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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Das Rentensystem und seine Gefährdung durch nicht-demografische Faktoren

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatten, die Sprengwirkung für das System der Rentenversicherung haben (Teil 2)

 
       
       
     
   
     
 

Einführung

Die Rente wird seit Jahrzehnten wegen des demografischen Wandels vor dem Kollaps gesehen. Der Geburtenrückgang und der Anstieg der Lebenserwartung gelten als jene Faktoren, die das Rentensystem bedrohen. Es sind jedoch in der Regel die unbeachteten Nebenfolgen von Entwicklungen, die wirkliche Sprengkraft besitzen. Auf dieser Website wird davon ausgegangen, dass es gerade die nicht-demografischen Faktoren sind, die wirklich bedrohlich sein können. Man könnte das Problem mit Demografiepanik bezeichnen und die Nuller Jahre mit ihrer Hysterie war nur ein Vorgeschmack auf das, was uns in den 1920er Jahren bevorsteht.

Die kommende Demografiepanik speist sich aus drei Quellen, deren Auswirkungen teilweise bereits seit den 1990er Jahren beobachtet werden können und die durch selbstverstärkende Effekte befeuert werden: Renditegier, Angst vor Altersarmut und die Eigengesetzlichkeiten der Mechanismen im Rentensystem. Zu dieser die Demografiepanik begünstigenden Faktoren kommen weitere nicht-demografische Faktoren hinzu, die als Rahmenbedingungen die Demografiepanik weiter befeuern können: der Wandel des Arbeitsmarktes, die Entwicklung der Kapital- und Immobilienmärkte, der Wandel des Parteiensystems und nicht zuletzt die Entstehung der neuen Klassengesellschaft (mehr hier).

In dieser Bibliographie sollen deshalb jene öffentlichen Debatten dokumentiert werden, in denen jene nicht-demografischen Aspekte zur Sprache kommen, die die gesetzliche Rentenversicherung gefährden.

Kommentierte Bibliografie (Teil 2 - 1997 bis 2012)

1997

BÖRSCH-SUPAN, Axel (1997): Eine umfassende Verpflichtung zur Solidarität. Das Festhalten am Umlageverfahren gefährdet den Generationenvertrag - Kapitaldeckung ist möglich und vorteilhaft. In: Annette Lepenies (Hrsg.) Alt und Jung: Das Abenteuer der Generationen, Basel/Frankfurt a/M: Stroemfeld Verlag, S.34-40

2002

BECK, Hanno (2002): Aus der Balance.
Im Jahr 2030 wird jeder vierte Europäer älter als 65 Jahre sein. Das werden auch Anleger spüren. Ihre Hoffnung liegt dann in den Entwicklungsländern,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 31.03.

Hanno BECK erzählt uns folgendes Märchen der Unternehmens- und Kapitalbesitzerlobby von der drohenden Abwärtsspirale:

"Ausgangspunkt dieser Überlegungen sind die Folgen einer Überalterung für den Arbeitsmarkt: Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist rückläufig. Die mögliche Folge: Ein Rückgang des Sozialproduktes, Arbeitsknappheit und steigende Löhne mit negativen Folgen für die Ergebnisse der Unternehmen. Auch für Kapitalbesitzer wird es dadurch unangenehmer: Wird Arbeit in Relation zum Kapital knapp, so sinkt der relative Preis des Kapitals - sprich die Rendite. Zugleich führt die Überalterung der Bevölkerung zu steigenden Kosten für das Gesundheits- und Rentensystem, mit der Folge, daß der Staat die Steuern anheben muß - wiederum zu Lasten der Unternehmen."

Weil die Ausbeutung der Arbeitnehmer in Zukunft schwerer fallen wird, soll es uns schlechter gehen, so will es dieses Märchen. Aber aus der Balance ist nicht die Bevölkerungsentwicklung, sondern der Finanzmarkt.

Uns wird Harry DENT als Oberpriester jener Priesterschaft der Ökonomen vorgestellt, der demografische Entwicklungen zum Ausgangspunkt seiner Glaubenslehre gemacht hat. Als sein deutscher Novize wird uns Georg THILENIUS vorgestellt, der mit seinem Demografiethese bereits heute weiß wie sich der Aktienmarkt in Deutschland entwickeln wird:

"Etwa bis zum Jahr 2015 wird der deutsche Aktienmarkt gut laufen, danach wird sich der demographisch bedingte Rückgang der Altersgruppe der 50jährigen auch in den Aktienkursen niederschlagen",

wird der deutsche DENT-Epigone zitiert. Dumm gelaufen! Die Entwicklung in Japan wird uns retrospektiv so erklärt, dass statt der 50- dort die 40-Jährigen die konsumfreudigsten Altersgenossen waren, die dadurch den Aktienmarkt steuerten. Priesterherrschaft wie bei den Ökonomen erkennt man an solchen retrospektiven Deutungen, die ihren Sinn erst im Nachhinein erhalten.

Zementiert soll diese Priesterherrschaft durch "demographische Manifeste" werden. Die Entwicklungsländer - deshalb heißen sie ja so - sollen die Zukunft der Kapitalmärkte sein, so verheißt es uns die Credit Suisse First Boston. Solange die Weltbevölkerung wächst - so das Credo der demografiegläubigen Ökonomenschar - droht uns kein wirkliches Ungemach. Dann sollten wir schnell aufhören, das Wachstum der Weltbevölkerung stoppen zu wollen! Nach so viel Schwarzmalerei präsentiert uns BECK zum Schluss die kommenden goldenen 20 Jahre:

"Die jetzige Generation der 30- bis 40jährigen werde in den kommenden 15 Jahren bis zu ihrer Rente die produktivste Phase ihres Erwerbsleben erreichen",

prophezeien uns die Ökonomen von UBS Warburg. Wir können uns nun aussuchen, welcher ökonomischen Glaubensgemeinschaft wir uns nun anschließen wollen. Am besten gar keiner!

AUTH, Diana (2002): Auslaufmodell Solidarität.
Weder zukunftstauglich noch gerecht: Die rot-grüne Rentenpolitik entlastet die Unternehmen, begünstigt die Versicherungen und spaltet die Gesellschaft,
in: Freitag Nr.27 v. 28.06.

Diana AUTH erklärt uns die Folgen der Riester-Reform, mit der die Unternehmen entlastet und die jüngere Generation dagegen belastet worden sei. AUTH, die nicht generell gegen eine kapitalgedeckte Altersvorsorge ist, kritisiert, dass bei der privaten Altersvorsorge soziale Ausgleichselemente fehlen und Frauen aufgrund fehlender Unisex-Tarife benachteiligt wären:

"Bei der freiwilligen privaten Altersvorsorge à la Riester sind (...) keine Elemente des sozialen Ausgleichs enthalten. Zeiten der Kindererziehung, der Pflege, der Arbeitslosigkeit, der Krankheit oder Ausbildung werden nicht angerechnet. Ebenso wenig ist eine Hinterbliebenenversorgung oder die Absicherung bei Invalidität vorgesehen. Dafür sind Elemente enthalten, die Frauen benachteiligen, wie etwa die höheren Tarife beziehungsweise geringeren Leistungen für Frauen."

Im Gegensatz zur privaten Altersvorsorge beschreibt AUTH die Vor- und Nachteile der betrieblichen Altersversorgung folgendermaßen:

"Da die betriebliche Altersvorsorge Vorteile gegenüber der privaten aufweist, wie Einsparungen bei Verwaltungskosten, leichtere Durchsetzung solidarischer Elemente und eine mögliche Beteiligung der Arbeitgeber an den Kosten, ist diese Art der Förderung generell positiv zu werten. Problematisch ist allerdings, dass nicht alle Beschäftigten in den Genuss generöser betrieblicher Altersvorsorgemaßnahmen kommen und dass die gesetzliche Rente dadurch ersetzt und nicht (mehr) ergänzt werden soll."

AUTH geht davon aus, dass die Teilprivatisierung nur der erste Schritt hin zum Systemwechsel auf die Kapitaldeckung ist. Zudem wird bemängelt, dass die Reform keine Grundsicherung im Alter gebracht hat. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten wird begrüßt, aber nicht als ausreichend erachtet.

Zuletzt präsentiert uns AUTH noch das alternative Rentenkonzept der IG Bau, das in der Rentendebatte zu Unrecht unbeachtet blieb:

"Nach diesem Konzept soll die gesamte Wohnbevölkerung ab dem 16. Lebensjahr unabhängig von einer Erwerbstätigkeit in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Wenn jemand nicht den (von der IG BAU mit 102 Euro bezifferten) Mindestbeitrag aufbringen kann, müssen staatliche Zuschüsse geleistet werden. Auch Beamte und Selbstständige sind - unter Einhaltung langer Übergangszeiten - beitragspflichtig, und alle zu versteuernden Einkommensarten werden einbezogen. Die Beitragsbemessungsgrenze fällt ebenso weg wie die Hinterbliebenenversorgung nach einer Übergangsphase. Nach 44 Beitragsjahren, im Alter von 60 Jahren, erhält jeder eine Rente auf dem Niveau von 70 Prozent des Nettolohnes. Kindererziehungszeiten werden aufgewertet. Wer allerdings früher in Rente gehen will, muss Abschläge in Kauf nehmen. Gleichzeitig könnte nach dem Modell der IG BAU der Beitragssatz dauerhaft unter 20 Prozent stabilisiert werden. Um dies zu erreichen, sollen die Renten bei etwa 2.300 Euro brutto (bezogen auf das Jahr 2000) gedeckelt werden. Private und betriebliche Altersvorsorge ist hier freiwillig und als Ergänzung zur gesetzlichen Rente gedacht."    

GOY, Martina & Cornelia SCHMERGAL (2002): Heute jung - morgen arm?
Durch die Verluste an den Aktienmärkten wird die Gesellschaft von Altersarmut bedroht. Besonders hart könnte es die junge Generation treffen,
in: Welt am Sonntag v. 28.07.

GOY & SCHMERGAL erklären uns, dass die Talfahrt der Börsen weiter anhalten kann und das Vermögen der Deutschen erstmals in der Nachkriegszeit geschrumpft sei:

"Bilanz-Skandale in den USA, Verluste bei deutschen Banken, die Berg- und Talfahrt der Kurse - die Stimmung der Wirtschaft ist desolat. Der Deutsche Aktien-Index Dax stürzte in der vergangenen Woche auf ein neues Fünf-Jahres-Tief. Die Talsohle, so warnen die Experten, sei noch lange nicht erreicht. (...).
Seit seiner Spitze im März 2000 hat der Dax über die Hälfte seines Wertes eingebüßt. Das meiste in diesem Jahr. Allein in diesem Monat wurden rund 120 Milliarden Euro an Marktkapitalisierung vernichtet. Erstmals seit Gründung der Bundesrepublik ist das Geldvermögen der Deutschen nicht gestiegen."

Bert RÜRUP erklärt uns, dass Altersarmut in Deutschland mittel- oder langfristig zum Problem werden kann. In den USA sei das bereits der Fall:

"Die Amerikaner sehen seit Monaten mit an, wie ihre Ersparnisse im Gleichklang mit dem Dow-Jones-Index zerbröseln. Die private Rente ist für sie der wichtigste Bestandteil ihrer Altersvorsorge. Die meisten Haushalte haben in Aktien investiert, vor allem in den neunziger Jahren. Der Boom bescherte goldene Lebensträume. Zwei von drei Amerikanern konnten es sich leisten, sich schon vor dem 65. Lebensjahr zur Ruhe zu setzen.
Jetzt hat die Baisse sie kalt erwischt. Nach neuen Untersuchungen sind ein Viertel aller Rentner in den USA gezwungen, wieder jobben zu gehen."

Glücklicherweise - für Neoliberale - kam dieser Börsencrash nicht vor, sondern erst nach Einführung der Riester-Rente, sonst wäre die Riester-Reform kaum durchsetzbar gewesen.

Am Schluss bringen uns die Verfechter der kapitalgedeckten Altersvorsorge mit Schauermärchen zur gesetzlichen Rente zur Räson, indem sie Meinhard MIEGEL zitieren:

"»Es gibt keine private Vorsorgeform, die so schlecht abschneidet wie die gesetzliche Rentenversicherung.« Besonders hart wird es künftig diejenigen treffen, die nach 1970 geboren wurden. »Wenn die in Rente gehen«, orakelt Miegel, »wird es eng. Die bekommen aus der Rentenversicherung noch nicht einmal mehr das heraus, was sie einbezahlt haben.«"

Man wird sehen, was diese Drohung Wert sein wird. Vielleicht werden sich die in den 1970er Jahren Geborenen einmal ärgern, dass sie sich nicht mehr für eine Stärkung der gesetzlichen Rente eingesetzt haben.

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG-Serie: Der demographische Balanceakt (Teil 3)

BECK, Hanno (2002): Die Vergreisung der Bevölkerung trifft auch die Kapitalmärkte.
Experten sehen einen Zusammenhang zwischen Demographie und Aktienkursen. Negativbeispiel Japan. Hoffen auf Entwicklungsländer,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 31.07.

Hanno BECK stellt uns die Asset melt down-These von Harry DENT vor. Japan wird als Paradebeispiel für die Richtigkeit genannt.

"Ganz so dramatisch könnte es jedoch nicht werden, denn diese Argumente bauen auf der Idee einer geschlossenen Volkswirtschaft auf. Die Bevölkerung der Welt als Ganzes steigt aber",

wiegelt BECK ab. Zwei Alternativen nennt uns der Autor: Migration und Kapitalexport. Zudem ist die Bedeutung des Konsums eine umstrittene Frage:

"Führt ein Anstieg der Ersparnisse zu einem Rückgang des Sozialproduktes nach dem Muster eines keynesianischen Sparparadoxons oder aber nach klassischem Muster zu einem Rückgang der Zinsen und damit einer Zunahme der Investitionen?

Pharma- und Biotechnologieunternehmensaktien sowie Aktien in China und Indien sollen angeblich lukrativ sein wegen dem dortigen Bevölkerungswachstum. Dagegen gelten Immobilien und Anleihen als Risiko.

POHL, Detlef (2002): Die Riester-Rente hat ihren Preis.
Die Deutschen müssen privat vorsorgen. Der Staat hilft. Wo in Zukunft hohe Renditen zu holen sind, weiß heute noch keiner. Viele Anbieter verschleiern Kosten und Gebühren,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 29.09.

