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Einführung
Der Landtagswahlkampf der
CDU begann bereits nach der Bundestagswahl 2017, als der
amtierende Ministerpräsident Michael KRETSCHMER zum Nachfolger
von Stanislaw TILLICH ausgerufen wurde. Die Schlagzeilen
lauteten
Plötzlich Ministerpräsident (Handelsblatt 19.10.2017),
Sächsischer Befreiungsschlag (FAZ 19.10.2017). Der
Spiegel bezeichnete dies als Betriebsunfall:
Der
Betriebsunfall
"Kretschmer steht für die
Niederlage der heimischen CDU bei der Bundestagwahl. Auch weil
er als Generalsekretär seiner Partei die Kampagne maßgeblich
gesteuert hat. Nach verlorenen Wahlen sind für gewöhnlich die
Generalsekretäre die Ersten, die ihren Kopf hinhalten müssen.
(...). Doch nun wird der große Wahlverlierer befördert.
Nach Lage der Dinge gab es nur einen Mann, der Tillichs
Wunschnachfolger hätte verhindern können: Bundesminister Thomas
de Maizière".
(Andreas Wassermann & Steffen Winter im Spiegel v.
21.10.2017)
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Die
taz bezeichnete den Vorgang als Turbokarriere:
Fleisch
vom Fleische der Sachsen-CDU
"Nun soll (...) mit
Kretschmer jemand die Dresdner Staatskanzlei übernehmen, der
nicht einmal ein politisches Mandat hat. Ein Amt hat er zwar -
seit 2005 ist er Generalsekretär der sächsischen CDU, aber im
Landtag saß er nie. Stattdessen ab 2002 im Bundestag, das dürfte
man getrost eine Turbokarriere nennen. (...).
Bei der Bundestagswahl holte ein No-Name von der AfD seinen
Görlitzer Wahlkreis".
(Anja Maier, taz v. 20.10.2017)
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Was war bei der
Bundestagswahl in Sachsen am 24. September 2017 geschehen?
Die CDU wurde hauchdünn bei den Zweitstimmen von der AfD
überholt und lag mit 26,9 % hinter der stärksten Partei, die auf 27,0
% der Stimmen kam. Michael KRETSCHMER, der damalige sächsische Generalsekretär
der CDU, wurde in seinem
Wahlkreis 157 Görlitz vom AfD-Direktkandidaten vernichtend
geschlagen. KRETSCHMER verlor 18,2 % seiner Erststimmen
gegenüber der Bundestagswahl 2013 und kam nur noch auf 31,4 %.
Sein AfD-Kontrahent dagegen kam aus dem Stand heraus auf 32,4 %.
Die AfD konnte sogar die Wahlkreise 156 Bautzen I und 158
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gewinnen. So etwas gelang außer
der CDU nur noch der
Linkspartei, die im Wahlkreis 153 Leipzig II erfolgreich war.
Von den 16 sächsischen Wahlkreisen, die
2013 noch alle die CDU - teils sogar mit absoluter Mehrheit -
gewonnen hatte, gingen nun 4 verloren. Das war eine
ziemliche Schmach für die lange Zeit absolutistisch regierende
CDU. Noch größer war die Schmach für den damaligen Innenminister
Thomas de MAIZIÈRE, der nur auf 36,7 % der Erststimmen kam. Das
war weniger als die AfD-Direktkandidatin Frauke PETRY, die mit
37,4 % gewann. 2013 hatte de MAIZIÈRE im
Wahlkreis 155 Meißen noch mit der absoluten Mehrheit von
53,6 % gewonnen. Es ist also kein Wunder, dass der Innenminister
sich vor dem Amt eines Ministerpräsidenten drückte.
Die
Stärkung des ländlichen Raums als neue Chefsache
Angesichts der CDU-Schmach
bei der Bundestagswahl 2017 war Michael KRETSCHMER zum Erfolg
verdammt. Stefan LOCKE feierte ihn
in der FAZ als jüngsten Ministerpräsidenten. Eines
der Hauptprobleme der Leuchtturm-CDU, deren neoliberales Motto
"Die Starken stärken" hieß, ist die Schulpolitik:
Der Bauch
hat das Wort
"1000 Schulen hat Sachsen
seit 1990 wegen des Geburtenknicks geschlossen und dann den Zug
verpasst, als ab 2010 die Kinderzahlen wieder stiegen. Seit
einem Jahr will die Regierung gegensteuern".
(Bernhard Honnigfort, Frankfurter Rundschau v.
13.11.2017)
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Dem neoliberalen
Zeitgeist, dessen Musterknabe Sachsen war, ist es geschuldet,
dass die Infrastruktur zurückgebaut und am Personal gespart
wurde.
Sachsen ist vom Lehrermangel besonders stark betroffen, aber
das Thema konnte - wie viele andere - vom linksliberalen
Mainstream nicht wirklich kritisiert werden, denn oberstes Gebot
war das Anti-AfD-Bündnis, dessen Kosten erst in den nächsten
Jahren wirklich sichtbar werden wird.
Seit der Niederlage bei
der Bundestagswahl, wurde zudem die Stärkung des ländlichen
Raums zur CDU-Chefsache erklärt. Drohende Massenentlassungen
stellten deshalb einerseits eine Gefahr da, boten andererseits
aber auch Möglichkeiten zur Profilierung. Der Fall Siemens stand
deshalb im Mittelpunkt des medialen Interesses. Stefan LOCKE
schreibt
in der FAZ zu geplanten Entlassungen in der
ostsächsischen Grenzstadt Görlitz:
Machtlos
gegen den Umbruch
"In Görlitz geht es um 950
Arbeitsplätze (...). (E)s ist das größte Siemens-Werk im Osten
und zugleich so etwas wie eine Lebensversicherung für
Deutschlands östlichste Stadt. Die Dimension der Entscheidung
verdeutlicht eine simple Rechnung der IG Metall. Sollte das Werk
schließen, stiege die Arbeitslosigkeit in der Stadt von zwölf
auf 24 Prozent. Görlitz hatte nach 1990 bereits eine Welle der
Deindustrialisierung hinter sich".
(FAZ v. 18.11.2017)
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Ob es nun um die
"Abgehängten", um "abgehängte Regionen" oder "bedrohte Regionen"
ging,
war Gegenstand weitschweifiger Mainstream-Debatten. Das änderte aber
nichts daran, dass es in jedem Fall um die Stärkung des
ländlichen Raums gehen sollte. Damit sollte ein weiterer
Erfolg der AfD verhindert werden, deren Stärke insbesondere den
deindustrialisierten Gebieten in Ostdeutschland zugeschrieben
wurde. Nach der Bundestagswahl schwärmten die kosmopolitischen
Reporter der Mainstreammedien aus, um sich dort auf die Suche
nach den Gründen für den AfD-Erfolg zu machen. Die sächsischen
AfD-Hochburgen waren insbesondere jene, in denen die
AfD-Kandidaten ein Direktmandat gewannen.
Typisch für die
Faktenhuberei der Medien war der Versuch, die Erfolge bzw.
Misserfolge der AfD mit einzelnen "neoliberalen Kennzahlen" zu
belegen oder zu widerlegen. Beispielhaft dafür war der Artikel
Zukunftsangst wählt rechts von Stephan KAUFMANN.
Auf Länderebene wollte KAUFMANN mittels Arbeitslosenquoten und
Armutsquote einen Zusammenhang mit dem AfD-Zweitstimmenniveau
bei der Bundestagswahl 2017 herstellen, weil dies offensichtlich
nicht zusammenpasste, heißt es deshalb:
Zukunftsangst wählt rechts
"Wie Menschen wählen, hängt
nur zu einem Teil von ihrer objektiven wirtschaftlichen Lage ab.
Wichtig ist, wie sie ihre Lage subjektiv bewerten und ob sie
eher pessimistisch in die Zukunft sehen. Und schließlich zählt,
welche Ursachen sie für ihre Lage sehen und welchen Schluss sie
daraus ziehen - ob sie beispielsweise ihr Gerechtigkeitsgefühl
eher mit einer Vermögensteuer oder einer Zuwanderungsobergrenze
befriedigt sehen.".
(Frankfurter Rundschau v. 02.10.2017)
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Die "objektive Lage", das
ist der einzige Maßstabe, den unsere kosmopolitischen Eliten
gelten lassen. Davon wird die "gefühlte Lage" derjenigen
unterschieden, die die falsche Partei wählen, denn die
Nichtwähler sind unseren Eliten gleichgültig. Nichtwähler gefährden
ihre Macht nicht. In dem Maße jedoch wie die Nichtwähler zur AfD
überlaufen, ist das unseren Eliten nicht mehr gleichgültig.
Daraus lässt sich ein Lernziel ermitteln: Die AfD ist derzeit
die einzige Partei, die Ohnmachtgefühle in Selbstwirksamkeit
umwandeln kann, das ist die große Attraktivität dieser Partei
für die so genannten "Protestwähler", die mit den etablierten
Parteien - aus unterschiedlichen Gründen - abrechnen wollen.
Der
linksliberale Mainstream als notwendige Stütze des beliebten,
aber schwachen CDU-Ministerpräsidenten
Michael KRETSCHMER ist auf
das Wohlwollen im linksliberalen Mainstream angewiesen, wenn
eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen werden soll. Zu diesem
zählt sich auch die Linkspartei, wenngleich sie von der CDU
wenig gelitten ist. Ihre Parteizeitung Neues Deutschland
lobt KRETSCHMER, weil er die "landestypischen" Probleme
anzugehen verspricht:
Der
humpelnde Freistaat
"Kretschmer (...) sieht (...)
eine »sächsische Komponente«: eine eklatante Unzufriedenheit mit
der Landespolitik in Fragen von Schule und innerer Sicherheit,
aber auch wegen der Vernachlässigung des ländlichen Raumes."
(Hendrik Lasch, Neues Deutschland v. 02.10.2017)
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KRETSCHMER erhält von den
kosmopolitischen Medien einen Vertrauensvorschuss. Nach der
Ernennung zum Ministerpräsidenten am 13. Dezember 2017 spricht
die FAZ vom
Menetekel Sachsen und dass KRETSCHMER schaffen muss, was
kaum zu schaffen ist. Drei Monate später titelt die FAZ:
Kretschmer rennt. Peter CARSTENS zählt in dem Artikel
die Defizite auf, die zu beseitigen sind:
Kretschmer
rennt
"Lange rühmte sich die
Landespolitik, mit billigsten, nur angestellten Lehrern die
besten Ergebnisse zu erzielen. Doch immer mehr junge Pädagogen
machen da nicht mehr mit. Inzwischen wandert die Hälfte der
sächsischen Absolventen in Bundesländer ab, wo sie verbeamtet
werden. Hunderte Leerstellen in den Klassenzimmern werden mit
Quereinsteigern und Aushilfen gefüllt. In diesem Jahr sind es
sechzig Prozent der Neulehrer (...) Darüber wuchs über Jahre
eine Riesen-Elternwut im ganzen Land. (...). Bald werden auch
Sachsens Lehrer verbeamtet.
(...).
(W)as nützt es, wenn in Leipzig die Künstlerkolonien blühen, in
Dresden die Beamtenschaft flaniert und in Chemnitz der
Maschinenbau wieder floriert, solange in kleineren Städten wie
Bautzen, Görlitz, Plauen oder Zwickau die Leute wegziehen, die
Bahnverbindungen abreißen und drumherum in den Kleinstädten und
Gemeinden, die Postämter schließen oder die freiwillige
Feuerwehr eingeht? Denn dort wohnt die Mehrheit der Sachsen."
(FAZ v. 04.03.2018)
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Die neue "Dialog"-Kultur
von KRETSCHMER wird vom Wohlwollen des linksliberalen
Mainstreams begleitet. Anne HÄHNIG zeichnet in der ZEIT
ein wohlwollendes Porträt des "Zuhörers" KRETSCHMER ("Kampf
gegen die Wut", 22.03.2018). Doch KRETSCHMER muss sich nicht
nur beim linksliberalen Mainstream beliebt machen, sondern will
auch diejenigen wieder zurückholen, die zur AfD abgewandert
sind. So titelt etwa die SZ:
Debakel mit Hut (24.08.2018). Nach den Vorfällen in
Chemnitz schreibt die FAZ dann: "Er
macht viele Fehler, aber er
verdient dennoch Unterstützung. Denn Sachsen sollte nicht
aufgegeben werden"
(Peter CARSTENS, 29.08.2018). Die Zeitung
Neues Deutschland sieht ein Auseinandertrifften zwischen
der Ministerpräsidentenbeliebtheit und der Partei:
Und immer
noch ein Magenschwinger
"Kretschmer (versucht sich)
in schonungsloser Analyse von Fehlern. Von denen muss sich die
CDU etliche ankreiden lassen: den dramatischen Lehrermangel in
den Schulen, der ebenso der Preis für eine rigiden Sparkurs war
wie die personell ausgedünnte Polizei. Im Freistaat, der sich
gern als ostdeutsches Musterland feiert, gibt es viele Dörfer,
in denen Ärzte, Busse und schnelles Internet fehlen. (...).
Kretschmer (...) weiß, dass die Zeit gegen ihn läuft:
Landtagswahl ist in einem Jahr, das 1,7 Milliarden Euro schwere
Lehrerpaket greift frühestens in drei Jahren. (...). Seine
Partei (...) profitiert nicht davon, dass er mit dem Füllhorn
über Land zieht: Sie rutschte in Umfragen auf inzwischen nur
noch 30 Prozent ab. Die AfD liegt derweil nur noch fünf
Prozentpunkte zurück, zudem wird nicht ausgeschlossen, dass sie
viele Wahlkreise gewinnt - gerade in Ostsachsen, wo auch der
Regierungschef sich um ein Landtagsmandat bewirbt. Es drohen
viele weitere Magenschwinger".
(Hendrik Lasch, Neues Deutschland v. 31.08.2018)
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Die Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung geht sogar noch weiter. Christine
KEILHOLZ sieht die CDU-Parteibasis bereits erodiert und erklärt
damit die Milde mit dem rechten Rand:
Auf
tönernen Füßen
"Seine Sachsen-CDU ist zu
weiten Teilen gar keine CDU, sie besteht in großen Teilen aus
einer Phalanx von parteilosen Mandatsträgern, die für die CDU in
Stadt- und Gemeinderäten sitzen. (...). Mehr als die Hälfte der
CDU-Mandatsträger sind nicht in der CDU: 3835 Abgeordnete stellt
die Partei in Kommunen und Kreisen - aber 2108 von ihnen gehören
der Union nicht an. (...). Das bedeutet: die CDU hat nicht genug
Kraft, AfD-Sympathisanten zur Ruhe zu bringen - und sie hat
nicht den Mut, sie aus der Partei von Kurt Biedenkopf
hinauszuwerfen.
Nur vor diesem Hintergrund lässt sich verstehen, warum Michael
Kretschmer im eigenen Land als strammer Konservativer auftritt.
Er würde sonst womöglich Hunderte von CDU-Abgeordneten in die
Arme der AfD treiben."
