1997
BÖRSCH-SUPAN, Axel (1997): Eine umfassende Verpflichtung zur
Solidarität. Das Festhalten am Umlageverfahren gefährdet den
Generationenvertrag - Kapitaldeckung ist möglich und
vorteilhaft. In: Annette Lepenies (Hrsg.) Alt und Jung: Das
Abenteuer der Generationen, Basel/Frankfurt a/M: Stroemfeld
Verlag, S.34-40
2002
BECK, Hanno (2002): Aus der Balance.
Im Jahr
2030 wird jeder vierte Europäer älter als 65 Jahre sein. Das
werden auch Anleger spüren. Ihre Hoffnung liegt dann in den
Entwicklungsländern,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 31.03.
Hanno BECK erzählt
uns folgendes Märchen der Unternehmens- und
Kapitalbesitzerlobby von der drohenden Abwärtsspirale:
"Ausgangspunkt dieser Überlegungen sind die Folgen einer
Überalterung für den Arbeitsmarkt: Die Bevölkerung im
erwerbsfähigen Alter ist rückläufig. Die mögliche Folge: Ein
Rückgang des Sozialproduktes, Arbeitsknappheit und steigende
Löhne mit negativen Folgen für die Ergebnisse der
Unternehmen. Auch für Kapitalbesitzer wird es dadurch
unangenehmer: Wird Arbeit in Relation zum Kapital knapp, so
sinkt der relative Preis des Kapitals - sprich die Rendite.
Zugleich führt die Überalterung der Bevölkerung zu
steigenden Kosten für das Gesundheits- und Rentensystem, mit
der Folge, daß der Staat die Steuern anheben muß - wiederum
zu Lasten der Unternehmen."
Weil die
Ausbeutung der Arbeitnehmer in Zukunft schwerer fallen wird,
soll es uns schlechter gehen, so will es dieses Märchen. Aber
aus der Balance ist nicht die Bevölkerungsentwicklung, sondern
der Finanzmarkt.
Uns wird
Harry DENT als Oberpriester jener Priesterschaft der Ökonomen
vorgestellt, der demografische Entwicklungen zum Ausgangspunkt
seiner Glaubenslehre gemacht hat. Als sein deutscher Novize
wird uns Georg THILENIUS vorgestellt, der mit seinem
Demografiethese bereits heute weiß wie sich der Aktienmarkt in
Deutschland entwickeln wird:
"Etwa bis
zum Jahr 2015 wird der deutsche Aktienmarkt gut laufen,
danach wird sich der demographisch bedingte Rückgang der
Altersgruppe der 50jährigen auch in den Aktienkursen
niederschlagen",
wird der
deutsche DENT-Epigone zitiert. Dumm gelaufen! Die Entwicklung
in Japan wird uns retrospektiv so erklärt, dass statt der 50-
dort die 40-Jährigen die konsumfreudigsten Altersgenossen
waren, die dadurch den Aktienmarkt steuerten.
Priesterherrschaft wie bei den Ökonomen erkennt man an solchen
retrospektiven Deutungen, die ihren Sinn erst im Nachhinein
erhalten.
Zementiert
soll diese Priesterherrschaft durch "demographische Manifeste"
werden. Die Entwicklungsländer - deshalb heißen sie ja so -
sollen die Zukunft der Kapitalmärkte sein, so verheißt es uns
die Credit Suisse First Boston. Solange die Weltbevölkerung
wächst - so das Credo der demografiegläubigen Ökonomenschar -
droht uns kein wirkliches Ungemach. Dann sollten wir schnell
aufhören, das Wachstum der Weltbevölkerung stoppen zu wollen!
Nach so viel Schwarzmalerei präsentiert uns BECK zum Schluss
die kommenden goldenen 20 Jahre:
"Die
jetzige Generation der 30- bis 40jährigen werde in den
kommenden 15 Jahren bis zu ihrer Rente die produktivste
Phase ihres Erwerbsleben erreichen",
prophezeien
uns die Ökonomen von UBS Warburg. Wir können uns nun
aussuchen, welcher ökonomischen Glaubensgemeinschaft wir uns
nun anschließen wollen. Am besten gar keiner!
AUTH, Diana (2002): Auslaufmodell Solidarität.
Weder zukunftstauglich noch
gerecht: Die rot-grüne Rentenpolitik entlastet die Unternehmen,
begünstigt die Versicherungen und spaltet die Gesellschaft,
in: Freitag Nr.27 v. 28.06.
Diana AUTH
erklärt uns die Folgen der Riester-Reform, mit der die
Unternehmen entlastet und die jüngere Generation dagegen
belastet worden sei. AUTH, die nicht generell gegen eine
kapitalgedeckte Altersvorsorge ist, kritisiert, dass bei der
privaten Altersvorsorge soziale Ausgleichselemente fehlen und
Frauen aufgrund fehlender Unisex-Tarife benachteiligt wären:
"Bei der
freiwilligen privaten Altersvorsorge à la Riester sind (...)
keine Elemente des sozialen Ausgleichs enthalten. Zeiten der
Kindererziehung, der Pflege, der Arbeitslosigkeit, der
Krankheit oder Ausbildung werden nicht angerechnet. Ebenso
wenig ist eine Hinterbliebenenversorgung oder die
Absicherung bei Invalidität vorgesehen. Dafür sind Elemente
enthalten, die Frauen benachteiligen, wie etwa die höheren
Tarife beziehungsweise geringeren Leistungen für Frauen."
Im
Gegensatz zur privaten Altersvorsorge beschreibt AUTH die Vor-
und Nachteile der betrieblichen Altersversorgung
folgendermaßen:
"Da die
betriebliche Altersvorsorge Vorteile gegenüber der privaten
aufweist, wie Einsparungen bei Verwaltungskosten, leichtere
Durchsetzung solidarischer Elemente und eine mögliche
Beteiligung der Arbeitgeber an den Kosten, ist diese Art der
Förderung generell positiv zu werten. Problematisch ist
allerdings, dass nicht alle Beschäftigten in den Genuss
generöser betrieblicher Altersvorsorgemaßnahmen kommen und
dass die gesetzliche Rente dadurch ersetzt und nicht (mehr)
ergänzt werden soll."
AUTH geht
davon aus, dass die Teilprivatisierung nur der erste Schritt
hin zum Systemwechsel auf die Kapitaldeckung ist. Zudem wird
bemängelt, dass die Reform keine Grundsicherung im Alter
gebracht hat. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten wird
begrüßt, aber nicht als ausreichend erachtet.
Zuletzt
präsentiert uns AUTH noch das alternative Rentenkonzept der IG
Bau, das in der Rentendebatte zu Unrecht unbeachtet blieb:
"Nach
diesem Konzept soll die gesamte Wohnbevölkerung ab dem 16.
Lebensjahr unabhängig von einer Erwerbstätigkeit in die
gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Wenn
jemand nicht den (von der IG BAU mit 102 Euro bezifferten)
Mindestbeitrag aufbringen kann, müssen staatliche Zuschüsse
geleistet werden. Auch Beamte und Selbstständige sind -
unter Einhaltung langer Übergangszeiten - beitragspflichtig,
und alle zu versteuernden Einkommensarten werden einbezogen.
Die Beitragsbemessungsgrenze fällt ebenso weg wie die
Hinterbliebenenversorgung nach einer Übergangsphase. Nach 44
Beitragsjahren, im Alter von 60 Jahren, erhält jeder eine
Rente auf dem Niveau von 70 Prozent des Nettolohnes.
Kindererziehungszeiten werden aufgewertet. Wer allerdings
früher in Rente gehen will, muss Abschläge in Kauf nehmen.
Gleichzeitig könnte nach dem Modell der IG BAU der
Beitragssatz dauerhaft unter 20 Prozent stabilisiert werden.
Um dies zu erreichen, sollen die Renten bei etwa 2.300 Euro
brutto (bezogen auf das Jahr 2000) gedeckelt werden. Private
und betriebliche Altersvorsorge ist hier freiwillig und als
Ergänzung zur gesetzlichen Rente gedacht."
GOY, Martina &
Cornelia SCHMERGAL
(2002): Heute jung - morgen arm?
Durch die
Verluste an den Aktienmärkten wird die Gesellschaft von
Altersarmut bedroht. Besonders hart könnte es die junge
Generation treffen,
in: Welt am Sonntag v. 28.07.
GOY & SCHMERGAL erklären
uns, dass die Talfahrt der Börsen weiter anhalten kann und das
Vermögen der Deutschen erstmals in der Nachkriegszeit
geschrumpft sei:
"Bilanz-Skandale in den
USA, Verluste bei deutschen Banken, die Berg- und Talfahrt
der Kurse - die Stimmung der Wirtschaft ist desolat. Der
Deutsche Aktien-Index Dax stürzte in der vergangenen Woche
auf ein neues Fünf-Jahres-Tief. Die Talsohle, so warnen die
Experten, sei noch lange nicht erreicht. (...).
Seit seiner Spitze im März 2000 hat der Dax über die Hälfte
seines Wertes eingebüßt. Das meiste in diesem Jahr. Allein
in diesem Monat wurden rund 120 Milliarden Euro an
Marktkapitalisierung vernichtet. Erstmals seit Gründung der
Bundesrepublik ist das Geldvermögen der Deutschen nicht
gestiegen."
Bert RÜRUP erklärt uns,
dass Altersarmut in Deutschland mittel- oder langfristig zum
Problem werden kann. In den USA sei das bereits der Fall:
"Die Amerikaner sehen
seit Monaten mit an, wie ihre Ersparnisse im Gleichklang mit
dem Dow-Jones-Index zerbröseln. Die private Rente ist für
sie der wichtigste Bestandteil ihrer Altersvorsorge. Die
meisten Haushalte haben in Aktien investiert, vor allem in
den neunziger Jahren. Der Boom bescherte goldene
Lebensträume. Zwei von drei Amerikanern konnten es sich
leisten, sich schon vor dem 65. Lebensjahr zur Ruhe zu
setzen.
Jetzt hat die Baisse sie kalt erwischt. Nach neuen
Untersuchungen sind ein Viertel aller Rentner in den USA
gezwungen, wieder jobben zu gehen."
Glücklicherweise - für
Neoliberale - kam dieser Börsencrash nicht vor, sondern erst
nach Einführung der Riester-Rente, sonst wäre die
Riester-Reform kaum durchsetzbar gewesen.
Am Schluss bringen uns die
Verfechter der kapitalgedeckten Altersvorsorge mit
Schauermärchen zur gesetzlichen Rente zur Räson, indem sie
Meinhard MIEGEL zitieren:
"»Es gibt keine private
Vorsorgeform, die so schlecht abschneidet wie die
gesetzliche Rentenversicherung.« Besonders hart wird es
künftig diejenigen treffen, die nach 1970 geboren wurden.
»Wenn die in Rente gehen«, orakelt Miegel, »wird es eng. Die
bekommen aus der Rentenversicherung noch nicht einmal mehr
das heraus, was sie einbezahlt haben.«"
Man wird sehen, was diese
Drohung Wert sein wird. Vielleicht werden sich die in den
1970er Jahren Geborenen einmal ärgern, dass sie sich nicht
mehr für eine Stärkung der gesetzlichen Rente eingesetzt
haben.
BECK, Hanno (2002):
Die Vergreisung der Bevölkerung trifft auch die Kapitalmärkte.
Experten
sehen einen Zusammenhang zwischen Demographie und Aktienkursen.
Negativbeispiel Japan. Hoffen auf Entwicklungsländer,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 31.07.
Hanno BECK stellt
uns die Asset melt down-These von Harry DENT vor.
Japan wird als
Paradebeispiel für die Richtigkeit genannt.
"Ganz so dramatisch
könnte es jedoch nicht werden, denn diese Argumente bauen
auf der Idee einer geschlossenen Volkswirtschaft auf. Die
Bevölkerung der Welt als Ganzes steigt aber",
wiegelt BECK ab. Zwei
Alternativen nennt uns der Autor: Migration und Kapitalexport.
Zudem ist die Bedeutung des Konsums eine umstrittene Frage:
"Führt ein Anstieg der
Ersparnisse zu einem Rückgang des Sozialproduktes nach dem
Muster eines keynesianischen Sparparadoxons oder aber nach
klassischem Muster zu einem Rückgang der Zinsen und damit
einer Zunahme der Investitionen?
Pharma- und
Biotechnologieunternehmensaktien sowie Aktien in
China
und
Indien sollen angeblich lukrativ sein wegen dem dortigen
Bevölkerungswachstum. Dagegen gelten Immobilien und Anleihen
als Risiko.
POHL, Detlef
(2002): Die Riester-Rente hat ihren Preis.
Die
Deutschen müssen privat vorsorgen. Der Staat hilft. Wo in
Zukunft hohe Renditen zu holen sind, weiß heute noch keiner.
Viele Anbieter verschleiern Kosten und Gebühren,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 29.09.
"Jetzt
haben auch die Verbraucherschützer ihre reservierte Haltung
gegenüber der Riester-Rente aufgegeben. Der
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) rät, noch in diesem
Jahr zuzugreifen, um keinen Cent staatliche Förderung zu
verschenken",
lockt uns
Detlef POHL. Um die schwächelnde
Riestervertrags-Erfolgsstatistik zu stützen, verlangen
Anbieter von Riester-Produkten horrende Gebühren bei
vorzeitiger Kündigung:
"So muß
etwa ein Kunde mit 25.000 Euro Bruttojahreseinkommen, der
einen Vertrag mit 30 Jahren Anspardauer abgeschlossen hat,
bei Vertragsauflösung zum Ende des ersten Jahres bei der
Hamburg-Mannheimer bis zu 1.450 Euro Stornokosten zahlen.
Das ist weitaus mehr, als er bis dahin überhaupt angespart
hatte."
Hinzu
kommt, dass Kapitalmarktprobleme die Renditeaussichten trüben.
Als Alternative preist uns POHL die Betriebsrente mit der
neuen Möglichkeit zur Entgeltumwandlung an. Hier gäbe es
jedoch ein Transparenzproblem, erklärt uns POHL:
"Durch
die Möglichkeit des Versicherers, die Rechnungsgrundlagen zu
ändern (Zins, Sterbetafel) unterliegt die Leistung bei
Pensionskassen und -fonds einem nicht nachvollziehbaren
Änderungsrisiko. Der Kunde merkt das erst mit Rentenbeginn".
Ein Kasten
erklärt uns Entgeltumwandlung richtig gemacht. Eine
Tabelle enthält Angaben zu sagenhaften Renditen, die uns nach
35 Jahren erwarten: Bank-Sparpläne u.a. der Kreissparkasse
Kaiserslautern (5,79 %), Fonds-Sparpläne von Union-Investment
und DWS (8,6 %). Als Quelle wird die Zeitschrift Finanztest
genannt. Zielgruppe sind Singles (Beispielhaft ein 30
jähriger lediger Mann mit 25.000 Euro Bruttoeinkommen im
Jahr.
