[ Übersicht der Themen des Monats ] [ Rezensionen ] [ Homepage ]

 
       
   

Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Kurorte im demografischen Wandel

 
       
   

Kurorte als Hotspots der vergreisenden Gesellschaft? Eine kommentierte Bibliografie der Debatte

 
       
     
   
     
 

Einführung

Der Deutsche Heilbäderverband spricht auf seiner Website von über 350 Kurorten in Deutschland. Wikipedia listet die Kurorte auf, die ein anerkanntes Prädikat des Verbandes aufweisen und in denen noch Kurbetrieb stattfindet. Das Reisemagazin Merian nennt auf seiner Website die 22 schönsten Kurorte Deutschlands.

Bad Wildungen, Foto: Bernd Kittlaus 2018

In der Debatte um den demografischen Wandel wurden uns die Kurorte als Städte vorgeführt, die die Richtung für andere Kleinstädte hinsichtlich der Zusammensetzung der Bevölkerung in Deutschland vorgeben: Schrumpfung und Alterung wurden uns - insbesondere in der ersten Hälfte der Nuller Jahre als Hauptmerkmale dieses Wandels beschrieben. In dieser Bibliographie soll also gefragt werden, inwieweit dieses Bild der Wirklichkeit entspricht. Nimmt man die 22 Kurorte, die Merian nennt, dann ergibt sich eine große Bandbreite an Kurorten, die von der Großstadt Wiesbaden bis zur Kleinstadt mit weniger als 5.000 Einwohnern reicht:

Übersicht: Einwohnerzahlen der Merian-Kurorte 2017
Rang Gemeinde Bundesland Anmerkungen Einwohner
1 Wiesbaden Hessen   278.654
2 Baden-Baden Baden-Württemberg   54.718
3 Bad Oeynhausen Nordrhein-Westfalen   48.747
4 Bad Neuenahr Rheinland-Pfalz Teilgemeinde Bad Neuenahr-Ahrweiler 28.048
5 Bad Kissingen Bayern   22.245
6 Bad Pyrmont Niedersachsen   19.067
7 Bad Tölz Bayern   18.647
8 Bad Reichenhall Bayern   17.951
9 Bad Wildungen Hessen   17.083
10 Bad Wörishofen Bayern   15.922
11 Heiligendamm Mecklenburg-Vorpommern Teilgemeinde von Bad Doberan 12.290
12 Bad Wildbad Baden-Württemberg   10.083
13 Bad Ems Rheinland-Pfalz   9.568
14 Bad Griesbach im Rottal Bayern   8.996
15 Bad Füssing Bayern   7.416
16 Norderney Niedersachsen   6.051
17 Bad Birnbach Bayern   5.743
18 Bad Saarow Brandenburg   5.608
19 Bad Wiessee Bayern   5.016
20 Badenweiler Baden-Württemberg   4.327
21 Bad Elster Sachsen   3.668
22 Bad Steben Bayern   3.378

Kleinstädte dominieren zwar bei den Kurorten wie die Übersicht zeigt, aber Kurort ist nicht gleich Kurort. In Baden-Württemberg führt regelmäßig Baden-Baden die Liste der Städte mit dem höchsten Durchschnittsalter (47,4 Jahre; Baden-Württemberg: 43,3) an (vgl. Pressemitteilung "Jüngste Bevölkerung in Heidelberg, älteste in Baden-Baden" v. 29.01.2019). Die Mittelstadt Baden-Baden gehört zu den 44 Stadt- und Landkreisen, während es in dem Bundesland 1.101 Gemeinden gibt, deren Durchschnittsalter selten jemand kennt. Der Kurort Badenweiler im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald kommt z.B. im Jahr 2016 auf genau 50 Jahre (vgl. Demografie-Spiegel des Statistischen Landesamts).

Bad Wildbad, Foto: Bernd Kittlaus 2017

Für Baden-Württemberg liegen Städteporträts für folgende Kurorte vor, die einen Einblick auf die Unterschiedlichkeit der einzelnen Orte ermöglichen:

Übersicht: Städteporträts des Statistischen Landesamts zu Kurorten in Baden-Württemberg
Rang Gemeinde Anmerkungen Einwohner
(Jahr 2017)
Durchschnittsalter
(Jahr 2017)
1 Villingen Teilgemeinde von Villingen-Schwenningen 84.557 44,1
2 Bad Mergentheim   23.502 44,8
3 Bad Waldsee   20.294 43,8
4 Isny im Allgäu   13.847 43,9
5 Bad Schönborn   13.028 44,8
6 Bad Urach   12.361 44,9

Das Durchschnittsalter der Bevölkerung lag in Baden-Württemberg bei 43,4 Jahren im Jahr 2017. Während vor einigen Jahren einige dieser Kurorte noch ein niedrigeres Durchschnittsalter als das Bundesland aufwiesen, liegen nun alle diese Orte über dem Durchschnittsalter von Baden-Württemberg. Inwieweit die Kurorte bereits vor 15 Jahren Vorboten der "vergreisenden Gesellschaft" waren, das wäre also eine interessante Frage. Der Fall Baden-Württemberg zeigt jedenfalls, dass damals keineswegs alle Kurorte eine höhere Alterung als andere Gemeinden und Städte aufwiesen. Auch die Schrumpfung war offenbar nicht durchgängig das Problem. Anders sieht es dagegen mit der Infrastruktur von Kurorten aus, sodass zumindest in den jeweiligen Kurgebieten das Lebensgefühl ein anderes ist.

Norderney, Foto: Bernd Kittlaus 2017

In der folgenden Übersicht sind die 10 Gemeinden über 1.000 Einwohner mit dem höchsten Durchschnittsalter im Jahr 2015 ersichtlich:

Übersicht: Gemeinden mit mehr als 1000 Einwohner mit hohem Durchschnittsalter im Jahr 2015
Rang Gemeinde Bundesland Kurortstatus Einwohner
(Jahr 2015)
Durchschnittsalter
(Jahr 2015)
1 Kellenhusen (Ostsee) Schleswig-Holstein Ostseeheilbad 1.037 56,7 Jahre
2 Büsum Schleswig-Holstein Nordseeheilbad 4.786 55,6 Jahre
3 Dahme Schleswig-Holstein Ostseeheilbad 1.278 54,8 Jahre
4 Graal-Müritz Mecklenburg-Vorpommern Ostseeheilbad 4.154 54,6 Jahre
5 Sierksdorf Schleswig-Holstein Ostseebad 1.596 54,4 Jahre
6 Gartow Niedersachsen

-

1.397 54,4 Jahre
7 Wustrow Mecklenburg-Vorpommern Ostseeheilbad 1.157 54,3 Jahre
8 Katzhütte Thüringen

-

1.373 53,9 Jahre
9 Bad Eilsen Niedersachsen Heilquellen-Kurbetrieb 2.480 53,5 Jahre
10 Lubmin Mecklenburg-Vorpommern Ostseeheilbad 2.120 53,3 Jahre

Die Angaben stammen von der Website UrbiStat, die eine Rangliste für das Durchschnittsalter von 11.139 Gemeinden in Deutschland erstellt hat. Kellenhusen steht auf Rang 22. Lubmin wird mit Rang 72 angegeben (Stand: 01.02.2019). Ein sehr hohes Durchschnittsalter von 60 und mehr Jahren geht mit sehr geringen Einwohnerzahlen einher und ist deshalb nur für Medien interessant, die damit Aufmerksamkeit erzielen möchten. Acht der Gemeinden sind Kurorte, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass Kurorte mit an der Spitze bei den Gemeinden mit einem hohen Durchschnittsalter stehen. Das gilt umso mehr je kleiner solche Kurorte sind.

