[ Übersicht der Themen des Monats ] [ Rezensionen ] [ Homepage ]

 
       
   

Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Das Rentensystem und seine Gefährdung durch nicht-demografische Faktoren

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatten, die Sprengwirkung für das System der Rentenversicherung haben (Teil 3)

 
       
       
     
   
     
 

Einführung

Die Rente wird seit Jahrzehnten wegen des demografischen Wandels vor dem Kollaps gesehen. Der Geburtenrückgang und der Anstieg der Lebenserwartung gelten als jene Faktoren, die das Rentensystem bedrohen. Es sind jedoch in der Regel die unbeachteten Nebenfolgen von Entwicklungen, die wirkliche Sprengkraft besitzen. Auf dieser Website wird davon ausgegangen, dass es gerade die nicht-demografischen Faktoren sind, die wirklich bedrohlich sein können. Man könnte das Problem mit Demografiepanik bezeichnen und die Nuller Jahre mit ihrer Hysterie war nur ein Vorgeschmack auf das, was uns in den 1920er Jahren bevorsteht.

Die kommende Demografiepanik speist sich aus drei Quellen, deren Auswirkungen teilweise bereits seit den 1990er Jahren beobachtet werden können und die durch selbstverstärkende Effekte befeuert werden: Renditegier, Angst vor Altersarmut und die Eigengesetzlichkeiten der Mechanismen im Rentensystem. Zu dieser die Demografiepanik begünstigenden Faktoren kommen weitere nicht-demografische Faktoren hinzu, die als Rahmenbedingungen die Demografiepanik weiter befeuern können: der Wandel des Arbeitsmarktes, die Entwicklung der Kapital- und Immobilienmärkte, der Wandel des Parteiensystems und nicht zuletzt die Entstehung der neuen Klassengesellschaft (mehr hier).

In dieser Bibliographie sollen deshalb jene öffentlichen Debatten dokumentiert werden, in denen jene nicht-demografischen Aspekte zur Sprache kommen, die die gesetzliche Rentenversicherung gefährden.     

Kommentierte Bibliografie (Teil 3 - 2013 bis 2016)

2013

DRIBBUSCH, Barbara (2013): Mit 68 noch als Girlie an der Kasse sitzen.
Alter: Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum wagt eine Langfristprognose bis 2060: Dann ist nur noch ein Drittel der Bevölkerung jünger als 65 Jahre. Deshalb sollten alle in Zukunft noch länger arbeiten,
in:
TAZ v. 12.03.

Die Bertelsmann-Stiftung, das Sturmgeschütz des Neoliberalismus, hat eine Studie zur Reform des Rentensystems in Auftrag gegeben. Bereits die Auswahl des Autors, Martin WERDING (ein Schüler von Hans-Werner SINN) statt z.B. Gerd BOSBACH, ist Garant dafür, dass Kaffeesatzlesen höhere Weihen erfährt.

Wesentlich interessanter als die Studie selbst, die das Papier nicht wert ist, auf das sie geschrieben steht, ist deshalb die umfassendere Methodenstudie, in denen die grundlegenden Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung aufgeführt sind. Die Überlegungen von WERDING sind nur bei folgenden Gegebenheiten relevant:

"die zusammengefasste Geburtenziffer bleibt bis 2060 konstant auf dem Wert für 2008 (1,376)
die Lebenserwartung bei Geburt steigt entsprechend dem Trend der Jahre von 2000 bis 2008 bei Frauen bis 2060 auf 91,2 Jahre, bei Männern auf 87,7 Jahre

• der Wanderungssaldo erhöht sich bis 2020 wieder auf einen Zuwanderungsüberschuss in Höhe von 150.000 Personen pro Jahr (Zuwanderer: 800.000, Auswanderer 650.000) und bleibt anschliessend bis 2060 konstant." (2013, S.29)

Bereits der Wert 1,376 der zusammengefassten Geburtenziffer entspricht nicht der tatsächlichen heutigen Geburtenentwicklung, die bei den Babyboomern (Geburtsjahrgänge 1955 bis 1970) bei über 1,6 liegt. Dass die Geburtenentwicklung über 50 Jahre konstant bleiben soll - angesichts der familienpolitischen Reformen - ist ebenfalls nicht realistisch.

Entscheidender als die bereits Geborenen, ist die Entwicklung bei denjenigen, die in den nächsten Jahrzehnten geboren werden. Dies findet jedoch keine Berücksichtigung in der Studie, wie die Annahmen zur Geburtenentwicklung bis 2060 deutlich zeigen.

Der Berechnung von WERDING liegen zudem veraltete Daten zur Bevölkerungsfortschreibung zugrunde, die durch den 2011 durchgeführten Zensus deutlich revidiert werden müssen. Warum wurde mit der Studie also nicht zum Vorliegen der Zensusergebnisse gewartet? Könnte es sein, dass man erwartet, dass diese andere Tendenzen nahe legen würden?

Fazit: Die Studie ist alles andere als seriös. Sie soll lediglich das nahe legen, was von der Bertelsmann-Stiftung gewünscht ist: drastische weitere Rentenreformen. Offenbar ist der Stiftung die aktuelle Debatte um die zunehmende Altersarmut ein Dorn im Auge.

GOTTHOLD, Kathrin & Holger ZSCHÄPITZ (2013): Kampf der Systeme gegen die Altersarmut.
Rentenlücke steigt deutlich. Im Wahljahr stellt sich mehr denn je die Frage, wer sie füllen soll,
in: Welt v. 25.04.

GOTTHOLD & ZSCHÄPITZ berichten über eine neue Auftragsstudie von Martin WERDING für ein Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche. Bereits im März hatte seine Auftragsstudie für die neoliberale Bertelsmann-Stiftung Aufsehen erregt, weil sie in den Medien mit überhöhten Angaben zur Alterung in Deutschland lanciert worden war (eine Kritik der zugrunde liegenden Annahmen der Studie wie auf single-generation.de wurde in den Medien erst gar nicht geleistet!). So war selbst in der taz zu lesen:

"Während heute der Anteil der über 65-Jährigen bei 30 Prozent an der Bevölkerung liegt, sieht die Prognose für 2030 einen Anteil von 49 Prozent und für 2060 von 63 Prozent dieser Altersgruppe vor."

In einem Interview mit der jungen Welt, erläutert der Statistiker Gerd BOSBACH:

"63 Prozent, das wären von drei Einwohnern zwei, die über 64 Jahre als sein sollen. Das ist in keiner Gesellschaft möglich. So ein Fehler ist fatal. In der zugrundeliegenden Studie der Uni Bochum stand auch korrekt, daß der Altenquotient 63 betrage, also 2060 auf 100 Erwerbsfähige 63 Ältere kämen. Zusammen mit Kindern und Jugendlichen ergäbe das einen Bevölkerungsanteil von knapp 33 Prozent."

Während die Auftragsstudie für die Bertelsmann-Stiftung auf weitere Reformen zur Erhöhung des Renteneintrittsalters abzielte, errechnet die neue Studie eine hohe Vorsorgelücke - und zielt damit in die gleiche Richtung: Stärkung des Kapitaldeckungsverfahrens und Schwächung des Umlageverfahrens in der Alterssicherung. GOTTHOLD & ZSCHÄPITZ weisen zu Recht auf das Eigeninteresse der Auftraggeber der Studie hin:

"Auftraggeber der Studie ist das Anlagehaus Fidelity Investment, dem ein Eigeninteresse an einer möglichst großen Rentenlücke nicht abzusprechen ist."