LAAK,
Dirk van (2002): Die zornigen Alten.
In der
vertrauensseligen Gemütsruhe des Sozialstaates taten sich
Rentner und Junge lange Zeit nicht weh. Jetzt aber droht Streit,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.11.
Der Historiker
Dirk van LAAK verkauft uns die Riester-Reform als Rückkehr zu
vergangenen Zeiten:
"Wenn
jetzt die Vorsorge aus privatem und betrieblichem Kapital
das Umlageverfahren ergänzt, ist dies auch eine Rückkehr zu
früheren, weniger zentralistischen Formen der
Alterssicherung."
Die Gewinner des Umlageverfahren werden uns als die 1915 bis
1935 Geborenen präsentiert, die als "Wohlfahrtsgeneration"
bezeichnet wird. Diese werden von LAAK zudem als "zornige
Alte" beschrieben:
"Obwohl
ihre Renten kaum gefährdet sind, tragen sie zum moralischen
Unterton der Rentendebatte bei, weil sie die Einschränkung
von Leistungen oft mit Undankbarkeit identifizieren."
Belege für
die Richtigkeit seiner Aussage nennt er uns jedoch nicht. LAAK
beschreibt uns noch das traditionelle Ruhestandsmodell, dessen
Mentalität sich inzwischen auf die Frührente ausgedehnt hat:
"Die
Alten sind kaum mehr als Träger von Traditionen und
Fertigkeiten gefragt.
Ein erweitertes Verständnis von Berufsunfähigkeit und
großzügige Vorruhestandsregelungen haben den Zugang zur
Rente erleichtert. Die meisten Arbeitnehmer zählen die
Jahre, die sie noch brauchen, um sich endlich ein schönes
Leben zu gönnen. Der Lebensabend ist zu einem begehrten
Zustand geworden. Nicht mehr unbedingt das Lebensalter
entscheidet über den Ausstieg aus dem Erwerbsleben, sondern
das gewünschte Niveau der inzwischen erworbenen Ansprüche."
Diese
Mentalität trifft nun auf die geplante Anhebung des
Renteneintrittsalters. Am Schluss erklärt LAAK das heutige
Rentensystem zu einer historischen Epoche, die sozusagen nun
vorbei ist.
2003
KLÖCKNER, Bernd W. (2003): Die gierige Generation. Wie
die Alten auf Kosten der Jungen abkassieren, Frankfurt a/M:
Eichborn Verlag
Bernd W. KLÖCKNER vertritt die
Interessen der Versicherungsbranche, indem er die Renditen
der gesetzlichen Rentenversicherung hervorhebt, ohne die
Risiken der privaten Altersvorsorge zu nennen:
"Ein
1930 Geborener, der 45 Jahre rund 187.000 DM in die
gesetzliche Rentenversicherung einbezahlte, erhält knapp
330.000 DM an Rentenleistungen. Das ist mehr als das
1,7fache. Die Rendite dieser Kapitalanlage des Alten liegt
bei rund 3 Prozent. Wer dagegen 2015 in Rente geht, muss
sich mit wahrscheinlich rund einem Prozent Rendite
zufrieden geben. Wer 2030 die Rente antritt, wird auf
belustigende null Prozent kommen, und für alle späteren
Rentner gibt es voraussichtlich eine Minus-Rendite. Auf
den Punkt gebracht: Das jetzige Rentensystem führt
zwangsläufig dazu, dass einige für ihre Investitionen
nicht nur keinen Zins erhalten, sondern sogar weniger als
die eigenen Investitionen zurückbezahlt bekommen."
(zitiert nach der Taschenbuchausgabe 2005, S.29)
In seiner Warnung an die
ewigen Vorsorge-Zögerer geht KLÖCKNER von einer gegenwärtig
traumhaft hohen effektiven Verzinsung von 5 % aus. Das Jahr
2015 ist mittlerweile Geschichte und statt der Traumrenditen
der privaten Altersvorsorge ist die gesetzliche
Rentenversicherung mit unschlagbaren und risikolosen 3 %
Rendite zum Renner bei denjenigen avanciert, die genügend Geld
auf der hohen Kante haben und auf ihre gute Gesundheit wetten!
Konsequenterweise ist
KLÖCKNER inzwischen ganz auf die Seite der Finanzdienstleister
gewechselt!
HERRMANN, Ulrike (2003):
Klassenkampf von oben.
"Generationengerechtigkeit"
heißt das neue Schlagwort. Doch es führt in die Irre: Es gibt
keinen Kampf zwischen den Generationen - sondern zwischen Reich
und Arm,
in: TAZ v. 04.01.
Ulrike HERRMANN
skizziert uns die politische Karriere des Begriffs
"Generationengerechtigkeit":
"Norbert
Blüm hat den Begriff für seine
Rentenreform benutzt, 1998 hat ihn die FDP für sich
entdeckt. Die Liberalen können zufrieden sein mit ihrem
Marketingerfolg: Inzwischen sind alle Parteien bemüht, als
die Vorkämpfer der Generationengerechtigkeit zu erscheinen.
Und jüngst wurde die neu entdeckte Generationengerechtigkeit
noch weiter aufgewertet: Sie ist nun sogar Anliegen eines
Expertengremiums - der Rürup-Kommission, die ihre Ergebnisse
im Herbst 2003 vortragen wird."
Als Alltagswissen gilt
gemäß HERRMANN inzwischen, dass das staatliche Rentensystem
kollabiert und dass Altersarmut nur durch private
Altersvorsorge vermieden werden kann. Die Jahre ab 2030 werden
uns von Neoliberalen als Horror geschildert. HERRMANN hält dem
entgegen, dass wir keinen Generationenkrieg erleben, sondern
einen Klassenkampf von oben.
ÖCHSNER, Thomas
(2003): Schönrechnerei bei der Rente,
in:
Süddeutsche
Zeitung v. 08.01.
Thomas ÖCHSNER kritisiert -
mit Verweis auf ein Focus-Interview mit Bert RÜRUP -
die Renteninformation der BfA, deren Angaben über die Höhe der
zu erwartenden Rente zu optimistisch seien, weil zum einen die
Inflation nicht mitberücksichtigt wird und zum anderen eine
jährliche Erhöhung der Rente von 3,5 % angenommen wird.
Tatsächlich enthält die Renteninformation aber auch eine
Prognose mit 1,5 % jährlicher Rentenerhöhung, die verschwiegen
wird. ÖCHSNER störte nicht, dass die Finanzdienstleister mit
überhöhten Renditenversprechungen lockten, sondern dass nun
die BfA dies ebenfalls tut und dadurch den Absatz von
Riester-Produkten hemmt:
"Jahrelang haben
Versicherer, Banken und Fondsgesellschaften mit viel zu
optimistischen Rendite-Prognosen Kunden geködert. Eine
staatliche Behörde sollte ähnliche Zahlenspiele unterlassen.
Das würde sich auch auf die Riester- Rente positiv
auswirken. Bislang haben viel weniger Bürger als erwartet
die neue staatliche Förderung der privaten oder
betrieblichen Altersvorsorge genutzt. Realistische
Informationen über die gesetzliche Rente könnten den Absatz
der Riester-Produkte fördern."
Fazit: Die
Renteninformation wird von den Verfechtern der privaten
Altersvorsorge als reines Marketinginstrument in Sachen
Verbesserung der Absatzmöglichkeiten von Riester-Produkten
verstanden.
GRAUPNER, Heidrun &
Robert JACOBI (2003): Altes Rezept unter neuem Namen.
Der
Altersaufbau der Gesellschaft soll bei der Rentenberechnung
wieder stärker berücksichtigt werden,
in: Süddeutsche Zeitung v. 23.04.
OESTREICH, Heide (2003): Rürups neue Rentenformel liegt vor.
Ein "Nachhaltigkeitsfaktor" soll
die Höhe der Altersbezüge dem jeweiligen Beitragsaufkommen
anpassen. Das Rentenalter soll auf 67 Jahre steigen. Die
Gewerkschaftsvertreter halten dagegen: Ältere Menschen würden
ohnehin kaum noch beschäftigt,
in: TAZ v. 25.04.
BUNZENTHAL,
Roland (2003): Demografischer Faktor.
Wort-Schatz,
in: Rheinischer Merkur v. 01.05.
Der Rheinische Merkur
erklärt uns wie aus dem 1997 von Bert RÜRUP im Auftrag von
Arbeitsminister Norbert BLÜM entwickelten demografischen
Faktor der Nachhaltigkeitsfaktor werden soll.
Während der
demografische Faktor die Renten an die steigende
Lebenserwartung gekoppelt hätte, soll nun der
Nachhaltigkeitsfaktor für die weitere Absenkung des
Rentenniveaus sorgen. Nicht jedoch der demografische Wandel
macht das notwendig, sondern die Konjunkturschwäche der
deutschen Wirtschaft.
"Rürup empfiehlt (...)
das Rentenniveau über die kommenden 30 Jahre um 2,2
Prozentpunkte abzusenken. Dies soll zusätzlich zu der 2000
beschlossenen Absenkung um sechs Prozentpunkte gelten
(,)(...) damit die Rentenbeiträge nicht bis 2030 auf 24,5
Prozent steigen",
werden uns die
Vorschläge der Rürup-Kommission erklärt.
ÖCHSNER, Thomas (2003): Vorsorgekonto als Alternative.
Die Reform
der Riester-Rente rückt näher,
in: Süddeutsche Zeitung v. 27.05.
Thomas ÖCHSNER präsentiert
uns die Vorstellungen des BVI Bundesverbands Investment und
Asset Management, der die Fondsgesellschaften vertritt und für
ein Vorsorgekonto plädiert, um dem unterstellten
Informationsmangel der potenziellen Versicherten abzuhelfen.
ÖCHSNER erklärt uns die Vorteile anhand von Hemmnissen bei der
betrieblichen Altersvorsorge:
"Wechselt z.B. ein
Facharbeiter von der Metall- in die Chemieindustrie, kann er
seine Ansprüche aus der »MetallRente« nicht einfach auf den
Pensionsfonds der Chemiebranche übertragen. Das neue
Vorsorgekonto soll dagegen - angesichts einer flexibleren
Arbeitswelt - uneingeschränkt übertragbar sein."
Mit Blick auf die USA und
die Schweiz, deren kapitalgedeckte Altersvorsorge von einer
Kapitalmarktkrise bedroht ist, hält sich ÖCHSNER notgedrungen
mit radikaleren Plänen der Finanzdienstleistungslobbyisten zur
Deregulierung zurück.
WELTER, Patrick
(2003): Am Kapitalmarkt gibt es mehr.
Renditevergleiche lassen die Rente schlecht aussehen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.08.
Patrick WELTER
nennt uns zuerst die Probleme bei Renditeberechnungen:
"Solche Analysen sind
umstritten, weil sie auf Annahmen beruhen über die künftige
Entwicklung von - politisch bestimmten - Beitragssätzen und
Rentenhöhen, über die Lebenserwartung, die Inflationsraten
und die Einkommensentwicklung."
Mit keinem Wort erwähnt
dagegen WELTER, dass nicht nur die Lebenserwartung, sondern
alle demografischen Faktoren mehr oder weniger anfällig für
Fehleinschätzungen sind. Dagegen nennt WELTER
folgende Aspekte als "hinreichend abgesichert":
"Spät geborene
unverheiratete Männer erzielen in der GRV die geringsten
Renditen Frauen haben eine höhere Lebenserwartung und so
eine höhere Rendite. Verheiratete haben eine höhere Rendite.
Später Geborene haben eine niedrigere Rendite als frühere
Jahrgänge."
Auch diese Aspekte sind
keineswegs stichhaltig, denn sie korrelieren z.B. mit dem
Einkommen, d.h. Besserverdiener haben eine höhere Rendite als
Geringverdiener. Hier geht es also lediglich darum, bestimmte
Gruppen gegeneinander auszuspielen. Der entscheidende Punkt
ist jedoch:
"Die Rendite der GRV muß
verglichen werden mit der Rendite in einem kapitalgedeckten
Rentensystem."
Daraus folgt, dass auch
deren Entwicklung gravierende Auswirkungen auf die Rendite
haben. So führen z.B. Unisex-Tarife bei Lebensversicherungen
zu geringeren Renditen von Männern im Vergleich zu
geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Tarifen.
ERL (2003): Wie die Renten errechnet werden.
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.08.
SCHERFF, Dyrk
(2003): Wieviel Rente bleibt mir noch?
Die
Regierung kürzt weiter: Die zehn wichtigsten Fragen zur
Altersvorsorge,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 26.10.
Dyrk SCHERFF gibt
uns auf folgende 10 Fragen Antworten:
1. Wie stark sinkt
meine Rente im kommenden Jahr?
2. Und wie seiht es in einigen Jahren aus?
3. Renten müssen bald versteuert werden. Was kostet das?
4. Wieviel muß ich privat vorsorgen?
5. Wird die private Vorsorge einfacher und übersichtlicher?
6. Gelten die neuen Regeln auch für alte Verträge?
7. Für wen macht die Riester-Rente Sinn?
8. Wird auch die betriebliche Vorsorge attraktiver?
9. Sind Lebensversicherungen noch zur Vorsorge geeignet?
10. Also schnell noch abschließen?
Bei der privaten
Altersvorsorge beruft sich SCHERFF bei der Höhe des Anteils
auf das DIA, eine Lobbyorganisation der Finanzdienstleister:
"Das
Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) empfiehlt, ein
Alterseinkommen von 70 Prozent des Nettoeinkommens
anzustreben. Dafür ist private Vorsorge nötig. Jüngere und
Geringverdiener müssen im Jahr weniger privat zurücklegen
als Ältere und Reiche. Denn in jungen Jahren ist mehr Zeit
zum Ansparen, und niedrige Einkommen werden steuerlich
geringer belastet. Das DIA empfiehlt bei einem gesetzlichen
Rentenniveau von 64 Prozent für ein Einkommen von 30000 Euro
für den Jahrgang 1970 eine Sparsumme von rund 360 Euro für
Männer und 440 Euro im Jahr bei Frauen. Für den Jahrgang
1960 sind es schon 800 und 860 Euro."
Als
Experten präsentiert uns SCHERFF
Tom Friess vom VZ Vermögenszentrum, ein im Jahr 2000
gegründetes Finanzberatungsunternehmen, das sich in seiner
Selbstdarstellung als "unabhängig" beschreibt. Daneben lässt
er Thomas BIELER von der Verbraucherzentrale NRW zu Wort
kommen. Diese Experteneinschätzungen sind lediglich auf
Produktbewertungen innerhalb des bestehenden Systems
gerichtet, während grundlegende Beschränkungen des Systems der
Altersvorsorge außen vor bleiben.
