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Vorbild
Frankreich
Kindersegen in Frankreich
"Leben wie ein
Kind in Frankreich, diese Perspektive ist
offensichtlich besonders verlockend. Die Zahl
der Geburten hat im Jahr 2001 mit 775 000 den
hohen Stand des Vorjahres erreicht und damit
die Hoffnung geweckt, daß sich der
Kindersegen auch in den kommenden Jahren
fortsetzen wird. Im Durchschnitt bringt eine
Frau in Frankreich 1,9 Kinder zur Welt, in
Deutschland sind es nur etwa 1,4. Da die
Geburten die Sterbefälle um rund 250 000
übertreffen, wächst die französische
Bevölkerung, anders als die deutsche, auch
ohne Zuwanderung. Diese ist in Frankreich
heute ohnehin wenig bedeutend. Nach
Berechnungen des Statistikamts Insée lebten
in Frankreich im vergangenen Jahr annähernd
60 Millionen Menschen, fünf Millionen mehr
als vor fünfzehn Jahren."
(FAZ, 07.02.2002) |
Jean-Claude Guillebaud
als Theorielieferant von Michel Houellebecq?
"Jean-Claude
Guillebaud liefert mit »Die
Tyrannei der Lust« das theoretische Fundament zu
Houellebecq" heisst es im Untertitel der
Rezension Schwarzbuch der sexuellen Revolution von Mariam LAU (Welt 11.12.1999). Dies gilt
in erster Linie für Die
Ausweitung der
Kampfzone und
Elementarteilchen,
aber kaum für HOUELLEBECQs neuen Roman Plattform. Und ob es sich hier um das theoretische Fundament
oder nur um eine punktuelle Übereinstimmung
handelt, darüber ließe sich vortrefflich streiten.
Der
postindustrielle Familienmensch als
Widerstandskämpfer
Das
Buch Die Tyrannei der Lust von Jean-Claude GUILLEBAUD mit seinem über 400 Seiten
erschließt sich am besten, wenn man mit dem 14.
Kapitel Zurück zur Familie beginnt.
Dort wird der Familienmensch als
Widerstandskämpfer vorgestellt:
Die Tyrannei der Lust
"In stabilen
Gesellschaften, in denen ein autoritärer und
holistischer Konformismus herrscht, ist die
Familie als Ort der Weitergabe und sozialen
»Erneuerung« in der Tat ein Instrument im
Dienst der bestehenden Ordnung. Natürlich
ist sie die Instanz, die uns Gehorsam
beibringt, und infolgedessen auch der Ort der
Anpassung und der Tradition. Vollkommen
anders ist die Lage hingegen in Zeiten des
Umbruchs, in denen Entropie, Chaos und
soziale Zersplitterung vorherrschen, das
heißt, in denen sich im Extremfall sogar die
Fähigkeit zur Weitergabe von Werten
auflöst. Nun wird die Familie zum Hort der
Menschlichkeit, der Sozialisierung und des
Widerstands gegen die solipsistische Barbarei
(...). Sie repräsentiert eine Instanz der
»fortschrittsorientierten« Verweigerung
gegenüber der »Bedeutungslosigkeit einer
Gegenwart ohne Bindungen«, wie Irène Théry
es formuliert."
(2001, S.386f.) |
Familie
wird damit in Übereinstimmung mit Michel HOUELLEBECQ
zur letzten Bastion gegen den Neoliberalismus
überhöht.
Jenseits
von Rechts und Links - Ein Allianz aus Not
geboren
Aus
dieser Perspektive des Familienmenschen als
Widerstandskämpfer speist sich die
leidenschaftliche Attacke gegen die Tyrannei der
Lust. Die sexuelle Revolution
wird im Rahmen einer Ideengeschichte der
Sexualität und der Bevölkerungsgeschichte neu
verortet. Die
Perspektive von GUILLEBAUD verknüpft dazu eine
Zerfallsrhetorik
mit der Gleichsetzung von sexueller Revolution
und Neoliberalisierung. Der Autor sieht sich mit
dem Rücken zur Wand:
Die Tyrannei der Lust
"Nach dreißig Jahren
»sexueller Revolution«, des radikalen
Individualismus, der Durchtrennung von
Bindungen schwindet uns auf einmal bei der
Aussicht auf den endgültigen Zerfall der
»Keimzelle der Gesellschaft«. Der
traditionelle Faustkampf zwischen Linken und
Rechten rund um die Familie ist in dieser
Notsituation eigentlich fehl am
Platz."
