Fichtelbergbahn fährt hierher, Schmalspur, gezogen von einer Dampflok, Baujahr 1952. (...). Es sind 17 Kilometer und knapp 240 Höhenmeter in die höchstgelegene Stadt Deutschlands, 915 Meter über dem Meer. (...).
Von Oberwiesenthal aus kann man seit 1924 weiter mit einer Luftseilbahn auf den Berg fahren (...).
Der Blick zurück, so scheint es, hilft Oberwiesenthal voranzukommen. Der Ort hat seit der Wende die Hälfte der Einwohner verloren, heute wohnen gut 2.000 Menschen hier. Die hohe Arbeitslosigkeit von damals ist kein Thema mehr. Das liegt vor allem am Tourismus, 600.000 Übernachtungen im Jahr, besonders im Winter."

Waltraud SCHWAB dagegen widmet sich wieder Grünen und AfD in Freiberg und Glashütte:

"Das (Freiberger) AfD-Büro in der Kesselgasse 10 liegt gegenüber dem Laden der Grünen im Haus Nummer 9. Sie können sich gegenseitig in die Räume gucken. »Aber wir waren zuerst da«, sagt die junge Grüne (...). Sie studiert Umweltingenieurwesen an der Technischen Universität Freiberg. Der AfD-Direktkandidat von gegenüber, Wolf Weigand heißt er, ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Keramik, Glas- und Baustofftechnik (...).
Freiberg in Sachsen, 40.000 Einwohner und Einwohnerinnen, mit ältestem Stadttheater der Welt, einer Universität, einem Schlo9ss, repräsentativen Plätzen und Kirchen, ist eine kulissentaugliche Stadt. (...) Seit der Verkehr weitgehend aus dem Zentrum verbannt ist, erinnern sich die Leute nur langsam, dass Städte für Menschen sind, nicht für Autos. (...). Ohne 800 Jahre Silbererzabbau wäre die Stadt nur ein Dorf, sagt einer.
Das ganze Erzgebirge ist unterkellert. 14 Kilometer Stollen, Gänge, unterirdische Straßen hat allein die Reiche Zeche. (...).
Neuerdings, wo man um Lithium, Wolfram und Seltene Erden im Erzgebirge weiß, könnte es ein Bergbaurevival geben."

In Niederbobritzsch in Mittelsachsen, wo der Wirt des Goldenen Löwen als das frühere Freie Wähler-Mitglied nun als AfD-Vertreter im Gemeinderat und Kreistag sitzt wird SCHWAB erklärt, dass neue Schulen wichtiger sind als neoliberale Kennzahlen oder vordere Plätze in neoliberalen Schulrankings. 

Glashütte, wo der Grüne Uwe AHRENDT im Gemeinderat und Kreistag sitzt und das Erbe der Uhrmacherfamilie weiterführt, ist SCHWAB entschieden wichtiger:

"Der Ortsname ist geschützt, deshalb gibt es im Kernort 1.700 Menschen und 1.800 Arbeitsplätze. Uhren haben Glashütte gerettet, nachdem der Bergbau im 19. Jahrhundert »ausgeerzt« war. Der Ort hat städtisches Flair.
Ahrendt hat sich öffentlich gegen rechts positioniert. Allein 20 Prozent AfD bei den Kommunalwahlen im Frühjahr in Glashütte, dem Kernort, wo die Leute ein gutes Auskommen haben."

Glashütte gehört zum Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge. Bei der Gemeinderatswahl im Mai 2019 konnten die Grünen ihren Stimmenanteil fast vervierfachen und kamen auf 11,1 %. Die Linkspartei ist gar nicht erst angetreten und die CDU hat 26,9 % Verlust eingefahren und ihren Stimmenanteil mehr als halbiert auf 21,6 %. Das ist nur knapp vor der AfD (19,8 %).

Lin HIERSE & Hanna VOß zeichnen in Zurück nach Hause ein trostloses Bild von Bischofswerda im Landkreis Bautzen:

"Eigentlich ist der Ort günstig gelegen, zwischen Bautzen und Dresden, an Autobahn und Bahnstrecke. Trotzdem sind viele Geschäfte »Es-war-einmal-Läden«"

Ein Rückkehrerpaar steht deshalb im Mittelpunkt des Artikels.

"Herrnhut, 90 Kilometer östlich von Dresden, ist eine Kleinstadt, die tief von Religion geprägt ist",

erzählt uns Jan PFAFF, der die Brüdergemeine porträtiert. In Zittau im Landkreis Görlitz wird die Projektleiterin bei Lanterna Futuri, einem Bildugnsprojekt zur Förderung des deutsch-polnisch-tschechischen Austausches.

Zum Schluss gibt es in Dresden ein Interview mit der Lieblings-Linksparteipolitikerin Katja KIPPING, die aus der Partei eine zweite Öko-Partei machen will und damit die ehemaligen Wähler geradezu in die Hände der AfD treibt.     

WINTER, Steffen (2019): Der Ost-Komplex.
Landtagswahlen: Nirgendwo sonst im Land ist die AfD so stark wie im Osten, nirgendwo sonst fühlen sich die Menschen so benachteiligt und abgehängt - dabei geht es den meisten besser denn je. Ein Blick in die ostdeutsche Seele,
in: Spiegel
Nr.35 v. 24.08.

Steffen WINTER will uns Ostdeutschland erklären, u. a. an Sachsen: Heidenau und Leipzig sind die Orte für zwei Sozialfiguren.

NIMZ, Ulrike (2019): Alles wird Glut.
Landtagswahl in Sachsen: Seit Wochen grillt sich Michael Kretschmer durch Sachsen. Es geht um die Zukunft es Landes und auch um seine eigene. Eindrücke aus einem Wahlkampf, der mindestens so heiß wie fettig ist,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 24.08.

Ulrike NIMZ sieht in Michael KRETSCHMER einen positiven Populisten oder anders ausgedrückt: Er verspricht den Menschen das Blaue vom Himmel und wird wenig davon halten.

"Lange sah es so aus, als könnte die AfD stärkste Kraft werden im Land und die Regierungsbildung schwierig. Der Ministerpräsident hat nicht nur Koalitionen mit links und rechts ausgeschlossen, sondern auch mit den Grünen".

Das CDU-freundliche ZDF-Politikbarometer wird uns von der SZ präsentiert. Vor der Landtagswahl 2014 lag die letzte Prognose gemäß wahlrecht.de für die CDU zu hoch und für die AfD zu niedrig. Die Prognose anderer Institute liegen zwischen 28 - 30 Prozent für die CDU. Die AfD kommt auf 24 bis 26 Prozent. Der Vorsprung der CDU liegt im Unsicherheitsbereich von Prognosen, d.h. die CDU sollte sich nicht zu sicher sein, dass sie in Sachsen stärkste Partei wird. Für die Grünen geht der Trend eher nach unten. Vor der letzten Wahl waren die Prognosen für die Grünen mehrheitlich zu optimistisch. Die FDP wird von allen Instituten bei 5 % gesehen, d.h. es ist unsicher, ob sie ins Parlament kommt. Vor der letzten Landtagswahl lagen die FDP-Prognosen jedoch alle unter dem tatsächlichen Ergebnis.

Fazit: Der Ausgang in Sachsen ist wenige Tage vor den Wahlen mehr als ungewiss. Bei den Direktmandaten gibt es jedoch gemäß wahlkreisprognose (Stand: 23.08.2019) deutliche Verschiebungen zugunsten der CDU (+ 7 Mandate) und zu Lasten der AfD (- 8 Mandate). Election.de (Stand: 24.08.2019) sieht die AfD nur in 5 Wahlkreisen vorne, bei wahlkreisprognose.de sind es dagegen 15. Folgendes Bild gibt es zur (maximalen) Verteilung der Direktmandate:

  CDU AfD Grüne Linke SPD
Election.de (24.08.2019) 50 5 2 3 0
Wahlkreisprognose.de (23.08.2019) 38 15 4 3 0

LOCKE, Stefan (2019): Der Sachsenflüsterer.
Landtagswahl in Sachsen: Frank Richter war Bürgerrechtler und Pfarrer, und dreißig Jahre gehörte er zur CDU. Bei der Landtagswahl im Herbst tritt er nun für die SPD an,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.08.

Foto: Bernd Kittlaus 2018

BUDRAS, Corinna (2019): Der Osten wird grüner.
Landtagswahl in Sachsen: Die Grünen hatten im Osten Deutschlands lange einen schweren Stand, doch das ändert sich gerade. Das hat viel mit der Wirtschaft zu tun,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.08.

Corinna BUDRAS zitiert die Sicht von Wahlforschern (Infratest Dimap und Forsa) und dem Politikwissenschaftler Everhard HOLTMANN sowie eine Studie:

"Größere Bevölkerungsgruppen können sich auch im Osten Deutschlands den »postmaterialistischen« Ansatz der Grünen leisten, besonders junge, gut ausgebildete Frauen, die in den Städten leben. Arbeitslosigkeit und Armut sind für sie nicht die alles beherrschenden Themen, für sie rücken andere Aspekte in den Vordergrund: der Umweltschutz, eine gute öffentliche Infrastruktur, Kindergartenplätze."
»Die Grünen sind tendenziell vor allem dort stark wo die Bevölkerung wächst«, sagt Wahlforscher Siegel (...).
Der wirtschaftliche Erfolg der einen sorgt für Ärger bei den anderen, die es nicht so weit bringen. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gerade in einer Studie beschrieben. Die Forscher haben das Wählerverhalten in Ostdeutschland bei der Europawahl im Mai analysiert und sind zu dem Schluss gekommen: Der große Erfolg der Grünen und der AfD zeigt vor allem, dass die Lebensverhältnisse im Osten stärker auseinanderdriften",

schreibt BRUDRAS über den Aufsatz Grüne und AfD als neue Gegenpole der gesellschaftlichen Spaltung in Deutschland im DIW-Wochenbericht Nr.34 vom 21.08.2019.

LOCKE, Stefan (2019): Wahlkampfschlager DDR.
Landtagswahl in Sachsen: Um die Wahl in Sachsen zu gewinnen, zeichnet die AfD ein Zerrbild der Wirklichkeit - was ihre Wähler nicht stört,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.08.

NIMZ, Ulrike (2019): Sächsische Klimakrise.
Landtagswahl in Sachsen: Kurz vor der Landtagswahl, bei der die AfD stärkste Kraft werden will, ist die Stimmung aufgeheizt. In Unternehmen und Politik wächst die Sorge um Image und wirtschaftliche Zukunft des Freistaats,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.08.

Vor 3 Tagen zeigte bei Ulrike NIMZs Artikel eine Grafik, dass die AfD hinter der CDU lag, weshalb es jetzt nur noch heißt, dass die AfD stärkste Kraft sein will!

"Mehrere Firmen, jüngst Globalfoundries, haben Wahlaufrufe gestartet, in denen sie zumindest implizit davor warnen, den Populisten eine Stimme zu geben. (...).
In der Dreikönigskirche schilderte Andreas Bismarck, Chef des Chemnitzer Strickmaschinenherstellers Terrot und Sprecher von »Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen« die Lage wie folgt: Eine Reihe der etwa 70 Mitgliedsfirmen hätten schon Absagen erhalten, weil Bewerber befürchteten, sich in Sachsen nicht wohlzufühlen",

schreibt NIMZ. Die FAZ berichtete schon vor 11 Tagen über Warnungen der Wirtschaft. Solche Warnungen begleiten den Aufstieg der AfD seit langem, blieben bislang jedoch ohne Wirkung. Während üblicherweise zwei Drittel der Artikel in den kosmopolitischen Mainstreamzeitungen vor den Wahlen den tollen neoliberalen Zahlen gewidmet sind, ist es nun umgekehrt:

"Die Leuchttürme strahlen helle im Freistaat, doch abseits der urbanen Zentren wachsen die Schatten. Um zu verstehen, warum (...), hilft ein Blick in den »Deutschlandatlas« der Bundesregierung. (...). Während Vollzeitbeschäftigte im Westen 2018 durchschnittlich 3.434 Euro pro Monat verdienten, bekamen Arbeitnehmer im Osten nur 2.707 Euro. Schlusslichter: das Erzgebirge und der Landkreis Görlitz."

Will man aufzeigen, dass die Stimmung schlechter ist als die Lage, dann werden die Arbeitslosenquoten herbeizitiert. Das Umgekehrte wird erreicht, wenn man die Löhne der Arbeitnehmer in den Blick nimmt. Neoliberale Zahlen sind deshalb in erster Linie "politische Zahlen".