SCHERFF
präsentiert uns eine Grafik zur Zusammensetzung des
Alterseinkommens in verschiedenen Ländern, die nachfolgend als
Tabelle aufgelistet sind:
Tabelle: Zusammensetzung des Alterseinkommens |
Land |
Gesetzliche Rentenversicherung |
Betriebliche Altersvorsorge |
Private Altersvorsorge |
Deutschland |
85 % |
5 % |
10 % |
Großbritannien |
65 % |
25 % |
10 % |
Niederlande |
50 % |
40 % |
10 % |
Vereinigte Staaten |
45 % |
13 % |
42 % |
Schweiz |
42 % |
32 % |
26 % |
|
Quelle: DIA;
FAS-Grafik 2003 |
Es zeigt
sich, dass Deutschland lediglich mit Ländern verglichen wird,
bei denen der Anteil der nicht-gesetzlichen Rente höher ist.
Es wird suggeriert, dass die Deutschen zu wenig individuelle
Altersvorsorge betreiben. Die Zusammensetzung der
Alterseinkommen lässt sich zudem nicht nachvollziehen und wird
auch im Text nicht erklärt.
Das
Einmaleins der Rente soll uns die Begriffe Nachgelagerte
Besteuerung, Nachhaltigkeitsfaktor, Schwankungsreserve und
Zertifizierungskriterien erklären.
SCHMITT, Thomas (2003): Im Alter
fehlt das Geld.
Vorsorgen tut
not. Das ist das Fazit jeder Rentendebatte. Doch die Menschen
geben ihr Geld lieber aus. Das rächt sich im Alter bitter,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v.
16.11.
"Wenn heute
noch rund 70 Prozent des Nettolohns als Rente möglich
sind, so dürften es in 30 Jahren unter 60 Prozent sein.
Denn die Rentensteigerung werde sicherlich geringer
ausfallen als die allgemeine Einkommensentwicklung",
präsentiert uns
Thomas SCHMITT
die Meinung von Reinhold SCHNABEL ("Rentenexpert"). Dieser
sieht Probleme weniger bei den Besserverdienern, sondern bei
den Geringverdienern. Das noliberale DIA (Bernd KATZENSTEIN)
und das VZ Vermögenszentrum (Michael HUBER) haben für uns
Faustformeln parat:
"Als
Faustformel für einen heute 25 bis 30 Jahre alten
Akademiker nennt Katzenstein ein Vorsorgekapital von 1,5
Millionen Euro. Huber empfiehlt: Der Kapitalstock sollte
mindestens das Zehnfache des letzten Bruttogehaltes
betragen. Wer also kurz vor der Rente 100.000 Euro
verdient, sollte eine Million auf der hohen Kante haben.
Dahin kommt am sichersten, wer früh anfängt, regelmäßig
immer größere Beträge zu sparen. Auch dafür nennen die
Experten Faustformeln. Katzenstein: »Ein
Durchschnittsverdiener muß sechs bis acht Prozent des
Bruttolohns sparen.«"
Uns wird
außerdem die Wichtigkeit des Zinseszins beigebracht:
"Wer
heute mit 10.000 Euro startet und in 30 Jahren eine
Million Euro braucht, dabei mit einem Zinssatz von vier
Prozent kalkuliert, sollte nun jeden Monat 1300 Euro
zurücklegen. Rechnet er dagegen mit fünf Prozent, sinkt
die Sparrate auf etwa 1150 und bei sechs Prozent auf 935
Euro."
Und dann
sollen wir auch noch die Inflation berücksichtigen:
"Eine
Million Euro sind bei 2,5 Prozent Inflation in 35 Jahren
zum Beispiel nur noch die Hälfte wert. Wer vorsichtig
plant, kalkuliert daher eher mit drei Prozent Inflation."
Sechs
Beispielrechnungen des DIA für unterschiedliche
Altersgruppen werden uns von SCHMITT präsentiert, die in 3
Bruttoeinkommensgruppen unterteilt werden (Niedrigverdiener:
1.827 Euro/Monat; Durchschnittsverdiener: 2.436 Euro/Monat;
Besser- und Spitzenverdiener: 5.100 Euro/Monat). Außerdem
wird auf die Renteninformation und deren Mängel aus Sicht
der DIA eingegangen.
SCHMITT, Thomas (2003): Die Kaufkraft
der Rente sinkt.
Einen
Inflationsausgleich erwarten nur noch Optimisten,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v.
16.11.
In dem
Artikel befasst sich Thomas SCHMITT mit den Varianten der
prognostizierten Rentenanpassungen in den
Beispielberechnungen (keine, 1 und 2 Prozent Steigerung).
Das VZ Vermögenszentrum rechnet mit keiner Rentenanpassung.
Das DIA geht von einem Prozent aus und Reinhold SCHNABEL
rechnet mit 2 oder sogar 3 Prozent Rentensteigerung. Die
prognostizierte Inflation von zwei Prozent rechtfertigt
SCHMITT folgendermaßen:
"Zwei
Prozent Inflation sind (...) ein Kompromiß: Der Wert liegt
über der aktuellen Rate, entspricht dem Inflationsziel der
Europäischen Zentralbank, unterschreitet aber
Erfahrungswerte. In den vergangenen 30 beziehungsweise 40
Jahren betrug die Geldentwertung durchschnittlich drei
Prozent, für 1952 bis 2002 sind es in Deutschland 2,7
Prozent. Nur wer zehn oder zwanzig Jahre betrachtet, kommt
auf Werte knapp unter zwei Prozent."
SCHMITT
rechnet einem heute 20-Jährigen Durchschnittsverdiener
(2.436 Euro/Monat) vor, was er 2047 bei 2 Prozent Inflation
pro Jahr an Rente zu erwarten hat:
"Um die
zu erwartende Rente zu beurteilen, sollte der Nominalwert
in Beziehung gesetzt werden zum letzten Einkommen vor
Rentenbeginn. (...). Angenommen, Löhne und Gehälter
steigen wie in der Modellrechnung pro Jahr um zwei
Prozent: Ein heutige durchschnittlich verdienender
20jähriger hätte dann im Jahr 2047 brutto 5.822 Euro, aber
nur 1.840 Euro Rente - wenn man ein Prozent
Rentensteigerung annimmt."
SCHERFF, Dyrk (2003): Geschickt über
die Rentenlücke.
Die
staatliche Rente sinkt. Privat sparen ist unerläßlich. Je
früher, desto besser. Wer seinen Lebensstandard halten will,
muß bis zu zehn Prozent vom Gehalt zurücklegen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v.
25.12.
Das DIA, eine
Lobbyorganisation der Finanzdienstleister, ist unzufrieden
mit der Entwicklung der Riester-Verträge:
"In
diesem Jahr haben schon 300.000 ihren Vorsorgevertrag
gekündigt, während nur 200.00 einen neuen abgeschlossen
haben. (...). Am schlimmsten aber: 22 Prozent aller
Befragten sorgen nicht einmal ungefördert vor und
verlassen sich statt dessen voll auf die staatliche
Rente",
teilt uns
Dyrk SCHERFF mit. Dabei gäbe es doch gute Zinsen: 5 %! Das
DIA möchte gerne, dass wir 70 Prozent des letzten
Nettoeinkommen als Einstieg in den Ruhestand anstreben. In
einer Tabelle werden uns die folgenden jährlichen Sparraten
empfohlen:
Tabelle:
Altersvorsorge für 70 Prozent des Nettoeinkommens zu
Rentenbeginn |
Brutto-
einkom-men
(in Euro) |
Jahrgang 1950 |
Jahrgang 1960 |
Jahrgang 1970 |
Jahrgang 1980 |
Spar-
summe
(pro Jahr/€) * |
Kapital bei
Renten-beginn in Euro ** |
Spar-
summe
(pro Jahr/€) * |
Kapital bei
Renten-beginn in Euro ** |
Spar-
summe
(pro Jahr/€) * |
Kapital bei
Renten-beginn in Euro ** |
Spar-
summe
(pro Jahr/€) * |
Kapital bei
Renten-beginn in Euro ** |
Männer |
Niedrig
22.875 € |
1.487 |
19.377 |
938 |
27.919 |
618 |
33.021 |
458 |
39.626 |
in %
|
6,5 % |
|
4,0 % |
|
2,7 % |
|
2,0 % |
|
Mittel
30.500 € |
2.440 |
31.798 |
1.617 |
48.120 |
1.068 |
57.073 |
732 |
63.401 |
in % |
8,0 % |
|
5,3 % |
|
3,5 % |
|
2,4 % |
|
Hoch
61.000 € |
6.100 |
79.523 |
4.088 |
121.705 |
2.685 |
143.549 |
1.831 |
158.560 |
in % |
10 % |
|
6,7 % |
|
4,4 % |
|
3,0 % |
|
Frauen |
Mittel
30.500 € |
3.050 |
39.747 |
1.922 |
57.199 |
1.281 |
68.487 |
885 |
76.610 |
in % |
10 % |
|
6,3 % |
|
4,2 % |
|
2,9 % |
|
|
Anmerkungen: * in Euro und in Prozent des
Bruttoeinkommens; ** in Euro,
inflationsbereinigt; Renditeannahme: 5 %
Quelle: DIA; FAS-Grafik 2003 |
Das
Problem: Es wird von einer Rendite von fünf Prozent
ausgegangen, die es nur in besseren Zeiten gab. Es wird
zudem von einem schrittweise Absinken der gesetzlichen Rente
von heute 70 Prozent auf 58 Prozent des Nettoeinkommens
ausgegangen, wobei uns die genauen Schritte verschwiegen
werden.
Und das
war noch nicht alles. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rente
gibt es bei der privaten Altersvorsorge keine Anpassungen,
sodass diese ebenfalls mit eingeplant werden müssen:
"Da die
Löhne weiter steigen, sinkt die prozentuale Höhe. Sollen
die Einnahmen der Rentner entsprechend mitwachsen, muß der
jährliche Sparbeitrag um ein bis zwei Prozentpunkte erhöht
werden. Wenn man es sich denn leisten kann."
2004
MAIDT-ZINKE,
Kristina (2004): Arme Alte.
Lang ist
der Lebensabend, doch immer kürzer die Rente,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.01.
Kristina MAIDT-ZINKE nimmt
die erstmalige Versendung von Renteninformationen durch die
BfA zum Anlass, um Horrorvisionen von Altersarmut aufkommen zu
lassen:
"Manch einer, der in
diesen Monaten erstmals seine persönliche Renteninformation
von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erhalten
hat, ist über Nacht ergraut. Die Geringfügigkeit der
prognostizierten Beträge, die in der Euro-Währung noch
erschütternder wirken, addiert sich zu den täglichen
Meldungen über weitere Kürzungen und höhere Besteuerung der
Renten, steigende Belastung der Rentner durch Kranken- und
Pflegeversicherung, Senkung der Garantiezinsen bei
Kapital-Lebensversicherungen und neuerdings auch noch
Einsparung der Betriebsrenten."
Für MAIDT-ZINKE vollzieht
sich seit zwei Jahrzehnten hinsichtlich des Lebensabends ein
Wandel weg von der Sinn- hin zur Einkommensfrage. Angesichts
der Entdeckung der Alten als unentbehrliche Konsumenten ("master
consumer") sei die Bedrohung des Lebensstandards eine
Gemeinheit, bei der weder Literatur noch Philosophie
weiterhelfen würden - außer Arthur SCHOPENHAUER und Woody
ALLEN.
Die Alterspyramide hat für
MAIDT-ZINKE bereits die Form eines "Grabsteins" angenommen -
eine Variante der geläufigeren "Urne"-Metapher.
Die Selbständigen könne die
gegenwärtige Situation - im Gegensatz zu den abhängig
Beschäftigten - jedoch nicht schrecken:
"Wir Freiberufler
jedenfalls, die wir uns in der Aesopschen Fabel von Grille
und Ameise als das fröhlich fiedelnde Fluginsekt ohne
Vorsorgedrang wiedererkennen, wussten von Anfang an, dass
die Künstlersozialkasse, sozusagen die Bohème-Variante des
Bismarck-Systems, uns kein sanftes Altersruhekissen
verschaffen würde.
Deshalb kann uns jetzt die Aussicht auf dreistellige Beträge
in zwanzig Jahren nicht schrecken".
BUNZENTHAL,
Roland (2004): "Alte sind seltener arm".
DIW
für rasche Rentensteuer,
in: Frankfurter Rundschau v. 05.02.
GRABKA, Markus (2004): Einkommen, Sparen und intrafamiliale
Transfers von älteren Menschen,
in:
DIW-Wochenbericht Nr.6 v. 05.02.
SCHWENN, Kerstin
(2004): Verlorenes Vertrauen.
Kommentar,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.03.
Kerstin SCHWENN
redet die
gesetzliche Rentenversicherung schlecht:
"Nullrunde und verdoppelte Pflegebeiträge führen in diesem
Jahr zu Rentenkürzungen. Bei vielen schmälert außerdem der
verdoppelte Krankenkassenbeitrag auf Betriebsrenten die
zusätzlich privat angesparten Altersbezüge spürbar."
Das
Vertrauen sei gesunken. Nur hat das nichts mit dem
demografischen Wandel zu tun, sondern mit der
Konjunkturschwäche der Wirtschaft, also mit Sondereffekten
wie uns bei anderen Gelegenheiten gerne vorgehalten wird.
Nichtsdestotrotz spricht SCHWENN gerne von "Notoperationen",
wenn lediglich die üblichen Nachjustierungen notwendig sind.
Außerdem schwingt SCHWENN die Generationenvertragskeule,
obwohl das alles nichts mit demografischem Wandel zu tun
hat. Es ist diese Art von neoliberaler Verdummungsstrategie,
die die gesetzliche Rente in Verruf bringt und dahinter
stecken die Profitinteressen der Anbieter privater
Altersvorsorge.
Abseits
dieser hysterischen Sicht, geht es hier um etwas ganz
anderes. SCHWENN und der Unternehmenslobby, die sie hier
vertritt, geht die rot-grüne Reform der Alterssicherung
nicht weit genug:
"Im
Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz, das heute
verabschiedet werden soll, schreibt sie den Satz bis 2030
auf höchstens 22 Prozent des Bruttoeinkommens fest. Um den
Wähler zu schonen, blendet die Regierung jedoch die von
der Rürup-Kommission für zwingend gehaltene gleichzeitige
Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre aus."
