Im Herbst 2010 erschien
das Buch Deutschland schafft sich ab, in dem Thilo
SARRAZIN fordert: "Mehr Kinder von den Klugen, bevor es zu spät
ist" (So der Untertitel des 8. Kapitels). Es wurde das meist
diskutierte und verkaufte Sachbuch in Deutschland. Thilo
SARRAZIN macht in dem Buch folgende Rechnung auf:
Deutschland schafft sich ab
"Im Mikrozensus 2008
hat das Statistische Bundesamt die Kinderzahl der Frauen
nach Geburtsjahrgängen und Bildungsstand erhoben. Für die
Jahrgänge, deren fruchtbare Phase abgeschlossen ist, kann
man aus den Daten die Geburtenrate über die Lebenszeit und
damit auch die Nettoreproduktionsrate abhängig vom
Bildungsstand ermitteln. Für die Jahrgangsgruppe 1964 bis
1968 lassen sich aus den Daten folgende endgültige Zahlen
ermitteln:
niedriger Bildungsstand
1,86 Kinder pro Frau
mittlerer Bildungsstand
1,45 Kinder pro Frau
hoher Bildungsstand
1,26 Kinder pro Frau
Unterstellt man
Stabilität im Geburtenverhalten über einige Generationen
hinweg, so entwickeln sich die Anteile an der Gesamtzahl der
Geburten (...): In nur drei Generationen hat sich der
Bevölkerungsanteil der unteren Gruppe verdoppelt und in vier
Generationen der Anteil der oberen halbiert. Abweichungen in
den Geburtenraten führen also sehr schnell zu Veränderungen
in der Bevölkerungsstruktur.
(2010, S.355)
In der Unterteilung des
Statistischen Bundesamtes bedeutet »hoher«
Bildungsstand einen akademischen Abschluss,
Fachschulabschluss oder Abschluss als Meister/Techniker. Die
Problematik verschärft sich noch, wenn man allein den
Hochschul- und Universitätsabschluss betrachtet. Hier liegt
der Anteil der kinderlosen Frauen in der Jahrgangskohorte 40
bis 45 Jahre mittlerweile bei über 40 Prozent. In dieser
Gruppe ist in den letzten Jahrzehnten auch die
Kinderlosigkeit am stärksten gestiegen. Zwar ist
überdurchschnittliche Kinderlosigkeit bei Akademikerinnen
generell nichts Neues, aber das Gewicht des Phänomens steigt
durch die doppelte Wirkung des steigenden Anteils der Frauen
mit Universitätsabschluss und des steigenden Anteils der
Kinderlosen unter ihnen.
(2010, S.356f.) |
Diese Argumentation von
Thilo SARRAZIN ist typisch für die öffentliche Debatte zur
Kinderlosigkeit in Deutschland, die in den 1990er Jahren und
nach der Jahrtausendwende geführt wurde.
Zum einen greift Thilo
SARRAZIN zwar auf den Mikrozensus 2008 zurück, bei dem erstmals
die tatsächliche Kinderzahl von Frauen erfragt wurde und nicht
nur die Kinder im Haushalt. Zum anderen aber behauptet er, dass
die 40-45jährigen Akademikerinnen zu über 40 Prozent kinderlos
seien und ignoriert damit den Mikrozensus 2008, denn dieser
weist nur 30,3 Prozent aus. Auch dieser Wert dürfte für die
Jahrgänge 1964 - 1968 noch um einige Prozent überhöht sein, aber
die Daten zum Mikrozensus 2012 liegen noch nicht vor, mit denen
zum zweiten Mal die tatsächliche Kinderzahl erfasst wurde.
Obwohl die Datenlage zur
Kinderlosigkeit in Deutschland immer noch unbefriedigend ist,
hat nun ein Mitarbeiter des Bundesinstituts für
Bevölkerungsforschung eine Expertise für das
Bundesfamilienministerium erstellt, in der davon ausgegangen
wird, dass die Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten ist -
so jedenfalls die Lesart, die einen Tag vor der Veröffentlichung
der zusammengefassten Geburtenziffer (TFR) für 2011 lanciert
wurde. Ulrike WINKELMANN kommentierte den Vorgang auf taz.de
folgendermaßen:
Schröders Traum vom Kinde
"Da hatte die
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eine Idee. Das
kann so nicht weitergehen, befand sie. Andauernd vermeldet
das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, dass die Frauen in
Deutschland schon wieder weniger Kinder bekommen. Trotz
Schröder und ihrer Familienpolitik! Bevor also die
Bundesamts-Statistiker am Donnerstag ihre Hiobsbotschaft
raushauten – weniger Kinder –, platzierte die Ministerin
tags zuvor eine viel bessere, viel neuere Nachricht. Sie
sollte den Donnerstag quasi überstrahlen. Nämlich: Die
studierten deutschen Frauen bekommen wieder mehr Kinder. Die
studierten, wohlgemerkt.