(FAS v. 31.08.2018)
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Zusammenfassend lässt sich
also sagen, dass Michael KETSCHMER vor der Landtagswahl in einer
schwachen Position ist: Er ist einerseits auf das Wohlwollen des
linksliberalen Mainstreams angewiesen und andererseits sitzt ihm
die eigene Parteibasis im Nacken. Das ist der Stand rund ein
Jahr vor der Landtagswahl 2019.
Der
linksliberale Mainstream stärkt die CDU und schwächt damit die
eigenen Parteien
Ein taz-Artikel ist
typisch für das Denken der KRETSCHMER-Unterstützer jenseits der
CDU:
Scheitert Kretschmer, scheitert viel mehr heißt die
Schlagzeile (taz, 08.09.2018). Es ist der Grundtenor des
Anti-AfD-Bündnisses von Rot-Rot-Grün. Und er beschränkt sich
keineswegs auf die Landesebene, sondern die Mobilmachung gegen
die AfD ist vergleichbar mit einem dauerhaften Ausnahmezustand.
Dauererregung wird zum Modus des Anti-AfD-Bündnisses.
Es werden nun Symbolkämpfe auf allen politischen Ebenen
ausgefochten, in denen die AfD ihre Unterlegenheit demonstriert
werden soll.
Beispielhaft stehen dafür die Oberbürgermeisterwahlen in der AfD-Hochburg Meißen mit dem
Theologen Frank RICHTER als Hoffnungsträger (siehe
FAZ 15.08.2018,
Welt 11.09.2018,
ND 13.09.2018,
FAZ 22.09.2018,). Das Ziel wird erreicht:
Die AfD unterliegt, aber zum Preis, dass der CDU-Kandidat als
lachender Dritter gewinnt. Der AfD-Kandidat ist zum zweiten
Wahlgang nicht mehr angetreten, sondern hat dem CDU-Kandidaten
das Feld überlassen. Das hätte dem Anti-AfD-Bündnis eine Warnung
sein können, aber dort feierte man sich lieber (z.B.
ND 25.09.2018).
Das gleiche Spiel ereignet sich bei der Oberbürgermeisterwahl in
der AfD-Hochburg Görlitz (siehe
ND 18.04.2019,
Welt 08.05.2019). In Görlitz wurde jedoch der Preis solcher
Bündnisse für Rot-Rot-Grün deutlich. Die Linkspartei nominierte
im ersten Wahlgang eine aussichtslose Kandidatin und sorgte
dadurch dafür, dass die aussichtsreiche Grünen-Kandidatin sich
zugunsten des CDU-Kanidaten zurückzog:
Görlitzer
Wahl bewegt Hollywood
"Die Linke hatte mit der
kommunalpolitisch unerfahrenen Kulturmanagerin Jana Lübeck eine
eigene Kandidatin nominiert, die indes abgeschlagen bei 5,5
Prozent landete. (...). Bereits die Hälfte der Stimmen hätten
Schubert zu Platz 2 verholfen, hieß es aus deren Umfeld."
(Hendrik
Lasch, Neues Deutschland v. 13.06.2019)
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Die Parteizeitung der
Linkspartei sieht das dagegen anders: Es hätte dann kein Duell
zwischen Grün und AfD gegeben, sondern der CDU-Kandidat hätte
weitergemacht. Das alles ist letztlich Spekulation, nur zeigt
dies wie leicht ein Anti-AfD-Bündnis auseinanderbrechen könnte,
wenn der Schaden für die Bündnispartner zu groß wird. Im Fall
Görlitz fühlten sich die Grünen benachteiligt, bei der
Landtagswahl trifft es dann die Linkspartei besonders hart. Fünf
Tage später titelt Neues Deutschland: Antifa heißt CDU wählen
(Robert D. MEYER 18.06.2019). Für Stefan LOCKE in der FAZ
ist der symbolische Sieg in Görlitz
kein Grund zum Aufatmen für die CDU, die den Erfolg ganz
allein für sich reklamieren wollte. In der Welt kritisiert der
konvertierte Alt-68er Thomas SCHMID, dass solche Anti-AfD-Bündnisse eines "permanenten
antipopulistischen Ausnahmezustands"
bedürfen, der letztlich die Mobilisierbarkeit reduziert (Welt
18.06.2019). Rund einen Monat später, zum Wahlauftakt, wurde
mit Siemens eine Absichtserklärung unterzeichnet, nach der in
Görlitz ein Zentrum für Wasserstofftechnologie entstehen soll.
Joe KAESER und Siemens sowie Michael KRETSCHMER werden damit zu
Rettern im gefährdeten Ostsachsen stilisiert (vgl.
FAZ 16.07.2019). Am 23. Juli sieht dann Hendrik LASCH das
Ende der Bewährung für KRETSCHMER gekommen. Die
Linkspartei nimmt Görlitz zum Anlass, um KRETSCHMER dort den
Kampf anzusagen:
Ende der
Bewährung
"Eine wichtige Rolle dürfte
auch die Frage spielen, ob er seinen Wahlkreis direkt gewinnt.
Kretschmer hat sich entschieden, dorthin zu gehen, wo es weh
tut: in seine Heimatstadt Görlitz, wo er 2017 sein
Bundestagsmandat verlor. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge.
Bei Stadtrats- und Europawahl lag die CDU in Görlitz jeweils
hinter der AfD. Und selbst bei der Wahl des Oberbürgermeisters
im Juni hatte CDU-Bewerber Octavian Ursu gegen AfD-Mann
Sebastian Wippel im zweiten Wahlgang (...) nur deshalb die Nase
vorn, weil Grüne, Linke und Wählervereinigungen ihn
unterstützten.
Am 1. September fordert Wippel im Kampf um einen Landtagssitz
Kretschmer heraus. Und weil die CDU nach dem Sieg bei der
OB-Wahl durch eklatante Undankbarkeit gegenüber den
Unterstützern glänzte, fällt diesmal auch der Flankenschutz für
Kretschmer aus. Die Linke etwa hat angekündigt, sich im
Wahlkreis Görlitz diesmal besonders ins Zeug zu legen".
(Neues Deutschland v. 23.07.2019)
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Das jedoch ist nur
Augenwischerei. In den
Umfragen (Stand: 02.07.2019) steht die Linke bei 15 %.
Zwischen 06. und 22. August wird sie sogar mit 16 % gehandelt.
Danach geht es aber wieder bergab. Die AfD stand damals mit 26 %
am Zenit ihrer Umfragen-Beliebtheit. Bei der CDU ging es jedoch
damals von 26 % auf 32 % hinauf. Keine andere Partei legte in
dieser Zeit ähnlich stark zu. Die hoch gehandelten Grünen
konnten da nicht mithalten. Es gab in dieser Schlussphase des
Wahlkampfes nur zwei Fragen:
1. Kann sich die CDU gegen die AfD als stärkste Kraft jenseits
der 30 Prozent behaupten und
2. Gewinnt Michael KRETSCHMER sein Direktmandat im Wahlkreis 58
Görlitz 2.
Diese in den
Mainstreammedien vorgegebene Linie bestimmte den Wahlkampf, denn
davon sollte das Schicksal des Ministerpräsidenten abhängen.
Die
Linkspartei setzt auf Direktmandate in den Großstädten und
vernachlässigt den ländlichen Raum
Im April nominierte die
Linkspartei ihre Listenbewerber für die Landtagswahl. Hendrik
LASCH galt damals
in deren Parteizeitung noch der Listenplatz 21 als sicher:
Die
Balance bleibt doch gewahrt
"Nach Platz 12 (...) wurde
dem Listenvorschlag nicht mehr in jedem Fall gefolgt. Platz 14
errang der dort zunächst nicht berücksichtigte, für seinen
unorthodoxen Politikstil bekannte Hochschulpolitiker René Jalaß;
die Leipzigerin Jule Nagel, die 2014 das einzige Direktmandat
für ihre Partei geholt hatte, kam auf Platz 15. Ihre Befürworter
betonten, dass beide bei der CDU »Schaum vor dem Mund«
verursachten. Auf Platz 13 steht Antonia Mertsching, die in
entwicklungspolitischen Netzwerken arbeitet und ihre
Entscheidung für die Linke damit begründet, dass man »die Roten
grüner, aber die Grünen nicht roter machen« könne. (...). Platz
19 erkämpfte mit der Finanzexpertin Verena Meiwald erneut eine
Abgeordnete, die es zunächst nicht auf den Listenvorschlag
geschafft hatte. Dadurch rutschte Marion Junge als erste
Vertreterin aus Bautzen auf Platz 21.
Auch dieser gilt angesichts aktueller Prognosen, welche die
Linke bei 17 Prozent sehen, als sicher."
(Neues Deutschland v. 15.04.2019)
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Tatsächlich war dann bei
der Landtagswahl Platz 13 der letzte sichere Listenplatz. Die
Kommunalwahlen und die Europawahl im Mai galten den Parteien in
Sachsen als Testwahl für die bevorstehende Landtagswahl. Im
Artikel
Stimmungstest vor der Landtagswahl wird das Aufgebot der
Linkspartei für die Kommunalwahlen aufgelistet:
Stimmungstest vor der Landtagswahl
"Für die CDU geht es um die
Rolle als stärkste Kraft, für die Linke unter anderem um
politischen Einfluss in den drei Großstädten. (...).
In den Landkreisen und Kommunen hat die Linke weniger Einfluss,
abgesehen von Hochburgen wie Bennewitz bei Leipzig, wo sie 2014
auf sagenhafte 51,2 Prozent kam und neun der 16 Gemeinderäte
stellt, oder Lugau im Erzgebirge, wo sie 31 Prozent erreichte.
Bei den Wahlen der Kreistage fuhr man mit knapp 20 Prozent das
beste Ergebnis in Zwickau ein. Insgesamt errang die Partei vor
vier Jahren 1.200 Mandate, davon 793 in Gemeinderäten und 204 in
den Kreistagen und Stadträten der drei kreisfreien Städte. Auf
dieser Ebene hatten 782 Bewerber für die Partei kandidiert;
jetzt sind es 730, sagt Tilman Loos, Sprecher des
Landesverbandes. Für die Gemeinderäte gehen 1.200 Kandidaten ins
Rennen, 2014 waren es noch 1388 gewesen. (...).
Bürgermeisterwahlen finden parallel zur Kommunalwahl in nur 13
Städten und Gemeinden statt. In Görlitz (...) in den ehemaligen
Kreisstädten Döbeln, Werdau sowie Aue, wo nach der Fusion mit
dem benachbarten Bad Schlema erstmals ein Verwaltungschef
bestimmt wird. (...) So gut wie sicher hat die Partei den
Rathausposten im Urlauberort Gohrisch in der Sächsischen
Schweiz"
(Neues Deutschland v. 14.05.2019)
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Die Anzahl der
Linkspartei-Kandidaten ist also gegenüber den letzten Wahlen
bereits geschrumpft. Das besondere Augenmerk der Partei liegt
dabei auf Dresden, Leipzig und Chemnitz. Diese Sicht findet sich
sogar noch am 22. August bei der FAZ wieder:
Schwester
Agnes und der Ostfaktor
"Vor allem in den Großstädten
gewinnt sie junge Leute. In Leipzig gewann sie schon vor fünf Jahren
ein Direktmandat - die anderen 59 holte wie stets die CDU. Diesmal
sieht die Partei Chancen, in Leipzig, Chemnitz und Dresden mehrere
Wahlkreise direkt zu gewinnen. Für eine Koalition mit SPD und Grünen
aber würde es nicht reichen".
(Stefan Locke & Markus Wehner, FAZ v. 22.08.2019)
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Zu dieser Zeit sahen die
Wahlkreisprognose-Webseiten election.de und
wahlkreisprognose.de noch in den folgenden Wahlkreisen
Chancen für die Linkspartei:
LOCKE & WEHNER machen sich
lustig über den Aktionismus der Linkspartei im ländlichen Raum:
Schwester
Agnes und der Ostfaktor
"Der Nossener Marktplatz ist
morgens um 10 Uhr gähnend leer, aber das ficht die Wahlkämpfer der
Linken nicht an. (...).
Deren sächsischer Landesverband ist mit 8.000 Mitgliedern immer noch
der größte im Osten - und der einzige, der noch nie regiert hat.
(...). (I)n Sachsen führten die Dominanz der CDU und die Schwäche der
SPD dazu, dass für die Partei nur der Platz der größten
Oppositionspartei blieb. Nach Lage der Dinge wird sie diesen Status
nach der Wahl am 1. September an die AfD abgeben".
(Stefan Locke & Markus Wehner, FAZ v. 22.08.2019)
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Das soll wohl heißen, dass
die Linkspartei in Verschwendung schwelgt, statt ihre
personellen Mittel effizient einzusetzen. Die Kleinstadt
Nossen liegt im
Landkreis Meißen, einer AfD-Hochburg. Bei
der
Stadtratswahl im Mai konnte die Linkspartei nur einen
einzigen Sitz der 23 Sitze gewinnen. Eigentlich hätten 26 Sitze
verteilt werden sollen, aber 3 Sitze blieben unbesetzt, weil die
AfD mit zu wenig Bewerbern angetreten war (Mehr zum
verunglückten Wahlkampf der Linkspartei im ländlichen Raum
hier und
hier).
Die
Kommunalwahlen in Sachsen führten zu einem erdrutschartigen Sieg
der Alternative für Deutschland
Am 26. Mai sind für
Sachsen die Kommunalwahlen entscheidender als die Europawahl,
denn sie sind ein Stimmungstest für die bevorstehende
Landtagswahl. Aus der folgenden Tabelle sind die
Machtverschiebungen in den 10 sächsischen Kreistagen
ersichtlich:
Tabelle:
Sitzverteilung in den 10 Kreistagen im Freistaat Sachsen
2019 (Veränderung zu 2014) |
Kreistag |
Gesamt |
CDU |
AfD |
Linke |
SPD |
Grüne |
Erzgebirgskreis |
98 |
32 (- 12) |
21 (+ 14) |
11 (- 5) |
5 (- 3) |
5 (+ 2) |
Mittelsachsen |
98 |
28 (- 15) |
22 (+ 18) |
11 (- 5) |
9 (- 3) |
5 (+ 1) |
Vogtlandkreis |
86 |
27 (- 6) |
17 (+12) |
11 (- 3) |
9 (- 5) |
5 (+ 2) |
Zwickau |
98 |
30 (- 10) |
19 (+ 14) |
14 (- 6) |
7 (- 3) |
6 (+ 2) |
Bautzen |
98 |
29 (- 16) |
29 (+ 28) |
10 (- 8) |
8 (- 3) |
5 (+ 2) |
Görlitz |
86 |
23 (- 14) |
27 (+ 20) |
8 (- 6) |
4 (- 3) |
5 (+ 1) |
Meißen |
86 |
27 (- 12) |
23 (+ 16) |
9 (- 5) |
5 (- 3) |
7 (+ 3) |
Sächsische
Schweiz/Osterzgebirge |
86 |
26 (- 11) |
25 (+ 17) |
9 (- 4) |
4 (- 2) |
6 (+ 2) |
Leipzig |
86 |
20 (- 14) |
19 (+ 17) |
11 (- 7) |
12 (- 3) |
6 (+ 4) |
Nordsachsen |
80 |
23 (- 11) |
16 (+ 16) |
8 (- 5) |
13 (- 4) |
4 (+ 2) |
Gesamt |
902 |
265 (-121) |
218 (+ 172) |
102 (- 54) |
76 (- 32) |
54 (+ 21) |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de;
eigene Berechnungen |
Die AfD und die Grünen
können ihre Mandate erhöhen. Die AfD vervierfacht fast die
Anzahl ihrer Mandatsträger, die Grünen können sie fast
verdoppeln. Dagegen verlieren CDU, SPD und Linkspartei rund ein
Drittel ihrer Mandate. Für die linke Oppositionspartei, die nie
an einer sächsischen Regierung beteiligt war, ist das besonders
schlimm. Sie wurde nicht für schlechte Regierungsarbeit im Land
abgestraft, sondern büßte für ihre Rolle als
Protestpartei ein. Diese alarmierenden Anzeichen eines
Funktionsverlustes im Parteiensystem überspielte die Linkspartei
("Keine
Zeit fürs Wundenlecken"), denn schließlich sah sie ihre neue
Funktion als notwendiges Mitglied des Anti-AfD-Bündnisses. Diese
Funktion bestand jedoch in Sachsen weitgehend nur noch im
Überflüssigsein.