(2001, S.387) |
Als
Deutscher traut man da erst einmal nicht seinen
Augen. Das soll unser Vorbild Frankreich
sein? Es vergeht fast kein Tag, dass uns
die Vorzüge des Familienlands Frankreich von den
deutschen Familienrhetorikern gepredigt werden.
Die
Instrumentalisierung demografischer Mythen für
die neue Familienpolitik
Um
dies verstehen zu können, muss man die
französischen Mythen kennen, die GUILLEBAUD in
dem Abschnitt Die »Gefahr der
Entvölkerung« behandelt:
Die Tyrannei der Lust
"Im letzten Viertel des
neunzehnten Jahrhunderts, kurz nach dem Krieg
von 1870, kehrte sich alles um. Die jähe
Wende in der Bevölkerungsentwicklung - ein
Trend, der in Wahrheit bereits zu Beginn des
Jahrhunderts eingesetzt hatte, sich aber erst
jetzt in vollem Ausmaß bemerkbar machte -
löste nach der Katastrophe von Sedan eine
regelrechte kollektive Panik aus und
veränderte während der kommenden Jahre die
Einstellung gegenüber Ehe, Sexualität und
Fortpflanzung grundlegend. Die weltliche
Macht und die Kirche, die jetzt beide die
Gefahr der Entvölkerung fürchteten,
wetteiferten miteinander in einer
geburtenfördernden Propaganda, die bisweilen
an nationalistischen Wahn grenzt.
Tatsächlich waren die Geburtenziffern so
stark zurückgegangen, daß die
Bestandserhaltung nicht mehr gegeben war.
Schlimmer noch, auf einmal wurde sich
Frankreich bewußt, daß es hinsichtlich der
Bevölkerungsentwicklung hinter den anderen
Ländern Europas, insbesondere Preußen, weit
zurückstand. Diese Erkenntnis führte zu
einem psychologischen Trauma - »der
demographische Schrecken« lautete bald die
gängige Bezeichnung -, das die französische
Geschichte ein knappes Jahrhundert lang
beherrschte. Von allen Seiten wurde ein
»landesweiter Ruck« gefordert."
(2001, S.315) |
GUILLEBAUD knüpft
mit seiner Behauptung einer Notsituation an den Mythos vom
»demographischen Schrecken« an, um die mangelnde Stringenz
seiner Argumentation zu verdecken .
Das
neue Sedan
Das
neue Sedan ist nun das Jahr 1964:
Die Tyrannei der Lust
"Auf einmal verkehrten sich
sämtliche demographischen Parameter
gleichzeitig in ihr Gegenteil - man erlebte
einen starken Rückgang der Geburtenzahlen
und der Eheschließungen, die Frauen blieben
länger unverheiratet, die Zahl der
Scheidungen stieg sprunghaft an, während die
Zahl der Kinder pro Familie abnahm, und so
weiter. Binnen weniger Jahre hatte die
Nettofortpflanzungsrate einen Tiefpunkt
erreicht; 1975 sank sie unter das Niveau, das
langfristig für eine gleichbleibende
Bevölkerungsdichte erforderlich ist.
