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Singles im mittleren und höheren
Erwachsenenalter
"Ziel
des Buches ist die systematische Aufbereitung von
vorhandener Evidenz zur Lebens- und Alternssituation von
Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter, die
Erweiterung derselben sowie - vor diesem Hintergrund - die
systematische Generierung neuer Fragestellungen, deren
Beantwortung in zukünftigen Studien besondere
wissenschaftliche und gesellschaftliche Dringlichkeit
besitzt. Die Suchrichtung ist dabei primär eine sozial- und
verhaltenswissenschaftliche, wobei eine solche Verknüpfung
von soziologischen und psychologischen Erkenntnissen zu
Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter
unabdingbar ist, bislang aber zu selten und thematisch zu
punktuell in Angriff genommen wurde." (2008, S.9) |
Einführung
Mit dem Bestseller
Das
ganz normale Chaos der Liebe von Ulrich BECK und Elisabeth
BECK-GERNSHEIM wurde in Deutschland die öffentliche und
wissenschaftliche Debatte um das Single-Dasein entfesselt. Das
Schlagwort "Single-Gesellschaft" wurde daraufhin zum Topos der sozial- und
familienpolitischen Debatte. 5 Jahre später erschien das Buch
Die "Single-Gesellschaft" von Stefan HRADIL, das sich als
eine erste Zwischenbilanz zum Thema Singles verstand. Im
selben Jahr erschien das Buch
Das Individuum und seine
Familie, herausgegeben von dem Familiensoziologen Hans
BERTRAM. Es legte erstmals für Deutschland repräsentative
empirische Daten zu Singles und ihren sozialen Netzwerken vor,
die über jene explorativen Studien hinausging, die bis dahin ein
eher einseitiges Bild von Singles lieferten.
Seitdem wurde zwar in
öffentlichen Debatten vieles über Singles geschrieben, aber eine
fundierte wissenschaftliche Bestandsaufnahme zum Thema
Single-Dasein, die ähnlich breit angelegt ist wie Stefan HRADILs
Studie, fehlte bislang schmerzlich. Das Buch Singles im
mittleren und höheren Erwachsenenalter von Stephan BAAS,
Marina SCHMITT und Hans-Werner WAHL schließt nun größtenteils
diese Lücke und leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur
Neuorientierung der vernachlässigten Singleforschung in
Deutschland.
Wer ist Single?
Bislang gibt es in der
Wissenschaft keinen Konsens darüber, wer Single ist. Die Autoren
widmen das zweite Kapitel deshalb der Suche nach einer
verbindlichen Definition. Sind
Singles Personen, die einen Einpersonenhaushalt führen? Diese
von der amtlichen Statistik hergeleitete Definition war in der
politischen Debatte um Singles zwar bislang dominierend, aber
aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist eine solche Definition
keineswegs sinnvoll. Auch das Alleinwohnen, der Familienstand,
das Alter oder die Freiwilligkeit des Alleinlebens sind keine
Merkmale, die unbedingt notwendig sind, um als Single zu gelten.
Die Autoren stellen stattdessen den Partnerstatus in den
Mittelpunkt. Eine
solche Definition des Singles als Person ohne feste
Partnerschaft ist in der bisherigen deutschen
Singleforschung vernachlässigt worden, obwohl sie dem
ursprünglichen Bedeutungsgehalt des Singlebegriffs am nächsten
kommt. Auf dieser Website wurde auf dieses Manko bereits
ausführlich eingegangen
.
Singles im mittleren und höheren
Erwachsenenalter
"Singles
sind Männer und Frauen, die nach eigenen Angaben keine feste
Partnerschaft führen.
Diese
positive Eingrenzung und alleinige Konzentration auf den
Aspekt der Partnerschaft stellt eine Minimaldefinition dar.
Werden Singles durch das Konzept der negativen Abgrenzung
definiert, ergeben sich als weitere Aspekte zur Definition
von Singles die folgenden Ergänzungen. Für die Definition
von Singles ist es unerheblich,
•
in welcher Haushaltsform diese Personen leben,
•
welchen Familienstand sie haben,
• ob sie Kinder haben oder nicht,
• welche
Motive ihrer Lebensform zugrunde liegen (also etwa das Motiv
der Freiwilligkeit),
• wie lange sie sich in dieser
Lebensform befinden und
• in welchem Alter sie sind.