Bedenklich ist, dass eine Auftragsstudie durch den Hinweis geadelt wird, dass mitgeteilt wird, der Autor sei auch Professor an einer deutschen Universität. Warum der Hinweis auf die Professur, statt auf weitere Auftraggeber des Autors? Das wäre zur Bewertung der Position des Autors doch weitaus sinnvoller.

2014

SCHERFF, Dyrk (2014): Nur Dumme arbeiten länger.
Die Rente mit 63 ist noch viel attraktiver als gedacht. Wer bis 65 arbeitet, muss schon 100 werden, damit sich das lohnt,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.05.

LOOMAN, Volker (2014): Der Einfluss von Zinsen hält sich bei vielen Geldanlagen in Grenzen.
Die Vermögensfrage: Die meisten Anleger überschätzen die Bedeutung von Zinseszinsen, weil die meisten Sparverträge nur wenige Jahre laufen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.06.

Während uns bei der Altersvorsorge gerne die Wichtigkeit des Zinseszins erklärt wird, sieht das Volker LOOMAN ganz anders:

"Der Traum vom Millionär ist so alt wie die Menschheit. Folglich ist es kein Wunder, dass Verkäufer von Investmentfonds mächtig Eindruck schinden, wenn sie jungen Zuhörern vorrechnen, dass aus 10.000 Euro bei einer Rendite von 10 Prozent nach 50 Jahren rund 1.174.000 Euro werden. Die Kalkulation ist mathematisch korrekt, doch die Rechnung geht an der Realität vorbei. Erstens gibt es nur wenige Leute, die im Alter von 20 Jahren mal eben 10.000 Euro zur Verfügung haben, zweitens sind jährliche Renditen von 10 Prozent nach Abzug von Spesen und Steuern fromme Wünsche, und drittens sind Menschen, die Geld aus purer Lust an dessen Vermehrung ein halbes Jahrhundert anlegen, im besten Sinne des Wortes seltene Paradiesvögel."

Bei der Altersvorsorge setzt LOOMAN auf Aktien:

"Sparer sind an Renditen interessiert, die nach Kosten, Steuern und Inflation noch Überschüsse abwerfen. Bei diesen Wünschen gilt weiter das alte Motto, dieses Mal aber in abgeänderter Form: Erst die Sparrate, dann die Sicherheit, dann der Zins, und das klappt bei einer Laufzeit von 25 bis 30 Jahren nur mit Hilfe von Aktien."

VIERTELJAHRESHEFTE ZUR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG-Thema: Unsere Alterssicherungspolitik. Private und betriebliche Altersvorsorge: Ist die Rentenlücke ohne grundlegende Reformen zu schließen?

BLANK, Florian (2014): Die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung – Regulierung, Verbreitung und verteilungspolitische Aspekte,
In: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 3, S. 129-142

Anlässlich von regierungsamtlichen Bestrebungen zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) bemängelt Florian BLANK die Folgen des Status Quo in der bAV und leitet daraus folgende Forderungen für eine Weiterentwicklung ab:

"Die Große Koalition strebt ausweislich ihres Koalitionsvertrags an, die betriebliche Altersversorgung zu stärken. Sie müsse auch für Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben selbstverständlich werden (CDU et al. 2013: 72). Soll der eingeschlagene rentenpolitische Pfad – die Alterssicherung im Mehr-Säulen-Modell bei Absenkung des Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung – fortgeführt werden und wird darum auch eine weitere Verbreitung und Weiterentwicklung der Entgeltumwandlung angestrebt, muss meines Erachtens geprüft werden, wie eine sinnvolle sozialpolitische Regulierung aussehen soll, die auch die beschriebenen verteilungspolitischen Wirkungen berücksichtigt. Das bedeutet einerseits eine Unterstützung der Bemühungen der Sozialpartnerinnen/-partner etwa durch Allgemeinverbindlicherklärungen und das Dringen auf flächendeckende Arbeitgeberzuschüsse mindestens in Höhe der eingesparten Sozialversicherungsbeiträge oder – so rechtlich möglich – sogar die Verpflichtung zu solch einem Zuschuss. Durch die Weitergabe der Sozialversicherungsbeiträge ist die paritätische Finanzierung der Absicherung der Beschäftigten im Übrigen noch nicht wiederhergestellt. Das bedeutet andererseits aber auch die Korrektur der Sozialabgabenfreiheit des umgewandelten Entgelts, also zumindest die Verbeitragung des Entgelts in der Rentenversicherung. Zu diskutieren wäre des Weiteren eine Aufteilung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf die Phase vor und nach der Verrentung, das heißt die Abkehr von der vollen Verbeitragung der bAV-Leistungen und der vollen Beitragsfreiheit des umgewandelten Entgelts."

2015

HANDELSBLATT-Titelgeschichte: Der falsche Prophet.
Die fünf Irrtümer des Ökonomen Hans-Werner Sinn

RÜRUP, Bert (2015): 4. Kinderrente.
Würde Hans-Werner Sinns Forderung nach weniger staatlicher Rente für Kinderlose durchgesetzt, wäre dies fatal für die ganze Gesellschaft,
in: Handelsblatt v. 16.01.

"Mit Ausnahme des archaischen bäuerlichen Familienverbandes ist (...) jedes Alterssicherungssystem eine Versicherung gegen die wirtschaftliche Abhängigkeit von den eigenen Kindern im Alter. Dies stellt eine sozialstaatliche Errungenschaft dar und keinen Defekt unserer 125 Jahre alten Rentenversicherung.
Die von Sinn vorgeschlagene Eliminierung der Versicherung gegen Kinderlosigkeit unter Beibehaltung der Absicherung gegen eine Undankbarkeit oder unzureichende ökonomische Möglichkeiten der Kinder ist daher nicht konsequent. Zu Ende gedacht, müssten die Eltern auf ihre eigenen Kinder verwiesen werden, wenn sie ein Alterseinkommen oberhalb einer kollektiven Basisabsicherung erhalten wollen. Und anders, als Sinn vermutet, gibt es bislang weder eine wirklich belastbare Theorie des generativen Verhaltens noch einen Beleg dafür, dass unsere gesetzliche Rentenversicherung der Grund für die seit 1970 so geringen Geburtenraten ist. Die Elternrente wäre daher definitiv kein Garant für mehr Geburten. Darauf wurde des Öfteren von Forschern des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock hingewiesen,"

kritisiert Bert RÜRUP die von Hans-Werner SINN verfochtene Rente nach Kinderzahl. Eine "bevölkerungsorientierte Familienpolitik", neudeutsch für Bevölkerungspolitik, ist für RÜRUP eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuern zu finanzieren ist und nicht wie z.B. die Mütterrente, die nur den Beitragszahlern des Rentensystems aufgebürdet wird.

HANDELSBLATT-Titelgeschichte: Der Rentenschock

THELEN, Peter (2015): Der Rentenschock.
Trotz gegenteiliger Versprechen der Politik: Die Rentenkasse wird in Zukunft rote Zahlen schreiben. Nun schlägt der Präsident der Rentenversicherung Alarm. Er fordert die Anhebung des Beitragssatzes bereits Anfang 2018,
in:
Handelsblatt v. 02.03.