Man achte auf den Unterschied:
Zwar sank die Geburtenziffer
2012 wieder auf 1,36 Kinder pro Frau (von 1,39 im Jahr
2010). Aber das Ergebnis der Studie, die Schröder beim
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Auftrag gegeben
hatte, lautete eindeutig: Die Akademikerinnen jedenfalls
sind aus dem Tief heraus. Die als besonders gebärfeindlich
bekannten Hochschulabsolventinnen-West haben die Talsohle
durchschritten."
(taz.de v. 20.09.2012)
|
Während Ulrike WINKELMANN
hinsichtlich der Trendwende skeptisch ist, kommt die Expertise
Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten? von Martin BUJARD zum Schluss, dass der Anstieg der
Kinderlosigkeit bei den Akademikerinnen zumindest gestoppt sei.
Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten?
Bei
den Akademikerinnen ist die Kinderlosigkeit von 25,4
Prozent 1982 über 29,6 Prozent 1991 auf den Höchstwert von
34,5 Prozent im Jahr 2000 gestiegen. Auf diesem hohen
Niveau hat sich die Kinderlosigkeit seitdem stabilisiert
und mit einem Wert von 31,5 Prozent im Jahr 2011 nur
minimal reduziert. Der Befund ähnelt insofern dem der
durchschnittlichen Geburtenzahl: Der Anstieg der
Kinderlosigkeit ist vorerst gestoppt."
(2012, S.20) |
Die Frage, der im
Folgenden nachgegangen werden soll, lautet deshalb: Inwiefern
gab es überhaupt einen Anstieg der Kinderlosigkeit bei
Akademikerinnen? Denn die Methode, mit der BUJARD den Anstieg
der Kinderlosigkeit von Akademikerinnen in Deutschland zu
belegen versucht, ist durchaus kritikwürdig.
Wie hoch war die Kinderlosigkeit der
Akademikerinnen in
Deutschland?
Die Debatte um die
Kinderlosigkeit in Deutschland beflügelte insbesondere das
Pflegeurteil des Bundesverfassungsgerichts, bei dem der
nationalkonservative Bevölkerungsforscher Herwig BIRG als
Gutachter geladen war. Seine überhöhten Zahlen zur
Kinderlosigkeit im Gutachten
Perspektiven der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und
Europa - Konsequenzen für die sozialen Sicherungssystem, wonach ein Drittel er nach 1960 geborenen
Frauenjahrgänge in Deutschland zeitlebens kinderlos bleiben
sollten, bewogen das Gericht, den Kinderlosen einen erhöhten
Beitragssatz zur Pflegeversicherung abzuverlangen.
Perspektiven der
Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Europa - Konsequenzen
für die sozialen Sicherungssystem
"Die
jüngeren, nach 1960 geborenen Frauenjahrgänge in
Deutschland bleiben zu einem Drittel zeitlebens kinderlos,
bei ihren Eltern lag dieser Anteil erst bei rd. 10
Prozent. Der hohe und weiter wachsende Anteil der
Kinderlosigkeit ist der entscheidende Grund für den
niedrigen, langjährigen Durchschnitt von 1,2 bis 1,4
Lebendgeborenen je Frau im letzten Viertel des 20.
Jahrhunderts. Bei den zwei Dritteln der Frauen unter den
jüngeren Jahrgängen, die nicht kinderlos bleiben,
entfallen 2,1 Kinder auf jede Frau."
(2000, S.32) |
Der Mikrozensus 2008
ergibt jedoch für die 1959-1963 geborenen Frauen nur einen
Kinderlosenanteil von ca. 19 %, während der Anteil bei den
1964-1968 geborenen Frauen bei ca. 22,3 % liegt.
Wie kam es dazu, dass ein
renommierter Bevölkerungsforscher den Anteil der Kinderlosen,
die in den 1960er Jahren geboren wurden, um über 50 %
überschätzt hat? Das Problem der Überschätzung der lebenslang
Kinderlosen stellt sich im Vergleich mit der Gesamtheit der
gebärfähigen Frauen bei den Akademikerinnen sogar noch in
verschärfter Form, weil die Datenlage hier noch unsicherer ist.
Könnte es also nicht sein, dass es den Anstieg der kinderlosen
Akademikerinnen gar nicht gibt, zumindest aber in weit
geringerem Ausmaß?
Die gravierenden Lücken in der Datenlage zur
Kinderlosigkeit
Die Erfassung der Geburten in
Deutschland ist bis 2008/2009 mehr als vorsintflutlich gewesen.
Auf dieser Website wurde dies frühzeitig kritisiert, während die
deutschen Wissenschaftler zu den Missständen lange schwiegen.
Hier wurden insbesondere zwei Ursachen für die
Fehleinschätzungen hinsichtlich der lebenslang Kinderlosen
genannt:
1) Die Umdefinition von
Eltern in Kinderlose durch den Haushaltsansatz des Mikrozensus
. Dieses
Problem besteht weiterhin, da die tatsächliche Kinderlosigkeit
nur alle 4 Jahre erfasst wird. Zusätzlich wird das Problem durch
die neuen Sorgerechtsregelungen sogar noch verschärft, weil
immer öfter ein Kind nicht bei der Mutter, sondern während des
Erfassungszeitpunktes beim Vater leben dürfte. An der Expertise
von Martin BUJARD wird diese Problematik aufgezeigt werden.
