Die Stadt
Görlitz im heutigen Landkreis Görlitz war bis 2008 eine
kreisfreie Stadt. Seit 1998 bildet Görlitz zusammen mit
Zgorzelic eine
deutsch-polnische Europastadt. Im Zeichen der
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme in den Nuller
Jahren wurde Görlitz zur ewig schrumpfenden Stadt erklärt.
Neoliberale Organisationen vom Berlin-Institut bis zur
Bertelsmann-Stiftung verpassten ihr ein Negativimage. Bei der
Bundestagswahl 2017 gewann die AfD den Wahlkreis 157 Görlitz.
Der damalige sächsische Generalsekretär der CDU Michael
KRETSCHMER, der nach der Wahl sächsischer Ministerpräsident
wurde, unterlag in diesem Wahlkreis dem bis dahin unbekannten
AfD-Kandidaten.
Diese
Bibliografie soll die Entwicklung der Stadt anhand der
öffentlichen Debatte und anhand statistischer Daten
nachvollziehbar machen. Kann sich die Stadt, die gerne als
Pensionopolis bezeichnet wird, dem Negativtrend von Image und
demografischer Prognosen dauerhaft entziehen, ist eine der
Fragen, der nachgegangen werden soll.
Kommentierte Bibliografie (2017 - heute)
2017
IÖR (2017): Studienergebnisse liegen vor: Wohnen in Görlitz -
attraktive Alternative zum Großstadtstress,
in:
Pressemitteilung des
Leibnitz Instituts für ökologische Raumentwicklung v. 02.02.
LASCH,
Hendrik (2017): Eine Woche Feldversuch in der Kleinstadt.
Zweite Auflage des
Probewohnens in Görlitz: Deutsch-polnische Grenzstadt überzeugt
viele der Zuzügler,
in: Neues
Deutschland
v. 04.02.
GROSSARTH, Jan (2017): Jugendstil.
Ein Künstler wagt den
Neuanfang in Görlitz. Mit achtzig. Das ist eine typische
Geschichte für diese Stadt, die alt ist und doch sehr in
Bewegung. Jeder Vierte zog weg. Aber für viele ist das
zurückgelassende Paradies aus Barock und Jugendstil, tief im
Osten, wie ein Magnet,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 13.04.
Jan GROSSARTH betreibt Stadtmarketing für Görlitz, in deren
Altstadtsanierung Investoren viel Geld investiert haben, das sich
jedoch nicht wirklich rentiert, weil sich der Zuzug in Grenzen hält.
Nicht nur in GROSSARTH haben die Investoren einen Marktschreier:
"Die Stadt hatte 1990 noch rund
85.000 Einwohner, nach langem Schwund stagniert die Einwohnerzahl
nun bei rund 56.000. (...). Je schwächer die Wirtschaft, je mehr
Menschen Arbeit im Westen oder in Dresden und Leipzig suchen,
desto günstiger wurde das Wohnen: Der Kaufpreis für sanierte
Altbauten ist auf rund tausend Euro je Quadratmeter gesunken. Nach
Görlitz kommen arme westdeutsche Rentner und reiche Investoren,
Träumer und Hippies, denen Kellnern reicht."
Das zeigt die ganze Misere.
Görlitz fußt im Grunde nur auf einem Steuersparmodell:
"Die Investoren kaufen
Altbauhäuser, sanieren sie und mindern damit ihre Steuerlast. Nach
zwölf Jahren verkaufen sie die Wohnungen oft. Görlitz' Schönheit
ist ein Steuersparmodell. Fast schon gibt es mehr sanierte
Wohnungen als Menschen."
GROSSARTH porträtiert jene paar
Leute, die viel in die Stadt investiert haben und nun darauf warten,
dass der Ansturm auf die Stadt einsetzt. Trotz großer medialer
Aufmerksamkeit, scheint der Erfolg jedoch bisher auszubleiben,
weshalb uns GROSSARTH im besten Marketingdeutsch Görlitz als
"Baden-Baden des Ostens", d.h. als Rentnerparadies anpreist:
"Das westdeutsche Rentnermilieu
erinnert an Weimar. Ohne diese Alten, ihre Ersparnisse und
Pensionen wäre Görlitz heute nicht so weit restauriert. Und den
Alten gehört hier die Zukunft. Bis zum Jahr 2030 wird der Anteil
der Einwohner von mehr als achtzig Jahren in Görlitz um 40 Prozent
wachsen, sagt die Bertelsmann Stiftung voraus. Die
Gesamtbevölkerung werde bis dahin nochmals um gut zehn Prozent
schrumpfen. Görlitz ist schon heute die Region in Sachsen mit der
im Durchschnitt ältesten Bevölkerung."
GROSSARTH, Jan (2017): Görlitz ist fürs Kapital ein gefährliches Pflaster.
Die vielleicht schönste Stadt
Deutschlands ist paradoxerweise eine der günstigsten, was die
Hauspreise betrifft. Das hat seine Gründe, und somit will ein Kauf gut
überlegt sein,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 19.05.