Sämtliche Länder des Westens waren von dem
Phänomen betroffen und erstaunlicherweise
alle zur selben Zeit. »1964«, schreibt
Evelyne Sullerot »ereignet sich ein
verblüffender Bruch: zum ersten Mal seit
zwanzig Jahren stürzt die Geburtenrate
rasant in die Tiefe, und zwar in ein und
demselben Jahr in Belgien, der BRD, in
Dänemark, Spanien, Frankreich, Griechenland,
Großbritannien, Italien, den Niederlanden,
in Portugal, Schweden und in der Schweiz
[...] Während der folgenden drei Jahre, von
1964 bis 1967, verlieren Frankreich, England
und Deutschland 1,3 Geburten pro 1000
Einwohner, die Niederlande und Italien 1,8
und in Belgien sind es 2.«"
(2001, S.329) |
Die
68er "Baby-Boomer"
profitierten vom Wirtschaftswunder und der langen
Friedenszeit. Unter diesen neuen Bedingungen
verhalten sie sich bei der Familiengründung
anders als die Kriegsgeneration. Statt der
traditionellen Familie herrscht seitdem das
pluralistische Chaos der Lebensformen.
Zurück
zur patriachalen Familie und zu Vater Staat
GUILLEBAUDs
Lösung der Familienkrise ist der
Kampf
gegen Singles und abweichende Familienformen,
denn alle Familienformen jenseits des Ideals der
bürgerlichen Familie sind defizitär. Dies gilt
sowohl für die Patchworkfamilien
als auch für die Alleinerziehenden.
Die Single-Lüge - Das Buch zur Debatte
"Dies
ist die erste grundlegende Auseinandersetzung mit dem
nationalkonservativen Argumentationsmuster, das zunehmend
die Debatte um den demografischen Wandel bestimmt.
Hauptvertreter dieser Strömung sind Herwig Birg, Meinhard
Miegel, Jürgen Borchert und Hans-Werner Sinn. Die
Spannbreite der Sympathisanten reicht von Frank
Schirrmacher bis zu Susanne Gaschke. Als wichtigster
Wegbereiter dieses neuen Familienfundamentalismus muss der
Soziologe Ulrich Beck angesehen werden.
Es wird aufgezeigt, dass sich die
nationalkonservative Kritik keineswegs nur gegen Singles
im engeren Sinne richtet, sondern auch gegen Eltern, die
nicht dem klassischen Familienverständnis entsprechen." |
GUILLEBAUDs
Gewährsfrau für diesen Kampf ist die
Familiensoziologin Evelyne SULLEROT, deren Buch Quels
pères? quels fils? (1992) er ausgiebig
zitiert. Die bekehrte militante Feministin
kämpft nun genauso fanatisch für die einzig
wahre Familienform. In ihrem Buch Le grand
remue-ménage (1997) tritt sie dafür ein die
Ein-Elternfamilie («famille monoparentale») auf
den Todesfall eines Elternteils zu beschränken. GUILLEBAUD
sieht in der vaterlosen Gesellschaft
das Grundübel der Gegenwart. Vaterlosigkeit ist
hier nicht nur familial gemeint, sondern auch
politisch, d.h. sowohl die autoritäre
Gesellschaft als auch die patriachale Familie
soll die Probleme der französischen Gesellschaft
lösen.
Die Idylle
des Rheinischen Kapitalismus als Utopie für
Frankreich
Während in
Deutschland die Verfechter der Berliner
Republik den Rheinischen Kapitalismus
und damit die Bonner Republik schnellstmöglich
entsorgen möchten, wird eben dieser zum
Sehnsuchtsbild des französischen Journalisten:
Die Tyrannei der Lust
"Auf
wirtschaftlichem Gebiet ist die
fortschreitende Ausblendung der Zukunft
erschütternd. Die neue liberale Auffassung
des Unternehmens, die corporate
governance, (...) wertet die Gegenwart
zum Nachteil der Zukunft auf.
Aber die corporate governance ist
vollkommen kohärent mit jener Variante des
Kapitalismus, dem »amerikanischen
Modell«, das Michel Albert dem »rheinischen
Modell« entgegensetzte. Das erste beruht auf
(...) Mobilität (...). Das zweite (...)
setzt eher auf Dauer, sozialen
Zusammenhalt".
(2001, S.429) |
Was
hat das alles mit der Tyrannei der Lust zu tun?