Graal-Müritz, Bemalung einer Transformatorenstation, Foto: Bernd Kittlaus 2017

Bad Lippspringe mit 15.572 Einwohnern im Jahr 2015 lag mit einem Durchschnittsalter von 45,0 Jahren auf Rang 5296 und damit im Mittelfeld der Gemeinden in Deutschland. Bad Sassendorf, das in den Medien gerne als Vorzeigemodell gepriesen wurde (vgl. hier und hier), gehört dagegen mit seinen 11.931 Einwohnern und einem Durchschnittsalter von 49,4 Jahren nicht mehr zum Mittelfeld (Rang 739)

Kommentierte Bibliografie (2001 - 2018)

2001

VOLLWEITER, Rainer (2001): Im Vordertaunus ist das schwache Geschlecht stark vertreten.
Frauenüberschuss in Kronberg und Bad Homburg bietet Anlass zu Spekulationen. Neuerdings mehr männliche Babys
in: Frankfurter Rundschau v. 14.08.

Rainer VOLLWEITER spekuliert angesichts des Datendefizits über die Chancen von Frauen auf dem Partnermarkt in zwei hessischen Gemeinden. Man erfährt, dass Frauen der Altersgruppe 0-26 derzeit gute Chancen haben einen Partner zu finden! "Früh gefreit, nie gereut" heißt deshalb sein Motto. Am besten schon für Säuglinge auf Partnersuche gehen.

Offensichtlich gibt es vor allem bei über 60jährigen einen Frauenüberschuss. Über die Chancen im mittleren Alter erfährt man nichts.

2003

SEILER, Lutz (2003): Schwarze Abfahrt Gera-Ost.
Deutsche Landschaften Thüringen (9): Die Welt hinter Korbußen, Bethenhausen, Brahmenau, Hirschfeld, Pölzig, Reichsstädt und Schwaara, 
in: Süddeutsche Zeitung v. 25.01.

Das berühmte Heilbad Bad Ronneburg zog mit seinen strahlenden Wassern reichsweit ein illustres Publikum an. (...). Aus Bad Ronneburg wird nach dem ersten Weltkrieg wieder Ronneburg und nach dem zweiten die »Grube Ronneburg« mit ihren weithin sichtbaren Kegelhalden (...). Wer die Uranprovinz noch einmal sehen will, muss sich beeilen. 2007 sollen alle Halden verschwunden sein, dann wird die Bundesgartenschau sich mit ihrer guten dunklen Muttererde über den Schutt gelegt haben",

schreibt der Schriftsteller Lutz SEILER über das Schicksal eines ehemaligen Kurorts in Thüringen.

WINKELMANN, Ulrike (2003): Vom Jugendwahn verschont geblieben.
Was heisst das: Alt sein im Jahr 2030? Wer in einem Kurort aufgewachsen ist, weiß, wie sich das Leben im Rentnerpark Deutschland künftig anfühlen wird,
in: TAZ v. 13.09.

"Wer in Bad Lippspringe aufwächst, weiß, wie die deutsche Kleinstadt in dreißig Jahren aussieht",

erzählt uns Ulrike WINKELMANN, Jahrgang 1971, über den ostwestfälischen Kurort Bad Lippspringe, der in der Nähe von Paderborn liegt:

"Städtchen am Teutoburger Wald, das 15.000 Einwohner, 350.000 Übernachtungen vornehmlich von Gästen im Rentenalter und drei Heilquellen zählt".

Bad Lippspringe, Foto: Bernd Kittlaus 2011

2004

GEO -Extrabeilage: Kreise und Städte im Test.
Der demographische Wandel: Daten, Trends und Analysen

GEO (2004): Der demographische Wandel: Daten, Trends und Analysen.
Kreise und Städte im Test,
in: GEO. Beilage zu den demographischen Perspektiven Deutschlands, Mai

"In den Kreisen Freudenstadt, Rastatt, dem Bodenseekreis und dem Landkreis Heilbronn wird die Zunahme (...) über zehnt Prozent betragen. Einzelne Städte dagegen schrumpfen, am stärksten der Kurort Baden-Baden. Jeder Vierte ist Rentner: bis 2020 wird die Stadt etwa 14 Prozent ihrer Einwohnerschaft verlieren", (2004, S.6)

heißt es in der Beilage. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen (Bayern) und Bad Doberan (Mecklenburg-Vorpommern) werden uns dagegen als Gemeinden mit einem Bevölkerungszuwachs von 10 und mehr Prozent präsentiert. Auch zwei Jahre später gehören der Kreis und die Stadt zu den wachstumsstärksten Gebieten in Deutschland.

2005

KULLING, Ursula (2005): Im Blickpunkt.
Die Gemeinde Bad Waldsee im Landkreis Ravensburg,
in:
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 12

"Bad Waldsee (Moorheilbad und Kneippkurort) ist mit 19.779 Einwohnern die fünftgrößte der insgesamt 39 Gemeinden im Landkreis Ravensburg. In den Städten Ravensburg (48.895 Einwohner), Wangen im Allgäu (27.057 Einwohner), Weingarten (23.648 Einwohner) und Leutkirch im Allgäu (22.374 Einwohner) war die Bevölkerungszahl zum Jahresende 2004 höher.
Die Einwohner in Bad Waldsee sind 1 Jahr jünger als im Landesdurchschnitt. Das Durchschnittsalter liegt bei 40,1 Jahren, im Landkreis Ravensburg ebenfalls bei 40,1 und im Land bei 41,1 Jahren. Die Entwicklung der Bevölkerungszahl in Bad Waldsee liegt über der landesweiten. Seit 1995 hat hier die Zahl der Einwohner um 7,7 % zugenommen. Landesweit wurde ein Plus von 3,9 % erzielt. Begünstigt wurde die Bevölkerungsentwicklung von Bad Waldsee zwischen 1996 und 2004 durch einen Geburtenüberschuss von 20 je 1 000 Einwohner. Für den gleichen Zeitraum trägt auch der Wanderungssaldo mit 54 neuen Gemeindemitgliedern je 1 000 Einwohner ebenfalls ein positives Vorzeichen. Zum Vergleich – zwischen 1996 und 2004 lag der Wanderungssaldo je 1 000 Einwohner im Land Baden-Württemberg bei rund 29 Personen. (...).
Als Moorheilbad und Kneippkurort hatte Bad Waldsee bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 6,4 Tagen je Gast und einer Auslastung der angebotenen Schlafgelegenheiten von 59,1 % (Landesdurchschnitt 32,7 %) im Jahr 2004 insgesamt 342 404 Übernachtungen zu verzeichnen.", beschreibt Reinhard GÜLL die Entwicklung des Kurorts.

2008

HORDYCH, Harald (2008): Omi et Orbi.
Deutsche Zukunft: Ein lehrreicher Besuch in Bad Orb, wo die Menschen heute schon älter sind als in anderen Städten,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.06.