Offenbar hat nicht nur single-generation.de den Artikel
im April von
Jan GROSSARTH über Görlitz zu schönfärberisch empfunden, denn bereits
die Headline weist nun darauf hin, dass Görlitz eher etwas für
Selbstnutzer als für Investoren ist:
"Für 1.000 Euro je Quadratmeter
wird man schell in guten Lagen fündig. Aber so, wie günstige
Aktienkurse ein Zeichen für große Insolvenzrisiken des Emittenten
anzeigen, so besteht auch für die Immobilienanlage in Görlitz - ist
sie nicht für die Selbstnutzung im Ruhestand oder als Freiberufler
vorgesehen - ein nicht geringes Risiko des Vermögensverlustes."
Hinzu kommt dass der größte
Arbeitgeber in der Krise ist und die Arbeitslosigkeit im Kreis hoch:
"An der Grenze zu Polen haben mehr
als zehn Prozent der Menschen keine Stelle."
Am Schluss kommt GROSSARTH zum
eigentlichen Anlass des Artikels: Die Zwangsversteigerung von 58
Immobilien.
FABRICIUS, Michael (2017): Traumrenditen in der Provinz.
Die Mieten steigen, die
Kaufpreise sind niedrig: Ostdeutschland wird für Anleger
interessant,
in:
Welt v. 21.10.
LOCKE, Stefan (2017): Machtlos gegen
den Umbruch.
Siemens will fast 7.000
Menschen entlassen. Görlitz trifft das besonders hart. Die
Arbeitslosigkeit könnte sich verdoppeln. Stärkt das jetzt die
radikalen Kräfte?
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 18.11.
Stefan LOCKE berichtet
über die Situation in der ostdeutschen Stadt Görlitz,
derer mediales Image als aufstrebenden, aber
strukturschwachen (Rentner)-Stadt, das insbesondere von
westdeutschen Medien gepflegt wurde, auf der Kippe steht:
"In Görlitz geht es
um 950 Arbeitsplätze (...). (E)s ist das größte
Siemens-Werk im Osten und zugleich so etwas wie eine
Lebensversicherung für Deutschlands östlichste Stadt.
Die Dimension der Entscheidung verdeutlicht eine simple
Rechnung der IG Metall. Sollte das Werk schließen,
stiege die Arbeitslosigkeit in der Stadt von zwölf auf
24 Prozent. Görlitz hatte nach 1990 bereits eine Welle
der Deindustrialisierung hinter sich".
LOCKE zitiert den
Görlitzer CDU-Landrat dahingehend, dass eine neue
Abwanderungswelle droht und bei Wahlen die CDU weitere
Verluste hinnehmen müsste. Verwiesen wird auf das
Bundestagswahlergebnis. Die AfD hat dort die CDU
deklassiert. Zuletzt wird der Verdacht geäußert, dass
ostdeutsche Werke besonders gern geschlossen werden, weil
dies die Konzerne - im Vergleich zu westdeutschen Werke -
wenig kostet.
RIETZSCHEL, Antonie
(2017): "Verraten und verkauft".
Für viele Beschäftigte
in Görlitz war Siemens nicht nur ein Arbeitgeber, sondern
eine Familie. Doch über die geplante Schließung wurden sie
nur per Mail informiert. Besuch in einer Stadt, die um
ihre Zukunft bangt,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 22.11.
WOLFF, Bettina (2017): Dann trägt Siemens Görlitz zu
Grabe.
Das Görlitzer
Turbinenwerk soll nach 170 Jahren geschlossen werden. Die
Belegschaft wehrt sich. Es ist ihre letzte Chance,
in:
Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 25.11.
Bettina WOLFF sieht
Siemens nicht in der Pflicht, denn auf die Grundsatzfrage,
ob Siemens in erster Linie seinen Mitarbeitern, den
Aktionären oder gar dem deutschen Staat und der
Gesellschaft insgesamt verpflichtet sei, legt sie dar,
dass Siemens blöd sei, wenn es seine Produktion nicht ins
Ausland verlagere. Soll also die Politik einen Konzern
subventionieren, damit er keine Stellen verlagert? Darf
sich der Staat von Managern erpressen lassen?
"Schon jetzt lebt die
Stadt zu einem großen Teil von der Zuwanderung von
Rentnern, die keinen Job mehr brauchen: Sie werden mit
günstigen Mietpreisen bei hohem Lebensstandard
angeworben. Tatsächlich bestaunt man in der historischen
und auffällig sauberen Altstadt nicht nur mehrere
Tausend Kultur- und Baudenkmäler (...). Für die relativ
geringe Anzahl der Einwohner gibt es auch ungewöhnlich
viele Geschäfte und eine große Vielfalt sehr stilvoller
Restaurants",
meint WOLFF. Kann aber
die Rentnerzuwanderung, die durch Probewohnen künstlich
beatmet wird, den Niedergang der Region aufhalten? Der
Gewinner dürfte die AfD sein, die bereits bei der letzten
Bundestagswahl das Direktmandat im Wahlkreis Görlitz
gewann - ausgerechnet gegen den designierten
CDU-Ministerpräsidenten Michael KRETSCHMER. Es geht hier
nicht nur um einen Sargnagel für Görlitz, sondern für die
Sachsen-CDU.
SCHÖNBACH, Miriam (2017):
Schöne Bescherung für "Görliwood".
Nachfrage nach dem
Drehort in der internationalen Filmbranche ist hoch,
in:
Neues Deutschland
v. 05.12.