Das Titelbild zeigt eine dramatisch fallende Kurve, aber nicht etwa der Rentenkasse, sondern des Rentenniveaus! Herbert RISCHE beschreibt das Problem folgendermaßen:

"Nach der Senkung des Rentenbeitrags auf 18.7 Prozent im Januar und wegen der Kosten des Rentenpakets, aber auch wegen der demografischen Entwicklung greifen wir zur Finanzierung unserer laufenden Ausgaben auf unsere Rücklagen zurück. Nach unseren Schätzungen werden die Reserven 2019 die gesetzliche Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben unterschreiten, so dass der Beitragssatz erhöht werden muss".

Das Rentenpaket 2014 gilt (nicht nur) Neoliberalen als Fehler. Vor allem die Finanzierung der Mütterrente aus Beiträgen, statt aus Steuermitteln kommt einem gezielten Angriff auf die gesetzliche Rente gleich, während die Rente ab 63 dagegen lediglich Kosmetik darstellt, die dagegen nur wenigen Rentnern zugute kommt.

Nur eines ist falsch: Die demografische Entwicklung wird die Finanzlasten nicht in die Höhe treiben, sondern im Gegenteil mildern. Dafür erfinden dann Neoliberale den irreführenden Begriff eines "demografischen Zwischenhochs". Noch dämlicher ist lediglich der Begriff der "demografischen Pause" (RÜRUP). Der demografische Wandel ist eine Rahmenbedingung jeder Gesellschaft, denn die demografischen Parameter ändern sich ständig. Vor allem existieren Wechselwirkungen mit allen gesellschaftlichen Entwicklungen - auch dann, wenn die Ökonomen dem keine Bedeutung beimessen. 

KLEMM, Thomas (2015): Rentner sorgen für Rendite.
Die Menschheit wird älter. Demographie-Fonds machen sich das zunutze,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 16.08.

Thomas KLEMM beschreibt, wie Finanzdienstleister mit Demographie-Fonds ihre Produktpalette erweitern. Marketingexperten umschreiben mit Etiketten wie "Silver Ager" oder "Silver-Age-Economy" die kaufkräftigen,  fitten Alten, aber auch die Betagten sollen der Medizinbranche Auftrieb geben:

"Die Weltbevölkerung wird immer größer und älter. Zudem wird die Mittelschicht immer breiter, vor allem, weil sie in den Schwellenländern wächst."

Ob Demographie-Fonds aber rentabler sind als andere Fonds, muss sich erst erweisen.

BUNDESREGIERUNG (2015): Beitrag bleibt, Rente steigt.
Rentenversicherungsbericht 2015: Die Rentenbeiträge für 2016 bleiben voraussichtlich bei 18,7 Prozent. Die Rente könnte nach Berechnungen des Rentenversicherungsberichts zum 1. Juli 2016 um 4,4 Prozent in den alten und um 5 Prozent in den neuen Bundesländern steigen. Den Bericht hat das Bundeskabinett beschlossen,
in:
bundesregierung.de v. 18.11.

2016

SCHERFF, Dyrk (2016): Die demographische Falle.
Früher war es so, dass die Alten die Jungen finanzieren. Jetzt dreht sich das. Was kann man da machen?
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 14.02.

"Schon in wenigen Jahren wird die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter merklich schrumpfen - und mit ihr die Zahl der Neugeborenen,

wiederholt Dyrk SCHERFF das Mantra des Statistischen Bundesamtes angesichts der steigenden Geburtenrate in Deutschland. Optimismus ist nämlich schlecht für die Wirtschaft, so scheint man in Deutschland zu glauben. Die Aussage ist jedoch in dieser Form falsch, denn sie basiert auf einer Vorausberechnung, die nicht auf einer steigenden Geburtenrate, sondern auf einer gleich bleibenden Geburtenrate bis 2060 basiert.

Einzig die Rente ab 63 (fälschlicherweise als Rente mit 63 bezeichnet), die jedoch nur für Wenige gilt, und die Mütterrente, die durch die Beitragsfinanzierung nur falsch finanziert ist, da es sich um eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe handelt, werden von SCHERFF kritisiert.

Angeblich finanzieren nun die Jungen die Alten, während es früher umgekehrt war. Dazu wird eine im Text nicht näher bezeichnete und zudem umstrittene Studie zitiert. Die Grafik des Artikels verweist als Quelle auf Roland statt auf Ronald LEE und Andrew MASON, von denen das Buch Population Aging and the Generational Economy (2011) erschienen ist. Für Deutschland wird das renommierte Max-Planck-Institut für demographische Forschung in Rostock als teilnehmendes Institut genannt. Zum Thema gibt es u.a. das Arbeitspapier Transfers, Consumption and Income over the Lifecycle in Germany von Fanny Annemarie KLUGE. In Kapitel 3 wird das Konzept und die Datengrundlage für Deutschland erläutert. Grundlage für Deutschland ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), bei der die gut verdienenden Haushalte in Deutschland gar nicht enthalten sind. Hier wird also auf eine fragwürdige Datengrundlage zurückgegriffen, die große Teile privater Transfers gar nicht erfasst.

In Deutschland finanzieren nicht die Alten die Jungen, sondern die Erwerbstätigen finanzieren Alte und Junge. Grundlage der Berechnungen sind angeblich private und staatliche Transfers. Bei den privaten Transfers sollen z.B. Erbschaften oder sonstige Zuwendungen und Sachleistungen der Großeltern und Eltern betrachtet werden. Da der EVS eine Haushaltsstichprobe ist, werden Großeltern nur erfasst, wenn sie im Haushalt mit den Eltern zusammen leben, was jedoch nur selten der Fall ist. Die Forscher sehen gemäß SCHERFF keine Veränderungen, was jedoch nur stimmen würde, wenn die Altersarmut in Zukunft nicht zunehmen würde. Zu den privaten Transfers müssten jedoch auch die Zuwendungen von Onkeln und Tanten zählen, die in Zukunft sogar wichtiger werden. Dies ist ebenfalls nicht der Fall. Die Berechnungen sind also alles in allem sehr dürftig.

Typisch für alarmistische Artikel wie jener von SCHERFF ist die Beschwörung eines zukünftigen Generationenkonflikts. Dazu hat sich Bernd RAFFELHÜSCHEN bereit gefunden:

"One Gegenmaßnahmen wird ein Generationenkonflikt entstehen, nicht zwischen den heutigen Erwerbstätigen und heutigen Alten, sondern zwischen den Erwerbstätigen und ihren wenigen Kindern."

Auf die Frage, ob sich der bevorstehende Generationenkonflikt entschärfen lässt, spielt SCHERFF mögliche Lösungen durch:

1. Steigerung der Geburtenrate:

"mehr Geburten (wären) derzeit für Deutschland gar nicht optimal. Denn das würde die finanziellen Lasten durch Erziehung und Ausbildung genau dann steigen lassen, wenn auch das Renten- und Gesundheitssystem besonders belastet wird - weil die Babyboomer in Rente gehen."

2. Mehr Zuwanderung: Angesichts der Flüchtlingskrise sieht SCHERFF auch in mehr Zuwanderung keine Lösung.
3. Die Erhöhung der Lebenserwartung könnte mit geringeren Gesundheitskosten einhergehen als bislang befürchtet.

4. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, das Hauptanliegen von SCHERFF sieht er am Widerstand der Bevölkerung scheitern. Diese Sichtweise ist jedoch dem zweckpessimistischen Blick geschuldet, während in der Realität die Rente ab 63 keineswegs den Trend zur längeren Lebensarbeitszeit verhindert.