Tabelle:
Sitzverteilung in den Stadträten der drei Großstädte im Freistaat Sachsen
2019 (Veränderung zu 2014) |
Großstadt |
Gesamt |
CDU |
AfD |
Linke |
SPD |
Grüne |
Chemnitz |
60 |
13 (- 2) |
11 (+ 8) |
10 (- 5) |
7 (- 5) |
7 (+ 2) |
Dresden |
70 |
13 (- 7) |
12 (+ 7) |
12 (- 3) |
6 (- 3) |
15 (+ 4) |
Leipzig |
70 |
13 (- 6) |
11 (+7) |
15 (- 3) |
9 (- 4) |
15 (+ 4) |
Gesamt |
200 |
39 (-15) |
34 (+ 22) |
37 (- 11) |
22 (- 12) |
37 (+ 10) |
|
Quelle:
Daten der Großstädte; Eigene Berechnungen |
In der Großstadt Chemnitz
verlor die Linkspartei ein Drittel ihrer Mandate und musste
damit die meisten Verluste hinnehmen, denn 2014 hatte sie wie
die CDU noch 15 Mandate. Zehn Jahre zuvor war sie in Chemnitz
als PDS zum einzigen Mal stärkste Partei geworden.
In der Landeshauptstadt
Dresden musste die Linkspartei nicht so viele Mandatsverluste
hinnehmen wie in Chemnitz, doch Rot-Rot-Grün hat dort 2 Mandate
weniger als 2014. Einzig in Leipzig kommt Rot-Rot-Grün auf eine
Mehrheit von 39 Sitzen.
Betrachtet man die drei
sächsischen Großstädte, dann liegt selbst dort die AfD kaum noch
hinter den Parteien des linksurbanen Milieus. Es wäre also
verfehlt, die AfD in den Großstädten nicht ernst zu nehmen.
In den Mainstreammedien
wurde der Wahlerfolg der AfD jedoch nicht an den vergangenen
Kommunalwahlen gemessen, sondern im Vergleich zur Bundestagswahl
2017 und zur zeitgleich stattfindenden Europawahl. Dadurch
konnte man sich einreden, dass die AfD nun schlechter dastehe
als damals. Solche Schönfärberei rächt sich jedoch sehr schnell.
Beispielhaft dafür ist der
Neues Deutschland-Artikel von Hendrik LASCH, der die Linkenwähler jenseits
der "Latte-macchiato-Linken" ausmachte:
(K)eine
rote Insel im schwarz-blauen Meer
"Zwar
erzielte die Partei im Szeneviertel Connewitz mit 40,6 Prozent
ihr Rekordergebnis. Insgesamt seien aber »sowohl unsere
alternativen als auch unsere traditionellen Milieus
angesprochen« worden, so im Plattenbauviertel Grünau. Während in
vergleichbaren Quartieren in Dresden und Chemnitz die AfD
stärkste Kraft wurde, lag in Grünau die Linke mit 30 Prozent
vorn.
(...).
In Paunsdorf etwa, einem Viertel, das mit Grünau vergleichbar
ist, lag das Ergebnis unter 20 Prozent, in dörflichen
Randbezirken noch deutlich darunter. Der Vorteil Leipzigs sei,
räumt Bednarsky ein: »Wir können das anderswo kompensieren«".
(Neues Deutschland v. 11.06.2019)
|
Adam BEDNARSKI, der
Leipziger Linken-Chef, sah sich schon als Wahlsieger in seinem
Wahlkreis. Single-generation.de wies damals jedoch darauf hin,
dass der
Wahlkreis 29 Leipzig 3, wo BEDNARSKY antritt, weit mehr
umfasst als das Plattenbauviertel Grünau, nämlich: Großzschocher,
Burghausen-Rückmarsdorf, Grünau-Mitte, Grünau-Nord, Grünau-Ost,
Grünau-Siedlung, Hartmannsdorf-Knautnaundorf, Kleinzschocher,
Knautkleeberg-Knauthain, Lausen-Grünau, Miltitz und Schönau.
Tatsächlich war es dann mit der Kompensierbarkeit nicht mehr
weit her, wie weiter unten gezeigt wird.
Initiativen wie
Sachsen#umkrempeln waren verzweifelte Versuche, die eigene
Größe zu verklären (vg.
"Ein sichtbarer Gegenentwurf", ND 26.06.2019).
Noch im Juli
wird die Linkspartei
in der Wochenzeitung Der Freitag zur ostdeutschen
Volkspartei stilisiert:
Der
Genosse mit dem Punk
"Sie sitzt sehr häufig in den
Stadträten, stellt fünf Oberbürgermeister und
Oberbürgermeisterinnen in Ostdeutschland und verfügt über eine
zweistellige Anzahl von Sitzen in allen Landtagen, in Sachsen
derzeit 27 von 126. Mit knapp 8.000 Mitgliedern ist Sachsens
Linke größer als AfD, Grüne und FDP zusammen. Solche Präsenz
kennt die Partei nur hier."
(Felix Schilk & Konstantin Nowotny im Freitag Nr.28 v.
11.07.2019)
|
Doch nach den Kommunalwahlen sieht das schon
ganz anders aus:
Der
Genosse mit dem Punk
"Bei den vergangenen
Kommunalwahlen verloren sie in Sachsen im Vergleich zu 2014 fast
ein Drittel ihrer kommunalen Mandate, bei der Europawahl knapp
sieben Prozent - die stärksten Verluste seit 1990, »ein
Warnsignal«, so Katja Kipping in Chemnitz, »wir stecken in einer
existenziellen Krise«. Kippings Bundestags-Wahlkreis liegt in
Dresden. Und das in einer hochpolitischen Zeit: Die
Wahlbeteiligung bei Europawahlen stieg in Sachsen 2019 gegenüber
2014 um knapp 26 Prozent. Die AfD kam auf 25, die Grünen auf 10,
die Linke auf 11,7 Prozent. Letztere hatte bei den
Landtagswahlen 2014 noch 19 Prozent geholt, letzte Umfragen
sehen sie dieses Mal bei 15."
(Felix Schilk & Konstantin Nowotny im Freitag Nr.28 v.
11.07.2019)
|
Das "Warnsignal" von dem
KIPPING spricht, scheint in der Linkspartei niemand richtig
ernst genommen zu haben, denn die Umfragen sagten ja 15 Prozent
voraus. Dass die Linkspartei bei der Landtagswahl noch unter
ihrem
Europawahlergebnis in Sachsen (11,7 %) bleiben würde, das
wollte damals niemand wahrhaben. SCHILK & NOWOTNY weisen aber
darauf hin, dass das Hauptproblem der Linkspartei in ihrer
Schwäche im ländlichen Raum liegt:
Der
Genosse mit dem Punk
"Bei den Kommunalwahlen im
Mai wurde sie in der größten Stadt des Freistaates stärkste
Kraft. Vor zwei Jahren zog der Leipziger Grundschullehrer Sören
Pellmann per Direktmandat in den Bundestag (...). Eine »linke
Insel« im »rechten Sachsen« ist Leipzig dennoch nicht. (...).
Die Partei hat noch einen weiteren Feind: den Tod. Sachsen ist
alt, und Sachsen ist vor allem Fläche. Allein der
deindustrialisierte Erzgebirgskreis verfügt über mehr
Wahlberechtigte als Leipzig, die zehntgrößte Stadt Deutschlands.
Dort gehen der Linken die Stammwähler verloren. Jeder vierte
Sachse ist 65 Jahre und älter. 2007 hatte die Partei hier noch
5.000 Mitglieder mehr als heute: 13.000. Hauptproblem der Linken
ist das Fehlen der mittleren Jahrgänge, die den demografischen
Verlust ausgleichen könnten - jene Wendegeneration, die nach
1989 wegging oder heute oft bei Pegida marschiert und
überdurchschnittlich häufig AfD wählt".
(Felix Schilk & Konstantin Nowotny im Freitag Nr.28 v.
11.07.2019)
|
Der Aktionismus der
Linkspartei im ländlichen Raum hat das Problem der Partei noch
offensichtlicher gemacht.
Die
Entscheidung des Landeswahlausschusses ein Glücksfall für das
kosmopolitische Milieu?
Als am 5. Juli der
Landeswahlausschuss bekannt gibt, dass die AfD in Sachsen nur
mit 18 Listenbewerbern zur Landtagswahl antreten darf, scheint
das den Interessen des kosmopolitischen Milieus in die Hände zu
spielen.
Gelebte Demokratie mit eklatanten formalen Fehlern
titelt die FAZ tags darauf. Robert D. MEYER, der die Antifa-Sicht vertritt, hofft, dass "sich
Bewerber in stark umkämpften Wahlkreisen absprechen, um einen
Erfolg der Rechtsaußenpartei zu verhindern"
(ND
06.07.2019). Tatsächlich gab es dann Webseiten, die das
taktische Wählen als Mittel zum Kleinhalten der AfD
propagierten. Andere Seiten wiederum, z.B.
election.de, markierten jene Wahlkreise, in denen der
AfD-Direktkandidat nicht durch die Liste abgesichert war. In
diesen Wahlkreisen hätte die AfD nicht gewinnen dürfen, denn
dort erhöhte ein Sieg die Anzahl der Sitze im Parlament.
Über die Konsequenzen eines
solchen Verhaltens wurde längere Zeit eher nicht diskutiert. Die
ZEIT-Schlagzeile hieß:
Regelverstöße könnten die
Partei im Herbst die Hälfte ihrer Mandate kosten.
Darin hieß es aber gleichzeitig:
Mehr
Bürokratie wagen
"Michael Kretschmer (...)
versucht seit Monaten, die Debatten im Land wegzulenken von der
AfD. Jetzt dominiert sie doch wieder alles. Ihre
Selbstvermarktung als Opfer wird gestärkt. So, sagt Jochen Rozek,
Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Leipzig, wolle
es das Gesetz: »Die AfD muss den Ausgang der Wahl abwarten, kann
erst danach im Wahlprüfungsverfahren beim Landtag Einspruch
einlegen.« (...). Wie das spätere Verfahren im Prüfungsausschuss
ausgehen wird, ist aus Rozeks Sicht derzeit nicht absehbar
(...). Es sei jedenfalls denkbar, dass die Faktenlage auch
zugunsten der Partei ausgelegt werden könne, sagt Rozek. Das
würde wahrscheinlich Neuwahlen bedeuten".
(Anne Hähnig in Die Zeit Nr.29 v.
11.07.2019)
|
Sollten also Neuwahlen in
Kauf genommen werden, die nachträglich den Erfolg
delegitimierten und der Demokratie letztlich mehr schadeten?
Erst
im Spiegel erschien am 13. Juli ein Interview, in dem
die Juraprofessorin Sophie SCHÖNBERGER (Beitrag für das Verfassungsblog) die
Entscheidung des Landeswahlausschusses massiv kritisierte:
"Unprofessionell"
"Weil die Landtagswahl, so
wie es aussieht, nun in jedem Fall demokratischen Schaden nehmen
wird. Da sich die Nichtzulassung der AfD-Liste jetzt nicht mehr
korrigieren lässt, droht die Legitimität des Landtags zu
erodieren, wenn später festgestellt wird, dass der
Landeswahlausschuss hier falsch entschieden hat. Das schwächt
die demokratischen Institutionen und nährt die
Verschwörungstheorien und den Opfermythos der AfD."
(Sophie Schönberger im Spiegel-Interview v. 13.07.2019)
|
Keine zwei Wochen später
korrigierte dann das sächsische Verfassungsgericht - wider
Erwarten - die Entscheidung des Wahlausschusses und erhöhte die
Zahl der zugelassenen Listenbewerber der AfD von 18 auf 30.
Damit schien die Gefahr von Neuwahlen - angesichts der
damaligen Prognosen für die AfD - gebannt. Kurz darauf erklärt
der grüne Wahlrechtsexperte Wilko ZICHT
in der taz, dass die Kürzung der Liste ein Fehler war
und taktisches Wählen Linken und Grünen eher schadet:
"Die
AfD-Liste hätte nicht gekürzt werden dürfen"
"Ich denke, es wird die Runde
machen, in welchen Wahlkreisen man der AfD durch strategische
Wahl eines aussichtsreichen Gegenkandidaten einen Sitz wegnehmen
kann. Der Haken daran ist, dass es der CDU Überhangmandate
bescheren könnte. Die werden in Sachsen nicht voll ausgeglichen.
Wer eine Regierung ohne CDU und AfD will, der nähert sich dem
Ziel dann nur minimal. Es gibt nur wenige potenzielle
AfD-Wahlkreise, in denen Grüne oder Linke eine Chance haben."
(taz v. 25.07.2019)
|
Das Ergebnis der
Landtagswahl wird dieser Sicht dann Recht geben. Erst fast eine
Woche später, kommt das auch bei der Linkspartei-Zeitung an ("Taktik
schadet der AfD nicht mehr"), wobei ausgerechnet der
Grünen-Direktkandidatin
Paula PIECHOTTA (Wahlkreis 28 Leipzig 2)
solches Ansinnen zugeschrieben wird, die dann dort der einzigen
Leipziger Direktmandats-Gewinnerin der Linkspartei unterlag.