"Jetzt haben auch die Verbraucherschützer ihre reservierte Haltung gegenüber der Riester-Rente aufgegeben. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) rät, noch in diesem Jahr zuzugreifen, um keinen Cent staatliche Förderung zu verschenken",

lockt uns Detlef POHL. Um die schwächelnde Riestervertrags-Erfolgsstatistik zu stützen, verlangen Anbieter von Riester-Produkten horrende Gebühren bei vorzeitiger Kündigung:

"So muß etwa ein Kunde mit 25.000 Euro Bruttojahreseinkommen, der einen Vertrag mit 30 Jahren Anspardauer abgeschlossen hat, bei Vertragsauflösung zum Ende des ersten Jahres bei der Hamburg-Mannheimer bis zu 1.450 Euro Stornokosten zahlen. Das ist weitaus mehr, als er bis dahin überhaupt angespart hatte."

Hinzu kommt, dass Kapitalmarktprobleme die Renditeaussichten trüben. Als Alternative preist uns POHL die Betriebsrente mit der neuen Möglichkeit zur Entgeltumwandlung an. Hier gäbe es jedoch ein Transparenzproblem, erklärt uns POHL:

"Durch die Möglichkeit des Versicherers, die Rechnungsgrundlagen zu ändern (Zins, Sterbetafel) unterliegt die Leistung bei Pensionskassen und -fonds einem nicht nachvollziehbaren Änderungsrisiko. Der Kunde merkt das erst mit Rentenbeginn".

Ein Kasten erklärt uns Entgeltumwandlung richtig gemacht. Eine Tabelle enthält Angaben zu sagenhaften Renditen, die uns nach 35 Jahren erwarten: Bank-Sparpläne u.a. der Kreissparkasse Kaiserslautern (5,79 %), Fonds-Sparpläne von Union-Investment und DWS (8,6 %). Als Quelle wird die Zeitschrift Finanztest genannt. Zielgruppe sind Singles (Beispielhaft ein 30 jähriger lediger Mann mit 25.000 Euro Bruttoeinkommen im Jahr. 

LAAK, Dirk van (2002): Die zornigen Alten.
In der vertrauensseligen Gemütsruhe des Sozialstaates taten sich Rentner und Junge lange Zeit nicht weh. Jetzt aber droht Streit,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.11.

Der Historiker Dirk van LAAK verkauft uns die Riester-Reform als Rückkehr zu vergangenen Zeiten:

"Wenn jetzt die Vorsorge aus privatem und betrieblichem Kapital das Umlageverfahren ergänzt, ist dies auch eine Rückkehr zu früheren, weniger zentralistischen Formen der Alterssicherung."

Die Gewinner des Umlageverfahren werden uns als die 1915 bis 1935 Geborenen präsentiert, die als "Wohlfahrtsgeneration" bezeichnet wird. Diese werden von LAAK zudem als "zornige Alte" beschrieben:

"Obwohl ihre Renten kaum gefährdet sind, tragen sie zum moralischen Unterton der Rentendebatte bei, weil sie die Einschränkung von Leistungen oft mit Undankbarkeit identifizieren."

Belege für die Richtigkeit seiner Aussage nennt er uns jedoch nicht. LAAK beschreibt uns noch das traditionelle Ruhestandsmodell, dessen Mentalität sich inzwischen auf die Frührente ausgedehnt hat:

"Die Alten sind kaum mehr als Träger von Traditionen und Fertigkeiten gefragt.
Ein erweitertes Verständnis von Berufsunfähigkeit und großzügige Vorruhestandsregelungen haben den Zugang zur Rente erleichtert. Die meisten Arbeitnehmer zählen die Jahre, die sie noch brauchen, um sich endlich ein schönes Leben zu gönnen. Der Lebensabend ist zu einem begehrten Zustand geworden. Nicht mehr unbedingt das Lebensalter entscheidet über den Ausstieg aus dem Erwerbsleben, sondern das gewünschte Niveau der inzwischen erworbenen Ansprüche."

Diese Mentalität trifft nun auf die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters. Am Schluss erklärt LAAK das heutige Rentensystem zu einer historischen Epoche, die sozusagen nun vorbei ist. 

2003

KLÖCKNER, Bernd W. (2003): Die gierige Generation. Wie die Alten auf Kosten der Jungen abkassieren, Frankfurt a/M: Eichborn Verlag

Bernd W. KLÖCKNER vertritt die Interessen der Versicherungsbranche, indem er die Renditen der gesetzlichen Rentenversicherung hervorhebt, ohne die Risiken der privaten Altersvorsorge zu nennen:

"Ein 1930 Geborener, der 45 Jahre rund 187.000 DM in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlte, erhält knapp 330.000 DM an Rentenleistungen. Das ist mehr als das 1,7fache. Die Rendite dieser Kapitalanlage des Alten liegt bei rund 3 Prozent. Wer dagegen 2015 in Rente geht, muss sich mit wahrscheinlich rund einem Prozent Rendite zufrieden geben. Wer 2030 die Rente antritt, wird auf belustigende null Prozent kommen, und für alle späteren Rentner gibt es voraussichtlich eine Minus-Rendite. Auf den Punkt gebracht: Das jetzige Rentensystem führt zwangsläufig dazu, dass einige für ihre Investitionen nicht nur keinen Zins erhalten, sondern sogar weniger als die eigenen Investitionen zurückbezahlt bekommen."
(zitiert nach der Taschenbuchausgabe 2005, S.29)

In seiner Warnung an die ewigen Vorsorge-Zögerer geht KLÖCKNER von einer gegenwärtig traumhaft hohen effektiven Verzinsung von 5 % aus. Das Jahr 2015 ist mittlerweile Geschichte und statt der Traumrenditen der privaten Altersvorsorge ist die gesetzliche Rentenversicherung mit unschlagbaren und risikolosen 3 % Rendite zum Renner bei denjenigen avanciert, die genügend Geld auf der hohen Kante haben und auf ihre gute Gesundheit wetten!

Konsequenterweise ist KLÖCKNER inzwischen ganz auf die Seite der Finanzdienstleister gewechselt! 

HERRMANN, Ulrike (2003): Klassenkampf von oben.
"Generationengerechtigkeit" heißt das neue Schlagwort. Doch es führt in die Irre: Es gibt keinen Kampf zwischen den Generationen - sondern zwischen Reich und Arm,
in: TAZ v. 04.01.

Ulrike HERRMANN skizziert uns die politische Karriere des Begriffs "Generationengerechtigkeit":

"Norbert Blüm hat den Begriff für seine Rentenreform benutzt, 1998 hat ihn die FDP für sich entdeckt. Die Liberalen können zufrieden sein mit ihrem Marketingerfolg: Inzwischen sind alle Parteien bemüht, als die Vorkämpfer der Generationengerechtigkeit zu erscheinen. Und jüngst wurde die neu entdeckte Generationengerechtigkeit noch weiter aufgewertet: Sie ist nun sogar Anliegen eines Expertengremiums - der Rürup-Kommission, die ihre Ergebnisse im Herbst 2003 vortragen wird."

Als Alltagswissen gilt gemäß HERRMANN inzwischen, dass das staatliche Rentensystem kollabiert und dass Altersarmut nur durch private Altersvorsorge vermieden werden kann. Die Jahre ab 2030 werden uns von Neoliberalen als Horror geschildert. HERRMANN hält dem entgegen, dass wir keinen Generationenkrieg erleben, sondern einen Klassenkampf von oben.

ÖCHSNER, Thomas (2003): Schönrechnerei bei der Rente,
in: Süddeutsche Zeitung v. 08.01.

Thomas ÖCHSNER kritisiert - mit Verweis auf ein Focus-Interview mit Bert RÜRUP  - die Renteninformation der BfA, deren Angaben über die Höhe der zu erwartenden Rente zu optimistisch seien, weil zum einen die Inflation nicht mitberücksichtigt wird und zum anderen eine jährliche Erhöhung der Rente von 3,5 % angenommen wird. Tatsächlich enthält die Renteninformation aber auch eine Prognose mit 1,5 % jährlicher Rentenerhöhung, die verschwiegen wird. ÖCHSNER störte nicht, dass die Finanzdienstleister mit überhöhten Renditenversprechungen lockten, sondern dass nun die BfA dies ebenfalls tut und dadurch den Absatz von Riester-Produkten hemmt:

"Jahrelang haben Versicherer, Banken und Fondsgesellschaften mit viel zu optimistischen Rendite-Prognosen Kunden geködert. Eine staatliche Behörde sollte ähnliche Zahlenspiele unterlassen. Das würde sich auch auf die Riester- Rente positiv auswirken. Bislang haben viel weniger Bürger als erwartet die neue staatliche Förderung der privaten oder betrieblichen Altersvorsorge genutzt. Realistische Informationen über die gesetzliche Rente könnten den Absatz der Riester-Produkte fördern."

Fazit: Die Renteninformation wird von den Verfechtern der privaten Altersvorsorge als reines Marketinginstrument in Sachen Verbesserung der Absatzmöglichkeiten von Riester-Produkten verstanden.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Tagesthema: Wiedereinführung des demografischen Faktors in der Rentenversicherung

GRAUPNER, Heidrun & Robert JACOBI (2003): Altes Rezept unter neuem Namen.
Der Altersaufbau der Gesellschaft soll bei der Rentenberechnung wieder stärker berücksichtigt werden,
in: Süddeutsche Zeitung v. 23.04.

OESTREICH, Heide (2003): Rürups neue Rentenformel liegt vor.
Ein "Nachhaltigkeitsfaktor" soll die Höhe der Altersbezüge dem jeweiligen Beitragsaufkommen anpassen. Das Rentenalter soll auf 67 Jahre steigen. Die Gewerkschaftsvertreter halten dagegen: Ältere Menschen würden ohnehin kaum noch beschäftigt,
in: TAZ v. 25.04.

BUNZENTHAL, Roland (2003): Demografischer Faktor.
Wort-Schatz,
in: Rheinischer Merkur v. 01.05.

Der Rheinische Merkur erklärt uns wie aus dem 1997 von Bert RÜRUP im Auftrag von Arbeitsminister Norbert BLÜM entwickelten demografischen Faktor der Nachhaltigkeitsfaktor werden soll.

Während der demografische Faktor die Renten an die steigende Lebenserwartung gekoppelt hätte, soll nun der Nachhaltigkeitsfaktor für die weitere Absenkung des Rentenniveaus sorgen. Nicht jedoch der demografische Wandel macht das notwendig, sondern die Konjunkturschwäche der deutschen Wirtschaft.

"Rürup empfiehlt (...) das Rentenniveau über die kommenden 30 Jahre um 2,2 Prozentpunkte abzusenken. Dies soll zusätzlich zu der 2000 beschlossenen Absenkung um sechs Prozentpunkte gelten (,)(...) damit die Rentenbeiträge nicht bis 2030 auf 24,5 Prozent steigen",

werden uns die Vorschläge der Rürup-Kommission erklärt.

ÖCHSNER, Thomas (2003): Vorsorgekonto als Alternative.
Die Reform der Riester-Rente rückt näher,
in: Süddeutsche Zeitung v. 27.05.

Thomas ÖCHSNER präsentiert uns die Vorstellungen des BVI Bundesverbands Investment und Asset Management, der die Fondsgesellschaften vertritt und für ein Vorsorgekonto plädiert, um dem unterstellten Informationsmangel der potenziellen Versicherten abzuhelfen. ÖCHSNER erklärt uns die Vorteile anhand von Hemmnissen bei der betrieblichen Altersvorsorge:

"Wechselt z.B. ein Facharbeiter von der Metall- in die Chemieindustrie, kann er seine Ansprüche aus der »MetallRente« nicht einfach auf den Pensionsfonds der Chemiebranche übertragen. Das neue Vorsorgekonto soll dagegen - angesichts einer flexibleren Arbeitswelt - uneingeschränkt übertragbar sein."

Mit Blick auf die USA und die Schweiz, deren kapitalgedeckte Altersvorsorge von einer Kapitalmarktkrise bedroht ist, hält sich ÖCHSNER notgedrungen mit radikaleren Plänen der Finanzdienstleistungslobbyisten zur Deregulierung zurück. 

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG-Serie: Die demographische Zeitbombe (Teil 2)

WELTER, Patrick (2003): Am Kapitalmarkt gibt es mehr.
Renditevergleiche lassen die Rente schlecht aussehen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.08.

Patrick WELTER nennt uns zuerst die Probleme bei Renditeberechnungen:

"Solche Analysen sind umstritten, weil sie auf Annahmen beruhen über die künftige Entwicklung von - politisch bestimmten - Beitragssätzen und Rentenhöhen, über die Lebenserwartung, die Inflationsraten und die Einkommensentwicklung."

Mit keinem Wort erwähnt dagegen WELTER, dass nicht nur die Lebenserwartung, sondern alle demografischen Faktoren mehr oder weniger anfällig für Fehleinschätzungen sind. Dagegen nennt WELTER folgende Aspekte als "hinreichend abgesichert":

"Spät geborene unverheiratete Männer erzielen in der GRV die geringsten Renditen Frauen haben eine höhere Lebenserwartung und so eine höhere Rendite. Verheiratete haben eine höhere Rendite. Später Geborene haben eine niedrigere Rendite als frühere Jahrgänge."

Auch diese Aspekte sind keineswegs stichhaltig, denn sie korrelieren z.B. mit dem Einkommen, d.h. Besserverdiener haben eine höhere Rendite als Geringverdiener. Hier geht es also lediglich darum, bestimmte Gruppen gegeneinander auszuspielen. Der entscheidende Punkt ist jedoch:

"Die Rendite der GRV muß verglichen werden mit der Rendite in einem kapitalgedeckten Rentensystem."

Daraus folgt, dass auch deren Entwicklung gravierende Auswirkungen auf die Rendite haben. So führen z.B. Unisex-Tarife bei Lebensversicherungen zu geringeren Renditen von Männern im Vergleich zu geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Tarifen.

ERL (2003): Wie die Renten errechnet werden.
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.08.

SCHERFF, Dyrk (2003): Wieviel Rente bleibt mir noch?
Die Regierung kürzt weiter: Die zehn wichtigsten Fragen zur Altersvorsorge,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 26.10.