2) Die Eheorientierung der
amtlichen Statistik, die bis 2009 nicht die biologische
Geburtenfolge, sondern nur die eheliche Geburtenfolge erfasste.
Die nichtehelichen Geburten wurden dagegen nur geschätzt. Es
dauerte bis Mitte der nuller Jahre bis die Fehlschätzungen
für Ostdeutschland nicht mehr zu leugnen waren
. Auch
Westdeutschland ist tendenziell von dieser Problematik
betroffen, da auch hier die kindorientierte Heirat seltener
geworden ist.
Einen Eindruck von der Problematik gibt der
Artikel
Schätzung der tempobereinigten Geburtenziffer für West-
und Ostdeutschland von Marc LUY & Olga PÖTZSCH aus dem Jahr
2011. Insbesondere der Übergang von der Kinderlosigkeit zum 1.
Kind ist in Westdeutschland betroffen, während in Ostdeutschland
die gesamte Aufteilung von Geburten auf 1., 2. und Geburten
höherer Ordnung betroffen ist. Anhand der Daten von 2009
beschreiben LUY & PÖTZSCH diese Differenz von biologischer und
ehelicher Geburtenfolge.
Schätzung der
tempobereinigten Geburtenziffer für West- und Ostdeutschland,
1955-2008
"In
Westdeutschland betrug 2009 die Differenz zwischen dem
Alter der Mütter bei der ersten Geburt in der bestehenden
Ehe und dem Alter der Mütter bei der ersten Geburt in
ihrem Leben 0,9 Jahre. Der Anteil der außerehelichen
Erstgeburten lag hier bei 36 %. (...). In den neuen
Bundesländern ist die Ausgangssituation eine andere, so
dass die Angaben der amtlichen Statistik zur ehelichen
Geburtenfolge hier nicht verwendet werden könnten. Der
Anteil der außerehelichen Geburten übersteigt den
entsprechenden Anteil in Westdeutschland deutlich. Bei der
Erstgeburt betrug er 2009 74 %, bei den zweiten und
weiteren Geburten weit über 40 %. Der Unterschied zwischen
dem Alter bei der ersten Geburt im Leben der Frau und dem
Alter bei der ersten Geburt in der bestehenden Ehe betrug
2,3 Jahre. Bei den zweiten und weiteren Geburten lag die
Altersdifferenz bei 0,9 bzw. 0,8 Jahren. Außerdem war hier
jede fünfte Frau bei der Geburt des ersten Kindes in der
bestehenden Ehe bereits vorher Mutter. Auch im Zeitraum
zwischen 1998 und 2002 war der Anteil der außerehelichen
Geburten in den neuen Bundesländern mehr als doppelt so
hoch wie im Westen und er nahm schneller zu: von 47 % im
Jahr 1998 auf 55 % im Jahr 2002."
(2011, S.577f.) |
3) Die
jährlich veröffentlichte zusammengefasste Geburtenziffer (TFR)
gibt das Geburtenverhalten in Deutschland aufgrund von
Tempoeffekten, d.h. Veränderungen des durchschnittlichen
Gebäralters, nur verzerrt wieder. Die Kinderzahl der jüngeren
Frauenjahrgänge wurde deshalb teilweise enorm unterschätzt, wie
weiter unten gezeigt wird. Während international bereits seit
der Jahrtausendwende in zunehmendem Maße mit tempobereinigten
Geburtenziffern gearbeitet wird, war eine Tempobereinigung in
Deutschland aufgrund der unzeitgemäßen Statistik nicht möglich.
Aufgrund der Dominanz nationalkonservativer
Bevölkerungswissenschaftler wie Herwig BIRG bestand auch
keinerlei Interesse, schließlich waren die Kinderlosen ideale
Sündenböcke. Mit überhöhten Zahlen zur Kinderlosigkeit konnte
man politisch bislang hervorragend leben. Seit der Einführung
des Elterngeldes und dem Ausbau der Kindertagesstätten, hat sich
der politische Druck erhöht. Jetzt müssen schnell steigende
Geburtenraten her. Die jährlich veröffentlichte zusammengefasste
Geburtenziffer wird dadurch kontraproduktiv. In Deutschland wird
deshalb verstärkt an der Tempobereinigung bzw. alternativ an
Methoden der Schätzung der Kohortenfertilität (CFR) gearbeitet
(siehe Michaela KREYENFELD 2012). So z.B. auch in der Expertise
Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten? von Martin
BUJARD.