In der folgenden Übersicht
sind die zugelassenen AfD-Listenbewerber sowie die 15
Wahlkreisgewinner der AfD ersichtlich:
Übersicht:
Gewählte AfD-Listenbewerber (1-30) und Gewinner der 15
AfD-Direktmandate (Namen sieh
hier) |
Listen-
Nr. |
Zugelassene AfD-Listenbewerber |
Wahlkreis als Direktwahl-Kandidat |
Erststimmen-
anteil (Differenz
Zweitstimme) |
Wahlkreis-
Gewinner |
1 |
URBAN, Jörg |
56 Bautzen 5 |
36,4 % (+/- 0) |
nein |
2 |
ZWERG,
Jan-Oliver Aldo |
50 Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 3 |
35,0 % (+ 1,2 %) |
ja |
3 |
KEILER,
Joachim Michael |
45 Dresden 5 |
17,8 % (+ 1,5 %) |
nein |
4 |
WENDT, André |
42 Dresden 2 |
27,8 % (+ 2,3 %) |
nein |
5 |
WIPPEL,
Sebastian |
58 Görlitz 2 |
37,9 % (+/- 0) |
nein |
6 |
GAHLER,
Torsten |
17 Erzgebirge 5 |
32,0 % (+ 0,6 %) |
nein |
7 |
BEGER, Mario |
38 Meißen 2 |
38,0 % (+ 2,1 %) |
ja |
8 |
WEIGAND, Rolf |
19 Mittelsachsen
2 |
33,7 % (+ 1,5 %) |
ja |
9 |
HENTSCHEL,
Holger |
33 Leipzig 7 |
22,2 % (+ 0,7 %) |
nein |
10 |
JOST, Martina |
44 Dresden 4 |
21,6 % (+ 0,9 %) |
nein |
11 |
TEICHMANN,
Ivo |
51Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 4 |
36,7 % (- 0,2 %) |
ja |
12 |
PESCHEL,
Frank |
52 Bautzen 1 |
38,2 % (+ 1,4 %) |
ja |
13 |
KEIL, Wolfram
Klaus |
7 Zwickau 3 |
30,0 % (+ 1,3 %) |
nein |
14 |
DRINGENBERG,
Volker Götz |
11 Chemnitz 2 |
26,5 % (+ 0,3 %) |
nein |
15 |
HÜTTER,
Carsten |
37 Meißen 1 |
34,3 % (+ 1,9 %) |
ja |
16 |
ZICKLER,
Hans-Jürgen |
47 Dresden 7 |
21,7 % (+ 1,4 %) |
nein |
17 |
LUPART,
Ulrich Willi |
2 Vogtland 2 |
30,7 % (+ 2,8
%) |
nein |
18 |
KELLER,
Tobias Martin |
32 Leipzig 6 |
19,7 % (+ 0,7 %) |
nein |
19 |
PRANTL,
Thomas |
16 Erzgebirge 4 |
33,1 % (+ 1,2 %) |
nein |
20 |
BARTH, André |
49 Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 2 |
33,7 % (+ 0,7 %) |
nein |
21 |
ULBRICH,
Roland Walter Hermann |
34 Nordsachsen 1 |
28,8 % (+ 1,5 %) |
nein |
22 |
PENZ, Romy |
18 Mittelsachsen
1 |
33,4 % (+ 1,3 %) |
nein |
23 |
HAHN,
Christopher |
6 Zwickau 2 |
29,8 % (+ 1,5 %) |
nein |
24 |
DORNAU, Jörg
|
25 Leipzig Land 3 |
29,5 % (+ 0,1 %) |
nein |
25 |
KÜHNE, Jörg
Steffen |
31 Leipzig 5 |
10,3 % (+ 0,1 %) |
nein |
26 |
KUMPF, Mario |
59 Görlitz 3 |
38,4 % (+ 1,2 %) |
ja |
27 |
MAYER,
Norbert Otto |
48 Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 1 |
30,2 % (- 2,1
%) |
nein |
28 |
HEIN, René |
40 Meißen 4 |
27,1 % (+ 0,4 %) |
nein |
29 |
OBERHOFFNER,
Jens |
kein |
x |
x |
30 |
WIESNER,
Alexander |
28 Leipzig 2 |
13,2 % (+ 0,2 %) |
nein |
31 |
x |
1
Vogtland 1 |
30,0 % (+
1,5 %) |
ja |
32 |
x |
15 Erzgebirge 3 |
34,4 % (+ 1,0 %) |
ja |
33 |
x |
21 Mittelsachsen 4 |
31,7 % (+ 1,5 %) |
ja |
34 |
x |
36 Nordsachsen 3 |
33,3 % (+ 1,0 %) |
ja |
35 |
x |
39 Meißen 3 |
33,5 % (+ 0,7 %) |
ja |
36 |
x |
54 Bautzen 3 |
31,9 % (+ 0,4 %) |
ja |
37 |
x |
55 Bautzen 4 |
34,7 % (+ 0,8 %) |
ja |
38 |
x |
57 Görlitz 1 |
36,6 % (+ 1,2 %) |
ja |
39 |
unbesetzt |
|
|
|
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de;
eigene Berechnungen |
Acht der 15
Wahlkreisgewinner erhöhten die Anzahl der Sitze der AfD im
sächsischen Landtag. Ein Sitz der AfD bleibt unbesetzt. Mit nur
30,0 % konnte die AfD einen der wichtigen Wahlkreise gewinnen (1
Vogtland 1). Die Differenz zwischen Erst- und Zweitstimme zeigt
die Beliebtheit eines Direktkandidaten an. So bekam z.B. Ulrich
Willi LUPART (2 Vogtland 2) 2,8 % mehr Stimmen als seine Partei, während
Norbert Otto MAYER mit 2,1 % unter dem Wert seiner Partei blieb.
Die beiden Kandidaten zeigen die Pole der Beliebtheit an. Dabei
ist zu beachten, dass die AfD in 23 weiteren Wahlkreisen
angetreten ist, die verloren wurden und damit die
Direktkandidaten nicht in den Landtag eingezogen sind.
Die
Werte-Union und Hans-Georg Maaßen: Schadete das Engagement der
CDU oder stärkte es die AfD?
Anfang August erregten
sich die Mainstreammedien über das Engagement von Hans-Georg
Maaßen für die CDU. Ein Auftritt im Wahlkreis 40 Meißen 4, in
dem Matthias RÖßLER als CDU-Direktkandidat ohne
Listenabsicherung antrat, empörte besonders:
Apokalyptischer
Reiter (FAZ 03.08.2019) oder
Stimmung wie bei der AfD
(TAZ 03.08.2019) waren einige der Schlagzeilen.
Apokalyptische Reiter
"(D)as hier ist keine AfD-Schau,
sondern eine CDU-Wahlkampfveranstaltung, zu der Sachsens
Landtagspräsident Matthias Rößler nach Radebeul in seinen Wahlreis
eingeladen hat. (...).
Seit 1990 hat er hier sechs Mal das Direktmandat für die CDU gewonnen.
(...).
(V)iele Leute (...) wollen sich (...) nicht mehr von der früher
durchaus bewährten CDU-Erfolgsrhetorik (...) einlullen lassen. Das
weiß auch Matthias Rößler, sonst hätte er nicht zu der Veranstaltung
mit der »Werte-Union« geladen, einer Splittergruppe innerhalb der CDU,
die das konservative Profil der Partei wieder schärfen will - und die
erst bekannt ist, seit Hans-Georg Maaßen in ihrem Namen durch die
Lande zieht und mit pointierten Aussagen für Aufsehen sorgt. Das will
Rößler, der nicht Mitglied der Werte-Union ist, nutzen. (...). Will er
zum siebten Mal in den Landtag einziehen, muss er diesen
Wahlkreis gewinnen. Auf der Landesliste seiner Partei hat er
keinen Platz mehr erhalten und sich deshalb entschlossen zu
kämpfen",
(FAZ v. 03.08.2019)
|
schreibt Stefan LOCKE. Der
Wahlkreis 40 war der einzige der vier Wahlkreise im Landkreis
Meißen, bei dem nicht die AfD, sondern die CDU das Direktmandat
gewann. Die Veranstaltung hat der CDU also zumindest nicht
geschadet. Matthias RÖSSLER blieb zwar mit 29,4 % der
Erststimmen um 2,4 % hinter dem Zweitstimmenergebnis der CDU
zurück, lag aber 1,9 % vor dem AfD-Kandidaten (27,5 %).
Im Wahlkreis trat zudem
der SPD-Minister Martin DULIG an, der mit 17,4 % der Erststimmen
auf Platz 3 landete. Das Erststimmenergebnis lag um 8,8 Prozent
über dem Zweitstimmenergebnis. DULIG erhielt also doppelt so viele
Stimmen wie seine Partei, die SPD (8,6 Prozent). Es kann
also davon ausgegangen werden, dass viele taktische Wähler aus
dem Anti-AfD-Bündnis dem SPD-Kandidaten ihre Stimmen gaben. Man
kann dies letztlich als Scheitern dieses Bündnisses betrachten,
denn die AfD wurde zwar verhindert, aber Rot-Rot-Grün wurde
dadurch weiter geschwächt.
Die folgende Tabelle zeigt die politische Lage in den vier
Wahlkreisen im Landkreis Meißen nach der Landtagswahl 2019:
Parteiplatzierungen |
WK 37
Meißen 1 |
WK 38
Meißen 2 |
WK 39 Meißen 3 |
WK 40
Meißen 4 |
|
Erststimme |
Zweitstimme |
Erststimme |
Zweitstimme |
Erststimme |
Zweitstimme |
Erststimme |
Zweitstimme |
Wahlkreissieger |
AfD
(36,2%) |
34,3 % (+ 1,9 %) |
AfD (40,1 %) |
38,0 % (+ 2,1 %) |
AfD (34,2 %) |
33,5
% (+ 0,7 %) |
CDU (29,4 %) |
31,8 % (- 2,4 %) |
Zweitplatzierter |
CDU
(29,3 %) |
30,5
% (- 1,2 %) |
CDU
(32,2 %) |
30,9
% (+ 1,3 %) |
CDU (31,2 %) |
31,0 % (+ 0,2 %) |
AfD (27,5 %) |
27,1
% (+ 0,4 %) |
Drittplatzierter |
Linke
(12,8 %) |
9,2 % (+ 3,6 %) |
Linke (8,5 %) |
7,6 %
(+ 0,9 %) |
SPD (10,1 %) |
7,0 % (+ 3,1 %) |
SPD (17,4 %) |
8,6 % (+ 8,8 %) |
Viertplatzierter |
SPD (5,0 %) |
6,4 % (- 1,4 %) |
SPD
(6,3 %) |
6,1 % (+ 0,2 %) |
Linke (8,3 %) |
7,8 % (+ 0,5 %) |
Grüne
(9,2 %) |
10,1
% (- 0,9 %) |
Im Wahlkreis 37 Meißen 1
trat die
Spitzenkandidatin der Grünen Katja MEIER und der
CDU-Promi Geert MACKENROTH an. Die
FAZ stellte die Situation für den CDU-Kandidaten
folgendermaßen dar:
Noch ist
Wahlkreis 37 nicht verloren
"Im Landkreis Meißen, zu dem
der Wahlkreis 37 gehört, stimmten bei der Europawahl 31 Prozent
für die AfD und knapp 24 Prozent für die CDU. Und bei der
Bundestagswahl gaben in dem Gebiet, das dem Landtagswahlkreis
entspricht, rund 37 Prozent der Wähler ihre Erststimme dem
CDU-Kandidaten Thomas de Mazière. Der eher unbekannte Carsten
Hütter konnte mit rund 30 Prozent ebenfalls ein starkes Ergebnis
vorweisen. Jetzt tritt Hütter gegen den langjährigen
Landtagsabgeordneten Geert Mackenroth von der CDU an. (...).
Carsten Hütter ist ein fünffacher Familienvater aus dem
Ruhrgebiet, er hat einen Meisterbrief als
Kraftfahrzeugmechaniker und könnte gerade durch sein betont
besonnenes Auftreten für Mackenroth gefährlich werden. (...).
Mackenroth, der aus Kiel stammt, erinnert gerne an (...) die
guten Kontakte - schließlich sitzt der Jurist schon seit einem
Jahrzehnt als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises 37
im Landtag. In den Jahren 2004 bis 2009 war er sogar
Justizminister in Sachsen. Hütter hingegen präsentiert sich als
Kandidat für einen Neuanfang",
(FAZ v. 31.07.2019)
|
schreibt Tobias SCHRÖRS.
Der Promi-Status hat der CDU nichts genützt, sondern MACKENROTH
verlor sein Direktmandat gegen den AfD-Nobody, zog aber über
Listenplatz 17 - als einer von 4 CDU-Listenbewerber - dennoch wieder
in den Landtag ein. Die grüne Spitzenpolitikerin Katja MEIER
("Katja aus der Platte"), Platz 1 der Landesliste, musste im
Wahlkreis nicht gewinnen. Sie schnitt mit 4,3 % kaum besser ab
als ihre Partei (4,1 %). Die Medienberichte porträtierten MEIER
auch nicht als Direkt- sondern als Spitzenkandidatin (vgl.
ND 06.08.2019,
TAZ 27.08.2019).
Der Wahlkreis 38 Meißen 2
stand nicht im Fokus der Medienberichterstattung. Diesem Umstand
dürfte es zu verdanken sein, dass der AfD-Kandidat dort immerhin
2,1 % mehr Erst- als Zweitstimmen erhielt und mit 40,1 % das
höchste Ergebnis im Landkreis Meißen erzielte. Der AfD-Sieg in
Meißen 1 und 2 brachte der AfD keinen Zugewinn, weil beide
Kandidaten auch durch die Listenplätze 1 bis 30 abgesichert
waren.
Dagegen stand der
Wahlkreis 39 Meißen 3 besonders im Fokus der Medien, denn dort
trat der Prominente
Frank RICHTER für die SPD an. RICHTER
profilierte sich vorher bereits als Oberbürgermeisterkandidat in
Meißen als Gesicht des Anti-AfD-Bündnisses (siehe weiter oben).
Entsprechend fokussierten Porträts besonders oft den Theologen
(z.B.