"Die Kluft zwischen Stadt und Land ist das bestimmende Thema im sächsischen Wahlkampf",

erklärt uns NIMZ, um dann die Positionen von IWH und Ifo-Niederlassung Dresden gegenüber zu stellen:

"»56 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung leben im ländlichen Raum, die kann man nicht einfach vernachlässigen.« Eine Konzentration auf potenzielle Wachstumspole sei vernünftig, sagt der Ökonom. Aber die gebe es eben auch in Grimma, Oschatz oder Reichenbach - in »Städten, die es nach der Wende schwer getroffen hat, auf die aber selten jemand schaut«. Erfolge seien auch an der Peripherie möglich.
In Torgau soll ein Glascampus neue Impulse in der Keramik- und Baustoffindustrie setzen, im Vogtland ein Bundeskompetenzzentrum für Kälte- und Klimatechnik entstehen. In deutschen Chefetagen zeigt eine Uhr aus Glashütte (...) an, (...) dass man es geschafft hat",

zitiert NIMZ die Sicht von Joachim RAGNITZ (Ifo-Institut). Als Problem wird wie üblich der Fachkräftemangel gesehen, der angeblich in 10 Jahren droht. Außerdem gäbe es keine Probleme, wenn die Menschen engagiert genug wären, weshalb uns NIMZ die Geschichte einer Rückkehrerin erzählt. Dumm nur, dass nicht jeder in einen traditionsreichen Handwerkerbetrieb einheiraten oder gar diesen erben kann.

"Seit der Schließung der Tagebaue steigt das Grundwasser an. In den Plattenbauten der einstigen Musterstadt Hoyerswerda sind die Keller feucht, die Spree verockert, weil Sulfat und Eisen aus dem sauren Boden gewaschen werden. Die braune Brühe fließt Richtung Berlin, und wer ein düsteres Bild sucht für die politische Stimmung im Land, wird in der Lausitz schneller fündig als anderswo",

meint NIMZ. Wir wären aber nicht im Wirtschaftsteil, wenn es um "ökonomische Verheerung" ginge, sondern NIMZ möchte "Versöhnung", d.h. die Pessimisten sollen gefälligst die Chancen sehen und sich engagieren, denn Engagement ist das neoliberale Äquivalent im Wirtschaftsbereich zur Eigenverantwortung im sozialpolitischen Bereich!

ZEISING, Max (2019): Mutmacher, kein Magier.
Landtagswahl in Sachsen: Spitzenkandidat Martin Dulig möchte der SPD und den Sachsen zeigen, wie es aufwärts geht,
in:
Neues Deutschland v. 27.08.

BARTSCH, Michael/MAIER, Anja/Am ORDRE, Sabine (2019): Überlappende Ränder.
Landtagswahl in Sachsen: Nahaufnahme: Wenn Michael Kretschmer (CDU) dem AfD-Spitzenmann Jörg Urban begegnet, schaut er demonstrativ weg. Mit den Rechten will der sächsische Regierungschef nichts zu tun haben. Doch in seinem Landesverband rumort es,
in:
TAZ v. 27.08.

LÖWISCH, Georg (2019): Katja Meier will, dass der Boom der Grünen Sachsen wirklich verändert.
Unter Leuten: 8,7 Millionen Menschen leben in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Hier ist eine von ihnen,
in:
TAZ v. 27.08.

LOCKE, Stefan & Markus WEHNER (2019): Mit und ohne Merkel.
Die CDU-Spitzenkandidaten Michael Kretschmer und Ingo Senftleben führen in Sachsen und Brandenburg einen schweren Wahlkampf. Sie stehen für unterschiedliche Ausrichtungen ihrer Partei. Und die AfD ist ein starker Gegner,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.08.

LÖHR, Julia (2019): Die Stadt mit dem höchsten Leerstand.
Landtagswahl in Sachsen: Chemnitz steht im Schatten von Leipzig und Dresden. Woran liegt das?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.08.

LASCH, Hendrik (2019): Die Wähler und der Wolf.
Landtagswahl in Sachsen: Der Umgang mit dem Raubtier hat in Sachsen und Brandenburg politische Brisanz,
in:
Neues Deutschland v. 28.08.

Brandenburg spielt in dem Artikel von Hendrik LASCH keinerlei Rolle. Es geht ausschließlich um Sachsen. Der Wolf ist eine neoliberale Metapher und in den Nuller Jahren wurde von "Wolfserwartungsland" gesprochen, um die Entleerung ländlicher Räume zu umschreiben. Nichts davon lesen wir bei LASCH.

"»Viele, die auf das Thema einsteigen, haben nicht direkt mit dem Wolf zu tun.« Das belegt auch der Zuspruch für eine Petition an den sächsischen Landtag, mit der Anfang 2018 eine Bürgerinitiative aus der Region nördlich von Bautzen die »Begrenzung der Wolfspopulation« forderte. Sie fand 18.590 Unterstützer.
Manchen von diesen mögen Erlebnisse verstören, wie sie der Initiator Georg Lebsa, ein Zahnarzt aus Neschwitz, schildert: Wölfe, die man »während des Frühstücks vom Zaun verscheuchen« müsse (...).
Dabei zeigt sich ein Problem (...): Statistiken decken sich nicht unbedingt mit dem, was Bürger fühlen - im konkreten Fall: Die »Landbevölkerung«, die Lebsa einem unzumutbaren »Alltagsrisiko« ausgesetzt sieht."

LASCH, der nichts versteht, will das Alltagsrisiko kleinreden. Das aber geht an dem Mythos Wolf vorbei. Wenn der Mensch geht, kommt der Wolf, haben uns nationalkonservative und neoliberale Zeitgeistprediger in den Mainstreammedien nun Jahrzehnte eingehämmert. Es geht also um die Angst, dass der Wolf nur der Vorbote für Schlimmeres ist.

LÖWISCH, Georg (2019): Genosse Schmerzensmann.
Landtagswahl in Sachsen: Nahaufnahme: Spitzenkandidat Martin Dulig kämpft in Sachsen für eine SPD, die schon so klein ist, wie sie bundesweit werden könnte. Mit ganzem Einsatz. Aber es tut ihm weh: "Im Bauch. Die Kopfschmerzen kommen dazu",
in: TAZ
v. 28.08.

LEHMANN, Anna (2019): Mit Rechten leben: der Wurzener Probelauf.
Ein Parlament, in dem die Rechten ein Viertel der Stimmen haben. Was in Sachsen und Brandenburg droht, hat die sächsische Kleinstadt Wurzen schon vollzogen,
in:
TAZ v. 29.08.

"Jörg Röglin (...) ist Oberbürgermeister von Wurzen mit SPD-Parteibuch, (...) Benjamin Brinsa (...) ist ein über Wurzen hinaus bekannter Hooligan aus der Naziszene. Seit Mai ist er auch gewählter Stadtrat. (...).
Wurzen ist eine Kleinstadt östlich von Leipzig. Bekannt für seine Kekse. Und für seine rechte Szene, die sich in der Stadt fest als Gewerbetreibende etabliert hat. Seit Dienstag sitzen sie auch im Stadtrat. Die AfD und das Neue Forum Wurzen, das sich an die NPD anlehnt, waren die eigentlichen Wahlsieger der Kommunalwahl im Mai (...). Der rechte Block besetzt im Stadtparlament mehr als ein Viertel der Sitze. (...). Wurzen ist also Trendsetter und Versuchsfeld. Hier üben die Parlamentarier schon mal den Umgang mit den Rechten.
Soll man ihnen Paroli bieten? Sollen sie sich selbst entzaubern? Oder muss man gar mit ihnen zusammenarbeiten? Diese Optionen werden gerade in Wurzen diskutiert",

erklärt uns Anna LEHMANN. Die Linkspartei grenzt sich von der AfD ab, hat sie aber mit in den Kulturausschuss gewählt. Was in Weimar für Empörung bei der Linkspartei gesorgt hat, ist hier also problemlos vonstatten gegangen. LEHMANN kritisiert die Haltung von SPD und CDU indirekt:

"Es ist eine bewährte Strategie der Rechten, Anliegen der politischen Gegner zu kopieren und sie so im Parlament vorzuführen. Wer mitspielt, hat schon verloren. Entweder stimmt man für die Rechten oder gegen die eigene Forderung."

Kay RITTER, der als CDU-Direktkandidat den Wahlkreis 26 Leipzig Land 4 gewonnen hat, wird folgendermaßen beschrieben:

"Die CDU windet sich. Als Landtagskandidat der CDU lehnt Kay Ritter eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Als Stadtrat in Wurzen sagt er: »Hier geht es doch um die Stadt«"

Für LEHMANN fehlt es an einer gemeinsamen Strategie eines Anti-AfD-Bündnisses auf der kommunalen Ebene. Diese Sicht verkennt die Schwäche der etablierten Parteien in den sächsischen Kommunen. Vor allem die CDU-Basis ist längst erodiert, eine Folge ihres absolutistischen Herrschaftssystems.   

AISSLINGER, Moritz (2019): "Man hat mich politisch gemacht".
Dossier: Susanne Dagen galt als beste Buchhändlerin Dresdens. Bei ihr lasen die wichtigsten Schriftsteller des Landes. Heute sympathisiert sie mit der AfD und lädt rechte Autoren zu sich ein. Die Geschichte einer Abkehr,
in:
Die Zeit Nr.36 v. 29.08.

"Eigentlich war es eine Erfolgsgeschichte. Eine Frau, jung und ostdeutsch und voller Tatendrang, kehrte wenige Jahre nach der Wende aus Rostock zurück in die Heimat, nach Dresden, und erschuf aus dem Nichts eine der besten Buchhandlungen des Landes. (...) Sie (...) holte die besten Autoren des Landes nach Dresden, erhielt Preise. Sie wurde Teil der gesamtdeutschen Kulturelite.
Dann begann eine neue Geschichte.
In den vergangenen drei Jahren änderte Susanne Dagen ihr Programm. (...).
Susanne Dagen hat geschaffen, was es sowohl kein zweites Mal gibt in der Bundesrepublik: ein Kulturhaus für neue Rechte und alte Konservative. Einen Zufluchtsort für Wütende, Empörte und Besorgte. Bei ihr treffen sich die Vertriebenen der bürgerlichen Mitte mit jenen, die immer schon am Rand standen. (...).
Ihr Mann Michael Bormann steht hinter dem Ladentisch. An den Wänden hängen Urkunden, Buchhandlung des Jahres 2008, Deutscher Buchhandlungspreis 2015 und 2016, vergeben von der Bundesregierung. Weitere Auszeichnungen, glaubt Dagen, werde es aus der Kulturbranche nicht mehr geben. (...).
Sie hat zwei Töchter, die auf eine Waldorfschule gehen. Sie (...) spricht vier Sprachen. Mit den missgelaunten Autoren, die in ihrem Kulturhaus über das linksgrüne Establishment herziehen, hat sie wenig gemein. Was nicht heißt, dass sie deren Meinungen nicht teilt. Sie hat öffentlich erzählt, die AfD gewählt zu haben",

erzählt uns Moritz AISSLINGER, der uns die Geschichte ihrer Familie in der DDR präsentiert, um das "Trotzige" der Buchhändlerin biografisch herzuleiten:

"Die Tochter bekam auch mit, was passierte, wenn ihre Mutter in der Galerie die falschen Künstler ausstellte. Anrufe vom Rat des Bezirkes. Ermahnungen, man dürfe Dissidenten keine Plattform bieten. Androhung von Berufsverbot. (...).
Die Bevormundung, die Zurechtweisung. Im Osten reagiere man sensibler auf derlei Dinge, sagt Dagen. (...). Irgendwann stand in den Zeitungen, Dresdens beste Buchhändlerin sympathisiere mit Pegida. Kunden blieben weg. Sie wurde aus der Jury eines Literaturpreises ausgeschlossen. Eine literarische Gesellschaft zog sich aus einer Kooperation zurück. Und Susanne Dagen lud nur umso öfter Autoren von der »falschen Seite« ein.
Je weiter sie in die rechte Ecke gestellt wurde, desto demonstrativer, so scheint es, blieb sie dort stehen. Mit der Charta 2017 offenbarte sie dann erstmals für alle sichtbar ihre Haltung.
Ingo Schulze lehnte es ab, die Charta zu unterzeichnen. (...).
Die Charta 2017 aber machte Dagen bundesweit bekannt. Und in Loschwitz wurde plötzlich alles irgendwie politischer.
Es ist Ende Mai, Sonntag, Wahltag. (...) Auch Susanne Dagen steht zur Wahl. Aus der Buchhändlerin ist eine Politikerin geworden. Sie kandidiert für die Freien Wähler um einen Sitz im Dresdner Stadtrat. (...).
Die Charta verlieh Dagen (...) eine Bedeutung, die Buchhändler für gewöhnlich nicht erlangen. Als eine der Ersten aus dem traditionell eher progressiven Kulturbetrieb hat sie sich rechts positioniert."