Die
Abhängigkeit des Anteils kinderloser Akademikerinnen vom
Untersuchungsgegenstand
Bei der Schätzung der
Kinderlosigkeit von Akademikerinnen ergeben sich abgesehen von
der Datenlücke weitere Probleme:
1) Die Geburtenstatistik
enthält keine Daten zum Bildungsstand der Mütter. Dieser wird
erst seit 2008 alle 4 Jahre erfragt. In den Jahren dazwischen
ist nur der Bildungsstand von Frauen bekannt, in deren Haushalt
Kinder leben. Diese müssen jedoch nicht ihre eigenen sein.
2) Vor allem bei jungen
Frauen gibt es ein Abgrenzungsproblem, denn ein
Fachhochschulabschluss bzw. Universitätsabschluss kann erst bei
ab einem relativ hohen Alter erfasst werden. Werden z.B. in
Untersuchungen 25 jährige Frauen erfasst, dann wird ein großer
Teil, der seinen akademischen Abschluss erst später absolviert,
fälschlicherweise als Nicht-Akademikerin eingeordnet. In der
Expertise von Martin BUJARD stellt sich das Problem bei der
Berechnung von altersspezifischen Geburtenziffern, weswegen er
eine Grenze zwischen 34 und 35 Jahren zieht. Dass ab dieser
Altersgrenze Frauen als Spätgebärende gelten, dürfte kein Zufall
sein
.
Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten?
Betrachtet
man alle heute 25-jährigen Frauen, weiß man nicht immer,
welche davon später einen Hochschulabschluss haben und
welche nicht. Selbst bei 30-jährigen sind einige noch als
Nichtakademikerinnen klassifiziert, die ein paar Jahre
später einen Hochschulabschluss machen. Insofern ist die
hier gezogene Grenze zwischen 34 und 35 Jahren plausibel,
da man davon ausgehen kann, dass die Zahl der Frauen, die
danach erst einen Hochschulabschluss machen, gering und
damit statistisch vernachlässigbar ist."
(2012, S.6) |
Eine Debatte, die sich
lediglich um die Kinderlosigkeit der Akademikerinnen dreht,
übersieht Trendwenden, die sich bereits während des Studiums
abzeichnen. Wer also frühzeitig Trends ausmachen will, der muss
auch das Studieren mit Kind einbeziehen. Schließlich sind das
die potenziellen Akademikerinnen. Erstaunlich also, dass eine
Expertise solche mögliche Trends ausklammert. Ein Grund dürfte
die mangelhafte Datenlage sein. Alle 3 Jahre erhebt das Deutsche
Studentenwerk die Studierenden mit Kind. Die letzte Befragung
fand im Jahr 2009 statt. Die Auswertung der Befragung 2012 wird
voraussichtlich erst vor der Bundestagswahl 2013 veröffentlicht
- falls die Ergebnisse ins Konzept passen. Während 2006 noch 8 %
Frauen mit Kind studierten, waren es im Jahr 2009 nur 6 %. Von
daher ist es verständlich, dass BUJARD die Studierenden außen
vor läßt.
3) Sichtet man die Studien
zur Kinderlosigkeit von Akademikerinnen, dann wird sofort
offensichtlich: Die Studien unterscheiden sich gravierend
hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstandes:
a) Wer ist überhaupt eine
Akademikerin?
b) Ab welchem Alter zählt man zu den lebenslang kinderlosen
Akademikerinnen?
c) Wer ist eine westdeutsche bzw. ostdeutsche Akademikerin?
Jede dieser 3 Fragen hat
gravierende Auswirkungen auf die Schätzungen zur lebenslangen
Kinderlosigkeit in Deutschland.
Wer ist
überhaupt eine Akademikerin?
Diese Frage soll in einem
ersten Schritt folgendermaßen beantwortet werden:
Akademikerinnen sind Frauen mit Fachhochschul- bzw.
Hochschulabschluss oder promovierte Frauen. Dies ist die
Definition, die Martin BUJARD seiner Expertise zugrunde gelegt
hat. Akademikerinnen sind also eine heterogene Gruppe und es
macht einen Unterschied, ob man die gesamte Gruppe oder nur eine
Teilgruppe betrachtet, wie im Folgenden gezeigt wird.
Ab welchem
Alter ist man eine lebenslang kinderlose Akademikerin?
Lange Zeit galten
Akademikerinnen spätestens mit 40 Jahren als lebenslang
kinderlos (vgl. Oliver KÖNIG & Tomke KÖNIG
'Metalog zur Familienpolitik" in der Zeitschrift
Familiendynamik, H.2, April 2007). Manfred G. SCHAREIN begründet die Gleichsetzung der
35-39 jährigen kinderlosen Akademikerinnen mit lebenslang
kinderlosen Akademikerinnen 2011 (!) nachträglich mit
Erfassungsproblemen. Sein Fazit zur Überschätzung der
lebenslangen Kinderlosigkeit:
Kinderlose Akademikerinnen 0.3 - Wo war das Problem?