Görlitz drohen die letzten
Industriearbeitsplätze wegzubrechen, weshalb das Stadtmarketing nun
auf die Stadt als Filmkulisse setzt. Ob das Görlitz davor rettet zur
Geisterstadt zu werden, ist jedoch fraglich.
HONNIGFORT, Bernhard
(2017): Schöne Kulisse, hässliche Aussichten.
Siemens will in Görlitz
sein Turbinenwerk schließen. Für die wirtschaftsschwache
Grenzregion zu Polen ist das eine Tragödie,
in:
Frankfurter
Rundschau v. 09.12.
GERLACH, Thomas (2017): Görlitz flackert.
Reportage: Weihnachten
naht, und die Stadt strahlt. Wäre da nicht dieses
unglaubliche Verdikt aus München: Siemens will sein Werk
tief im Osten schließen,
in:
TAZ v. 21.12.
KUNTZ, Michael (2017): Pensionopolis.
Görlitz ist mehr als
nur Siemens - schon seit langem ist die östlichste Stadt
Deutschlands mit niedrigen Mieten und ihren 4000
Baudenkmälern ein attraktiver Ort, um den Ruhestand zu
verleben. Rentner sind hier willkommen. Das gilt umso
mehr, wenn jetzt Arbeitsplätze wegfallen,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 23.12.
2018
KOWALSKI, Matthias
(2018): 401-mal Deutschland.
Regional-Ranking 2018: Wachstum und Stillstand. Job oder
Warteschleife. Sicherheit oder Kriminalität, Stadt versus Land:
Der neue große Focus-Vergleich der Wirtschafts- und
Lebensumstände in allen 401 Landkreisen und kreisfreien Städten
offenbar eine erstaunlich zerrissene Bundesrepublik,
in:
Focus v. 10.02.
Die sächsischen Landkreise
und kreisfreien Städte sind aus der folgenden Übersicht zu
ersehen:
Tabelle:
Die sächsischen Städte und Landkreise im
Focus-Regionenranking |
Rang 2018
|
Rang 2016 |
Rang 2015 |
kreisfreie Stadt
bzw. Landkreis |
Rang 2018 |
Rang 2016 |
Rang 2015 |
Sachsen |
Deutschland |
1 |
2 |
1 |
Leipzig (Stadt) |
238 |
222 |
224 |
2 |
1 |
2 |
Dresden (Stadt) |
239 |
200 |
294 |
3 |
4 |
6 |
Sächsische
Schweiz / Osterzgebirge (Landkreis) |
313 |
274 |
369 |
4 |
5 |
5 |
Meißen
(Landkreis) |
320 |
317 |
340 |
5 |
7 |
8 |
Zwickau
(Landkreis) |
322 |
328 |
376 |
6 |
6 |
3 |
Chemnitz (Stadt) |
333 |
320 |
330 |
7 |
8 |
12 |
Bautzen
(Landkreis) |
350 |
338 |
387 |
8 |
3 |
4 |
Görlitz
(Landkreis) |
355 |
261 |
337 |
9 |
11 |
9 |
Erzgebirgskreis |
356 |
368 |
380 |
10 |
10 |
10 |
Mittelsachsen
(Landkreis) |
358 |
359 |
381 |
11 |
13 |
11 |
Vogtlandkreis
|
380 |
378 |
383 |
12 |
9 |
7 |
Leipzig
(Landkreis) |
395 |
355 |
374 |
13 |
12 |
13 |
Nordsachsen
(Landkreis) |
400 |
374 |
395 |
|
HÄNNIG, Anne (2018): Kampf gegen die
Wut.
Sachsen galt manchen schon
fast als AfD-Staat. Jetzt hat es den jüngsten
CDU-Ministerpräsidenten seiner Geschichte, und anders als sein
Vorgänger stellt sich Michael Kretschmer dem Proteststurm. Was
erlebt er da?,
in:
Die ZEIT Nr.13 v.
22.03.
ZDRZALEK, Lukas
(2018): Die Lagen der Nation.
Immobilien-Kompass 2018: Immer mehr Deutsche ziehen
raus aus den Großstädten. Capital zeigt in einer exklusiven
Auswertung, welche Kommunen abseits der Metropolen am
attraktivsten sind,
in: Capital,
Mai
ESSLINGER,
Detlef (2018): Der Glaube von Görlitz.
Die IG Metall feiert, dass
Siemens und Bombardier in der sächsischen Stadt bleiben - für
die Bürger ein Intensivkurs in Kapitalismus und Demokratie,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 23.08.
Für Detlef ESSLINGER liegt Görlitz im
"hintersten Winkel von Sachsen". Görlitz ist vor allem
eines: pittoreske Filmkulisse und ein Industriestandort von
Siemens und Bombardiers Gnaden, denn die Stadt hat es
versäumt, Alternativen zu eröffnen. Das aber ist nicht Thema
der Lobpreisung von ESSLINGER, der Jan OTTO (IG Metall) und
Michael KRETSCHMER zu den Rettern der Stadt stilisiert.