Seit Mai 2019 sitzt Susanne DAGEN für die Freien Wähler im Stadtrat von Dresden. Die Freie Wähler Dresden e.V. kamen auf vier der 70 Sitze. Die AfD wurde mit 12 Sitzen drittstärkste Kraft hinter CDU und Grünen, aber knapp vor der Linkspartei, die ebenfalls mit 12 Sitzen einzog. DAGEN wurde im Wahlkreis 7 gewählt. Die anderen Vertreter der Freien Wähler waren in den Wahlkreisen 8, 10 und 11 erfolgreich. Zum Wahlkreis 7 gehören Loschwitz und das Dresdner Villenviertel Weißer Hirsch, das durch den Schriftsteller Uwe TELLKAMP berühmt wurde. Die AfD kam im Wahlkreis 7 auf 20,7 % und wurde dort zweitstärkste Kraft hinter der CDU, die mit nur 0,4 % vorne lag. Der Soziologe Karl-Siegbert REHBERG spricht von den Bewohnern des Villenviertels Weißer Hirsch als einem "Refugiumsbürgertum" (vgl. "Die verleugnete Klasse", 2019):

"Der Erfolg des mit dem Deutschen Buchpreis 2008 ausgezeichneten und keinesfalls nur in Dresden begierig gelesenen Romans »Der Turm« von Uwe Tellkamp (2008) belegt das in atmosphärischer Dichte. Es gelingt ihm das erinnernde Eintauchen in eine Bürgerlichkeit, die ich lange zuvor schon »Refugiumsbürgertum« genannt hatte (Rehberg 1999, S.46)(...). Eingekapselt in der DDR konnten sich diese Kreise vielleicht genuiner erhalten als in den Modernisierungsprozessen Westdeutschlands." (S.135)

AISSLINGER erzählt uns noch einmal das Narrativ vom neurechten Netzwerk, in dem Schriftsteller und Verleger die intellektuelle, bildungsbürgerliche Elite darstellen.

"Den Autor Tellkamp habe man ganz früh entdeckt, sagt Kositza, lange vor seinem Bestseller Der Turm. Sie seien schon Leser des Eisvogels gewesen. In diesem, Tellkamps Romandebüt, geht es um einen Philosophen, der Mitglied einer rechten Terrorgruppe wird, im Grunde seines Herzens aber ein Guter ist",

fasst AISSLINGER die zentrale Bedeutung von Uwe TELLKAMP für das neurechte Bildungsbürgertum zusammen. Auf dieser Website wurde beim Erscheinen des Debütromans im Jahr 2005 die Position von Volker WEIDERMANN kritisiert, der in der "neuen Ernsthaftigkeit" nicht den Keim eines wahrhaftigen Widerstands sehen wollte, sondern ihn als postmodernes Spiel mit Pathos auffasste. Dies lächerlich zu machen, war die einzige Reaktion darauf. WEIDERMANN empörte sich damals per Email über diese Sichtweise. Aber letztlich zeigt sich, dass der Kulturbetrieb unfähig war, die Bedeutsamkeit des Autors für das rechte Spektrum zu erkennen. Damals hieß es auf dieser Website:

"Warum wirkt WEIDERMANNs Ironie hier so vollkommen deplatziert? Der größte Fehler der Ironiker ist, dass sie die Pathetiker nicht ernst genug nehmen. Nicht umsonst hat BUSH in Amerika die Wahlen gewonnen. Und in Deutschland hat Rot-Grün nicht einmal mehr im eigenen Lager den nötigen Rückhalt. Ganz davon abgesehen, dass Rot-Grün nur noch formal regiert, tatsächlich aber von der Opposition die Themen diktieren lassen muss. WEIDERMANN agiert genauso hilflos wie Gerrit BARTELS in der taz. Beide mögen sich im Zeichenkosmos der Popkultur zurecht finden, aber wenn sie ihn verlassen müssen, sind sie hilflos und blind! Hat jemand Hitler ernst genommen, bevor er an der Macht war? Nicht dass die Patheker mit ihrer Lagebeschreibung recht haben ist das Problem, sondern dass die Ironiker ihnen die Lagebeschreibung gänzlich überlassen haben. Pathetiker müssen ernst genommen werden. Setzen wir ihnen also eine andere Lagebeschreibung entgegen..." (10.04.2005)

Rund 15 Jahre später zeigt sich, dass unser linksliberales, kosmopolitisches Milieu den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen hat. Man freut sich, dass die AfD (noch) nicht stärkste Kraft wurde, obwohl die Basis der Macht von CDU, SPD und Linkspartei in Brandenburg und Sachsen längst erodiert ist. Das politische Gebälk, das Michael KRETSCHMER oder Dietmar WOIDKE derzeit trägt, ist längst morsch!

"Es gehört zum Selbstverständnis der bundesdeutschen Demokratie, dass Rechte und Rechtsradikale ihre Gedanken verbreiten dürfen, selbst wenn sie menschenfeindlich sind. Aber es gehört eben auch dazu, dass man sich ihnen mit Worten in den Weg stellen darf",

erklärt uns AISSLINGER. Rechte kümmert es wenig, wenn man sich ihnen nur mit Worten oder per Zivilgesellschaft in den Weg stellt. Ihre Vertreter interessieren sich für die Schalthebeln der Macht - nicht nur in der Politik. Auf diesem Weg sind sie längst weiter gekommen, als dies die jetzigen Wahlergebnisse vermuten lassen.

"Die DDR existierte nur 40 Jahre. Doch sehen manche Ostdeutsche im vereinigten Deutschland eine Art Fortsetzung der DDR, eine neue alte Meinungsdiktatur",

meint AISSLINGER. Diese Sicht findet sich längst auch schon in der traditionsreichen Neuen Zürcher Zeitung:

"Die Bundesrepublik lässt sich nicht mit der DDR vergleichen. Allerdings findet die Meinungsfreiheit unter den Bedingungen eines als übermächtig empfundenen westdeutschen Diskurses statt. Das bringt wieder manchen zum Verstummen. Die Stimme für die AfD ist ein Ventil für die Schizophrenie auch im neuen Deutschland",

schreibt Eric GUJER ("Die Machtverhältnisse sind klar", NZZ 31.08.2019), der die ZEIT als Wahlhelfer der AfD sieht:

"Die, sagen wir es ruhig, patriotische Aufgabe, der Entfremdung entgegenzutreten, fällt vor allem dem Westen als stärkere Seite zu. Liest man jedoch was Politik und Medien dazu zu sagen haben, muss man an der Bereitschaft zweifeln. Man appelliert an die Einheit und fördert die Spaltung. Die Hamburger »Zeit« empfiehlt für den Umgang mit den widerspenstigen Landsleuten kurz und bündig: »Ignoriert den Osten!« Wie viele Westdeutsche den Satz wohl klammheimlich teilen? Die AfD freut sich jedenfalls über diese Wahlhilfe."

In dem zitierten Artikel vom 13.06.2019 schreibt Mark SCHIERITZ:

"Den Umfragen zufolge kommt die AfD in den Bundesländern, in denen im Herbst gewählt wird, auf ungefähr 20 Prozent. Das sind etwa 1,7 Millionen Wähler, was wiederum rund zwei Prozent der Bevölkerung Deutschlands entspricht. Wenn die von vielen erwartete Diskursverschiebung nach den Ostwahlen stattfände, dann hätten zwei Prozent der Bevölkerung dem Rest des Landes ihre Agenda aufgedrängt."

Allein in Brandenburg und Sachsen lagen die Wahlergebnisse über diesen prognostizierten Zahlen, ganz davon abgesehen, dass die AfD auch im Westen deutlich zulegen wird, dank unserer überheblichen Eliten, die nur die Spitze des Eisbergs sehen wollen. 

HÄHNIG, Anne (2019): Wer ist eigentlich mein Vermieter?
Unsere Autorin hat den Besitzer ihrer Leipziger Wohnung noch nie gesehen, denn der kommt wie so viele Vermieter hier, aus Westdeutschland. Wie kam es dazu, dass so viel in den Städten des Ostens dem Westen gehört?
in:
Die Zeit Nr.36 v. 29.08.

BARTSCH, Michael (2019): Tief in ihr steckt der Punk.
Landtagswahl in Sachsen: Katja Meier: Die Spitzenkandidatin der sächsischen Grünen rockt vielleicht bald zusammen mit der CDU,
in:
Freitag Nr.35 v. 29.08.

Michael BARTSCH sieht in Katja MEIER bereits eine grüne Ministerin. Er beschreibt einen Wahlkampfauftritt von MEIER (Wahlkreis 37 Meißen 1) zusammen mit Robert HABECK in einer Traditionsnudelfabrik in Riesa.

LASCH, Hendrik (2019): Charmeoffensive am Klapptisch.
Landtagswahl in Sachsen: Wie Kandidaten der Linken in Sachsen darum kämpfen, dass ihre Partei im Landtag nicht an Bedeutung verliert,
in:
Neues Deutschland v. 29.08.

Hendrik LASCH stellt uns eine chancenlose Direktkandidatin der Linkspartei im Wahlkreis 57 Görlitz 1 und einen chancenreichen Direktkandidaten im Wahlkreis 29 Leipzig 3 vor:

"Antonia Mertschnig (ist)(...) Direktkandidatin im Wahlkreis 57 (...).
Kathrin Kagelmann (...) war Mertschings Vorgängerin als Direktkandidatin und saß im Kreistag. Ihre Fraktion habe »sehr gute Arbeit« geleistet (...). Honoriert werde das nicht, sagt Kagelmann, die auf ihr Mandat verzichtet hat. Stärkste Fraktion wurde mit Abstand die AfD. Im Landtag ist ein ähnlicher Erfolg am Sonntag nicht ausgeschlossen. (...).
Mertsching (kommt)(...) aus einem Dorf in der Niederlausitz mit 52 Einwohnern. (...). (Ihre) potenziellen Wähler (...) sind oder waren Kumpel und Kraftwerker und ringen mit der Vorstellung, dass es mit der Kohle in weniger als 20 Jahren vorbei sein könnte. (...).
Auf dem Listenparteitag der Linken sagte Mertsching (...), es sei leichter »die Roten grün zu machen als die Grünen rot«. (...). Die Delegierten waren angetan und setzten sie auf den sicheren Platz 13."

Tatsächlich ist Antonia MERTSCHNIG über Platz 13 noch in den Landtag gekommen. Platz 14 hätte nicht mehr gereicht.

"Auch für den nächsten Sonntag galt der AfD-Kandidat im Wahlkreis 57 lange als Favorit. Jetzt scheint die CDU aufgeholt zu haben; Mertsching aber gilt als weitgehend chancenlos",

meint LASCH. Tatsächlich gewann den Wahlkreis 57 Görlitz 1 nicht die CDU, sondern die AfD.   

LACHMANN, Harald (2019): Ein Sahnehäubchen für Hoyerswerda.
Landtagswahl in Sachsen: In der Stadt, in der einst Computer-Erfinder Konrad Zuse lebte, entsteht eine High-Tech-Schmiede für IT-Experten,
in:
Neues Deutschland v. 29.08.

LOCKE, Stefan (2019): Zuversicht aus Trotz.
In Sachsen hat es die SPD seit jeher schwer. Die Polarisierung zwischen AfD, CDU und Grünen lässt ihre Umfragwerte abermals in den Keller rutschen. Doch Dulig kämpft,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.08.

Foto: Bernd Kittlaus 2018

STEPPAT, Timo (2019): Unter verschärften Bedingungen.
Pia Findeiß wurde als Oberbürgermeisterin von Zwickau über Jahre bedroht. Viel konnte sie dagegen nicht machen. Auch Anzeige will sie nicht mehr erstatten,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.08.

WEBER, Julian (2019): Die meisten haben die Klappe gehalten.
Chemnitz: Die Wirtschaft wird's schon richten, und der Feind steht links. Die sächsischen Probleme haben mit der CDU zu tun, sind sich Musiker und Künstlerinnen in Chemnitz einig. Ein Besuch im ehemaligen "Sächsisch-Manchester",
in:
TAZ v. 30.08.