SCHERFF, Dyrk (2016): "Die Inflation kommt zurück".
Der Chefökonom der USB, Reinhard Cluse, sieht die Inflation bald bei 2 Prozent. Das ist gut so. Denn dann gibt's mehr Zinsen,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 10.04.

"Die Renditen amerikanischer Staatsanleihen werden zulegen, und davon kann sich Deutschland nicht abkoppeln. Zudem erwarten wir, dass – wie lange erhofft – die Inflation zurückkehrt. Am Jahresende könnte sie bei 0,9 Prozent liegen, Ende kommenden Jahres schon bei 1,7 Prozent und damit in der Nähe des Niveaus, das sich die Europäische Zentralbank (EZB) vorstellt",

erläutert uns Reinhard CLUSE. Dies wird mit der Entwicklung des Ölpreises, der Nahrungsmittelpreise und des Wirtschaftswachstums begründet.

KERSCHBAUMER, Judith (2016): Vorschläge zur Stärkung der bAV für Geringverdiener.
Reform der betrieblichen Altersversorgung aus der Sicht von ver.di,
in:
Soziale Sicherheit, Heft 6, S.225-230

Judith KERSCHBAUMER erklärt uns, dass es vor allem im Niedriglohnsektor keine "generöse arbeitgeberfinanzierte" betriebliche Altersversorgung (bAV) gibt. Daraus zieht sie folgende Forderungen:

"Die Stärkung der bAV darf deshalb weder als Kompensation einer dringend notwendigen Umsteuerung und Stärkung der ersten Säule - der GRV angesehen werden noch darf der Auf- und Ausbau der bAV zu einer weiteren Reduzierung der gesetzlichen Rentenanwartschaften führen."

KERSCHBAUMER bemängelt, dass trotz des seit 2002 bestehenden Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung die Verbreitung unzureichend sei. Außerdem beklagt sie, den Rückzug der Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung. Damit meint sie die zunehmende Verlagerung der Finanzierung der bAV auf die Arbeitnehmer und die zurückgenommene Ausfallhaftung. Sie fordert deshalb eine Umkehr dieses Trends.

KERSCHBAUMER geht es insbesondere um Verpflichtungen der Arbeitgeber. Hierzu erwähnt sie die gesetzliche Regelung in der Schweiz, die Arbeitgeber dazu verpflichtet, dass sie sich mindestens paritätisch an der Finanzierung der bAV beteiligen müssen.

KERSCHBAUMER weist insbesondere darauf hin, dass Frauen, die sowieso meist niedrigere gesetzlichen Renten beziehen, auch in der bAV benachteiligt sind, weil sie meist in kleineren Betrieben ohne bAV arbeiten. Sie fordert zudem die Anrechnung der bAV auf die Grundsicherung zu reduzieren.

Die Folgen der Entgeltumwandlung werden von KERSCHBAUMER nur einseitig aus Sicht des Betriebsrentenempfänger beschrieben, dessen gesetzliche Rente sich dadurch reduziert. Beispielhaft wird das sogar am Maximalbetrag einer solchen Entgeltumwandlung von 2.976 Euro unter aktuellen Bedingungen (Stand 1. Juli 2016) vorgerechnet:

"Würde ein Westdeutscher 20 Jahre in diesem Umfang Entgeltumwandlung betreiben, käme es (in heutigen Werten) zu einer monatlichen Rentenminderung von 50 Euro".

Dies ist jedoch eine Milchmädchenrechnung, weil die Entgeltumwandlung gleichzeitig aufgrund des Eingriffs in die Mechanismen der gesetzlichen Rente nicht nur Folgen für die Betriebsrentenempfänger haben, sondern für alle Empfänger einer gesetzlichen Rente.

Florian BLANK beschreibt in seinem Beitrag Die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung – Regulierung, Verbreitung und verteilungspolitische Aspekte in der im Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung 3 aus dem Jahr 2014 deshalb die Folgen der Entgeltumwandlung u. a. mit Hinweis auf Winfried SCHMÄHL und Angelika OELSCHLÄGER (2007) in drei Punkten folgendermaßen:

"Erstens reduziert sich durch die Verminderung des sozialversicherungspflichtigen Entgelts für die/den Einzelne/n der Anspruch auf Arbeitslosengeld und Rente aus der GRV. Ob sich die bAV durch Entgeltumwandlung für die/den Einzelne/n tatsächlich rechnet und sie/er die Versorgungslücke schließen kann, hängt von der Höhe und Entwicklung der bAV-Anwartschaft ab – also häufig auch von der Entwicklung der Kapitalmärkte –, vom künftigen Wert der Ansprüche im Vergleich zu Ansprüchen gegenüber der GRV (dieser Wert wird wiederum durch die Nutzung der Entgeltumwandlung beeinflusst, siehe im Folgenden), der Belastung durch Steuern und Sozialabgaben, aber auch von den abgesicherten Risiken und der Anpassung der Leistungen im Rentenbezug (...).

Zweitens werden durch die Sozialabgabenfreiheit die Einnahmen der Sozialversicherung reduziert. Bei gegebenem Ausgabenniveau – etwa in der Krankenversicherung – führt das zu steigenden Beitragssätzen (...).  Unter der Annahme, dass durch die bAV durch Entgeltumwandlung auch die sozialversicherungspflichtigen Alterseinkommen erhöht werden, bedeutet dass eine zeitliche Verschiebung in der Beitragsbasis in der Kranken- und Pflegeversicherung. Angesichts der in der Regel niedrigeren Alterseinkommen (im Vergleich zu den vorher erzielten Erwerbseinkommen) kann das jedoch mit einen Verlust für die Sozialversicherung einhergehen.
Zudem impliziert die Reduzierung der Einnahmen der Sozialversicherung eine Umverteilung zwischen Arbeitnehmerinnen/-nehmern, die eine Entgeltumwandlung in Anspruch nehmen und denen, die es nicht tun. Bezug nehmend auf die Arbeitskostenerhebung des Statistischen Bundesamtes argumentiert Kerschbaumer (2011: 46), dass bei einer Umwandlung von insgesamt sieben Milliarden Euro im Jahr 2008 der Sozialversicherung unter der Annahme, dass dieser Betrag sozialabgabenfrei umgewandelt wurde, knapp drei Milliarden Euro entgingen, der GRV 1,5 Milliarden Euro.
Drittens wirkt die Reduzierung des Bruttoarbeitsentgelts vermittelt über die Rentenformel auf die jährliche Rentenanpassung zurück und mindert die Anpassung des Rentenwertes. Die Entgeltumwandlung führt also dazu, dass die Rentenansprüche auch derjenigen reduziert werden, die eine Entgeltumwandlung nicht nutzen, einschließlich der aktuellen Rentnerinnen/Rentner (...).

Von den verteilungspolitischen Folgen sind nicht nur Beschäftigte betroffen, auch die Arbeitgeber der Beschäftigten, die die Entgeltumwandlung nicht nutzen, werden benachteiligt (...). Daten zur Nutzung der Entgeltumwandlung (...) legen nahe, dass die Subventionierung der Entgeltumwandlung eher gut verdienenden Beschäftigten zugute kommt
".
(2014, S.132f.)