Dyrk SCHERFF gibt uns auf folgende 10 Fragen Antworten:

1. Wie stark sinkt meine Rente im kommenden Jahr?
2. Und wie seiht es in einigen Jahren aus?
3. Renten müssen bald versteuert werden. Was kostet das?
4. Wieviel muß ich privat vorsorgen?
5. Wird die private Vorsorge einfacher und übersichtlicher?
6. Gelten die neuen Regeln auch für alte Verträge?
7. Für wen macht die Riester-Rente Sinn?
8. Wird auch die betriebliche Vorsorge attraktiver?
9. Sind Lebensversicherungen noch zur Vorsorge geeignet?
10. Also schnell noch abschließen?

Bei der privaten Altersvorsorge beruft sich SCHERFF bei der Höhe des Anteils auf das DIA, eine Lobbyorganisation der Finanzdienstleister:

"Das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) empfiehlt, ein Alterseinkommen von 70 Prozent des Nettoeinkommens anzustreben. Dafür ist private Vorsorge nötig. Jüngere und Geringverdiener müssen im Jahr weniger privat zurücklegen als Ältere und Reiche. Denn in jungen Jahren ist mehr Zeit zum Ansparen, und niedrige Einkommen werden steuerlich geringer belastet. Das DIA empfiehlt bei einem gesetzlichen Rentenniveau von 64 Prozent für ein Einkommen von 30000 Euro für den Jahrgang 1970 eine Sparsumme von rund 360 Euro für Männer und 440 Euro im Jahr bei Frauen. Für den Jahrgang 1960 sind es schon 800 und 860 Euro."

Als Experten präsentiert uns SCHERFF Tom Friess vom VZ Vermögenszentrum, ein im Jahr 2000 gegründetes Finanzberatungsunternehmen, das sich in seiner Selbstdarstellung als "unabhängig" beschreibt. Daneben lässt er Thomas BIELER von der Verbraucherzentrale NRW zu Wort kommen. Diese Experteneinschätzungen sind lediglich auf Produktbewertungen innerhalb des bestehenden Systems gerichtet, während grundlegende Beschränkungen des Systems der Altersvorsorge außen vor bleiben.

SCHERFF präsentiert uns eine Grafik zur Zusammensetzung des Alterseinkommens in verschiedenen Ländern, die nachfolgend als Tabelle aufgelistet sind:

Tabelle: Zusammensetzung des Alterseinkommens
Land Gesetzliche Rentenversicherung Betriebliche Altersvorsorge Private Altersvorsorge
Deutschland 85 % 5 % 10 %
Großbritannien 65 % 25 % 10 %
Niederlande 50 % 40 % 10 %
Vereinigte Staaten 45 % 13 % 42 %
Schweiz 42 % 32 % 26 %
Quelle: DIA; FAS-Grafik 2003

Es zeigt sich, dass Deutschland lediglich mit Ländern verglichen wird, bei denen der Anteil der nicht-gesetzlichen Rente höher ist. Es wird suggeriert, dass die Deutschen zu wenig individuelle Altersvorsorge betreiben. Die Zusammensetzung der Alterseinkommen lässt sich zudem nicht nachvollziehen und wird auch im Text nicht erklärt.

Das Einmaleins der Rente soll uns die Begriffe Nachgelagerte Besteuerung, Nachhaltigkeitsfaktor, Schwankungsreserve und Zertifizierungskriterien erklären.

SCHMITT, Thomas (2003): Im Alter fehlt das Geld.
Vorsorgen tut not. Das ist das Fazit jeder Rentendebatte. Doch die Menschen geben ihr Geld lieber aus. Das rächt sich im Alter bitter,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 16.11.

"Wenn heute noch rund 70 Prozent des Nettolohns als Rente möglich sind, so dürften es in 30 Jahren unter 60 Prozent sein. Denn die Rentensteigerung werde sicherlich geringer ausfallen als die allgemeine Einkommensentwicklung",

präsentiert uns Thomas SCHMITT die Meinung von Reinhold SCHNABEL ("Rentenexpert"). Dieser sieht Probleme weniger bei den Besserverdienern, sondern bei den Geringverdienern. Das noliberale DIA (Bernd KATZENSTEIN) und das VZ Vermögenszentrum (Michael HUBER) haben für uns Faustformeln parat:

"Als Faustformel für einen heute 25 bis 30 Jahre alten Akademiker nennt Katzenstein ein Vorsorgekapital von 1,5 Millionen Euro. Huber empfiehlt: Der Kapitalstock sollte mindestens das Zehnfache des letzten Bruttogehaltes betragen. Wer also kurz vor der Rente 100.000 Euro verdient, sollte eine Million auf der hohen Kante haben.
Dahin kommt am sichersten, wer früh anfängt, regelmäßig immer größere Beträge zu sparen. Auch dafür nennen die Experten Faustformeln. Katzenstein: »Ein Durchschnittsverdiener muß sechs bis acht Prozent des Bruttolohns sparen.«"

Uns wird außerdem die Wichtigkeit des Zinseszins beigebracht:

"Wer heute mit 10.000 Euro startet und in 30 Jahren eine Million Euro braucht, dabei mit einem Zinssatz von vier Prozent kalkuliert, sollte nun jeden Monat 1300 Euro zurücklegen. Rechnet er dagegen mit fünf Prozent, sinkt die Sparrate auf etwa 1150 und bei sechs Prozent auf 935 Euro."

Und dann sollen wir auch noch die Inflation berücksichtigen:

"Eine Million Euro sind bei 2,5 Prozent Inflation in 35 Jahren zum Beispiel nur noch die Hälfte wert. Wer vorsichtig plant, kalkuliert daher eher mit drei Prozent Inflation."

Sechs Beispielrechnungen des DIA für unterschiedliche Altersgruppen werden uns von SCHMITT präsentiert, die in 3 Bruttoeinkommensgruppen unterteilt werden (Niedrigverdiener: 1.827 Euro/Monat; Durchschnittsverdiener: 2.436 Euro/Monat; Besser- und Spitzenverdiener: 5.100 Euro/Monat). Außerdem wird auf die Renteninformation und deren Mängel aus Sicht der DIA eingegangen.   

SCHMITT, Thomas (2003): Die Kaufkraft der Rente sinkt.
Einen Inflationsausgleich erwarten nur noch Optimisten,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 16.11.

In dem Artikel befasst sich Thomas SCHMITT mit den Varianten der prognostizierten Rentenanpassungen in den Beispielberechnungen (keine, 1 und 2 Prozent Steigerung). Das VZ Vermögenszentrum rechnet mit keiner Rentenanpassung. Das DIA geht von einem Prozent aus und Reinhold SCHNABEL rechnet mit 2 oder sogar 3 Prozent Rentensteigerung. Die prognostizierte Inflation von zwei Prozent rechtfertigt SCHMITT folgendermaßen:

"Zwei Prozent Inflation sind (...) ein Kompromiß: Der Wert liegt über der aktuellen Rate, entspricht dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank, unterschreitet aber Erfahrungswerte. In den vergangenen 30 beziehungsweise 40 Jahren betrug die Geldentwertung durchschnittlich drei Prozent, für 1952 bis 2002 sind es in Deutschland 2,7 Prozent. Nur wer zehn oder zwanzig Jahre betrachtet, kommt auf Werte knapp unter zwei Prozent."

SCHMITT rechnet einem heute 20-Jährigen Durchschnittsverdiener (2.436 Euro/Monat) vor, was er 2047 bei 2 Prozent Inflation pro Jahr an Rente zu erwarten hat:

"Um die zu erwartende Rente zu beurteilen, sollte der Nominalwert in Beziehung gesetzt werden zum letzten Einkommen vor Rentenbeginn. (...). Angenommen, Löhne und Gehälter steigen wie in der Modellrechnung pro Jahr um zwei Prozent: Ein heutige durchschnittlich verdienender 20jähriger hätte dann im Jahr 2047 brutto 5.822 Euro, aber nur 1.840 Euro Rente - wenn  man ein Prozent Rentensteigerung annimmt." 

SCHERFF, Dyrk (2003): Geschickt über die Rentenlücke.
Die staatliche Rente sinkt. Privat sparen ist unerläßlich. Je früher, desto besser. Wer seinen Lebensstandard halten will, muß bis zu zehn Prozent vom Gehalt zurücklegen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.12.

Das DIA, eine Lobbyorganisation der Finanzdienstleister, ist unzufrieden mit der Entwicklung der Riester-Verträge:

"In diesem Jahr haben schon 300.000 ihren Vorsorgevertrag gekündigt, während nur 200.00 einen neuen abgeschlossen haben. (...). Am schlimmsten aber: 22 Prozent aller Befragten sorgen nicht einmal ungefördert vor und verlassen sich statt dessen voll auf die staatliche Rente",

teilt uns Dyrk SCHERFF mit. Dabei gäbe es doch gute Zinsen: 5 %! Das DIA möchte gerne, dass wir 70 Prozent des letzten Nettoeinkommen als Einstieg in den Ruhestand anstreben. In einer Tabelle werden uns die folgenden jährlichen Sparraten empfohlen:

Tabelle: Altersvorsorge für 70 Prozent des Nettoeinkommens zu Rentenbeginn
Brutto-
einkom-men
(in Euro)
Jahrgang 1950 Jahrgang 1960 Jahrgang 1970 Jahrgang 1980
Spar-
summe
(pro Jahr/€) *
Kapital bei Renten-beginn in Euro ** Spar-
summe
(pro Jahr/€) *
Kapital bei Renten-beginn in Euro ** Spar-
summe
(pro Jahr/€) *
Kapital bei Renten-beginn in Euro ** Spar-
summe
(pro Jahr/€) *
Kapital bei Renten-beginn in Euro **
Männer
Niedrig
22.875 €
1.487 19.377 938 27.919 618 33.021 458 39.626
in % 6,5 %   4,0 %   2,7 %   2,0 %  
Mittel
30.500 €
2.440 31.798 1.617 48.120 1.068 57.073 732 63.401
in % 8,0 %   5,3 %   3,5 %   2,4 %  
Hoch
61.000 €
6.100 79.523 4.088 121.705 2.685 143.549 1.831 158.560
in % 10 %   6,7 %   4,4 %   3,0 %  
Frauen

Mittel
30.500 €

3.050 39.747 1.922 57.199 1.281 68.487 885 76.610
in % 10 %   6,3 %   4,2 %   2,9 %  
Anmerkungen: * in Euro und in Prozent des Bruttoeinkommens; ** in Euro, inflationsbereinigt; Renditeannahme: 5 %
Quelle: DIA; FAS-Grafik 2003

Das Problem: Es wird von einer Rendite von fünf Prozent ausgegangen, die es nur in besseren Zeiten gab. Es wird zudem von einem schrittweise Absinken der gesetzlichen Rente von heute 70 Prozent auf 58 Prozent des Nettoeinkommens ausgegangen, wobei uns die genauen Schritte verschwiegen werden.

Und das war noch nicht alles. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rente gibt es bei der privaten Altersvorsorge keine Anpassungen, sodass diese ebenfalls mit eingeplant werden müssen:

"Da die Löhne weiter steigen, sinkt die prozentuale Höhe. Sollen die Einnahmen der Rentner entsprechend mitwachsen, muß der jährliche Sparbeitrag um ein bis zwei Prozentpunkte erhöht werden. Wenn man es sich denn leisten kann."

2004

MAIDT-ZINKE, Kristina (2004): Arme Alte.
Lang ist der Lebensabend, doch immer kürzer die Rente,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.01.

Kristina MAIDT-ZINKE nimmt die erstmalige Versendung von Renteninformationen durch die BfA zum Anlass, um Horrorvisionen von Altersarmut aufkommen zu lassen:

"Manch einer, der in diesen Monaten erstmals seine persönliche Renteninformation von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erhalten hat, ist über Nacht ergraut. Die Geringfügigkeit der prognostizierten Beträge, die in der Euro-Währung noch erschütternder wirken, addiert sich zu den täglichen Meldungen über weitere Kürzungen und höhere Besteuerung der Renten, steigende Belastung der Rentner durch Kranken- und Pflegeversicherung, Senkung der Garantiezinsen bei Kapital-Lebensversicherungen und neuerdings auch noch Einsparung der Betriebsrenten."

Für MAIDT-ZINKE vollzieht sich seit  zwei Jahrzehnten hinsichtlich des Lebensabends ein Wandel weg von der Sinn- hin zur Einkommensfrage. Angesichts der Entdeckung der Alten als unentbehrliche Konsumenten ("master consumer") sei die Bedrohung des Lebensstandards eine Gemeinheit, bei der weder Literatur noch Philosophie weiterhelfen würden - außer Arthur SCHOPENHAUER und Woody ALLEN.

Die Alterspyramide hat für MAIDT-ZINKE bereits die Form eines "Grabsteins" angenommen - eine Variante der geläufigeren "Urne"-Metapher.

Die Selbständigen könne die gegenwärtige Situation - im Gegensatz zu den abhängig Beschäftigten - jedoch nicht schrecken:

"Wir Freiberufler jedenfalls, die wir uns in der Aesopschen Fabel von Grille und Ameise als das fröhlich fiedelnde Fluginsekt ohne Vorsorgedrang wiedererkennen, wussten von Anfang an, dass die Künstlersozialkasse, sozusagen die Bohème-Variante des Bismarck-Systems, uns kein sanftes Altersruhekissen verschaffen würde.
Deshalb kann uns jetzt die Aussicht auf dreistellige Beträge in zwanzig Jahren nicht schrecken".

BUNZENTHAL, Roland (2004): "Alte sind seltener arm".
DIW für rasche Rentensteuer,
in: Frankfurter Rundschau v. 05.02.

GRABKA, Markus (2004): Einkommen, Sparen und intrafamiliale Transfers von älteren Menschen,
in: DIW-Wochenbericht Nr.6 v. 05.02.

SCHWENN, Kerstin (2004): Verlorenes Vertrauen.
Kommentar,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.03.

Kerstin SCHWENN redet die gesetzliche Rentenversicherung schlecht:

"Nullrunde und verdoppelte Pflegebeiträge führen in diesem Jahr zu Rentenkürzungen. Bei vielen schmälert außerdem der verdoppelte Krankenkassenbeitrag auf Betriebsrenten die zusätzlich privat angesparten Altersbezüge spürbar."