Offensichtlich
sind die Zusammenhänge, die GUILLEBAUD behauptet
alles andere als logisch, wenn man die unterschiedlichen
Debatten in Deutschland und Frankreich miteinander vergleicht. Auf beiden
Seiten herrschen Sehnsuchtsbilder vor, die nur im
Rahmen der jeweils nationalen Familiendebatten
verständlich werden und im Vergleich der
Debatten die Absurditäten der Heilsversprechen
vor Augen führen. Es gibt
jedoch auch überraschende
Gemeinsamkeiten der französischen und deutschen
Debatte: sowohl die französische als
auch die deutsche Familienrhetorik hat die
erfolgreiche Identitätspolitik der
Schwulenbewegung adaptiert und für eine
Identitätspolitik der Neuen Mitte fruchtbar
gemacht.
Die Gründe
für eine Identitätspolitik der Neuen Mitte
Das Kapitel
Zum grossen Glück des Kapitals ist
aufschlussreich, wenn es um die
Hintergründe
der neuen strategischen Ausrichtung der Linken
geht. Die
Aufspaltung der Linken in eine
"politische" (gemeinschaftsorientierte)
und eine "kulturelle" (hedonistische
bzw. narzisstische) Linke in den 1970er Jahren wird
von GUILLEBAUD in Anschluss an Henri WEBERs
Unterscheidung in Vingt ans après, que
reste-t-il de Mai 68? (1988) für den
Bedeutungsverlust der Bewegung verantwortlich
gemacht. Diese Analyse
ist identisch mit jener von Nancy FRASER, die
für die USA die Aufspaltung in eine
"soziale" und eine
"kulturelle" Linke beklagt ("Die
halbierte Gerechtigkeit", 2001).
Die halbierte Gerechtigkeit
"Nancy
Fraser, eine der führenden Theoretikerinnen des
amerikanischen Feminismus, setzt sich in ihrer neuen
Studie mit der derzeitigen Situation der Linken nach dem
Zusammenbruch des Sozialismus auseinander. Fraser zufolge
befinden wir uns im Zeitalter des »Postsozialismus«, für
den Mangel an zukunftsorientierten Perspektive, ein
wiedererstarkender Wirtschaftsliberalismus und
insbesondere die Entkopplung der Identitätspolitik von der
Sozialpolitik konstitutiv sind. Dieser Wechsel von einer
Politik der sozioökonomischen Umverteilung zugunsten einer
Politik der Anerkennung von ethnischer und religiöser
Differenz droht die Linke in den USA in eine »soziale« und
eine »kulturelle« Linke zu spalten und wird daher in »Die
halbierte Gerechtigkeit« einer kritischen Überprüfung
unterzogen."
(aus: Klappentext 2001) |
Kritisiert
wird von FRASER die Identitätspolitik
der kulturellen Linken, die zwar die
Anerkennung von Minderheiten durchgesetzt hat,
dafür aber die Umverteilungspolitik, das
Hauptanliegen der sozialen Linken - zu denen auch
GUILLEBAUD gerechnet werden muss - geopfert hat. Nach GUILLEBAUDS Argumentation ist
die
sexuelle Revolution durch die hedonistische Linke
an den Kommerz verraten worden. Mit
Blick auf die US-amerikanischen Verhältnisse
schreibt er:
Die Tyrannei der Lust
"Der
Zerfall der Linken in eine Vielzahl von
Gruppen (Schwarze, Frauen, Homosexuelle...)
scheint nach Ansicht mehrer Intellektueller
de eigentliche Grund zu sein, weshalb eine
gemeinsame Zielsetzung, die für den Kampf
gegen Ausgrenzung und Armut dringend
erforderlich wäre, nicht zustande
kommt."
(2001, S.115) |
Für Europa
prognostiziert GUILLEBAUD ähnliche Tendenzen:
Die Tyrannei der Lust
"In
Europa hat sich seit Mitte der 90er Jahre ein
ähnlicher Spalt aufgetan. Um diese Zeit
gewöhnte man sich an die Gegenüberstellung
einer »moralischen« und einer
»politischen Linken«, und immer
häufiger kommt es vor, daß deren
Auffassungen und Empfindlichkeiten
auseinanderklaffen. In Deutschland und in
Frankreich war dies im Zusammenhang mit dem
Umweltschutz und mit Aids der Fall (...).