"Bad Orb (...) (ist) nicht nur im Main-Kinzig-Kreis, sondern auch bundesweit Greisstadt (...). Wer die Landesämter abklappert, erfährt, dass von winzigen Eifel-Gemeinden abgesehen, Deutschland erst in seinen Kurorten so richtig alt ist, sogar älter als im Osten. Bad Alexandersbad (55,2) oder Bad Eilsen (54,6) aber sind kaum größer als ein Dorf. Unsere Wahl fiel auf Bad Orb. Knapp zehntausend Einwohner. Hier sind die Menschen im Schnitt 51,4 Jahre alt. Zum Vergleich: Ende 2006 war man in Deutschland im Schnitt 42,6. 2050 dann wird Deutschland Bad Orb eingeholt haben und Ü-50-Land sein. Jeder dritte ein Ü-60er. sagen die Prognosen",

erklärt uns Harald Harald HORDYCH (Jahrgang 1961), der uns von den zukünftigen, aktiven Alten erzählt.

2010

KLOEPFER, Inge (2010): Alt braucht Jung.
Deutschland wird älter. Bad Sassendorf hat das Problem aktiv angepackt - und bewusst alte Menschen angesiedelt. Das hat die Einwohnerzahl stabilisiert und die Immobilienvermögen. Jetzt subventioniert Bad Sassendorf den Zuzug junger Familien - um nicht zu überaltern,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.05.

"Der Altersdurchschnitt der Einwohner von Bad Sassendorf ist mit gut 47 Jahren der höchst in ganz Nordrhein-Westfalen. Und er ist einer der höchsten in Deutschland. So alt wie Bad Sassendorf wird das ganze Land nach den Vorhersagen des Prognos-Instituts im Jahr 2034 sein, wenn der Altersdurchschnitt von derzeit 43 auf 47,5 Jahre gestiegen ist. Dass es sog kommt, ist sicher. Dass es Deutschland dabei so gutgehen wird wie der kleinen 12.000-Seelen-Gemeinde, allerdings nicht.
Schließlich ist der Kurort eine Ausnahme, ein demographischer Musterschüler, könnte man sagen, einer, dessen Politiker vor Jahrzehnten Maßnahmen trafen, um der Altersfalle zu entgehen. Die Falle - das ist das Schrumpfen der Einwohnerzahl als Folge des Alterns. Und das Schrumpfen ist ein Drama, weil es über kurz oder lang das Vermögen der Menschen entwertet. Bad Sassendorf schrumpft aber nicht, sondern wächst - vor allem durch den Zuzug der Senioren. Darin hat die Gemeinde viel investiert und aus dem Kurort ein Seniorenparadies gemacht",

erzählt uns Inge KLOEPFER, Jahrgang 1964 und Autorin des Buchs Aufstand der Unterschicht, und verkündet uns die Entwertung von Immobilien in Gelsenkirchen, Oberhausen, Hamm. Der Bürgermeister von Bad Sassendorf will nicht nur Alte, sondern vor allem junge Familien anlocken. Was im neoliberalen Standortwettbewerb, bei dem eine Abwerbungskonkurrenz stattfindet, folgendermaßen beschrieben wird:

"Sie bekommen enorme Vergünstigungen, wenn sie sich in Bad Sassendorf niederlassen. Überall am Ortsrand stehen Einfamilienhäuser, in deren Gärten man Sandkästen und Schaukeln  sieht. »Wenn es gelingt, die derzeitige Einwohnerzahl und den Altersdurchschnitt im Abstand zu ganz Deutschland stabil zu halten, dann hätten wir eine Menge erreicht«, sagt Bahlmann. Die Bad Sassendorfer jedenfalls wären gegen den Werteverfall ihres Vermögens gefeit. Keinesfalls soll der Ort noch stärker überaltern. (...). Die Jugend von Bad Sassendorf trifft sich (...) in Soest oder Lippstadt, um sich dort mit ihresgleichen die Zeit zu vertreiben."  

2011

GÜLL, Reinhard (2011): Im Blickpunkt.
Die Stadt Isny im Allgäu,
in:
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 10

"Die Stadt Isny liegt im äußersten Südosten des Landes Baden-Württemberg an der Hauptroute der Oberschwäbischen Barockstraße im Landkreis Ravensburg. Die ehemals selbständigen und ländlich geprägten Gemeinden Beuren, Großholzleute, Neutrauchburg und Rohrdorf wurden im Zuge der Gemeindreform 1972 in die Stadt Isny eingemeindet. In der Typisierung der kommunalen Verwaltungsgliederung ist Isny eine Einheitsgemeinde und gehört somit keiner Verwaltungsgemeinschaft oder vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft an. (...).
Am 31. Dezember 2010 lebten 14.392 Personen in Isny. Mit 169 Personen je Quadratkilometer entspricht die Besiedelung den eher ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und liegt deutlich unter dem Landesdurchschnitt (301). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2000 und 2010 mit einem Zuwachs von weniger als 1 % sehr verhalten. Sie lag deutlich unter der landesweiten Entwicklung (+ 2,2 %) und auch dem Durchschnitt des Landkreises Ravensburg (+ 3,0 %). Das Durchschnittsalter der Bürger von Isny lag bei 42,6 Jahren und entsprach somit fast dem Landesdurchschnitt von 42,8 Jahren. (...)
Der Stellenwert der Stadt Isny als heilklimatischer Kurort zeigt sich in den statistischen Erhebungen zum Tourismus. Mit fast 4.000 Ankünften von Gästen je 1.000 Einwohner im Jahre 2010 lag dieser Wert der Stadt deutlich über dem Landesmittel von 1 555 Ankünften je 1 000 Einwohner. Die Zahl der Übernachtungen von Gästen je 1.000 Einwohner lag im gleichen Zeitraum bei 32.789 und damit um ein Vielfaches über dem Landesmittelwert von 4.050 Übernachtungen von Gästen je 1.000 Einwohner.",

beschreibt Reinhard GÜLL die Entwicklung des Kurorts.

2012

GRAWE, Simone (2012): Wohnkonzept für Singles und Senioren.
Bebauungsplan für Wohnpark: Bad Laer geht neue Wege,
in: Neue Osnabrücker Zeitung Online v. 17.09.

2014

WELT-Sonderausgabe: Welt der Zukunft

FRIGELJ, Kristian (2014): Rollatoren und Kinderwagen in Bad Sassendorf.
Ein Kurort in NRW zieht Rentner und Familien an,
in:
Welt v. 06.09.

2015

FROMM, Anne (2015): Geboren wird nimmer.
Leben: Kliniken auf dem Land schließen ihre Geburtsstationen. Weil es zu wenig neue Babys gibt, weil Ärzte fehlen. Und weil Entbindungen teuer sind. Kann man Kinder bald nur noch in Großstädten bekommen?
in:
TAZ v. 28.03.

"Jede dritte Geburtsstation musste in den vergangenen 13 Jahren in Deutschland schließen. Gab es im Jahr 2000 noch 670 Stationen, waren es 2013 nur noch 411. Als die einzige Entbindungsstation auf der Insel Sylt Anfang 2014 verschwand, machte das bundesweit Schlagzeilen. Es geht um die Frage, wie sich Krankenhäuser darauf einstellen, dass die Leute immer älter und viele Regionen immer leerer werden. Es geht darum, ob Menschen auf dem Land das gleiche Recht auf Versorgung haben, wie Menschen in der Stadt. Und darum, wie viel das kosten darf.
Man könnte auch sagen: In Bad Belzig wird um die Zukunft des ländlichen Deutschlands gerungen. Wie soll sie aussehen?
Geburtshilfe müsse zentralisiert werden, sagen die Kliniken. Die Bad Belziger sagen: Geburtshilfe gehört zur Grundversorgung
",

berichtet Anne FROMM. Was daran ist jedoch eine angeblich alternativlose Konsequenz des "demografischen Wandels"? Dies ist die entscheidende Frage, wenn man die aktuellen Entwicklungen aus der Perspektive einer Demografisierung gesellschaftlicher Probleme betrachtet. Früher sprach man von "strukturschwachen Gebieten" statt von "demografischem Wandel" obwohl die Probleme ähnlich waren, aber die Lösungsansätze sind andere. Bei strukturschwachen Gebieten ist klar, dass es um fehlende zukunftsträchtige Arbeitsplätze in einer Region geht, die zur Abwanderung junger Menschen führt. Dann ist Strukturpolitik angesagt. Aber welche Strukturpolitik erfordert der "demografische Wandel"? Darüber dürfte sich in den nächsten Jahren ein politischer Konflikt entzünden, dessen Vorboten Bücher wie Demografie und Demokratie sind. Die derzeit übliche politische Praxis der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme könnte zur zunehmenden Ununterscheidbarkeit von Demokratie und Diktatur führen.