Das Vertrauen sei gesunken. Nur hat das nichts mit dem demografischen Wandel zu tun, sondern mit der Konjunkturschwäche der Wirtschaft, also mit Sondereffekten wie uns bei anderen Gelegenheiten gerne vorgehalten wird. Nichtsdestotrotz spricht SCHWENN gerne von "Notoperationen", wenn lediglich die üblichen Nachjustierungen notwendig sind. Außerdem schwingt SCHWENN die Generationenvertragskeule, obwohl das alles nichts mit demografischem Wandel zu tun hat. Es ist diese Art von neoliberaler Verdummungsstrategie, die die gesetzliche Rente in Verruf bringt und dahinter stecken die Profitinteressen der Anbieter privater Altersvorsorge.

Abseits dieser hysterischen Sicht, geht es hier um etwas ganz anderes. SCHWENN und der Unternehmenslobby, die sie hier vertritt, geht die rot-grüne Reform der Alterssicherung nicht weit genug:

"Im Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz, das heute verabschiedet werden soll, schreibt sie den Satz bis 2030 auf höchstens 22 Prozent des Bruttoeinkommens fest. Um den Wähler zu schonen, blendet die Regierung jedoch die von der Rürup-Kommission für zwingend gehaltene gleichzeitige Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre aus."

Die notwendig werdenden Einschnitte bei den Renten werden in dieser verqueren Sicht mit der Nichteinführung der Rente mit 67 begründet:

"Damit die Renten nicht unbezahlbar werden, soll jetzt ein Nachhaltigkeitsfaktor ihren Anstieg dämpfen. Durch ihn und den Rechenfaktor der seit 2003 die (angenommenen) Aufwendungen der Jungen für die »Riester-Rente« ausgleichen soll, werden die am Einkommenszuwachs orientierten Rentenanpassungen jährlich um rund 0,7 Prozentpunkte gemindert. Der stetige Rückgang des Renteniveaus wird durch den geplanten Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von 2005 an noch beschleunigt. Nach Berechnungen der Rentenversicherer wird das Nettorentenniveau eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren (unter Abzug der Sozialbeiträge, aber vor Steuern) schon bei optimistischen Annahmen zum Wirtschaftswachstum bis 2030 von heute 52 auf 43 Prozent sinken."

Die Parteilinken und die Gewerkschaften sollen angeblich ein garantiertes Mindestniveau von 46 Prozent per Gesetz durchsetzen können, will uns SCHWENN weismachen.

SCHWENN redet uns ein, dass die Rendite der gesetzlichen Rente niedriger liegen wird als die der privaten Altersvorsorge:

"Die Vorsorgelast des Arbeitnehmers erhöht sich zunehmend. Wenn er dereinst (freiwillig) rund vier Prozent seines Einkommens für eine private oder betriebliche Alterssicherung aufbringen soll, liegt sein »Rentenbeitrag« 2030 bei rund 26 Prozent. Welche Renditeerwartungen darf er dann noch haben? Ist das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht verletzt, wenn die Höhe der gesetzlichen Rente auch beim Bezug bis ins hohe Alter im Schnitt deutlich unter den früheren Einzahlungen liegt?"

hetzt uns SCHWENN auf. Von Zwangsmitgliedschaft schwadroniert SCHWENN. Lieber hätte sie wohl eine Zwangsmitgliedschaft in der privaten Altersvorsorge, was die Finanzdienstleister natürlich freuen würde. Denn wo sonst gibt es sichere Einnahmequellen?

SCHERFF, Dyrk (2004): Den Rentnern geht es an den Geldbeutel.
Ab 31. März werden die Rentner noch stärker belastet. Sie zahlen doppelt soviel für Pflege. Die Einkünste sinken. Zum ersten Mal seit dem Krieg,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.03.

"Es wird ein schwarzer Tag für alle Senioren: Wenn am kommenden Mittwoch, die Rente für den April auf dem Konto eintrifft, dann werden sie erstmals in der Nachkriegsgeschichte eine Kürzung ihrer Altersbezüge zu verkraften haben. Denn dann müssen sie auf ihre staatliche Rente den vollen Beitragssatz für die Pflegeversicherung zahlen statt bisher den halben Satz. Und gleichzeitig fällt die übliche Rentenerhöhung in diesem Jahr aus",

erklärt uns Dyrk SCHERFF, der dies als Beitrag zur Generationengerechtigkeit beschreibt. Dazu präsentiert uns SCHERFF eine ganze Liste mit Belastungen:

- Voller Beitrag zur Pflegeversicherung (1,7 % statt wie bisher 0,85 %)
- Höhere Sozialbeiträge auf Betriebsrenten
- Nullrunde
- Anpassung der Kassenbeiträge
- Auszahlung am letzten Banktag
- Dämpfung des Rentenanstiegs von 2005 an
- Versteuerung
- Ausbildungszeiten

Die FAS listet uns die jährlichen Rentenerhöhungen seit 1990 folgendermaßen auf, um uns eine durchschnittliche Rentenerhöhung von 2,07 % bis 2003 vorrechnen zu können:

Jahr Zeitpunkt West Ost
1990 1.7. 3,10 % -
1991 1.1. - 15 %
  1.7. 4,70 % 15 %
1992 1.1 - 11,65 %
  1.7. 2,87 % 12,73 %
1993 1.1. - 6,10 %
  1.7. 4,36 % 14,12 %
1994 1.1. - 3,64 %
  1.7. 3,39 % 3,45 %
1995 1.1. - 2,78 %
  1.7. 0,50 % 2,48 %
1996 1.1. - 4,38 %
  1.7. 0,95 % 1,21 %
1997 1.7. 1,65 % 5,55 %
1998 1.7. 0,44 % 0,89 %
1999 1.7. 1,34% 2,79 %
2000 1.7. 0,60 % 0,60 %
2001 1.7. 1,91 % 2,11 %
2002 1.7. 2,16 % 2,89 %
2003 1.7. 1,04 % 1,19 %
2004 1.7. 0,00 % 0,00 %

Die Rentensteigerungen für Westrentner betragen von 1990-2003 zusammen 29,01 % und ergeben dadurch eine durchschnittliche jährliche Rentensteigerung von nur 1,934 %. Würde man den Durchschnitt der Jahre 1983 bis 2003 für Westrentner berechnen, käme man dagegen sogar auf 2,44 %.

SCHERFF, Dyrk (2004): Die neue Angst vor dem Crash.
In 50 Jahren wohnen in Deutschland ein Fünftel weniger Menschen. Schlecht für die heimischen Börsen. Anleger kaufen in Entwicklungsländern, denen es gut geht,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.05.

"Deutschland wird immer älter - und in zehn Jahren beginnt es auch noch zu schrumpfen. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen wird die Bevölkerung bis 2050 von heute rund rund 80 auf 70 Millionen Menschen sinken. Das Statistische Bundesamt sieht sogar einen Rückgang bis auf 65 Millionen. Und das unter der Annahme von 100.000 Einwanderern jährlich. Bildlich gesprochen wäre damit Nordrhein-Westfalen ausgestorben",

will uns Dyrk SCHERFF einreden. Danach wird uns die "Asset Meltdown-These" vorgestellt:

"Danach würden in rund 25 Jahren die Nachfrage der Haushalte nach Finanzanlagen massiv zurückgehen und die Vermögen drastisch sinken. Dieses Szenario werde schon früher seine Schatten auf die Finanzmärkte werfen. Hintergrund dieser Theorie ist die Erkenntnis, daß um die Jahr 2020 bis 2030 die zahlenmäßig starke Babyboomer-Generation in Rente geht und ihre Vermögenswerte teilweise verkauft, um damit den Konsum im Alter zu finanzieren. Und weil es viele Verkäufer, aber weniger Käufer geben werde, müßten die Preise für Wertpapiere unter Druck geraten.
Dieses Problem nimmt noch dadurch zu, daß der Konsum der älteren Bürger durch immer mehr Eigenbeteiligungen wie im Gesundheitswesen steigt. Und die Immobilienmärkte leiden, weil die schrumpfende Bevölkerung weniger Wohnungen und Eigenheime braucht, so daß auch die Preise für Immobilien sinken."

SCHERFF nennt Arbeiten von MANKIW & WEIL aus dem Jahr 1989 als Vordenker dieser Niedergangsthesen, denen Axel BÖRSCH-SUPAN seine optimistischere Sicht entgegensetzt:

"Die Demographie werde sich zwar sicher auf die Finanzmärkte auswirken. Aber das werde langsam, vorhersehbar und weniger stark geschehen, als Pessimisten glauben. Die Globalisierung der Finanzmärkte eröffne Ausweichmöglichkeiten in Länder, in denen die Altersstruktur besser ist. Zudem seien viele Faktoren wie Frauenerwerbsquote, Haushaltsentwicklung, Zuwanderung, Risikoeinstellung und Konsumverhalten kaum über Jahrzehnte prognostizierbar."

Auch in dieser Ansicht wird die Demographie als unumstößliches Naturgesetz beschrieben und Bevölkerungsvorausberechnungen werden uns wie Wahrheiten präsentiert, obwohl sie lediglich Annahmen simpel in die Zukunft fortschreiben, statt uns Alternativszenarien aufzuzeigen. 

SCHERFF, Dyrk (2004): Die Renditen sinken.
Anleihen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.05.

"Der Zwang zu verstärkter Altersvorsorge wird auch am Rentenmarkt nicht spurlos vorübergehen. Anleihen gehören zu jeder soliden Vorsorge. Das stützt die Kurse und senkt die Renditen",

erklärt uns Dyrk SCHERFF, der uns Berechnungen von Axel BÖRSCH-SUPAN vorstellt:

"Danach senkt die Umlaufrendite, die kurz- und langlaufende Anleihen beinhaltet, demographiebedingt von 4,1 Prozent im Jahr 2000 auf 2,7 Prozent im Jahr 2027 und steigt dann bis 2045 wieder auf rund rund 3,2 Prozent."

Zumindest hier werden uns die Zahlen nicht als Wahrheiten verkündet, sondern nur als Tendenz.

SCHERFF, Dyrk (2004): Die Versicherer profitieren.
Aktien,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.05.

Dyrk SCHERFF geht davon aus, dass durch die Schwächung der gesetzlichen Rente die private Vorsorge profitiert, die in Form von Aktien angelegt wird. Aufgrund der Sparraten junger Leute wird Konsum, Wirtschaftswachstum und Inflation gebremst. Den gleichen Effekt hat eine schrumpfende Bevölkerung wird uns erklärt, als ob Deutschland eine isolierte Insel wäre und keine Exportnation. Mit Axel BÖRSCH-SUPAN wird uns der

"Rückgang der durchschnittlichen Rendite von Aktienanlagen von derzeit 7,6 auf 6,8 Prozent im Jahr 2027"

vorgerechnet, ohne uns die dazugehörigen Annahmen zu erklären. Nach 2035 soll sich dies wegen den Kindern der Babyboomer wieder umkehren. Anlagen in "aufstrebenden Schwellenländern" sollen gar ganz vor Verlusten schützen, wird uns eingeredet, als ob nicht gerade die Situation in so genannten Schwellenländern alles andere als stabil ist.

Die Prognos AG empfehlt "konservativ" geführte Staaten im Gegensatz zu "links regierten Staaten" als bessere Staaten. Zum Schluss werden uns auch noch gewinnträchtige Branchen empfohlen. Vor allem Versicherer sollen "von der steigenden Nachfrage nach privater Altersvorsorge" profitieren.

HOFFMANN, Andreas (2005): Die Rente als Rätsel und Angstmacher.
SZ-Serie Wahl 2005: Andere Länder, ähnliche Probleme: Das System der Alterssicherung kränkelt in vielen Industriestaaten - und nicht nur Deutschland versucht Reformen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 16.08.

Andreas HOFFMANN blickt angesichts von Horrormeldungen zur Rente, die von Banken, Versicherten und ihren zugehörigen Experten, zur Profitsteigerung in Umlauf gebracht werden, auf eine Umfragen zur Sicherheit der Altersvorsorge:

"Inzwischen bezweifeln nach einer Allensbach-Umfrage 89 Prozent der Deutschen, dass die Rente sicher ist. Vor zehn Jahren waren es erst 63 Prozent. Nur: Der Wirtschaft traut man noch weniger zu. Nur acht Prozent wollen nach einer Infratest-Umfrage ein privates Rentensystem. 38 Prozent setzen weiter auf den Staat."

HOFFMANN betrachtet deswegen die Situation in verschiedenen Ländern. In Großbritannien sei die Altersarmut mit 7,8 Prozent bei Paaren über 65 Jahre dreimal so hoch wie in Deutschland. Durch den Börsencrash hätten die Briten zudem viel Geld verloren und in drei Jahrzehnten sollen sie gemäß einem Regierungsbericht mit einem Drittel weniger Rente auskommen müssen.

Bei Italien beschränkt sich HOFFMANN dagegen lediglich auf die hohen Rentenausgaben und die Beschreibung der demografischen Situation:

"Italienische Frauen bringen im Schnitt 1,2 Kinder zur Welt, ähnlich wenige Kinder gebären nur Griechinnen oder Spanierinnen, und so wandelt sich das Land zur Methusalem-Hochburg. Im Jahr 2050 werden nach UN-Schätzungen 42 Prozent der Italiener über 60 Jahre alt sein, über 12 Prozentpunkte mehr als hierzulande."

Frankreich wird zwar als familienpolitisches Vorbild gelobt, aufgrund der Frühverrentung sind dort jedoch aus neoliberaler Sicht die Rentenausgaben zu hoch:

"(Bei der) Sozialversicherung (...) lag (zuletzt) der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt bei 55 Prozent (in Deutschland sind es 46,8 Prozent) - ganz ohne Wiedervereinigung übrigens."

Schweden wird uns als vermeintliches Musterland vorgestellt. Aus neoliberaler Sicht ist dort die Steuer- und Abgabenquote zu hoch. Auch hat sich der Umbau des Alterssicherungssystems als Verlustgeschäft gezeigt:

"In Schweden hat Premier Göran Persson (...) eine steuerfinanzierte Garantierente und einkommensbezogene Rente eingeführt, wovon ein Teil in private Vorsorgefonds fließt. Doch unter dem Börsencrash litten auch die Schweden, weshalb für die Mehrheit von ihren die Privatvorsorge bisher ein Verlustgeschäft ist."

Selbst das in Deutschland von Neoliberalen vielgepriesene Schweizer Modell der Altersvorsorge hat aus neoliberaler Sicht Finanzierungsprobleme. Österreich wird nur genannt, aber genauso wenig wie die USA näher betrachtet.