ND 16.08.2019,
FAZ 25.08.2019,
SZ 02.09.2019). Der Hauptgrund für das mediale Interesse war
jedoch, dass dieser Wahlkreis für die AfD besonders wichtig war,
denn er erhöhte die Anzahl der Landtagssitze der AfD,
trotz Listenkürzung. Aus der
folgenden Tabelle sind die 15 gewonnenen AfD-Direktwahlmandate
ersichtlich:
Übersicht: Gewinner der 15 AfD-Direktmandate |
Wahlkreis |
Name des
AfD-Gewinners |
Listenplatz 1-30 |
Election-
Prognose
30.08.2019 |
Wahlkreisprognose.de-
Prognose
23.08.2019 |
Wahlkreisprognose.de-
Prognose
30.08.2019 |
1
Vogtland 1 |
SCHAUFEL, Dietmar Frank |
nein |
CDU |
AfD |
CDU |
15 Erzgebirge 3 |
THUMM, Thomas |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
19 Mittelsachsen 2 |
WEIGAND, Rolf |
ja |
CDU |
AfD |
CDU |
21 Mittelsachsen 4 |
KUPPI,
Lars |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
36 Nordsachsen 3 |
PETZOLD, Gudrun |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
37 Meißen 1 |
HÜTTER,
Carsten |
ja |
CDU |
AfD |
CDU |
38 Meißen 2 |
BEGER,
Mario |
ja |
AfD |
AfD |
CDU |
39 Meißen 3 |
KIRSTE, Thomas |
nein |
CDU |
AfD |
CDU |
50 Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 3 |
ZWERG,
Jan-Oliver Aldo |
ja |
AfD |
AfD |
AfD |
51 Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge 4 |
TEICHMANN, Ivo |
ja |
AfD |
AfD |
CDU |
52 Bautzen 1 |
PESCHEL, Frank |
ja |
CDU |
AfD |
CDU |
54 Bautzen 3 |
SCHREYER, Timo |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
55 Bautzen 4 |
SCHWIETZER, Doreen |
nein |
CDU |
AfD |
CDU |
57 Görlitz 1 |
KUHNERT, Roberto |
nein |
CDU |
CDU |
CDU |
59 Görlitz 3 |
KUMPF,
Mario |
ja |
AfD |
AfD |
CDU |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de |
Die 8 grün markierten
Wahlkreise waren für die AfD wichtig, weil sie die Zahl der
AfD-Sitze um 8 weitere Mandate erhöhten. In einer Wahlanalyse von
Neues Deutschland wird der Werte-Union ein Misserfolg
bescheinigt:
An Kenia
führt kein Weg vorbei
"Vertreter der Werte-Union,
die Stimmung gegen ein Bündnis mit den Grünen macht, (erlitten)
Niederlagen. So verloren Abgeordnete wie Sebastian Fischer,
Frank Heidan und Geert Mackenroth (...) ihre Wahlkreise an
Konkurrenten von der AfD. Mackenroth zog am Ende immerhin als
einer von vier CDU-Politikern über die Liste in den Landtag ein.
Der bisherige Landtagspräsident Matthias Rößler (...) lag in
seinem Wahlkreis Meißen 4 mit nur 710 Stimmen vorn. Er hatte für
eine CDU-Minderheitenregierung geworben."
(Hendrik Lasch, Neues Deutschland v. 03.09.2019)
|
Frank HEIDAN trat im
Wahlkreis 1 Vogtland 1 an,
den er 2014 gewonnen hatte, und blieb 0,2 % hinter dem AfD-Gewinner zurück. Dieser Wahlkreis war für die AfD wichtig,
weil er die Anzahl der Sitze im Landtag erhöhte. Dies ist
insofern bitter, da die CDU in diesem Wahlkreis stärkste Partei
wurde und dennoch nicht das Direktmandat gewinnen konnte. Das
zeigt auch, dass das Ziel der CDU stärkste Partei in Sachsen zu
bleiben nicht unbedingt damit identisch ist, die AfD in die
Schranken zu verweisen.
Die Neue Zürcher
Zeitung brachte
am 10. August zwei CDU-Politiker gegen KRETSCHMER in
Stellung, die für eine Minderheitenregierung votierten. Der
Bericht spielte in den Wahlkreisen der CDU-Direktkandidaten Falk
HAUDE (15 Erzgebirge 3) und Steve ITTERSHAGEN (19 Mittelsachsen
2), deren Standpunkte jedoch im Unklaren blieben, weil nur
Politiker wie Michael NICKEL von der "Aktion Linkstrend stoppen"
und die Bundestagsabgeordnete von Mittelsachsen, Veronika
BELLMANN ihre Meinung vertraten.
Die Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung zählt ITTERSHAGEN zum Dunstkreis der
Werte-Union:
Maaßen
schadete der CDU
"Nimmt man Brandenburg
hinzu, war der ehemalige Verfassungsschutzpräsident in insgesamt
sechs Wahlkreisen im Einsatz. Bis auf einen ist die Union in all
diesen Wahlkreisen gescheitert. Nur der sächsische
Landtagspräsident Rößler konnte sein Mandat verteidigen. (...).
Die anderen drei sächsischen Abgeordneten verloren ihr Mandat an
die AfD. (...). Zwei (...) CDU-Direktkandidaten (...) sind Steve
Ittershagen aus Freiberg und Jens Michel aus der sächsischen
Schweiz. Beide haben immer wieder mit einer AfD-Koalition
kokettiert. (...) Sowohl Michel als auch Ittershagen verloren
ihr Direktmandat an die AfD."
(Livia Gerster, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 08.09.2019)
|
Livia GERSTER stellt bei
ihrer "Analyse" den CDU-Hardlinern jedoch nur 3 Gewinner von
Wahlkreisen mit überdurchschnittlichen Ergebnissen gegenüber:
Michael KRETSCHMER (58 Görlitz 2),
Stephan MEYER (60 Görlitz 4) und Sören VOIGT (3 Vogtland 3). Wie
sieht es aber aus, wenn man die Ergebnisse in den Wahlkreisen
genauer betrachtet? Die folgende Tabelle zeigt das Abschneiden
der Direktkandidaten im Vergleich mit dem Jahr 2014:
Tabelle: Das
Abschneiden der CDU-Direktkandidaten in Sachsen, die
mit der Werte-Union in Verbindung gebracht
wurden |
CDU-Direktkandidat
(Mediennennung) |
Wahlkreisergebnisse für den Direktkandidaten 2019 |
Landesergebnis CDU
|
Wahlkreisergebnisse für den Direktkandidaten
2014 |
Wahlkreis
(Platzierung) |
Erststimmen-
anteil des
Kandidaten |
Zweitstimmen-
anteil der Partei
im Wahlkreis |
Differenz
Erst-/Zweit-
stimme |
2019
(Differenz
Wahlkreis) |
2014
(Differenz
Wahlkreis) |
Erststimmen-
anteil des
Kandidaten |
Zweitstimmen-
anteil der Partei
im Wahlkreis |
Differenz
Erst-/Zweit-
stimme |
HEIDAN, Frank
(FAS; ND) |
1 Vogtland 1
(2) |
29,8 % |
31,6
% |
- 1,6
% |
32,1
%
(- 0,6 %) |
39,4 %
(- 3,1 %) |
33,1
% |
36,3
% |
-
3,2 % |
ITTERSHAGEN, Steve
(NZZ, FAS) |
19 Mittelsachsen 2
(2) |
32,1 % |
32,1 % |
+/- 0 % |
32,1
%
(+/- 0)
|
39,4 %
(+ 3,2 %)
|
42,3 % |
42,6 % |
- 0,3 % |
MACKENROTH, Geert
(ND) |
37 Meißen 1
(2) |
29,3 % |
30,5 % |
- 1,2 % |
32,1
%
(- 1,6 %
|
39,4 %
(+ 0,2 %)
|
39,0 % |
39,6 % |
- 0,6 % |
FISCHER, Sebastian
(FAS; ND) |
38 Meißen 2
(2) |
32,2 % |
30,9 % |
+ 1,3
% |
32,1
%
(- 1,2 %)
|
39,4 %
(+ 2,6 %)
|
41,4 % |
42,0 % |
- 0,6 % |
RÖßLER, Matthias
(FAS; ND) |
40 Meißen 4
(1) |
29,4 % |
31,8 % |
- 2,4 % |
32,1
%
(- 0,3 %)
|
39,4 %
(- 0,7 %)
|
35,2 % |
38,7 % |
- 3,5 % |
MICHEL, Jens
(FAS) |
51 Sächsische
Schweiz/
Osterzgebirge 4
(2) |
33,6 % |
31,5 % |
+ 2,1 % |
32,1
%
(- 0,6 %) |
39,4 %
(+ 2,9 %)
|
42,9 % |
42,3 % |
+ 0,6 % |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de;
eigene Berechnungen |
Alle sechs
Direktkandidaten der CDU hatten ihren Wahlkreis 2014 zwar
gewonnen. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich jedoch
Unterschiede. So lag das Wahlkreisergebnis der CDU 2014 nur in
vier der sechs Wahlkreise über dem Landesdurchschnitt. Die
Beliebtheit der Direktkandidaten war damals in 5 von 6
Wahlkreisen niedriger als die Beliebtheit der CDU. 2019 war dies
nur in 4 von 6 Wahlkreisen der Fall. Fünf der sechs Kandidaten
konnten ihre Beliebtheit bei den Wählern zwischen 2014 und 2019
steigern (Differenz Erst-/Zweitstimme). Fünf der sechs AfD-Wahlkreisgewinner im Jahr 2019 konnten
außerdem von ihrem Sieg nicht
profitieren, da sie auch über die Landesliste in den Landtag
eingezogen wären.
Auf der
Webseite von Zukunft Sachsen, die verspricht Klarheit zu
schaffen, haben 56 Direktkandidaten der CDU eine Koalition mit
der AfD ausgeschlossen, was eine Tolerierung durch die AfD bei
einer Minderheitsregierung nicht ausschließt. Vier Kandidaten
haben nicht geantwortet. Dort kann dann zumindest überprüft
werden, inwiefern sich die CDU-Politiker an ihre Aussagen
gehalten haben.
Die AfD gewann zwar 15 der
60 Direktmandate, wurde aber nur in 11 Wahlkreisen stärkste
Partei. In 6 Wahlkreisen gewann die AfD das Direktmandat, obwohl
sie dort nicht stärkste Partei war. Diese gehörten allesamt zu
jenen Wahlkreisen, die die Sitzzahl der AfD erhöhten. Aus der
folgenden Tabelle sind diese Wahlkreise ersichtlich:
Wahlkreis |
Name des
AfD-Gewinners |
Listenplatz 1-30 |
Stärkste
Partei |
1
Vogtland 1 |
SCHAUFEL, Dietmar Frank |
nein |
CDU |
15 Erzgebirge 3 |
THUMM, Thomas |
nein |
CDU |
21 Mittelsachsen 4 |
KUPPI,
Lars |
nein |
CDU |
36 Nordsachsen 3 |
PETZOLD, Gudrun |
nein |
CDU |
55 Bautzen 4 |
SCHWIETZER, Doreen |
nein |
CDU |
57 Görlitz 1 |
KUHNERT, Roberto |
nein |
CDU |
In den Wahlkreisen 56
Bautzen 5 und 58 Görlitz 2 wurde die AfD zwar stärkste Partei,
konnte jedoch das Direktmandat nicht gewinnen, sondern unterlag
den CDU-Direktkandidaten. Diese beiden Wahlkreise standen im
Mittelpunkt des medialen Interesses, weil dort symbolische
Kämpfe ausgefochten wurden. In Bautzen 5 war der AfD-Spitzenkandidat Jörg URBAN angetreten und in Görlitz 2 ging
es um den Sieg des Ministerpräsidenten Michael KRETSCHMER. Hier
stellt sich deshalb auch die Frage, ob solche symbolischen
Kämpfe nicht ein zu hoher Preis waren und nur das wirkliche
Ausmaß der Erodierung der
CDU kaschieren sollten.
Zusammengefasst lässt sich
sagen: Ob MAAßEN der CDU schadete, ist je nach Standpunkt
unterschiedlich zu bewerten. Der Verlust des Direktmandats hat
in erster Linie den jeweiligen CDU-Kandidaten geschadet. Für
KRETSCHMER war es dagegen eher ein Glücksfall, denn dadurch hat
er in seiner eigenen Partei weniger Widersacher, die gegen seine
Linie einer Koalition mit SPD und Grünen opponieren können.
Diejenigen, die bei der CDU für eine Koalition mit der AfD bzw.
für eine Minderheitsregierung sind, haben es nun schwerer.
Der
emotional aufgeladene, symbolische Kampf um Wahlkreis Görlitz 2
Der gemeinsame Tenor der
Anti-AfD-Medien war: Verliert Michael KRETSCHMER seinen
Wahlkreis noch einmal, dann hat er keine Chancen weiterhin
Ministerpräsident in Sachsen zu bleiben. Die Parteizeitung der
Linkspartei behauptete am 23.07.2019 sich in KRETSCHMERs
Wahlkreis besonders ins Zeug zu legen, um den Sieg zu verhindern (siehe weiter oben).
Michael KRETSCHMER trat im
Wahlkreis 58 Görlitz 2 an, das ist einer von vier Wahlkreisen im
Landkreis Görlitz. Zum
Wahlkreis 58 gehört die Stadt
Görlitz sowie die Gemeinden Königshain, Markersdorf, die Stadt
Reichenbach/O.L. und Vierkirchen. Bei den Kommunalwahlen im Mai bekam
die CDU und AfD folgende Stimmenanzahl im jetzigen Wahlkreis Görlitz
2:
Tabelle:
Stimmenanteil von AfD und CDU im Wahlkreis Görlitz 2 bei
der Kommunalwahl 2019 |
Gemeinde |
CDU |
AfD |
Görlitz, Stadt |
16.896 |
22,0 % |
23.603 |
30,8 % |
Königshain |
433 |
16,4 % |
341 |
20,9 % |
Markersdorf |
782 |
11,6 % |
x |
x |
Reichenbach/Oberlausitz |
1.334 |
17,3 % |
1.722 |
22,3 % |
Vierkirchen |
x |
x |
x |
x |
Gesamtzahl
der Stimmen |
19.445 |
|
25.666 |
|
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de |
Diese Sachlage schien für die AfD zu
sprechen. Dennoch sah
wahlkreisprognose.de (Stand 19.07.2019) den Wahlkreis sicher in
Händen der CDU. Offenbar wurde dort KRETSCHMER ein Amtsbonus
eingeräumt. Bei den anderen drei Wahlkreisen des Landkreises (57, 59
und 60) stehen dagegen die Chancen für die AfD besser, schrieb
single-generation.de anlässlich des Artikels von Hendrik
LASCH (ND 23.07.2019). Nicht nur LASCH, sondern auch Michael
BARTSCH will von Anti-AfD-Bündnissen nichts wissen:
Heimatflair zum Wahlkampfstart
"(I)m 20 Kilometer entfernten
Görlitz, wo er Stadtrat war, lauern mit den Direktkandidaten
Sebastian Wippel (AfD) und Franziska Schubert (Grüne) zugleich
die Hauptkonkurrenten der CDU.
Nur ein stilles Bündnis von Links bis Union verhinderte im Juni
AfD-Wippel als Görlitzer Oberbürgermeister. Solche Bündnisse
»Alle gegen die AfD« aber sind weder in Görlitz noch sonst in
Sachsen in Sicht. (...).
Kretschmer (...) grenzt sich heftig von der AfD, vorsichtiger
von den Grünen ab".