SOLDT, Rüdiger (2015): Revolution der Alten.
Eine neue Partei mischt Baden-Baden auf. Ihre Mitglieder sind keine Wutbürger, sondern reiche, zufriedene Rentner,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 02.08.

Rüdiger SOLDT beschreibt die Gemeinderatfraktion Freie Bürger für Baden-Baden (FBB) um den Immobilienmakler Martin ERNST als Anwalt der jungen Generation.

2016

KELNBERGER, Josef (2016): Glanz und Gloria.
Sie hatten Glück im Leben und lieben ihre berühmte Stadt: Wie reiche Rentner Baden-Baden aufmöbeln wollen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 29.03.

Josef KELNBERGER rechnet mit dem Wahlverein Freie Bürger Baden-Baden ab, beschreibt die wechselhafte Geschichte Baden-Badens ab dem 19. Jahrhundert und verteidigt die CDU-Bürgermeisterin:

"Denn Baden-Baden, diese scheinbar so alte Stadt, hat einen gewaltigen Zuzug von jungen Familien. Sie bräuchte mehr Gewerbe und zugleich mehr bezahlbare Wohnungen. Aber beim Versuch, günstigen Wohnraum zu schaffen, sind der Ruf und das Erbe der Stadt eher Fluch als Segen."

Der von KELNBERGER beschworene Zuzug junger Familien ist offensichtlich jedoch keineswegs kennzeichnend für Baden-Baden:

"Tatsächlich ist Baden-Badens Einwohnerschaft im Durchschnitt älter als der Rest des Landes. Das sieht die Oberbürgermeisterin aber eher als Chance. Baden-Baden könne dem Rest des Landes vorleben, wie eine alternde Gesellschaft vom Engagement der Seniorinnen und Senioren profitiert." 

AUTHALER, Theresa (2016): Lieber Kreuzfahrt als Kurpark.
Ausgerechnet die traditionellen Kurorte verpassen den Boom in der Gesundheitsbranche. Sie sind in der Krise, seit immer weniger Aufenthalte von den Kassen bezahlt werden. Bad Pyrmont setzt jetzt auf Schulungen gegen Burn-out statt auf Moorbäder und Klassikkonzerte,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.06.

"Heute kann es selbst an einem warmen Frühlingstag passieren, dass Besucher die Hauptallee für sich alleine haben. Statt Prinzessinnen flanieren dort nur noch Senioren in Gesundheitsschuhen, junge Menschen sind kaum unterwegs. Sie reisen seltener in Kurorte wie Bad Pyrmont, seit es schwieriger geworden ist, eine Kur bezahlt zu bekommen. Für die Heilbäder bedeutet das: Es reicht nicht mehr, nur auf die Kranken zu setzen. Doch um die Gesunden, die Erholungssuchenden, konkurrieren Kurorte mit Wellness-Tempeln auf der grünen Wiese und mit Anbietern von Bergurlauben und Kreuzfahrten",

klagt uns Theresa AUTHALER über Kurorte, die uns vor einem Jahrzehnt noch als Prototypen von Deutschlands Zukunft verkauft wurden. Ganz Deutschland sehe im Jahr 2030 so aus wie Bad XYZ. Nun also werden uns Kurorte als bedrohte Gemeinden dargestellt.

Bad Pyrmont wird uns als Blaupause einer neoliberalen Zukunftsvision vorgestellt, die auf eine verkürzte Form des allseits gepredigten  aktivierenden Sozialstaats (Fordern statt fördern!) setzt: Resilienz ist dessen Zauberwort:

"»Die Menschen werden in ihren Berufen immer mehr gefordert«, sagt er. Das könne man nicht ändern. »Aber man kann die eigenen Ressourcen stärken«.",

wird der Kurdirektor im Sinne der "Schönheit schwarzer Zahlen" zitiert. Der neoliberal verordnete "Sachzwang" wird hier als alternativ los dargestellt. Statt auf Krankenkassenleistungen setzt man nun vermehrt auf "betriebliches Gesundheitsmanagement" (BGM), das durch ein dieses Jahr in Kraft getretenes "Präventionsgesetz" gestärkt werden soll.

Aus Sicht des Neoliberalismus sind Kurorte lediglich eine besondere Form von Betrieben. Auf solche Betriebe namens Kurort hat sich das Beratungsunternehmen Project M (beschreibt seinen Beratungsbereich jedoch umfangreicher als "Tourismus und Freizeit") seit 15 Jahren spezialisiert. AUTHALER stellt den Branchenreport Kurorte und Heilbäder mit dem Titel Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland aus dem Jahr 2011 vor, eine Auftragsarbeit für das Bundeswirtschaftsministerium. Der hat jedoch wenig mit betrieblichem Gesundheitsmanagement, sondern viel mit Gesundheitstourismus zu tun. AUTHALER stellt uns 3 Gruppen von Kurorten vor, die den künftigen Herausforderungen im Gesundheitstourismus unterschiedlich gewachsen sind:

"Ein Teil der Orte sei für die neuen Herausforderungen im Gesundheitstourismus bereits gut gewappnet. Eine zweite Gruppe sei touristisch allgemein gut aufgestellt, etwa durch die Lage am Meer oder im Gebirge. In einer dritten Gruppe beschreibt der Bericht die Orte, die seit der Krise immer noch straucheln. Sie liegen weder am Meer noch im Gebirge, haben Probleme mit der Infrastruktur und dem Service für ihre Gäste."

Als Folgen der Krise kann der Verlust des Prädikats drohen, z.B. wie beim niedersächsischen Bad Fallingbostel. Zur Zeit wird an der Rettung des Prädikat Moorbad von Bad Freienwalde in Brandenburg gearbeitet.

Besorgt zeigt sich die FAS lediglich hinsichtlich der Kurkonzerte (Klassik!), aber auch hier wird Entwarnung gegeben, dank "evidenzbasiertem Ansatz". Das Bad Pyrmont der Zukunft wird uns deshalb als Kurbad für die "Betagten und Betuchten" sowie "Geschäftsleute" präsentiert.

AUTHALER, Theresa (2016): "Wir setzen nicht auf Yoga, nur weil es zeitgeistig ist".
Bad Aibling hat sich aus der Krise geackert. Kurdirektor Thomas Jahn sagt, das sei mit Mut und dem Sinn für Identität gelungen,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.06.

Schlagzeilendichter und Textlieferanten widersprechen sich, während die Schlagzeile Yoga als Zeitgeist ausweist, wird im Text Ayurveda zum Zeitgeist erklärt.