Diese Definition
rekurriert damit einzig auf die subjektive
Selbsteinschätzung von Männern und Frauen, ob sie in einer
Partnerschaft leben oder nicht." (2008, S.27)
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Mit der Konzentration auf
den Partnerstatus werden zum einen
haushaltsübergreifende Partnerschaften adäquat
mitberücksichtigt, zum anderen wird durch den Wegfall einer
Altersbeschränkung die Erforschung des Single-Daseins
prinzipiell über den gesamten Lebensverlauf möglich.
Der demographische Wandel erfordert eine
Schwerpunktverlagerung der Singleforschung
In den 1980er und 1990er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts standen die jüngeren Singles
und die Singles im traditionellen Familienlebensalter im
Vordergrund der Betrachtung. Es waren die 25- bis 45jährigen
Singles, die - oftmals als Yuppies bezeichnet -, nicht nur die
öffentliche Debatte prägten, sondern auch Objekt der
wissenschaftlichen Forschung waren. Da
nun die geburtenschwachen Jahrgänge nachrücken, kommen
die älteren Singles vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Daneben trägt die Zunahme der Lebenserwartung und der
technologische Fortschritt dazu bei, dass der traditionelle
Lebenszyklus immer weniger das Leben der Menschen bestimmt. In
einer Gesellschaft der Langlebigen verändern sich die
Lebensphasen, was bislang in der Forschung zu wenig
berücksichtigt wurde
.
Der Ansatz der Autoren, sowohl die Beschränktheit des
traditionellen Haushaltsansatzes als auch des traditionellen
Lebenszyklus zu überwinden, ist deshalb zu begrüßen.
Singles im mittleren und höheren
Erwachsenenalter
Wie der Titel des Buches
bereits verrät, beschäftigen sich die Autoren zwar mit Singles
im mittleren und höheren Erwachsenenalter, aber da es auch um
eine Bestandsaufnahme geht, werden jüngere Singles
mitberücksichtigt.
Das
dritte Kapitel befasst sich mit der Anzahl von Singles.
Den Personen ohne feste Partnerschaft nähern sich die Autoren
von zwei Seiten: zum einen anhand der amtlichen Statistik, die
nur etwas über Personen, die einen Einpersonenhaushalt führen,
aussagt und über die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der
Sozialwissenschaften (kurz: ALLBUS), die auch
haushaltsübergreifende Partnerschaften berücksichtigt. Dadurch
gelangt man zu einem Vergleich zwischen der Anzahl der
Alleinlebenden und der Partnerlosen. In
der öffentlichen Debatte wurden Partnerlose und Alleinlebende
lange Zeit gleich gesetzt. Es zeigt sich jedoch, dass dies zu
gravierenden Fehleinschätzungen führen kann. Erst im Jahr 2005
machte eine repräsentative Umfrage im Auftrag der
Partnervermittlung Parship darauf aufmerksam, dass beide
Zahlen voneinander abweichen. Auf
dieser Website wurde bereits im Jahr 2005 zwischen einer
singlefeindlichen und einer singlefreundlichen Darstellung
von Haushaltszahlen unterschieden
. Lobend
zu erwähnen ist, dass in dem Buch Singles im mittleren und
höheren Erwachsenenalter die singlefreundliche Darstellung
verwendet wird. Dies war selbst in Fachbüchern in der
Vergangenheit nicht immer selbstverständlich.
Greifen
wir uns die Personen im mittleren Erwachsenenalter heraus, dann
ist der Anteil der Partnerlosen ("Single") bei den
30-45jährigen Frauen und Männern höher als der jeweilige
Anteil der Alleinlebenden ("EPH"). Bei den 45-60jährigen Männern
ist dagegen der Anteil der Partnerlosen geringer als derjenige
der Alleinlebenden, während es bei den gleichaltrigen
Frauen umgekehrt ist.
