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Winterthema

 
       
   

Das Geburtengeschehen in Deutschland bis 2025

 
       
   

Wie sich die Geburtenentwicklung der Frauenjahrgänge 1972 bis 1985 Ende des Jahres 2017 darstellt. Oder: Warum Deutschland den Geburtenanstieg verschlafen hat  (Teil 2)

 
       
     
       
   
     
 

Ungeborene bekommen keine Kinder?

Seit vielen Jahren wird von nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftlern und ihren willigen Helfern behauptet, dass die Ungeborenen die Geburtenentwicklung dauerhaft bestimmen wird. Typisch für diese Art von Argumentation kann folgende Passage aus dem Buch Die demographische Zeitenwende gelten:

Die demographische Zeitenwende

"Eine Abnahme der absoluten Geburtenzahl, die auf einer Änderung des Fortpflanzungsverhaltens beruht und nicht auf einer Änderung der Zahl der Frauen in der für die Geburtenzahl wichtigen Altersgruppe von 15 bis 45, hat eine Generation später unausweichlich eine weitere Abnahme der Geburtenzahl zur Folge usf., auch wenn das Fortpflanzungsverhalten nach der anfänglichen Änderung dauern konstant bleibt. Die auslösende Ursache am Anfang ist eine reine Verhaltensänderung, die sich anschließenden Abwärtsbewegungen der absoluten Geburtenzahl in Form von Wellentälern, die im Abstand von einer Generation aufeinanderfolgen, beruhen nicht mehr auf erneuten Änderungen des Fortpflanzungsverhaltens, sondern darauf, dass die auf Grund der anfänglichen Verhaltensänderung Nichtgeborenen keine Nachkommen haben. Die Auswirkungen der verringerten Kinderzahl bzw. der abnehmenden Zahl der späteren, potentiellen Eltern auf die Geburtenzahl in der nächsten und den folgenden Generationen tritt mit ähnlicher Sicherheit ein wie eine Aussage über den Wechsel der Jahreszeiten in der Zukunft, also praktisch mit 100 %." (2001, S.100)

Kennzeichnend für diese Art von Argumentation ist, dass eine Quantifizierung ausbleibt und stattdessen mit schwammigen Begriffen wie "Generation" und "Änderung des Fortpflanzungsverhaltens" hantiert wird. Es ist auffällig, dass sich diejenigen, die den Einfluss der Ungeborenen auf die Geburtenentwicklung betonen, einer Überprüfbarkeit ihrer Aussagen gerne entziehen. Das Argument hat inzwischen den Charakter einer unhinterfragten Selbstverständlichkeit erhalten, sodass die dahinter stehenden Annahmen gar nicht erst hinterfragt werden. Das Statistische Bundesamt veröffentlichte am 20.09.2012 den Beitrag Von niedrigen Geburtenzahlen und fehlenden Müttern... von Olga PÖTZSCH & Petra KUCERA, in dem folgendermaßen argumentiert wurde:

Von niedrigen Geburtenzahlen und fehlenden Müttern...

"Im Jahr 2011 gab es in Deutschland insgesamt 18,2 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter. Das waren 1,5 Millionen weniger als 1997, dem Jahr mit den meisten Frauen in der relevanten Altersgruppe nach der Deutschen Vereinigung. Zu dieser Altersgruppe gehörten damals die geburtenstarken Frauenjahrgänge der 1950er und 1960er Jahre. Bis 2011 schieden allmählich die vor 1963 geborenen Frauen aus der Gruppe der potenziellen Mütter aus; dafür rückten die deutlich schwächer besetzten Jahrgänge von 1984 bis 1996 nach. Bei der Mädchengeneration der heute unter 15-Jährigen ist fast jeder jüngere Jahrgang kleiner als der vorhergehende. Deshalb wird die Frauengruppe, die die potenziellen Mütter stellt, in den kommenden Jahren immer stärker schrumpfen.
Innerhalb der Gruppe der Frauen im gebärfähigen Alter ist die Geburtenhäufigkeit unterschiedlich. Die meisten Kinder, nämlich über 60 %, werden von Frauen im Alter zwischen 26 und 35 Jahren geboren. Die Entwicklung dieser Frauengruppe kann deshalb die Geburtenzahl besonders stark beeinflussen. Zwischen 1990 und 1995 nahm die Anzahl der 26- bis 35-jährigen Frauen sogar noch um 8 % zu: von 6,3 auf 6,8 Millionen. Da aber die durchschnittliche Kinderzahl je Frau gleichzeitig um 14 % sank, nahm die Zahl der Neugeborenen trotzdem ab. Von 1997 bis 2007 war dagegen die sinkende Anzahl der Frauen in dieser Altersgruppe der ausschlaggebende Faktor für den Rückgang der Geburtenzahlen; die durchschnittliche Kinderzahl je Frau hat sich wieder stabilisiert. Seit 2008 stagniert die Zahl dieser Frauen bei rund 5 Millionen. In den kommenden Jahren bleibt sie nach Ergebnissen der Bevölkerungsvorausberechnung voraussichtlich fast unverändert. Spätestens ab 2020 wird diese Altersgruppe jedoch aus deutlich schwächer besetzten Jahrgängen bestehen, dann ist mit einer geringeren Anzahl potenzieller Mütter zwischen 26 und 35 Jahren zu rechnen.
Die sinkenden Geburtenzahlen der letzten 20 Jahre waren durch die vorangegangene demografische Entwicklung quasi »vorgezeichnet«. Während der relative Beitrag der Frauen im Alter zwischen 26 und 35 Jahren zu den Geburten beständig zunahm, rückten besonders schwach besetzte Jahrgänge aus Mitte der 1970er Jahre anstelle der Baby-Boom-Generation in diese Altersgruppe auf. In den nächsten Jahren kann zwar nach Ergebnissen der Bevölkerungsvorausberechnung von einer relativ stabilen Zahl der potenziellen Mütter zwischen 26 und 35 Jahren ausgegangen werden. Spätestens ab 2020 wird jedoch diese Altersgruppe voraussichtlich deutlich schrumpfen, wodurch ein erneutes Geburtentief ausgelöst werden kann."
(Webseitenabruf: 10.12.2017)

