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Buchrezension

 
       
   

Jörg Fauser

 
       
   

Die Tournee
erschienen 2007 im Alexander Verlag

 
       
     
       
   
     
 

Die Tournee

"Evelyn Harder. Sie war auch mal verheiratet gewesen. »Mein Mann war auch in der Branche, ein ganz Fixer, ich hab das mal sehr bewundert. Der schrieb eine Riesenserie in drei Tagen, immer unter Strom, aber auf Zeile, solange er funktionierte. Einer von diesen Jungs, die sehr schnell ausgebrannt sind. Wir hatten ja auch ein Kind, meine Tochter, sie geht in England zur Schule, und mein Mann ist völlig kaputtgegangen in diesem Männerjournalismus. Teurer Schnaps, schnelle Wagen, schnelle Mädchen, schnelles Geld. eine Serie, die nie aufzuhören schien, und dabei innerlich ganz leer, eine Hülse. (...).«"
(2007, S.171)

Stil ist die letzte Revolution

Im aktuellen Sonderheft der Zeitschrift Merkur zum Thema Kein Wille zur Macht hat der Popjournalist Ulf POSCHARDT und Chefredakteur des neuen People-Magazins Vanity Fair in seinem Beitrag Berlin als "Laufstall für Zurückgebliebene" bezeichnet. Berlin ist für POSCHARDT das Paradebeispiel einer Stadt, die seit der Naziherrschaft durch das Kleinbürgertum definiert sei. Es fehlte dort gemäß POSCHARDT bis in die jüngste Vergangenheit hinein ein Bürgertum, das den sittlichen und vor allem ästhetischen Verfall stoppen konnte.

Stil ist die letzte Revolution

"Im Westen verliessen nach Blockade und Mauer Menschen und Familien mit Zukunft die Stadt. Dafür begann die Invasion der Kriegsdienstverweigerer und Gastarbeiter. Doch nicht die randalierenden Linken und die fremdelnden Anatolier verantworteten den Niedergang der Stadt, sondern das übriggebliebene Klein- und Kleinstbürgertum, das nirgendwo trister und größenwahnsinniger daherkam als in Berlin."
(August 2007, Heft 700, S.852)

Die Deutschen seien das Volk der Kleingärtner. Die Verachtung des Kleinbürgers ist kennzeichnend für die Elite der Berliner Republik. Uncool und spießig, bar jeglicher Ästhetik fehlt ihm der Wille mitzuspielen.

Ausgerechnet im Berlin Mitte der 1980er Jahre beginnt Jörg FAUSERs letzter - leider unvollendet gebliebener Roman Die Tournee. Mitten in der Schrebergartenidylle von Buckow treffen wir auf Harry Lipschitz, einen der vier Hauptfiguren des Deutschland-Romans. Die SPD ist nach dem Machtverlust in Bonn in der Krise und Harry, der erst mit 53 Jahren seine Junggesellen-Existenz aufgegeben hat und seit 4 Jahren das Leben eines typischen Kleinbürgers führt, will es nochmals wissen. Er ist ein Vertreter der alten SPD der Vor-Schröder-Ära, einer aus der alten Garde, ein Einzelkämpfer, ein Einzelgänger gar. Einer, der sich in der Grauzone bewegt. Wenn die Partei ihn braucht, dann ist er da.

Für FAUSER ist dieser ästhetisch unscheinbare, uncoole Lipschitz der Mann, der es richten soll. "Er, das ausrangierte alte Eisen, ist die moralische Kraft" heißt es in den Notizen zum Roman. Wir werden es nie wissen, wie sich der Showdown in einem deutschen Kurort abspielen sollte, aber eines ist gewiss: nicht auf die coolen Lifestyle-Typen, die heute die Berliner Republik bevölkern, kommt es an, sondern FAUSERs Herz schlägt für einen Typus, der äußerlich zwar einem der gehassten Kleinbürger von POSCHARDT zum Verwechseln ähnlich sieht, aber nichtsdestoweniger Haltung besitzt. Eine Haltung, die den Erfolglosen heutzutage abgesprochen wird.

Was FAUSER jedoch von den altbackenen Moralisten der Bonner Republik unterscheidet, das ist die Verwendung popkultureller Stilmittel. FAUSER gelingt der Spagat zwischen spannender Unterhaltung und anspruchsvoller Mentalitätsgeschichte.