Woraus
erklären sich nun diese Unterschiede? Zum einen werden in der
Haushaltsstatistik die Alleinlebenden mit fester
Partnerschaft (LAT, Abkürzung für living apart together,
also Paare ohne gemeinsamen Haushalt) dazu gezählt, während
Frauen und Männer, die mit einem Kind zusammenleben nicht
als Einpersonenhaushalte gelten, sondern als Alleinerziehende
separat gezählt werden. Da
in dem Buch bei den Alleinlebenden nur das frühere Gebiet der
Bundesrepublik betrachtet wurde, während bei den Partnerlosen
auch Ostdeutschland mitberücksichtigt wurde, ergeben sich auch
dadurch kleinere Unterschiede. Außerdem können Partnerlose im
Gegensatz zu Alleinlebenden auch in Mehrpersonenhaushalten
leben.
Tabelle: * Lebensformen 2004 nach Altersgruppen (in %)
in Deutschland; ** Anteile alleinlebender Frauen und
Männer (EPH) 2004 im früheren Bundesgebiet (in %)
|
Alter |
Geschlecht |
Partner * |
LAT * |
Single * |
EPH ** |
30 bis unter
45 |
Männer |
72,5
|
3,9
|
23,5 |
22,8 |
|
Frauen |
77,0
|
6,0
|
17,0 |
12,2 |
45 bis unter
60 |
Männer |
86,0
|
1,1
|
12,9 |
16,2 |
|
Frauen |
78,0
|
3,0
|
19,0 |
14,1 |
|
Quelle:
Tabelle 1 bzw. Text, Kapitel 3 in: Stefan Baas/Marina
Schmitt/Hans-Werner Wahl (2008): Singles im mittleren und
höheren Erwachsenenalter |
Leider wurde in dem Buch
auf eine Gegenüberstellung wie sie hier in Tabellenform versucht
wurde, verzichtet, sodass ein Vergleich zwischen Alleinlebenden
("EPH") und Partnerlosen ("Single") etwas schwierig ist.
Betrachtet
man die Singles im Familienlebensalter (hier die
30-45Jährigen), dann leben wesentlich mehr Männer als
Frauen in Einpersonenhaushalten. Im Gegensatz zur
öffentlichen Debatte, in der die Aufmerksamkeit vor allem den alleinlebenden, kinderlosen Karrierefrauen im mittleren
Lebensalter galt, zeigen BAAS, SCHMITT und WAHL, dass der
stärkste Anstieg der Alleinlebenden in dieser Altersgruppe durch
die Männer verursacht wurde. Darauf ist auf dieser Website
bereits des Öfteren hingewiesen worden
.
Gibt
es schon Probleme bei der zahlenmäßigen Erfassung von Singles, so
steht man bei der Prognose der zukünftigen Zahl von Singles vor
noch größeren Problemen. Dies gilt sowohl für die Entwicklung
der Einpersonenhaushalte als auch der Partnerlosen.
Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter
"Eine
exakte Quantifizierung ist fast unmöglich, zu zahlreich sind
die potentiellen Determinanten der zukünftigen Zahl von
Singles. Dazu gehören:
• der demographische
Wandel, insbesondere die steigende Lebenserwartung,
• die Entwicklung der verschiedenen Haushaltsformen,
insbesondere die Zunahme der Einpersonenhaushalte,
• das zukünftige Heirats- und Familiengründungsverhalten,
• die weitere Entwicklung des Geschlechterverhältnisses,
• Aspekte des Wertewandels,
• die weitere Entwicklung des Sozialstaates und
• die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. (2008, S.38) |
Während Prognosen über
Verhaltensänderungen das ganze Spektrum von
kulturpessimistischen Zerfallsthesen, über optimistische
Individualisierungsszenarien bis zu einer entschiedenen Kritik
an den Thesen einer zukünftigen Singlegesellschaft abdecken,
haben die Verfechter demographischer Modelle weit weniger
Skrupel ein immer weiter so zu prognostizieren. Einigkeit über
die Entwicklung besteht aber auch hier nicht, wie die Autoren
anhand der Beispiele von Gert HULLEN und Herwig BIRG zeigen. In
ihrem Fazit gehen BAAS, SCHMITT & WAHL jedoch aufgrund der
bisherigen Erkenntnisse davon aus, dass
die Anzahl der Singles auch in Zukunft weiter steigen wird.