(taz v. 24.07.2019)
|
Bei den Listenstimmen lag die AfD
im Wahlkreis knapp vor der
CDU und wurde damit stärkste Partei im Wahlkreis. Bei den Erststimmen wurde KRETSCHMERs Niederlage
dann nur durch die
Stützung durch die linksliberalen Parteianhänger verhindert, was sich
an der Differenz zwischen Direkt- und Listenstimmen im Wahlkreis
ablesen lässt. Die folgende Tabelle zeigt die Differenzen zwischen
Listen- und Direktstimmen auf:
Tabelle:
Stimmensplitting bei den Parteien im Wahlkreis 58 Görlitz
2 bei der Landtagswahl 2019 |
Wahlkreis 58 Görlitz 2 |
CDU |
CDU-AfD-
Differenz |
AfD |
Linke |
Grüne |
SPD |
FDP |
Freie
Wähler |
Die
Partei |
Anteil
Listenstimmen |
35,2
% |
- 2,7 % |
37,9
% |
6,3
% |
8,0
% |
4,6
% |
2,5
% |
1,4
% |
1,4
% |
Anteil
Direktstimmen |
45,8
% |
+ 7,9 % |
37,9
% |
4,0
% |
7,2
% |
1,5
% |
1,2
% |
1,0
% |
1,2
% |
Differenz der
Stimmenanteile |
+
10,6 % |
|
0,0 % |
-
2,3 % |
-
0,8 % |
- 3,1 % |
-
1,3 % |
-
0,4 % |
-
0,2 % |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de;
eigene Berechnungen |
Bei dieser Betrachtung bleiben
Wählerwanderungen zwischen den Parteien unbeachtet.
Wenn also Wähler 2014 die Linkspartei mit der Zweitstimme
gewählt haben, 2019 ihre Zweitstimme nun aber der CDU gegeben
haben, dann wird das mit dieser Betrachtung des
Stimmensplittings nicht berücksichtigt.
Infratest dimap hat solche
Wählerwanderungen nicht auf der Ebene der Wahlkreise, sondern
nur auf der Landesebene erhoben. So hat z.B. die Linkspartei gemäß
Infratest dimap 24.000 Wähler an die CDU und sogar 26.000 an
die AfD verloren. Diese Zahlen stellen einen Wanderungssaldo
dar. So sind z.B. 30.000 Linken-Wähler zur CDU abgewandert.
Umgekehrt aber sind auch 6.000 CDU-Wähler zur Linkspartei
abgewandert. Zwischen der Landtagswahl 2014 und 2019 hat die
Linkspartei 85.170 Stimmen verloren (2014: 309.581; 2019:
224.411). Die Zahlen von Infratest dimap stellen bereits
gerundete Zahlen dar.
Das Stimmensplitting
zeigt, dass die CDU vom Koalitionspartner SPD am meisten
gestützt wurde, aber auch Linksparteiwähler stützten KRETSCHMER
oft.
Am wenigsten beteiligten sich Grünen-Wähler an der Stützung des
Ministerpräsidenten. Das liegt sicherlich an den Vorfällen bei
der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz, bei der die grüne
Direktkandidatin Franziska SCHUBERT und ihre Wähler Demütigungen hinnehmen
mussten. Ohne die 6,2 % der Stimmen aus dem Lager von
Rot-Rot-Grün hätte KRETSCHMER nur einen Vorsprung von 1,7 % vor
dem AfD-Kandidaten gehabt. Nur ein breites kosmopolitisches
Bündnis, das über Rot-Rot-Grün hinausging, hat also KRETSCHMER den Sieg in Görlitz gerettet.
"Linksliberalen" galt KRETSCHMER als alternativloser
CDU-Ministerpräsident (ZEIT
01.08.2019), weshalb ihm vieles verziehen wurde.
Der symbolischer Kampf um die stärkste Partei
CDU und AfD wollten beide
stärkste Partei in Sachsen werden. Dieser symbolische Kampf
verdeckte die Tatsache, dass es für die AfD - aufgrund der
Listenkürzung - viel bedeutender war, möglichst viele Wahlkreise
zu gewinnen, die ihre Sitzzahl im Landtag erhöhten. Im Jahr 2014
gewann die CDU noch 59 der 60 Wahlkreise. 2019 konnte sie
dagegen nur noch 41 Wahlkreise gewinnen. Aus der folgenden
Tabelle ist ersichtlich wie sich die politischen
Machtverhältnisse zwischen 2014 und 2019 verschoben haben:
Tabelle:
Unterschied beim Erst- und Zweitstimmensieg bei der
Landtagswahl im
Jahr 2014/2019 |
Jahr |
Landtagswahl |
CDU |
AfD |
Grüne |
Linke |
SPD |
2014 |
Anteil der
Direktmandate |
59 |
0 |
0 |
1 |
0 |
Anteil als stärkste
Partei im Wahlkreis |
60 |
0 |
0 |
0 |
0 |
2019 |
Anteil der
Direktmandate |
41 |
15 |
3 |
1 |
0 |
Anteil als stärkste
Partei im Wahlkreis |
47 |
11 |
2 |
0 |
0 |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de |
Die Tabelle zeigt, dass
der symbolische Kampf um die stärkste Partei, bei dem nur die
Zweitstimmenwerte in den Blick kommen, die wirkliche Schwäche
der CDU kaschiert. Direktmandate haben in der Politik ein
höheres Ansehen als Listenmandate, weil sie direkt vom "Volk"
legitimiert sind. Bei Listenmandaten stehen dagegen die
Parteiinteressen im Vordergrund.
Allheilmittel Personalisierung?
In der letzten Woche vor
der Landtagswahl wurden in den Mainstreammedien die
Spitzenkandidaten bzw. Zugpferde der jeweiligen Parteien in den
Vordergrund gerückt. Die CDU war jedoch bereits zuvor zur
Einmann-Show geworden.
Der
Dauerredner
"Auf dem schwarzen
Kombi, mit dem Kretschmers Leute durch das Land reisen, steht in
großen Buchstaben »Team Kretschmer«, jeder soll wissen, er ist
unterwegs. Nur die Partei steht nirgends. Die Aufschrift ist
nicht mal in der Parteifarbe Orange, sondern in Grün",
(taz v. 30.08.2019)
|
schreibt Christina SCHMIDT
in ihrem ausschweifenden und wohlwollenden Porträt in der taz
(30.08.2019), in dem lediglich seine Rücksichtnahme gegenüber
den Rechtsextremen angeprangert wird. Dagegen werden die
Versäumnisse der CDU unter Generalsekretär KRETSCHMER
entschuldigt und der große Druck durch die AfD geleugnet, wenn
es heißt:
Der
Dauerredner
"Zu wenig Lehrer? Die
Regierungskoalition beschließt deren Verbeamtung, um Lehrer aus
anderen Bundesländern anzulocken. Verwaltungen sind überlastet?
Es gibt mehr Geld. Mehr Polizisten. Programme zur
Digitalisierung. Das sind nicht immer die besten Ideen und auch
nicht alle von Kretschmer, sein Koalitionspartner, die SPD
gestaltet mit. Der Druck der Opposition auch. Demokratie eben."
(taz v. 30.08.2019)
|
KRETSCHMER und die CDU
sind Getriebene der AfD. Wer dies leugnet, der verkennt den
Ernst der Lage.
Im Kabinett KRETSCHMER
stellt die SPD drei Minister und die CDU sieben. Während die CDU
einzig auf den Ministerpräsidenten setzt, hat die SPD versucht
die Minister in den Vordergrund zu rücken, wobei lediglich zwei
der drei Minister als geeignet empfunden wurden: Zum einen
Martin DULIG, der Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und
Verkehr im Freistaat ist. In den Medien wurde jedoch nur seine Funktion als
Wirtschaftsminister hervorgehoben. Verkehr und Arbeit waren
offensichtlich nicht seine Stärke. Daneben war nur
Petra KÖPPING,
die Staatsministerin für Gleichstellung und Integration,
gefragt. Auch sie wurde reduziert, aber auf die Integration. Ihr
Buch
Integriert doch erst mal uns! galt bei Erscheinen als
Buch der Stunde, weil es der ostdeutschen Seele schmeichelte.
Neben DULIG und KÖPPING galt nur noch Frank RICHTER als Zugpferde
der SPD, die das Gesicht der Partei repräsentierten. Keiner der
drei SPD-Politiker konnte seinen Wahlkreis gewinnen.
Die
Beliebtheit eines Direktkandidaten zeigt der Unterschied zwischen Zweit- und
Erststimme, sowie das Ergebnis gemessen an dem sachsenweiten
Parteiergebnis an. Die SPD erreichte in Sachsen nur 7,7 Prozent
der Zweitstimmen. DULIG war im Wahlkreis 40 Meißen 4 angetreten.
Die Partei lag dort bei 8,6 Prozent der Listenstimmen. DULIGs
Erststimmenanteil lag noch einmal 8,8 Prozent darüber (siehe
auch hier). Frank RICHTER trat im
Nachbarkreis 39 Meißen 3 an. Das Listenstimmenergebnis lag bei
unterdurchschnittlichen 7,0 Prozent. RICHTER bekam 3,1 Prozent
mehr (siehe auch hier). Petra
KÖPPING trat im Wahlkreis 24 Leipzig Land 2 an und schnitt dort
schlechter als DULIG, aber besser als RICHTER ab. Bei den
Zweitstimmen kam die SPD dort auf 10,7 %. KÖPPING lag noch 5,8
Prozent darüber. Aus der folgenden Tabelle sind die
Spitzenkandidaten der etablierten Parteien sowie Medienlieblinge
ersichtlich:
Tabelle: Die
Wirkung der Personalisierung bei den etablierten
Parteien bei der Landtagswahl 2019 |
Partei |
Spitzenkandidaten &
Medienlieblinge
(Funktion) |
Listen-
platz |
Wahlkreisergebnisse für den Direktkandidaten 2019 |
Wahlkreis-
zweit-
stimmen-
ergebnis
2014 |
Landesergebnis
der Partei
2019
(Differenz
Wahlkreis) |
Wahlkreis
(Platzierung) |
Erststimmen-
anteil des
Kandidaten |
Zweitstimmen-
anteil der Partei
im Wahlkreis |
Differenz
Erst-/Zweit-
stimme |
CDU |
KRETSCHMER, Michael
(Ministerpräsident) |
1 |
58 Görlitz 2 (1) |
45,8
% |
35,2
% |
+ 10,6
% |
38,4
% |
32,1
% (3,1 %) |
SPD |
DULIG,
Martin
(sächsischer Minister) |
1 |
40 Meißen 4 (3) |
17,4
% |
8,6
% |
+ 8,6
% |
13,8
% |
7,7
% (+ 0,9 %) |
KÖPPING, Petra
(sächsische Ministerin) |
2 |
24
Leipzig Land 2 (3) |
16,5 % |
10,7
% |
+
5,8 % |
16,4 % |
7,7 % (+ 3,0 %) |
RICHTER, Frank
(parteiloser Direktkandidat) |
7 |
39
Meißen 3 (4) |
10,1 % |
7,0
% |
+
3,1 % |
12,1 % |
7,7 % (- 0,7 %) |
Linke |
GEBHARDT, Rico
(Fraktionsvorsitzender) |
1 |
14
Erzgebirge 2 (3) |
12,8 % |
9,2
% |
+
3,6 % |
19,0 % |
10,4 % (- 1,2 %) |
SCHAPER, Susanne
(stellv. Fraktionsvorsitzende) |
2 |
11
Chemnitz 2 (3) |
19,0 % |
14,0
% |
+
5,0 % |
25,0 % |
10,4 % (+ 3,6 %) |
NAGEL,
Juliane
(1. linke Direktmandatgewinnerin) |
15 |
28
Leipzig 2 (1) |
27,4 % |
20,0
% |
+
7,4 % |
25,1 % |
10,4 % (+ 9,6 %) |
Grüne |
MEIER,
Katja
(Landtagsabgeordnete) |
1 |
37
Meißen 1 (7) |
4,3 % |
4,1
% |
+
0,2 % |
3,1 % |
8,6 % (- 8,5 %) |
GÜNTHER, Wolfram
(Landtagsabgeordneter) |
2 |
22
Mittelsachsen 5 |
5,2 % |
4,5
% |
+
0,7 % |
3,2 % |
8,6 % (- 4,1 %) |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de;
eigene Berechnungen |
Die Beispiele zeigen, dass
das Spitzenkandidatenkonzept vor allem der stärksten Partei
nützt, in diesem Fall der CDU. Auch Minister von Juniorpartnern
wie der SPD können profitieren, wenn sie zugleich
Medienlieblinge sind. Dagegen nützen Kandidaten mit
Prominentenstatus wie Frank RICHTER eher wenig.
Bei der Linkspartei
schnitt der Spitzenkandidat Rico GEBHARDT schlechter ab als
Susanne SCHAPER , die stellvertretende
Fraktionsvorsitzende. Dies mag daran liegen, dass SCHAPER in
einem Wahlreis antrat, der für die AfD nicht zu den wichtigen
gehörte, während GEBHARDT in einem umkämpften AfD-Wahlkreis
antrat. Das Beispiel Juliane NAGEL zeigt, dass populäre
Direktkandidaten der Partei am meisten nützen. NAGEL strahlte
auch auf das Zweitstimmenergebnis aus, das fast doppelt so hoch
lag wie das landesweite Linksparteiergebnis.
Bei den Grünen
funktionierte das Spitzenkandidatenkonzept am schlechtesten. Bei
beiden Kandidaten lag das Parteiergebnis unter dem
Landesdurchschnitt und auch bei den Erststimmen konnten die
beiden Kandidaten nicht überzeugen. Katja aus der Platte, wie die
Spitzenkandidatin in den Medien bezeichnet wurde, musste nicht
einmal in einem für die AfD wichtigen Wahlkreis antreten, im
Gegensatz zu Wolfram GÜNTHER, der in den Medien im Schatten von
MEIER stand.
Vergleicht man die
Ergebnisse mit der Landtagswahl 2014, dann haben jedoch einzig
die Spitzenkandidaten der Grünen in den Wahlkreisen das
Parteiergebnis erhöhen können.
Zusammenfassend kann
gesagt werden, dass - je nach Wahl des Vergleichsmaßstabes - die
Bewertungen des Spitzenkandidatenkonzeptes bzw. der Wirkung
personalisierter Wahlkämpfe durchaus unterschiedlich ausfallen
kann. Auf alle Fälle lenkt die Personalisierung den Fokus auf
die Beliebtheit eines Kandidaten und weg von den Inhalten, für
die die jeweiligen Parteien stehen. Diese Wahlkampfstrategie
kann dazu führen, dass die Unterscheidbarkeit der Parteien
leidet oder aber das Parteiimage auf markante Begriffe und
Slogans reduziert wird. So gelten die Grünen z.B. als
Klimaschutz- und Anti-AfD-Partei. Solange dieser Markenkern
nicht angekratzt ist, kann die Partei davon profitieren. Die
Linkspartei jedenfalls konnte sich weder als Protestpartei, noch
als Partei der sozialen Gerechtigkeit erfolgreich darstellen.
Die AfD hat dagegen die Rolle der Protestpartei erfolgreich übernommen.