Das Statistische Bundesamt sieht also in den 26- bis 35- jährigen Frauen die entscheidende Anzahl potenzieller Mütter, die das Geburtengeschehen dominieren. Während die Rede von den Ungeborenen die nationalkonservative Ideologie verschleiert, ist die Rede vom Rückgang potenzieller Mütter treffender wie hier gezeigt werden soll. Betrachtet man die Kohortenfertilität, dann stimmt es nicht, dass die 26- 35-jährigen Frauen für 60 Prozent des Geburtengeschehens verantwortlich sind: 

Tabelle 16: Der Anteil der 26- 35-jährigen Frauen am Geburtengeschehen
Frauenjahrgang CFT 26-35 Jahre CFT 15-49 Jahre Anteil in Prozent
1960 825,3 1656,8 49,8
1965 829,6 1551,7 53,5
1970 850,6 1505,4
(15-45 Jahre)
56,5
1975 880,8    
1980 910,6    
Quelle: DESTATIS-Datenbank, Rubrik Altersspezifische Geburtenziffern nach Frauenkohorten;
eigene Berechnungen; Olga Pötzsch H.1/2010, Tabelle 3, S.183

Richtig ist jedoch, dass die Bedeutung dieser Altersgruppe für die jüngeren Frauenjahrgänge zugenommen hat. Im Frauenjahrgang 1979 tragen aber inzwischen die 36-jährigen Frauen genauso viel zum Geburtengeschehen bei wie die 26-Jährigen. Die Konsequenz ist, dass die älteren Frauen immer bedeutender für das zukünftige Geburtengeschehen werden. Dadurch wird der Rückgang der potenziellen Mütter relativiert und er wirkt sich entsprechend später aus. Das Statistische Bundesamt spricht deshalb davon, dass ein erneutes Geburtentief ausgelöst werden KANN, was heißt: Das ist noch gar nicht sicher. Wie falsch Einschätzungen sein können, das zeigt die Argumentation des Soziologen Franz-Xaver KAUFMANN, der den Mainstreammedien als Koryphäe gilt. Sein Buch Schrumpfende Gesellschaft aus dem Jahr 2005 wurde begeistert aufgenommen.

Schrumpfende Gesellschaft

"Wenn - wie dies seit drei Jahrzehnten in der Bundesrepublik mit kleinen Schwankungen kontinuierlich der Fall ist - sich eine Frauengeneration über die Generationen hinweg nur noch zu etwa zwei Dritteln ersetzt, so bedeutet dies, dass 1.000 Frauen nur noch 667 Töchter und 444 Enkelinnen und 296 Urenkelinnen bekommen. Wir stehen derzeit am Beginn der Enkelphase der geburtenschwachen Jahrgänge ab 1973, während die Enkelphase der Baby-Boomer aus den 1960er Jahren abklingt. Ein neuerlicher Geburtenrückgang ist damit für die kommenden Jahre vorprogrammiert, und er wird sich beschleunigt fortsetzen, solange nicht die mittlere Kinderzahl pro Frau nachhaltig steigt."
(2005, S.52)

Vor kurzem erklärten uns die Medien, dass der Geburtenanstieg der letzten Jahre eine Folge des Anstiegs potenzieller Mütter sei. Die Kinder der Babyboomer gebären derzeit die Enkel heißt es. Was aber ist wirklich dran? Offenbar ist die zukünftige Geburtenentwicklung keineswegs derart vorprogrammiert wie uns die Demagogen weismachen wollen. In der Broschüre Bevölkerung Deutschlands bis 2060.13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung heißt es:

Bevölkerung Deutschlands bis 2060

"Die Geburtenzahl wird voraussichtlich noch bis zum Jahr 2020 relativ stabil bei etwa 700.000 Neugeborenen bleiben. Dafür sorgt eine günstige Altersstruktur der potenziellen Mütter: Die relativ gut besetzten Jahrgänge der 1980er Jahre (Kinder der Baby-Boomer) sind gegenwärtig im Alter von Mitte 20 bis Mitte 30, in dem die Geburtenhäufigkeit besonders hoch ist." (2015, S.5)

Wie relevant ist die "ausgefallene Generation" (Herwig BIRG) aber tatsächlich für das gegenwärtige Geburtengeschehen? Hier führt der folgende Vergleich der Geburtenzahlen mit den gegenwärtigen potenziellen Müttern weiter, der aus der nachfolgenden Übersicht zu ersehen ist:

Tabelle 17: Die Geburtenzahlen der zwischen 1970 und 2000 geborenen Frauen
Im Vergleich zur Anzahl potenzieller Mütter im Jahr 2015
Frauenjahrgang Anzahl der
weiblichen
Lebendgeborenen
Alter
(Jahr 2015)
Potenzielle
Mütter im
Jahr 2015
Differenz
Spalte 2
 und 4
(in %)
alters-
spezifische
Geburten-
ziffer
1970 509.815 45 Jahre 601.731 15,3 1,8
1971 492.035 44 Jahre 570.114 13,7 3,6
1972 438.185 43 Jahre 534.192 18,0 6,6
1973 397.070 42 Jahre 489.428 18,9 11,8
1974 391.990 41 Jahre 467.428 16,1 20,3
1975 379.520 40 Jahre 461.064 17,7 30,0
1976 388.585 39 Jahre 463.375 16,1 39,6
1977 390.847 38 Jahre 473.805 17,5 50,3
1978 392.753 37 Jahre 479.436 18,1 62,6
1979 397.627 36 Jahre 485.081 18,0 76,6
1980 421.641 35 Jahre 500.122 15,7 87,8
1981 419.560 34 Jahre 509.937 17,7 97,1
1982 418.516 33 Jahre 508.977 17,8 105,4
1983 402.494 32 Jahre 502.800 20,0 109,1
1984 395.045 31 Jahre 494.689 20,1 110,1
1985 396.555 30 Jahre 493.007 19,6 106,0
1986 413.331 29 Jahre 500.174 17,4 98,7
1987 421.298 28 Jahre 510.174 17,4 89,3
1988 433.942 27 Jahre 517.111 16,1 78,1
1989 428.873 26 Jahre 514.808 16,7 67,4
1990 440.296 25 Jahre 509.620 13,6 55,7
1991 403.921 24 Jahre 487.356 17,1 45,9
1992 394.307 23 Jahre 453.554 13,1 38,1
1993 388.376 22 Jahre 437.093 11,1 31,6
1994 373.734 21 Jahre 422.596 11,6 26,2
1995 372.492 20 Jahre 408.270 8,8 20,8
1996 386.800 19 Jahre 403.851 4,2 14,5
1997 395.167 18 Jahre 406.669 2,8 8,3
1998 382.169 17 Jahre 401.001 4,7 4,7
1999 374.448 16 Jahre 389.831 4,0 2,2
2000 373.676 15 Jahre 384.964 2,8 0,8
Quelle: Anzahl potentieller Mütter = DESTATIS FS 1 Rh.1.3 2015 Bevölkerungsfortschreibung,
Tab. 2.1, weibliche Bevölkerung im Jahresdurchschnitt, S.11; eigene Berechnungen; Anzahl der
weiblichen Lebendgeborenen = DESTATIS 2016: Zusammenfassende Übersichten - Eheschließungen,
Geborene und Gestorbene - 1946 bis 2015

Im Jahr 2015 gab es durchschnittlich 5,05 Millionen potenzielle Mütter im Alter von 26 - 35 Jahren. Dagegen wurden in den Jahren 1980 - 1989 nur 4,15 Millionen Frauen in dieser Altersgruppe geboren. Höchstens 82,2 Prozent der potenziellen Mütter wurden in Deutschland geboren (Die bereits verstorbenen Frauen sind hier nicht berücksichtigt!). Mindestens 17,2 Prozent der potenziellen Mütter sind dagegen zugewandert. Im Jahr 2015 war der Frauenjahrgang 1979 im Alter von 36 Jahren für die zusammengefasste Geburtenziffer (TFR) bedeutender als der Frauenjahrgang 1989 im Alter von 26 Jahren. Für das Jahr 2025 gibt die folgende Tabelle Auskunft, in welcher Größenordnung der zu erwartende Rückgang potenzieller Mütter liegen wird:

Tabelle 18: Die Anzahl der potenziellen Mütter in den Jahren 2015 und 2025
Frauenjahrgang
im Jahr 2025
Anzahl der
weiblichen
Lebendgeborenen
Alter
(Jahr 2025)
Potenzielle
Mütter im
Jahr 2025
(Jahresende)
Potenzielle
Mütter im
Jahr 2015
(Jahres-
durchschnitt)
Differenz
zwischen
2015 und
2025
1980 421.641 45 Jahre 531.000 601.731 - 70.731
1981 419.560 44 Jahre 529.000 570.114 - 41.114
1982 418.516 43 Jahre 532.000 534.192 - 2.192
1983 402.494 42 Jahre 522.000 489.428 + 32.572
1984 395.045 41 Jahre 520.000 467.428 + 52.572
1985 396.555 40 Jahre 522.000 461.064 + 60.936
1986 413.331 39 Jahre 538.000 463.375 + 74.625
1987 421.298 38 Jahre 547.000 473.805 + 73.195
1988 433.942 37 Jahre 560.000 479.436 + 80.564
1989 428.873 36 Jahre 550.000 485.081 + 64.919
1990 440.296 35 Jahre 555.000 500.122 + 54.878
1991 403.921 34 Jahre 511.000 509.937 + 1.063
1992 394.307 33 Jahre 497.000 508.977 - 11.977
1993 388.376 32 Jahre 489.000 502.800 - 13.800
1994 373.734 31 Jahre 476.000 494.689 - 18.689
1995 372.492 30 Jahre 469.000 493.007 - 24.007
1996 386.800 29 Jahre 476.000 500.174 - 24.174
1997 395.167 28 Jahre 468.000 510.174 - 42.174
1998 382.169 27 Jahre 447.000 517.111 - 70.111
1999 374.448 26 Jahre 434.000 514.808 - 80.808
2000 373.676 25 Jahre 432.000 509.620 - 77.620
2001 356.889 24 Jahre 412.000 487.356 -75.356
2002 349.973 23 Jahre 398.000 453.554 - 55.554
2003 344.012 22 Jahre 388.000 437.093 - 49.093
2004 343.605 21 Jahre 383.000 422.596 - 39.596
2005 334.038 20 Jahre 370.000 408.270 - 38.270
2006 326.908 19 Jahre 361.000 403.851 - 42.851
2007 333.023 18 Jahre 367.000 406.669 - 39.669
2008 332.652 17 Jahre 368.000 401.001 - 33.001
2009 323.877 16 Jahre 357.000 389.831 - 32.831
2010 330.710 15 Jahre 362.000 384.964 - 22.964
Quelle: Anzahl potentieller Mütter = DESTATIS 2017 Bevölkerungsvorausberechnung Variante 2A;
Anzahl der weiblichen Lebendgeborenen = DESTATIS 2016: Zusammenfassende Übersichten
 - Eheschließungen, Geborene und Gestorbene - 1946 bis 2015; eigene Berechnungen 

Im Vergleich zum Jahr 2015 gibt es im Jahr 2025 einen Rückgang potenzieller Mütter von ca. 411.258. Da mit Durchschnitts- und Jahresendwerten gerechnet wurde, kann der Rückgang auch rund 500.000 Frauen betragen.