Der Kurdirektor von Bad Aibling sieht in der Zielgruppendefinition anhand des Alters (Junge contra Rentner) keinen Sinn, wichtiger sei die jeweilige gemeinsame Lebenslage. So würden Thermen, die als Spaßbäder konzipiert seien mit den Anforderungen an Wellness- bzw. Gesundheitstourismus in Konflikt geraten. Bad Tölz wird als Beispiel für einen solchen falschen Ansatz genannt.

EMPIRICA (2016): Schwarmverhalten in Sachsen. Eine Untersuchung zu Umfang, Ursache, Nachhaltigkeit und Folgen der neuen Wanderungsmuster im Auftrag der Sächsischen Aufbaubank, des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Sachsen, und des Verbands sächsischer Wohnungsgenossenschaften. Endbericht

Bad Muskau (Rang 10) und Bad Elster (Rang 18) werden unter die 20 größten Gewinner der Altenwanderung 2009 - 2014 gezählt

MÜLLER, Benedikt (2016): Der Regionalexpress treibt die Preise.
Viele Familien ziehen aus teuren Metropolen ins Umland. Das führt zu einer beispiellosen Teuerung bei Immobilien,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 13.12.

Benedikt MÜLLER berichtet über ein Ranking der Immowelt, in dem die Preise von Häusern und Wohnungen in allen Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohner verglichen wurden.  Die teuersten 10 Städte waren 2016: (1) Konstanz, (2) Tübingen, (3) Rosenheim, (4) Landshut, (5) Bad Homburg, (6) Baden-Baden, (7) Friedrichshafen, (8) Meerbusch, (9) Bamberg und (10) Waiblingen.

2017

GÜLL, Reinhard (2017): Im Blickpunkt.
Die Gemeinde Bad Waldsee,
in:
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 2

"Bad Waldsee liegt in Oberschwaben nördlich des Altdorfer Waldes. Die Altstadt erstreckt sich auf einer Landenge zwischen zwei Seen, dem Stadtsee im Osten und dem etwas kleineren Schlosssee im Westen. Die Stadt ist ein Mittelzentrum in der Region Bodensee-Oberschwaben, das neben Bad Waldsee die Gemeinden Aulendorf, Bergatreute und Wolfegg umfasst. Im Zuge der Gemeindegebietsreform Anfang der 1970er-Jahre wurden die bis dahin selbstständigen Gemeinden Gaisbeuren, Mittelurbach, Reute, Haisterkirch und Michelwinnaden eingemeindet. (...).
den 1950er-Jahren lebte die alte Tradition der Moorbadkuren in Bad Waldsee wieder auf, was dazu führte, dass die Stadt 1956 das Prädikat »Moorheilbad« erhielt. 1974 erhielt Bad Waldsee zusätzlich das Prädikat »Kneippkurort«. (...).
Am 31. Dezember 2015 lebten 20.011 Personen in Bad Waldsee. Mit 184 Personen je Quadratkilometer (km2) entspricht die Besiedelung den eher ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und liegt weit unter dem Landesdurchschnitt (305). Die Bevölkerungsentwicklung in den Jahren zwischen 2005 und 2015 war positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 1,2 % zugenommen. Sie entsprach damit in etwa der landesweiten Entwicklung und auch dem Durchschnitt des Landkreises Ravensburg (1,3 %). Das Durchschnittsalter der Bürger von Bad Waldsee betrug 43,3 Jahre und lag somit nur dezent über dem Landesdurchschnitt von 43,2 Jahren", beschreibt Reinhard GÜLL die Entwicklung des Kurorts. Bereits im Jahr 2005 ist Ursula KULLING auf die positive demografische Situation der Gemeinde eingegangen.

Für das Ende 2016 weist die Datenbank des Statistischen Landesamtes eine Einwohnerzahl von 20.090 aus. 

GÜLL, Reinhard (2017): Im Blickpunkt.
Die Gemeinde Bad Urbach,
in:
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 4

"Bad Urach liegt im am Rande der Schwäbischen Alb im Tal der Erms. In der Stadt befindet sich die mit 61 Grad Celsius heißeste Thermalquelle Baden-Württembergs.(...).
Am 31. Dezember 2015 lebten 12.143 Personen in Bad Urach. Mit 219 Personen je Quadratkilometer entspricht die Besiedelung den eher ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und liegt weit unter dem Landesdurchschnitt (305). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2005 und 2015 rückläufig. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 4,6 % abgenommen. Sie lag deutlich unter der Entwicklung des Landes Baden-Württemberg (+ 1,3 %). Das Durchschnittsalter der Bürger von Bad Urach betrug 45 Jahre und lag damit über dem Landesdurchschnitt von 43,2 Jahren", beschreibt Reinhard GÜLL die Entwicklung in dem Kurort.

KNUTH, Hannah (2017): Planet der Alten.
Die Hälfte der 8.000 Einwohner von Bad Füssing ist über 57. Was erzählt so ein Ort vom Dasein im letzten Lebensdrittel? Ein Besuch,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.06.

Anfang der 1990er Jahre machte der CDU-Begriff "Freizeitpark Deutschland" die Runde. Bald wird man vom "Kurpark Deutschland" sprechen, wenn es nach dem Willen unserer Edelfedern ginge. Soll uns die Vergreisung vorgehalten werden, dann schicken die Leitmedien dieser Republik ihre Reporter in die Kurstädte. So soll angeblich ganz Deutschland aussehen, wenn die Babyboomer in Rente gehen. Hannah KNUTH ist nur eine von vielen, wenn sie schreibt:

"Bad Füssing, Europas erfolgreichstem Kurort. Der Ort, der am besten erzählen kann, wie Deutschland aussehen wird, wenn die Babyboomer (...) in ein paar Jahrzehnten vergreist sind."

Das ist schon deshalb dämlich, weil die Babyboomer bereits im nächsten Jahrzehnt in Rente gehen und in dem Bericht lediglich Menschen Mitte 60 vorgestellt werden, die sonst als "junge Alte" oder "Best Ager" als Vorzeige-Alte für das produktive Alter gelten.

"2030 wird Bad Füssing die älteste Gemeinde in Deutschland sein. Jeder zweite Einwohner ist dann 63 Jahre oder älter. Die Bevölkerungspyramide wird dem Abbild einer Vogelscheuche gleichen (...). Schon heute ist die Hälfte der knapp 8.000 Einwohner über 57 Jahre alt.
Trotzdem ist Bad Füssing keine dieser ländlichen Gemeinden, denen Statistiker prophezeien, dass sie aussterben werden. Die Geburtenrate ist zwar niedrig. 2016 wurden nur 54 Kinder geboren; die Kitas haben freie Plätze, die Schulklassen schrumpfen. Doch Bad Füssing wächst. Denn die Senioren ziehen massenweise her",

nörgelt KNUTH. Jene, die wie KNUTH unsere künftige Bevölkerungspyramide mit Negativbegriffen belegen, glorifizieren gerne jene Pyramidenform, die typisch ist für eine Gesellschaft mit hoher Kindersterblichkeit wie sie heutzutage noch in Afrika südlich der Sahara vorzufinden ist. Man sollte auch daran erinnern, dass noch bis vor allzu langer Zeit die hohen Geburtenzahlen im ländlichen Raum gelobt wurden. Das war zu jener Zeit als in Deutschland das große Schrumpfen prophezeit wurde. Die schrumpfenden Klassen wurden den Großstädten prophezeit, deren Schulklassen inzwischen aus allen Nähten platzen, weil unsere Demagogen - insbesondere in der FAZ/FAS - Deutschland derart in Hysterie versetzt hatten, dass viele diesen Blödsinn für bare Münze nahmen, so wie jetzt ganz Deutschland zum Kurort stilisiert wird:

"In  Bad Füssing kommen auf 8.000 Einwohner 120 Physiotherapeuten, 30 Ärzte, drei Rehakliniken und 23 Friseure. Es gibt einen Rollator-Verleih, eine Spielbank und zwei Kinos (...) An fast jeder Straßenecke stehen Sitzbänke. Auch sechst Telefonzellen gibt es noch",

beschreibt KNUTH die Infrastruktur, die typisch sein soll für das Deutschland nach 2030. Und natürlich werden nun alle unsere Städte so hergerichtet wie das in Bad Füssing schon passiert ist:

"Seit 2002 sind über 250 Millionen Euro in die Gemeinde Bad Füssing geflossen. Örtliche Banken und Familienbetriebe haben in den Ausbau und die Sanierung der Kleinstadt investiert, ein Finanzmann aus Abu Dhabi, im Nachbarort geboren, hat 14 Millionen Euro in eine Restaurant-Anlage außerhalb des Zentrums gesteckt. 80 neue Eigentumswohnungen sind im vergangenen Jahr entstanden. Bad Füssing floriert",

beschreibt KNUTZ was angeblich in ganz Deutschland bevorsteht. Alles wird sich nur noch um die Greise drehen, will das sagen. Und was machen diese Alten den ganzen lieben langen Tag? Gottesdienst, Thermenbesuch, Spielkasino oder Disco: "Erholung vom Leben"!

Aber Bad Füssing ist ein Kunstprodukt der Gebietsreformen der 1970er Jahren in Deutschland. Es ist eine Ansammlung von 40 Ortsteilen und kein 8.000 Seelen-Städtchen wie die Reportage suggeriert. Bad Füssing hieß davor Safferstetten. Die Gesamtansammlung hatte Anfang April 2017 7.280 Einwohner. Wie groß der Ortskern ist, das verschweigt die Website der Gemeinde, die mit Fakten eher geizt.

GÜLL, Reinhard (2017): Im Blickpunkt.
Die Gemeinde Bad Schönborn,
in:
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 7

"Bad Schönborn liegt im nördlichen Landkreis Karlsruhe. Der Ort liegt am Ostrand des Oberrheingrabens und am Tor zum Kraichgauer Hügelland, etwa auf halber Strecke zwischen Karlsruhe und Heidelberg. Bad Schönborn ist administrativ eine sehr junge Gemeinde. Sie entstand unter diesem Namen erst am 7. August 1972 aus den beiden ehemals selbstständigen Gemeinden Bad Langenbrücken und Bad Mingolsheim im Zuge der baden-württembergischen Kreis- und Gemeindereform. Bis zur Kreisreform am 1. Januar 1973 gehörte Bad Schönborn zum damaligen Landkreis Bruchsal. In der Typisierung der kommunalen Verwaltungsgliederung bildet Bad Schönborn eine vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft mit der Gemeinde Kronau. (...).
Am 31. Dezember 2015 lebten 12 896 Personen in Bad Schönborn. Mit 535 Personen je Quadratkilometer (km2) entspricht die Besiedelung den eher städtisch geprägten Teilen Baden-Württembergs und liegt weit über dem Landesdurchschnitt (305). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2005 und 2015 positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 6,2 % zugenommen. Sie lag damit über der landesweiten Entwicklung und auch über dem Durchschnitt des Landkreises Karlsruhe (1,5 %). Das Durchschnittsalter der Bürger von Bad Schönborn betrug 42,5 Jahre und lag damit unterer dem Landesdurchschnitt von 43,2 Jahren", beschreibt Reinhard GÜLL die Entwicklung des Kurorts Bad Schönborn.

HAGEN, Hans von der & Jan SCHMIDBAUER (2017): Baden gegangen.
Das Kurwesen wirkte wie ein Konjunkturprogramm für die deutsche Provinz. Es war für die Patienten ein Segen und für die Heilbäder auch. Dann stürzte Gesundheitsminister Seehofer viele Kurorte in die Krise,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 19.08.

HAGEN & SCHMIDBAUER greifen sich das hessische Bad Orb und das niedersächsische Bad Eilsen heraus, um den Wandel des Kurbetriebs in der deutschen Provinz zu beschreiben.

Bad Eilsen wird uns als Ort mit 6.700 Einwohner vorgestellt, obwohl der Ort lediglich rund 2.500 Einwohner zählt. 6.700 Einwohner zählt dagegen der Gemeindeverband Eilsen, der die Gemeinden Ahnsen, Bad Eilsen, Buchholz, Heeßen und Luhden umfasst. HAGEN & SCHMIDBAUER schreiben einmal von Bad Eilsen, dann wieder von Eilsen, wodurch sich ein Zerrbild ergibt:

"Eilsen zählte einst zu den bekanntesten Kurorten Deutschlands - heute ist es ein Fleck, in dem viele Hilfe brauchen (...), weil hier ungewöhnlich viele alte Menschen wohnen. (...). Der kleine Laden mit Bekleidung? Weg. Die Drogerie? Weg. Der alte Elektroladen, der seit mindestens 50 Jahren hier war? Weg."

Verglichen wird das dörfliche und schrumpfende Bad Eilsen mit der fast 10.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Bad Orb, die den Wandel durch den Bau einer teuren Therme angeblich geschafft hat. Der Wandel wird weg vom Kur- hin zum Wellnessbetrieb beschrieben:

"Deutschland und seine 350 Heilbäder und Kurorte, das gehörte mal zusammen wie Kaffee und Kuchen.
Es ist in dieser Form ein weltweit wohl einzigartiges Phänomen, das seine Anfänge schon vor vielen Hundert Jahren nahm. (...).
Die Kur, heute oft verlacht als staatlich alimentierter Gratisurlaub, sollte der »Erhaltung der Arbeitskraft« dienen. Die Generation, die dieses Angebot in den Boomjahren des Kurtourismus - allen voran die 1970er - und 1980er Jahre - nutzte, hatte den Krieg erlebt und überlebt. Viele übten Berufe aus, in denen körperlich gearbeitet wurde."

Der Kurtourismus wird also mit der Bonner Arbeitnehmerrepublik und der Kriegsgeneration verknüpft. Der Niedergang findet dann in der Berliner Republik statt:

"Die goldene Ära der deutschen Heilbäder, sie endete spätestens im Jahr 1996. (...). Die Dauer der Kuren wurde von vier auf drei Wochen verkürzt, Genehmigungen wurden erschwert, außerdem mussten Patienten jetzt Urlaubstage für die Kur opfern und deutlich höhere Zuzahlungen leisten. Es vergingen nur Monate, bis die Gästezahlen in den deutschen Heilbädern einbrachen. Deutschlands Kurorte gerieten in eine Schwere Krise, von der sich viele bis heute nicht erholt haben.
So wie Bad Elsen."

Bad Orb, das einst fünftgrößte Bad der Republik, soll den Wandel im Gegensatz zu Bad Eilsen geschafft haben, und zwar dank einer neuen Therme.

"Statt auf Kurgäste setzt Bad Orb nun stärker auf Wellness-Touristen und auf Reha-Patienten."

Anpassung an die neuen Verhältnisse wird das genannt. Bad Eilsen dagegen habe den Wandel verschlafen:

"Geblieben sind vor allem ältere Menschen, viele von ihnen sind ehemalige Kurgäste, die einst nach Eilsen zogen.
Aus den Pensionen wurden Altenheime - die Pflege von Menschen ist nun das Metier des Ortes."