NIEJAHR, Elisabeth (2019): Perlen des Ostens.
Aus Angst vor der AfD zieht die Politik die verfehlte Subventionspolitik für Ostdeutschland weiter durch. Doch es fehlt nicht an Geld - eher an Machern,
in: WirtschaftsWoche
Nr.36 v. 30.08.

"Glashütte in Sachsen zum Beispiel. Das Zentrum des Uhrmacherhandwerks und der Stammsitz mehrerer global erfolgreicher Unternehmen könnte sich über die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland freuen. Wenn die AfD nicht ausgerechnet hier immer wieder herausragende Ergebnisse erzielen würde. Die Versorgung mit Kitaplätzen und anderen öffentlichen Dienstleistungen ist gut in Glashütte, die Fassaden in der Innenstadt sind frisch gestrichen, ein Uhrenmuseum lockt Touristen an, und gerade einmal 32 Geflüchtete leben hier. Lassen sich Populisten mit Subventionen und Sozialpolitik bekämpfen? In Glashütte sicher nicht",

meint Elisabeth NIEJAHR. Bei der Gemeinderatswahl im Mai stimmten nur 19,8 % für die AfD. Bei der Landtagswahl 2019 waren es dagegen 35,0 %. Damit lag die AfD vor der CDU. Im Wahlkreis 49 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 2, zum dem Glashütte gehört, blieb die AfD (30,0 %) hinter der CDU (33,1 %) zurück. Das Direktmandat im Wahlkreis 49 konnte die AfD nicht gewinnen. Es hätte schlimmer sein können, denn in Hartmannsdorf-Reichenau, das im selben Wahlkreis liegt, erhielt die AfD 38,8 % und der Direktkandidat der AfD kam sogar auf 41,1 %. In den Wahlkreisen 50 und 51 des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dominierten die AfD noch stärker. Dort gewannen die Direktkandidaten der AfD ihre jeweiligen Wahlkreise.

Fazit: Wer Strukturpolitik als Sozialpolitik diffamiert, der könnte in 5 Jahren sein blaues Wunder erleben, falls die zukünftige, fragile Koalition in Sachsen überhaupt eine solch lange Wahlperiode überlebt.  

NIEJAHR, Elisabeth (2019): "Bauten Nazis meine Uhr"?
Seit den Wahlerfolgen der AfD stellen Kunden des sächsischen Uhrenherstellers Nomos Glashütte kritische Fragen. CEO Uwe Ahrendt über einen Balanceakt,
in: WirtschaftsWoche
Nr.36 v. 30.08.

Elisabeth NIEJAHR interviewt Uwe AHRENDT, der von der CDU zu den Grünen konvertiert ist.

SCHMIDT, Christina (2019): Der Dauerredner.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer grillt Bratwürste und redet auch mit Bürgern, die ihn anschreien. Reicht das, seine CDU wieder zur stärksten Partei zu machen - und die Gesellschaft zu befrieden?
in: WirtschaftsWoche
Nr.36 v. 30.08.

DUNKEL, Monika (2019): Die Mauer in den Taschen.
Sachsen war das ostdeutsche Vorzeigebundesland: mehr Wachstum, weniger Arbeitslose als die Nachbarn. Trotzdem dürfte die Wut der Bürger die AfD bei den Wahlen weit tragen. Wo kommt dieser Frust her?
in:
Capital Nr.9, September

LANDESWAHLLEITERIN (2019): Landtagswahl 2019: Vorläufiges Ergebnis der Wahl.
in: wahlen.sachen.de v. 02.09.

Die Wahlen in Sachsen zeigen wieder einmal, wie die Umfrageinstitute ticken. Die folgenden Tabelle zeigt die Ergebnisse der CDU-freundlichen Forschungsgruppe Wahlen, die noch kurz vor der Wahl eine Umfrage veröffentlichte:

  CDU AfD Linke Grüne SPD FDP
Landeswahlleiterin (vorläufiges Ergebnis v. 02.09.2019 32,1 % 27,5 % 10,4 % 8,6 % 7,7 % 4,5 %
ZDF-Forschungsgruppe Wahlen (Umfrageergebnisse v. 29.08.2019)   32,0 % 24,5 % 14,0 % 11,0 % 8,5 % 5,0 %
Abweichung Umfrage/Wahlergebnis - 0,1 % - 3,0 % + 3,6 % + 2,4 % + 0,8 % + 0,5 %

Das "Meinungsbildungsinstitut" hat zwar das CDU-Ergebnis ziemlich genau wiedergegeben, jedoch die Ergebnisse der anderen Parteien entsprechend der sozialen Erwünschtheit verzerrt. Das Ergebnis der Linkspartei wurde am stärksten überschätzt, während das der AfD am stärksten unterschätzt wurde.

Aus der folgenden Tabelle ist die Verteilung der Sitze im sächsischen Landtag ersichtlich. Die AfD kann gemäß dem vorläufigen Endergebnis einen Sitz nicht besetzen: 

  Gesamtzahl
der Sitze
CDU AfD Linke Grüne SPD
Anzahl Direktmandate   41 15 1 3 0
Anzahl Listenplätze     4 23 13 9 10
Anzahl der Sitze 119 45 38 14 12 10
Gewinn/Verlust zu 2014 126 - 14 + 24 - 13 + 4 - 8

Aus der folgenden Tabelle sind die AfD-Kandidaten ersichtlich, die ihren Wahlkreis gewonnen haben:

Wahlkreis Name des AfD-Gewinners Listenplatz 1-30 Election-
Prognose
30.08.2019
Wahlkreisprognose.de-
Prognose
23.08.2019
Wahlkreisprognose.de-
Prognose
30.08.2019
1 Vogtland 1 SCHAUFEL, Dietmar Frank nein CDU AfD CDU
15 Erzgebirge 3   THUMM, Thomas nein CDU CDU CDU
19 Mittelsachsen 2 WEIGAND, Rolf ja CDU AfD CDU
21 Mittelsachsen 4

KUPPI, Lars

nein CDU CDU CDU
36 Nordsachsen 3 PETZOLD, Gudrun nein CDU CDU CDU
37 Meißen 1 HÜTTER, Carsten ja CDU AfD CDU
38 Meißen 2 BEGER, Mario ja AfD AfD CDU
39 Meißen 3 KIRSTE, Thomas nein CDU AfD CDU
50 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 3 ZWERG, Jan-Oliver Aldo ja AfD AfD AfD
51 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 4 TEICHMANN, Ivo ja AfD AfD CDU
52 Bautzen 1 PESCHEL, Frank ja CDU AfD CDU
54 Bautzen 3 SCHREYER, Timo nein CDU CDU CDU
55 Bautzen 4 SCHWIETZER, Doreen nein CDU AfD CDU
57 Görlitz 1 KUHNERT, Roberto nein CDU CDU CDU
59 Görlitz 3 KUMPF, Mario ja AfD AfD CDU

Die grün markierten Direktkandidaten sind für die AfD besonders wichtig, weil sie nicht auf den ersten 30 Listenplätzen stehen und deshalb die Anzahl der Sitze im sächsischen Landtag erhöhen. Außerdem zeigt der Vergleich der Prognosen von wahlkreisprognose.de, dass das Ergebnis kurz vor dem Wahltag schlechter war als eine Woche zuvor, als statt der zwei noch 15 Wahlkreise für die AfD gewinnbar erschienen.

Für taktische Wähler waren die beiden Prognose-Websites wenig hilfreich, da sie wenige Tage vor der Wahl die 8 wichtigen Wahlkreise der AfD als gewinnbare CDU-Wahlkreise einstuften. Zu diesem Fehlschluss haben sicher auch die Umfragewerte der ZDF-Forschungsgruppe Wahlen mitbeigetragen.

POLLMER, Cornelius (2019): Wachstumsschmerzen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: In der sächsischen Stadt Meißen sind alte Gewissheiten schon länger verloren gegangen, links wie rechts. Und: Die Menschen haben sich politisiert. Das jedenfalls ist eine gute Nachricht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 02.09.

ENDT, Christian (2019): Erstaunliche Differenzen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Auch wenn Wählerumfragen oft nah am späteren Wahlergebnis liegen: Prognosen sind sie nicht. Das hat dieser Sonntag deutlich bewiesen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 03.09.

In der Regel wird die Problematik von Umfrageergebnissen kurz vor den Wahlen erläutert, dass dies nun hinterher geschieht, zeigt, dass solche Fehldeutungen im Grunde erwünscht waren:

"Immer wieder mahnen Meinungsforscher zur Vorsicht, dennoch interpretieren Wähler und auch Journalisten die Umfragen oft als Wahlprognosen. Das liegt auch daran, dass die Zahlen der Befragungsinstitute dem Wahlergebnis meistens eben doch sehr nahe kommen. Der Anspruch, gegen den sich die Meinungsforscher wehren, ist eine Folge der Qualität ihrer Arbeit.
Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen stellen da eine Ausnahme dar. In beiden Ländern weicht das Wahlergebnis zum Teil deutlich von allen Umfragen ab, die in den Tagen vor der Wahl erschienen sind",

erzählt uns Christian ENDT. Als in den USA Hillary CLINTON gegen TRUMP verloren hatte, wurde das den Meinungsforschern angelastet. Bei ENDT steht nun die Frage im Mittelpunkt, warum die Abweichungen zwischen Umfrage und Wahlergebnis teils jenseits der Fehlertoleranzen lag. Diese Fragestellung ist im Grunde nur sinnvoll, wenn Umfrageergebnisse mit Prognosen verwechselt werden. ENDT unterliegt also selber dem Irrglauben, den er zu erklären vorgibt.

Die Fragestellung muss deshalb eine andere sein, nämlich: Auf welchen Annahmen zum Wählerverhalten beruhen Umfrage-Fragestellungen und Auswertungen des Antwortverhaltens. Wie bereits gestern auf dieser Website aufgezeigt, führt die Veröffentlichung von Umfragewerten (Ursache) zu taktischem Wahlverhalten (Reaktion), jener Wähler, die nicht auf eine Partei fixiert sind (Stammwähler). Kein Artikel in einer Zeitung, die ohne Verweis auf Umfragen auskam. Dabei handelt es sich aber um Momentaufnahmen, die wiederum das Wahlverhalten ändern können. Das geschah bei diesen Landtagswahlen besonders stark. Es handelte sich angeblich um eine "Schicksalswahl" und die Frage, wer die stärkste Partei sein wird: die etablierte stärkste Partei oder die AfD, prägte das Wahlverhalten besonders und machte eine Orientierung an Umfragewerten geradezu zum Muss, mit zweifelhaftem Erfolg wie gestern belegt wurde.

ENDT nennt aber einen zweiten Faktor: die Wahlbeteiligung:

"Meinungsforscher müssen mit ihren Umfragen schließlich zwei Dinge herausfinden: Erstens, welcher Partei die Befragten gerade zuneigen, und zweitens, ob sie beabsichtigen tatsächlich zur Wahl zu gehen. Letzteres wird durch die sogenannte soziale Erwünschtheit erschwert: Nicht jeder gibt am Telefon zu, dass sein politisches Interesse womöglich nicht ausreicht, um den Weg zum Wahllokal auf sich zunehmen."

Dies ist natürlich Unsinn, denn soziale Erwünschtheit verfälscht nicht nur die Wahlbeteiligung, sondern auch die Neidung, eine Partei den Vorzug zu geben. Wenn Klimaschutz gerade in den Medien gehypt wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Grünen genannt werden, größer als wenn gerade andere Themen im Mittelpunkt stehen.

Der Hinweis, dass die "Daten mehrer Institute" verglichen werden sollen bzw. die Fehlertoleranzen zu beachten sind, kommt zu spät und hätte seriöserweise vor dem Wahltag kommen müssen!

BIELICKI, Jan (2019): Das Gefühl, zu kurz zu kommen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Die AfD ist vor allem in strukturschwachen Regionen stark. Doch das allein erklärt nicht ihren Erfolg. Die Partei zieht, so zeigt sich in Wahlanalysen, vor allem Arbeiter an. Und vor allem in Sachsen teilt ein Großteil ihrer Wähler ihre Politik,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 03.09.