Der Einfluss des Rückgangs potenzieller Mütter auf die Geburtenzahl am Beispiel der Jahre 2015 und 2025

Um die Auswirkungen des Rückgangs potenzieller Mütter darzustellen, soll nun gefragt werden: Um wie viele Geburten verringert sich die Geborenenzahl, wenn die altersspezifischen Geburtenziffern im Jahr 2025 genauso hoch sind wie im Jahr 2015. Das entspricht etwa den Annahmen der Variante 2A der aktualisierten 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (BVB Variante 2A).

Dazu ist die Ermittlung der potenziellen Mütter erforderlich. Annäherungsweise kann der Jahresdurchschnitt verwendet werden. Das Statistische Jahrbuch 2017 (STJ 2017) enthält die Geborenenzahlen nach dem Alter der Mutter im Alter von 15 - 44 Jahren. Daraus lässt sich dann die vom Statistischen Bundesamt verwendete Zahl der potenziellen Mütter ermitteln. In der nachfolgenden Tabelle sind die Unterschiede zwischen der Annäherung und den Zahlen des Statistischen Bundesamtes ersichtlich:   

Tabelle 19: Die Anzahl potenzieller Mütter im Jahr 2015 aufgrund zwei verschiedener
Herangehensweisen und die Auswirkungen auf die Anzahl der Geburten
Frauenjahrgang Alter
(Jahr 2015)
Potenzielle
Mütter im
Jahr 2015
(Jahres-
durchschnitt)
alters-
spezifische
Geburten-
ziffer
Anzahl der
Geborenen
2015
(Jahres-
durchschnitt)
Potenzielle
Mütter im
Jahr 2015
(STJ 2017)
Anzahl der
Geborenen
2015
(STJ 2017)
  45 - 49 Jahre        

2.268

1970 45 Jahre 601.731 1,8 1.083    
1971 44 Jahre 570.114 3,6 2.052 557.500 2.007
1972 43 Jahre 534.192 6,6 3.526 506.667 3.344
1973 42 Jahre 489.428 11,8 5.775 470.085 5.547
1974 41 Jahre 467.428 20,3 9.489 464.680 9.433
1975 40 Jahre 461.064 30,0 13.832 456.400 13.692
1976 39 Jahre 463.375 39,6 18.350 470.379 18.627
1977 38 Jahre 473.805 50,3 23.832 477.237 24.005
1978 37 Jahre 479.436 62,6 30.013 481.437 30.138
1979 36 Jahre 485.081 76,6 37.157 487.990 37.380
1980 35 Jahre 500.122 87,8 43.911 511.435 44.904
1981 34 Jahre 509.937 97,1 49.515 508.847 49.409
1982 33 Jahre 508.977 105,4 53.646 508.795 53.627
1983 32 Jahre 502.800 109,1 54.855 496.461 54.164
1984 31 Jahre 494.689 110,1 54.465 492.652 54.241
1985 30 Jahre 493.007 106,0 52.259 492.868 52.244
1986 29 Jahre 500.174 98,7 49.367 507.508 50.091
1987 28 Jahre 510.174 89,3 45.559 512.553 45.771
1988 27 Jahre 517.111 78,1 40.386 521.383 40.720
1989 26 Jahre 514.808 67,4 34.698 507.655 34.216
1990 25 Jahre 509.620 55,7 28.386 510.539 28.437
1991 24 Jahre 487.356 45,9 22.370 463.464 21.273
1992 23 Jahre 453.554 38,1 17.280 443.281 16.889
1993 22 Jahre 437.093 31,6 13.812 431.108 13.623
1994 21 Jahre 422.596 26,2 11.072 412.866 10.817
1995 20 Jahre 408.270 20,8 8.492 402.644 8.375
1996 19 Jahre 403.851 14,5 5.856 405.586 5.881
1997 18 Jahre 406.669 8,3 3.376 410.964 3.411
1998 17 Jahre 401.001 4,7 1.885 390.426 1.835
1999 16 Jahre 389.831 2,2 858 377.727 831
2000 15 Jahre 384.964 0,8 308 381.250 305
Gesamt     1.502 736.382   737.630
Quelle: Anzahl potentieller Mütter = DESTATIS FS 1 Rh.1.3 2015 Bevölkerungsfortschreibung,
Tab. 2.1, weibliche Bevölkerung im Jahresdurchschnitt, S.11; Statistisches Jahrbuch 2017; eigene Berechnungen

Betrachtet man die Frauen im Alter von 15 - 44 Jahren, dann liegt die Geborenenzahl bei Verwendung des Jahresdurchschnitts bei 736.382, während sie in Wirklichkeit bei 735.307 liegt. Das ist eine Abweichung von 0,15 Prozent.

Im Folgenden soll nun errechnet werden, wie viele Geburten es im Jahr 2025 aufgrund des Rückgangs der potenziellen Mütter bei gleich bleibender Geburtenrate, gemessen durch die altersspezifischen Geburtenziffern, weniger geben würde. Dabei werden nur die Frauen im Alter von 15 - 44 Jahren berücksichtigt. Aus der folgenden Tabelle ist das Geburtendefizit ersichtlich:

Tabelle 20: Das Geburtendefizit durch den Rückgang potenzieller Mütter im Jahr 2025
Frauenjahrgang
im Jahr 2025
Alter
(Jahr 2025)
Potenzielle
Mütter im
Jahr 2025
(Jahresende)
Potenzielle
Mütter im
Jahr 2015
(Jahres-
durchschnitt)
Differenz
zwischen
2015 und
2025
alters-
spezifische
Geburten-ziffer
Geburtendefizit
aufgrund
Rückgang
potenzieller
Mütter
1981 44 Jahre 529.000 570.114 - 41.114 3,6 - 148
1982 43 Jahre 532.000 534.192 - 2.192 6,6 - 14
1983 42 Jahre 522.000 489.428 + 32.572 11,8 + 384
1984 41 Jahre 520.000 467.428 + 52.572 20,3 + 1.067
1985 40 Jahre 522.000 461.064 + 60.936 30,0 + 1.828
1986 39 Jahre 538.000 463.375 + 74.625 39,6 + 2.955
1987 38 Jahre 547.000 473.805 + 73.195 50,3 + 3.682
1988 37 Jahre 560.000 479.436 + 80.564 62,6 + 5.043
1989 36 Jahre 550.000 485.081 + 64.919 76,6 + 4.972
1990 35 Jahre 555.000 500.122 + 54.878 87,8 + 4.818
1991 34 Jahre 511.000 509.937 + 1.063 97,1 + 103
1992 33 Jahre 497.000 508.977 - 11.977 105,4 - 1.262
1993 32 Jahre 489.000 502.800 - 13.800 109,1 - 1.506
1994 31 Jahre 476.000 494.689 - 18.689 110,1 - 2.058
1995 30 Jahre 469.000 493.007 - 24.007 106,0 - 2.545
1996 29 Jahre 476.000 500.174 - 24.174 98,7 - 2.386
1997 28 Jahre 468.000 510.174 - 42.174 89,3 - 3.766
1998 27 Jahre 447.000 517.111 - 70.111 78,1 - 5.476
1999 26 Jahre 434.000 514.808 - 80.808 67,4 - 5.446
2000 25 Jahre 432.000 509.620 - 77.620 55,7 - 4.323
2001 24 Jahre 412.000 487.356 -75.356 45,9 - 3.459
2002 23 Jahre 398.000 453.554 - 55.554 38,1 - 2.117
2003 22 Jahre 388.000 437.093 - 49.093 31,6 - 1.551
2004 21 Jahre 383.000 422.596 - 39.596 26,2 - 1.037
2005 20 Jahre 370.000 408.270 - 38.270 20,8 - 796
2006 19 Jahre 361.000 403.851 - 42.851 14,5 - 621
2007 18 Jahre 367.000 406.669 - 39.669 8,3 - 329
2008 17 Jahre 368.000 401.001 - 33.001 4,7 - 155
2009 16 Jahre 357.000 389.831 - 32.831 2,2 - 72
2010 15 Jahre 362.000 384.964 - 22.964 0,8 - 18
Gesamt           - 14.233
( - 1,9 %)
Quelle: Anzahl potentieller Mütter = DESTATIS 2017 Bevölkerungsvorausberechnung Variante 2A;
DESTATIS FS 1 Rh.1.3 2015 Bevölkerungsfortschreibung, Tab. 2.1, weibliche Bevölkerung im Jahresdurchschnitt,
S.11; eigene Berechnungen

Das Geburtendefizit im Jahr 2025 würde sich bei einer Geburtenrate von 1,5 (TFR) auf 14.233 Kinder belaufen. Statt der 736.382 Kinder, die 2015 von den 15- bis 44-jährigen Frauen geboren wurden, würden nur 722.149 Kinder geboren werden. Der Rückgang der Geburtenzahl beträgt also lediglich rund 1,9 Prozent. Die Variante 2A der Bevölkerungsvorausberechnung prognostiziert für das Jahr 2025 ein Geburtenzahl von 733.300 (siehe weiter oben). Das hier präsentierte Beispiel ist also keineswegs aus der Luft gegriffen, sondern entspricht in etwa der Annahme des Statistischen Bundesamts. Im Beispiel wurden nicht wie beim Statistischen Bundesamt die 15 - 49-Jährigen, sondern nur die 15 - 44-jährigen Frauen betrachtet.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der viel beschworene Rückgang der potenziellen Mütter vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die zukünftige Geburtenzahl haben wird. Inwieweit es überhaupt zu einem Rückgang der Geburtenzahlen nach 2020 kommen wird, das hängt in erster Linie von der Kohortenfertilität ab. Nationalkonservative sprechen gerne davon, dass Ungeborene keine Kinder bekommen können, was jedoch davon ablenkt, dass die potenziellen Mütter nicht in Deutschland geboren sein müssen, sondern zuwandern können. Unter den Zugewanderten können auch Deutsche sein, die als Kinderlose Deutschland den Rücken gekehrt haben und als Mütter wieder zurückkehren.

Der Einfluss der steigenden Kohortenfertilität auf die zukünftige Geburtenentwicklung am Beispiel der Jahre 2015 und 2025

Weiter oben haben wir betrachtet, was passiert, wenn der Frauenjahrgang 1985 eine Kohortenfertilität von 1,6 erreicht. Wie viele Kinder würde ein Frauenjahrgang gebären im Vergleich zu einer Kohortenfertilität von 1,5? Dazu kann das obige Beispiel als Maßstab herangezogen werden. Es wird zu Demonstrationszwecken so getan, als ob die Kohortenfertilität (CFT) identisch mit der zusammengefassten Geburtenziffer (TFR) wäre. Die altersspezifischen Geburtenziffern des Frauenjahrgangs 1985 im Szenario Fortschreibung des durchschnittlichen Anstiegs (Annäherung) werden hier verwendet. Dies führt dazu, dass der Anstieg des Erstgebäralters unterschätzt wird. Nichtsdestotrotz kann gezeigt werden, wie sich ein Anstieg der Geburtenrate tendenziell auf die Geburtenentwicklung im Jahr 2025 auswirkt. Die angenommenen Werte für die altersspezifischen Geburtenziffern sind durchaus im Jahr 2025 erreichbar, zumal der Anstieg des Gebäralters zu mehr und nicht zu weniger Geburten führen würde. Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die Entwicklung der potenziellen Mütter einem Anstieg des Gebäralters entgegenkommt, weil die höheren Lebensalter noch stärker besetzt sind als die niedrigen Lebensalter.