Aber kann ein 2.500 Einwohner zählender Ort mit einem vier mal so großen Kurort verglichen werden? Bad Orb hat sich für seine Therme hoch verschuldet. Ob das jedoch den Ort wirklich voranbringen wird, bleibt dahin gestellt:

"Heute stehen in der Fußgängerzone viele Häuser leer, trotz Aufschwung und Toskana-Therme",

schreiben  HAGEN & SCHMIDBAUER über Bad Orb.

GÜLL, Reinhard (2017): Im Blickpunkt.
Die Doppelstadt Villingen-Schwenningen,
in:
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 10

"Villingen-Schwenningen liegt im Südwesten Baden-Württembergs. Die badisch-württembergische Doppelstadt entstand bei der Gemeindereform 1972. Sie ist die Kreisstadt und zugleich größte Stadt des Schwarzwald-Baar-Kreises. (...).
Die Entfernung zwischen den beiden Zentren von Villingen-Schwenningen beträgt etwa 8 Kilometer. Villingen liegt zwischen dem Ostrand des Schwarzwaldes und der Hochmulde der Baar an der Brigach. Etwas weiter östlich, bereits auf der Baar, liegt Schwenningen. (...). Zwischen den beiden Teilstädten verlaufen die Europäische Wasserscheide und die Grenze zwischen den ehemaligen Ländern Württemberg und Baden. (...).
In Villingen-Schwenningen gibt es zwei Bahnhöfe und fünf Haltepunkte. Der Bahnhof Villingen liegt an der Schwarzwaldbahn (Offenburg – Singen (Hohentwiel). Hier verkehren einzelne Intercity-Züge, die in Villingen halten und die Stadt mit Zielen bis nach Norddeutschland verbinden. (...).
Am 31. Dezember 2015 lebten 84 674 Personen in Villingen-Schwenningen. Mit 512 Personen je Quadratkilometer (km2) liegt die Besiedelungsdichte zwischen den großstädtisch und den ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und übersteigt den Landesdurchschnitt (305). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2005 und 2015 positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 3,9 % zugenommen. Sie lag damit aber noch unter der landesweiten Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bürger von Villingen-Schwenningen betrug 43,7 Jahre und lag damit leicht über dem Landesdurchschnitt von 43,2 Jahren.", beschreibt Reinhard GÜLL die Entwicklung von Villingen-Schwennigen mit dem Kneipkurort Villingen mit ca. 34.000 Einwohnern.

BOLLMANN, Ralph (2017): Migranten im eigenen Land.
17 Millionen Menschen kamen 1990 aus einem Land namens DDR in die Bundesrepublik. Das Wahlergebnis zeigt: Viele von ihnen haben sich bis heute nicht integriert,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagzeitung v. 01.10.

Ralph BOLLMANN begibt sich auch u.a. ins "Tal der Ahnungslosen", nach Bad Schandau:

"fehlendes Westfernsehen und kulturelles Sonderbewusstsein förderten im Südosten (...) die Ausbildung einer Parallelgesellschaft.
Ein gutes Beispiel ist Bad Schandau, das Tourismuszentrum der Sächsischen Schweiz. Mehr als 350.000 Übernachtungen im Jahr zählt die Stadt an der Elbe mit ihren rund 4.000 Einwohnern (...). Die Branche boomt. Nach mehreren Hochwassern sind die Häuser perfekt renoviert. Weil in der Saison die Arbeitskräfte fehlen, kellnern in vielen Gasthöfen längst Pendler aus dem benachbarten Tschechien. Auch die Infrastruktur lässt kaum Wünsche offen. Trotzdem hat die AfD hier eines ihrer höchsten Ergebnisse bekommen. 37,5 Prozent der Zweitstimmen. Für die Direktkandidatin Frauke Petry (...) votierten sogar 39,9 Prozent der Wähler in Bad Schandau. Warum?"

Die Antwort überlässt BOLLMANN  einer Ladenbesitzerin. Kleinbürgerliche Selbständige sollen die Partei besonders gerne gewählt haben.

BUCH, Petra (2017): Harte Zeiten für Kaffeehäuser.
Lässt sich das Geschäftsmodell in hektischer Zeit durchhalten? Ein Bericht aus Sangerhausen,
in:
Neues Deutschland v. 07.10.

"Es gibt diverse Beispiele, wo Traditionen nicht fortgeführt werden konnten. Nur rund 60 Kilometer von Sangerhausen entfernt, in Halle etwa, gingen in einem alten Kaffeehaus, das auch von Feinschmeckern bundesweit empfohlen wurde, die Lichter aus. Andernorts, so in Touristenhochburgen und Kurorten, sind Kaffeehäuser hingegen der Treffpunkt schlechthin und werden von Reisemanagern wärmstens empfohlen",

berichtet Petra BUCH. Sie betrachtet die Bäckereifilialen als Konkurrenz zum Kaffeehaus, wenn sie fragt:

"Was ist nun das Rezept zum (Über)-Leben mit einem Kaffeehaus mit gut 80 Plätzen (...). Zumal es mittlerweile gefühlt fast an jeder Ecke in Deutschland Bäckereifilialen gibt, die Sitzecken für Kaffee, Kuchen, Torte und auch Herzhaftes anbieten."

BAUMGÄRTNER, Maik/DEGGERICH, Markus/HORNIG, Frank/WASSERMANN, Andreas (2017): Der Riss.
Einheit: 28 Jahre nach dem Mauerfall gibt es in diesem Jahr wenig zu feiern. Was sind die Gründe für den Rechtsruck in Deutschland? Und wie kann er überwunden werden?
in:
Spiegel Nr.46 v. 11.11.

BAUMGÄRTNER/DEGGERICH/WASSERMANN wollen dem ostdeutschen AfD-Wähler auf die Spur kommen, wobei sie vor allem gegen die These von den wirtschaftlichen Verhältnissen als Ursache angehen:

"Es sind die Reste einer DDR-Plattenbausiedlung, die keiner mehr braucht. Weißwasser in der Oberlausitz ist eine leere Stadt, viele haben das Weite gesucht, und wer geblieben ist, kann sich als Verlierer der Einheit fühlen. Knapp 28 Prozent von ihnen wählten bei der Bundestagswahl die AfD.
Neun Kilometer östlich, an der Neiße, liegt Bad Muskau. Es gibt ein Schloss und einen Park, der für viele Millionen Euro restauriert wurde und zum Unesco-Weltkulturerbe zählt. Das Städtchen und seine Bewohner profitieren vom Tourismus, Bad Muskau ist eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte. Trotzdem stimmte fast jeder Dritte bei der Bundestagswahl für die AfD. 3,6 Prozentpunkte mehr als in Weißwasser",

erklären uns die Spiegel-Autoren, als ob das Belege dafür wären, dass die sozioökonomischen Verhältnisse keine Rolle spielen würden. Die Gegenüberstellung sagt eher etwas über das Milieu aus, dessen Vorstellungen über sozioökonomische Verhältnisse die Berichterstattung in den Mainstreamzeitungen prägt. In Bad Muskau (ca. 3.600 Einwohner) erhielt die AfD 31,4 Prozent der Zweitstimmen und deklassierte damit die herrschende CDU, die nur auf 29,4 % kam.

2018

MÄDLER, Katrin (2018): Wo Sachsens letzter König untertauchte.
Sachsen: Die Staatsbäder Bad Elster und Bad Brambach boomen - sie gelten als Wirtschaftsmotor des oberen Vogtlands,
in:
Neues Deutschland v. 14.02.