"In
der Nachlese zeigt sich aber bei einem anhaltenden Trend
der Frauen, immer später im Leben die Kinder zu bekommen,
dass dieses Altersintervall wohl ab einem Zeitpunkt um
1990 bereits nicht mehr adäquat zur Schätzung der
Kinderlosigkeit von Frauen nach ihrem höchsten
Berufsabschluss war und somit zu einem (deutlich) zu hohen
Wert dafür führte. So kann man bereits mit den Daten des
Mikrozensus des Jahres 1997 für die westdeutschen
Akademikerinnen im Alter zwischen 35 und 39 Jahren einen
Anteil Kinderloser von 43 Prozent messen, wohingegen die
Betrachtung der 38- bis 43-jährigen (gesamtdeutschen)
Akademikerinnen einen Wert von 28 Prozent generiert."
(Bevölkerungsforschung Aktuell, Heft 3, 2011, S.25) |
Beispielhaft ist die
Begründung von Jürgen DORBRITZ & Karl SCHWARZ Im
Artikel Kinderlosigkeit in Deutschland - ein Massenphänomen?
Analysen zu Erscheinungsformen und Ursachen im Heft 3 der
Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft aus dem Jahr 1996
für die Wahl der Altersgruppe der 35- bis 39Jährigen:
Kinderlosigkeit in Deutschland - ein Massenphänomen?
Analysen zu Erscheinungsformen und Ursachen
"Um sich der tatsächlichen Kinderlosigkeit zu nähern,
ist die Analyse auf die Altersgruppen begrenzt worden, in
denen das generative Verhalten weitgehend abgeschlossen
ist und die Kinder in aller Regel noch nicht den
elterlichen Haushalt verlassen haben. Diese Bedingungen
sind am ehesten in den Altersgruppen zwischen dem 30. und
44. Lebensjahr der Frauen und insbesondere bei den 35- bis
39Jährigen erfüllt.
1994 lebten 24 % aller Frauen im früheren Bundesgebiet in
der Altersgruppe zwischen dem 35. und 39. Lebensjahr nicht
mit Kindern zusammen (...). Dieser Anteil dürfte am
ehesten der tatsächlichen Kinderlosigkeit entsprechen.
1985 betrug er erst 20,4 %."
(1996, S.236) |
DORBRITZ & SCHWARZ kommen
also anhand des Mikrozensus 1994 für die 35-39Jährigen, d.h. für
die 1955-1959 Geborenen zu einem Kinderlosenanteil von 24 %.
Dagegen weist der Mikrozensus 2008, der die tatsächliche
Kinderlosigkeit erfasst hat, für die 1954-1958 Geborenen
lediglich einen Anteil von ca. 17,4 % aus. Dies entspricht einer
Fehleinschätzung von über 35 %!
Kinderlosigkeit in Deutschland - ein Massenphänomen?
Analysen zu Erscheinungsformen und Ursachen
"Kinderlosigkeit erhöht sich bei steigendem
beruflichen Bildungsabschluß; zumindest im früheren
Bundesgebiet (...). Frauen mit einem
Fachschulabschluss blieben bereits zu 31 % kinderlos,
während unter den Frauen mit einem Hochschulabschluss ein
Anstieg auf 37,2 % zu verzeichnen ist."
(1996, S.243) |
Den Anteil kinderloser
Akademikerinnen haben DORBRITZ & SCHWARZ anhand des
sozialwissenschaftlichen Family and Fertility Survey im Jahr
1992 ermittelt. Sie untersuchten die Altersgruppe der 1953-1962
Geborenen (30-39 Jährigen). Da Frauen mit Fachhochschulabschluss
nicht ausgewiesen werden, muss davon ausgegangen werden, dass
sie zu den Frauen mit einem Hochschulabschluss dazu gezählt
wurden. Im Mikrozensus 2008 wurden dagegen für die 1954-1963
Geborenen ein Kinderlosenanteil von 28,1 % ermittelt (27, 7 %
für Fachhochschulabsolventinnen bzw. 28,3 % für
Uniabsolventinnen und promovierte Frauen). Auch hier also eine
Überschätzung der lebenslangen Kinderlosigkeit der
Akademikerinnen um fast ein Drittel.
Erst das Interview
Kinderlose Akademikerinnen? Die Demographie braucht
genauere Zahlen zur Geburtenstatistik mit dem Soziologen
Christian SCHMITT (FAZ 08. 03. 2005), in dem SCHMITT die
Überschätzung der Kinderlosigkeit bei Akademikerinnen
kritisierte, führte zu einer Revidierung der gängigen Praxis -
obwohl dies im Grunde bereits vor der Jahrtausendwende hätte
auffallen müssen. Die Wissenschaft muss sich den Vorwurf
gefallen lassen, dass sie mit der Kritik der Missstände zu lange
hinter dem Berg hielt. Oder anders gesagt: Kinderlose haben in
Deutschland keine Lobby. Kurz vor der Intervention von Christian
SCHMITT hatte der jetzige Gesundheitsminister Daniel BAHR in der
Welt am Sonntag wieder einmal dramatische Zahlen in Umlauf gebracht.