Tabelle 21: Der Einfluss der Geburtenrate auf die Entwicklung der
Geburtenzahl im Jahr 2025
Frauenjahrgang
(Alter in Jahren)
CFT 1985 Potenzielle
Mütter im
Jahr 2025
(Jahresende)
Anzahl der
Geburten
bei CFT
1,6
Anzahl der
Geburten
bei TFR
1,5
15 Jahre 0,9 362.000 326 290
16 Jahre 3,1 357.000 1.107 786
17 Jahre 7,7 368.000 2.834 1.730
18 Jahre 13,1 367.000 4.808 3.047
19 Jahre 20,9 361.000 7.545 5.235
20 Jahre 29,1 370.000 10.767 7.696
21 Jahre 34,9 383.000 13.367 10.035
22 Jahre 40,6 388.000 15.753 12.261
23 Jahre 45,3 398.000 18.029 15.163
24 Jahre 50,7 412.000 20.888 18.911
25 Jahre 59,9 432.000 25.877 24.063
26 Jahre 67,7 434.000 29.382 29.252
27 Jahre 76,6 447.000 34.240 34.910
28 Jahre 85,6 468.000 40.061 41.793
29 Jahre 97,2 476.000 46.267 46.981
30 Jahre 106,0 469.000 49.714 49.714
31 Jahre 112,0 476.000 53.312 52.407
32 Jahre 111,2 489.000 54.377 53.349
33 Jahre 108,0 497.000 53.676 52.384
34 Jahre 99,3 511.000 50.742 49.618
35 Jahre 92,0 555.000 51.060 48.729
36 Jahre 80,4 550.000 44.220 42.129
37 Jahre 66,4 560.000 37.184 35.056
38 Jahre 53,5 547.000 29.265 27.514
39 Jahre 42,8 538.000 23.026 21.305
40 Jahre 33,9 522.000 17.696 15.660
41 Jahre 22,1 520.000 11.492 10.556
42 Jahre 13,3 522.000 6.943 6.159
43 Jahre 7,5 532.000 3.990 3.512
44 Jahre 4,2 529.000 2222 1.904
45 Jahre 2,2      
46 Jahre 1,3      
47 Jahre 0,4      
48 Jahre 0,2      
49 Jahre 0,1      
Kinderzahl mit 44 Jahren     760.170
(
+ 5,3 %)
722.149
Endgültige Kinderzahl 1.602,6      
Quelle: Anzahl potentieller Mütter = DESTATIS 2017 Bevölkerungsvorausberechnung
Variante 2A; eigene Berechnungen

Es zeigt sich, dass ein Anstieg der Geburtenrate um 0,1 von 1,5 auf 1,6 Kinder pro Frau den Rückgang der potenziellen Mütter nicht nur kompensieren kann. Selbst ein scheinbar geringer Anstieg führt dazu, dass ein Einbruch der Geburtenzahlen ausbleibt. Die Bevölkerungsvorausberechnung Variante 2 A geht von einer Konstanz der Geburtenrate aus, weshalb die Geburtenzahlen bereits bald zurückgehen: Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Geburten, die das Statistische Bundesamt annimmt. Alternativ könnte die Geburtenzahl über 30.000 Geburten höher liegen.

Tabelle 22: Die Entwicklung der Geburtenzahlen gemäß BVB
Variante 2A bis 2040
Jahr Anzahl der Geburten
(BVB  Variante 2A)
Anzahl der Geburten
bei einer CFT  von
1,6 Kinder pro Frau
tatsächliche
Geburtenzahl
2015 737.600   737.575
2016 747.300   792.000
2017 754.800    
2018 758.600    
2019 759.800    
2020 758.900    
2021 756.000    
2022 751.800    
2023 746.500    
2024 740.300    
2025 733.300 765.000  
2030 689.000    
2035 648.100    
2040 630.200    

Das Statistische Bundesamt geht gerne von konstanten Annahmen aus, da dies zu lang anhaltenden Abwärtsbewegungen führt. Realistische Geburtenentwicklungen zeichnen sich dagegen durch ein Auf- und Ab aus. Inzwischen wäre eine Variante 2 B mit einem Anstieg der Geburtenrate auf 1,6 erforderlich, um die zukünftige Geburtenentwicklung besser einordnen zu können.

Die Entwicklung der Geburten in Sachsen von 2009 - 2016 und die Auswirkungen auf den Schulbereich

Weiter oben wurde das Beispiel Berlin betrachtet, um die Herausforderungen aufzuzeigen, die sich durch einen Anstieg der Geburtenrate ergibt. Wie aber sieht es in den fünf ostdeutschen Flächenstaaten aus? Dort herrscht eine besondere Situation. Beispielhaft soll auf Sachsen eingegangen werden. Dort ist die CDU seit der Wiedervereinigung an der Macht gewesen. Bei der Bundestagswahl 2017 wurde die CDU knapp von der AfD als stärkste Partei im Freistaat überrundet. Diesen Monat wurde der CDU-Generalsekretär in Sachsen, Michael KRETSCHMER, der sein Direktmandat im Wahlkreis Görlitz an einen AfD-Politiker verlor, zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.

Die CDU hat in Sachsen das Bildungssystem heruntergewirtschaftet und droht nun aufgrund der Versäumnisse im Wettbewerb um Lehrer unter die Räder zu kommen. Sachsen hatte 2015 die höchste Geburtenrate in Deutschland zu verzeichnen, dennoch wurden dort nur etwa gleich viel Kinder wie in Berlin geboren. Verantwortlich dafür ist der dramatische Geburtenaufschub in den 1990er Jahren. Hier hat die Rede, dass Ungeborene keine Kinder bekommen können, mehr Berechtigung als anderswo, denn die Abwanderung hat das Potenzial an Müttern zusätzlich reduziert und eine unterdurchschnittliche Zuwanderung kann dies auch nicht so schnell ausgleichen. Nichtsdestotrotz hat Sachsen den Geburtenanstieg verschlafen. Aus der folgenden Tabelle ist die Geburtenentwicklung in Sachsen und Berlin ersichtlich:

Tabelle 23: Die Entwicklung der Geburten in Sachsen 2009 - 2015 im Vergleich mit Berlin
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Sachsen Geburtenzahl 34.093 35.091 34.423 34.686 34.800 35.935 36.466
Geburtenrate 1.437,6 1.492,8 1.475,2 1.518,3* 1.526,7* 1.572,3* 1.588,4*
Bevölkerung in
Millionen
(31.12.)
4,169 4,149 4,054 4,050 4,046 4,055 4,085
Berlin Geburtenzahl 32.104 33.393 33.075 34.678 35.038 37.368 38.030
Geburtenrate 1.299,7 1343,9 1393,9* 1.418,1* 1399,2* 1.455,9* 1449,9*
Bevölkerung in
Millionen
(31.12.)
3,443 3,461 3,292 3,375 3,422 3,470 3,520
Differenz
Sachsen
zu Berlin
Geburtenzahl + 1.989 + 1.698 + 1.348 + 8 - 238 - 1.433 - 1.564
Bevölkerung in
Millionen
(31.12.)
0,736 0,688 0,762 0,675 0,624 0,585 0,565
Quelle: 2009: Statistisches Jahrbuch Sachsen 2010; 2010-2012: Statistisches Jahrbuch Sachsen
2010, 2013 und 2014; 2013-2015:
Statistisches Jahrbuch Sachsen 2017; eigene Berechnungen
Anmerkung: * Geburtenrate auf Basis des Zensus 2011; Berlin siehe hier

Durch den Zensus 2011 wurden die Geburtenzahlen nicht berührt, aber die Bevölkerungszahl und die Zahl der potenziellen Mütter verringerte sich. Durch den Zensus 2011 verlor Berlin 5,6 % der potenziellen Mütter, während es in Sachsen nur 2,4 % waren (vgl. PÖTZSCH 2017, Abb.2, S.74). Obwohl in Sachsen 2015 über 550.000 Einwohner mehr lebten als in Berlin und die Geburtenrate im Jahr 2015 um 138 Kinder pro 1000 Frauen höher lag als in Berlin, wurden in Sachsen über 1.500 Kinder weniger geboren als in Berlin. Aus der nachfolgenden Tabelle ist die Entwicklung der Geburten in Sachsen im Vergleich mit der Prognose der Kultusministerkonferenz zu ersehen:  

Tabelle 24: Die Entwicklung der Geburten in Sachsen 2009 - 2015 im Vergleich zur
Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK)
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Gesamtzahl 34.093 35.091 34.423 34.686 34.800 35.935 36.466
1. Kinder 17.462 17.757 17.438 17.226 17.131 17.701 17.810
2. Kinder 11.584 12.188 11.853 12.156 12.274 12.610 12.837
3. Kinder 3.444 3.510 3.522 3.687 3.708 3.862 3.943
4. Kinder 1.002 1.067 1.014 1.011 1.103 1.124 1.205
5. u. w. Kinder 601 569 596 606 584 638 671
Geburtenrate (TFR) 1.437,6 1.492,8 1.475,2 1.484,4
1.518,3*
1.526,7* 1.572,3* 1.588,4*
KMK-Prognose   33.000 32.800 32.600 32.300 32.000 31.700
Differenz   + 2.091 + 1.623 + 2.086 + 2.500 + 3.935 + 4.766
Quelle: 2009: Statistisches Jahrbuch Sachsen 2010; 2010-2012: Statistisches Jahrbuch Sachsen
2010, 2013 und 2014; 2013-2015:
Statistisches Jahrbuch Sachsen 2017; eigene Berechnungen
Anmerkung: * Geburtenrate auf Basis des Zensus 2011

Auch in Sachsen liegt die Geburtenzahl über der KMK-Prognose. Die Berechnungen der Kultusministerkonferenz liegen für Sachsen im Zeitraum von nur 6 Jahren um ca. 17.000 Kindern unter den tatsächlichen Geburtenzahlen. Für das erste Halbjahr 2016 meldet das Statistische Bundesamt 18.289 Geburten. Im Jahr 2015 waren es 16.516 Geburten (2. Halbjahr: 19.950). Bis zum Ende September 2016 sind in Sachsen 28.714 Kinder geboren worden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Differenz 2016 erheblich steigen wird (KMK-Prognose: 31.400)

Das Statistische Bundesamt geht in seiner im März 2017 aktualisierten 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung für die 5 ostdeutschen Flächenländern von 102.700 Geburten aus. Aus der nachfolgenden Übersicht ist der Stand der Geburten für die ostdeutschen Flächenländer abzulesen. Die Zahlen deuten darauf hin, dass die Prognose übertroffen wird. Derzeit sind 93.522 Geburten gemeldet, wobei für Sachsen das letzte Quartal und für Mecklenburg-Vorpommern noch die letzten 4 Monate fehlen.

Tabelle 25: Die bislang veröffentlichten Geburtenzahlen in den ostdeutschen
Flächenländer für das Jahr 2016 (Stand: 17.12.2017)
Bundesland Geburtenzahl
(vorläufig)
Geburtenzahl
(Jan. - Aug.)
Geburtenzahl
(Jan. - Sep.)
Geburtenzahl
(Jan. - Nov.)
Brandenburg       19.199
Mecklenburg-
Vorpommern
  9.042    
Sachsen     28.714  
Sachsen-Anhalt 18.093      
Thüringen 18.474      
Quelle: Zahlenspiegel Mecklenburg-Vorpommern September - Dezember 2017;
eigene Berechnungen; Zahlenspiegel Freistaat Sachsen November 2017

Auch die Entwicklung der Schulanfänger entfernt sich Jahr für Jahr weiter von der KMK-Prognose:

Tabelle 26: Die Entwicklung der Schulanfänger in Sachsen 2011 - 2016 im Vergleich zur
aktuellen Prognose der Kultusministerkonferenz (KMK)
Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016
KMK-Prognose 32.419 31.730 32.140 33.640 32.840 33.140
tatsächliche Zahl der Schulanfänger 32.419 31.933 33.800 34.684 34.903 35.808
Quelle: DESTATIS Fachserie Bildung und Kultur - allgemeinbildende Schulen Schuljahre
2010/11 - 2016/2017;
Vorausberechnung der Kultusministerkonferenz