"Östlich des 15. Längengrades gibt es (...) Zentendorf, Deschka, Zodel und gehören alle zur sächsischen Gemeinde Neißeaue. (...). 1724 Einwohner lebten zuletzt in Neißeaue. 895 haben bei der Landtagswahl eine Listenstimme abgegeben. Drei wählten die KPD, (...) aber 433 die AfD (...), genau 48,4 Prozent. Damit ist Neißeaue die Gemeinde mit dem höchsten Stimmenanteil in Sachsen. Das war schon bei der Europawahl im Mai so.
Und es spiegelt einen groben geografischen Trend: Je weiter es in Brandenburg und Sachsen Richtung Osten geht, desto besser war am Sonntagabend das Wahlergebnis. 13 ihrer 15 sächsischen Direktmandate gewann die Partei in der östlichen Hälfte des Landes. (...). Und der Osten beider Bundesländer wäre auf den Wahllandkarten noch blauer eingefärbt gewesen, hätten dort nicht auch die beiden prominentesten Direktbewerber kandidiert: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gewann seinen Wahlkreis Görlitz I (Anm.: Es handelt sich um Görlitz 2) ebenso wie wenige Kilometer nördlich sein Brandenburger Amtskollege Dietmar Woidke (SPD) den seinen namens Spree-Neiße I - und das, obwohl in beiden Wahlkreisen die AfD die meisten Zweitstimmen abräumte",

erzählt uns Jan BIELICKI. Das mit Neißeaue (Wahlkreis 57 Görlitz 1) ist natürlich eine schöne Story, aber die AfD hat auch in Lampertswalde (Wahlkreis 38 Meißen 2) 48,4 Prozent der Stimmen erreicht. Dort haben nicht nur 433 Wahlberechtigte, sondern sogar 660 Menschen die AfD gewählt. Bei der Erststimme waren es sogar 50,7 Prozent für den AfD-Direktkandidaten.

BIELICKI greift u.a. auch auf Wahlanalysen der Forschungsgruppe Wahlen zurück, diese werden aber sehr selektiv und verzerrt wiedergegeben. So wird dick hervorgehoben, dass in Sachsen nur 28 % der AfD-Wähler einen Denkzettel verpassen wollten, aber 70 Prozent ihre Positionen teilen. Wenn man aber dann mitbedenkt, dass sich 70 Prozent der AfD-Wähler als Bürger zweiter Klasse behandelt fühlen und dies nicht als Protest, sondern als "inhaltliche Übereinstimmung" gewertet wird. Dann lassen sich daraus ganz andere Schlüsse ziehen, als wenn man diese 70 Prozent als Nazis oder Rassisten betrachtet. Es muss also ganz genau hingeschaut werden. Schließlich kamen viele AfD-Wähler auch von der Linkspartei.

BECKER, Kim Björn (2019): Abgehängt in Sachsen.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Lange hat die CDU die Politik im Freistaat dominiert, ihre Direktmandate waren eine Bank. Diese Zeit ist nun vorbei,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.

"(Matthias Reuter) wollte (...) am Sonntag in den sächsischen Landtag einziehen, Wahlkreis Görlitz 3, eine ländliche Gegend mit etwa 50.000 Wahlberechtigten. Doch Reuter hat verloren. Sein Gegner von der AfD bekam 1.468 Erststimmen mehr. Der wird jetzt Abgeordneter. (...).
Reuters Vorgänger Heinz Lehmann schaffte es seit der Wende immer wieder auf seinen Abgeordnetensitz in Dresden. Bei dieser Wahl trat Lehmann nicht mehr an, er ist jetzt 68 Jahre alt, Reuter war der Neue. (...)",

porträtiert Kim Björn BECKER einen CDU-Verlierer, der dem CDU-Gewinner Marko SCHIEMANN (Wahlkreis 56 Bautzen 5) gegenübergestellt wird.

DECKERS, Daniel (2019): Ende der asymmetrischen Mobilisierung.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: In Sachsen bewegen sich alle Parteien links der AfD auf sehr dünnem Eis. Das Land ist in sich tief gespalten,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.

Daniel DECKERS ist bei der FAZ für Kirche und Wahlstatistik zuständig. Das ist eine Kombination, die auf den ersten Blick merkwürdig erscheint. Tatsächlich hat die Statistik gewissermaßen die Rolle der Kirche in vormodernen Gesellschaften auf die moderne Gesellschaften übertragen. Sie ist eine Autorität in der Wissensgesellschaft geworden, die im kosmopolitischen Milieu für Wahrheit steht. Ein Monopol, das durch die AfD gebrochen zu werden droht, so jedenfalls die herrschende Sicht.

DECKERS hat sich von Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap jene Erklärungsmuster herausgepickt, die zur Blattlinie passen:

"Für die Mobilisierung potentieller CDU-Wähler haben (...) - so hat es die Forschungsgruppe Wahlen ermittelt - nicht das Ansehen der Union oder die Arbeit der von ihr geführten Koalitionsregierung mit der SPD den Ausschlag gegeben, sondern der Ministerpräsident und Spitzenkandidat Michael Kretschmer.
(...).
Wie infratest dimap zeigen konnte, bestehen eher Zusammenhänge zwischen einem negativen Wanderungssaldo, einer starken Alterung und zurückgehender Wirtschaftsleistung einerseits und der Bereitschaft, AfD zu wählen, andererseits".

Letztere Zusammenhänge hat jedoch bereits das DIW vor rund zwei Wochen anhand der Europawahlergebnisse 2019 behauptet. Gab KRETSCHMER den Ausschlag oder nicht etwa die Anti-AfD-Kampagne? Das Abschneiden von KRETSCHMER als Direktkandidat zeigt, dass der Ministerpräsident nicht in der Lage war, durch die Mobilisierung von CDU-Anhängern die AfD zu schlagen. Im Gegenteil war er auf die Wähler mit anderen Parteipräferenzen angewiesen.

Fazit: Die FAZ schreibt sich den sächsischen Ministerpräsidenten schön. Die Koalitionsverhandlungen werden zeigen müssen, ob die Grünen sich mit ihrer Anti-AfD-Propaganda nicht eine gute Ausgangsposition verbaut haben. Die Grünen könnten in Sachsen das Schicksal der SPD im Bund erleiden: zu schwach, um ihre Positionen zum Kohleausstieg durchzusetzen. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand und KRETSCHMER könnte ihnen die Bedingungen des Anti-AfD-Bündnisses diktieren, denn letztlich ist das Verbot einer CDU/AfD-Koalition keineswegs so strikt wie das rhetorisch erscheint.

SCHULZ, Daniel/BARTSCH, Michael/REINECKE, Stefan (2019): Letzter Warnschuss.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Görlitzer Bürger, die Parteispitzen in Berlin, eine Grüne in Bautzen: Nach den Wahlen versuchen sich alle in Erklärungen,
in:
TAZ v. 03.09.

SCHULZ/BARTSCH/REINECKE ergehen sich in Heldengeschichten des Anti-AfD-Bündnisses. Da geht es um die symbolischen Kämpfe in den Wahlkreisen 58 Görlitz 2 und 56 Bautzen 5. Zu Bautzen äußert sich die gescheiterte grüne Oberbürgermeisterkandidatin Franziska SCHUBERT:

"Sie verweist auf Bautzen, wo AfD-Landeschef Jörg Urban gegen einen alten CDU-Mann verloren hat, der noch die sächsische Verfassung mit ausgearbeitet hat. Ausgerechnet in Bautzen, wo es eine starke rechtsradikale Szene gibt (...).
Fazit: Die Situation sei schlimm, aber wenigstens nicht schlimmer geworden."

Der Maßstab für den Erfolg des Anti-AfD-Bündnisses wird folgendermaßen beschrieben:

"Auch bei der CDU ist der GAU ausgeblieben - ein Sieg der AfD in Sachsen und ein möglicher Putsch der CDU-Rechten gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer."

Es wird Sylvia PANTEL, CDU-Bundestagsabgeordnete und Sprecherin des konservativen Berliner Kreises zitiert. Sie bewertet die Auftritte von Hans-Georg MAAßEN als Erfolg, weil er konservative Wähler an die CDU gebunden hat.   

NEUES DEUTSCHLAND-Tagesthema: Nach den Landtagswahlen in Sachsen

LASCH, Hendrik (2019): An Kenia führt kein Weg vorbei.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Die AfD ist in Sachsen nur von der Regierung fernzuhalten, wenn sich CDU, SPD und Grüne zusammenraufen,
in:
Neues Deutschland v. 03.09.

"Sachsens AfD (...). 39 Mandate hatte sie errungen, aber neun drohten unbesetzt zu bleiben (...): Eine Koalition von CDU und Grünen schien möglich.
Inzwischen ist klar: Sachsen steuert auf eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen zu",

erklärt uns Hendrik LASCH. Man könnte das auch anders sehen: Die Anti-AfD-Bündnisse sind auf Wahlkreisebene mehrheitlich gescheitert! Das lag auch an der Fixierung auf die gehypten AfD-Kandidaten, wodurch andere AfD-Kandidaten ihr Soll erfüllen konnten.

LASCH sieht Michael KRETSCHMERs Position gestärkt, weil die CDU-Kandidaten, die sich mit Hans-Georg MAAßEN zeigten, und dem Dunstkreis der Werte-Union zugeordnet werden, abgestraft worden seien.

Den Sieg im Wahlkreis 58 Görlitz 2 hat Michael KRETSCHMER jedoch auf Basis seiner CDU geschafft, was seine Position schwächt. Dass die Zugeständnisse an seine Koalitionspartner in SPD und Grünen gering ausfallen werden, mag stimmen. Die Grünen jedoch haben ihre Verhandlungsposition von vorneherein geschwächt, indem sie sich als Anti-AfD-Partei positioniert haben. Warum sollte also KRETSCHMER dann überhaupt in Sachen Klimaschutz Zugeständnisse machen? Den Grünen könnten also ihre Versprechungen noch sehr weh tun!  

KAHRS, Horst (2019): Die Deutungsmacht verloren.
Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg: Frühere Wähler der Linken haben sich in Sachsen und Brandenburg für unterschiedliche Parteien entschieden,
in:
Neues Deutschland v. 04.09.

Horst KAHRS interpretiert lediglich die Daten von infratest dimap hinsichtlich ihrer Relevanz für die Linkspartei. Die Entwicklung der Linkspartei teilt KAHRS in vier Phasen ein: 2008 - 2010: Hochzeit , 2010 - 2014: Enttäuschung der Wähler über die Erfolglosigkeit der Partei, 2014 - 2017 Abwendung jüngerer Menschen, denen Umweltschutz wichtiger ist. Insgesamt ist die Analyse wenig weiterführend, sondern zeigt nur die desolate Lage der Partei und ihrer Analysten.

SCHULTE, Ulrich (2019): "Nicht alles, was AfD-Wähler stört, ist fiktional".
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Was hilft gegen die AfD? Wahlforscher Matthias Jung erklärt, was man aus den Wahlen in Sachsen und Brandenburg lernen kann. Parteien müssen Ängste mit Konzepten kontern,
in: TAZ
v. 06.09.

"Parteien müssen allgemeine Zukunftsängste und vor allem die Furcht, abgehängt zu werden, ernst nehmen und mit Konzepten kontern. Das ist in Sachsen und Brandenburg nicht ausreichend gelungen. Taten helfen mehr, als alle AfD-WählerInnen als Unmenschen zu klassifizieren",

meint Matthias JUNG, der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, die das CDU-freundliche Politikbarometer erstellt. JUNG möchte die SPD wieder auf Agenda-Kurs bringen, denn:

"In der Mitte ist Platz genug für alle. Dort erorten sich nämlich 70 Prozent der WählerInnen, das zeigen unsere Studien. Unsere Gesellschaft wird ja interessanterweise konformer, obwohl es hohe Individualitätsansprüche gibt."

Die Mitte ist ein Illusion, die wie eine Seifenblasen schnell zerplatzen kann.

LEHMANN, Anna (2019): Die linke Krise.
Die Linkspartei ist in Brandenburg und Sachsen auf das Ergebnis von 1990 zurückgefallen. Mit dem Ende als Ostpartei steht auch ihre Existenz als bundesweite Kraft auf dem Spiel. Wie soll es weiter gehen?
in: TAZ
v. 07.09.

"Verena Meiwald (...), 53 Jahre, saß zehn Jahre für die sächsische Linke im Dresdner Landtag. Seit Sonntag ist die einstige sportpolitische Sprecherin raus. Ihr Listenplatz 19 galt eigentlich als sicher: Die Umfragen sagten der Linken Ergebnisse um die 15 Prozent voraus. Doch am Sonntag wählten nur knapp über 10 Prozent der WählerInnen Meiwalds Partei. (...). Das Wahlergebnis traf sie unvorbereitet",

behauptet Anna LEHMANN. Die letzte Umfrage lag bei 14 Prozent. Bei einer Fehlertoleranz von +/- 2 Prozent bedeutet dies, dass die Linkspartei vom 12 - 17 Prozent rechnen musste. Wer in der Linkspartei also unvorbereitet getroffen wurde, hat sich in die eigene Tasche gelogen! Dass das Ergebnis dann sogar unterhalb des Toleranzbereichs lag, ist auch dem Anti-AfD-Wahlkampf zu verdanken.