"Bei Siemens in Görlitz
verdienen 800 Menschen ihr Geld mit Turbinen, bei
Bombardier leben 1400 Menschen davon, Eisenbahnwaggons zu
bauen. Es sind die bei weitem größten Arbeitgeber in einer
Stadt von 57.000 Einwohner, und wären die Werke wirklich
dicht gemacht worden, wie vor einem Dreivierteljahr
verkündet - es hätte nicht einfach zwei Fabriken weniger
gegeben. Es wäre ein ganzer Industriestandort erledigt
gewesen",
erzählt uns ESSLINGER,
der davon ausgeht, dass Siemens von Görlitz aus die
Gasturbinengeschäfte führen wird.
Von einer Rettung des Werkes von Bombardier kann dagegen
noch keine Rede sein. Deren Firmenzentrale sitzt weit weg in
Kanada. Und was sind Aussagen von Managern bei Siemens wert?
Görlitz sollte sich emanzipieren, statt auf das Wohlwollen
unzuverlässiger Konzerne und Politiker zu setzen.
LOCKE,
Stefan (2018): Sanierer gesucht!
Wohnen in Görlitz:
Deutschlands östlichste Stadt ist voller historischer Bauten.
Trotzdem: Wer hinzieht, kann Görlitz noch mitgestalten,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 26.08.
Stefan LOCKE verknüpft die
Fallgeschichten von Matthias JÄCKEL, der ein Haus in der
Görlitzer Oststadt saniert, und Peter MITSCHING, der in der
Innenstadt wohnt, mit Stadtmarketingssprech, bei dem nur an
einer Stelle das Problem der Stadt anklingt:
"Die Achillesferse der
Stadt freilich ist die Wirtschaft, die sich bis heute
nicht erholt hat vom Zusammenbruch nach 1989."
Das "Wohlstandsgefälle zu
Osteuropa" wird für die Kriminalität in der Stadt
verantwortlich gemacht, die die innerstädtische Idylle
stört, denn:
"Das einst so graue
Zentrum erblüht, heute leben hier wieder 3.500 Menschen,
zehnmal so viel wie zu DDR-Zeiten, als die meisten in das
große Plattenbauviertel im nahen
Königshufen zogen."
Görlitz ist in erster
Linie ein Experiment, das schnell scheitern könnte, wenn
sich die Rahmenbedingungen für diese Kulissenstadt
verschlechtern.
ÖCHSNER, Thomas (2018): Jetzt sind die Kleinen dran.
Bislang zogen die Mieten vor
allem in den Metropolen an. Inzwischen aber steigen die Preise in
Klein- und Mittelstädten am stärksten. Zugleich verstärken die
höheren Wohnkosten die Ungleichheit im Land,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 23.10.
2019
LASCH, Hendrik (2019): Die Europastadt als "Trophäe".
In Görlitz wird Ende Mai ein neuer
Oberbürgermeister gewählt - und die AfD rechnet sich Chancen aus,
in:
Neues Deutschland v. 18.04.
"Die
jetzt anstehende Abstimmung hat Bedeutung weit über das Lokale hinaus.
Schließlich scheint es nicht ausgeschlossen, dass Görlitz als erste
Stadt dieser Größe von der AfD regiert wird. Die Partei stellte bisher
kaum Chefs in Rathäusern. Ein erster trat 2016 in Reuth im Vogtland
von der DSU zu den Rechtspopulisten über, ein anderer im März 2018 in
Burladingen in Baden-Württemberg. Zuletzt wurde im brandenburgischen
Lebus ein AfD-Mann auch gewählt, was sich jedoch später als ungültig
erwies. Eine Stadt wie Görlitz aber wäre ein ganz anderes Kaliber",
erklärt uns Hendrik LASCH zu
Oberbürgermeisterwahl in Görlitz, die zur Richtungswahl mit
überörtlicher Bedeutung stilisiert wird. Wer jedoch nur die AfD
verhindern will, der wird letztlich scheitern. Als politisches
Programm der etablierten Parteien ist das mehr als dünn!
MALZAHN, Claus Christian (2019): Kampf um die Seele einer schönen
Stadt.
Am 26. Mai könnte in Görlitz ein
AfD-Kandidat die Oberbürgermeisterwahl gewinnen. Entscheidend dürfte
ein ganz bestimmtes Thema werden. Ein Besuch vor Ort,
in:
Welt v. 08.05.
"Ocatvian
Ursu, möchte auf der deutschen Seite in Görlitz das werden, was
Gronicz auf der polnischen Seite in Zgorzelec bereits ist:
Stadtoberhaupt. Im vergangenen Oktober wurde der 46-jährige Pole, der
zur liberalkonservativen »Bürgerplattform« gehört, mit fast 60 Prozent
der Stimmen in seinem Amt bestätigt.
Von so einem klaren Sieg kann der (...) Christdemokrat (...) nur
träumen (...). In Görlitz war die AfD in den vergangenen Jahren
besonders erfolgreich. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer
verlor (...) hier sein Direktmandat an einen Kandidaten der rechten
Konkurrenz, ein Menetekel. Diese Schmach könnte sich bei der
Oberbürgermeisterwahl nun wiederholen.
Doch man kann die politische Gegenwart von Görlitz nicht schildern,
ohne die komplizierte Vergangenheit dieser außergewöhnlichen Stadt",
erzählt uns Claus Christian MALZAHN,
der uns dann die Bau- und Filmgeschichte der Stadt herunterleiert, um
dann zum Kern zu kommen:
"'Nach dem Krieg wurde der
kleinere, östlich der Neiße gelegene Stadtteil an Polen abgetreten.