Unfruchtbare Elite
"Von den 35- bis 39jährigen Frauen mit
Hochschulabschluß leben in Westdeutschland 44,3 Prozent
ohne Kinder. Von den gleichaltrigen Frauen mit
Hauptschulabschluß bleiben lediglich 23 Prozent kinderlos.
(In der DDR war das anders. Aber die Verhältnisse gleichen
sich dem Westen an.) Die einen kriegen die Kinder, die
anderen machen Karriere."
(Wams v. 27.02.2005) |
Bekommen tatsächlich die
Falschen die Kinder? Oder bekommen die höher Gebildeten ihre
Kinder nur später? Und wenn die Kinderlosigkeit der
Akademikerinnen höher ist, was sind die Ursachen? Egoismus oder
die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie oder gibt es nicht
auch andere Gründe?
Im Vorfeld des
Bundestagswahlkampfes 2005 führte eine Pressemeldung des
Statistischen Bundesamtes dazu, dass erneut von 43 %
Akademikerinnen die Rede war.
Der richtige Mann fehlt
"Deutsche Akademikerinnen sind besonders häufig
kinderlos: Von den 37- bis 40-jährigen Frauen mit
Hochschul- oder Fachhochschulabschluss haben neuen Zahlen
des Statistischen Bundesamtes zufolge 43 Prozent in
Westdeutschland und 24 Prozent in Ostdeutschland keine
Kinder."
[mehr]
(SZ Online v. 07.09.2005) |
Dabei ging es in der
Pressemeldung um eine Studie
von Klaus-Jürgen DUSCHEK & Heike WIRTH, in der die
Kinderlosigkeit der westdeutschen Akademikerinnen eigentlich
relativiert werden sollte, indem u. a. auch 41-44jährige
Akademikerinnen betrachtet wurden.
Kinderlosigkeit von Frauen im Spiegel des Mikrozensus
"Analysen zum Ausmaß
der Kinderlosigkeit (konzentrieren sich) in der Regel auf Frauen im Alter
zwischen 35 und 39 Jahren. Diese Altersabgrenzung
erscheint in der Gegenwart insofern zu eng, als
Familiengründungsprozesse bei hoch qualifizierten Frauen
im Vergleich zu mittleren und unteren Bildungsgruppen in
einem deutlich höheren Lebensalter stattfinden; dabei ist
eine „späte“ Mutterschaft durchaus nicht ungewöhnlich. Um
diesen so genannten Alterseffekt in den Analysen
angemessen zu berücksichtigen, wird in diesem Beitrag
einerseits eine andere Altersabgrenzung als bisher üblich
verwendet, andererseits wird die Altersgrenze nach oben
ausgeweitet. Konkret bedeutet dies, dass die bislang
obere, relativ heterogene Altersgrenze »35 bis 39 Jahre«
durch die beiden Altersgruppen
»33
bis 36 Jahre«
und »37
bis 40 Jahre«)
ersetzt wird, die neue obere Altersgrenze wird durch die
41- bis 44-Jährigen abgebildet."
(Wirtschaft und Statistik, Heft 8, 2005, S.802) |
Leider hat diese
Herangehensweise auch ihre Tücken, denn in der Altersgruppe der
41-44Jährigen, werden etliche Akademikerinnen wieder zu
Kinderlosen, weil die Kinder bereits ausgezogen sind. Die
Soziologen Christian SCHMITT & Gert G. WAGNER haben im Jahr 2006
auf diesen Aspekt hingewiesen. Auch Manfred SCHAREIN & Rainer
UNGER gehen 2005 in ihrem Artikel Kinderlosigkeit bei
Akademikerinnen? Die Aussagekraft empirischer Daten zur
Kinderlosigkeit von Akademikerinnen in den
BIB-Mitteilungen Nr.2 auf diese Problematik ein. Sie sehen das
Problem in zwei Gruppen von Frauen mit Fachhochschulabschluss,
bei denen es sowohl Frühgebärende als auch Spätgebärende gibt.
Kinderlosigkeit bei Akademikerinnen? Die Aussagekraft
empirischer Daten zur Kinderlosigkeit von Akademikerinnen
"Wir vermuten, dass der
Fertilitätsprozesss der Universitätsabsolventinnen
ausschließlich auf das Phänomen des späten Gebärens
zurückzuführen ist, wohingegen bei den
Fachhochschulabsolventinnen vor allem zwei Typen von
Frauen bzgl. ihres Fertilitätsverhaltens existieren: Die
eine Gruppe von Frauen gebärt sehr früh, um in etwas
späteren Phasen ihres Lebens noch eine berufliche
Weiterqualifikation in Form eines Fachhochschulabschlusses
zu machen, bei der anderen Gruppe verhält sich dies genau
umgekehrt. Da sich die Effekte des späten Gebärens der
einen Gruppe von Fachhochschulabsolventinnen mit dem
Effekt des Auszugs erwachsener Kinder bei der Gruppe der
früh gebärenden Fachhochschulabsolventinnen nahezu
ausgleichen, resultiert der nahezu konstante Anteil
kinderloser Fachhochschulabsolventinnen ab der
Altersgruppe der 37-41-Jährigen."