ROTHHAAS, Julia (2018): Land in Sicht.
Viele Orte in Deutschland kämpfen gegen Abwanderung. Ein Bürgermeister im Westerwald will nicht zusehen, wie seine Heimat verödet. Deshalb holt er die Menschen ins Dorf zurück,
in: Süddeutsche Zeitung v. 19.05.

Julia ROTHHAAS berichtet über die Verbandsgemeinde Wallmerod im Westerwald und ihren umtriebigen CDU-Bürgermeister:

"Vor 14 Jahren zählt er mit seinen Kollegen alle leer stehenden Häuser, unbebaute Grundstücke, aber auch Gebäude, in denen Menschen über 70 wohnen. Potenzieller Leerstand also. (...).
Er ist bereits in zweiter Amtszeit Verbandsbürgermeister von Wallmerod, einem Zusammenschluss von 21 Orten mit insgesamt knapp 15.000 Menschen. (...). Der kleinste Ort hier hat 120 Einwohner, der größte 2.100, alle mit eigenem Haushalt, Zuständigkeiten und Bürgermeister.
Wallmerod, Sitz der Verwaltungsgemeinde, war in den Sechszigerjahren ein begehrter Kurort, die Zechen im Ruhrgebiet schickten ihre Arbeiter wochenweise zum Luftschnappen. Es gab drei Bäcker, zwei Metzger, sieben Gaststätten, drei Schuhgeschäfte und zwei Schuster (...). Davon ist fast nichts mehr übrig. (...).
300 Projekte haben sie im Rahmen der Initiative »Leben im Dorf« gefördert, sprich: 300 Grundstücke in den Ortskernen wiederbelebt. Etwa 80 Familien sind dafür von außen in die Gemeinden gezogen, ansonsten ist der Bevölkerungsstand etwa gleich geblieben."

Wallmerod wird als Vorzeigegemeinde gepriesen, die junge Familien fördert. Doch die Schattenseiten dieser Einöde bleiben:

"Der Leerstand mag weniger geworden sein, öde ist es trotzdem. (...). Die Orte haben weder Kern noch Marktplatz, deswegen trifft man sich nicht einfach zufällig. (...). Die Heimat ist überschaubar, sie umspannt den Karnevalsverein, die Kirche, den Sportplatz - und das Eigenheim. Muss reichen."

Die Eigenheimbaugebiete der 1970er Jahre gelten inzwischen als Problem vieler wachstumsschwacher Gemeinden. Der CDU-Bürgermeister setzt nicht auf Kindergärten, sondern auf altersgerechtes Wohnen, obwohl die ICE-Bahnhöfe in Limburg an der Lahn und Montabaur nicht weit weg sind.

Fazit: In Deutschland herrscht immer noch die Fixierung aufs Aussterben vor, weshalb der Geburtenanstieg und seine Herausforderungen verschlafen werden.

GÜLL, Reinhard (2018): Im Blickpunkt.
Die Stadt Bad Mergentheim,
in:
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, Heft 10

"1826 wurden die schon früher bekannten Heilquellen wiederentdeckt, aufgrund derer Mergentheim zur Badestadt wurde. 1926 wurde der Stadt das Prädikat Bad verliehen. 1938 wurde das Oberamt Mergentheim in den Landkreis Mergentheim überführt. Der Landkreis Bad Mergentheim bestand bis zur Kreisreform zum 1. Januar 1973, als er Bestandteil des neuen Main-Tauber-Kreises wurde. Dadurch verlor Bad Mergentheim seine Funktion als Kreisstadt zugunsten von Tauberbischofsheim. (...).
Am 31. Dezember 2016 lebten 23.227 Personen in Bad Mergentheim. Mit 179 Personen je Quadratkilometer entspricht die Besiedelungsdichte eher den ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und liegt unter dem Landesdurchschnitt (307). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2006 und 2016 positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 3,5 % zugenommen. Sie lag damit über der landesweiten Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bürger von Bad Mergentheim betrug 44,9 Jahre und lag damit über dem Landesdurchschnitt von 43,3 Jahren", beschreibt Reinhard GÜLL die Entwicklung des Kurorts
 

LACHMANN, Harald (2018): Goldene Zeit kehrt nicht zurück.
Bayern: Nordbayerns letzter Kneippkurort kämpft mit bescheidenen Mitteln um seine Existenz,
in: Neues Deutschland v. 05.10.

"Mancher Kurort, über dem bis heute der morbide Charme von Jugendstil und Biedermeier liegt, fing sich wieder. So werben die fünf Heilbäder Bad Rodach, Bad Steben, Bad Staffelstein, Weißenstadt und Bad Alexandersbad nun unter dem Label »Die 5 KurFranken« mit einem übergreifenden Gesundheits- und Wellnessangebot. Und da die Preise erschwinglicher als andernorts gerade in Bayern sind, kommen doch wieder mehr Leute.
Doch es gibt Kurstädte in Oberfranken, die bis heute kaum die Kurve kriegen. So etwa Bad Berneck, selbst wenn man sich hier gern noch als »Perle des Fichtelgebirges« wähnt. Der beschauliche Ort (...) lud ab 1930 zu Kneippkuren. 1950 wurde man Bad. Doch nachdem bereits 1974 die Bahn den Kurort von ihrem Netz abschnitt (...), folgte 1989 der Todesstoß für das Kurwesen. (...).
Noch immer erinnert der Kurpark unterhalb von Burg Hohenberneck mit seinen Bauten daran, dass hier mal Geld verkehrte (...). Doch nicht nur viele Häuser und Läden stehen längst leer, auch immer mehr Herbergen. (...).
Auch (...) Flüchtlingsunterkünfte in bester Marktlage sorgen nicht für rückkehrende Vitalität. Um diese sorgte sich stattdessen seit 2014 eine Forschergruppe der Universität Erlangen-Nürnberg. (...). Vier Jahre später existiert (...) ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK), das für Bad Berneck (...) bescheidene Hoffnung in kleinen Schritten verheißt. (...). Drei Projekte ragen dabei heraus: authentisch sanierte Hausfassaden, ein Mehrgenerationenhaus sowie ein künftiges Burgen-Freiland-Museum, as deutschlandweit ausstrahlen soll",

berichtet Harald LACHMANN über jene typische Stadtentwicklungstristesse, die auf Fördermillionen abzielt:

"Rund 1,52 Millionen Euro flossen (...) schon aus diversen Städtebautöpfen von Bund und Land in Nordbayerns letzten Kneippkurort. Denn fast alle Vorhaben werden mit 80 bis 90 Prozent bezuschusst".

Fazit: Was nicht zur neoliberalen Ideologie der Stadtentwicklung passt, bleibt außen vor. Schön sanierte Fassaden aber, das zeigt Ostdeutschland, rettet nicht vor dem Niedergang, denn was passiert, wenn auch das letzte Kaff tot saniert ist und mit Museen vollgepflastert wurde? In diesem neoliberalen Standortwettbewerb können nicht alle Gewinner sein, sondern im Gegenteil: die verkehrliche und soziale Daseinsvorsorge verkümmert weiter.

 
     
 
       
   
2000 2005 2010 2015
2001 2006 2011 2016
2002 2007 2012 2017
2003 2008 2013 2018
2004 2009 2014 2019
 
       
   

weiterführender Link

 
       
     
       
   
 
   

Bitte beachten Sie:
single-generation.de ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten

 
   
 
     
   
 
   
© 2002-2019
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 31. Januar 2019
Update: 01. Februar 2019