Seit vor 15 Jahren die Schlagbäume an den Brücken über die Neiße
demontiert wurden, wächst Görlitz wieder zusammen. Wegen der günstigen
Mieten und der Grenzlage leben unter den 56.000 Einwohnern inzwischen
etwa 3.500 Polen auf der westlichen Seite, günstige Zigaretten, Benzin
und Alkoholika locken viele Deutsche täglich an das östliche Ufer, wo
etwa 32.000 Menschen leben. Noch leben sie eher nebeneinander als
miteinander. Die Brücken sind offen, die Sprache trennt.
(...).
Für die einen liegt Görlitz an der Via Regia, der alten Route, die
schon im Mittelalter Städte wie Moskau, Kiew, Leipzig, Frankfurt,
Paris, Bordeaux, Santander und Schließlich das nordspanische Santiago
de Compostela verbunden hat. So sieht das der gebürtige Rumäne
Octavian Ursu (...).
So sieht das auch Franziska Schubert
(...). Aber das Wahlkampfmotto des AfD-Kandidaten lautet:
»Mit Grenzen lebt sich's besser«. Für ihn ist Görlitz vor allem die am
östlichsten gelegene Stadt Deutschlands und wegen der Nähe zu Polen
und Tschechien inzwischen auch eine der unsichersten. (...).
In Görlitz ist ein Kampf um den Charakter und die Seele der Stadt
entbrannt; ein AfD-Bürgermeister in einer der schönsten Städte, was
wäre das für ein Signal. (...). Ein Sieg von Wippel hätte neben dem
örtlichen Erfolg unmittelbare Folgen für die Landtagswahl am 1.
September. Denn Görlitz ist auch das Terrain, auf dem
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) als Parlamentskandidat
antreten muss.
Mit einem AfD-Bürgermeister im Rücken wäre das noch schwerer, als es
ohnehin schon ist."
Die kosmopolitischen Erzählungen zu
Görlitz ähneln sich, aber die Normalos spielen in keiner Geschichte
eine Rolle, sondern es ist die Geschichte der oberen Mittelschicht der
Stadt. Der Alltag der normalen Bürger bleibt außen vor, wenn man von
der Kriminalitätsrate als Steckenpferd der AfD einmal absieht. Warum
z.B. ist die Sprache das Trennende? Offenbar ist die Europäische Union
nur ein Elitenprojekt, aber keines der Normalbürger!
KOESTER, Elsa (2019): Wähle ich Grüne oder AfD?
Görlitz: Der Westen grün, der Osten
blau? So einfach ist es nicht. Die Spaltung durchzieht so manche
Stadt. Ein Besuch,
in:
Freitag Nr.22 v. 29.05.
Elsa KOESTER besucht zum einen das
"Büro
der Wählervereinigung »Bürger für Görlitz«.
Sie haben sich mit den Grünen, der
SPD und der Bürgerinitiative Motor Görlitz für die Bürgermeisterwahl
zusammengeschlossen: Für das Bündnis kandidiert Franziska Schubert,
Mitglied des Sächsischen Landtags für Bündnis 90/Die Grünen.
(...).
Nach der Wende verlor Görlitz ein Drittel der 78.000 Bewohner, erst
seit 2006 gibt es wieder mehr Zu- als Abwanderer, langsam. Wer aber
soll zuwandern? Als die Sächsische Zeitung alle Kandidaten
fragt, ob
»Brexit-Polen« als Facharbeiter nach Görlitz geholt werden sollen,
sagt Franziska Schubert »Ja«, Sebastian Wippel »Nein« - er setzt auf
Görlitz-Rückkehrer, denn auch er hat in Niedersachsen
Verwaltungswissenschaften studiert und kam als Polizeikommissar
zurück.
Ganz ähnlich Schubert, sie hat ebenfalls in Niedersachsen studiert,
Europäische Wirtschafts- und Sozialgeografie."
und zum anderen das Café Herzstück
in der Weberstraße, das 2015 gegründet wurde, und das Kühlhaus, das
2008 zum kulturellen Zentrum gemacht wurde. Zuletzt auch das Café
Kugel. Allesamt sind es die Orte des kosmopolitischen Milieus in
Görlitz. Die andere Seite von Görlitz wird ausgespart. Die normalen
Bewohner der Stadt sind nichts als Kulisse! Mehr Verachtung geht
eigentlich nicht mehr.
LASCH, Hendrik (2019): Görlitzer Wahl bewegt Hollywood.
Entscheidendes OF-Duell zwischen
AfD und CDU - Linke "bereit für das Undenkbare",
in:
Neues Deutschland v. 13.06.
Hendrik LASCH berichtet über den Ärger bei den Grünen über die
Linkspartei. Die Grünen-Kandidatin Franziska SCHUBERT belegte mit 27,9
Prozent nur Platz 3:
"Die Linke hatte mit der
kommunalpolitisch unerfahrenen Kulturmanagerin Jana Lübeck eine eigene
Kandidatin nominiert, die indes abgeschlagen bei 5,5 Prozent landete.