(30.06.2005, S.9) |
Der Mikrozensus 2008 ist bei
der Aufklärung dieses Sachverhaltes auch nicht hilfreich, denn hier
greift das bereits weiter oben geschilderte Abgrenzungsproblem zwischen
Akademikerinnen und Nicht-Akademikerinnen.
Fachschulabsolventinnen, die ihre Kinder vor ihrem Abschluss
bekommen, werden in den Tabellen mit einem niedrigeren
Bildungsniveau ausgewiesen. Hierzu bedürfte es spezieller
Lebensverlaufsstudien.
Wer den Mikrozensus zur
Erfassung der Kinderlosigkeit von Akademikerinnen heranzieht,
steht also letztlich vor einem unlösbaren Dilemma: Wählt er die
Altersgruppe 35-39, dann haben viele Akademikerinnen noch kein
Kind, wählt er die Altersgruppe 41-44, dann sind viele Kinder
wieder ausgezogen.
Wie hat nun Martin BUJARD in
der Expertise dieses unlösbare Problem gelöst? BUJARD hat es
sich einfach gemacht und hat den Anteil der 40 jährigen
westdeutschen Frauen verglichen (siehe nachfolgendes Schaubild).
Die Tatsache, dass die Kinderlosigkeit der Akademikerinnen seit
dem Mikrozensus 2000 niedriger ist, wertet er als "vorerst
gestoppten" Anstieg.
Diese Methode ist einerseits
angesichts des Anstiegs des Erstgebäralters fragwürdig
und andererseits lässt er die Frage außen vor, ob es einen
Anstieg der Kinderlosigkeit von Akademikerinnen in
Ostdeutschland gegeben hat. Die Frage der Entwicklung in
Ostdeutschland lässt BUJARD unbeantwortet, weil die "Fallzahlen
zu niedrig" seien und "gleichzeitig der Auszug von Kindern dort
die Werte zu sehr verzerrt" sei. Die Argumente sind mehr als
schwach, denn die Fallzahlen hätte man durch die Betrachtung der
Altersgruppe 39-41 Jahre leicht erhöhen können und der
Verzerrung durch Auszüge hätte man durch die Betrachtung mehrer Altersgruppen entgegen wirken können.
Diese Methode den Tiefstpunkt der Kinderlosigkeit zu bestimmen
haben u. a. SCHAREIN & UNGER (2005) praktiziert.
Talsohle bei Akademikerinnen durchschritten?
"Die
Kinderlosigkeit reduziert sich nur minimal entsprechend
der wenigen Frauen, die im Alter von 41 Jahren oder älter
ihr erstes (!) Kind bekommen. Betrachtet man die Werte
älterer Frauen im Mikrozensus, sind die Kinderlosenraten
jedoch höher, da dann Frauen, deren Kinder bereits aus dem
Haushalt ausgezogen sind, mitgezählt werden. Daher ist
hier der Wert für 40-jährige Frauen berechnet worden."
(2012, Fußnote S.20) |
Was heißt eine "minimale
Erhöhung", die vernachlässigbar ist? Um eine Vorstellung davon
zu bekommen, was es bedeutet, die 41-44jährigen Frauen zu
ignorieren, kann man die altersspezifischen Geburtenziffern
dieser Altersgruppe betrachten. Im Jahr 2009 belief sich diese
Geburtenziffer auf 29,6 Kinder pro 1000 Frauen. Die 40jährigen
Frauen kamen auf eine Geburtenziffer von 20,8.
Im Jahr 2010 ging ein
Aufschrei durch die Republik als das Statistische Bundesamt
meldete, dass die zusammengefasste Geburtenziffer um 18 Kinder
pro 1000 Frauen gefallen sei (von 1,376 auf 1,358!). Im Jahr
2006 stand Deutschland praktisch am Abgrund (mehr
hier), weil im Jahr 2005
die zusammengefasste Geburtenziffer um 15 Kinder pro 1000 Frauen
gefallen ist (von 1,355 auf 1,340). Okay, die 29,6 Kinder
beziehen sich auf alle Geburten dieser Altersgruppe, aber
immerhin macht der Anteil der Erstgeburten einen Anteil von ca.
29 % aus, dies entspricht einer Geburtenziffer von fast 8,6. Bei
den Erstgebärenden über 40 jährigen Frauen handelt es sich zudem
in erster Linie um westdeutsche Frauen mit Hochschulbildung oder
promovierte Frauen, also genau jene Gruppe, die im Fokus der
öffentlichen Aufmerksamkeit steht. Zudem steigt bislang der
Anteil der Erstgebärenden bei den 41-44-Jährigen immer noch,
wenngleich auch langsam.