"Als sich der Bundestag 2017 konstituierte, hatte die Fraktion erstmals deutlich mehr Abgeordnete aus den alten als aus den neuen Ländern. Die taz fuhr damals nach Dipolidiswalde, in das Büro von Meiwalds Kreisverband. Damals schilderten die Mitarbeiter, wie es ist, wenn die Zahl der Mitglieder, die sich ins Jenseits verabschieden, schneller steigt als die Zahl der Neueintritte: das man kaum noch jemanden finde, der als Abgeordneter für den Kreistag kandidiert; dass die Beitragseinnahmen sinken und man daher Mitgliedern zu runden Geburtstagen nur noch Glückwunschkarten statt Blumen schicke. Heute, nur zwei Jahre später, wird das Dippoldiswalder Büro wohl über kurz oder lang geschlossen",

berichtet LEHMANN über den Niedergang der Linkspartei, der sich bereits seit Langem abzeichnet.

BARTSCH, Michael (2019): Der Versteher.
Dirk Neubauer ist SPD-Bürgermeister in Sachsen. Ein Job, der Stoff für ein Buch bietet,
in: TAZ
v. 07.09.

Michael BARTSCH bespricht das Buch Das Problem sind wir von Dirk NEUBAUER, dem Bürgermeister von Augustusburg:

"Die Perspektive des Autors ist (...) die kommunale, der »der politische Kleinstraum«, wie er seine Viereinhalbtausendseelengemeinde fast liebevoll nennt. Seit sechs Jahren ist der 48-jährige Dirk Neubauer hier in Mittelsachsen Bürgermeister. Ins Amt kam er eher zufällig, weil der Ausfall eines Kandidaten plötzlich seinen Ehrgeiz anstachelte, sich verantwortlich einzumischen. Also das vorzuleben, woran er auf 234 Buchseiten appelliert.
Neubauers Perspektive ist neben der des Praktikers auch die analytische eines Journalisten und Medienkenners. Er war Reporter bei der Mitteldeutschen Zeitung, Geschäftsführer eines lokalen Fernsehsenders und Redakteur bei MDR-Jugendprogrammen."

BARTSCH stört insbesondere, dass NEUBAUER nicht die westdeutsche Top-Down-Perspektive auf den Osten übernimmt und die zivilgesellschaftlichen Defizite im Osten anprangert, sondern "Empathie" für die Ostdeutsche empfindet. Für BARTSCH sind die Ostdeutschen selber schuld, dass sie nur der westdeutschen Konsumgesellschaft beigetreten sind.   

NEUES DEUTSCHLAND-Tagesthema: Partei sucht Zukunft

LASCH, Hendrik (2019): Weiße Flecken bei den Roten.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: In Sachsen ist die Linke außerhalb der Städte schwach. Die Wahlniederlage wirft nun schwerwiegende Fragen auf,
in:
Neues Deutschland v. 07.09.

"In (Silvio) Langs Wahlkreis Bautzen 3, der sich vom Dresdner Stadtrand bis fast nach Hoyerswerda erstreckt, hat die Partei 2.892 Stimmen erhalten: 7,8 Prozent. Dem Direktkandidat gaben immerhin 3.134 Wähler ihre Stimme: 8,5 %. Der siegreiche AfD-Mann erhielt fast viermal so viele. (...). Im gesamten Landkreis Bautzen, der gut 300.000 Einwohner hat und fünf Wahlkreise umfasst, leben knapp 500 Genossen, viele von ihnen hoch betagt. Ortsverbände gibt es im Kreis Bautzen 3 nicht mehr. (...). Die Partei ist auf dem Land kaum noch präsent. Kommunalmandate hat sie noch am ehesten in Klein- und Mittelstädten; in Langs Wahlkreis etwa in Radeberg. In Dörfern aber hat sie (...) keine Ansprechpartner. Ohnehin sind Orte wie Wachau (...) »kein Terrain, wo es für uns viel zu holen gäbe«: klassischer Dresdner Speckgürtel, adrette Häuser hinter getrimmten Hecken, wenig soziale Not, 172 Wählerstimmen.
Dass die Linke auf dem platten Land überhaupt noch präsent ist, verdankt sich Büros, die zum guten Teil von Abgeordneten finanziert und von deren Mitarbeitern betreut werden. Lang etwa ist bei der Bundestagsabgeordneten Caren Lay angestellt und arbeitet je zwei Tage pro Woche in Büros in Bautzen und Hoyerswerda. Weitere bestanden in Kamenz und Radeberg; möglich war das weil es mit Marion Junge und Heiko Kosel auch zwei Landtagsabgeordnete aus der Region gab.
Das ist vorbei; in der nur noch 14-köpfigen Fraktion ist der Landkreis Bautzen nicht vertreten, weil seine Vertreter auf der Landesliste zu weit hinten einsortiert wurden. Regionen wie das Vogtland trifft es noch härter; dort ist auch keiner der sechs sächsischen Bundestagsabgeordneten verankert",

beschreibt Hendrik LASCH die desolate Lage der Linkspartei nach der Landtagswahl in Sachsen. Obwohl Antje FEIKS, die die Linkspartei mit dem Listenplatz 3 prämierte, 2017 eine Offensive für den ländlichen Raum versprach, war davon nicht viel zu spüren. Stattdessen blinder Aktionismus im Wahlkampf. Die urbanen Vertreter wie Adam BEDNARSKY, der in Leipzig (Wahlkreis 29) versagte, wollen die verbliebenen finanziellen Mittel natürlich für sich:

"»Wir müssen uns auf die Gegenden konzentrieren, wo noch etwas ist«, sagt Adam Bednarsky, Stadtvorsitzender in Leipzig. Dort holte die Linke ein Fünftel ihrer Zweitstimmen. Auch Mittelstädte wie Hoyerswerda, wo mit Kandidat Ralph Büchner 16,3 Prozent der Erst- und 13,9 Prozent der Zweitstimmen geholte wurden, zählen dazu. Es ist ein Weg, den Parteien wie die Grünen seit Jahren gehen müssen".

Die Linkspartei arbeitet also bereits kräftig an ihrer weiteren Selbstverzwergung.

KALBE, Uwe (2019): Keine Träne dem Protestwähler?
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Eine Linke, die im Kampf gegen Rechts ihre Wähler aufgibt, gibt sich selbst auf,
in:
Neues Deutschland v. 07.09.

"(D)ie Linke (hat) ihren Kompass verloren (...). Partei für alle Menschen zu sein, die wegen ihrer sozialen Stellung benachteiligt sind - so beschreibt Bartsch die sinnstiftende Mission der Linkspartei",

schreibt Uwe KALBE, der die innerparteiliche Debatte um die Zielgruppe der Partei beschreibt.

KALBE, Uwe (2019): Das Image gilt als Wirklichkeit.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Wie sich der Erfolg der AfD erklärt und warum die Linkspartei ihre Funktion als Protestpartei verliert,
in:
Neues Deutschland v. 07.09.

Uwe KALBE interviewt den Politikwissenschaftler Wolfgang SCHROEDER, für den die Kerngruppe der AfD im Osten die "männlichen Facharbeiter mit mittlerem Bildungsabschluss zwischen 24 und 60 Jahren" ist.

"Von der AfD wird nicht erwartet, dass sie im Sinne der Problemlösung wirkt, sondern im Sinne der Protestartikulation. Und diese Problemartikulation im Sinne der Unzufriedenen wirkt. Sie wirkt über das Anti-Establishment-Moment, dass die Linkspartei längst aufgegeben hat",

meint SCHROEDER, der in den "taktischen Wählern" nicht das Hauptproblem der Linken sieht, sondern in der Ausrichtung an den urbanen Milieus:

"Das taktische Wählen (...) kann nur einen kleineren Teil der Verluste erklären. In Brandenburg etwa zwei Prozentpunkte. Damit lässt sich die knappe Halbierung der Stimmen für die Linkspartei allerdings nicht in Gänze erklären. Während die Dimension des taktisch aufgeklärten Linkswählers überbetont wird, ist der seit Längerem zu beobachtende Abstieg der Linkspartei, der von einer Funktionsentmächtigung begleitet wird, unterbelichtet. Der größere Anteil der Verlust ist aber primär mit dieser funktionalen Fehlorientierung im Parteienwettbewerb zu erklären."

GERSTER, Livia (2019): Maaßen schadete der CDU.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Sächsische Gastgeber verloren ihre Wahlkreise. Abgrenzung zur AfD brachte Gewinne,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 08.09.

LASCH, Hendrik (2019): Eine Partei, die nicht mehr weh tut.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: In der sächsischen Linken sucht man nach Ursachen für das Wahldebakel - und ringt mit dessen Folgen,
in:
Neues Deutschland v. 18.09.

Hendrik LASCH sucht keine Ursachen mehr, sondern positioniert sich als Sprachrohr der kosmopolitischen Großstadtpartei. Der ländliche Raum und seine Vertreter wie z.B. Kai GRÜNLER, der als Direktkandidat im Wahlkreis 3 Vogtland 3 alleingelassen wurde, dienen lediglich als abschreckendes Beispiel für die Chancenlosigkeit der Linkspartei im ländlichen Raum. GRÜNLER war 2016 von der Piratenpartei zur Linkspartei gewechselt. Dort hatte er bereits erlebt, was nun auch der Linkspartei im Vogtland und ganz Sachsen passierte:

"Bei der Landtagswahl vor zwei Wochen bracht die Linke von 18,9 auf 10,4 Prozent ein. Im Parlament stellt sie nur noch 14 Abgeordnete, keiner davon aus dem Vogtland. Im Mai hatte die Linke auch bei der Wahl des Kreistags und des Plauener Stadtrats herbe Verluste erlitten. Ein Büro, das die Stadt- und Kreisfraktion sowie die örtliche Landtagsabgeordnete finanzierten, wird sich wohl nicht im bisherigen Umfang halten lassen."

GRÜNLER bringt die Lage im ländlichen Sachen, wo immer noch die Mehrheit der Menschen lebt, auf den Punkt:

"Die personelle Basis im Landkreis ist dünn. Die Landespartei, wettert Grünler, habe Ressourcen in »hippe Büros« in Großstädten gesteckt, pfiffige Ideen für die Provienz wie eine »Tante-Emma-Tour« zur Nahversorgung dagegen erst im Wahlkampf umgesetzt: »Da nahmen uns die Leute das aber nicht mehr ab«.
(...).
Wer als Wähler »Schmerz verursachen«, also Protest artikulieren und damit von der Politik wahrgenommen werden wolle, wähle jetzt AfD."

LASCH jedoch hält es lieber mit Jule NAGEL, die das einzige sächsische Direktmandat für die Linkspartei holte, aber auch dort Probleme sieht, die vermehrt Parteiressourcen erfordern:

"Beispiel Leipzig: Die dortige Abgeordnete Jule Nagel rechnet vor, dass sie in ihrem Wahlkreis im Süden der Stadt zwar genug Erstimmen erhielt, um ihr Direktmandat zu verteidigen. Bei den Zweitstimmen aber lag die CDU vorn."

Sachsen-Anhalt gilt NAGEL als Menetekel der Linkspartei, denn dort habe sich der jetzige Niedergang in Sachsen und Brandenburg bereits 2016 abgezeichnet. Ein weiterer Gewährsmann ist Bruno RÖSSEL, ein 20-jähriger Bewegungslinker, der bei der Kreistagswahl in Bautzen im Wahlkreis 2 antrat und scheiterte, was LASCH unerwähnt lässt. Er hält das Konzept der Kümmererpartei für überholt und plädiert für ein neoliberales Aktivierungskonzept:

"Die PDS habe Sozialberatung für Arbeitslose angeboten und zugleich betont, Hartz IV müsse weg. Das Versprechen wurde nicht umgesetzt. Folge? »Die Leute sagen: Ihr habt es nicht geschafft mit eurem Kümmern«, sagt Rössel: nun sollten es eben andere versuchen.
Rössel (...) hält andere Ansätze für vielversprechender. Die Partei solle »Menschen ermutigen, selbst aktiv zu werden«, sagt er; sie solle »Protest anstacheln und mit Räumen und Ressourcen unterstützen«.

Dieses Aktivierungskonzept entspringt akademischen Mittelschichtgehirnen und eignet sich nicht für die Zielgruppe "Arbeitnehmer", sondern zielt in erster Linie auf die Zielgruppe Student und Akademiker. Man könnte auch sagen: Die Linkspartei schreibt ihre einstige Klientel ab und drängt in die Mitte, wo sich bereits alle tummeln außer der AfD.