Die
notwendig werdenden Einschnitte bei den Renten werden in
dieser verqueren Sicht mit der Nichteinführung der Rente mit
67 begründet:
"Damit
die Renten nicht unbezahlbar werden, soll jetzt ein
Nachhaltigkeitsfaktor ihren Anstieg dämpfen. Durch ihn und
den Rechenfaktor der seit 2003 die (angenommenen)
Aufwendungen der Jungen für die »Riester-Rente«
ausgleichen soll, werden die am Einkommenszuwachs
orientierten Rentenanpassungen jährlich um rund 0,7
Prozentpunkte gemindert. Der stetige Rückgang des
Renteniveaus wird durch den geplanten Übergang zur
nachgelagerten Besteuerung von 2005 an noch beschleunigt.
Nach Berechnungen der Rentenversicherer wird das
Nettorentenniveau eines Durchschnittsverdieners nach 45
Beitragsjahren (unter Abzug der Sozialbeiträge, aber vor
Steuern) schon bei optimistischen Annahmen zum
Wirtschaftswachstum bis 2030 von heute 52 auf 43 Prozent
sinken."
Die
Parteilinken und die Gewerkschaften sollen angeblich ein
garantiertes Mindestniveau von 46 Prozent per Gesetz
durchsetzen können, will uns SCHWENN weismachen.
SCHWENN
redet uns ein, dass die Rendite der gesetzlichen Rente
niedriger liegen wird als die der privaten Altersvorsorge:
"Die
Vorsorgelast des Arbeitnehmers erhöht sich zunehmend. Wenn
er dereinst (freiwillig) rund vier Prozent seines
Einkommens für eine private oder betriebliche
Alterssicherung aufbringen soll, liegt sein
»Rentenbeitrag« 2030 bei rund 26 Prozent. Welche
Renditeerwartungen darf er dann noch haben? Ist das
verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht verletzt,
wenn die Höhe der gesetzlichen Rente auch beim Bezug bis
ins hohe Alter im Schnitt deutlich unter den früheren
Einzahlungen liegt?"
hetzt uns
SCHWENN auf. Von Zwangsmitgliedschaft schwadroniert SCHWENN.
Lieber hätte sie wohl eine Zwangsmitgliedschaft in der
privaten Altersvorsorge, was die Finanzdienstleister
natürlich freuen würde. Denn wo sonst gibt es sichere
Einnahmequellen?
SCHERFF, Dyrk (2004): Den Rentnern
geht es an den Geldbeutel.
Ab 31.
März werden die Rentner noch stärker belastet. Sie zahlen
doppelt soviel für Pflege. Die Einkünste sinken. Zum ersten
Mal seit dem Krieg,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v.
28.03.
"Es
wird ein schwarzer Tag für alle Senioren: Wenn am
kommenden Mittwoch, die Rente für den April auf dem Konto
eintrifft, dann werden sie erstmals in der
Nachkriegsgeschichte eine Kürzung ihrer Altersbezüge zu
verkraften haben. Denn dann müssen sie auf ihre staatliche
Rente den vollen Beitragssatz für die Pflegeversicherung
zahlen statt bisher den halben Satz. Und gleichzeitig
fällt die übliche Rentenerhöhung in diesem Jahr aus",
erklärt
uns Dyrk SCHERFF, der dies als Beitrag zur
Generationengerechtigkeit beschreibt. Dazu präsentiert uns
SCHERFF eine ganze Liste mit Belastungen:
- Voller
Beitrag zur Pflegeversicherung (1,7 % statt wie bisher 0,85
%)
- Höhere Sozialbeiträge auf Betriebsrenten
- Nullrunde
- Anpassung der Kassenbeiträge
- Auszahlung am letzten Banktag
- Dämpfung des Rentenanstiegs von 2005 an
- Versteuerung
- Ausbildungszeiten
Die
FAS listet uns die jährlichen Rentenerhöhungen seit 1990
folgendermaßen auf, um uns eine durchschnittliche
Rentenerhöhung von 2,07 % bis 2003 vorrechnen zu können:
Jahr |
Zeitpunkt |
West |
Ost |
1990 |
1.7. |
3,10 % |
- |
1991 |
1.1. |
- |
15 % |
|
1.7. |
4,70 % |
15 % |
1992 |
1.1 |
- |
11,65 % |
|
1.7. |
2,87 % |
12,73 % |
1993 |
1.1. |
- |
6,10 % |
|
1.7. |
4,36 % |
14,12 % |
1994 |
1.1. |
- |
3,64 % |
|
1.7. |
3,39 % |
3,45 % |
1995 |
1.1. |
- |
2,78 % |
|
1.7. |
0,50 % |
2,48 % |
1996 |
1.1. |
- |
4,38 % |
|
1.7. |
0,95 % |
1,21 % |
1997 |
1.7. |
1,65 % |
5,55 % |
1998 |
1.7. |
0,44 % |
0,89 % |
1999 |
1.7. |
1,34% |
2,79 % |
2000 |
1.7. |
0,60 % |
0,60 % |
2001 |
1.7. |
1,91 % |
2,11 % |
2002 |
1.7. |
2,16 % |
2,89 % |
2003 |
1.7. |
1,04 % |
1,19 % |
2004 |
1.7. |
0,00 % |
0,00 % |
Die
Rentensteigerungen für Westrentner betragen von 1990-2003
zusammen 29,01 % und ergeben dadurch eine durchschnittliche
jährliche Rentensteigerung von nur 1,934 %. Würde man den
Durchschnitt der Jahre 1983 bis 2003 für Westrentner
berechnen, käme man dagegen sogar auf 2,44 %.
SCHERFF, Dyrk (2004): Die neue Angst vor dem Crash.
In 50
Jahren wohnen in Deutschland ein Fünftel weniger Menschen.
Schlecht für die heimischen Börsen. Anleger kaufen in
Entwicklungsländern, denen es gut geht,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v.
23.05.
"Deutschland
wird immer älter - und in zehn Jahren beginnt es auch noch
zu schrumpfen. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen
wird die Bevölkerung bis 2050 von heute rund rund 80 auf
70 Millionen Menschen sinken. Das Statistische Bundesamt
sieht sogar einen Rückgang bis auf 65 Millionen. Und das
unter der Annahme von 100.000 Einwanderern jährlich.
Bildlich gesprochen wäre damit Nordrhein-Westfalen
ausgestorben",
will uns Dyrk SCHERFF
einreden. Danach wird uns die "Asset Meltdown-These"
vorgestellt:
"Danach würden in rund
25 Jahren die Nachfrage der Haushalte nach Finanzanlagen
massiv zurückgehen und die Vermögen drastisch sinken.
Dieses Szenario werde schon früher seine Schatten auf die
Finanzmärkte werfen. Hintergrund dieser Theorie ist die
Erkenntnis, daß um die Jahr 2020 bis 2030 die zahlenmäßig
starke Babyboomer-Generation in Rente geht und ihre
Vermögenswerte teilweise verkauft, um damit den Konsum im
Alter zu finanzieren. Und weil es viele Verkäufer, aber
weniger Käufer geben werde, müßten die Preise für
Wertpapiere unter Druck geraten.
Dieses Problem nimmt noch dadurch zu, daß der Konsum der
älteren Bürger durch immer mehr Eigenbeteiligungen wie im
Gesundheitswesen steigt. Und die Immobilienmärkte leiden,
weil die schrumpfende Bevölkerung weniger Wohnungen und
Eigenheime braucht, so daß auch die Preise für Immobilien
sinken."
SCHERFF nennt Arbeiten
von MANKIW & WEIL aus dem Jahr 1989 als Vordenker dieser
Niedergangsthesen, denen Axel BÖRSCH-SUPAN seine
optimistischere Sicht entgegensetzt:
"Die Demographie werde
sich zwar sicher auf die Finanzmärkte auswirken. Aber das
werde langsam, vorhersehbar und weniger stark geschehen,
als Pessimisten glauben. Die Globalisierung der
Finanzmärkte eröffne Ausweichmöglichkeiten in Länder, in
denen die Altersstruktur besser ist. Zudem seien viele
Faktoren wie Frauenerwerbsquote, Haushaltsentwicklung,
Zuwanderung, Risikoeinstellung und Konsumverhalten kaum
über Jahrzehnte prognostizierbar."
Auch in dieser Ansicht
wird die Demographie als unumstößliches Naturgesetz
beschrieben und Bevölkerungsvorausberechnungen werden uns
wie Wahrheiten präsentiert, obwohl sie lediglich Annahmen
simpel in die Zukunft fortschreiben, statt uns
Alternativszenarien aufzuzeigen.
SCHERFF, Dyrk (2004): Die Renditen
sinken.
Anleihen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v.
23.05.
"Der Zwang zu
verstärkter Altersvorsorge wird auch am Rentenmarkt nicht
spurlos vorübergehen. Anleihen gehören zu jeder soliden
Vorsorge. Das stützt die Kurse und senkt die Renditen",
erklärt
uns
Dyrk SCHERFF, der uns Berechnungen von Axel BÖRSCH-SUPAN
vorstellt:
"Danach
senkt die Umlaufrendite, die kurz- und langlaufende
Anleihen beinhaltet, demographiebedingt von 4,1 Prozent im
Jahr 2000 auf 2,7 Prozent im Jahr 2027 und steigt dann bis
2045 wieder auf rund rund 3,2 Prozent."
Zumindest
hier werden uns die Zahlen nicht als Wahrheiten verkündet,
sondern nur als Tendenz.
SCHERFF, Dyrk (2004): Die
Versicherer profitieren.
Aktien,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v.
23.05.
Dyrk SCHERFF
geht davon aus, dass durch die Schwächung der gesetzlichen
Rente die private Vorsorge profitiert, die in Form von
Aktien angelegt wird. Aufgrund der Sparraten junger Leute
wird Konsum, Wirtschaftswachstum und Inflation gebremst. Den
gleichen Effekt hat eine schrumpfende Bevölkerung wird uns
erklärt, als ob Deutschland eine isolierte Insel wäre und
keine Exportnation.
Mit Axel BÖRSCH-SUPAN wird uns der
"Rückgang der durchschnittlichen Rendite von Aktienanlagen
von derzeit 7,6 auf 6,8 Prozent im Jahr 2027"
vorgerechnet, ohne uns die dazugehörigen Annahmen zu
erklären. Nach 2035 soll sich dies wegen den Kindern der
Babyboomer wieder umkehren. Anlagen in "aufstrebenden
Schwellenländern" sollen gar ganz vor Verlusten schützen,
wird uns eingeredet, als ob nicht gerade die Situation in so
genannten Schwellenländern alles andere als stabil ist.
Die
Prognos AG empfehlt "konservativ" geführte Staaten im
Gegensatz zu "links regierten Staaten" als bessere Staaten.
Zum Schluss werden uns auch noch gewinnträchtige Branchen
empfohlen. Vor allem Versicherer sollen "von der steigenden
Nachfrage nach privater Altersvorsorge" profitieren.
HOFFMANN, Andreas (2005): Die Rente
als Rätsel und Angstmacher.
SZ-Serie
Wahl 2005: Andere Länder, ähnliche Probleme: Das System der
Alterssicherung kränkelt in vielen Industriestaaten - und
nicht nur Deutschland versucht Reformen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 16.08.
Andreas HOFFMANN
blickt angesichts von Horrormeldungen zur Rente, die von
Banken, Versicherten und ihren zugehörigen Experten, zur
Profitsteigerung in Umlauf gebracht werden, auf eine Umfragen
zur Sicherheit der Altersvorsorge:
"Inzwischen bezweifeln
nach einer Allensbach-Umfrage 89 Prozent der Deutschen, dass
die Rente sicher ist. Vor zehn Jahren waren es erst 63
Prozent. Nur: Der Wirtschaft traut man noch weniger zu. Nur
acht Prozent wollen nach einer Infratest-Umfrage ein
privates Rentensystem. 38 Prozent setzen weiter auf den
Staat."
HOFFMANN betrachtet
deswegen die Situation in verschiedenen Ländern. In
Großbritannien sei die Altersarmut mit 7,8 Prozent bei Paaren
über 65 Jahre dreimal so hoch wie in Deutschland. Durch den
Börsencrash hätten die Briten zudem viel Geld verloren und in
drei Jahrzehnten sollen sie gemäß einem Regierungsbericht mit
einem Drittel weniger Rente auskommen müssen.
Bei Italien beschränkt sich
HOFFMANN dagegen lediglich auf die hohen Rentenausgaben und
die Beschreibung der demografischen Situation:
"Italienische Frauen
bringen im Schnitt 1,2 Kinder zur Welt, ähnlich wenige
Kinder gebären nur Griechinnen oder Spanierinnen, und so
wandelt sich das Land zur Methusalem-Hochburg. Im Jahr 2050
werden nach UN-Schätzungen 42 Prozent der Italiener über 60
Jahre alt sein, über 12 Prozentpunkte mehr als hierzulande."
Frankreich wird zwar als
familienpolitisches Vorbild gelobt, aufgrund der
Frühverrentung sind dort jedoch aus neoliberaler Sicht die
Rentenausgaben zu hoch:
"(Bei der)
Sozialversicherung (...) lag (zuletzt) der Anteil der
Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt bei 55 Prozent (in
Deutschland sind es 46,8 Prozent) - ganz ohne
Wiedervereinigung übrigens."
Schweden wird uns als
vermeintliches Musterland vorgestellt. Aus neoliberaler Sicht
ist dort die Steuer- und Abgabenquote zu hoch. Auch hat sich
der Umbau des Alterssicherungssystems als Verlustgeschäft
gezeigt:
"In Schweden hat Premier
Göran Persson (...) eine steuerfinanzierte Garantierente und
einkommensbezogene Rente eingeführt, wovon ein Teil in
private Vorsorgefonds fließt. Doch unter dem Börsencrash
litten auch die Schweden, weshalb für die Mehrheit von ihren
die Privatvorsorge bisher ein Verlustgeschäft ist."
Selbst das in Deutschland
von Neoliberalen vielgepriesene Schweizer Modell der
Altersvorsorge hat aus neoliberaler Sicht
Finanzierungsprobleme. Österreich wird nur genannt, aber
genauso wenig wie die USA näher betrachtet.
Nach diesem internationalen
Vergleich lässt HOFFMANN neoliberale Experten selber zu Wort
kommen, so den IWF-Kaptalmarktexperten Gerd HÄUSLER, der die
Risikoverlagerung auf jeden Einzelnen durch die private
Altersvorsorge als notwendiges Übel betrachtet, und Bert RÜRUP,
der uns mit Blick auf das Jahr 2040 vorrechnet, dass wir statt
der heutigen 10 Prozent dann ein Drittel über die private
Altersvorsorge erwirtschaften müssen.
Der DGB wiederum hat
errechnet, dass wir im Jahr 2030 nach 35 Beitragsjahren mit
einem Durchschnittsverdienst lediglich eine Rente auf
Sozialhilfeniveau erhalten werden. HOFFMANN preist deshalb die
Finanzerziehung in der Schule als Mittel uns das Sparen
einzutrichtern.