Nach diesem internationalen Vergleich lässt HOFFMANN neoliberale Experten selber zu Wort kommen, so den IWF-Kaptalmarktexperten Gerd HÄUSLER, der die Risikoverlagerung auf jeden Einzelnen durch die private Altersvorsorge als notwendiges Übel betrachtet, und Bert RÜRUP, der uns mit Blick auf das Jahr 2040 vorrechnet, dass wir statt der heutigen 10 Prozent dann ein Drittel über die private Altersvorsorge erwirtschaften müssen.

Der DGB wiederum hat errechnet, dass wir im Jahr 2030 nach 35 Beitragsjahren mit einem Durchschnittsverdienst lediglich eine Rente auf Sozialhilfeniveau erhalten werden. HOFFMANN preist deshalb die Finanzerziehung in der Schule als Mittel uns das Sparen einzutrichtern.

Weil dies noch nicht der Hiobsbotschaften genug sind, wird uns die Rente mit 67, die es in Norwegen schon gibt, als Vorbild gepriesen. Bislang sei jedoch in Deutschland noch nicht einmal die Kluft zwischen faktischem Renteneintritt und Regelaltersgrenze geschlossen, wenngleich wir wenigstens auf dem Weg dahin sind:

"So ging der deutsche Mann im Jahr 2003 etwa zwölf Monate später in Rente als noch im Jahr 1997."

Frauen interessieren HOFFMANN also gar nicht. Und nicht zuletzt werden wir auf diesem Feld mit den vorbildlichen Schweizern und Schweden verglichen.

WSI-MITTEILUNGEN-Schwerpunkt: Privatisierung - Aktivierung - Eigenverantwortung. Zukunftsperspektiven für die Sozialpolitik?

BÄCKER, Gerhard (2004): Der Ausstieg aus der Sozialversicherung.
Das Beispiel Rentenversicherung,
in: WSI-Mitteilungen Nr.9, September

2005

LOOMAN, Volker (2005): Die Altersvorsorge wird für junge Menschen zur Lebensaufgabe.
Die Vermögensfrage: Bei der Gestaltung gewinnen Steuerfragen künftig an Bedeutung,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 01.10.

Volker LOOMAN stellt uns die Probleme eines 30-jährigen ledigen Mannes vor, der über seine Altersvorsorge nachdenkt. LOOMAN spricht nicht von einem Drei-Säulen-, sondern von einem Drei-Schichten-Modell. Das neue Alterseinkünftegesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, wird zwar erwähnt, aber es steht nicht im Mittelpunkt des Artikels, sondern die Erklärung des Drei-Schichten-Modells. Die Wunschvorstellungen des Mannes und die erwartete gesetzliche Rente und Betriebsrente erläutert uns LOOMAN folgendermaßen:

"In zehn Jahren soll das Einkommen bei 7.000 bis 8.000 Euro pro Monat liegen. Im Ruhestand soll die monatliche Rente, so die heutige Vorstellung, nach Abzug der Steuern mindestens 5.000 Euro betragen. Das wird nach den neuen Spielregeln der Altersvorsorge (...) große Anstrengungen erfordern. (...).
Aus der Bundesversicherungsanstalt werden dem Ingenieur nach dem 65. Geburtstag aus heutiger Sicht etwa 2.000 Euro monatlich zufließen. (...).
Die zweite Schicht enthält die Betriebsrenten. (...) Hier kann der Ingenieur nach Auskunft des Arbeitgebers mit einer Betriebsrente von 1.000 Euro rechnen, wenn er dem Unternehmen bis zum 66. Lebensjahr die Treue hält. (...).
Die gesetzliche Rente und die betriebliche Versorgung (...) summieren sich auf 36.000 Euro. Davon sind 7.664 Euro steuerfrei, so daß (...) 2.300 Euro im Monat bleiben werden."

In den Begriffen von Dyrk SCHERFFs Faustformel, ergäbe sich eine Rentenlücke von 2.700 Euro im Monat zwischen gesetzlicher Rente (inclusive Betriebsrente) von 2.300 zum angestrebten Rentenniveau von 5.000 Euro, die per privater Altersvorsorge geschlossen werden müsste. Nach SCHERFFs Faustformel, dass die angestrebte Rente bei ca. 70 Prozent des letzten Gehalts liegen sollte, wären das ein Nettoeinkommen von ca. 7.150 Euro.

Im Gegensatz zur Theorie, die uns SCHERFF in der FAS beibringen will, ist LOOMAN ein Praktiker, der im Gegensatz zu SCHERFF die Probleme solcher Theorien aufzeigt:

"Auf dem Papier ist das Sparziel von 500.000 Euro erreichbar. Bei einem Anlagezins von 3 Prozent nach Steuern müßte der Ingenieur monatlich 675 Euro anlegen, und bei einem Anlagezins von 5 Prozent sind lediglich 440 Euro nötig, um das Ziel zu erreichen. Das setzt in beiden Fällen aber die Disziplin voraus, erstens sofort mit dem Sparen anzufangen und zweitens diese regelmäßige Geldanlage auch bis zum Ende durchzuhalten. Das ist für einen Dreißigjährigen, der im Moment brutto 3.500 Euro verdient und sich nach Frau und Kindern sehnt, allerdings ein bißchen viel auf einmal.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Mann mit monatlichen Sparraten von 400 bis 500 Euro beginnen beginnen und die Sache in zehn Jahren, wenn der Wunsch nach einem Eigenheim übermächtig geworden sein wird, in die Tilgung einer Hypothek umdrehen."

Theoretiker kennen keine Konflikte zwischen zwei Sparzielen, sondern höchstens mit Konsumwünschen. LOOMAN sieht im Eigenheim - im Gegensatz zu anderen - keine Altersvorsorge:

"Das Eigenheim ist nämlich - selbst wenn es zügig getilgt wird - keine Altersvorsorge, wie Banken, Bausparkassen und Versicherungsgesellschaften gerne behaupten, sondern reiner Luxus."

LOOMAN geht davon aus, dass die Reparaturkosten den Vorteil des mietfreien Wohnens übersteigen werden oder zumindest enorm verschmälern. Inwiefern das auch eine städtische Eigentumswohnung betrifft, beantwortet uns LOOMAN dagegen nicht. Aufgrund der Sparkonflikte geht LOOMAN von einer auf 15 Jahre verkürzten Anlagedauer für die Altersvorsorge aus, die hohe Sparraten erfordern. Vor diesem Hintergrund geht LOOMAN eher davon aus, dass sich die Vorstellungen vom Leben im Alter der Realität anpassen, was Theoretiker wie SCHERFF, die uns im Profitinteresse der Finanzleistungsbranche lange Ansparphasen und niedrige Sparraten bei der Altersvorsorge empfehlen, gar nicht gerne sehen. Auch Verhaltensökonomen, die mittels unrealistischen Experimente, unseren Alltag verfehlen, sind hier keine große Hilfe.

Fazit: Die Probleme realer Menschen sind komplexer als uns die Theoretiker mit ihren alltagsfernen Idealvorstellungen weismachen wollen. 

SCHWENN, Kerstin (2005): Das Ende der dynamischen Rente.
Leidartikel,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.11.

Kerstin SCHWENN erklärt uns den Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot in Sachen Rentenreform. Sie mokiert sich darüber dass die Rentenpolitik erst Ende 2006 auf dem Programm stehen soll, wenn es um den Rentenbeitragssatz 2007 geht. SCHWENN bezweifelt, dass die bereits vertraglich anvisierte Anhebung auf 19,9 Prozent ausreicht. Denn dies wäre eigentlich schon 2006 unvermeidlich gewesen und konnte nur durch einen anderen Ausweg vermieden werden:

"Die Unternehmen müssen ihre Beiträge künftig früher als bisher an die Sozialversicherer abführen, dadurch verfügen die Rentenkassen im kommenden Jahr ausnahmsweise über 13 Monatseinnahmen."

Diese Maßnahme wird von SCHWENN als Sondereffekt bezeichnet, die 2007 jedoch wieder verpuffe.

"Ankündigungsmut" bescheinigt SCHWENN der Koalition nur bei der Rente mit 67 und den nachzuholenden Rentenabschlägen - also Maßnahmen, die allein die Arbeitnehmer und Rentner betreffen, während die Arbeitgeber davon profitieren. Bemängelt wird jedoch dass der Beschluss zur Anhebung des Renteneintrittsalters und die gesetzliche Verankerung des Nachholfaktors erst 2007 erfolgen soll.

"Die Ankündigung von Merkel und Müntefering, die Rentner müßten sich auch in den nächsten vier Jahren auf Nullrunden einstellen, ist vermutlich untertrieben. Nach der Rentenformel hätten die Altersbezüge dieses Jahr rein rechnerisch, gäbe es keine Niveausicherungsklausel, um fast ein Prozent reduziert werden müssen. Die Lohnentwicklung, an der sich die Renten orientieren, wird voraussichtlich weiter so bescheiden ausfallen, daß sich ein erkleckliches Minus zu Lasten der Ruheständler ansammeln dürfte, das über viele Jahre nachzuholen wäre. Das ist auf absehbare Zeit das Ende der dynamischen Rente",

verkündet uns SCHWENN, die als Interessengruppen immer nur Gewerkschaften und Sozialverbände bezeichnet, während ihr die Arbeitgeber- und Unternehmensverbände nie als Interessengruppen gelten. SCHWENN benutzt also einen ideologischen und keinen beschreibenden Begriff der Interessengruppe, die im englischen "pressure groups" heißen, was den Lobbyismus viel treffender beschreibt. Aus dieser einseitigen Sicht heraus beschreibt uns dann SCHWENN die Interessengegensätze als Verhinderung von notwendigen Reformen. Dazu gehören Einschränkungen der Rente mit 67, die als "Sonderregelungen" bezeichnet werden. So sollen langjährig Versicherte bereits mit 65 abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Wer dazu zählt, muss jedoch non ausgehandelt werden. SCHWENN stilisiert sich in dieser neoliberalen Perspektive der Austeritätspolitik zur Anwältin der "Haushaltsanierer". In dieser Sicht zählen auch die geplanten Beschäftigungsprogramme für Ältere als Geldverschwendung. Am Schluss werden die Haushaltssanierer gelobt, die verhindert hätten, dass der Steuerzahler für die Kosten der Rentenversicherung in Form des Bundeszuschusses aufkommen muss.

2006

SCHERFF, Dyrk (2006): Die Rente steigt nie wieder.
Nominal gibt es nur noch selten Erhöhungen. Real wird es immer weniger. Denn die Inflation zehrt an der Rente,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 22.01.

"Wir werden in den nächsten 30 Jahren unter Berücksichtigung der Inflation, also real, keine Rentenerhöhungen mehr erleben. Wir müssen im Gegenteil mit einem Wertverlust rechnen",

zitiert Dyrk SCHERFF den Ökonom Adrian OTTNAD vom Bonner Privatinstitut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG), das 1977 von Kurt BIEDENKOPF (CDU) und Meinhard MIEGEL gegründet wurde und insbesondere von Unternehmen gesponsert wurde.

Um diese neoliberale Sicht von OTTNAD zu stärken nennt SCHERFF auch den neoliberalen Lobbyisten Bernd RAFFELHÜSCHEN, der dies genauso sehe. Selten werden uns jedoch Rechnungen präsentiert, die nachprüfbar sind. So werden uns von SCHERFF folgende Entwicklungsszenarien der gesetzlichen Rente aufgezeigt. Zum Vergleich ist in der nachfolgenden Tabelle die tatsächliche Entwicklung bis 2015 ersichtlich:

Tabelle: Vergleich der Szenarien der Entwicklung der
monatlichen Standardbruttorente in Euro
(Realrente nach 45 Beitragsjahre bei
durchschnittlichem Verdienst (Eckrentner) mit der
tatsächlichen Entwicklung
Jahr Tatsächliche
Entwicklung
Szenarien des IWG
Optimistisch Realistisch Pessimistisch
2005 1.176 € 1.176 € 1.176 € 1.176 €
2010 1.224 € 1.151 € 1.128 € 1.109 €
2015 1.314 € 1.205 € 1.144 € 1.089 €
2020   1.251 € 1.148 € 1.058 €
2025   1.292 € 1.141 € 1.017 €
2030   1.311 € 1.116 € 980 €
2035   1.329 € 1.101 € 955 €
2040   1.381 € 1.119 € 959 €
Quellen: Szenarien: IWG gemäß FAS-Grafik 22.01.2016;
tatsächliche Entwicklung: Rentenversicherung in Zeitreihen
DRV-Schriften Band 22, Oktober 2015
, S.259

Die tatsächliche Entwicklung der gesetzlichen Rente liegt 10 Jahre später sogar um rund 110 Euro über dem optimistischen Szenario und 225 Euro über dem pessimistischen Szenario des neoliberalen IWG. Ziel dieser Berechnung war die Propagierung höherer Sparraten bei der privaten Altersvorsorge, denn diese blieben bislang hinter den Erwartungen der Finanzdienstleistungsbranche und der neoliberalen Politiker zurück. Neoliberale greifen deshalb die Renteninformation der DRV an:

"Raffelhüschen und das IWG gehen davon aus, daß die mageren Zeiten so weitergehen, und widersprechen damit der Rürup-Kommission, die 2003 für die Regierung rechnete und optimistischere Ergebnisse mit leichten realen Rentensteigerungen herausbekam. »Seine Rechnungen kann Rürup heute nicht mehr aufrechterhalten. Er hat den kräftigen Rückgang der Beschäftigung unter- und den Anstieg der Löhne überschätzt«, sagt Ottnad. In seinem realistischen Szenario erwartet der IWG-Experte auf lange Sicht eine Stagnation oder gar einen leichten Rückgang der Realrenten, in einer optimistischen Rechnung allenfalls 0,2 bis 0,5 Prozent realen Zuwachs (...). Selbst nominale Erhöhungen würden in den kommenden Jahren selten werden."

Die Krise des neoliberalen Finanzmarktes seit dem Jahr 2008 hat der gesetzlichen Rente in den Jahren zumindest bis 2015 Renditevorteile verschafft, die unsere Apokalyptiker um RAFFELHÜSCHEN und MIEGEL nicht eingeplant hatten.

SCHWENN, Kerstin (2006): Die reformierte Rente.
Leidartikel: Das Umlagesystem steht am Wendepunkt, die dynamische Rente ist Geschichte,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.03.