Wie sieht die Lebenssituation von Singles aus?
Kapitel 4 und 5 des
Buches, sozusagen der Hauptteil des Buches, ist der
Bestandsaufnahme und der Schließung von Forschungslücken
bezüglich der Lebenssituation von Singles gewidmet. Zuerst tragen die Autoren Befunde über das Single-Dasein
zusammen, wobei in erster Linie auf Forschungen aus dem
deutschen Sprachraum zurückgegriffen wird. Es
zeigt sich jedoch, dass es insbesondere über ältere Singles nur
sehr wenige Erkenntnisse gibt. Aber auch über Singles, die nach
eigenen Angaben keinen Partner haben, gibt es im Vergleich zu
den Alleinlebenden nur sehr wenig Forschung, so dass sich die
Befunde im Kapitel 4 häufig auf Alleinlebende beziehen. Die
meisten zugrunde liegenden Studien sind bereits vor der
Jahrtausendwende bzw. kurz danach entstanden, so dass die
Auswirkungen der Hartz-Gesetze auf das Leben von Singles
leider kein Thema des Buches ist. Es
werden jedoch interessante Erkenntnisse über die Heterogenität
der Singles sichtbar, die in der Forschungsliteratur bislang zu
wenig Beachtung gefunden haben. Dabei kann zwischen
soziologischen und psychologischen Befunden zu Singles
unterschieden werden. Beispiele für soziologische Forschungen
sind u. a. die Studien von Sibylle MEYER & Eva SCHULZE ("Balancen
des Glücks", 1989),
von Ronald BACHMANN ("Singles", 1992) oder Jutta STICH ("Alleinleben
- Chance oder Defizit", 2002).
Im Mittelpunkt dieser
Forschungen stehen die sozio-demographischen Charakteristika von
Singles wie z.B. Stadt-Land-Unterschiede, Bildungs- und
Einkommensunterschiede, Motive für ein Leben als Single,
Konsequenzen des Singlelebens, Einteilung der Singles nach
speziellen Kriterien (Typologien z. B. entlang von
Freiwilligkeit und Dauerhaftigkeit) sowie die Struktur von
Netzwerken.
Gerade
hinsichtlich des letzten Punktes beklagen die Autoren des
Buches, dass zu selten zwischen Netzwerkgröße im Sinne sozialer
Isolation auf der einen Seite und Einsamkeit auf der
anderen Seite differenziert wird. Hier kommen dann auch
psychologisch orientierte Befunde ins Spiel. Gemäß BAAS,
SCHMITT & WAHL hat sich die Psychologie erst in den 1990er Jahren
den Singles zugewendet. Im Rahmen einer Psychologie sozialer
Beziehungen geriet insbesondere die Bedeutung von
Persönlichkeitsmerkmalen für die Stabilität von Partnerschaften
und die Zufriedenheit in den Blickpunkt. Hier wären insbesondere
die Forschungen von Franz J. NEYER und Beate KÜPPER ("Sind
Singles anders?", 2002) zu nennen.
In
den letzten Jahren standen auch in zunehmendem Maße die Bindungsfähigkeit
und die Bindungsstile von Singles im Mittelpunkt sowohl der
öffentlichen Debatte als auch in wissenschaftlichen
Forschungen. Es zeigt sich jedoch, dass die vorliegenden Befunde alles
andere als eindeutig sind.
Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter
"Unklar
ist (...) derzeit, ob Bindungsstile tatsächlich stabile
Persönlichkeitseigenschaften (traits) darstellen oder ob sie
personen- und situationsabhängig sind (...).