Weil dies noch nicht der
Hiobsbotschaften genug sind, wird uns die Rente mit 67, die es
in Norwegen schon gibt, als Vorbild gepriesen. Bislang sei
jedoch in Deutschland noch nicht einmal die Kluft zwischen
faktischem Renteneintritt und Regelaltersgrenze geschlossen,
wenngleich wir wenigstens auf dem Weg dahin sind:
"So ging der deutsche
Mann im Jahr 2003 etwa zwölf Monate später in Rente als noch
im Jahr 1997."
Frauen interessieren
HOFFMANN also gar nicht. Und nicht zuletzt werden wir auf
diesem Feld mit den vorbildlichen Schweizern und Schweden
verglichen.
WSI-MITTEILUNGEN-Schwerpunkt: Privatisierung - Aktivierung -
Eigenverantwortung. Zukunftsperspektiven für die Sozialpolitik? |
BÄCKER, Gerhard (2004): Der Ausstieg aus der
Sozialversicherung.
Das
Beispiel Rentenversicherung,
in: WSI-Mitteilungen Nr.9, September
2005
LOOMAN, Volker (2005): Die Altersvorsorge wird für junge Menschen
zur Lebensaufgabe.
Die
Vermögensfrage: Bei der Gestaltung gewinnen Steuerfragen künftig an
Bedeutung,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 01.10.
Volker LOOMAN
stellt uns die Probleme eines 30-jährigen ledigen Mannes
vor, der über seine Altersvorsorge nachdenkt. LOOMAN spricht
nicht von einem Drei-Säulen-, sondern von einem
Drei-Schichten-Modell. Das neue Alterseinkünftegesetz, das
Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, wird zwar erwähnt,
aber es steht nicht im Mittelpunkt des Artikels, sondern die
Erklärung des Drei-Schichten-Modells. Die
Wunschvorstellungen des Mannes und die erwartete gesetzliche
Rente und Betriebsrente erläutert uns LOOMAN folgendermaßen:
"In zehn Jahren soll
das Einkommen bei 7.000 bis 8.000 Euro pro Monat liegen.
Im Ruhestand soll die monatliche Rente, so die heutige
Vorstellung, nach Abzug der Steuern mindestens 5.000 Euro
betragen. Das wird nach den neuen Spielregeln der
Altersvorsorge (...) große Anstrengungen erfordern. (...).
Aus der Bundesversicherungsanstalt werden dem Ingenieur
nach dem 65. Geburtstag aus heutiger Sicht etwa 2.000 Euro
monatlich zufließen. (...).
Die zweite Schicht enthält die Betriebsrenten. (...) Hier
kann der Ingenieur nach Auskunft des Arbeitgebers mit
einer Betriebsrente von 1.000 Euro rechnen, wenn er dem
Unternehmen bis zum 66. Lebensjahr die Treue hält. (...).
Die gesetzliche Rente und die betriebliche Versorgung
(...) summieren sich auf 36.000 Euro. Davon sind 7.664
Euro steuerfrei, so daß (...) 2.300 Euro im Monat bleiben
werden."
In den Begriffen von
Dyrk SCHERFFs Faustformel,
ergäbe sich eine Rentenlücke von 2.700 Euro im Monat
zwischen gesetzlicher Rente (inclusive Betriebsrente) von
2.300 zum angestrebten Rentenniveau von 5.000 Euro, die per
privater Altersvorsorge geschlossen werden müsste. Nach
SCHERFFs Faustformel, dass die angestrebte Rente bei ca. 70
Prozent des letzten Gehalts liegen sollte, wären das ein
Nettoeinkommen von ca. 7.150 Euro.
Im Gegensatz zur Theorie,
die uns SCHERFF in der FAS beibringen will, ist
LOOMAN ein Praktiker, der im Gegensatz zu SCHERFF die
Probleme solcher Theorien aufzeigt:
"Auf dem Papier ist das
Sparziel von 500.000 Euro erreichbar. Bei einem Anlagezins
von 3 Prozent nach Steuern müßte der Ingenieur monatlich
675 Euro anlegen, und bei einem Anlagezins von 5 Prozent
sind lediglich 440 Euro nötig, um das Ziel zu erreichen.
Das setzt in beiden Fällen aber die Disziplin voraus,
erstens sofort mit dem Sparen anzufangen und zweitens
diese regelmäßige Geldanlage auch bis zum Ende
durchzuhalten. Das ist für einen Dreißigjährigen, der im
Moment brutto 3.500 Euro verdient und sich nach Frau und
Kindern sehnt, allerdings ein bißchen viel auf einmal.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Mann mit monatlichen
Sparraten von 400 bis 500 Euro beginnen beginnen und die
Sache in zehn Jahren, wenn der Wunsch nach einem Eigenheim
übermächtig geworden sein wird, in die Tilgung einer
Hypothek umdrehen."
Theoretiker kennen keine
Konflikte zwischen zwei Sparzielen, sondern höchstens mit
Konsumwünschen. LOOMAN sieht im Eigenheim - im Gegensatz zu
anderen - keine Altersvorsorge:
"Das Eigenheim ist
nämlich - selbst wenn es zügig getilgt wird - keine
Altersvorsorge, wie Banken, Bausparkassen und
Versicherungsgesellschaften gerne behaupten, sondern
reiner Luxus."
LOOMAN geht davon aus,
dass die Reparaturkosten den Vorteil des mietfreien Wohnens
übersteigen werden oder zumindest enorm verschmälern.
Inwiefern das auch eine städtische Eigentumswohnung
betrifft, beantwortet uns LOOMAN dagegen nicht. Aufgrund der
Sparkonflikte geht LOOMAN von einer auf 15 Jahre verkürzten
Anlagedauer für die Altersvorsorge aus, die hohe Sparraten
erfordern. Vor diesem Hintergrund geht LOOMAN eher davon
aus, dass sich die Vorstellungen vom Leben im Alter der
Realität anpassen, was Theoretiker wie SCHERFF, die uns im
Profitinteresse der Finanzleistungsbranche
lange Ansparphasen und niedrige Sparraten bei der
Altersvorsorge empfehlen, gar nicht gerne sehen. Auch
Verhaltensökonomen, die mittels unrealistischen Experimente,
unseren Alltag verfehlen, sind hier keine große Hilfe.
Fazit: Die Probleme
realer Menschen sind komplexer als uns die Theoretiker mit
ihren alltagsfernen Idealvorstellungen weismachen wollen.
SCHWENN, Kerstin
(2005): Das Ende
der dynamischen Rente.
Leidartikel,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.11.
Kerstin
SCHWENN erklärt uns den Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot
in Sachen Rentenreform. Sie mokiert sich darüber dass die
Rentenpolitik erst Ende 2006 auf dem Programm stehen soll,
wenn es um den Rentenbeitragssatz 2007 geht. SCHWENN
bezweifelt, dass die bereits vertraglich anvisierte
Anhebung auf 19,9 Prozent ausreicht. Denn dies wäre
eigentlich schon 2006 unvermeidlich gewesen und konnte nur
durch einen anderen Ausweg vermieden werden:
"Die
Unternehmen müssen ihre Beiträge künftig früher als
bisher an die Sozialversicherer abführen, dadurch
verfügen die Rentenkassen im kommenden Jahr
ausnahmsweise über 13 Monatseinnahmen."
Diese
Maßnahme wird von SCHWENN als Sondereffekt bezeichnet, die
2007 jedoch wieder verpuffe.
"Ankündigungsmut" bescheinigt SCHWENN der Koalition nur
bei der Rente mit 67 und den nachzuholenden
Rentenabschlägen - also Maßnahmen, die allein die
Arbeitnehmer und Rentner betreffen, während die
Arbeitgeber davon profitieren. Bemängelt wird jedoch dass
der Beschluss zur Anhebung des Renteneintrittsalters und
die gesetzliche Verankerung des Nachholfaktors erst 2007
erfolgen soll.
"Die
Ankündigung von Merkel und Müntefering, die Rentner
müßten sich auch in den nächsten vier Jahren auf
Nullrunden einstellen, ist vermutlich untertrieben. Nach
der Rentenformel hätten die Altersbezüge dieses Jahr
rein rechnerisch, gäbe es keine Niveausicherungsklausel,
um fast ein Prozent reduziert werden müssen. Die
Lohnentwicklung, an der sich die Renten orientieren,
wird voraussichtlich weiter so bescheiden ausfallen, daß
sich ein erkleckliches Minus zu Lasten der Ruheständler
ansammeln dürfte, das über viele Jahre nachzuholen wäre.
Das ist auf absehbare Zeit das Ende der dynamischen
Rente",
verkündet uns SCHWENN, die als Interessengruppen immer nur
Gewerkschaften und Sozialverbände bezeichnet, während ihr
die Arbeitgeber- und Unternehmensverbände nie als
Interessengruppen gelten. SCHWENN benutzt also einen
ideologischen und keinen beschreibenden Begriff der
Interessengruppe, die im englischen "pressure groups"
heißen, was den Lobbyismus viel treffender beschreibt. Aus
dieser einseitigen Sicht heraus beschreibt uns dann
SCHWENN die Interessengegensätze als Verhinderung von
notwendigen Reformen. Dazu gehören Einschränkungen der
Rente mit 67, die als "Sonderregelungen" bezeichnet
werden. So sollen langjährig Versicherte bereits mit 65
abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Wer dazu zählt, muss
jedoch non ausgehandelt werden. SCHWENN stilisiert sich in
dieser neoliberalen Perspektive der Austeritätspolitik zur
Anwältin der "Haushaltsanierer". In dieser Sicht zählen
auch die geplanten Beschäftigungsprogramme für Ältere als
Geldverschwendung. Am Schluss werden die Haushaltssanierer
gelobt, die verhindert hätten, dass der Steuerzahler für
die Kosten der Rentenversicherung in Form des
Bundeszuschusses aufkommen muss.
2006
SCHERFF, Dyrk (2006): Die Rente steigt nie wieder.
Nominal
gibt es nur noch selten Erhöhungen. Real wird es immer weniger.
Denn die Inflation zehrt an der Rente,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 22.01.
"Wir werden in
den nächsten 30 Jahren unter Berücksichtigung der
Inflation, also real, keine Rentenerhöhungen mehr erleben.
Wir müssen im Gegenteil mit einem Wertverlust rechnen",
zitiert Dyrk
SCHERFF den Ökonom Adrian OTTNAD vom Bonner Privatinstitut
für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG), das 1977 von Kurt
BIEDENKOPF (CDU) und Meinhard MIEGEL gegründet wurde und
insbesondere von Unternehmen gesponsert wurde.
Um diese
neoliberale Sicht von OTTNAD zu stärken nennt SCHERFF auch
den neoliberalen Lobbyisten Bernd RAFFELHÜSCHEN, der dies
genauso sehe. Selten werden uns jedoch Rechnungen
präsentiert, die nachprüfbar sind. So werden uns von SCHERFF
folgende Entwicklungsszenarien der gesetzlichen Rente
aufgezeigt. Zum Vergleich ist in der nachfolgenden Tabelle
die tatsächliche Entwicklung bis 2015 ersichtlich:
Tabelle: Vergleich der Szenarien der
Entwicklung der
monatlichen Standardbruttorente in Euro
(Realrente nach 45 Beitragsjahre bei
durchschnittlichem Verdienst (Eckrentner) mit der
tatsächlichen Entwicklung |
Jahr |
Tatsächliche
Entwicklung |
Szenarien des
IWG |
Optimistisch |
Realistisch |
Pessimistisch |
2005 |
1.176 € |
1.176 € |
1.176 € |
1.176 € |
2010 |
1.224 € |
1.151 € |
1.128 € |
1.109 € |
2015 |
1.314 € |
1.205 € |
1.144 € |
1.089 € |
2020 |
|
1.251 € |
1.148 € |
1.058 € |
2025 |
|
1.292 € |
1.141 € |
1.017 € |
2030 |
|
1.311 € |
1.116 € |
980 € |
2035 |
|
1.329 € |
1.101 € |
955 € |
2040 |
|
1.381 € |
1.119 € |
959 € |
|
Quellen:
Szenarien: IWG gemäß FAS-Grafik 22.01.2016;
tatsächliche Entwicklung:
Rentenversicherung in Zeitreihen
DRV-Schriften Band 22, Oktober 2015, S.259 |
Die tatsächliche
Entwicklung der gesetzlichen Rente liegt 10 Jahre später
sogar um rund 110 Euro über dem optimistischen Szenario und
225 Euro über dem pessimistischen Szenario des neoliberalen
IWG. Ziel dieser Berechnung war die Propagierung höherer
Sparraten bei der privaten Altersvorsorge, denn diese
blieben bislang hinter den Erwartungen der
Finanzdienstleistungsbranche und der neoliberalen Politiker
zurück. Neoliberale greifen deshalb die Renteninformation
der DRV an:
"Raffelhüschen und das
IWG gehen davon aus, daß die mageren Zeiten so
weitergehen, und widersprechen damit der Rürup-Kommission,
die 2003 für die Regierung rechnete und optimistischere
Ergebnisse mit leichten realen Rentensteigerungen
herausbekam. »Seine Rechnungen kann Rürup heute nicht mehr
aufrechterhalten. Er hat den kräftigen Rückgang der
Beschäftigung unter- und den Anstieg der Löhne
überschätzt«, sagt Ottnad. In seinem realistischen
Szenario erwartet der IWG-Experte auf lange Sicht eine
Stagnation oder gar einen leichten Rückgang der
Realrenten, in einer optimistischen Rechnung allenfalls
0,2 bis 0,5 Prozent realen Zuwachs (...). Selbst nominale
Erhöhungen würden in den kommenden Jahren selten werden."
Die Krise des
neoliberalen Finanzmarktes seit dem Jahr 2008 hat der
gesetzlichen Rente in den Jahren zumindest bis 2015
Renditevorteile verschafft, die unsere Apokalyptiker um
RAFFELHÜSCHEN und MIEGEL nicht eingeplant hatten.
SCHWENN, Kerstin (2006): Die reformierte Rente.
Leidartikel: Das Umlagesystem steht am Wendepunkt, die
dynamische Rente ist Geschichte,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.03.
"Weil die
Beitragseinnahmen nicht ausreichen, sind die Rentenkassen
ausgetrocknet. Dabei ist die konjunkturell bedingte Misere
nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Geburtenrückgang
und Alterung der Gesellschaft dem Rentensystem in den
nächsten Jahrzehnten aufbürden werden",
droht uns
Kerstin SCHWENN. Angeblich sind die Rentenreformen wegen dem
Ineinandergreifen von konjunkturellen und demographischen
Lasten notwendig geworden - nur hat SCHWENN für die
demographischen Lasten keinerlei Beweise. Die Frühverrentung -
ein Lieblingsprojekt der Unternehmenslobby - wird nun als
Fehler bezeichnet, der korrigiert werden müsse. Das
Umlagesystem sehe nun am Wendepunkt erklärt uns die
Hysterikerin angesichts der Tatsache, dass Franz MÜNTEFERING
die Debatte um die Rente mit 67 eingeläutet hat Sie verweist
dabei auf die Rolle des Rentenversicherungsberichts.