Eine Tournee durch die Bonner Republik  

Für das Westdeutschland der 1980er Jahre stehen im Roman Die Tournee exemplarisch die Frontstadt Berlin sowie die Großstädte München und Frankfurt. München wurde in den vergangenen Jahren gerne als großbürgerlicher Gegenpol zu Berlin beschrieben. Bücher wie Hier spricht Berlin (2003) und Schaut auf diese Stadt (2007) belegen den Konkurrenzkampf zweier Stadtkulturen um die einzig wahre Urbanität.

Für München steht im Roman zum einen das Gärtnertorviertel, in dem Guido Franck eine Galerie führt, die durch seine Scheidung in der Existenz gefährdet ist. Zum anderen ist es der Sitz einer neuen Lifestyle-Zeitschrift, deren Chefin Evelyn Harder ist. Der Name ist Lesern des Krimis Das Schlangenmaul ein Begriff . Es ist eines der Markenzeichen von FAUSER, dass er seinen Figuren über lange Zeit treu ist. Er entwickelt seinen Figuren-Kosmos in dem Roman konsequent weiter, sodass FAUSER-Kenner auf ihre Kosten kommen. Heinz Harder also, der ausgebrannte Männerjournalist, dessen Episode als Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle im Krimi Das Schlangenmaul beschrieben wird, hat sich ins Ausland abgesetzt und seine Ex-Frau Evelyn hat den Umbruch zur Postmoderne in den 1980ern Jahren genutzt, um weiter ihren Weg zu gehen, wie wir aus einer Beschreibung von Vicky Borchers-Bohne, einer ehrgeizigen Journalistin aus der Single-Generation, die in Frankfurt lebt, und eine Reportage über das Tournee-Theater schreiben möchte:

Die Tournee

"Vicky fand Evelyn Harder unwiderstehlich: diese Frau hatte zwar, das wußte man ja, als Modeschnepfe angefangen, aber nach zehn Jahren harter Arbeit saß sie jetzt quasi als Chefredakteurin einer Lifestyle-Zeitschrift von 200 000 Auflage, steigend, da und hatte die goldenen Jahre vor sich, die ganz großen Blätter, die ganz hohen Auflagen, die wirklich wichtigen Leute in London, Paris, New York. Unheimlich intensiv, dachte Vicky, ihre ganz doch so coole Ausstrahlung: man merkt, diese Frau muß sich in ihrem Laden von keinem Mann mehr etwas sagen lassen."
(2007, S.170)

FAUSER ist 1944 geboren und damit Angehöriger der 68er-Generation. Aber wie kein anderer aus dieser Generation, hat er ein Gespür für die Umbrüche in seiner Generation entwickelt. 1986 als FAUSER an der ersten Fassung des Romans schrieb, da erschien mit Risikogesellschaft die erste Popularisierung der Individualisierungsthese des Soziologen Ulrich BECK. Aber erst mit dem Bestseller Das ganz normale Chaos der Liebe wurde der Begriff Single-Gesellschaft zum Allgemeingut .

Obwohl die allein lebende Karrierefrau erst im Zusammenhang mit der Generation Golf entdeckt wurde, hat single-generation.de aufgezeigt, dass sich ihr Durchbruch bereits in der Single-Generation vollzog . Mit Evelyn Harder und Vicky Borchers-Bohne hat FAUSER dieser Entwicklung in der Medienbranche , frühzeitig Ausdruck verliehen.

Guido Franck, der Galerist vom Gärtnertorviertel, steht für eine Frühform des Lebensunternehmers, einer der sich ständig neu erfindet. Durch seine Scheidung ist seine Existenz als Galerist gefährdet. Franck, der auch eine Kolumne für die Zeitschrift von Evelyn Harder schreibt, ist das, was Ingo NIERMANN in seinem Buch Minusvisionen beschrieben hat:

Minusvisionen

"Seit Jahren wächst in Deutschland die Zahl der Unternehmen. Noch schneller wächst die Zahl der Insolvenzen. Der unsichere Arbeitsmarkt drängt immer mehr Menschen, sich selbst anzustellen, trotz ungenügender Finanzierung. Wer scheitert, hat es wenigstens versucht. Eine Zeitlang darf man handeln, als würden dann die Träume wahr. Je versponnener die Geschäftsidee, desto größer der Gewinn, wenn sie gelingt. Wenn nicht, verspricht nur ein neues Unternehmen den baldigen Ausgleich der Verluste. Doch wie oft läßt sich der Neuanfang wiederholen?"
(aus: Klappentext, 2003)

Franck hat jedoch anders als in Zeiten des New Economy-Booms, Probleme das Startkapital für sein Unternehmen aufzubringen. Aber Neuanfänge sind Franck in Fleisch und Blut übergegangen. Mit 14 hat er seinen Vater verloren und ist in einem Frauenhaushalt aufgewachsen. Mit 28 beerbt er überraschend seine Tante und macht sich mit dem ganzen Geld auf eine Weltreise, die - anders als geplant - in Istanbul endet. Danach kehrt er zurück, heiratet die Tochter eines Geschäftsmannes. Damit beginnt seine Unternehmerkarriere. Gegen jeden Rat plant er nun eine völlige Neuorientierung. Trotz allen Risiken. Seine Vorstellungen beschreibt er folgendermaßen:

Die Tournee

"»(...) Eine Konzentration auf das Wesentliche. Die konzentrierte Arbeit mit wenigen, starken Talenten. Den Durchbruch.«
»Das hört sich sehr gut an. Aber auch sehr gewagt. Hohe Investitionen, hohes Risiko.«
»Ach wissen Sie, wenn man nichts riskiert, ist man in diesem Geschäft am falschen Platz. In Ihrem sicher auch! Ich mache das ja auch gar nicht mit einem Kunsthändler-Bewußtsein. Ich bin ein Partner des Künstlers, scheitert er, so scheitern wir beide. Man muß ein Spieler sein, sonst ist die Kunst eine Buchhaltung des Bestehenden. (...)«"
(2007, S.42)

Um seine idealistischen Vorstellungen umsetzen zu können, lässt er sich auf einen Heroin-Deal mit dem zwielichtigen Charles Kuhn ein. Dieser Handlungsstrang entwickelt sich im Laufe des Romans zu einer Krimiposse, in der ein Postpunk und die Galerieszene auf unnachahmliche Weise beschrieben wird.

FAUSER beschreibt hier eine Umbruchphase im Kunstmarkt, wie sie erst wieder nach dem Zusammenbruch der New Economy und der Zeitschriftengründung Monopol von Florian ILLIES und Amelie von HEYDEBRECK im Kunstmarkt entstanden ist. Francks Finanzberater warnt ihn: "Geh aus dem Kunstmarkt raus (...) Da wird heute das große Geld gemacht, Guido, und wo das große Geld gemacht wird, werden die kleinen Leute totgetrampelt."

Charles Kuhn ist ein Typ, der aussieht wie ein Yuppie, aber ein euro-asiatischer Krimineller ist. Seine außerordentliche Wandlungsfähigkeit zeigt sich in einer Episode, die sich in Frankfurt abspielt. Ausgerechnet zum Zeitpunkt des Evangelischen Kirchentags, trifft Kuhn dort ein. Um noch ein Hotelzimmer zu bekommen, muss er sich als Pfarrer einer exotischen Kirchengemeinde ausgeben. Wie FAUSER diese Kirchentag-Stimmung in Frankfurt einfängt, gehört zum Besten des Romanfragments. FAUSER ist ein Ethnologe des Alltags, das wird hier besonders deutlich. Jan BÜRGER, einer der beiden Herausgeber des Romanfragments, beschreibt die Arbeitsweise von FAUSER, die sich von seiner Anfangszeit unterscheidet:

Die Tournee

"Jede Kleinigkeit in der Tournee entspricht der historischen Wirklichkeit, und doch ist das Ganze Fiktion. Mit Tophane und Rohstoff literarisierte er die eigene Vergangenheit, beim Schreiben der Tournee kehrte er das Verhältnis gewissermaßen um: Er suchte die Schauplätze auf und begab sich in Situationen, die er zum Schreiben brauchte. Zuerst war da ein erzählerischer Einfall; damit er in die Tat umgesetzt werden konnte, mußten die passenden Erfahrungen nachgeholt werden."
(2007, S.235)

Charles Kuhn hat ein feines Gespür für die speziellen Notlagen seiner Opfer. Ob es Guido Franck ist, oder die alternde Schauspielerin Natascha Liebling, die im Mittelpunkt des vierten Handlungsstranges steht, der dem Roman zugleich seinen Titel gibt.