(...). Bereits die Hälfte der Stimmen hätten Schubert zu Platz 2
verholfen, hieß es aus deren Umfeld."
SCHUBERT zog ihre Kandidatur dann
zurück, um den AfD-Mann zu verhindern. Deshalb kam es dazu, dass in
der Stichwahl nun Grüne und Linke nur noch den CDU-Kandidaten stützen
können, um den AfD-Mann zu verhindern. Dies zeigt einmal mehr das
Problem der Parteien im "linken" Spektrum. Die Linkspartei sieht das
natürlich anders.
LOCKE, Stefan (2019): Kein Grund zum Aufatmen.
Warum die AfD bei Wahlen in Städten
verliert, ihre Niederlage in Görlitz Sachsens CDU aber in
Alarmbereitschaft versetzen muss,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.06.
"AfD-Kandidat Wippel,
der früher der FDP angehörte, hat im Wahlkampf häufig erklärt, dass
seine Partei nur darum so stark sein, weil die CDU in den vergangenen
Jahren viele Fehler gemacht habe. Zwar hat die Union nach der
Bundestagswahl (...) Fehler der Vergangenheit wie den immensen
Personalabbau in Schulen und bei der Polizei zu korrigieren
(begonnen). Auch wird etwas gegen die Vernachlässigung ländlicher
Gebiete getan, in denen die Mehrzahl der Sachsen lebt. Doch sind die
Ergebnisse zum einen nicht schnell sichtbar, zum anderen fehlt den
Menschen offensichtlich der Glaube daran, dass es mit der CDU wieder
besser werden könnte. (...).
Görlitz ist zwar als städtebauliche Perle und begehrte Filmkulisse
wiederauferstanden. Dennoch kulminieren gerade hier so ziemlich alle
Probleme, die sich seit der Wiedervereinigung in vielen ostdeutschen
Orten angesammelt haben: Eine nahezu flächendeckende
Deindustrialisierung; der folgende Verlust von 30.000 überwiegend
jungen Menschen - einem Drittel der Einwohner -; ein rapider Anstieg
des Durchschnittsalters der Bevölkerung, aber auch der
Arbeitslosigkeit; ein bis heute unübersehbarer Leerstand von Wohnungen
und Läden auch im Zentrum sowie eine nach der EU-Osterweiterung im
Jahr 2004 deutlich gestiegene Kriminalität. Die CDU nahm diese
Probleme lange nicht wahr oder nicht ernst",
erklärt uns Stefan LOCKE, der zudem
beklagt, dass es der CDU an Demut fehle, weil sie den Sieg in Görlitz
für sich reklamierte und die notwendige Unterstützung von Linken und
Grünen verleugnete.
MEYER, Robert D. (2019): "Antifa heißt CDU wählen".
CDU-Kandidat gewinnt Stichwahl um
Görlitzer Rathaus nur dank breiter Unterstützung,
in:
Neues Deutschland v. 18.06.
SCHMID, Thomas (2019): Lehren aus Görlitz.
Leidartikel: Der Sieg von Octavian
Ursu in der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters ist kein
Frühsommer-Märchen. Vielmehr wäre es an der Zeit, die bisher übliche
Methode des Umgangs mit der AfD zu überdenken,
in:
Welt v. 18.06.
Thomas SCHMID sieht in Görlitz keine abgehängte Region wie
Stefan LOCKE, sondern einen strahlenden
Leuchtturm:
"Es lebt sich, heißt es, gut in der
schönen Stadt, viele Rentner sind aus dem Westen hierhergezogen. Der
größte Teil der Ausländer, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen,
sind Polen. Und die vielen Studenten haben ihr eigenes Milieu
geschaffen. Kurz, Görlitz strahlt, es gehört nicht zu den Orten im
Osten Deutschlands, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und eine
Atmosphäre rabiater Verbitterung über Häusern, Straßen und Plätzen
liegt.
(...). Auch hier also, wo man erkennbar nicht abgehängt ist, besitzt
die (AfD)(...) eine beträchtliche Stärke, man kann sagen: die Stärke
einer großen Volkspartei".
SCHMID, ein konvertierter Alt-68er,
der als Öko-Libertärer schon in den 1980er Jahren das
positiv(istisch)e Denken verkörperte, gibt "antifaschistischen"
Bündnissen für die Zukunft keine Chance, denn:
"Wenn es der dauernden
Mobilisierung und des permanenten antipopulistischen Ausnahmezustands
bedarf, um der AfD Paroli zu bieten, stimmt etwas nicht."
SCHMID ist zugleich ein Anhänger
der "Die objektive Lage ist besser als die subjektive
Stimmung"-Fraktion, denn:
"Es gehört zu unserer
Verdrussgesellschaft, dass auch jene das Recht in Anspruch nahmen,
sich nicht wohlzufühlen, die sich durchaus wohlfühlen."
Das Verdikt der
"Verdrussgesellschaft" passt zum Denken unserer Elite, die sich als
Opfer der Fakten-Leugner sieht.
NIMZ, Ulrike (2019):
Octavian Ursu.
Profil: Bürgermeister in Görlitz -
gegen die AfD,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.01.