Die Grünen als Wahlsieger und die damit
verbundenen Probleme
Neben der AfD gelten die
Grünen, die sich als Gegenspieler der AfD positionierten, als
Wahlgewinner in Sachsen. Schon früh wurden die Grünen als
möglicher Koalitionspartner der CDU gehandelt und Rot-Rot-Grün
als unerreichbares Ziel fallengelassen. So schreibt z.B. Hendrik
LASCH:
Grüne
Könige von Sachsen
"Den Umfragen zufolge
ist als Alternative zu Schwarz-Blau derzeit in Sachsen nur ein
Drei- oder gar Viererbündnis von CDU, SPD und Grünen sowie
eventuell der FDP möglich. Dass die Ökopartei sich dafür
wappnet, zeigt der völlige Verzicht auf Anti-CDU-Rhetorik in
ihrem Wahlprogramm. Während es noch im August 2018 in einem
Beschluss hieß, man wolle bei der Landtagswahl »die Macht der
CDU brechen«, fehlen solche Passagen jetzt".
(Neues Deutschland v. 15.04.2019)
|
Bei den Kommunalwahlen
konnten dann die Grünen als einzige Partei neben der AfD an
Stimmen zulegen (siehe weiter oben). Ab Mitte August galten die
Grünen dann in Sachsen als Machtfaktor. LOCKE & WEHNER schreiben
in der
FAZ vom 16.08.2019:
Das grüne
Jawort
"Nach Lage der Dinge (...)
brauchen Union und SPD, die in Dresden regieren, nach dem 1.
September die Grünen dringend als Partner. In Umfragen gibt es
eine hauchdünne Mehrheit für eine solche nach den Landesfarben
von Kenia benannte Koalition - es ist die einzige realistische
Mehrheit jenseits von CDU und AfD sowie CDU und Linken."
(Stefan Locke & Markus Wehner, FAZ v. 22.08.2019)
|
Auch das Handelsblatt
stimmt fünf Tage später in diesen Chor ein ("Grüne werden im
Osten zum Machtfaktor", 21.08.2019). Mit dem Erfolg wachsen
jedoch auch die Probleme, die sich aus der Positionierung der
Grünen ergeben: Die Durchsetzung von Klimaschutzzielen könnte
angesichts der Positionierung gegen die AfD bei
Koalitionsgesprächen zum Knackpunkt der Verhandlungen werden.
Die CDU besitzt immer noch das Druckmittel einer
Minderheitsregierung. In der taz vom 31.08.2019 heißt es
dazu:
Zwischen
Euphorie und Angst
"Noch kniffliger ist es in
Sachsen. Dort hat Schwarz-Rot keine Zukunft, weil CDU und SPD
wohl stark verlieren werden. Die Grünen müssten beiden zur
Mehrheit verhelfen, auch um die starke AfD von der Macht
fernzuhalten. Eine Kenia-Koalition, wie sie auch in
Sachsen-Anhalt regiert. Habeck bezeichnet es bei der Klausur des
Bundesvorstand in Dresden als »reale Gefahr«, dass sich eine
CDU-Minderheitsregierung von der AfD tolerieren lässt. Die
Grünen stehen unter enormem Druck, sie sind zum Regieren
verdammt. Und das wird wehtun."
(Ulrich Schulte, taz v. 31.08.2019)
|
Es könnte also sein, dass
die Grünen in Sachsen ihre Ziele beim Kohleausstieg und
Klimaschutz dem Primat des Fernhaltens der AfD von der Macht
opfern müssen. Das aber bedroht längerfristig ihre
Glaubwürdigkeit. Es deutet einiges darauf hin, dass die Grünen
den Klimaschutz opfern werden, um sich als Retter der Demokratie
in Sachsen zu inszenieren. Stefan LOCKE schreibt dazu in der
FAZ:
Im
Freistaat beginnt die Koalitionssuche
"Sachsen Grünen zeigten sich
(...) zu einer Zusammenarbeit mit der CDU grundsätzlich bereit.
Als Bedingung für eine Koalition nannte
Landesvorstandssprecherin Christin Melcher jedoch einen
»kulturellen Aufbruch« für Sachsen.
»Wir wollen (...) die Chance nutzen, einen wirklich
demokratischen Aufbruch zu ermöglichen.«"
(Stefan Locke, FAZ v. 03.09.2019)
|
Zu den inhaltlichen
Unvereinbarkeiten kommt ein enormer Zeitdruck hinzu, der den
Spielraum für gewinnbringende Verhandlungen für SPD und Grüne
massiv einschränkt:
Im
Freistaat beginnt die Koalitionssuche
"Allzu viel Zeit können sich
die potentiellen Koalitionäre nicht lassen. Der Landtag muss
spätestens am 1. Oktober zu seiner konstituierenden Sitzung
zusammenkommen. Binnen vier Monaten muss dann ein
Ministerpräsident gewählt sein, anderenfalls kommt es zu
Neuwahlen."
(Stefan Locke, FAZ v. 03.09.2019)
|
Zusammenfassend kann also
gesagt werden, dass SPD und Grüne in einer sehr schwierigen Lage
sind. Sie sind zum Regieren verdammt, wenn sie die AfD von der
Macht fernhalten wollen. Ist also die CDU der strahlende Sieger
in Sachsen?
Die CDU kann es sich nicht
leisten, die Erwartungen der Wähler erneut zu enttäuschen
Michael KRETSCHMER hat im
Wahlkampf ein sehr gefährliches Spiel mit den Erwartungen der
Wähler gespielt. Vor allem in den ländlichen Räumen hat er hohe
Erwartungen an eine bessere Zukunft geweckt. Er hat sich z.B.
abhängig von Zusagen von Großkonzernen wie Siemens gemacht, z.B.
in Görlitz. In der FAZ beschreibt Kim Björn BECKER, wie
die Hoffnungen von KRETSCHMER geweckt wurden und schreibt dem
eine wahlentscheidende Wirkung zu. BECKER stellt dem Wahlverlierer
Matthias REUTER im Wahlkreis 59 Görlitz 3 den Wahlsieger Marko SCHIEMANN im Wahlkreis 56 Bautzen 5 gegenüber:
Abgehängt
in Sachsen
"Seit der Wende sitzt (Marko)
Schiemann für die CDU im sächsischen Landtag, Wahlkreis Bautzen
5, nordwestlich von Görlitz 3 gelegen. Bei den Landtagswahlen
hat er den Wahlkreis immer direkt gewonnen, sechsmal
hintereinander. Schiemann, der Erststimmenkönig. Doch in diesem
Jahr sah es so aus, als würde er vom Thron gestoßen. Sein
Gegenkandidat, Sachsens AfD-Chef Jörg Urban, schien (...) kaum
zu bezwingen. Die Lage war ähnlich prekär wie nebenan im
Görlitzer Umland, im Frühjahr bekam die AfD bei der Europawahl
in Bautzen deutlich mehr Stimmen als die CDU. Doch hier zeigte
sich, wie stark die CDU auf den letzten Metern noch aufholen
konnte. In Bautzen gaben am Sonntag fast 33.000 Sachsen ihre
Stimme ab. Schiemann bekam genau 526 Stimmen mehr als Urban."
(FAZ v. 03.09.2019)
|
BECKER begründet den Sieg
von SCHIEMANN mit seinem Wahlauftritten zusammen mit Michael
KRETSCHMER und der Wirkung von Zusagen für
Infrastrukturprojekte, die auch Arbeitsplätze in der Region
schaffen sollen. Dies wird folgendermaßen beschrieben:
Abgehängt
in Sachsen
"Michael Kretschmer (...). Mit
ihm war Schiemann kurz zuvor im Bautzener Werk von Bombardier,
einem kanadischen Hersteller von Flugzeugen und Zügen. Vor drei
Jahren sollte es geschlossen werden, doch das Unternehmen konnte
umgestimmt werden. »Ich stehe an der Seite der Arbeitnehmer, ich
komme aus einer Arbeiterfamilie«, ruft Schiemann in die Menge.
Kretschmer (...) nimmt (...) das Thema Bombardier wieder auf -
eine Erfolgsgeschichte, die sie hier so dringend brauchen in der
Lausitz. »Ich freue mich, dass die 30 Straßenbahnen, die wir in
Dresden gerade bestellt haben, hier gebaut werden«, sagt
Kretschmer. Doch da ist nicht nur Bombardier. Seit Jahren setzt
sich Schiemann auch dafür ein, dass die Autobahn 4, die von
Westen über Dresden und Bautzen bis nach Görlitz führt, in
Teilen von vier auf sechs Spuren ausgebaut wird. Das wissen die
Leute hier. »Wir haben grünes Licht bekommen«, sagt Kretschmer.
»Der Ausbau kostet 1,2 Milliarden Euro, dafür brauchen wir 40
bis 50 Ingenieure. Und wir wollen sie nach Bautzen bringen zum
Planen.«"
(FAZ v. 03.09.2019)
|
KRETSCHMER steht für
solche kostspieligen Versprechungen, die Arbeitsplätze und
Infrastruktur in die von der CDU jahrzehntelang
vernachlässigten ländlichen Regionen bringen sollen. Doch ob er
liefern kann, ist bei vielen Versprechungen ungewiss. Ihm könnte
es wie Helmut KOHL und seinen blühenden Landschaften gehen.
Großkonzerne wie Siemens oder Bombardier bleiben in
strukturschwachen Regionen nur, wenn es profitabel ist.
Staatliche Großaufträge und massive Subventionen sind deshalb
das Mittel der Politik. Was aber, wenn der Abschwung droht und
staatliche Mittel nur noch begrenzt zur Verfügung stehen?
Sachsen setzt verstärkt auf das Auto und Straßenbau. E-Mobilität
soll vorgaukeln, dass damit dem Klimaschutz Genüge geleistet
wird. Doch es bestehen Zweifel hinsichtlich der Reichweiten, der
Lade-Infrastruktur, Arbeitsplatzerhalt oder der Nachfrage. Eine
Woche vor den Wahlen lancierte die taz eine Reportage, in
dem das Zwickauer VW-Werk gefeiert wurde, in dem
"Industriegeschichte" geschrieben werden soll:
Zukunft
made in Sachsen
"Im
VW-Werk am Rande des Erzgebirges schreiben die Sächsinnen und
Sachsen Industriegeschichte: Der Autobauer läutet hier das Ende
der Ära des Verbrennungsmotors ein. Der Konzern baut die
konventionelle Fabrik zum weltweiten Vorzeigestandort für die
Produktion von E-Fahrzeugen um. Zwickau wird zum Modell für das
neue Zeitalter, in das VW und die deutsche Autoindustrie im
Vergleich zur chinesischen Konkurrenz mit erheblicher Verspätung
aufbrechen. (...).
Etwa 8.000 Menschen arbeiten bei Volkswagen in Zwickau, außerdem
Tausende bei Zulieferern in der Umgebung. Das 90.000
EinwohnerInnen zählende Zwickau besteht aus vielen kleinen
Ortschaften, Das VW-Werk wirkt, als wäre es eine von ihnen.
(...). Volkswagen investiert hier 1,2 Milliarden Euro:
Allerdings: Für den Bau von E-Autos werden etwa ein Drittel
weniger Beschäftigte benötigt (...). Doch VW wird deshalb
niemanden entlassen. Dafür soll die Produktion ausgeweitet
werden. Statt wie bisher zwei sollen künftig sechs Modelle vom
Band rollen. Statt 1.350 Autos sollen künftig täglich 1.500
produziert werden.
(...).
Unter 30.000 Euro soll ein VW kosten, der mit voll aufgeladenen
Batterien rund 330 Kilometer weit kommt - das wäre etwa die
Entfernung von Zwickau in die VW-Zentrale nach Wolfsburg. (...).
Der ID.3 First mit einer Reichweite von 420 Kilometern soll
40.000 Euro kosten.
Vom Werk bis in die Zwickauer Innenstadt dauert es mit dem Auto
eine gute Viertelstunde. Am Hauptmarkt zeugen sanierte alte
Häuser von früherem Wohlstand. Neben der Autoproduktion war der
Kohleabbau lange prägend für die Stadt. Der Hauptmarkt ist ein
beschaulicher Ort. Hier steht das Rathaus, daneben ein Café mit
Terrasse, das um 18 Uhr schließt, gegenüber ein Eiscafé. Bänke
auf dem Platz laden zum Verweilen ein.
Die offizielle Arbeitslosenquote in Zwickau gehört mit 4,3
Prozent zu den niedrigsten in Sachsen. (...). Das ist nahezu
Vollbeschäftigung".
(Anja Krüger, taz v. 23.08.2019)
|
Ein Ausbau der
Bahninfrastruktur wäre die bessere Alternative. Doch
Schwarz-Grün ist nicht dafür bekannt, dass hier die Prioritäten
liegen. Die Linkspartei könnte sich hier profilieren, doch sie
ist außen vor und auch viel zu schwach.
Die Landkreise Görlitz,
Bautzen und Zwickau stehen - neben Meißen - stellvertretend für
jene Regionen, in denen die AfD besonders hohe Wahlerfolge
erzielt, und in denen durch Versprechungen der stärkeren Förderung
die Wähler von der AfD abgehalten werden sollen. Doch ist das so
einfach?
Aus der folgenden Tabelle
ist die politische Lage in den fünf Wahlkreisen des Landkreises
Bautzen nach der Landtagswahl 2019 ersichtlich:
Parteiplatzierungen |
WK 52
Bautzen 1 |
WK 53
Bautzen 2 |
WK 54 Bautzen 3 |
WK 55
Bautzen 4 |
WK 56 Bautzen 5 |
|
Erststimme |
Zweitstimme |
Erststimme |
Zweitstimme |
Erststimme |
Zweitstimme |
Erststimme |
Zweitstimme |
Erststimme |
Zweitstimme |
Wahlkreissieger |
AfD
(38,2%) |
36,8 %
(+ 1,4 %) |
CDU (39,8 %) |
35,8 %
(+ 4,0 %) |
AfD (31,9 %) |
31,5
%
(+ 0,4 %) |
AfD (34,7 %) |
33,9 %
(+ 0,8 %) |
CDU (38,0 %) |
33,0 %
(+ 5,0 %) |
Zweitplatzierter |
CDU
(38,1 %) |
34,6
%
(+ 3,5 %) |
AfD (30,4 %) |
31,0
%
(- 0,6 %) |
CDU (31,5 %) |
32,3 %
(- 0,7 %) |
CDU (32,4 %) |
33,5 %
(- 1,1 %) |
AfD (36,4 %) |
36,4 %
(+/- 0 %) |
Drittplatzierter |
Linke
(7,7 %) |
6,8 %
(+ 0,9 %) |
Linke (10,4 %) |
8,0 %
(+ 2,4 %) |
FDP (13,5 %) |
7,8 %
(+ 5,7 %) |
Linke (12,6 %) |
10,7 %
(+ 1,9 %) |
Linke (8,4 %) |
7,7 %
(+ 0,7 %) |
Viertplatzierter |
SPD (5,5 %) |
5,7 %
(- 0,2 %) |
FDP
(6,0 %) |
6,4 %
(- 0,4 %) |
Linke (8,5 %) |
7,8 %
(+ 0,7 %) |
FW (8,0 %) |
4,0 %
(+ 4,0 %) |
FDP (5,8 %) |
4,4 %
(+ 1,4 %) |
Im Landkreis Bautzen
hatten die FDP und die Freien Wähler, die in Sachsen nicht in
den Landtag einziehen konnten, eine starke Bastion. Im Wahlkreis
54 Bautzen 3 trat der FDP-Spitzenkandidat Holger ZASTROW an, der
von allen Direktkandidaten des Landkreises das
Erststimmenergebnis, das am höchsten über dem
Zweitstimmenergebnis der Partei lag, erreichte. ZASTROW übertraf
damit auch das Ergebnis des "Erststimmenkönigs" der CDU.