Auch die Frage der Kausalität ist offen: Ist ein bestimmter
Bindungsstil Ursache für die jeweilige Lebensform, oder ist
die jeweilige Lebensform bzw. Beziehungsgenese Ursache für
einen bestimmten Bindungsstil? Auf der Grundlage der
vorliegenden Forschung kann diese Frage zum derzeitigen
Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Allerdings vermutet
Küpper (2002), dass eher die Lebensform den Bindungsstil
determiniert." (2008, S.69) |
Weitere Forschungsfragen
betreffen das subjektive Wohlbefinden und die Gesundheit der
Singles. Solche Aspekte sind angesichts des demographischen
Wandels (Zunahme älterer Singles) und hinsichtlich Fragen der
sozialen Sicherung (z.B. Ausbau der Infrastruktur zur Betreuung
von Pflegefällen) besonders wichtig. Gerade in diesem Bereich
fehlen jedoch weitgehend fundierte wissenschaftliche
Erkenntnisse. Die Autoren greifen deshalb ausnahmsweise auf
Forschungsergebnisse aus anderen Ländern zurück. Diese Forschungen
heben aber meist nur auf den Familienstand
(verheiratet vs. unverheiratet) statt auf den Partnerstatus
ab. Insofern sind die Ergebnisse nur mit aller geboten Vorsicht
auf Deutschland übertragbar. Auch zu Vorstellungen
von Singles über ein Leben im Alter gibt es bislang nur
spärliche Informationen. Das Fazit der Autoren zum
Stand der Singleforschung ist deshalb eher ernüchternd.
Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter
"Insgesamt
ist der bisherige Forschungsstand zur Lebensform der Singles
wenig befriedigend. Die bisherige Forschung hat sich im
Wesentlichen auf Singles im mittleren Erwachsenenalter und
jüngere Singles konzentriert. Empirisch fundierte
Erkenntnisse über ältere Singles sind dagegen nur in
Einzelfällen zu finden." (2008, S.79) |
Angesichts des wenig
erfreulichen Forschungsstandes haben die Autoren eigene
sekundäranalytischen Untersuchungen angestellt. Dabei greifen
sie auf Längsschnittdaten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP),
den Familiensurvey und die Interdisziplinäre
Längsschnittstudie des Erwachsenenalters (ILSE) zurück. Der
Vorteil dieser Datensätze besteht darin, dass zwischen Personen
mit fester und ohne feste Partnerschaft differenziert werden
kann. Dies ermöglicht das Auffinden von möglichen Problemgruppen
unter den Singles.
Besondere Problemgruppen unter den
Singles
Anhand von Daten des
Familiensurveys haben BAAS, SCHMITT & WAHL die soziale Isolation
und Einsamkeit in unterschiedlichen Lebensformen
untersucht. Im Jahr 2000
lebten insgesamt 88,3 % in einer festen Partnerschaft. Von den fast 11,7 %
Partnerlosen haben immerhin noch 2,1 % keinerlei Partnerschaftserfahrung. Menschen ohne Beziehungserfahrung
wurden in der Vergangenheit nur selten zum Thema gemacht, wie
auf dieser Website bereits im Dezember 2007 festgestellt wurde
. Das
Durchschnittsalter dieser Gruppe ist mit 44 Jahren erstaunlich
hoch. Es sind zudem fast ausschließlich Männer betroffen, von
denen zwei Drittel alleine wohnen. Diese Gruppe leidet am
meisten unter Einsamkeit. Die Einsamkeitsgefühle haben
zudem im Zeitverlauf noch zugenommen (Messzeitpunkte: 1994 und
2000). Mit
Hilfe des Sozio-ökonomischen Panels haben BAAS, SCHMITT & WAHL
die Lebenszufriedenheit von Singles untersucht.
Jüngere männliche Scheidungssingles sind
demnach besonders unzufrieden mit ihrer Lebenssituation. Auf
diese besondere Problematik hat Ronald BACHMANN bereits 1992 in
seiner o. a. Single-Studie aufmerksam gemacht. Mittels Daten der Interdisziplinären Längsschnittstudie des
Erwachsenenalters (ILSE) wird sichtbar, dass der
Gesundheitszustand von Singles im mittleren Erwachsenenalter
einen markanten geschlechtsspezifischen Unterschied aufweist.
Zum einen schätzen Männer ihren Gesundheitszustand viel zu
positiv ein und zum anderen haben partnerlose Frauen oftmals
psychische Probleme. Da es sich größtenteils um
alleinerziehende Frauen handelt, vermuten die Autoren
Überlastungen aufgrund der "Rolle als berufstätige und
alleinererziehende Mutter".