Die Entgeltumwandlung hat also wesentlich weitreichendere Folgen, die von KERSCHBAUMER in ihrer Sicht auf die bAV nur unzureichend erörtert werden. Stattdessen argumentiert sie nur im Hinblick auf eine Stärkung der bAV und damit allein im Interesse der Betriebsrentenempfänger. Sie fordert deshalb eine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeber, die "ungerechtfertigte Sozialversicherungsersparnis" bei der Entgeltumwandlung an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Sie verweist darauf, dass dies auch im Gutachten für das Bundesfinanzministerium gefordert werde:

"In diesem Gutachten wird es für sachgerecht erachtet, den Pflichtzuschuss auf 18 % zu pauschalieren und auf solche Arbeitnehmer zu beschränken, deren Bruttogehalt vor der Entgeltumwandlung die BBG in der Krankenversicherung (derzeit: 50.850 Euro pro Jahr) nicht übersteigt."

Inwiefern dieser Vorschlag ausreichend wäre, die schädlichen Folgen für die gesetzliche Rente zu mindern oder gar zu vermeiden, wird von KERSCHBAUMER nicht erörtert. Stattdessen fordert sie die seit 2004 geltende

"volle und alleinige Tragung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch die Betriebsrentner"

wieder rückgängig zu machen. Eine Tabelle zeigt die Beitragszahlungen eines kinderlosen Arbeitnehmer in der Arbeits- und Rentenphase auf. Kinderlose müssen aufgrund eines BVG-Urteils höhere Beiträge zur Pflegeversicherung leisten als Arbeitnehmer mit Kindern. Die Vorschläge des Gutachtens im Auftrag des Bundesfinanzministeriums findet KERSCHBAUMER als ungenügend:

"Das BMF-Gutachten nimmt diese Problematik nur im Hinblick auf die betriebliche Riester-Rente in seiner Empfehlung 2 im Rahmen der staatlichen Arbeitnehmerförderung auf. (...).
Diese - als Alternative zu einem bAV-Förderbetrag vorgeschlagene staatliche Arbeitnehmerförderung - ist abzulehnen. Das Vertrauen in die Riester-Rente ist stark gesunken und so erscheint es unsinnig, weiteres Geld in ein im Auslaufen befindliches System zu pumpen."

KERSCHBAUMER wendet sich deshalb den Vorschlägen des Gutachtens zur bAV-Förderung zu. Mögliche Wirkungen einer solchen Förderung auf die Betriebliche Altersvorsorge werden an einer Beispielrechnung aufgezeigt. Die genaue Ausgestaltung der Förderung ist für sie offen:

"Ob nur Gering- oder auch Niedrigverdiener bzw. alle Beschäftigten in den Genuss kommen sollen, geht aus dem Vorschlag noch nicht hervor."

KERSCHBAUMER fordert eine gesetzliche Verpflichtung zur bAV-Förderung. Danach kommt sie noch einmal auf die Rückwirkungen der bAV auf die GRV zu sprechen:

"(J)egliche Form von Sozialversicherungsfreiheit (mindert) die gesetzlichen Rentenanwartschaften. Um Armut im Alter zu begegnen und von dem Grundsatz ausgehend, dass die GRV-Rente eine möglichst weitgehende Lebensstandardsicherung gewährleisten soll, ist deshalb die Sozialversicherungsfreiheit so weit wie möglich zu begrenzen."

Darüber hinaus will KERSCHBAUMER jedoch das "Sparen aus dem Netto" verhindern und deshalb die 4 %-Grenze der Entgeltumwandlung aushebeln. Sie begründet dies damit, dass dies für Besserverdienende schon heute möglich sei:

"Schon heute ist bei geschickter Kombination verschiedener Durchführungswege ein höherer Beitrag als 4 % der BBG steuer- und sozialversicherungsfrei (...). Wer die organisatorischen Möglichkeiten dadurch nutzen kann, indem der Arbeitgeber mehrere Durchführungswege zur Verfügung stellt und einen entsprechenden Spielraum zur Verfügung hat, kann einen höheren Betrag steuer- und beitragsrechtlich privilegiert für die bAV verwenden. Dies betrifft regelmäßig die Beschäftigten in oberen Einkommensbereichen, die von Altersarmut nicht bedroht sind und ohnehin eine gute Absicherung in der GRV besitzen."

In einer Übersicht werden die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in der bAV aufgezeigt. Dabei wird einerseits zwischen den Durchführungswegen (einerseits Direktversicherung/Pensionskasse und andererseits Direktzusage/Unterstützungskasse) und der Einzahlungs- bzw. Rentenphase unterschieden.

Fazit: KERSCHBAUMER geht es in erster Linie um die Interessen von Betriebsrentnern und zielt dabei auch auf die Abschaffung der Riester-Rente ab. Inwiefern eine Stärkung der bAV zu Lasten der GRV gehen wird und inwiefern KERSCHBAUMERs Vorschläge geeignet sind negative Rückwirkungen auf die GRV zu verhindern, ist eine Frage, die in dem Beitrag nicht aus sozial- und verteilungspolitischer Sicht erörtert wird. Die Folgen der Entgeltumwandlung, die Florian BLANK (2014) aufzeigt, verdeutlichen diese Problematik.

FELD, Lars/KOHLMEIER, Anabell/SCHMIDT, Christoph M. (2016): Altersarmut statt Altersvorsorge.
Was läuft falsch, und welche Reformen sind für ein zukunftsfähiges Rentensystem nötig?
in: ifo Schnelldienst, Nr.12 v. 23.06.

FELD/KOHLMEIER/SCHMIDT reduzieren die Rentendebatte auf die WDR-Berechnungen und folgende Maßnahmen, die sie als Popanz aufbauen:

"Einführung einer sogenannten solidarischen Lebensleistungsrente über die Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenversicherung bis hin zur Ausweitung des Versichertenkreises der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)" (2016, S.3)

Danach erklären uns die Autoren den Sinn der Agenda-Reformen unter SCHRÖDER. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge wird in dieser Sicht als "Entlastung der jüngeren Generationen in der GRV" gepriesen. Dabei sind derzeit die Lasten der privaten Altersvorsorge höher als diejenigen der GRV, was von den Autoren ausgeblendet wird.

Die Autoren zitieren fast ausschließlich sich selber, sowohl wenn sie auf das Schrifttum des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Jahre ab 2009 verweisen als auch auf namentlich gekennzeichnete Schriften. Die Ausführungen zu den Wunschvorstellungen der Ökonomen hinsichtlich der Reformziele sind in der laufenden Reformdebatte hinlänglich breit getreten worden und wurden von den Helfershelfer in den Wirtschaftsteilen der Mainstreammedien ausgiebig rauf und runter gebetet. Interessant ist dagegen höchstens zu wissen, wo die Zahl 5,4 % Arme im Jahr 2030 herkommt:

"Für ein pessimistisches Szenario ohne Verhaltensanpassung und bei schlechter Arbeitsmarktintegration hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2012) einen Anstieg der Altersarmutsquote auf 5,4 % im Jahr 2029 ermittelt."

In dem Gutachten mit dem Titel Altersarmut vom November 2012 befinden sich Beschäftigungsszenarien-Berechnungen nur für die 1965 - 1979 Geborenen. 2030 sind diese im Alter von 51 - 65 Jahren, haben also gar nicht die Regelaltersgrenze erreicht.