Die Kluft zwischen Prognose und tatsächlicher Entwicklung ist für die Schulanfänger in Sachsen zwar geringer als in Berlin. Jedoch leidet das Land seit vielen Jahren unter dem besonders strengen Spardiktat der Landesregierung, sodass Sachsen im Wettbewerb um das vorhandene Lehrpersonal besonders viele Anstrengungen unternehmen muss. Im Artikel Improvisieren und die Ausfälle verwalten schreibt Susanne KAILTIZ in der Wochenzeitung Das Parlament v. 04.12. 2017 zum bevorstehenden Lehrermangel in Deutschland und insbesondere in Sachsen:

Improvisieren und die Ausfälle verwalten

"In den Prognosen der Kultusministerkonferenz, nach denen sich die Länder in ihrer Schulplanung richten, sieht zwar alles gut aus: In ihrer letzten Berechnung aus dem Jahr 2013 heißt es, in den westdeutschen Flächenländern sinken die Schülerzahlen bis 2025 anhaltend auf 7,6 Millionen. Das sind 1,6 Millionen weniger Schüler als noch 2011. Im Osten bleibt die Schülerzahl weitgehend auf dem heutigen Niveau von rund 1,4 Millionen. Experten sehen das allerdings anders. Es werde alles noch viel schlimmer kommen als bisher, warnte die Bertelsmann-Stiftung im Spätsommer. Berechnungen der Bildungsforscher Klaus Klemm und Dirk Zorn zufolge wird die Zahl der Schüler viel stärker ansteigen. In ihrer Studie heißt es, im Jahr 2025 werde es rund 8,3 Millionen Schüler geben - das ist deutlich mehr, als die Kultusminister bisher prognostiziert haben. Der Grund seien steigende Geburtenzahlen und Zuwanderung: »Das Zeitalter sinkender Schülerzahlen ist zu Ende.« Für die Schulen habe diese Entwicklung dramatische Folgen: Allein an den Grundschulen würden in den nächsten acht Jahren fast 25.000 neue Lehrer gebraucht, heißt es. (...)
Die Maßnahmen der Länder gegen den Lehrermangel sind unterschiedlich - aber nur selten eine wirkliche Problemlösung. So hat Thüringen sich gerade entschieden, Lehrer wieder zu verbeamten. In Baden-Württemberg werden Pädagogen in Teilzeit »unangenehme Gespräche« angekündigt, zudem bemüht man sich, Oberschul- und Gymnasiallehrer dazu zu bewegen, an Grundschulen zu unterrichten, Lehrer aus der Rente zurückzuholen oder Personal von einer Schulart zur anderen abzuordnen. Diskutiert werden auch Reformen bei der Lehrerbildung (...).
Die verbreitetste Maßnahme für mehr Personal ist (...) die Einstellung von Quereinsteigern. Das heißt: Es kommen Akademiker zum Teil ohne jede didaktische oder pädagogische Vorbildung an die Schulen. Das trifft auf drei Viertel der Neueinstellungen in Chemnitz zu, in ganz Sachsen lag die Quote bei mehr als 50 Prozent. In vielen Fällen hatten die Quereinsteiger keine Zeit mehr für eine Qualifizierung, selbst vorbereitende Crashkurse gab es nicht."

Wenn jetzt schon in Sachsen derartige Probleme bestehen, kann man sich leicht ausrechnen, was passiert wenn sich in den nächsten Jahren der Schüleranstieg noch beschleunigt. Sachsen könnte das erste Land sein, in dem 2019 die Alternative für Deutschland an die Macht gelangt, wenn das Land diese Probleme nicht bewältigt.

Fazit: Ein Anstieg der endgültigen Kinderzahlen in den Frauenjahrgängen bis 1985 auf 1,6 Kinder pro Frau ist beim Ausbleiben von Krisen möglich

Fasst man die vorliegenden Daten zusammen, dann ist ein Geburtenanstieg nicht nur für die Frauenjahrgänge bis 1973 wahrscheinlich, sondern für alle Frauenjahrgänge der 1970er Jahre. Auch bei den Frauenjahrgängen bis 1985 könnte der Geburtenanstieg weiter anhalten. Ein Anstieg der Kohortenfertilität auf 1,6 ist deshalb durchaus möglich. Das hängt aber auch von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland ab, denn Krisen führen in der Regel zum Aufschub von Geburten, der die Entwicklung behindern könnte.

Auf alle Fälle ist Deutschland für den möglichen Geburtenanstieg in den nächsten Jahren nicht gerüstet. Durch den Blick in die fernere Zukunft gerieten die bereits eingetretenen Entwicklungen aus dem Blick. Wer allzu sehr auf das Schrumpfen fixiert ist, der verpasst die Chancen, die in der Geburtenentwicklung der nächsten Jahre angelegt sind. Die Schrumpfung wäre dann die Folge einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Alle Bevölkerungsvorausberechnungen - und erst recht die regionalen Bevölkerungsvorausberechnungen - unterschätzen die Geburtenentwicklung. Es drohen dadurch weitere Engpässe bei der Kinderbetreuung und in den Schulen, die dazu führen können, dass Eltern sich gegen weitere Kinder und Kinderlose gegen Kinder entscheiden. Sollten die aufgezeigten Entwicklungen anhalten, so droht Deutschland von der Geburtenentwicklung überrollt zu werden. Die Herausforderungen des demografischen Wandels stellen sich nicht etwa erst nach 2030, sondern bereits jetzt. Und auf einem Gebiet, das die Wenigsten überhaupt im Blick haben. Nicht der Kollaps der Rentenversicherung ist das Hauptproblem, sondern die Bewältigung des Geburtenanstiegs der nächsten 10 Jahre.

 
     
 
       
   

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Update: 15. November 2018