"Weil die Beitragseinnahmen nicht ausreichen, sind die Rentenkassen ausgetrocknet. Dabei ist die konjunkturell bedingte Misere nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Geburtenrückgang und Alterung der Gesellschaft dem Rentensystem in den nächsten Jahrzehnten aufbürden werden",

droht uns Kerstin SCHWENN. Angeblich sind die Rentenreformen wegen dem Ineinandergreifen von konjunkturellen und demographischen Lasten notwendig geworden - nur hat SCHWENN für die demographischen Lasten keinerlei Beweise. Die Frühverrentung - ein Lieblingsprojekt der Unternehmenslobby - wird nun als Fehler bezeichnet, der korrigiert werden müsse. Das Umlagesystem sehe nun am Wendepunkt erklärt uns die Hysterikerin angesichts der Tatsache, dass Franz MÜNTEFERING die Debatte um die Rente mit 67 eingeläutet hat Sie verweist dabei auf die Rolle des Rentenversicherungsberichts.

SCHWENN spricht von "Wachstumsillusionen" und meint damit die geplante Einfügung einer Schutzklausel, mit der Minusrunden, d.h. Rentenkürzungen verhindert werden sollen. Dazu erzählt sie uns Folgendes:

"Die große Koalition hat den fast zwanzig Millionen älteren Wählern versprochen, bis 2009 werde es keine Rentenkürzungen geben. Zu ihrem Schutz hebelt sie damit den notwendigen Mechanismus aus, daß die Renten sinken, wenn die Löhne sinken. Das Zugeständnis ist so mutig wie falsch. Denn bezahlen müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Ihr Beitrag steigt 2007 von 19,5 auf 19,9 Prozent. Schon heute wird bezweifelt, daß dies ausreicht."

SCHWENN wirft MÜNTEFERING vor, dass er die Situation im Rentenversicherungsbericht zu optimistisch darstellt:

"Müntefering den höheren Zuschuß aber schon; so kommt er im Rentenbericht schließlich mit Hilfe ambitionierter Annahmen zur Beschäftigung auf einen Beitragssatz von nur noch 19,4 Prozent im Jahr 2014."

SCHWENN lobt zwar die Durchsetzung der Rente mit 67, beklagt jedoch die abschlagsfreie Rente mit 65 für langjährig Versicherte:

"Allerdings entwertet die Koalition ihr Vorhaben durch die Absicht, Arbeitnehmern, die 45 Versicherungsjahre nachweisen können, weiter mit 65 eine abschlagfreie Rente zuzubilligen. Der Spareffekt wird so reduziert. Zudem bricht die Ausnahme mit einem wesentlichen Prinzip der gesetzlichen Rente: der Abhängigkeit der Auszahlungen von früheren Einzahlungen."

SCHWENN kritisiert das geplante Arbeitsförderungsprogramm 50 plus als falsch und wünscht sich als Lobbyistin der Unternehmen, dass die gesetzliche Rente zukünftig nur noch eine Grundsicherung bietet. Gegen diese Notwendigkeit wehre sich jedoch MÜNTEFERING noch, der das Ende der dynamischen Rente nicht wahrhaben wolle.

Für einen Zwang der Riester-Rente sieht SCHWENN aufgrund des permanenten Reformzwanges in der Rentenversicherung keine Notwendigkeit. Die Menschen werden schon sehen, was ihnen blüht, wenn sie nicht riestern, so ihre neoliberale Vorstellung.

EISENHAUER, Bertram (2006): Ende eines Traumes.
Kommentar: Die ältere Generation muß in den nächsten Jahren stärker zu den notwendigen Einsparungen beitragen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 12.03.

Bertram EISENHAUER nutzt die verspätete Präsentation des Rentenversicherungsberichts 2005 (Bundestagsdrucksache 16/905) , um uns seine Verachtung für die Arbeitnehmer zu zeigen. Er lobt die neue "Ehrlichkeit" von Franz MÜNTEFERING und die Propagierung der Rente mit 67, mit der er alle, "die sich als Dachdecker fühlen" gegen sich aufbringe.

EISENHAUER verkündet uns voreilig das "Ende der dynamischen Rente" und stimmt damit ein in das neoliberale Mantra, das uns seit Ende der 1990er Jahre immer und immer wieder verkündet wird. In dieser Sicht wird bereits der "Nachholfaktor" zu einer "Kapitulation vor den heutigen Ruheständlern". Dass Ältere im Gegensatz zu Jüngeren ihre Position in der Gesellschaft nicht mehr verbessern können, das kommt  Altersrassisten wie EISENHAUER nicht in den Sinn.

Mit dem Sozialbeirat, der im Vorfeld der Riester-Reform zur Finanzdienstleistungslobby verkommen ist, droht uns EISENHAUER, dass die wirklich harten Einschnitte erst noch kommen werden,

"wenn die Rente nicht nur, wie im Augenblick, vor allem mit der lahmenden Konjunktur, sondern mit den demographischen Umwälzungen zu kämpfen hat, die in ihrer vollen Wucht noch nicht im System angekommen sind."

EISENHAUER erklärt uns den Generationenvertrag, ebenfalls ein neoliberales Mantra, verschweigt jedoch, dass Kapitaldeckung und Umlagefinanzierung keinen Unterschied macht, nur dass die Probleme der Teilprivatisierung verharmlost werden.

Und nicht zuletzt spielen Neoliberale die Arbeitnehmergenerationen gegeneinander aus und drohen uns mit der Flucht der Leistungsträger aus dem System. 

2008

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Tagesthema: Immer weniger Geld für Rentner.
In regelmäßigen Abständen haben die Rentner Hiobsbotschaften zu ertragen. Nach jüngsten Berechnungen des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft sank die Kaufkraft wegen der Inflation um 1,93 Prozent. Das heißt, die rund 20 Millionen Ruheständler hatten 2007 erneut weniger für ihr Leben. Doch die Zukunft sieht noch düsterer aus: Viele Rentner müssen sich auf tiefe Einschnitte einstellen, wenn sie nicht selbst vorsorgen

KUHR, Daniela (2008): Der Kluge kann der Dumme sein.
Trotz Riester-Rente wächst die Gefahr, dass die Menschen im Alter verarmen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 12.01.

Daniela KUHR berichtet über eine Berechnung der neoliberalen Lobbyorganisation IWG, gegründet von Kurt BIEDENKOPF und Meinhard MIEGEL, die uns den Kaufkraftverlust unserer Renten vorrechnet:

"Danach sank die Kaufkraft der Rentner im vergangenen Jahr um 1,93 Prozent. Zwar waren die Renten im Juli um 0,54 Prozent erhöht worden, doch da gleichzeitig die Inflation bei 2,2 Prozent lag, habe der »Standardrentner« unterm Strich ein Minus gemacht. (...). Insgesamt hätten die Bruttorenten seit 2003 6,4 Prozent an Kaufkraft verloren. Netto sei der Verlust wegen der teureren Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung und dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung  »teilweise noch höher« gewesen. Auch für dieses Jahr sieht Schulte keine Besserung. »Zwar sollen die Renten nach ersten Schätzungen zwischen einem und 1,7 Prozent erhöht werden, da wir aber voraussichtlich eine Inflation von knapp zwei Prozent haben werden. machen die Rentner erneut einen Verlust.«".

ÖCHSNER, Thomas (2008): Pirouetten auf dünnem Eis.
Zu teuer, zu unflexibel, zu wenig rentabel: Finanzexperten befürchten, dass viele Deutsche falsch fürs Alter vorsorgen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 12.01.

Thomas ÖCHSNER erklärt uns, dass Geringverdiener meist gar nicht vorsorgen. Mit Hinweis auf Niels NAUHAUSER ("Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg") wird uns erklärt, dass die Altersvorsorge erst an vierter Stelle kommt:
1) Schulden tilgen
2) Existenzielle Risiken absichern
3) Notgroschen für Anschaffungen zurücklegen
Erst dann sei überhaupt an die Altersvorsorge zu denken. Damit wird aber auch klar, warum die private Altersvorsorge bei Geringverdienern gar keinen großen Sinn macht. Mit Hinweis auf Andreas Beck ("Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau in München") werden uns dann mögliche Altersvorsorgeprodukte vorgestellt. Sein Credo der Rangfolge der Prinzipien, denen dies folgen sollte: "Sicherheit, Ertrag (Rendite) und Flexibilität".  

OBERHUBER, Nadine & Patrick BERNAU (2008): Der Geist ist willig.
Alle wissen: Das Geld wird im Alter knapp. Doch warum fällt uns die Vorsorge so schwer?
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 09.03.

"Fast 90 Prozent der Deutschen haben den Glauben an die gesetzliche Rente verloren",

erzählen uns Nadine OBERHUBER & Patrick BERNAU, nur ein halbes Jahr vor der Bankenkrise, aufgrund einer Umfrage des konservativen Meinungsforschungsinstituts aus Allensbach! Die Lobbyorganisation DIA hat nun die Akademiker als unterversorgte Zielgruppe entdeckt. OBERHUBER & BERNAU verkünden uns deshalb 6 Psychotricks, wie wir uns selbst zum Vorsorgesparen überreden können, denn es klaffe nicht nur eine Rentelücke, sondern auch eine Lücke zwischen Einstellung und Handeln. Nicht nur das Vertrauen in den Staat, sondern auch in die Anbieter von Altersvorsorgeprodukte ist erschüttert.

2009

HEFTY, Georg Paul (2009): Und auch noch die Rente.
Leidartikel,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.04.

Auf Seite 1 der FAZ blickt uns heute ein strahlender Norbert BLÜM an, der seinen Spruch über die sichere Rente an einer Litfasssäule plakatiert. Georg Paul HEFTE kritisiert dazu die zornigen Jungpolitiker aller Parteien, denen er bei ihrer Kritik an der Rentengarantie Kurzsichtigkeit vorwirft:

"Da niemand weiß, wie hoch die Inflationsrate im Zuge der Krise oder danach steigen wird, kann es sein, dass die Beibehaltung der nominalen Höhe schon blad einer spürbaren Kaufkraftminderung gleichkommt. Und nicht zuletzt würde eine Rentenminderung jetzt wie eine Konsumbremse (...) und damit die nicht minder teuren Konjunkturprogramme konterkarieren. 

SCHERFF, Dyrk (2009): Gut leben im Ruhestand.
Wieviel muss ich sparen, um im Alter meinen Lebensstandard zu halten? Zehn Prozent vom Gehalt, sagt eine Faustformel. Wer früh anfängt, kommt mit weniger aus,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.06.

"Rentner (...) werden aus der gesetzlichen Rente allenfalls 50 Prozent, meistens aber nur noch 40 oder sogar nur 30 Prozent ihres letzten Bruttoeinkommens erhalten. Zur Panik ist dennoch kein Anlass: Wer rechtzeitig vorsorgt, kann trotzdem im alten Wohlstand leben",

verkündet und Dyrk SCHERFF die frohe neoliberale Botschaft. Außerdem setzt uns SCHERFF eine Berechnung des VZ Vermögenszentrums vor. Das Motto der Neoliberalen: Bloß keine Transparenz, damit der Leser die Angaben nicht mit früheren Rechnungen (z.B. hier) vergleichen kann.

SCHERFF zaubert nun auch eine neue Faustformel für das anzustrebende Rentenniveau aus seinem Hut:

"Als grobe Faustregel gilt: Wer ein überdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 4.000 Euro und mehr hat, braucht im Alter rund 50 Prozent davon als Nettoeinkommen für seinen Lebensunterhalt. Je geringer das Einkommen, desto höher ist der Prozentsatz."

Um die Rentenlücke zu bestimmen, greift SCHERFF auf Schätzungen des neoliberalen Finanzwissenschaftler Bernd RAFFELHÜSCHEN ("Vorsorgeatlas Deutschland") zurück, der die Höhe der gesetzlichen Rente sogar regional unterschiedlich berechnet. Dieser Wunderknabe ist ein richtiger Hellseher, wenn man eine Spardauer von 30 bis 40 Jahren bedenkt. Eine Tabelle zeigt uns die gesetzliche Rente für West- und Ostdeutsche für 3 Altersgruppen, die in nachfolgender Tabelle als Geburtsjahrgänge für Westdeutschland dargestellt wurden:

Tabelle: Prozentanteil der gesetzlichen Rente vom letzten Bruttoeinkommen in Westdeutschland für drei Altersgruppen
Jahrgangsgruppe
(Altersgruppe)
Anteil vom letzten Bruttoeinkommen
(in Prozent)
1944 -1959 Geborene (50 - 65-Jährige) 48,9 %
1960 - 1974 Geborene (35 - 49-Jährige) 38,7 %
1975 - 1989 Geborene (20 - 34-Jährige) 39,1 %
Quellen: FAS-Grafik v. 09.08.2009; Vorsorgeatlas Deutschland 2009

Zum Schluss dürfen wir nun unsere Rentenlücke bestimmen, aber wer blickt da noch durch, wenn uns ständig neue Rentenlücken berechnet werden, die sich dann auch noch auf unterschiedliche Bezugsgrößen (Nettoeinkommen oder Bruttoeinkommen) beziehen? Folgende Berechnung zur Rentenlücke präsentiert uns SCHERFF:

Tabelle: Rentenlücken, die durch private Altersvorsorge gefüllt werden müssen
  Fall 1 Fall 2 Fall 3
aktuelles monatliches Bruttoeinkommen 2.500 € 4.000 € 6.000 €
ungefähres Nettoeinkommen* 1.600 € 2.300 € 3.300 €
angenommene Ausgaben 1.500 € 2.000 € 2.600 €
erwartete gesetzliche Rente (in Euro) 1.000 € 1.600 € 2.000 €
erwartete gesetzliche Rente (in Prozent des Bruttoeinkommens) 40 % 40 % 33 %
Steuern auf die Rente ** 0 € - 100 € - 200 €
Rentenlücke 400 € 500 € 800 €
Quellen: FAS-Grafik v. 09.08.2009; VZ Vermögenszentrum
Annahmen: * Steuerklasse I, nach Sozialversicherungsbeiträgen; ** Annahme, effektive Höhe abhängig vom Zeitpunkt des Rentenbeginns; Alle Angaben sind Monatswerte und basieren auf heutiger Kaufkraft

Unterstellt wird hier unser heutiges Bruttoeinkommen, was für jemanden, der vor dem Rentenbeginn steht, höher ist als für einen 20-Jährigen Berufseinsteiger. Die Rentenlücke steigt also für eine reale Person mit seinem Alter und dem Anstieg seines Einkommens. Eine andere Berechnung des VZ Vermögenszentrums wiederum geht von gleichen Sparraten über 10, 20, 30 oder sogar 40 Jahre aus, was ja, wie eben gezeigt, unrealistisch ist. Was also soll man mit solchen Berechnungen dann anfangen?

FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND-Serie: Worum sich die nächste Regierung kümmern muss (Teil 9)

DUNKEL, Monika (2009): Rente garantiert Zoff,
in: Financial Times Deutschland v. 30.07.

Monika DUNKEL geht davon aus, dass die beschlossene Rentengarantie gar nicht angewandt werden muss, weil die Löhne steigen, und somit keine Kosten verursacht werden. Außerdem geht DUNKEL davon aus, dass es in Zukunft keine großen Rentenerhöhungen mehr geben wird:

"Rentenerhöhungen um über zwei Prozent im Westen und über drei Prozent im Osten - wie in diesem Jahr - dürften (..) nicht mehr drin sein."

Sie warnt aber vor weiteren Veränderungen der Rentenformel. In der Altersarmut sieht DUNKEL das wahre Problem:

"Schon in den letzten Jahren ist die Kaufkraft der Rentner deutlich gesunken, da die Zuwächse in der Regel unterhalb der Inflationsrate lagen."

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Serie: Die verunsicherten Deutschen (Teil 2)

FRANK, Charlotte (2009): In verschiedenen Welten.
Die verunsicherten Deutschen (2): Über die "Rentner" zu reden, ist kaum möglich - so wenig vergleichbar sind die Lebensumstände im Alter,
in: Süddeutsche Zeitung v. 13.08.

Charlotte FRANK stellt uns zwei 68-jährige Rentner vor: einen gut situierten Familienvater der oberen Mittelschicht, der mit 63 Jahren in Vorruhestand gehen konnte, und eine von Altersarmut betroffene kinderlose Frau, die sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen hat und aufgrund hoher Schulden ihre private Rentenversicherung auflösen musste. Nach 12 Jahren Beitragszahlung erhielt sie dafür 6.000 Euro ausgezahlt.

Der gut situierte Rentner wird als Gegner der Rentenerhöhung zum 1. Juli dargestellt Die Rentenerhöhung wird uns folgendermaßen beschrieben:

"Rentenerhöhung vom 1. Juli 2009. An diesem Tag, mitten in der Krise, sind die Bezüge der Ruheständler so stark gestiegen wie seit mehr als zehn Jahren nicht: im Westen um 2,41 Prozent, im Osten um 3,38 Prozent. Dadurch bekommen westdeutsche Männer im Durchschnitt 990 Euro, Frauen 479 Euro. Im Osten liegen die Renten für Männer im Mittel bei 1078 Euro, für Frauen bei 691 Euro."

Zum Problem der Altersarmut wird Dirk von der HEIDE ("Deutsche Rentenversicherung") zitiert, der uns vorrechnet, dass derzeit nur 2 Prozent der über 65-Jährigen Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen. Das Problem werde aber zunehmen. Risikogruppen seien Langzeitarbeitslose, Selbständige und Geringverdiener.

JOCHEM, Sven (2009): Reformpolitik im Wohlfahrtsstaat. Deutschland im internationalen Vergleich, LIT Verlag

Sven JOCHEM sieht im demografischen Wandel keinen Sachzwang wie Neoliberale. Vielmehr sieht er Spielraum für politische Entscheidungen:

"Die Veränderungen der Sozial- und Altersstruktur werden neben den ökonomischen Herausforderungen entwickelter Wohlfahrtsstaaten als zweite große Notwendigkeit für reformpolitische Schritte genannt. Wie der frühen Globalisierungsliteratur ist den gegenwärtigen Beiträgen der Demographie-Literatur zu konzedieren, dass worst-case-Szenarien das Bild prägen (...).
(...).
Die Reproduktion der europäischen Gesellschaften zeigt eindeutig eine Schieflage an. Die Daten sind (...) kaum umstritten, die Interpretationen dieser Daten und die aus ihnen abgeleiteten Konsequenzen und Reformempfehlungen sind es jedoch in höchstem Ausmaße. (...).
Es wird die These vertreten, dass ähnlich wie im Fall der Globalisierung die demographischen Veränderungen die wohlfahrtsstaatliche Reformpolitik nicht in eine einzige Richtung zwingen. Die Politik hat Wahlmöglichkeiten. Welche Wege zur reformpolitischen Abfederung demographischer Veränderungen allerdings gewählt werden, entscheidet sich im politischen Prozess" (2009, S.50)

Die Konstruktion des Demografiefaktors in der Rentenanpassungsformel sieht JOCHEM nicht als Sachzwang, sondern als politische Entscheidung, die zu einer starken Senkung des Rentenniveaus führt, obgleich es dazu Alternativen gäbe:

"Der Nachhaltigkeitsfaktor in der neuen Rentenformel wird (...) mit einem a-Parameter gewichtet, der einen Wert von 0,25 bis 1 annehmen und willkürlich von der Politik festgelegt werden kann. Je näher der Wert zur 1 festgelegt wird, desto geringer die Rentenanpassung und desto wahrscheinlicher ein stabiler Beitragssatz. Zudem wurde bei der Berechnung der Lohn- und Gehaltssteigerungen einzig auf die Beschäftigten abgehoben, die auch in der GRV versichert sind. Die Gehälter der Beamten und die Löhne über der Beitragsbemessungsgrenze, die früher noch bei der Berechnung berücksichtigt wurden - und die in den letzten Jahren deutlich anstiegen - , fallen also aus dem Berechnungsraster, was in Zukunft tendenziell zusätzlich gedämpfte Rentensteigerungen erwarten lässt." (2009, S.270)

HAGELÜKEN, Alexander (2009): Die Rente retten,
Wegen der Krise reduzieren viele Bürger ihre Altersvorsorge. Dabei ist sie wichtiger denn je,
in: Süddeutsche Zeitung v. 08.10.

Alexander HAGELÜKEN verteidigt die private Altersvorsorge, die durch die Bankenkrise in Misskredit gebracht wurde:

"Mehr als jeder sechste Deutsche hat nach einer Allensbach-Studie seine Vorsorgezahlungen reduziert - oder gar den entsprechenden Vertrag gekündigt."

Die Verbraucherzentralen für die Befürworter der privaten Altersvorsorge zu wichtigen Verbündeten geworden, da diese nur Altersvorsorgeprodukte bewerten und damit lediglich zu Anpassungen innerhalb des Systems der privaten Altersvorsorge beitragen, aber nicht das System selber infrage stellen. In dieser Sicht präsentiert uns HAGELÜKEN einen Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Bayern ("Altersvorsorgeexperte")

Ausgangspunkt ist immer die gesetzliche Rente, deren Niveau von Neoliberalen erfolgreich gesenkt wurde. Die Argumentation zielt darauf ab, dass aufgrund des demografischen Wandels eine weitere Senkung stattfinden muss:

"Die Alterung der Gesellschaft mindert die Kraft der gesetzlichen Rentenversicherung. Während im Jahr 1950 100 Arbeitnehmer nur 16 Ruheständler finanzierten, werden es im Jahr 2030 schon 50 sein. Also drei Mal so viele",

erklärt uns HAGELÜKEN. Nicht erklärt wird uns, warum das Jahr 1950 als Ausgangspunkt der Argumentation dient, schließlich erhielt die gesetzliche Rente erst im Jahr 1957 eine lebensstandardsichernde Bedeutung und das auch nur für Männer, weil Frauen damals kaum eine eigenständige Rente erwirtschafteten.

"Das Gesetz zur Rente ab 67 bedeutet beispielsweise, dass ein heute höchstens 45-jähriger Arbeitnehmer mehr als sieben Prozent Rente verliert, wenn er wie bisher üblich mit 65 Jahren aufhören will",

beschreibt HAGELÜKEN uns die Einführung der Rente mit 67 als Rentenkürzungsgesetz.

"Außerdem müssen Senioren einen immer höheren Teil der gesetzlichen Altersbezüge versteuern",

erklärt uns HAGELÜKEN um die Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge zu rechtfertigen, verschweigt aber, dass dies nicht nur für die gesetzliche Rente gilt.

Aufgrund der politischen Entscheidungen ergibt sich also eine Rentenlücke, die durch die private Altersvorsorge geschlossen werden soll, so die Vorstellung der Befürworter dieses Ansatzes. Um die Höhe der Rentenlücke zu bestimmen, präsentiert uns HAGELÜKEN folgende Faustformel, die am Beispiel eines Singles erläutert wird:

"Als Faustformel gilt, dass einem im Alter bis zu 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens zur Verfügung stehen sollte. Nimmt man diesen Wert, klafft bei einem 40-jährigen Single mit 55.000 Euro Bruttoeinkommen im Jahr eine Lücke von 1.500 Euro im Monat".

HAGELÜKEN warnt vor Vergleichsrechnern von Vorsorgeanbietern, weil diese profitorientiert seien und verweist auf den zeitungseigenen Rechner bzw. von der Zeitschrift Finanztest.

Riester-Verträge werden uns nicht etwa wegen der hohen Rendite angepriesen, sondern nur wegen der staatlichen Förderung bzw. den Steuerersparnissen. Auch hier kein Hinweis auf die nachgelagerte Besteuerung von Renten, die diese Vorteile wieder mindern!

Einzig von Lebensversicherungen wird aufgrund der hohen Gebühren generell abgeraten:

"Wer 30 Jahre 300 Monat einbezahlt, bekomme im Schnitt schon mal fünf Prozent oder mehr als 5.000 Euro in den ersten Jahren als Gebühren abgezogen. Dazu kommen nochmal drei Prozent laufende Kosten pro Jahr, also in der gesamten Laufzeit weitere Tausende Euro."

Verbraucherschützer warnen vor einer Kündigung von Verträgen, dies kommt der Riester-Erfolgsstatistik, auf die Verfechter der privaten Altersvorsorge gerne verweisen,  zugute, denn ruhende Verträge zählen im Gegensatz zu gekündigten Verträgen als Erfolg.  

2010

ÖCHSNER, Thomas (2010): Rente mit 67 führt zu Einbußen.
Versicherte, die von 2012 an vorzeitig in Ruhestand gehen, erhalten durch neue Altersgrenze weniger Geld,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.01.

Thomas ÖCHSNER berichtet über eine Anfrage von Klaus ERNST (Linkspartei) zur Rente mit 67. Danach bekäme ein Eckrentner (West)  derzeit mit 65 Jahren eine monatliche Rente von 1224 Euro. Ginge er mit 63 in Rente würde er derzeit 1135,87 Euro erhalten, nach Einführung der Rente mit 67 jedoch nur noch 1124,86 Euro.

"Derzeit geht fast jeder zweite Altersrentner mit Abschlägen in den Ruhestand, weil die Altersgrenze nicht erreicht ist. Im Durchschnitt kommt es so zu Einbußen von 114 Euro im Monat",

erklärt uns ÖCHSNER. Jedoch gäbe es durch die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder aufgrund von Altersteilzeit Möglichkeiten zur Begrenzung von Abschlägen. Anhand der Statistiken der Deutschen Rentenversicherung zeigt ÖCHSNER auf, dass diese Möglichkeiten im Jahr 2009 folgendermaßen in Anspruch genommen wurden:

"etwa 79.000 Menschen (gingen) wegen Arbeitslosigkeit in Rente und weitere 80.000 wegen Schwerbehinderung. Bei den langjährig Versicherten mit mindestens 35 Beitragsjahren, die von den Abschlägen besonders betroffen sind, waren es aber immerhin noch 57.000.

ERNST kritisiert, dass von der Rente mit 67 vor allem Leistungsträger, d.h. Besserverdiener, mit langen Versicherungszeiten besonders getroffen seien.

2011

BOEHRINGER, Simone (2011): Vorsorgen mit Verstand.
Reich in Rente: Wer fürs Alter spart, sollte sich nicht auf Lebensversicherungen und Bundespapiere verlassen. Auch Aktien und Immobilien sind wichtig,
in: Süddeutsche Zeitung v. 22.02.

Wir sollen unsere Altersvorsorge in Aktien, statt in klassische Altersvorsorgeprodukte anlegen, weil das angeblich sicherer sei, heißt die Botschaft von Simone BOEHRINGER. Mit der Frage nach der Sicherheit von Staatsanleihen wird uns gleich auch noch mit der Inflation gedroht, denn die "Goldlöckchen"-Jahre am Kapitalmarkt seien vorbei:

"Ausreichend Wachstum, niedrige Inflationsraten und stabile politische Verhältnisse sorgten seit Jahrzehnten für eine auskömmliche »Friedensdividende«. (...). Das ist in der Krise anders."

BOEHRINGER beruft sich auf Experten, um uns drohende Inflation als unser Hauptproblem einzureden. Der Run auf Aktien und Immobilien sowie steigende Rohstoffpreise, z.B. von Öl, soll diese schüren. Kleinanleger werden Aktienfonds oder Indexfonds (ETF) statt Aktien empfohlen. Den Vorteil von Aktien beschreibt BOEHRINGER in deren Robustheit in Zeiten steigender Inflation:

"Im Unterschied zu Anleihen sind Anleger als Aktionäre oder Fondsbesitzer Miteigentümer eines Unternehmens und nicht nur Kreditgeber. Sie tragen dafür ein Kursrisiko, sind aber im Falle einer Inflation besser gewappnet als mit Anleihen, weil die Teuerung in der Regel auch die Aktien nach oben treibt."

Aber die findigen Finanzdienstleister freuen sich bereits über die Propagierung von ETF-Fonds, denn sie denken gar nicht daran dumme Kleinanleger an Unternehmen zu beteiligen, sondern mittels spezieller Konstruktionen stricken sie ETF-Fonds, die nicht in Aktien investieren, sondern nur eine Wette auf den Aktienkurs darstellen.

Aber die Zukunft hält sich nur selten an Prognosen, weshalb BOEHRINGER zum Schluss einräumt, dass die Tipps mit Vorsicht zu genießen sind:

"Im Ernst kann niemand seriös vorhersehen, ob die Altersvorsorgestrategien, die junge Leute heute für sich stricken, später noch komplett aufgehen. Von Inflation über Deflation bis hin zu einer Währungsreform halten kritische Beobachter in diesem Zeitrahmen vieles für möglich."