Ulrike zeichnet ein wohlwollendes Bild vom neu gewählten Görlitzer
Oberbürgermeister Octavian URSU, verweist jedoch darauf, dass nun im
Stadtrat die AfD "ein Drittel" aller Sitze belegt. Es sind jedoch nur
13 von 38 Sitzen. Die AfD ist damit jedoch stärkste Fraktion vor der
CDU (9). Bündnis 90/Die Grünen und Linke sind mit je 3 Sitzen weit
abgeschlagen.
KÖHN, Rüdiger (2019):
Siemens gibt Görlitz neue Hoffnung.
Der einst gefährdete Standort in
der Lausitz soll zu einem Zentrum für Wasserstofftechnologie werden,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.07.
Rechtzeitig zum
Wahlkampfauftakt haben Siemens, der Freistaat Sachsen und die
Fraunhofer-Gesellschaft eine Absichtserklärung unterzeichnet, denn dem
Ministerpräsidenten Michael KRETSCHMER droht in Görlitz der nächste
Verlust eines Direktmandats, falls der AfD eine verstärkte
Mobilisierung gelingt und ihn Linkspartei und Grüne nicht durch
Verzicht auf eigene Kandidaten unterstützen. KRETSCHMER tritt im
Wahlkreis 58 (Görlitz 2) an. Gemäß
Wahlkreisprognose.de (Stand 05.07.2019) geht der Wahlkreis 58
derzeit noch an die CDU. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte KRETSCHMER
jedoch auch einen als sicher geltenden CDU-Wahlkreis in Görlitz inne
und ging dennoch verloren.
NIMZ, Ulrike & Antonie RIETZSCHEL (2019): "Zeigen, dass hier noch was
geht".
Sachsen: Was können West- und Ostdeutsche
aus der OB-Wahl von Görlitz lernen? Ein Disput zwischen Octavian Ursu
von der CDU, der nur mit Mühe gegen die AfD gewann, und dem Autor
Lukas Rietzschel,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 20.07.
"Weltoffen, tolerant - das sind
umkämpfte Begriff, die uns in politische Debatten nicht voranbringen",
kritisiert zu Recht der
Schriftssteller Lukas RIETZSCHEL. In der Europastadt
Görlitz konnte
sich der CDU-Kandidat Octavian URSU nur gegen den AfD-Kandidaten
durchsetzen, weil die Grünen-Kandidatin in der Stichwahl auf eine
Kandidatur verzichtete. Bündnisse der etablierten Parteien, um
AfD-Kandidaten zu verhindern, schaden auf Dauer eher als dass sie
nützen. Die Empörungsmobilisierung erschöpft sich, wenn die
etablierten Parteien selber keine Alternativen mehr anbieten und
lediglich auf Emotionalisierung setzen.
LASCH,
Hendrik (2019): Ende der Bewährung.
Landtagswahl in Sachsen: Die sächsische CDU lässt ihren
Spitzenmann Michael Kretschmer allein um Stimmen kämpfen,
in:
Neues Deutschland v. 23.07.
"Eine wichtige Rolle dürfte
auch die Frage spielen, ob er seinen Wahlkreis direkt gewinnt.
Kretschmer hat sich entschieden, dorthin zu gehen, wo es weh tut: in
seine Heimatstadt Görlitz, wo er 2017 sein Bundestagsmandat verlor. Es
ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Bei Stadtrats- und Europawahl lag
die CDU in Görlitz jeweils hinter der AfD. Und selbst bei der Wahl des
Oberbürgermeisters im Juni hatte CDU-Bewerber Octavian Ursu gegen
AfD-Mann Sebastian Wippel im zweiten Wahlgang (...) nur deshalb die
Nase vorn, weil Grüne, Linke und Wählervereinigungen ihn
unterstützten.
Am 1. September fordert Wippel im Kampf um einen Landtagssitz
Kretschmer heraus. Und weil die CDU nach dem Sieg bei der OB-Wahl
durch eklatante Undankbarkeit gegenüber den Unterstützern glänzte,
fällt diesmal auch der Flankenschutz für Kretschmer aus. Die Linke
etwa hat angekündigt, sich im Wahlkreis Görlitz diesmal besonders ins
Zeug zu legen",
meint Hendrik LASCH. Michael
KRETSCHMER tritt im Wahlkreis 58 Görlitz 2 an, das ist einer von vier
Wahlkreisen im Landkreis Görlitz. Zum
Wahlkreis 58 gehört die Stadt
Görlitz sowie die Gemeinden Königshain, Markersdorf, die Stadt
Reichenbach/O.L. und Vierkirchen. Bei den Kommunalwahlen im Mai bekam
die CDU und AfD folgende Stimmenanzahl im jetzigen Wahlkreis Görlitz
2:
Tabelle:
Stimmenanteil von AfD und CDU im Wahlkreis Görlitz 2 bei
der Kommunalwahl 2019 |
Gemeinde |
CDU |
AfD |
Görlitz, Stadt |
16.896 |
22,0 % |
23.603 |
30,8 % |
Königshain |
433 |
16,4 % |
341 |
20,9 % |
Markersdorf |
782 |
11,6 % |
x |
x |
Reichenbach/Oberlausitz |
1.334 |
17,3 % |
1.722 |
22,3 % |
Vierkirchen |
x |
x |
x |
x |
Gesamtzahl
der Stimmen |
19.445 |
|
25.666 |
|
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de |
Die Sachlage scheint für die AfD zu
sprechen. Dennoch sieht
wahlkreisprognose.de (Stand 19.07.2019) den Wahlkreis sicher in
Händen der CDU. Offenbar wird dort KRETSCHMER ein Amtsbonus
eingeräumt. Bei den anderen drei Wahlkreisen des Landkreises (57, 59
und 60) stehen dagegen die Chancen für die AfD besser.