Neben
diesen sekundäranalytischen Untersuchungen haben die Autoren
eigene Leitfadeninterviews und Fokusgruppendiskussionen
durchgeführt, um mehr über bislang vernachlässigte Fragen zu
Partnerwünschen, dem Älterwerden und den Umgang mit einer
möglichen Pflegebedürftigkeit herauszubekommen.
Polarisierungsversuche,
wie sie in der politischen
Debatte der letzten Jahre üblich waren, rufen demzufolge bei Singles deutlichen Widerspruch hervor.
Forschungs- und Handlungsbedarf
BAAS, SCHMITT & WAHL sehen
angesichts des unzureichenden Forschungsstandes einen
deutlichen Nachholbedarf an fundierter Singleforschung. Sowohl
hinsichtlich der Begrifflichkeiten als auch auf der
konzeptionellen Ebene weist die bisherige Singleforschung große
Defizite auf. Handlungsbedarf sehen die Autoren auch im Bereich von
Therapie und Beratung im Hinblick auf spezielle Singlegruppen,
die sich als Problemgruppen erwiesen haben.
Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter
Die
"durchgeführten Sekundäranalysen (zeigen), dass (...) mit
differentiellen Befunden zu rechen ist und sich spezifische
Singlegruppen (Geschiedene und Personen ohne
Partnerschaftserfahrung) identifizieren lassen, die einsam
und mit verschiedenen Bereichen ihres Lebens deutlich
unzufrieden sind und deren psychische Situation durchaus als
prekär zu bezeichnen ist. Weitere Erkenntnisse darüber,
welche Aspekte zum Erleben von Einsamkeit und geringer
Lebenszufriedenheit führen, können auch dazu beitragen,
adäquate Hilfs- und Unterstützungsangebote im Sinne von
Therapie und Beratung zu entwickeln, um langfristig
schwerwiegendere Konsequenzen und dauerhafte
Lebensqualitätsverluste abfedern zu können." (S.123) |
Im Gegensatz zur
öffentlichen Debatte sehen die Autoren aber nicht nur Risiken,
die mit der Zunahme von Singles einhergehen, sondern auch
Chancen. Ältere Singles könnten z.B. Vorbilder für eine neue
Kultur des Helfens werden.
Fazit: Das Buch ist für jeden unverzichtbar,
der sich mit der Singleforschung und dem Thema Singles
befassen möchte
Seit Mitte der 1990er Jahre
fehlte ein Buch, das den Forschungsstand zu Singles ähnlich
umfassend wie Stefan HRADILs Buch
Die "Single-Gesellschaft" zusammenfasste.
Mit dem Buch Singles im mittleren und älteren
Erwachsenenalter von Stephan BAAS, Marina SCHMITT und
Hans-Werner WAHL liegt nun ein Buch vor, das diese Lücke
größtenteils schließt und zudem einen wichtigen Beitrag zur
Neuorientierung der Singleforschung liefert.
Mit
der Fokussierung auf den Partnerstatus wird ein Manko der bisherigen Singleforschung
behoben. Die
Befunde der bisherigen Forschungsliteratur werden prägnant
dargestellt, offene Fragen herausgestellt bzw. Kontroversen
benannt.
Indem
sich die Autoren bei der Schließung von Forschungslücken
einerseits auf wenige, aber dafür umso aussagekräftigere
Längsschnittsdatensätze beschränken, bleibt das Buch angesichts
der Datenfülle dennoch übersichtlich. Dazu tragen auch die
jeweiligen Zusammenfassungen am Kapitelende bei. Auf der anderen
Seite werden mittels Leitfadeninterviews und
Fokusgruppendiskussionen die Fragen der Lebensgestaltung und der
Zukunftsplanung von Singles erhellt. Die
abschließenden Betrachtungen zum Forschungs- und
Handlungsbedarf, bringen die Defizite der bisherigen
Singleforschung präzise auf den Punkt und weisen auf dringenden
Handlungsbedarf hin.
Zu
begrüßen ist, dass nicht nur auf die Risiken eines steigenden
Anteils von Singles hingewiesen wird, sondern auch Chancen
aufgezeigt werden. Aufgrund
des breiten Spektrums an behandelten Singlethemen ist das Buch
für jeden unverzichtbar, der sich mit der Singleforschung und
dem Thema Singles befassen möchte.
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