Zum Abschluss sollen 3
Studien analysiert werden, die die Entwicklung der
Kinderlosigkeit unter den Akademikerinnen beschreiben. 2005
erschien der Bericht
Starke Familien, in dem der Familiensoziologe Hans BERTRAM den Zeitraum 1971 - 2003
(1927-1963 Geborene) untersucht hat. Der Mikrozensus 2008, der
erstmals die tatsächliche Kinderlosigkeit von Akademikerinnen
erfasste, lässt die 1927-1931 Geborenen außen vor und betrachtet
die nach 1932 Geborenen. BUJARD dagegen widmet sich auch anhand
neuerer Daten der Mikrozensen 2009 - 2011 den 1942-1971
Geborenen. Während BUJARD nur die westdeutschen Akademikerinnen
betrachtet, werden bei BERTRAM und dem Mikrozensus 2008 auch
Daten für ostdeutsche Akademikerinnen bereit gestellt. Im
Folgenden werden nur die westdeutschen Akademikerinnen
betrachtet.
Während BERTRAM aufzeigt,
dass älteren Akademikerinnen sogar eine höhere Kinderlosigkeit
aufwiesen als die jüngeren Akademikerinnen, suggerieren sowohl der
Mikrozensus 2008 als auch BUJARD, dass die hohe Kinderlosigkeit
bei den jüngeren Akademikerinnen eine Ausnahme ist.
Gemäß BUJARD gab es zwischen
1982 (1942 Geborene) und 2000 einen Anstieg der Kinderlosigkeit
bei Akademikerinnen von 25,4 auf 34,5 %, während danach ein
Rückgang zu verzeichnen wäre. Dies würde bedeuten, dass die
Debatte über die Kinderlosigkeit der Akademikerinnen, die erst
nach 2000 einsetzte, nicht auf der Höhe der Zeit war. Der
Mikrozensus 2008 ergibt dagegen einen Anstieg von 23,1 %
(1949-1953 Geborene) auf 32,4 % bei den 1964-1968 Geborenen. Auf
dem nachfolgenden Schaubild sind die Trends für Westdeutschland
ohne Berlin ersichtlich.
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Quellen:
Destatis 2010, Tabelle 8, S.26 und eigene Berechnungen; Hans Bertram in "Starke
Familien", S.48; Martin Bujard 2012, S.27;
Anmerkungen:
Der Mikrozensus 2008 fasst immer 5 Frauenjahrgänge
zusammen. Im Schaubild wird nur die mittlere Jahreszahl
angegeben (Beispiel: 1935 steht für die Jahrgänge
1933-1938); Bertram hat die Mikrozensen 1971, 1995 und
2003 ausgewertet. Auch hier wurden 5 Frauenjahrgänge bzw.
die 40-44Jährigen zusammengefasst, deren mittlere
Jahreszahl angegeben wird (Beispiel: 1929 steht für die
Jahrgänge 1927-1931); Martin Bujard hat Mikrozensen
1982, 1991, 2000 und 2005 bis 2011 ausgewertet und jeweils
die 40Jährigen betrachtet (Beispiel: Mikrozensus 1982
entspricht den 1942 Geborenen). Im Schaubild wurden die
Jahrgänge 1965 - 1968 und 1970/71 zur besseren
Übersichtlichkeit zusammengefasst. Im weiter oben
abgebildeten Schaubild ist die bei BUJARD dargestellte
Entwicklung im Original wiedergegeben.
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Die Jahrgänge 1964-1968 hatten zum
Zeitpunkt des Mikrozensus im Jahr 2008 ihre endgültige Kinderzahl noch nicht
erreicht, weswegen ein weiterer Rückgang der Kinderlosigkeit,
wie ihn BUJARD aufgrund neuerer Daten ausweist, durchaus
wahrscheinlich ist. Es fällt jedoch auf, dass bis
zum Höchstpunkt beim Jahrgang 1960 (34,5 %) und dem darauf
folgenden Rückgang die Kinderlosigkeit bei BUJARD um ca. 5 %
höher liegt als beim Mikrozensus 2008. Die Zahlen von BERTRAM
liegen für die Anfang der 1950er Jahre geborenen Akademikerinnen
weit höher als im Mikrozensus 2008, während sie für die Anfang
der 1960er Jahre geborenen Akademikerinnen besser mit den Werten
des Mikrozensus 2008 übereinstimmen als jene von BUJARD.
Als Zwischenfazit lässt sich
festhalten, dass es zwar einen Anstieg der Kinderlosigkeit bei
den zwischen 1950 und Anfang der 1960er Jahre geborenen
Akademikerinnen gegeben hat. Dieser Anstieg bewegt sich jedoch
auf einen wesentlich niedrigeren Niveau als die bis Mitte der
Nuller Jahre verbreiteten Schätzungen von über 40 % lebenslang
kinderlosen Akademikerinnen vermuten ließen. BERTRAMs Zahlen
zeigen zudem, dass eine hohe Kinderlosigkeit von Akademikerinnen
kein singuläres Phänomen ist. Warum jedoch ist die
Kinderlosigkeit der Akademikerinnen derart in den Brennpunkt
gerückt?