SCHWENN
spricht von "Wachstumsillusionen" und meint damit die geplante
Einfügung einer Schutzklausel, mit der Minusrunden, d.h.
Rentenkürzungen verhindert werden sollen. Dazu erzählt sie uns
Folgendes:
"Die
große Koalition hat den fast zwanzig Millionen älteren
Wählern versprochen, bis 2009 werde es keine Rentenkürzungen
geben. Zu ihrem Schutz hebelt sie damit den notwendigen
Mechanismus aus, daß die Renten sinken, wenn die Löhne
sinken. Das Zugeständnis ist so mutig wie falsch. Denn
bezahlen müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber:
Ihr Beitrag steigt 2007 von 19,5 auf 19,9 Prozent. Schon
heute wird bezweifelt, daß dies ausreicht."
SCHWENN
wirft MÜNTEFERING vor, dass er die Situation im
Rentenversicherungsbericht zu optimistisch darstellt:
"Müntefering den höheren Zuschuß aber schon; so kommt er im
Rentenbericht schließlich mit Hilfe ambitionierter Annahmen
zur Beschäftigung auf einen
Beitragssatz von nur noch 19,4 Prozent im Jahr 2014."
SCHWENN
lobt zwar die Durchsetzung der Rente mit 67, beklagt jedoch
die abschlagsfreie Rente mit 65 für langjährig Versicherte:
"Allerdings entwertet die Koalition ihr Vorhaben durch die
Absicht, Arbeitnehmern, die 45 Versicherungsjahre nachweisen
können, weiter mit 65 eine abschlagfreie Rente zuzubilligen.
Der Spareffekt wird so reduziert. Zudem bricht die Ausnahme
mit einem wesentlichen Prinzip der gesetzlichen Rente: der
Abhängigkeit der Auszahlungen von früheren Einzahlungen."
SCHWENN
kritisiert das geplante Arbeitsförderungsprogramm 50 plus als
falsch und wünscht sich als Lobbyistin der Unternehmen, dass
die gesetzliche Rente zukünftig nur noch eine Grundsicherung
bietet. Gegen diese Notwendigkeit wehre sich jedoch
MÜNTEFERING noch, der das Ende der dynamischen Rente nicht
wahrhaben wolle.
Für einen
Zwang der Riester-Rente sieht SCHWENN aufgrund des permanenten
Reformzwanges in der Rentenversicherung keine Notwendigkeit.
Die Menschen werden schon sehen, was ihnen blüht, wenn sie
nicht riestern, so ihre neoliberale Vorstellung.
EISENHAUER, Bertram
(2006): Ende eines Traumes.
Kommentar:
Die ältere Generation muß in den nächsten Jahren stärker zu den
notwendigen Einsparungen beitragen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 12.03.
Bertram
EISENHAUER nutzt die verspätete Präsentation des
Rentenversicherungsberichts 2005 (Bundestagsdrucksache
16/905) , um uns seine Verachtung für die Arbeitnehmer zu
zeigen. Er lobt die neue "Ehrlichkeit" von Franz MÜNTEFERING
und die Propagierung der Rente mit 67, mit der er alle, "die
sich als Dachdecker fühlen" gegen sich aufbringe.
EISENHAUER
verkündet uns voreilig das "Ende der dynamischen Rente" und
stimmt damit ein in das neoliberale Mantra, das uns seit Ende
der 1990er Jahre immer und immer wieder verkündet wird. In
dieser Sicht wird bereits der "Nachholfaktor" zu einer
"Kapitulation vor den heutigen Ruheständlern". Dass Ältere im
Gegensatz zu Jüngeren ihre Position in der Gesellschaft nicht
mehr verbessern können, das kommt Altersrassisten wie
EISENHAUER nicht in den Sinn.
Mit dem
Sozialbeirat, der im Vorfeld der Riester-Reform zur
Finanzdienstleistungslobby verkommen ist, droht uns
EISENHAUER, dass die wirklich harten Einschnitte erst noch
kommen werden,
"wenn die
Rente nicht nur, wie im Augenblick, vor allem mit der
lahmenden Konjunktur, sondern mit den demographischen
Umwälzungen zu kämpfen hat, die in ihrer vollen Wucht noch
nicht im System angekommen sind."
EISENHAUER
erklärt uns den Generationenvertrag, ebenfalls ein
neoliberales Mantra, verschweigt jedoch, dass Kapitaldeckung
und Umlagefinanzierung keinen Unterschied macht, nur dass die
Probleme der Teilprivatisierung verharmlost werden.
Und nicht
zuletzt spielen Neoliberale die Arbeitnehmergenerationen
gegeneinander aus und drohen uns mit der Flucht der
Leistungsträger aus dem System.
2008
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Tagesthema:
Immer weniger Geld für Rentner.
In
regelmäßigen Abständen haben die Rentner Hiobsbotschaften zu
ertragen. Nach jüngsten Berechnungen des Instituts für Wirtschaft
und Gesellschaft sank die Kaufkraft wegen der Inflation um 1,93
Prozent. Das heißt, die rund 20 Millionen Ruheständler hatten 2007
erneut weniger für ihr Leben. Doch die Zukunft sieht noch düsterer
aus: Viele Rentner müssen sich auf tiefe Einschnitte einstellen,
wenn sie nicht selbst vorsorgen |
KUHR, Daniela (2008):
Der Kluge kann der Dumme sein.
Trotz Riester-Rente wächst die
Gefahr, dass die Menschen im Alter verarmen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 12.01.
Daniela KUHR berichtet über eine
Berechnung der neoliberalen Lobbyorganisation IWG, gegründet
von Kurt BIEDENKOPF und Meinhard MIEGEL, die uns den
Kaufkraftverlust unserer Renten vorrechnet:
"Danach sank die
Kaufkraft der Rentner im vergangenen Jahr um 1,93 Prozent.
Zwar waren die Renten im Juli um 0,54 Prozent erhöht worden,
doch da gleichzeitig die Inflation bei 2,2 Prozent lag, habe
der »Standardrentner« unterm Strich ein Minus gemacht.
(...). Insgesamt hätten die Bruttorenten seit 2003 6,4
Prozent an Kaufkraft verloren. Netto sei der Verlust wegen
der teureren Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung
und dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung
»teilweise
noch höher« gewesen. Auch für dieses Jahr sieht Schulte
keine Besserung. »Zwar sollen die Renten nach ersten
Schätzungen zwischen einem und 1,7 Prozent erhöht werden, da
wir aber voraussichtlich eine Inflation von knapp zwei
Prozent haben werden. machen die Rentner erneut einen
Verlust.«".
ÖCHSNER, Thomas (2008):
Pirouetten auf dünnem Eis.
Zu teuer, zu unflexibel, zu
wenig rentabel: Finanzexperten befürchten, dass viele Deutsche
falsch fürs Alter vorsorgen,
in: Süddeutsche Zeitung v. 12.01.
Thomas ÖCHSNER erklärt uns, dass
Geringverdiener meist gar nicht vorsorgen. Mit Hinweis auf Niels
NAUHAUSER ("Finanzexperte der Verbraucherzentrale
Baden-Württemberg") wird uns erklärt, dass die Altersvorsorge
erst an vierter Stelle kommt:
1) Schulden tilgen
2) Existenzielle Risiken absichern
3) Notgroschen für Anschaffungen zurücklegen
Erst dann sei überhaupt an die Altersvorsorge zu denken. Damit
wird aber auch klar, warum die private Altersvorsorge bei
Geringverdienern gar keinen großen Sinn macht. Mit Hinweis auf
Andreas Beck ("Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau in
München") werden uns dann mögliche Altersvorsorgeprodukte
vorgestellt. Sein Credo der Rangfolge der Prinzipien, denen dies
folgen sollte: "Sicherheit, Ertrag (Rendite) und
Flexibilität".
OBERHUBER, Nadine &
Patrick BERNAU (2008): Der Geist ist willig.
Alle
wissen: Das Geld wird im Alter knapp. Doch warum fällt uns die
Vorsorge so schwer?
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 09.03.
"Fast 90 Prozent
der Deutschen haben den Glauben an die gesetzliche Rente
verloren",
erzählen
uns
Nadine OBERHUBER &
Patrick BERNAU, nur ein halbes Jahr vor der Bankenkrise,
aufgrund einer Umfrage des konservativen
Meinungsforschungsinstituts aus Allensbach! Die
Lobbyorganisation DIA hat nun die Akademiker als
unterversorgte Zielgruppe entdeckt. OBERHUBER & BERNAU
verkünden uns deshalb 6 Psychotricks, wie wir uns selbst zum
Vorsorgesparen überreden können, denn es klaffe nicht nur eine
Rentelücke, sondern auch eine Lücke zwischen Einstellung und
Handeln. Nicht nur das Vertrauen in den Staat, sondern auch in
die Anbieter von Altersvorsorgeprodukte ist erschüttert.
2009
HEFTY, Georg Paul
(2009): Und auch noch die Rente.
Leidartikel,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.04.
Auf Seite 1 der
FAZ blickt uns heute ein strahlender Norbert BLÜM an, der
seinen Spruch über die sichere Rente an einer Litfasssäule
plakatiert.
Georg Paul HEFTE kritisiert dazu die zornigen Jungpolitiker
aller Parteien, denen er bei ihrer Kritik an der
Rentengarantie Kurzsichtigkeit vorwirft:
"Da
niemand weiß, wie hoch die Inflationsrate im Zuge der Krise
oder danach steigen wird, kann es sein, dass die
Beibehaltung der nominalen Höhe schon blad einer spürbaren
Kaufkraftminderung gleichkommt. Und nicht zuletzt würde eine
Rentenminderung jetzt wie eine Konsumbremse (...) und damit
die nicht minder teuren Konjunkturprogramme konterkarieren.
SCHERFF, Dyrk (2009): Gut leben im
Ruhestand.
Wieviel
muss ich sparen, um im Alter meinen Lebensstandard zu halten?
Zehn Prozent vom Gehalt, sagt eine Faustformel. Wer früh
anfängt, kommt mit weniger aus,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.06.
"Rentner (...) werden
aus der gesetzlichen Rente allenfalls 50 Prozent, meistens
aber nur noch 40 oder sogar nur 30 Prozent ihres letzten
Bruttoeinkommens erhalten. Zur Panik ist dennoch kein
Anlass: Wer rechtzeitig vorsorgt, kann trotzdem im alten
Wohlstand leben",
verkündet und Dyrk
SCHERFF die frohe neoliberale Botschaft. Außerdem setzt uns
SCHERFF eine Berechnung des VZ Vermögenszentrums vor. Das
Motto der Neoliberalen: Bloß keine Transparenz, damit der
Leser die Angaben nicht mit früheren Rechnungen (z.B.
hier) vergleichen kann.
SCHERFF zaubert nun auch
eine
neue Faustformel für das anzustrebende Rentenniveau aus
seinem Hut:
"Als grobe Faustregel
gilt: Wer ein überdurchschnittliches Bruttoeinkommen von
4.000 Euro und mehr hat, braucht im Alter rund 50 Prozent
davon als Nettoeinkommen für seinen Lebensunterhalt. Je
geringer das Einkommen, desto höher ist der Prozentsatz."
Um die Rentenlücke zu
bestimmen, greift SCHERFF auf Schätzungen des neoliberalen
Finanzwissenschaftler Bernd RAFFELHÜSCHEN ("Vorsorgeatlas
Deutschland") zurück, der die Höhe der gesetzlichen Rente
sogar regional unterschiedlich berechnet. Dieser Wunderknabe
ist ein richtiger Hellseher, wenn man eine Spardauer von 30
bis 40 Jahren bedenkt. Eine Tabelle zeigt uns die gesetzliche
Rente für West- und Ostdeutsche für 3 Altersgruppen, die in
nachfolgender Tabelle als Geburtsjahrgänge für Westdeutschland
dargestellt wurden:
Tabelle:
Prozentanteil der gesetzlichen Rente vom letzten
Bruttoeinkommen in Westdeutschland für drei
Altersgruppen |
Jahrgangsgruppe
(Altersgruppe) |
Anteil vom
letzten Bruttoeinkommen
(in Prozent) |
1944 -1959
Geborene (50 - 65-Jährige) |
48,9 % |
1960 - 1974
Geborene (35 - 49-Jährige) |
38,7 % |
1975 - 1989
Geborene (20 - 34-Jährige) |
39,1 % |
|
Quellen: FAS-Grafik v. 09.08.2009; Vorsorgeatlas
Deutschland 2009 |
Zum Schluss dürfen wir
nun unsere Rentenlücke bestimmen, aber wer blickt da noch
durch, wenn uns ständig neue Rentenlücken berechnet werden,
die sich dann auch noch auf unterschiedliche Bezugsgrößen
(Nettoeinkommen oder Bruttoeinkommen) beziehen? Folgende
Berechnung zur Rentenlücke präsentiert uns SCHERFF:
Tabelle: Rentenlücken, die durch private Altersvorsorge
gefüllt werden müssen |
|
Fall 1 |
Fall 2 |
Fall 3 |
aktuelles monatliches Bruttoeinkommen |
2.500 € |
4.000 € |
6.000 € |
ungefähres Nettoeinkommen* |
1.600 € |
2.300 € |
3.300 € |
angenommene Ausgaben |
1.500 € |
2.000 € |
2.600 € |
erwartete gesetzliche Rente (in Euro) |
1.000 € |
1.600 € |
2.000 € |
erwartete gesetzliche Rente (in Prozent des
Bruttoeinkommens) |
40 % |
40 % |
33 % |
Steuern auf die Rente ** |
0 € |
- 100 € |
- 200 € |
Rentenlücke |
400 € |
500 € |
800 € |
|
Quellen:
FAS-Grafik v. 09.08.2009; VZ Vermögenszentrum
Annahmen: * Steuerklasse I, nach
Sozialversicherungsbeiträgen; ** Annahme, effektive Höhe
abhängig vom Zeitpunkt des Rentenbeginns; Alle Angaben
sind Monatswerte und basieren auf heutiger Kaufkraft |
Unterstellt wird hier
unser heutiges Bruttoeinkommen, was für jemanden, der vor dem
Rentenbeginn steht, höher ist als für einen 20-Jährigen
Berufseinsteiger. Die Rentenlücke steigt also für eine reale
Person mit seinem Alter und dem Anstieg seines Einkommens.