BARTSCH, Michael
(2019):
Heimatflair zum Wahlkampfstart.
Für Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer begann am Montagabend die Überlebensschlacht der
CDU im Görlitzer Wahlkreis. Es gab Bratwurst und Bier,
in:
TAZ v. 24.07.
"(I)m 20 Kilometer entfernten
Görlitz, wo er Stadtrat war, lauern mit den Direktkandidaten Sebastian
Wippel (AfD) und Franziska Schubert (Grüne) zugleich die
Hauptkonkurrenten der CDU.
Nur ein stilles Bündnis von Links bis Union verhinderte im Juni
AfD-Wippel als Görlitzer Oberbürgermeister. Solche Bündnisse »Alle
gegen die AfD« aber sind weder in Görlitz noch sonst in Sachsen in
Sicht. (...).
Kretschmer (...) grenzt sich heftig von der AfD, vorsichtiger von den
Grünen ab",
meint Michael BARTSCH.
LASCH, Hendrik (2019):
Ende der schwarzen Dominanz.
Landtagswahl in Sachsen: Während Sachsens Linke auf mehr als ein
Direktmandat hofft, könnten Grüne erstmals Wahlkreise gewinnen,
in:
Neues Deutschland
v. 31.07.
Hendrik LASCH berichtet u. a. über weit auseinander liegende
Wahlprognosen für den Wahlkreis 58 von Michael KRETSCHMER:
"Im Görlitzer Wahlkreis 58, wo der
2017 von einem AfD-Mann um sein Bundestagsmandat gebrachte
Ministerpräsident und CDU-Chef Michael Kretscher antritt, sieht »wahlkreisprognose.de«
diesen mit über zwölf Punkten vorn. Die Politikberatungsseite
»election.de« sieht dagegen in demselben Bezirk einen von zwei
Wahlkreisen, in denen die AfD einen Vorsprung hat und mit »35 Prozent
Wahrscheinlichkeit« gewinnen könnte.
LANDESWAHLLEITERIN
(2019): Landtagswahl 2019: Vorläufiges Ergebnis der Wahl.
in:
wahlen.sachen.de
v. 02.09.
Interessant ist auch das Ergebnis
im Wahlkreis 58 Görlitz 2, wo der CDU-Ministerpräsident Michael
KRETSCHMER antrat. Bei den Listenstimmen lag die AfD knapp vor der
CDU. Bei den Erststimmen wurde KRETSCHMERs Niederlage nur durch die
Stützung durch die linksliberalen Parteianhänger verhindert, was sich
an der Differenz zwischen Direkt- und Listenstimmen im Wahlkreis
ablesen lässt. Die folgende Tabelle zeigt die Differenzen zwischen
Listen- und Direktstimmen auf:
Wahlkreis 58 Görlitz 2 |
CDU |
CDU-AfD-
Differenz |
AfD |
Linke |
Grüne |
SPD |
FDP |
Freie
Wähler |
Die
Partei |
Anteil
Listenstimmen |
35,2
% |
- 2,7 % |
37,9
% |
6,3
% |
8,0
% |
4,6
% |
2,5
% |
1,4
% |
1,4
% |
Anteil
Direktstimmen |
45,8
% |
+ 7,9 % |
37,9
% |
4,0
% |
7,2
% |
1,5
% |
1,2
% |
1,0
% |
1,2
% |
Differenz der
Stimmenanteile |
+
10,6 % |
|
0,0 % |
-
2,3 % |
-
0,8 % |
- 3,1 % |
-
1,3 % |
-
0,4 % |
-
0,2 % |
Unter der Annahme, dass die
Differenzen des CDU-Ergebnisses durch die Differenzen bei den
etablierten Parteien verursacht wurden, ergibt sich, dass KRETSCHMER
in erster Linie durch den Koalitionspartner SPD und die Linkspartei
gestützt wurde. Ungefähr die Hälfte der Differenz lässt sich dadurch
erklären. Der Vorsprung der CDU vor der AfD lag bei den Direktstimmen
nur bei 7,9 %. Die Differenzen von Linkspartei, Grünen, SPD, FDP,
Freie Wähler und die Partei ergeben zusammen 8,1 %.
Fazit: Michael KRETSCHMER hat sein
Direktmandat nicht seinen eigenen Parteianhängern zu verdanken,
sondern der Stützung durch den linksliberalen Mainstream. Diese
eklatante Schwäche des CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen, dem die
eigene CDU-Basis noch mehr abhanden kommen dürfte, wird das größte
Handicap einer Landesregierung sein. Hinzu kommt, dass der CDU bereits
bei den
Kommunalwahlen im
Mai ein Drittel der Basis in Sachsen abhanden gekommen ist. Das
Landtagswahlergebnis ist nur ein weiteres Desaster im
Niedergangsprozess der CDU.