In Bautzen konnte die AfD
zwei der 8 Wahlkreise gewinnen, die ihre Sitzzahl im Landtag
erhöhten. Den Wahlkreis 53 Bautzen 2 konnte die AfD jedoch nicht
gewinnen. Ein Sieg hätte dazu geführt, dass die AfD alle 39 Sitze
im Landtag
hätte belegen können. Dieser Wahlkreis stand jedoch nicht im
Mittelpunkt des Medieninteressens
Dagegen stand der Wahlkreis 56 Bautzen
5, in dem der AfD-Spitzenkandidat antrat, im Fokus der Medien. Hier wurde lediglich
ein symbolischer Kampf ausgefochten, den die CDU nur knapp
gewann. BECKER schildert das Duell zwischen SCHIEMANN und URBAN
folgendermaßen:
Abgehängt
in Sachsen
"Die ersten Ergebnisse kamen
aus der Gemeinde Kubschütz, da gewann er mit sieben Stimmen
Vorsprung. Kurz danach kam Hochkirch, wo er verlor, aber immer
noch lag Schiemann zwei Stimmen vorne. In Doberschau-Gaußig lief
es gar nicht, 118 Stimmen Rückstand auf den AfD-Kandidaten
Urban. In Malschwitz hat Schiemann wieder gewonnen, sein
Rückstand schrumpfte auf 15 Stimmen. Dann Bautzen, ein großer
Erfolg, plus 813 Stimmen. Zum Schluss verliert Schiemann noch
einmal in Großdubrau, aber der Vorsprung reicht - 526 Stimmen
mehr als die AfD, das Mandat ist ihm sicher."
(FAZ v. 03.09.2019)
|
In der Kreisstadt Bautzen,
die gemäß BECKER entscheidend zum Sieg des CDU-Direktkandidaten
beitrug, lag das Erstimmenergebnis 5,2 % über dem der Partei.
Der Vorsprung vor der AfD betrug jedoch nur 3,7 %. Nimmt man an,
dass die kosmopolitischen Milieus den CDU-Kandidaten gestützt
haben, dann hätten SPD (2,0 %) und Grüne (1,0) mit 3,0 Prozent
den Großteil zum CDU-Sieg beigetragen. 10 % der Wähler haben der FDP
und den Freien Wählern ihre Erststimmen gegeben, die beide nicht in
den Landtag einzogen. Das Erststimmenergebnis lag 2,9 %
über dem Stimmenanteil der beiden Parteien. Diese "verschenkten"
Stimmen haben ebenfalls vor allem der CDU genützt.
Fazit: Bei solchen
symbolischen Kämpfen, die im Mittelpunkt der
Medienberichterstattung stehen, stellt sich immer die
Frage, ob der Preis nicht zu hoch war und letztlich das Anti-AfD-Bündnis geschwächt wurde. Meist stehen die
Versprechungen in keinem Verhältnis zum Wahlerfolg.
Enttäuschte Erwartungen wiegen am Ende jedoch viel schwerer.
Kann die sächsische Regierung also nicht liefern, dann hat das
nicht nur Konsequenzen für das Bundesland selber, sondern
strahlt weit darüber hinaus aus. Die Wähler halten sich bei
ihrem Wahlverhalten nicht unbedingt an die politischen
Verantwortlichkeitsgrenzen. So zitiert BECKER den
CDU-Wahlverlierer REUTER folgendermaßen:
Abgehängt
in Sachsen
"»Viele
Leute bringen die Themen durcheinander, sie fragen nach der
Rentenpolitik, für die der Bund zuständig ist, und ärgern sich
über schlechte Straßen, worum sich die Gemeinden kümmern
müssen.« Zur Landespolitik gehören dafür die typischen Felder
Bildung. Innere Sicherheit und Kultur."
(FAZ v. 03.09.2019)
|
An solchen "fehlerhaften"
Zuschreibungen sind jedoch die Wahlkampfstrategien der Parteien
keineswegs unschuldig, sondern sie werden von allen Parteien -
nicht nur von der AfD - gefördert. Oder warum treten sonst
Bundes- und Kommunalpolitiker der eigenen Parteien bei den
Landtagswahlkämpfen auf? Sich darüber zu beklagen, dass dann die
Menschen politische Zuständigkeitsbereiche ignorieren, ist
scheinheilig. So bald solche Ignoranz der eigenen Partei dient,
wird das gerne mitgenommen!
Die Suche nach Mehrheiten jenseits der AfD
wird die Koalitionsgespräche bestimmen
Im neuen sächsischen
Landtag gehören die komfortablen Mehrheiten der CDU in den
vergangenen Jahrzehnten der Vergangenheit an. 2014 sah die
Sitzverteilung im sächsischen Landtag noch folgendermaßen aus:
Tabelle:
Sitzverteilung im sächsischen Landtag nach der Wahl 2014 |
Gesamtzahl der Sitze |
Regierung |
Opposition |
CDU |
SPD |
Linke |
Grüne |
AfD |
126 |
59 |
18 |
27 |
8 |
14 |
Gesamtzahl
der Regierung |
77 |
|
Gesamtzahl
der Opposition |
|
49 |
Gesamtzahl
der Opposition Rot-Grün contra AfD |
35 |
14 |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de;
eigene Berechnungen |
Die Regierungskoalition
hatte 2014 mit 77 Sitzen eine Mehrheit von 14 Sitzen. Bei einer
so genannten "Kenia"-Koalition von CDU-Grünen-SPD sieht die
Sitzverteilung folgendermaßen aus:
Tabelle:
Sitzverteilung im sächsischen Landtag nach der Wahl 2019 |
Gesamtzahl der Sitze |
"Kenia"-Regierung |
Opposition |
CDU |
Grüne |
SPD |
Linke |
AfD |
119 |
45 |
12 |
10 |
14 |
38 |
Gesamtzahl
der Regierung |
67 |
|
Gesamtzahl
der Opposition |
|
52 |
|
Quelle:
wahlen.sachsen.de;
eigene Berechnungen |
Die Mehrheit ist von 14 um
die Hälfte auf 7 Sitze zusammengeschrumpft und das bei drei
statt zwei Parteien. Die AfD ist zudem die größte
Oppositionspartei und die Linkspartei stark geschwächt, was eine
eigenständige Profilierung in der Opposition enorm erschwert.
Alternativen zur Kenia-Koalition wären einzig eine
CDU-Minderheitsregierung oder eine CDU-AfD-Koalition, die mit 83
Sitzen eine komfortable Mehrheit hätte. Eine solche Koalition
wurde jedoch vor der Wahl ausgeschlossen. Aus diesem Grund kommt
bei den Koalitionsverhandlungen der Beschaffung der Mehrheiten
größere Priorität zu als den Inhalten, denn alle drei Parteien
stehen unter Erfolgsdruck.
Die einzige bislang
existierende Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt gilt vielen als
wenig erfolgreiches Projekt und zeigt die Schwächen einer
solchen Koalition.
Ein Ausblick auf die Wahl in Thüringen
In Thüringen stellt die
Linkspartei seit 2014 ihren einzigen Ministerpräsidenten eines
Bundeslands. Dort besteht bereits eine Drei-Parteien-Koalition
von Linkspartei, SPD und Grünen mit einer hauchdünnen Mehrheit
von einem einzigen Sitz. Die Linkspartei möchte dort bei den
Landtagswahlen Ende Oktober den Erfolg
der SPD in Brandenburg und der CDU in Sachsen wiederholen und
als stärkste Partei weiterhin den Ministerpräsidenten stellen.
Die Linkspartei hofft dabei auf eine ähnliche Aufholjagd in der
Schlussphase des Wahlkampfes wie in Brandenburg und Sachsen. Ob
sich diese Hoffnungen erfüllen, ist ungewiss.
Die unpopuläre und
sehr spät abgesagte Kreisgebietsreform hat der CDU Möglichkeiten
zur Profilierung zugespielt. In Brandenburg konnte sich Dietmar WOIDKE die Absage zuschreiben, während die Linkspartei den
Schaden davon trug. Ob das Bodo RAMELOW ebenso gelingt, ist eine
wichtige Frage. Die
Umfragen sehen derzeit die Linkspartei
vorne. Die AfD könnte auf ähnlich hohe Werte wie in Brandenburg
kommen und damit ihr Wahlergebnis aus dem Jahr 2014 verdoppeln.
Die Medien versuchen seit Langem den Spitzenkandidaten Björn
HÖCKE zu dämonisieren und die AfD auf den völkischen Flügel zu
reduzieren. Ob dies die AfD in Thüringen klein zu halten vermag,
ist eine entscheidende Frage.
Gelänge es der Linkspartei
in Thüringen nicht, stärkste Partei zu bleiben und weiterhin den
Ministerpräsidenten stellen zu können, dann wäre das eine
existenzielle Krise für die Partei. Sie könnte dann im Osten
ähnlich bedeutungslos werden wie die SPD. Einzig die CDU könnte
-
gemäß den Umfragen - die Linkspartei als stärkste
Partei in Thüringen ablösen. Nur wenn die Grünen die Schwäche
der SPD kompensieren können, könnte es für eine
Drei-Parteien-Koalition reichen, denn derzeit ist eine
Erweiterung der jetzigen Koalition mit der FDP wenig
wahrscheinlich. Sie ist weder in Brandenburg noch in Sachsen in
den Landtag eingezogen und scheitert wahrscheinlich auch in
Thüringen an der Fünf-Prozent-Hürde. Für die Linkspartei steht
also in Thüringen sehr viel auf dem Spiel.
Thüringen, das in
17 Landkreise und 6 kreisfreie Städte untergliedert ist, ist
wie Brandenburg in
44 Wahlkreise aufgeteilt (Karte siehe
hier). Nur von der CDU, der Linkspartei, den Grünen und der
FDP treten
Direktkandidaten in allen Wahlkreisen an.
Fazit. Der AfD den Nimbus der Protestpartei zu
entreißen, ist eine wichtige Aufgabe, die vernachlässigt wird
Der Osten könnte eine
Pionierrolle für den zukünftigen Parteienwettbewerb im Westen spielen. Dem
Osten wird zwar ein größeres Potenzial an rechtsextremen Tendenzen in
der Bevölkerung zugesagt. Doch darauf lässt sich die Rolle der AfD im Parteienwettbewerb nicht reduzieren. Das Image der
Partei, die Politiker der etablierten Parteien zum Handeln
zwingen zu können, ist ein ebenso starkes Motiv, die AfD zu
wählen. Nach der Hartz-Reform konnte diese Rolle noch die
Linkspartei übernehmen, doch diese Zeiten sind vorbei.
Ob die AfD ihren Nimbus als Protestpartei, mit der bislang zur Ohnmacht
verdammte Wähler ein Gefühl der Selbstwirksamkeit zurückerlangen
können, behalten kann, wird entscheidend für den weiteren Erfolg
dieser Partei sein. Solange es keine überzeugende Alternative
zur AfD jenseits der etablierten Parteien gibt oder die
kosmopolitischen Milieus die durch den
progressiven
Neoliberalismus entstandene Repräsentationslücke nicht
schließen können bzw. wollen. So lange wird die AfD ihre Rolle
unangefochten weiter spielen können. Viele Wähler erwarten von
der AfD gar keine Problemlösungskompetenz, sondern sehen in der
Partei lediglich einen Motor, der die erstarrten Verhältnisse im
Parteiensystem aufzubrechen vermag. Die Reaktion der etablierten
Parteien bestärkt sie zudem noch in diesem Glauben.
Für
Rot-Rot-Grün war der Landtagswahlkampf in Sachsen auf alle Fälle
eine fatale Niederlage oder wie es im taz-Artikel
Letzter Warnschuss zusammengefasst wird:
Letzter
Warnschuss
"Bei der SPD-Wahlparty (...) raunt
eine Fraktionsmitarbeiterin: »Rot-Rot-Grün hat zusammen knapp weniger
Stimmen als die AfD mit ihren 27,5 Prozent!« Addiert man die
irrelevanten 4,5 Prozent der FDP und die 3,4 Prozent der auch als
Auffangbecken für halbrechte Parteienausreißer fungierenden Freien
Wähler zu CDU und AfD hinzu, so haben nahezu drei Viertel der
sächsischen Wähler zumindest nicht progressiv gewählt."
(Daniel Schulz, Michael Bartsch, Stefan Reinecke, taz v. 03.09.2019)
|
Ob der jetzige Sieg der
CDU in Sachsen letztlich ein Erfolg oder ein Pyrrhussieg des
kosmopolitischen Milieus ist, das wird sich auch im Laufe dieser
sächsischen Legislaturperiode erweisen müssen. Die Gefahr des
Scheiterns ist angesichts der kostspieligen
Wahlkampfversprechungen groß. Erneute Enttäuschungen sind da
vorprogrammiert. Davon könnte die AfD profitieren, wenn
weiterhin Alternativen fehlen. Letztlich hat sich das
kosmopolitische Milieu jetzt nur teuer weitere Zeit erkauft. Ob
diese sinnvoll genutzt wird, ist deshalb entscheidend.
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
"Dies
ist die erste grundlegende Auseinandersetzung mit dem
nationalkonservativen Argumentationsmuster, das zunehmend
die Debatte um den demografischen Wandel bestimmt.
Hauptvertreter dieser Strömung sind Herwig Birg, Meinhard
Miegel, Jürgen Borchert und Hans-Werner Sinn. Die
Spannbreite der Sympathisanten reicht von Frank
Schirrmacher bis zu Susanne Gaschke. Als wichtigster
Wegbereiter dieses neuen Familienfundamentalismus muss der
Soziologe Ulrich Beck angesehen werden.
Es wird aufgezeigt, dass sich die
nationalkonservative Kritik keineswegs nur gegen Singles
im engeren Sinne richtet, sondern auch gegen Eltern, die
nicht dem klassischen Familienverständnis entsprechen.
Die Rede von der "Single-Gesellschaft"
rechtfertigt gegenwärtig eine Demografiepolitik, die
zukünftig weite Teile der Bevölkerung wesentlich
schlechter stellen wird. In zahlreichen Beiträgen, die
zumeist erstmals im Internet veröffentlicht wurden,
entlarvt der Soziologe Bernd Kittlaus gängige
Vorstellungen über Singles als dreiste Lügen. Das Buch
leistet damit wichtige Argumentationshilfen im neuen
Verteilungskampf Alt gegen Jung, Kinderreiche gegen
Kinderarme und Modernisierungsgewinner gegen
Modernisierungsverlierer." |
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