Natascha Liebling steht mit 41 Jahren an einem Tiefpunkt ihrer Schauspielkarriere. Die Theatertour mit einem Boulevardstück versteht sie als letzte Chance. FAUSERs Mutter war eine Schauspielerin, d.h. er wusste wovon er schrieb. Dennoch begleitete er eine damals aktuelle Tournee mit Doris KUNSTMANN, um das Milieu so realistisch wie möglich darstellen zu können.

Im Herbst 1986 erscheint in der Zeitschrift TransAtlantik der Essay Die Wunde der Komödianten, in dem FAUSER das Prinzip einer solchen Tournee erläutert: "Tourneetheater, heißt es in der Branche, das ist Startheater. Und wenn der Star nicht auftritt, fällt die Vorstellung aus. Und die Abendkasse." Der Essay ist im Buch nachzulesen, sodass der Leser nachvollziehen kann, was den Reporter FAUSER vom Romanautor FAUSER unterscheidet.

Mancher ist der Meinung, dass Frank SCHIRRMACHER die Methusalem-Debatte erfunden habe. Tatsächlich aber war bereits Mitte der 1980er Jahre der demografische Wandel ein Thema. Die Last wird zu groß titelte der Spiegel und in einer mehrteiligen Serie wird die Frage gestellt Den Alterskassen ein Baby schenken? Nichts davon hinterlässt in FAUSERs Roman seine Spuren (Gott sei dank!) und dennoch ist die Älterwerden ein zentrales Thema. Single-generation.de hat diese Thematik einer Gesellschaft der Langlebigen ausführlich an anderer Stelle erörtert .

Harry Lipschitz, der Berliner SPD-Genosse ist ein Mann von 50 Jahren, der vor kurzem das Focus-Cover zierte. Und auch die Frau um 40  - also Natascha Liebling - wurde auch nicht von Claudius SEIDL ("schöne junge Welt") entdeckt . Bereits im November 1984 zierte sie einen Spiegel-Titel

Die Frau um 40

"Die Krise in der Lebensmitte ist auch aus anderem Grund allgegenwärtig: Spätestens ab Vierzig beginnen jene Frauen gegen den Trend zu leben, für die bisher feststand, daß Jugend und Schönheit unauflöslich miteinander verbunden sind.
»Ich bin unsichtbar geworden«, klagt eine attraktive und gebildete Hamburgerin. Wenn sie ein Restaurant betritt, dreht sich niemand mehr nach ihr um. Das herrschende Schönheitsideal, dem sie so lange gehuldigt haben, wird für diese Frauen zur Bedrohung: Sie fühlen sich über Nacht als Muster ohne Wert.
Daß die Krise zugleich auch Chance ist, aus vorgefertigten Frauenrollen und tradierten Schönheitsklischees auszubrechen, das führt bislang nur eine Minderheit vor."
(Marion Schreiber im Spiegel Nr.48 v. 26.11.1984)

schöne junge Welt

"Die Grenzen der Jugend haben sich innerhalb von nur dreißig Jahren, in jenem Zeitraum also, den man früher »eine Generation« genannt hätte, um mehr als zehn Jahre nach hinten verschoben. Wenn eine Frau von 45 die Rolle spielen kann, die einst für eine 27jährige gedacht war, wenn zwei Mittvierziger zu den Helden einer Geschichte werden, die einst für Menschen deutlich unter vierzig geschrieben wurde, dann taugen die alten Biographie-Baupläne nichts mehr, und die Lebenskalender müssen neu justiert werden."
(2005, S.19) 

Wenn FAUSER die deutsche Provinz mit seinen Kurstädten identifiziert, dann nimmt er damit sozusagen die Jahrtausendwende vorweg. Es ist noch kein halbes Jahrzehnt her, da wurden uns die Kurstädte von den Medien als unsere Zukunft vorgeführt. Überall sei sozusagen bald Bad Orb, Bad Wildungen, usw. Welch ein Gesellschaftspanorama! In allen vier ausgearbeiteten Handlungssträngen hat FAUSER Themen aufgegriffen, die aktueller denn je sind.