Zudem wird die Losung: Aufbruch statt Schockstarre verordnet. Die Linkspartei will sich einerseits stärker profilieren, setzt aber vor allem auf Parteiexpertokratie:

"Viele gut eingearbeitete Fachpolitiker in Bereichen wie Inneres, Justiz, Bildung fehlen in der neuen Fraktion. Manche wurden auf der Landesliste so weit hinten einsortiert, dass sie ohnehin keine Chance gehabt hätten. Andere büßten ihre sicher geglaubten Mandate wegen des Wahldebakels ein. Eine Arbeitsgruppe soll nun die Quadratur des Kreises versuchen: Die Arbeit von weniger Abgeordneten effizient zu gestalten, dass trotzdem mehr davon im Land wahrgenommen wird."

Die Linkspartei setzt vor allem auf "Handwerk" statt auf das Hinterfragen von Positionen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Die Betonung von "guter Regierungsarbeit" oder "Oppositionsarbeit" wirkt wie das Pfeifen im Walde und passt zu einer verstaubten Bürokraten-Partei.     

LASCH, Hendrik (2019): "Verantwortung heißt: Den Übergang organisieren".
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Ex-Spitzenkandidat Rico Gebhardt bleibt Chef der Linksfraktion im sächsischen Landtag. Wie seine Stellvertreter ist er zunächst nur im ersten Jahr der Legislatur im Amt,
in:
Neues Deutschland v. 18.09.

Die sächsische Linkspartei verordnet sich Kontinuität und Konformismus. Hendrik LASCH heult über den Verlust von Fachpolitik in der neuen Landtagsfraktion. Am wichtigsten ist ihm die Finanzexpertin Verena MEIWALD, deren Landeslistenplatz LASCH im April noch als sicher galt (mehr auch hier):

"Diese Expertise wird der neuen Fraktion fehlen.
In die Materie soll sich nun Nico Brunler einarbeiten, der sich bisher um Arbeitsmarktpolitik kümmerte. Fraktionschef Gebhardt wird sich künftig um den Bereich Justiz kümmern, die Antifa-Expertin Kerstin Köditz um Innenpolitik, um Bildung voraussichtlich Luise Neuhaus-Wartenberg."

Sachsen-Anhalt gilt LASCH als Warnung für das, was die Linkspartei in Sachsen als kleinste Oppositionspartei zukünftig erwartet. 

NIMZ, Ulrike (2019): Wo es wehtut.
Landtagswahlergebnisse in Sachsen: Seit Anfang September ist die SPD in Sachsen einstellig, das Land nach rechts gerückt. Wie soll es weitergehen? Ein Bürgermeister hat da ein paar Ideen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 18.09.

Anlässlich der am Montag begonnenen Sondierungsgespräche von CDU, Grünen und SPD, interviewt Ulrike NIMZ den vormals parteilosen und dann zur SPD konvertierten Bürgermeister von Augustusburg, Dirk NEUBAUER, dem Autor des Buchs Das Problem sind wir. Schuld am schlechten Abschneiden ist für ihn die Bundes-SPD, während Martin DULIG als erfolgreicher Spitzenkandidat gelobt wird, der das Partei-Image nicht retten konnte. Er klagt darüber, dass die Wähler über die SPD-Erfolge in Sachsen zu schlecht informiert waren. Der Lehrermangel wird z.B. der CDU angelastet und die Mitschuld der SPD geleugnet. Aber offenbar waren die Wähler keinesfalls schlecht informiert, sondern sie haben schlichtweg kein Vertrauen mehr in die etablierten Parteien, oder wie es NEUBAUER formuliert:

"Viele (...) haben 30 Jahre lang die Erfahrung gemacht, dass ihre Meinung niemanden interessiert. Jetzt haben sie Aufmerksamkeit (...). Wir sind an einem Punkt, wo die Leute uns nur noch das glauben, was sie sehen. Mit Versprechungen kommen wir da nicht mehr weit."

NEUBAUER lobt die neue Dialogkultur von Michael KRETSCHMER, der Bürgermeister der Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern zu Gesprächen eingeladen hat. Doch diese Gesprächskultur ist  zu wenig, denn der CDU ist längst die Machtbasis in den Kommunen weggebrochen.

NEUBAUER, der seit Mai im Kreistag von Mittelsachsen sitzt, ist ein Gegner der Großen Koalition. Im Kreistag von Mittelsachsen ist die SPD auf 9 von 98 Mandaten geschrumpft. Rot-Rot-Grün ist dort mit 25 Sitzen kaum noch stärker als die AfD, die auf 22 Sitze kommt. Im Landkreis Mittelsachsen hat die AfD zwei der fünf Wahlkreise gewonnen. Augustusburg liegt im Wahlkreis 18 Mittelsachsen 1. Dort gewann die AfD zwei Wahlbezirke, 11 gewann die CDU. Das Direktmandat ging an die CDU. In der Stadt Augustusburg lag die CDU bei den Zweitstimmen bei 35,0 % vor der AfD mit 30,96 %. Die SPD wurde zwar drittstärkste Kraft in der Stadt, aber sie erreichte lediglich 8,8 Prozent.

LABERENZ, Lennart (2019): Der Blick geht nach innen.
Gohrisch: Uwe Börner sitzt für die Grünen im Gemeinderat. Dort bildete er mit einem von der AfD und zweien von der CDU eine Fraktion. Wieso das?
in:
Freitag Nr.38 v. 19.09.

"Kurz vor Tschechien liegt Gohrisch, 1.823 Einwohner, zwei Drittel der Gemeindfläche Wald, fast ein Viertel Ackerland. Reisezeit ähnlich einer Fahrt nach München, dabei sind es aus dem Prenzlauer Berg nur 190 Kilometer. Vielleicht liegt es daran, dass man in Gohrisch recht weit am Rand von allem hantiert und eben das ist, was Uwe Börner später schlicht »ein Dorf« nennt",

beschreibt Großstadtmensch Lennart LABERENZ die Gemeinde Gohrisch im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge. Bei der Gemeinderatswahl 2019 kamen die etablierten Parteien von CDU (16,2 %; 2 Sitze), Grüne (8,5 %; 1 Sitz) und Linke (8,1 %; 1 Sitz) gerade einmal auf 4 der 11 Sitze. Die AfD kam auf 22,6 % und 2 Sitze. Die beiden Wählervereinigungen kamen auf 5 Sitze.

Der Fraktionsstatus ermöglicht mehr Rechte im Gemeinderat, was LABERENZ und andere Großstadtjournalisten jedoch nicht als Grund gelten lassen. Aufgrund der zunehmenden Erodierung der Machtbasis der etablierten Parteien in Sachsen - und längst auch anderswo - müssen nun vermehrt symbolische Kämpfe auf der untersten politischen Ebene ausgefochten werden, um eine schleichende Machtübernahme durch Koalitionen der etablierten Parteien mit der AfD zu unterbinden. Mediale Empörung wird damit zum Dauerzustand, was langfristig eher genau dazu führen wird, was eigentlich verhindert werden soll.

Gohrisch liegt im Landtagswahlkreis 51 Sächsische Schweiz/Osterzgebirge 4. In der Gemeinde wurde die AfD bei der Landtagswahl mit 41,3 % stärkste Partei vor der CDU (29,0 %). Sowohl in der Gemeinde als auch im Wahlkreis gewann der AfD-Direktkandidat.

LABERENZ sieht in der Dorfmentalität das Problem:

"Der Nachbar von der AfD, der sich für den Ort einsetzen möchte, ist einem näher, als sein Landesvorsitzender."

Der Großstadtmensch hat dagegen scheinbar das große Ganze im Blick, was auch am unterschiedlichen Politikverständnis liege:

"Mit all dem weisen sie in Gohrisch auf einen anderen Begriff von Politik. Einen, der nicht Streit und Auseinandersetzung schätzt, sondern unbedingt Gemeinsinn herstellen will."

Doch letztlich muss man den Dorftrottel nur zurechtweisen, dann gibt er zumindest die gewünschte Antwort:

"Die Tragweite haben wir so vorher nicht gesehen. Vielleicht würde ich heute anders entscheiden."

Angesichts der Vielzahl von Dörfern in Deutschland, wartet zukünftig eine enorme Aufgabe auf unsere Hauptstadtjournalisten vor der sie wohl kapitulieren werden!

LASCH, Hendrik (2019): Da geht was miteinander.
Sondierungsergebnis in Sachsen: Sondierungen von CDU, Grünen und SPD in Sachsen beendet,
in:
Neues Deutschland v. 05.10.

Beim Sondierungsergebnis heben die Tageszeitungen jeweils unterschiedliche Aspekte hervor, die bei den zukünftigen Koalitionspartnern unumstritten bzw. umstritten sind. Aus der folgenden Tabelle sind die genannten Punkte ersichtlich:

Partei Sichtweise ND 05.10. TAZ 05.10. SZ 05.10.
  Konsens

Daseinsvorsorge im ländlichen Raum;
Ausbau ÖPNV;
Gemeinschaftsschule

Daseinsvorsorge im ländlichen Raum;
Gesellschaftlicher Zusammenhalt;
Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen;
Wohlstand für alle;
Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit;
Einstellung von 700 weiteren Polizisten
Erhalt des vom Tagebau bedrohten Dorfes Pödelwitz
Ungenannt Umstrittene Punkte Vergabegesetz;
Integrationsgesetz;
Parité-Gesetz;
Kennzeichnungspflicht für Polizisten;
Residenzpflicht für Asylbewerber;
Klimaschutz als Staatsziel;
Beitragsfreiheit in Kitas;
Nachflugverbot;
Baumschutz;
Wölfe
Vergabegesetz;
Straßenbauprojekte;
Strukturen des Verfassungsschutzes;
 
CDU Wichtige Punkte     Kohleausstieg 2038
  Umstrittene Punkte   Gemeinschaftsschule;
Bildungsfreistellungsgesetz
 
Grüne Wichtige Punkte   Förderung Rad- und Fußverkehr;
Masterplan Energie und Klimaschutz;
Vollversorgung durch erneuerbare Energien nach Kohleausstieg;
Reduzierung der Flächenversiegelung;
Senkung der Belastung bei Pflanzenschutzmitteln
Gemeinschaftsschule
Förderung Radverkehr;
Ökologisierung Landwirtschaft
  Umstrittene Punkte Basis: Zeitpunkt Kohleausstieg; Polizeigesetz  
SPD Wichtige Punkte   Mehr Tarifbindung;
Einheitliches Bezahlsystem beim ÖPNV
Gemeinschaftsschule
Beitragsfreies Kitajahr
Mehr Tarifbindung;
Gemeinschaftsschule
  Umstrittene Punkte      

Als Beginn der Koalitionsgespräche wird der 21. Oktober 2019 genannt. Nur was vom Sondierungspapier noch im Koalitionsvertrag steht, ist entscheidend. Das Sondierungspapier ist in erster Linie auf die jeweiligen parteispezifischen Durchsetzungsverfahren gemünzt, d.h. für jede Partei muss ein Zuckerchen dabei sein, um die Hürde für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen zu senken. Die Berichterstattung der Medien folgt diesem Prinzip.

BARTSCH, Michael (2019): Kenia liegt in Sachsen.
Sondierungsergebnis in Sachsen: Nach erfolgreichen Sondierungen wollen CDU, Grüne und SPD in Sachsen über eine Koalition in der Landesregierung verhandeln,
in:
TAZ v. 05.10.

POLLMER, Cornelius (2019): Freiheit für Pödelwitz.
Sondierungsergebnis in Sachsen: In Sachsen beenden CDU, Grünen und SPD ihre Sondierungen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 05.10.

LASKE, Karsten (2019): Am Tunnel.
Wochenthema Das kurze Glück der Wende: Plauen: In einer gut bewachten Stadt demonstrierten am 40. Jahrestag der DDR, schon zwei Tage vor der Leipziger Großdemonstration vom 9. Oktober 1980, 20.000 "Staatsfeinde", fast ein Viertel der Einwohner. Wieso gingen gerade hier so viele Leute auf die Straße?
in:
Freitag Nr.41 v. 10.10.