Anders formuliert: Wer den Tipps folgt ist letztlich selber Schuld, denn die Befürworter der privaten Altersvorsorge haften nicht dafür, sondern jeder Einzelne trägt das Risiko, wenn es schief geht.

Die zeitverzögerte Zahlung von Steuern und Sozialabgaben wird uns von Tom FRIESS ("Chef des Vermögenszentrums München") als Vorteil gepriesen. Nichts lesen wir deshalb von den Nebenwirkungen dieser Entgeltumwandlung, von der insbesondere die Besserverdienenden und die Spitzenverdiener profitieren.

2012

SCHERFF, Dyrk (2012): Altersvorsorge in Gefahr. Was tun?
Die Euro-Krise lässt die private Vorsorge schrumpfen. Es gibt nur einen Ausweg: Mehr sparen und mehr wagen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 29.07.

Dyrk SCHERFF nennt uns vier Optionen, die wir angesichts der Niedrigzinsphase und niedrigeren Betriebsrenten hinsichtlich der Altersvorsorge haben:

1) Ansprüche für das Alter herunterschrauben, eine Option, die jedoch nicht weiter in Erwägung gezogen wird
2) Unsere Anlagen optimieren, d.h. mehr Rendite herausholen. Beispielhaft werden uns Direktversicherer und Nettoversicherungen als Alternativen aufgezeigt, die jedoch keine grundlegende Lösung seien
3) Erhöhung der Sparraten. Dazu liefert uns SCHERFF folgende Rechnung:

"Wer bisher zum Beispiel 100 Euro im Monat bei vier Prozent sparte - der aktuellen Verzinsung von Lebensversicherungen -, muss bei nur noch zwei Prozent Verzinsung 141 Euro im Monat anlegen, um in 30 Jahren den gleichen Betrag angespart zu haben. Und das sind noch kleine Sparsummen, die für einen Durchschnittsverdiener mit 50.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen nicht reichen. Haben sie aber bisher 300 Euro im Monat gespart, sind bei zwei Prozent Verzinsung schon 423 Euro fällig, um in 30 Jahren die gleiche Summe zu haben."

Wenn die Zinsen weiter fallen, muss die Sparrate entsprechend weiter erhöht werden.
4) Mehr Risiko wagen, heißt die letzte Losung. SCHERFF preist uns mit Hinweis auf das VZ Vermögenszentrum Aktien an. Im Gegensatz zu anderen Anlagen, wir hier lediglich von Gewinn machen gesprochen, d.h. wir sind selber schuld, wenn wir falsch investiert haben. Vor allem müssen wir Geduld haben und einen Niedergang der Aktienkurse aussitzen können, d.h. Aktien sind keine Option für jene, die ihr Geld zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt benötigen, weshalb uns SCHERFF folgendes auf den Weg gibt:

"Eine gute Altersvorsorge teilt es in zwei Gruppen auf: einen Teil, aus dem sich die laufenden monatlichen Renten speisen und der schrittweise aufgebraucht wird. Er muss sicher angelegt werden. Der andere Teil - und der ist anfangs ziemlich groß - wird zunächst nicht benötigt und kann auch im Ruhestand weiter für viele Jahre riskant angelegt werden. Zwischenzeitliche Schwankungen der Kurse schmerzen für diesen Teil nicht.
Aktien sind daher gerade wegen des langen Anlagezeitraumes in der Altersvorsorge weniger riskant als gedacht. Ihre Dividenden sorgen für gewollte regelmäßige Ausschüttungen. Zudem schützt die Aktie besser vor Inflation als Anleihen und Versicherungen."

KREMER, Dennis (2012): "Die deutschen Sparer sind die Verlierer der Krise".
Die Ergo-Versicherung sucht höhere Renditen in Wind- und Solarparks, schafft aber die Garantieverzinsung ab,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 29.07.

"Das mag wie eine gute Lösung aussehen, trotzdem halten wir unsere Aktienquote bewusst sehr niedrig. Denn das Problem der Papiere ist: Sie schwanken einfach zu sehr. Und diese Volatilität ist Gift für alle, die regelmäßig eine positive Rendite für ihre Kunden erwirtschaften müssen - also insbesondere für uns Versicherer. Hohe Dividendenrenditen sind zwar erfreulich für Anleger: Aber sie lassen sich nun einmal nicht in die Zukunft fortschreiben, mit ihnen lässt sich nicht kalkulieren. Außerdem muss man mit Blick auf die Wertentwicklung des Aktienmarktes in den vergangenen Jahren festhalten: Risiko ist nicht belohnt worden. Wer beispielsweise im Jahr 2000 in den Dax eingestiegen ist, konnte bis heute keine Gewinne erzielen", erklärt uns der Finanzvorstand der Ergo-Versicherung das Problem von Aktien.

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Tagesthema: Der große Rentenstreit.
Es geht um das Schicksal von Millionen alter Menschen, es geht aber auch um die Macht in Berlin. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat mit ihrem Konzept für eine Zuschussrente Bewegung in die politischen Fronten gebracht. Plötzlich scheint eine Einigung zwischen Union und SPD möglich zu sein. Und die FDP wittert schon eine große Koalition

FRANK, Charlotte (2012): Rente? Vielleicht.
Kommentar: Sozialstaat,
in: Süddeutsche Zeitung v. 11.09.

Charlotte FRANK hält die Debatte über Altersarmut, die Ursula von der LEYEN mit ihrem Vorstoß zur Zuschussrente angestoßen hat, angesichts der Verunsicherung bei den jungen Menschen für wichtig, weil das

"Vertrauen in die Märkte als Basis ihrer individuellen Altersvorsorge"

verloren gegangen sei und deshalb zu wenige vorsorgen oder zu geringe Beträge einzahlen. Überforderung wird von FRANK als das Hauptproblem junger Menschen angesehen. Die Zuschussrente hält FRANK jedoch als das falsche Mittel:

"Ihre Zuschussrente (...) basiert auf einer riskanten Verflechtung grundsätzlicher Prinzipien des Sozialstaats, des Versicherungs- und des Fürsorgeprinzips. Sie ist ungerecht, weil sie die Verantwortung für arme Rentner allein den rentenversicherten Bürgern aufbürden will - und nicht allen."

SCHERFF, Dyrk (2012): Länger leben gibt es nicht umsonst.
Ins Ausland reisen, in die Oper gehen und häufig Golf spielen: Das Alter ist abwechslungsreich und teuer. Wir haben genau nachgerechnet, was ein längeres Leben kostet,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.10.

KREMER, Dennis (2012): Junge Staaten ins Depot!
Die Deutschen legen ihr Geld fürs Alter gern in der Heimat an. Besser läge es in Schwellenländern mit junger Bevölkerung,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.10.

Dennis KREMER erzählt uns Märchen aus der Greisen-Ökonomie. Wir sollen in Schwellenländer investieren, weil dort Wachstum und damit Renditen möglich sind, die es hierzulande nicht mehr geben wird. So will es jedenfalls die neoliberale Ideologie:

"Eine junge Bevölkerung ist die Basis für eine starke Wirtschaft",

heißt eine unsinnige Behauptung. Uns wird deshalb z.B. Nigeria angepriesen, denn Skrupel kennen Investoren keine. Die Greisen-Ökonomen erzählen uns Geschichten aus vergangenen Zeiten als wünschen noch geholfen hat:

"Zahlreiche Studien zeigen, dass Menschen vor allem im Alter zwischen 16 und 40 Jahren die meisten Anschaffungen tätigen: Sie kaufen sich das erste Auto oder die eigene Wohnung."

Wir halten uns dagegen an folgenden Sachverhalt: Nichts ist revisionsbedürftiger als ökonomische Studien aus der Vergangenheit. Uns erklären Neoliberalen auf der einen Seite, dass wir immer länger leben, aber auf der anderen Seite sollen wir uns verhalten wie Kurzlebige. Könnte es also nicht sein, dass Menschen in Zukunft ihre erste eigene Wohnung erst jenseits der 40 kaufen werden? Verhaltensänderungen haben Demografen und ihre neoliberalen Mitläufer unter den Ökonomen nicht im Blickfeld.

Dass Demografie unbedeutend ist, wird dann deutlich, wenn uns KREMER eine lange Liste von weiteren Voraussetzungen nennt. Die Wichtigste dürfte die politische Lage sein, die gerade in bevölkerungsreichen Schwellenländern alles andere als stabil ist, denn es gilt auch: nichts ist unstabiler als junge Bevölkerungen. Das heißt eher: Finger weg von Staaten mit jungen Bevölkerungen, deren Zukunft mehr als ungewiss sind. Das Zocken sollten wir anderen überlassen, z.B. der Deutschen Bank, die uns KREMER noch als Vorbild nennt!

SIEDENBIEDEL, Christian (2012): Wer weiß schon, was in 50 Jahren ist.
Junge Leute befassen sich nur ungern mit der Vorsorge fürs Alter. Deshalb legen viele zu wenig zurück. Und ärgern sich später,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.10.

Christian SIEDENBIEDEL spielt heute den Psychodoktor, der unser für Ökonomen angeblich irrationales Verhalten bei der Altersvorsorge aus Sicht der Finanzdienstleistungsbranche und deren Helfershelfer in der Verhaltensökonomie beschreibt. Wie bei Psychologen üblich, sind Experimente, die nichts mit unserem Alltag zu tun haben, die Grundlage:

"Um die Abhängigkeit der Vorlieben der Menschen von der Zeit zu untersuchen, wurden Probanden in Experimenten gebeten, zu vergleichen, welche Beträge sie zu welchem Zeitpunkt als Geschenk vorziehen würden. Ob sie beispielsweise lieber in zwölf Monaten 1000 Euro bekämen - oder in 13 Monaten 1010 Euro. Das wäre ein Zins von einem Prozent für einen Monat. Wer sich für die zweite Möglichkeit entschieden hat, so sollte man meinen, müsste sich nach zwölf Monaten, wenn er dann abermals befragt wird, ob er lieber 1000 Euro sofort oder 1010 Euro in einem Monat will, wiederum für die zweite Lösung entscheiden. Das ist aber oft nicht der Fall, wie die Experimente zeigten: Je dichter der Zeitpunkt heranrückte, desto höher musste der Zinssatz ausfallen, für den die Menschen sich noch etwas gedulden wollten. Wenn die Menschen das Geld sofort haben können, ist ihnen das offenbar dann doch viel lieber, als noch einen Monat zu warten."

Meist werden bei solchen Experimenten Studenten als Probanden ausgewählt, aber darüber informiert uns SIEDENBIEDEL nicht. Wir sollen ja nicht die Plausibilität des Experiments in Frage stellen dürfen, sondern dessen Ergebnis als Wahrheit hinnehmen.

Bei der Altersvorsorge ist es ja entscheidend, wie alt jemand ist, der sparen soll. Warum wird uns also nichts über das Alter der Probanden verraten? Korreliert das Verhalten nicht mit dem Zeitraum wie uns weisgemacht wird, sondern mit dem Alter, dann sind die Ergebnisse fragwürdig. Das Gleiche gilt für den Gesundheitszustand. Wurde dieser etwa kontrolliert? Gesunde könnten sich anders verhalten als Kranke. Nichts liest man darüber bei SIEDENBIEDEL, der uns ja nur eine passende Erklärung für unsere Dummheit in Sachen Altersvorsorge liefern soll. Auch die Frage nach der Einstellung zur Altersvorsorge wird vernachlässigt!

Fazit: Verhaltensökonomen wie Richard THALER und Shlomo BENARTZI ("Save more tomorrow") sind selber beschränkt in ihrer Sichtweise. Sie rechtfertigen das System der Altersvorsorge durch Experimente, die nichts anderes als selbsterfüllende Prophezeiungen sind. Kritiker des Systems erscheinen in dieser ökonomistischen Perspektive entweder als irrational oder als Trittbrettfahrer.

 

SCHERFF, Dyrk (2012): Sparen für die Rente mit 67.
Wer früher in den Ruhestand will, muss mehr sparen als bisher. Bei Akademikern können das schnell 1000 Euro zusätzlich werden,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.12.

Dyrk SCHERFF preist uns anlässlich des Einstiegs in die Rente mit 67 seit Jahresbeginn die Vorteile der Rente mit 67 an. Positiv denken ist alles! Die  Beitragssatzstabilität wird uns als alternativlos suggeriert. Die FAS hat sich vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung die Vorteile berechnen lassen, warnt uns aber, dass sich die Situation der Rentenkasse noch verschlechtern könnte.

SCHERFF sieht immer noch in 70 Prozent des Nettoeinkommens ein anzustrebendes Ziel für den Rentenbeginn. Jedoch wird sich das Rentenniveau - statt wie noch von SCHERFF Ende 2003 mit Hinweis auf das DIA verkündet, noch weiter verschlechtern:

"Derzeit zahlt die staatliche Rente noch etwa 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Schon 2030 sind es nur noch 55 Prozent. Danach sinkt der Anteil noch leicht weiter auf etwa 50 Prozent."

Die Differenz von 15 bis 20 Prozent müsste also gemäß dieser Sicht privat vorgesorgt werden.

SCHERFF rechnet uns vor, wie viele Abschläge wir zahlen müssten, um früher in Rente zu gehen:

"Wer 45 Jahre in die staatliche Rentenkasse eingezahlt hat, darf auch weiterhin mit 65 Jahren in Rente gehen. Wer weniger gearbeitet hat, muss Abschläge auf die monatliche Rente in Kauf nehmen: Für jedes Jahr früheren Rentenbeginns sind das 3,6 Prozent. Frühestens kann die Rente mit 63 bezogen werden, dann betragen die Abschläge aber künftig 14 Prozent. Bisher waren es nur 7,2 Prozent."

Diese Abschläge würden die Frührente unattraktiv machen, da die Kompensation durch private Altersvorsorge ohne großen Verzicht nicht gelingen kann. Als Verlierer der Rentenreform stellt uns SCHERFF die Jahrgänge 1960 bis 1970 vor.

Angesichts der Verschlechterungen bei der Frührente empfiehlt SCHERFF längeres Arbeiten über 67 hinaus:

"Wer das macht, bekommt für jedes zusätzliche Jahr 6 Prozent mehr staatliche Rente."

 
     
 
       
   

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Update: 11. Februar 2019