Sich den Fauser-Kosmos erschließen

So mancher könnte nach diesem Romanfragment ein neuer FAUSER-Fan geworden sein. Der Berliner Alexander Verlag hat dem Autor dankenswerter Weise eine 9 bändige Edition gewidmet. Der 9. Band liegt mit der Tournee vor. Es steht aber noch ein umfangreicher Essayband aus (Band 8 der Edition), auf den man jetzt schon gespannt sein darf .

FAUSER war ein Multitalent und lange vor Michel HOUELLEBECQ hat er die Grenze zur Musikbranche überschritten. Für den deutschen Sänger Achim REICHEL hat er Rocktexte verfasst. Der Spieler und Boxer Kutte sind seine größten Erfolge gewesen. Auch in der Tournee spielen der Spieler und der Boxer eine Rolle.   

Vielleicht überrascht uns Achim REICHEL ja noch mit weiteren FAUSER-Songs. In der empfehlenswerten FAUSER-Biografie Rebell im Colahinterland haben Matthias PENZEL und Ambros WAIBEL den FAUSER-Kosmos und seinen Autor ausführlich gewürdigt. Gemäß der Biografie gibt es noch unveröffentlichte Texte, u.a. einen mit dem bezeichnenden Titel Die Tournee. Es bleibt jedoch offen, ob es dabei um eine Theatertournee geht, oder um ein Konzerttournee. So begleitete FAUSER auch den Rockmusiker mehrmals auf einer Tour.

Alles Rohstoff

"Matthias Penzel und Ambros Waibel gehen in ihrer hervorragend recherchierten, spannenden, allemal würdigen Biografie »Rebell im Cola-Hinterland» ihrem Hausheiligen denn auch nicht auf den Leim. Sie erzählen skrupulös und detailreich sein Leben, das mit einem Spaziergang auf der Autobahn am 17. Juli 1987, ausgerechnet an seinem 43. Geburtstag ein frühes und legendenträchtiges Ende nimmt, machen aber nicht den Fehler, das Werk auf die Vita zu reduzieren. Vielmehr beharren sie immer wieder mit guten Beispielen auf dem vielseitigen Stilisten, begnadeten Melancholiker, eben dem Künstler."
(Frank Schäfer in der taz vom 13.07.2004)

Fazit: Jörg Fausers Stimme fehlt schmerzlich in der Berliner Republik. Das wird nach diesem letzten, unvollendeten Roman deutlich

Was würde Jörg FAUSER heute schreiben? Wir wissen es nicht, aber eines scheint sicher. Er würde diejenigen, die in unserer Gesellschaft erfolglos bleiben, nicht verachten, sondern über ihr würdevolles Scheitern schreiben. Da unsere Eliten einschließlich der so genannten Volksparteien, ein gutes Drittel der Gesellschaft abgeschrieben haben, bildet sich hier ein gefährliches Vakuum. Abgehängtes Prekariat ist noch der schmeichelhafteste Ausdruck. Andere sprechen von Überflüssigen. "Die Gesellschaft reißt auseinander. Und das ist gut so" schreibt Ulf POSCHARDT dazu.

Es fehlt heute jemand wie Jörg FAUSER, der prekäre Situationen beschreiben kann, so dass die Menschen sich darin wieder finden und verstanden fühlen können. Jemand der noch weiß, dass Erfolglosigkeit nicht identisch ist mit unwertem Leben. Jemand, der die Ängste vor dem Absturz ernst nimmt und dieses Feld nicht den Rechten überlässt. Jemand, der die Menschen dort abholt, wo sie stehen. Engagierte Literatur kann spannend und unterhaltsam sein, das hat FAUSER gezeigt.

FAUSER hat das prekäre Leben jenseits der Festanstellung beschrieben, lange bevor es durch die New Economy zum Massenschicksal wurde. Viele Phänomene, die heute die Berliner Republik umtreiben, haben ihren Ursprung in den 1980er Jahren. FAUSER hatte das richtige Gespür für das was an den damaligen Moden Bestand hat.

 
     
 
       
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 21. Oktober 2007
Update: 03. Februar 2019