Die Zahl von 5,4 Prozent wird in dem ganzen Gutachten nirgends erwähnt. Stattdessen wird uns lediglich die folgende Tabelle präsentiert, aus der man sich seine Altersarmutsquote für das Jahr 2030 zusammenmixen kann:

Tabelle: Effekte der Reformmaßnahmen bzw. möglicher Verhaltensänderungen auf den Anteil der Grundsicherungsbezieher der 65-Jährigen und Älteren
Prozentpunkte Reformmaßnahmen bzw. Verhaltensänderungen
+ 0,5 % Rentendämpfende Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors
+ 0.2 % Vermehrte Abschläge bei der Rente mit 67 bei gleichbleibender Lebensarbeitszeit
+ 0,7 % Rentenreformpaket 2001 - 2007 ohne Verhaltensanpassung
- 0,3 % Späterer Renteneintritt durch Reaktion auf die mit der Reform 1992 eingeführten Abschläge
- 0,4 % Späterer Renteneintritt infolge der Rente mit 67
- 0,3 % Späterer Renteneintritt zur vollständigen Vermeidung von Abschlägen
- 1,0 % Mögliche Verhaltensanpassungen aufgrund der Reformen
+ 1,0 % 10 Jahre ALG-II-Bezug statt sozialversicherte Beschäftigung
+ 0,7 % Keine Änderung der Einkommenssituation der jetzt 30- bis 34-Jährigen in den neuen Bundesländern
Quelle: Wissenschaftlicher Beirat beim BMWI (2012): Altersarmut. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin, Tabelle 1, S.10

Zum Ausgangspunkt und den betrachteten Faktoren heißt es in dem Gutachten von 2012:

"Ausgehend von der derzeitigen Verteilung der Lebenseinkünfte zu Renteneintritt, der derzeitigen mittleren Länge der Lebensarbeitszeit von 40 Jahren und dem heutigen Rentenrecht ergibt sich der heutige Anteil von Grundsicherungsbeziehern im Alter von 65 Jahren und älter, nämlich 2,6 %. Im Folgenden wird die Abhängigkeit dieser Zahl von (...) drei (...) Entwicklungen (Einschnitte durch das Rentenrecht, Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse, Umkehrung der Alterseinkommensverhältnisse zwischen Ost und West) jeweils isoliert dargestellt. Die (...) Tabelle fasst die Ergebnisse in Prozentpunkten des zusätzlichen bzw. abnehmenden Anteils von Grundsicherungsbeziehern der 65-Jährigen und älteren Menschen zusammen". (2012, S.10)

Addiert man alle hier genannten Faktoren, dann kommt man auf höchstens 5 Prozent (2,6 % + 2,4 %), aber nicht auf 5,4 %. Auf diesen Wert kommt man nur, wenn man die von den Autoren genannten 3 % (Altersarmutsquote im Jahr 2014) statt der 2,4 % (Altersarmutsquote im Jahr 2011) nimmt. Anders formuliert: Der demografische Wandel ist in der Altersarmutsquote verborgen. Aber kann das sein? Und wie sähe die Situation im Jahr 2035 oder 2040 aus?

Die angegeben Prozentanteile sind keine unverrückbaren Tatsachen wie uns die Autoren weismachen wollen, sondern abhängig von der demografischen Entwicklung, also inwieweit der Nachhaltigkeitsfaktor tatsächlich in der vorgesehenen Form dämpfend wirkt. Die von  FELD/KOHLMEIER/SCHMIDT betonte schlechte Arbeitsmarktintegration wird vom Gutachten mit "10 Jahre ALG-II-Bezug statt sozialversicherter Beschäftigung" für die 1965 - 1979 Geborenen repräsentiert. Hier sind gerade einmal 15 Geburtsjahrgänge betrachtet. Was aber ist mit den 1980 und später Geborenen, die hier gar nicht betrachtet werden? Die Arbeitsmarktsituation in den neuen Ländern wird nur durch die Einkommenssituation der 30-34-Jährigen repräsentiert, was wohl mehr als fragwürdig ist. Der Arbeitsmarktsituation werden 1,7 Prozent Altersarmutsquote zugeschrieben, während den Rentenkürzungen 0,7 Prozent zugeschrieben wird. Durch Verhaltensänderungen könnten die Rentenkürzungen sogar überkompensiert werden - jedoch nicht eine schlechte Arbeitsmarktsituation. Anders ausgedrückt: Nicht der demografische Wandel ist das Hauptproblem, sondern die Arbeitsmarktentwicklung. Inwiefern diese Annahmen jedoch überhaupt realistisch sind, ist eine ganz andere Frage.

FELD/KOHLMEIER/SCHMIDT interpretieren dies so, dass "die mangelhafte Integration in den Arbeitsmarkt (...) das Altersarmutsrisiko treibt". Bildung wird deshalb als Präventivmaßnahme gegen die Altersarmut verordnet. Die Logik ist jedoch absurd, denn wenn das Stellenangebot nicht adäquat ist, dann ist mehr Bildung auch keine Lösung.

Desweiteren wollen die Autoren das Problem der Altersarmut durch die Reduzierung des Erwerbsminderungsrisiko vermindern:

"Dazu können ein Ausbau der betrieblichen Gesundheitspolitik sowie individuelle Präventionsanstrengungen beitragen."

Anders formuliert: Der Staat ist außen vor und die Bringschuld liegt bei Unternehmen und den Beschäftigten. Außerdem wird uns die Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung folgendermaßen schmackhaft gemacht:

"Es ist vorteilhaft, den weiteren Anstieg des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der (ferneren) Lebenserwartung zu koppeln. Damit wäre sichergestellt, dass die Anpassung des Renteneintrittsalters wirklich nur bei einem Anstieg der Lebenserwartung umgesetzt wird. Gleichzeitig würde auf diese Weise ein sich selbst stabilisierendes Rentensystem geschaffen." (2016, S.6)

Die tatsächliche Lebenserwartung eines Geburtsjahrgangs lässt sich erst dann richtig berechnen, wenn bereits alle Mitglieder tot sind, aber nicht im Alter von 65 Jahren. Durch unvorhergesehene Ereignisse wie Epidemien, Kriege, Naturereignissen usw. kann sich die tatsächliche Lebenserwartung drastisch ändern. Dies lässt sich in einer Rentenformel nicht berücksichtigen. Die Gewinner eines solchen Automatismus wären die besonders langlebigen Exemplare einer Kohorte, während die Frühverstorbenen die Verlierer einer solchen Lösung sind.

Da Änderungen der Lebenserwartung erst im Nachhinein erkennbar werden, wären mit einem Automatismus jene Jahrgänge benachteiligt, die von einem Wandel direkt betroffen sind. Über selbststabilisierende Rentensysteme nennt sich ein Diskussionsbeitrag von Axel BÖRSCH-SUPAN aus dem Jahr 2007.

Die Riester-Rente gescheitert? Die Autoren können dem nicht zustimmen, sondern mehr Transparenz soll helfen:

"Einen Beitrag dazu werden die ab dem 1. Januar 2017 von den Anbietern zertifizierter Altersvorsorgeprodukte vorzuhaltenden Produktinformationsblätter leisten."

Der Begriff "zertifiziert" hat längst keinen guten Ruf mehr, seit Zertifikate mit der Lehman-Pleite in Verbindung gebracht werden und moderne Angestellte so manchen Unsinn im Rahmen des so genannten Qualitätsmanagements mitgemacht haben. Nur noch völlig Unbedarfte werden deshalb mit diesem Begriff noch Hoffnungen auf Verbesserungen verbinden.

Ratlosigkeit drückt sich meistens dadurch auf, dass den Betroffenen Informationsdefizite unterstellt werden, weshalb mehr Information immer die erste Empfehlung in diesem Fall ist, so auch bei den Autoren, die "Niedrigeinkommensempfänger" mit noch mehr Informationen über die staatliche Förderung der Riester-Rente eindecken wollen.