Eines steht bereits fest: Die seit dreißig
Jahren stattfindende Zersplitterung der
Gesellschaft je nach sexuellem Verhalten,
nach Gruppen und Identitäten, die mit der
Revolution der Sitten einhergeht, hat weder
den »Kapitalisten« schlaflose
Nächte bereitet noch das Geld daran
gehindert, seine Macht auszuüben. Heute
müssen wir wohl oder übel feststellen, daß
die Situation den »Wichtigen« mehr
nützt, als sie die »Gequälten«
tröstet."
(2001, S.115) |
Die Kritik
an der Tyrannei der Lust ist also
keine Kritik an der sexuellen Revolution an sich,
sondern an der hedonistischen Linken, die sich
dem Kampf gegen die Umverteilung von Reich zu Arm
verweigert.
Die Mittel
einer Identitätspolitik der Neuen Mitte
GUILLEBAUD
ist die Pluralisierung der Lebensformen ein Dorn
im Auge, weil sie die Durchschlagskraft der
Linken schwächt. Nur in dieser Perspektive wird
auch das Zurück zur Familie verständlich, denn
durch
diese Polarisierung
soll
eine Mobilisierung erreicht werden,
die anders nicht zu erreichen wäre. Die
Kontroverse Familien (Kommunitaristen) contra
Singles (Hedonisten) wird zugespitzt, indem die
Familie als bedrohte Minderheit stilisiert wird.
Dies wird möglich, indem die Identitätspolitik
nicht mehr an die sexuelle Orientierung, das
Geschlecht oder die Ethnie geknüpft wird,
sondern an die Haushaltsform.
Der
Verweis auf die Einpersonenhaushalte ist das
entscheidende Mittel, mit dem die
Machtverhältnisse in der Gesellschaft auf den
Kopf gestellt werden können. Einerseits werden
Eltern in Kinderlose umdefiniert und andererseits
die Größenordnung der Gruppen verschleiert.
Obwohl z.B. in Deutschland 85 % nicht in
Einpersonenhaushalten leben, können
die
15 % durch geschickte statistische Darstellungen
bis auf 50 % aufgebläht werden
.
Singles als
Faustpfand im Konflikt der beiden linken
Strömungen
Singles
werden damit zu Sündenböcken gemacht. Sie sind
das Faustpfand im Konflikt der sozialen und
kulturellen Linke. Über die
Sozial- und Alltagsgeschichte der sexuellen
Revolution erfährt man deshalb in dem Buch
nichts. Stattdessen werden vor allem die
Mediendebatten und die ideengeschichtlichen
Aspekte ausgebreitet. Diese geben zwar Aufschluss
über die politischen Kämpfe rivalisierender
Gruppen der Linken, der gesellschaftliche Alltag
abseits dieser selbsternannten Eliten wird jedoch
ausgeblendet.
Wer wie
GUILLEBAUD aus den Mediendebatten auf die
Schlafzimmer der Menschen kurz schließt, dem geht
es allein um strategische Positionierungen im
politischen Machtkampf. Wenn man diese
Beschränkungen berücksichtigt, dann bleibt von
dem Buch nur ein Einblick in die innere
Zerrissenheit der politischen Linken.
Die
Sehnsucht
nach einer neuen verbindlichen Vision
scheint gewaltig. Davon zeugt neuerdings die
Inflation so genannter Manifeste von No Logo!
bis zu Empire. Von der Rückkehr der
Geschichte verspricht man sich die Rückgewinnung
der Hegemonie. Wenn Eventhopper wie der Familienrhetoriker Jürgen
BORCHERT sowohl bei dem brutalstmöglichen
Aufklärer Roland KOCH als auch bei ATTAC mitarbeiten,
dann haben Singles von einer solchen
"Linken" nichts zu erwarten. Die
Gleichung Familien = arm, Singles = reich
- wie sie von Familienrhetorikern aufgestellt
wird -, entspricht zwar nicht der Realität, aber
sie ermöglicht der sozialen Linken ein
Äquivalent zur Heimat oder Nation, den
Gefühlskategorien der politischen Gegner.
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