Eine andere Berechnung des VZ Vermögenszentrums wiederum geht
von gleichen Sparraten über 10, 20, 30 oder sogar 40 Jahre
aus, was ja, wie eben gezeigt, unrealistisch ist. Was also
soll man mit solchen Berechnungen dann anfangen?
DUNKEL, Monika
(2009): Rente garantiert Zoff,
in:
Financial Times Deutschland v. 30.07.
Monika DUNKEL geht davon
aus, dass die beschlossene Rentengarantie gar nicht angewandt
werden muss, weil die Löhne steigen, und somit keine Kosten
verursacht werden. Außerdem geht DUNKEL davon aus, dass es in
Zukunft keine großen Rentenerhöhungen mehr geben wird:
"Rentenerhöhungen um
über zwei Prozent im Westen und über drei Prozent im Osten -
wie in diesem Jahr - dürften (..) nicht mehr drin sein."
Sie warnt aber vor
weiteren Veränderungen der Rentenformel. In der Altersarmut
sieht DUNKEL das wahre Problem:
"Schon in den letzten
Jahren ist die Kaufkraft der Rentner deutlich gesunken, da
die Zuwächse in der Regel unterhalb der Inflationsrate
lagen."
FRANK, Charlotte (2009): In verschiedenen Welten.
Die verunsicherten Deutschen
(2): Über die "Rentner" zu reden, ist kaum möglich - so wenig
vergleichbar sind die Lebensumstände im Alter,
in: Süddeutsche Zeitung v. 13.08.
Charlotte FRANK
stellt uns zwei 68-jährige Rentner vor: einen gut situierten
Familienvater der oberen Mittelschicht, der mit 63 Jahren in
Vorruhestand gehen konnte, und eine von Altersarmut betroffene
kinderlose Frau, die sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen
hat und aufgrund hoher Schulden ihre private
Rentenversicherung auflösen musste. Nach 12 Jahren
Beitragszahlung erhielt sie dafür 6.000 Euro ausgezahlt.
Der gut situierte Rentner
wird als Gegner der Rentenerhöhung zum 1. Juli dargestellt Die
Rentenerhöhung wird uns folgendermaßen beschrieben:
"Rentenerhöhung
vom 1. Juli 2009. An diesem Tag, mitten in der Krise,
sind die Bezüge der Ruheständler so stark gestiegen wie seit
mehr als zehn Jahren nicht: im Westen um 2,41 Prozent, im
Osten um 3,38 Prozent. Dadurch bekommen westdeutsche Männer
im Durchschnitt 990 Euro, Frauen 479 Euro. Im Osten liegen
die Renten für Männer im Mittel bei 1078 Euro, für Frauen
bei 691 Euro."
Zum Problem der Altersarmut
wird Dirk von der HEIDE ("Deutsche Rentenversicherung")
zitiert, der uns vorrechnet, dass derzeit nur 2 Prozent der
über 65-Jährigen Leistungen der Grundsicherung im Alter
beziehen. Das Problem werde aber zunehmen. Risikogruppen seien
Langzeitarbeitslose, Selbständige und Geringverdiener.
JOCHEM, Sven (2009): Reformpolitik im Wohlfahrtsstaat.
Deutschland im internationalen Vergleich, LIT Verlag
Sven JOCHEM sieht im
demografischen Wandel keinen Sachzwang wie Neoliberale.
Vielmehr sieht er Spielraum für politische Entscheidungen:
"Die Veränderungen der
Sozial- und Altersstruktur werden neben den ökonomischen
Herausforderungen entwickelter Wohlfahrtsstaaten als zweite
große Notwendigkeit für reformpolitische Schritte genannt. Wie
der frühen Globalisierungsliteratur ist den gegenwärtigen
Beiträgen der Demographie-Literatur zu konzedieren, dass
worst-case-Szenarien das Bild prägen (...).
(...).
Die Reproduktion der europäischen Gesellschaften zeigt
eindeutig eine Schieflage an. Die Daten sind (...) kaum
umstritten, die Interpretationen dieser Daten und die aus
ihnen abgeleiteten Konsequenzen und Reformempfehlungen sind es
jedoch in höchstem Ausmaße. (...).
Es wird die These vertreten, dass ähnlich wie im Fall der
Globalisierung die demographischen Veränderungen die
wohlfahrtsstaatliche Reformpolitik nicht in eine einzige
Richtung zwingen. Die Politik hat Wahlmöglichkeiten. Welche
Wege zur reformpolitischen Abfederung demographischer
Veränderungen allerdings gewählt werden, entscheidet sich im
politischen Prozess" (2009, S.50)
Die Konstruktion des
Demografiefaktors in der Rentenanpassungsformel sieht JOCHEM
nicht als Sachzwang, sondern als politische Entscheidung, die
zu einer starken Senkung des Rentenniveaus führt, obgleich es
dazu Alternativen gäbe:
"Der
Nachhaltigkeitsfaktor in der neuen Rentenformel wird (...) mit
einem a-Parameter gewichtet, der einen Wert von 0,25 bis 1
annehmen und willkürlich von der Politik festgelegt werden
kann. Je näher der Wert zur 1 festgelegt wird, desto geringer
die Rentenanpassung und desto wahrscheinlicher ein stabiler
Beitragssatz. Zudem wurde bei der Berechnung der Lohn- und
Gehaltssteigerungen einzig auf die Beschäftigten abgehoben,
die auch in der GRV versichert sind. Die Gehälter der Beamten
und die Löhne über der Beitragsbemessungsgrenze, die früher
noch bei der Berechnung berücksichtigt wurden - und die in den
letzten Jahren deutlich anstiegen - , fallen also aus dem
Berechnungsraster, was in Zukunft tendenziell zusätzlich
gedämpfte Rentensteigerungen erwarten lässt." (2009, S.270)
HAGELÜKEN, Alexander
(2009): Die Rente retten,
Wegen der
Krise reduzieren viele Bürger ihre Altersvorsorge. Dabei ist sie
wichtiger denn je,
in: Süddeutsche Zeitung v. 08.10.
Alexander
HAGELÜKEN verteidigt die private Altersvorsorge, die durch die
Bankenkrise in Misskredit gebracht wurde:
"Mehr als jeder sechste
Deutsche hat nach einer Allensbach-Studie seine
Vorsorgezahlungen reduziert - oder gar den entsprechenden
Vertrag gekündigt."
Die Verbraucherzentralen
für die Befürworter der privaten Altersvorsorge zu wichtigen
Verbündeten geworden, da diese nur Altersvorsorgeprodukte
bewerten und damit lediglich zu Anpassungen innerhalb des
Systems der privaten Altersvorsorge beitragen, aber nicht das
System selber infrage stellen. In dieser Sicht präsentiert uns
HAGELÜKEN einen Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Bayern
("Altersvorsorgeexperte")
Ausgangspunkt ist immer die
gesetzliche Rente, deren Niveau von Neoliberalen erfolgreich
gesenkt wurde. Die Argumentation zielt darauf ab, dass
aufgrund des demografischen Wandels eine weitere Senkung
stattfinden muss:
"Die Alterung der
Gesellschaft mindert die Kraft der gesetzlichen
Rentenversicherung. Während im Jahr 1950 100 Arbeitnehmer
nur 16 Ruheständler finanzierten, werden es im Jahr 2030
schon 50 sein. Also drei Mal so viele",
erklärt uns HAGELÜKEN.
Nicht erklärt wird uns, warum das Jahr 1950 als Ausgangspunkt
der Argumentation dient, schließlich erhielt die gesetzliche
Rente erst im Jahr 1957 eine lebensstandardsichernde Bedeutung
und das auch nur für Männer, weil Frauen damals kaum eine
eigenständige Rente erwirtschafteten.
"Das Gesetz zur Rente ab
67 bedeutet beispielsweise, dass ein heute höchstens
45-jähriger Arbeitnehmer mehr als sieben Prozent Rente
verliert, wenn er wie bisher üblich mit 65 Jahren aufhören
will",
beschreibt HAGELÜKEN uns
die Einführung der Rente mit 67 als Rentenkürzungsgesetz.
"Außerdem müssen Senioren
einen immer höheren Teil der gesetzlichen Altersbezüge
versteuern",
erklärt uns HAGELÜKEN um
die Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge zu
rechtfertigen, verschweigt aber, dass dies nicht nur für die
gesetzliche Rente gilt.
Aufgrund der politischen
Entscheidungen ergibt sich also eine Rentenlücke, die durch
die private Altersvorsorge geschlossen werden soll, so die
Vorstellung der Befürworter dieses Ansatzes. Um die Höhe der
Rentenlücke zu bestimmen, präsentiert uns HAGELÜKEN folgende
Faustformel, die am Beispiel eines Singles erläutert wird:
"Als Faustformel gilt,
dass einem im Alter bis zu 80 Prozent des letzten
Nettoeinkommens zur Verfügung stehen sollte. Nimmt man
diesen Wert, klafft bei einem 40-jährigen Single mit 55.000
Euro Bruttoeinkommen im Jahr eine Lücke von 1.500 Euro im
Monat".
HAGELÜKEN warnt vor
Vergleichsrechnern von Vorsorgeanbietern, weil diese
profitorientiert seien und verweist auf den zeitungseigenen
Rechner bzw. von der Zeitschrift Finanztest.
Riester-Verträge werden uns
nicht etwa wegen der hohen Rendite angepriesen, sondern nur
wegen der staatlichen Förderung bzw. den Steuerersparnissen.
Auch hier kein Hinweis auf die nachgelagerte Besteuerung von
Renten, die diese Vorteile wieder mindern!
Einzig von
Lebensversicherungen wird aufgrund der hohen Gebühren generell
abgeraten:
"Wer 30 Jahre 300 Monat
einbezahlt, bekomme im Schnitt schon mal fünf Prozent oder
mehr als 5.000 Euro in den ersten Jahren als Gebühren
abgezogen. Dazu kommen nochmal drei Prozent laufende Kosten
pro Jahr, also in der gesamten Laufzeit weitere Tausende
Euro."
Verbraucherschützer warnen
vor einer Kündigung von Verträgen, dies kommt der
Riester-Erfolgsstatistik, auf die Verfechter der privaten
Altersvorsorge gerne verweisen, zugute, denn ruhende Verträge
zählen im Gegensatz zu gekündigten Verträgen als Erfolg.
2010
ÖCHSNER, Thomas (2010): Rente mit 67
führt zu Einbußen.
Versicherte, die von 2012 an vorzeitig in Ruhestand gehen,
erhalten durch neue Altersgrenze weniger Geld,
in: Süddeutsche Zeitung v. 28.01.
Thomas ÖCHSNER
berichtet über eine Anfrage von Klaus ERNST (Linkspartei) zur
Rente mit 67. Danach bekäme ein Eckrentner (West) derzeit mit
65 Jahren eine monatliche Rente von 1224 Euro. Ginge er mit 63
in Rente würde er derzeit 1135,87 Euro erhalten, nach
Einführung der Rente mit 67 jedoch nur noch 1124,86 Euro.
"Derzeit geht fast jeder
zweite Altersrentner mit Abschlägen in den Ruhestand, weil
die Altersgrenze nicht erreicht ist. Im Durchschnitt kommt
es so zu Einbußen von 114 Euro im Monat",
erklärt uns ÖCHSNER. Jedoch
gäbe es durch die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder
aufgrund von Altersteilzeit Möglichkeiten zur Begrenzung von
Abschlägen.
Anhand der Statistiken der Deutschen Rentenversicherung zeigt
ÖCHSNER auf, dass diese Möglichkeiten im Jahr 2009
folgendermaßen in Anspruch genommen wurden:
"etwa 79.000 Menschen
(gingen) wegen Arbeitslosigkeit in Rente und weitere 80.000
wegen Schwerbehinderung. Bei den langjährig Versicherten mit
mindestens 35 Beitragsjahren, die von den Abschlägen
besonders betroffen sind, waren es aber immerhin noch
57.000.
ERNST kritisiert, dass von
der Rente mit 67 vor allem Leistungsträger, d.h.
Besserverdiener, mit langen Versicherungszeiten besonders
getroffen seien.
2011
BOEHRINGER,
Simone (2011): Vorsorgen mit Verstand.
Reich in
Rente: Wer fürs Alter spart, sollte sich nicht auf
Lebensversicherungen und Bundespapiere verlassen. Auch Aktien
und Immobilien sind wichtig,
in: Süddeutsche Zeitung v. 22.02.
Wir sollen unsere
Altersvorsorge in Aktien, statt in klassische
Altersvorsorgeprodukte anlegen, weil das angeblich sicherer
sei, heißt die Botschaft von Simone BOEHRINGER. Mit der Frage
nach der Sicherheit von Staatsanleihen wird uns gleich auch
noch mit der Inflation gedroht, denn die "Goldlöckchen"-Jahre
am Kapitalmarkt seien vorbei:
"Ausreichend Wachstum,
niedrige Inflationsraten und stabile politische Verhältnisse
sorgten seit Jahrzehnten für eine auskömmliche
»Friedensdividende«. (...). Das ist in der Krise anders."
BOEHRINGER beruft sich auf
Experten, um uns drohende Inflation als unser Hauptproblem
einzureden. Der Run auf Aktien und Immobilien sowie steigende
Rohstoffpreise, z.B. von Öl, soll diese schüren. Kleinanleger
werden Aktienfonds oder Indexfonds (ETF) statt Aktien
empfohlen. Den Vorteil von Aktien beschreibt BOEHRINGER in
deren Robustheit in Zeiten steigender Inflation:
"Im Unterschied zu
Anleihen sind Anleger als Aktionäre oder Fondsbesitzer
Miteigentümer eines Unternehmens und nicht nur Kreditgeber.
Sie tragen dafür ein Kursrisiko, sind aber im Falle einer
Inflation besser gewappnet als mit Anleihen, weil die
Teuerung in der Regel auch die Aktien nach oben treibt."
Aber die findigen
Finanzdienstleister freuen sich bereits über die Propagierung
von ETF-Fonds, denn sie denken gar nicht daran dumme
Kleinanleger an Unternehmen zu beteiligen, sondern mittels
spezieller Konstruktionen stricken sie ETF-Fonds, die nicht in
Aktien investieren, sondern nur eine Wette auf den Aktienkurs
darstellen.
Aber die Zukunft hält sich
nur selten an Prognosen, weshalb BOEHRINGER zum Schluss
einräumt, dass die Tipps mit Vorsicht zu genießen sind:
"Im Ernst kann niemand
seriös vorhersehen, ob die Altersvorsorgestrategien, die
junge Leute heute für sich stricken, später noch komplett
aufgehen. Von Inflation über Deflation bis hin zu einer
Währungsreform halten kritische Beobachter in diesem
Zeitrahmen vieles für möglich."