In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) sehen die Autoren das Manko im Bereich der Beschäftigten in Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern. Die Lösung: "bessere staatliche Riester-Förderung in der bAV" Notfalls auch eine "Zuschusspflicht des Arbeitsgebers bei der Entgeltumwandlung, die in Verbindung mit einem bAV-Abzugsbeitrag für kleinere Unternehmen erträglich ausgestaltet werden könnte". Anders formuliert: Unternehmen sollen subventioniert werden, damit sie das tun, was eigentlich der Normalfall sein sollte. Wenig erstaunlich: Diese Idee stammt aus einem Gutachtem für das Finanzministerium. Das in den Mainstreamzeitungen bevorzugte opt-out-Modell eines sanften Zwanges findet sich dagegen nicht unter den Empfehlungen der Autoren.

Um Niedrigeinkommensempfänger zu ködern, will man Anrechungsmöglichkeiten beim Bezug der Grundsicherung im Alter schaffen. Bislang diente ja die staatliche Förderung der Geringverdiener hauptsächlich der Subventionierung der Finanzdienstleister. Inwiefern dies hilft, steht auf einem anderen Blatt.

Für Soloselbständige wollen die Autoren eine Altersvorsorgepflicht einführen.

BRANDSTETTER, Barbara (2016): Früher in den Ruhestand.
Die Vermögensfrage: Ohne große finanziellen Einbußen dem Arbeitsleben früher den Rücken kehren? Möglich ist das - sofern man das entsprechende Geld hat oder rechtzeitig plant. Besonders lukrativ könnten Ausgleichszahlungen für Ostdeutsche werden,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.08.

Barbara BRANDSTETTER erklärt uns die Konditionen unter denen wird vorzeitig in den Ruhestand gehen können.

"Fein heraus sind nur diejenigen, die 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Sie können mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen - sofern sie vor dem 1. Januar 1953 geboren sind. Das ist seit dem 1. Juli 2014 möglich und wird inzwischen rege genutzt. Bis Ende des Jahres 2015 haben gut 450.000 Arbeitnehmer einen entsprechenden Antrag gestellt. Alle anderen müssen rechnen",

berichtet uns BRANDSTETTER, die uns die Möglichkeit schmackhaft macht, die drohenden Abschläge mittels freiwilliger Ausgleichzahlungen zu kompensieren. Das können frühestens 55-Jährige Pflichtversicherte, soll aber mit dem Flexi-Renten-Gesetzentwurf bald auch ab 50 Jahren möglich sein, wenn das nicht der allerorten zu vernehmende Aufschrei gegen diese Neuregelung noch abwendet. Diese Möglichkeit wurde bis vor kurzem nicht propagiert, weshalb dies bislang nur wenige in Anspruch genommen haben:

"Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund haben diese Möglichkeit im Jahr 2014 lediglich 967 Arbeitnehmer genutzt. Im Jahr 2013 lag die Zahl mit 1271 zwar etwas höher. Doch gemessen an der Zahl derer, die diese Option nutzen könnten, ist dies eine verschwindend geringe Zahl."

Fehlende Information oder Geldmangel nennt BRANDSTETTER als Gründe, die darauf aufmerksam macht, dass z.B. auch der Arbeitgeber die Ausgleichszahlung vornehmen kann. Uns werden 3 verschiedene Beispielrechnungen aufgezeigt. Da Ausgleichzahlungen sowohl als monatliche als auch als Einmalzahlung möglich sind, ist bei ersteren zu beachten, dass sich die Berechnungsgrundlagen ändern können, z.B. bei steigenden Beitragssätzen.

Vorteile für Ostrentner (richtig müsste es eigentlich heißen: für jene, die im Osten gearbeitet haben, denn das können auch Westdeutsche sein) hätte die von Andrea NAHLES geplante Angleichung der Ostrenten, die ihre Rendite steigern würde. BRANDSTETTER verweist hier auf den Online-Beitrag Zahlung von Rentenbeiträgen nach § 187a SGB VI von Johannes STEFFEN.

Uns wird mit Verweis auf Berechnungen von Werner SIEPE die Lukrativität der freiwilligen Ausgleichszahlung dargestellt (vgl. auch SZ 28.07.; WamS 31.07.). Erst am Schluss kommt der Pferdefuß:

"Der Versicherte muss mindestens 83 Jahre alt werden, damit sich die Einzahlung lohnt",

zitiert BRANDSTETTER einen Fachanwalt für Sozialrecht. Dies lohnt sich also eher für Frauen und männliche Besserverdiener. Wer an den Einfluss der Gene glaubt, der beherzigt sicher den Ratschlag von BRANDSTETTER und betreibt Ahnenforschung und geht zum Arzt. Garantie gibt es trotzdem keine für das lange Leben. Es ist und bleibt eine Wette auf die eigene Zukunft.

WOLFF, Volker (2016): Umrechnen in der Altersvorsorge.
Die Vermögensfrage: Die mickrigen Zinsen ramponieren das Gefüge jeder Altersversorgung. Jung und Alt müssen ihre Pläne überdenken - mit unterschiedlichen Annahmen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.08.

Volker WOLFF zerlegt seine Zielgruppe kapitalgedeckte Altersvorsorge in zwei Typen: junge 35-jährige und ältere 55-jährige Anleger, um ihnen Tipps für die Berechnung ihrer Rentenlücke zu geben. Dazu baut er das Feindbild der Anbieter langfristiger Sparprodukte auf, die mit einem Versorgungsniveau von 100 Prozent und pessimistischen Szenarien zur Rentenlücke operieren würden. Vor diesem Hintergrund grenzt er sich von diesen Praktiken ab, um uns angeblich sinnvollere Berechnungsmethoden an die Hand zu geben.

Die Rentenlücke ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten, zu denen die Inflationsrate, das angestrebte Versorgungsniveau, die Entwicklung des Niveaus der gesetzlichen Rente mit ihren Anpassungen in Abhängigkeit von der Rentenformel und die weiteren alternativen Vorsorgeformen gehören. Entsprechend ist die Unsicherheit für 35-jährige Anleger wesentlich großer als für 55-jährige Anleger.

Als die private Altersvorsorge noch unbekannt war, wurden wir von den Mainstreamzeitungen mit primitiven Faustformeln versorgt, was man z.B. bei Dyrk SCHERFF in der FAS nachlesen kann. Mit den diversen Kapitalmarktkrisen seit Anfang des Jahrtausends ist auch die Zuversicht, mit der diese angeblichen Gewissheiten unters Volk gestreut wurden, einer gewissen Vorsicht gewichen. Der Glaubwürdigkeit willen, haben nun die Verfechter der kapitalgedeckten Altersvorsorge ihre Vorgehensweise entsprechend angepasst. Neben dem Feindbild der Anbieter, von deren Profitinteressen sich WOLFF distanziert, werden uns nur die Stiftung Warentest mit ihrem Ratgeber zur privaten Altersvorsorge und das DIA als Anhaltspunkte geliefert:

"Die Rentenlücke-App des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA), eines Ablegers der Deutschen Bank zur Förderung der privaten Altersvorsorge, (...) ist (...) nicht auf einen Anbieter ausgereichtet und sachlich recht fundiert",

erklärt uns WOLFF die Selbstdarstellung des neoliberalen Instituts. WOLFF zeigt uns die Funktionsweise der App anhand der beiden Beispieltypen eines älteren und eines jungen Anlegers. Bereits die Tatsache, dass der junge Anleger einen Nettoverdienst von 3.200 Euro hat, zeigt, dass wir es hier mit einer Zeitung für Besserverdienende zu tun haben, während sich Normalos erst gar keine Gedanken darüber machen können, ob sie nun 820 Euro oder nur 540 Euro pro Monat für die Altersvorsorge entbehren können. Es wird einem jedoch schnell klar, dass die Finanzdienstleister in erster Linie solche Besserverdienende im Visier haben, während sie Geringverdiener nur aufgrund der staatlichen Subventionen (unverfänglicher als staatliche Förderung ausgewiesen) notgedrungen mitnehmen.