"Mit der Vogtlandbahn nach Plauen. Werdau, tot. Reichenbach, tot. Im Bahnhof Plauen, oberer Bahnhof (einen unteren gibt es auch) (...).1970 bis ’73 anstelle des im Krieg zerstörten alten neu erbaut, sollte der Plauener Bahnhof farbiges Vorzeige- und Schmuckstück sein. Einfallstor aus dem Westen. Man wollte zeigen, was man hat. Was man leisten kann.
Raus und die Bahnhofstraße hinunter geht es gut einen Kilometer bergab bis ins Zentrum, wo Straßenbahnen sich kreuzen und, wie sollte es anders sein, ein riesiger Einkaufsklotz steht. Die Bahnhofstraße ist Fußgängerzone seit den Achtzigern, nur die Tram fährt, und einige Lieferwagen sind unterwegs. Läden. Kaum Leerstand. (...). Die Bahnhofstraße führt bergab bis auf den Postplatz, den aber kein Mensch hier so nennt, alle sagen »am Tunnel«",

beginnt Karsten LASKE seine Reportage aus der AfD-Hochburg Plauen. Dort, im Wahlkreis 1 Vogtland 1, wurde die CDU zwar stärkste Partei, aber das wichtige Direktmandat gewann die AfD.

UNSLEBER, Steffi (2019): "Jetzt stehst du ganz alleine da".
Die SPD-Bürgermeisterin Martina Angermann wurde von Rechten gemobbt, bis sie krank wurde. Wenn sie ihren Posten in Arnsdorf verlässt, könnte die AfD ihren ersten Bürgermeister in Sachsen stellen,
in:
TAZ v. 12.10.

"Ein Mann aus der Gemeinde, der der Reichsbürgerszene zugeordnet wird, hat eine Facebookseite gegründet, auf der er mich und die Gemeinde beschimpft und meinen damaligen Gegenkandidaten von der CDU unterstützt hat. Dieser Gegenkandidat, Detlef Oelsner, war dann auch später bei der Bürgerwehr dabei und ist heute bei der AfD. Ich habe 2015 trotz der Hetze mit 75 Prozent der Stimmen gewonnen. (...).
Wir haben keine Polizeistation in Arnsdorf, die in Radeberg haben sie auch zugemacht. Die nächste ist in Kamenz, das ist dreißig Kilometer entfernt. Wenn ich bei der Polizei angerufen habe, dann bin ich in Görlitz gelandet. Die wussten manchmal gar nicht, wo Arnsdorf liegt. (...).
Die AfD steht schon in den Startlöchern und würde gerne in Arnsdorf den ersten Bürgermeister in Sachsen feiern. Detlef Oelsner, der bei der Bürgerwehr war, würde wohl für die AfD kandidieren. Hinter dem Mobbing steckt also durchaus auch Strategie",

meint Martina ANGERMANN. Arnsdorf liegt im sächsischen Landkreis Bautzen und ist eine Landgemeinde mit weniger als 5.000 Einwohner. Arnsdorf gehört zum Landtagswahlkreis 53 Bautzen 2, in dem die CDU stärkste Partei wurde. In Arnsdorf gewann sowohl die CDU als stärkste Partei als auch die AfD als zweitstärkste Partei überdurchschnittlich viele Stimmen, gemessen am Wahlkreisergebnis.

BINGENER, Reinhard (2019): Das gerissene Netz.
Sachsen: Der Pfarrermangel hat bisher vor allem Dörfer betroffen, im Osten macht er sich nun auch in Städten bemerkbar. In Bad Düben wollen die Bürger selbst Abhilfe schaffen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.10.

"Das dichte Netz, das seit der Christianisierung das alte Europa überzieht, ist gerissen. (...). Das alte Ensemble aus Pfarrer, Kirchturm und tausend mehr oder minder frommen Seelen findet man insbesondere im Osten Deutschlands nirgends mehr.
Neu ist, dass die Entwicklung auf kleine Städte wie Bad Düben mit seinen knapp 8.000 Einwohnern übergreift und auch dort die Pfarrstellen verwaisen. Da hilft der Stadt auch ihre Bedeutung für den Protestantismus nicht (...).
Eine Reihe von Bürgern der Stadt wollen sich damit nicht abfinden. Also haben sie einen Verein gegründet, den Förderverein Sankt Nikolai. (...). Der Vorstand (...) erhofft sich von einem Pfarrer in der Stadt (...) Vorteile für die Gesellschaft",

erklärt uns Reinhard BINGENER. Für den Förderverein ist der Pfarrer lediglich ein besserer Sozialarbeiter, der die Kollateralschäden des Neoliberalismus beseitigen soll, was jedoch eine Überforderung darstellt. Zugleich wird die Evangelische Schule als Rekrutierungsanstalt für Nachschub pfarrerlicher Sozialarbeiter gesehen.

Dem steht jedoch die Kirchenbürokratie entgegen, die sich ihren Rat bei Unternehmensberatungen sucht, und nun bei Städten, statt auf dem Land zu sparen versucht. Wie in modernen Unternehmen, so wird nun auch bei der Kirche auf Projekte gesetzt. Als "Raumdeckung statt Manndeckung" wird uns das erklärt.

In Bad Düben stehen sich also wohlhabende Bürger, die sich an Peter SLOTERDIJKs Verdikt halten, dass der Sozialstaat durch Spenden ersetzt werden soll, und eine Kirchenbürokratie gegenüber, die sich den marktwirtschaftlichen Gesetzen unterwirft. Oder wie es BINGENER formuliert:

"Niemand weiß, wie sich die Zahl der Kirchenaustritte entwickelt, ob die Staatsleistungen ins Wanken geraten oder wie unverbrüchlich die Solidarität der wohlhabenderen Westkirchen mit den armen Ostkirchen ist."

KEILHOLZ, Christine (2019): Nur weg hier.
Sachsen: Dem Osten laufen die Frauen weg. Deshalb wählen die Männer rechts,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 15.12.

"Zittau, am östlichsten Zipfel der Republik. (...).
Die Stadt an der Grenze zu Tschechien hat 25.000 Einwohner und liegt in der Oberlausitz, die zu Sachsen gehört. (...). Es fehlen Frauen, in der Oberlausitz gut 2.500 im Alter zwischen 25 und 40. (...) Zielgruppe (...): »heiratsfähig« oder »gebärfähig«. (...).
2.500 Männer werden hier keine Partnerin finden. Sie gehen leer aus auf dem Heiratsmarkt",

schreibt Christine KEILHOLZ über frustrierte und sitzengebliebene Männer in der Oberlausitz. Dieser besorgte Tonfall ist nicht neu, sondern betraf in den 1950er Jahren die westdeutschen Frauen, die als "Kriegerwitwen" bezeichnet wurden. Im Grunde jedoch jede alleinstehende Frau, deren Schicksal als "alte Jungfer" vorgezeichnet schien. Heutzutage trifft der besorgte Tonfall den potenziellen "Hagestolz". Es geht um den Heiratsengpass:

"In einigen Dörfern sieht es besonders schlecht aus. In der Gemeinde Boxberg kommen auf hundert Männer gerade mal 72 Frauen, in Weißkeißel sogar nur noch 56."

Die Zahlen stammen aus der Kurzstudie Wer kommt? Wer bleibt? Wer geht? vom Dezember 2016. Dort heißt es:

"Tendenziell weisen Gemeinden mit geringer Bevölkerungsdichte die höchsten Geschlechterdisproportionen in der Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen auf. Diese altersspezifischen Geschlechterungleichgewichte sind kein neues Phänomen und die Folge von geschlechtsselektiven Wanderungen. Einen geringen Frauenüberschuss verzeichnen sowohl der Hochschulstandort Görlitz als auch die nördlich angrenzende Gemeinde Neißeaue mit jeweils 104 Frauen je 100 Männer. Das größte Ungleichgewicht weist die Gemeinde Weißkeißel aus, in der 56 Frauen auf 100 Männer gezählt werden. In Boxberg/O.L. sind es 72 Frauen je 100 Männer." (S.8)

KEILHOLZ geht es also um Dramatisierung: Zwischen den "Besten" und den "Sitzengebliebenen" gibt es bei KEILHOLZ eine große Leerstelle. Stattdessen wird der kosmopolitischen Lesergemeinde der FAS Honig ums Maul geschmiert:

"Sie wandern von Zittau nach Leipzig, von Leipzig nach Berlin, von Berlin nach New York. Immer dahin, wo es besser ist als da, wo sie gerade sind. Das ist normal, es ist ein Zeichen der Zeit. (...).
In der Wanderungskette, die in Gang gesetzt wird durch den Wunsch nach Bildung und Aufstieg, steht die Oberlausitz am unteren Ende",

erklärt uns KEILHOLZ das Credo unserer Kosmopoliten. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus, weswegen sich immer weniger Menschen in den kosmopolitischen Printmedien repräsentiert sehen und sich abwenden.

"Um Arbeitsplätze für Frauen hat sich keiner gekümmert. Das rächt sich jetzt",

gegen dieses Fakt schreibt KEILHOLZ an, denn das wäre ja eine Kritik an der lange Zeit selbstherrlich regierenden Sachsen-CDU, die gemäß der neoliberalen Ideologie nur wenige Großstädte im Visier hatte und das Land den Rechten überließ. Das war für die absolutistisch herrschende CDU kein Problem. Doch mit der AfD hat sich das nun geändert:

"In der Oberlausitz gewann die AfD bei der Landtagswahl im September 30 Prozent - und holte fast alle Direktmandate.
Zurückgelassene Männer sind Multiplikatoren schlechter Stimmung. (...). Zurück bleibt ein Überhang an Männern im heiratsfähigen Alter. Diese demographische Homogenität setzt eine Abwärtsspirale in Gang",

erklärt uns KEILHOLZ. Diese Erkenntnis käme leider 30 Jahre zu spät, wenn sie überhaupt in dieser Simplizität stimmen würde! Dass KEILHOLZ Leipzig statt Dresden hypt, zeigt dagegen wie sehr die CDU in Sachsen abgewirtschaftet hat. Vor 20 Jahren galt Leipzig als abgehängte Großstadt - vergleichbar mit dem heutigen Görlitz:

Görlitz, ein urbanes Juwel alter Machart mit Händlerpalästen wie in Venedig und einem Bürgerstolz wie in Lübeck. In Görlitz wohnten mal Männer, die keine Schwierigkeiten hatten, Frauen zu finden. Sie waren reich und kannten die Welt, sprachen Polnisch und Italienisch und kleideten sich in dem feinen Tuch, den sie verkauften.
Gegenüber dem Görlitzer Bahnhof steht das Landratsamt. Vor dreißig Jahren war es zuständig für 367.000 Menschen, jetzt noch für 260.000, und im Jahr 2030 wahrscheinlich nur noch für 224.000."

KEILHOLZ wechselt hier unter der Hand die Perspektive, wenn sie keinen Unterschied zwischen der Mittelstadt Görlitz und dem Landkreis macht. Die Zahl 260.000 steht für die Einwohnerschaft des Landkreises im Jahr 2015. 2018 waren es nur noch 254.894. Recherche ist offenbar ein Fremdwort für KEILHOLZ, Hauptsache die Ideologie stimmt! Die Mittelstadt ist dagegen zwischen 2015 und 2017 von 55.255 auf 56.391 gewachsen und schrumpft seitdem wieder. Typisch für das heutige Görlitz-Bild ist inzwischen die ARD-Krimireihe Wolfsland, die kosmopolitische Klischees über die Provinz verbreitet.

Görlitz ist stattdessen Sinnbild für etwas ganz anderes: das Scheitern von Europa. Europa ist ein Elitenprojekt geblieben und nie in den europäischen Regionen wirklich angekommen. Oder warum sind Nationalgrenzen immer noch in aller Regel auch Infrastrukturgrenzen und Sprachbarrieren? Görlitz könnte mitten in Europa liegen, wird aber selbst von Kosmopoliten als Randzone gedacht. Das zeigt eigentlich ganz gut das ganze Ausmaß der kosmopolitischen Misere.

"Die Bundesregierung könnte im nächsten Jahr noch mal so viele Bundesbehörden und Forschungsinstitute mit Tausenden Jobs in der Oberlausitz ansiedeln - trotzdem würden die bestehen Schulabgänger weggehen",

meint KEILHOLZ und kritisiert den Aktionismus der CDU/CSU, der dämmert, dass sich die Versäumnisse von Jahrzehnten nun rächen. Die CDU hat sich Zeit in Sachsen gekauft, aber ob das reicht, bleibt fraglich. Die Lösungen, die KEILHOLZ zu bieten hat, sind jedoch ebenfalls zum Scheitern verurteilt, denn der Blickwinkel von Gleichstellungsbeauftragten ist nicht weniger beschränkt als der von Kreisverwaltungen.       

 
     
 
       
   

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Update: 20. Dezember 2019