Anders formuliert: Wer den
Tipps folgt ist letztlich selber Schuld, denn die Befürworter
der privaten Altersvorsorge haften nicht dafür, sondern jeder
Einzelne trägt das Risiko, wenn es schief geht.
Die zeitverzögerte Zahlung
von Steuern und Sozialabgaben wird uns von Tom FRIESS ("Chef
des Vermögenszentrums München") als Vorteil gepriesen.
Nichts lesen wir deshalb von den Nebenwirkungen dieser
Entgeltumwandlung, von der insbesondere die
Besserverdienenden und die Spitzenverdiener profitieren.
2012
SCHERFF, Dyrk (2012): Altersvorsorge in Gefahr. Was tun?
Die
Euro-Krise lässt die private Vorsorge schrumpfen. Es gibt nur
einen Ausweg: Mehr sparen und mehr wagen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 29.07.
Dyrk SCHERFF nennt uns
vier Optionen, die wir angesichts der Niedrigzinsphase und
niedrigeren Betriebsrenten hinsichtlich der Altersvorsorge
haben:
1) Ansprüche für das
Alter herunterschrauben, eine Option, die jedoch nicht weiter
in Erwägung gezogen wird
2) Unsere Anlagen optimieren, d.h. mehr Rendite herausholen.
Beispielhaft werden uns Direktversicherer und
Nettoversicherungen als Alternativen aufgezeigt, die jedoch
keine grundlegende Lösung seien
3) Erhöhung der Sparraten. Dazu liefert uns SCHERFF folgende
Rechnung:
"Wer bisher zum
Beispiel 100 Euro im Monat bei vier Prozent sparte - der
aktuellen Verzinsung von Lebensversicherungen -, muss bei
nur noch zwei Prozent Verzinsung 141 Euro im Monat anlegen,
um in 30 Jahren den gleichen Betrag angespart zu haben. Und
das sind noch kleine Sparsummen, die für einen
Durchschnittsverdiener mit 50.000 Euro
Brutto-Jahreseinkommen nicht reichen. Haben sie aber bisher
300 Euro im Monat gespart, sind bei zwei Prozent Verzinsung
schon 423 Euro fällig, um in 30 Jahren die gleiche Summe zu
haben."
Wenn die Zinsen weiter
fallen, muss die Sparrate entsprechend weiter erhöht werden.
4) Mehr Risiko wagen, heißt die letzte Losung. SCHERFF preist
uns mit Hinweis auf das VZ Vermögenszentrum Aktien an. Im
Gegensatz zu anderen Anlagen, wir hier lediglich von Gewinn
machen gesprochen, d.h. wir sind selber schuld, wenn wir
falsch investiert haben. Vor allem müssen wir Geduld haben und
einen Niedergang der Aktienkurse aussitzen können, d.h. Aktien
sind keine Option für jene, die ihr Geld zu einem ganz
bestimmten Zeitpunkt benötigen, weshalb uns SCHERFF folgendes
auf den Weg gibt:
"Eine gute
Altersvorsorge teilt es in zwei Gruppen auf: einen Teil, aus
dem sich die laufenden monatlichen Renten speisen und der
schrittweise aufgebraucht wird. Er muss sicher angelegt
werden. Der andere Teil - und der ist anfangs ziemlich groß
- wird zunächst nicht benötigt und kann auch im Ruhestand
weiter für viele Jahre riskant angelegt werden.
Zwischenzeitliche Schwankungen der Kurse schmerzen für
diesen Teil nicht.
Aktien sind daher gerade wegen des langen Anlagezeitraumes
in der Altersvorsorge weniger riskant als gedacht. Ihre
Dividenden sorgen für gewollte regelmäßige Ausschüttungen.
Zudem schützt die Aktie besser vor Inflation als Anleihen
und Versicherungen."
KREMER, Dennis (2012): "Die deutschen Sparer sind die Verlierer der
Krise".
Die
Ergo-Versicherung sucht höhere Renditen in Wind- und Solarparks,
schafft aber die Garantieverzinsung ab,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 29.07.
"Das mag wie eine gute Lösung
aussehen, trotzdem halten wir unsere Aktienquote bewusst sehr niedrig.
Denn das Problem der Papiere ist: Sie schwanken einfach zu sehr. Und
diese Volatilität ist Gift für alle, die regelmäßig eine positive
Rendite für ihre Kunden erwirtschaften müssen - also insbesondere für
uns Versicherer. Hohe Dividendenrenditen sind zwar erfreulich für
Anleger: Aber sie lassen sich nun einmal nicht in die Zukunft
fortschreiben, mit ihnen lässt sich nicht kalkulieren. Außerdem muss
man mit Blick auf die Wertentwicklung des Aktienmarktes in den
vergangenen Jahren festhalten: Risiko ist nicht belohnt worden. Wer
beispielsweise im Jahr 2000 in den Dax eingestiegen ist, konnte bis
heute keine Gewinne erzielen", erklärt uns der Finanzvorstand der
Ergo-Versicherung das Problem von Aktien.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Tagesthema:
Der große Rentenstreit.
Es geht um
das Schicksal von Millionen alter Menschen, es geht aber auch um
die Macht in Berlin. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat
mit ihrem Konzept für eine Zuschussrente Bewegung in die
politischen Fronten gebracht. Plötzlich scheint eine Einigung
zwischen Union und SPD möglich zu sein. Und die FDP wittert schon
eine große Koalition |
FRANK, Charlotte
(2012): Rente? Vielleicht.
Kommentar:
Sozialstaat,
in: Süddeutsche Zeitung v. 11.09.
Charlotte FRANK
hält die Debatte über Altersarmut, die Ursula von der LEYEN
mit ihrem Vorstoß zur Zuschussrente angestoßen hat, angesichts
der Verunsicherung bei den jungen Menschen für wichtig, weil
das
"Vertrauen in
die Märkte als Basis ihrer individuellen Altersvorsorge"
verloren gegangen sei und
deshalb zu wenige vorsorgen oder zu geringe Beträge einzahlen.
Überforderung wird von FRANK als das Hauptproblem junger
Menschen angesehen. Die Zuschussrente hält FRANK jedoch als
das falsche Mittel:
"Ihre Zuschussrente (...)
basiert auf einer riskanten Verflechtung grundsätzlicher
Prinzipien des Sozialstaats, des Versicherungs- und des
Fürsorgeprinzips. Sie ist ungerecht, weil sie die
Verantwortung für arme Rentner allein den rentenversicherten
Bürgern aufbürden will - und nicht allen."
SCHERFF, Dyrk (2012): Länger leben gibt es nicht umsonst.
Ins Ausland reisen, in die Oper gehen und häufig
Golf spielen: Das Alter ist abwechslungsreich und teuer. Wir
haben genau nachgerechnet, was ein längeres Leben kostet,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.10.
KREMER, Dennis (2012): Junge Staaten ins Depot!
Die
Deutschen legen ihr Geld fürs Alter gern in der Heimat an.
Besser läge es in Schwellenländern mit junger Bevölkerung,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.10.
Dennis KREMER erzählt
uns Märchen aus der Greisen-Ökonomie. Wir sollen in
Schwellenländer investieren, weil dort Wachstum und damit
Renditen möglich sind, die es hierzulande nicht mehr geben
wird. So will es jedenfalls die neoliberale Ideologie:
"Eine junge
Bevölkerung ist die Basis für eine starke Wirtschaft",
heißt eine unsinnige
Behauptung. Uns wird deshalb z.B. Nigeria angepriesen, denn
Skrupel kennen Investoren keine. Die Greisen-Ökonomen erzählen
uns Geschichten aus vergangenen Zeiten als wünschen noch
geholfen hat:
"Zahlreiche Studien
zeigen, dass Menschen vor allem im Alter zwischen 16 und 40
Jahren die meisten Anschaffungen tätigen: Sie kaufen sich
das erste Auto oder die eigene Wohnung."
Wir halten uns dagegen
an folgenden Sachverhalt: Nichts ist revisionsbedürftiger als
ökonomische Studien aus der Vergangenheit. Uns erklären
Neoliberalen auf der einen Seite, dass wir immer länger leben,
aber auf der anderen Seite sollen wir uns verhalten wie
Kurzlebige. Könnte es also nicht sein, dass Menschen in
Zukunft ihre erste eigene Wohnung erst jenseits der 40 kaufen
werden? Verhaltensänderungen haben Demografen und ihre
neoliberalen Mitläufer unter den Ökonomen nicht im Blickfeld.
Dass Demografie
unbedeutend ist, wird dann deutlich, wenn uns KREMER eine
lange Liste von weiteren Voraussetzungen nennt. Die Wichtigste
dürfte die politische Lage sein, die gerade in
bevölkerungsreichen Schwellenländern alles andere als stabil
ist, denn es gilt auch: nichts ist unstabiler als junge
Bevölkerungen. Das heißt eher: Finger weg von Staaten mit
jungen Bevölkerungen, deren Zukunft mehr als ungewiss sind.
Das Zocken sollten wir anderen überlassen, z.B. der Deutschen
Bank, die uns KREMER noch als Vorbild nennt!
SIEDENBIEDEL, Christian (2012): Wer weiß schon, was in 50 Jahren
ist.
Junge
Leute befassen sich nur ungern mit der Vorsorge fürs Alter.
Deshalb legen viele zu wenig zurück. Und ärgern sich später,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.10.
Christian
SIEDENBIEDEL spielt heute den Psychodoktor, der unser für
Ökonomen angeblich irrationales Verhalten bei der
Altersvorsorge aus Sicht der Finanzdienstleistungsbranche und
deren Helfershelfer in der Verhaltensökonomie beschreibt. Wie
bei Psychologen üblich, sind Experimente, die nichts mit
unserem Alltag zu tun haben, die Grundlage:
"Um die Abhängigkeit
der Vorlieben der Menschen von der Zeit zu untersuchen,
wurden Probanden in Experimenten gebeten, zu vergleichen,
welche Beträge sie zu welchem Zeitpunkt als Geschenk
vorziehen würden. Ob sie beispielsweise lieber in zwölf
Monaten 1000 Euro bekämen - oder in 13 Monaten 1010 Euro.
Das wäre ein Zins von einem Prozent für einen Monat. Wer
sich für die zweite Möglichkeit entschieden hat, so sollte
man meinen, müsste sich nach zwölf Monaten, wenn er dann
abermals befragt wird, ob er lieber 1000 Euro sofort oder
1010 Euro in einem Monat will, wiederum für die zweite
Lösung entscheiden. Das ist aber oft nicht der Fall, wie die
Experimente zeigten: Je dichter der Zeitpunkt heranrückte,
desto höher musste der Zinssatz ausfallen, für den die
Menschen sich noch etwas gedulden wollten. Wenn die Menschen
das Geld sofort haben können, ist ihnen das offenbar dann
doch viel lieber, als noch einen Monat zu warten."
Meist werden bei solchen
Experimenten Studenten als Probanden ausgewählt, aber darüber
informiert uns SIEDENBIEDEL nicht. Wir sollen ja nicht die
Plausibilität des Experiments in Frage stellen dürfen, sondern
dessen Ergebnis als Wahrheit hinnehmen.
Bei der Altersvorsorge
ist es ja entscheidend, wie alt jemand ist, der sparen soll.
Warum wird uns also nichts über das Alter der Probanden
verraten? Korreliert das Verhalten nicht mit dem Zeitraum wie
uns weisgemacht wird, sondern mit dem Alter, dann sind die
Ergebnisse fragwürdig. Das Gleiche gilt für den
Gesundheitszustand. Wurde dieser etwa kontrolliert? Gesunde
könnten sich anders verhalten als Kranke. Nichts liest man
darüber bei SIEDENBIEDEL, der uns ja nur eine passende
Erklärung für unsere Dummheit in Sachen Altersvorsorge liefern
soll. Auch die Frage nach der Einstellung zur Altersvorsorge
wird vernachlässigt!
Fazit:
Verhaltensökonomen wie Richard THALER und Shlomo BENARTZI
("Save more tomorrow") sind selber beschränkt in ihrer
Sichtweise. Sie rechtfertigen das System der Altersvorsorge
durch Experimente, die nichts anderes als selbsterfüllende
Prophezeiungen sind. Kritiker des Systems erscheinen in dieser
ökonomistischen Perspektive entweder als irrational oder als
Trittbrettfahrer.
SCHERFF, Dyrk (2012): Sparen für die
Rente mit 67.
Wer früher
in den Ruhestand will, muss mehr sparen als bisher. Bei
Akademikern können das schnell 1000 Euro zusätzlich werden,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.12.
Dyrk SCHERFF preist uns
anlässlich des Einstiegs in die Rente mit 67 seit Jahresbeginn
die Vorteile der Rente mit 67 an. Positiv denken ist alles!
Die Beitragssatzstabilität wird uns als alternativlos
suggeriert. Die FAS hat sich vom Institut für Vorsorge
und Finanzplanung die Vorteile berechnen lassen, warnt uns
aber, dass sich die Situation der Rentenkasse noch
verschlechtern könnte.
SCHERFF sieht immer noch
in 70 Prozent des Nettoeinkommens ein anzustrebendes Ziel für
den Rentenbeginn. Jedoch wird sich das Rentenniveau -
statt wie noch von SCHERFF Ende 2003 mit Hinweis auf das DIA
verkündet, noch weiter verschlechtern:
"Derzeit zahlt die
staatliche Rente noch etwa 67 Prozent des letzten
Nettoeinkommens. Schon 2030 sind es nur noch 55 Prozent.
Danach sinkt der Anteil noch leicht weiter auf etwa 50
Prozent."
Die Differenz von 15 bis
20 Prozent müsste also gemäß dieser Sicht privat vorgesorgt
werden.
SCHERFF rechnet uns vor,
wie viele Abschläge wir zahlen müssten, um früher in Rente zu
gehen:
"Wer 45 Jahre in die
staatliche Rentenkasse eingezahlt hat, darf auch weiterhin
mit 65 Jahren in Rente gehen. Wer weniger gearbeitet hat,
muss Abschläge auf die monatliche Rente in Kauf nehmen: Für
jedes Jahr früheren Rentenbeginns sind das 3,6 Prozent.
Frühestens kann die Rente mit 63 bezogen werden, dann
betragen die Abschläge aber künftig 14 Prozent. Bisher waren
es nur 7,2 Prozent."
Diese Abschläge würden
die Frührente unattraktiv machen, da die Kompensation durch
private Altersvorsorge ohne großen Verzicht nicht gelingen
kann. Als Verlierer der Rentenreform stellt uns SCHERFF die
Jahrgänge 1960 bis 1970 vor.
Angesichts der
Verschlechterungen bei der Frührente empfiehlt SCHERFF
längeres Arbeiten über 67 hinaus:
"Wer das macht,
bekommt für jedes zusätzliche Jahr 6 Prozent mehr staatliche
Rente."