SCHERFF, Dyrk (2016): Altersvorsorge in Gefahr.
Die niedrigen Zinsen machen alle Pläne für den Ruhestand hinfällig. Wir müssen neu rechnen. Das Ergebnis: Wer mehr spart und höhere Risiken eingeht, kommt gut über die Runden,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 28.08.

Dyrk SCHERFF preist uns die Interessen der Finanzdienstleistungsbranche an, als ob es unsere wären. Das ist die Sicht der Befürworter einer Kapitaldeckung, die die Risiken der Altersvorsorge von der Gesellschaft auf den Einzelnen verlagern wollen. Selbst schuld, wer da mitspielt und verliert. Gewinn macht auf alle Fälle die Finanzdienstleistungsbranche ("Gewinne werden privatisiert"), die Verluste dagegen werden sozialisiert: d.h. jedem Einzelnen zugeschrieben, der unter die Räder des Kapitalmarkts gekommen ist.

Die Niedrigzinsen bescheren uns nun zur Rentenlücke auch noch die Zinslücke, d.h. den Unterschied zwischen den vollmundigen Renditeversprechungen der Vergangenheit zur Realität der Gegenwart.

Die ganze Wahrheit will uns die FAS gar nicht erst zumuten, denn sie vergleicht nur den Istzustand mit dem Jahr 2006, also einem Jahr, in dem die vollmundigen Versprechungen bereits der ersten Kapitalmarktkrise zum Opfer gefallen waren. Der Istzustand wird dann noch 30 Jahre in die Zukunft fortgeschrieben. Ein pessimistischeres Szenario will man uns auch nicht zumuten.

Mit sagenhaften Renditen will uns SCHERFF nun von der Lebensversicherung (1,25 %, obwohl dieser 2017 auf 0,9 Prozent sinken soll!) abwerben und auf den Aktienmarkt locken (7 %). Während die 1,25 % garantiert sind, können auf dem Aktienmarkt jedoch 0 % winken, wenn man auf eine Firma gesetzt hat, die pleite geht. Wer so dumm ist, der ist eben nur selber schuld! Aber wer will schon 1.020 Euro im Jahr mehr sparen, wenn einem der Aktienmarkt mit nur 370 Euro Sparrate angepriesen wird? SCHERFF ist auch nicht so dumm, uns jene Aktie zu verraten, die uns die versprochenen 7 % Rendite bringen wird. Die FAS ist fein raus und bei den Finanzdienstleistern klingeln die Kassen. Uns dagegen bleibt nur das Prinzip Hoffnung, die stirbt bekanntlich zuletzt.

"Sieben Prozent im Jahr sind es im Schnitt der vergangenen Jahrzehnte",

zitiert SCHERFF seinen Experten vom VZ Vermögenszentrum. Und wir wissen nun auch, was es mit diesen 7 % wirklich auf sich hat. Warum sollte sich der Aktienmarkt der Zukunft aber genauso weiterentwickeln wie in der Vergangenheit? Dieses Geheimnis verrät uns SCHERFF nicht, denn wir haben es mit einer ganz banalen Wette auf die Zukunft zu tun. Aber auch die jetzigen Niedrigzinsen hatte keiner eingeplant. Die Zukunft ist offen - weswegen Trends der Vergangenheit keine Garantie sind. Nichtsdestotrotz wird uns die Vergangenheit von SCHERFF als eine solche Scheingarantie verkauft:

"Auf Sicht von 20 oder 30 Jahren hat der Dax als Ganzes in den vergangenen Jahren zu keiner Phase Verlust gemacht, trotz aller zwischenzeitlichen Kursstürzen. Im ungünstigsten Zeitraum haben die Anleger »nur« fünf Prozent im Jahr verdient, im besten 15 Prozent, hat das VZ Vermögenszentrum ausgerechnet. Da kann keine Zinsanlage mithalten."

Nur der Dax ist keine Aktie, weshalb wir es hier mit einer Milchmädchenrechnung zu tun haben, die uns die Risiken von Aktien verschleiern soll.

Hat uns gestern Volker WOLFF in der FAZ mühsam den Unsinn von Faustformeln erläutert, wischt SCHERFF heute alle Bedenken wieder weg:

"Experten (...) raten, 70 bis 80 Prozent des letzten Nettogehalts als Bedarf anzustreben. Allerdings kennt niemand sein Einkommen am Ende der Berufszeit. Schließlich weiß niemand genau, welchen Verlauf die Karriere nimmt.
Vermögensverwalter wie Tom Friess machen es daher einfacher.
»Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte habnen gezeigt, dass man gut im Alter zurecht kommt, wenn man zehn Prozent seines Nettogehalts und die Hälfte von Sonderzahlungen wie Weichnachtsgeld oder Boni spart.« Bleibt dann noch etwas übrig, ist es auch nicht schädlich, mehr zu sparen".

Die Finanzdienstleistungsbranche bedankt sich herzlich über solche Ratschläge!

KÖHLER, Peter (2016): Niedrigzins trifft Pensionskassen.
Die globalen Top-Adressen für die Altersvorsorge haben erstmals seit der Finanzkrise wieder Wertverluste ihrer Vermögen hinnehmen müssen,
in:
Handelsblatt v. 06.09.

"Die untersuchten 300 Einrichtungen wie etwa Versorgungswerke, Pensionsfonds oder Unterstützungskassen repräsentieren 42 Prozent aller Vermögen für die Altersversorgung",

erklärt uns Peter KÖHLER das Spektrum der untersuchten Altersvorsorgeeinrichtungen. Weder die FAZ noch das Handelsblatt listen die deutschen Pensionseinrichtungen unter den Top 300 auf, sondern greifen sich nur die größte Einrichtung (Bayerische Versorgungskammer) heraus. Folgende deutsche Einrichtungen listet dagegen das Ranking auf:

Tabelle: Die 9 größten deutschen Altersvorsorgeeinrichtungen unter
den weltweit Top 300 Einrichtungen Ende 2015
Nr. Rang Altersvorsorgeeinrichtung Vermögen
(in Millionen US-Dollar)
1 37 Bayerische Versorgungskammer

71.281

2 138 BVV

28.063

3 170 VBL

23.185 (2)

4 194 BASF

20.299 (6)

5 210 Daimler

18.805

6 248 Siemens

15.798 (8)

7 270 Allianz

14.488 (6)

8 280 Baden-Württembergische

13.788

9 284 RWE

13.542

Quelle: Pensions & Investments/Willis Towers Watson 300 analysis 2016, S.39ff.
Anmerkungen: (2) = geschätzter Wert; (6) = weltweiter Wert; (8) = Vermögen
am 30. September 2015

OBERHUBER, Nadine (2016): Der Trick mit der Flexi-Rente.
Wer ab 50 freiwillig einen großen Batzen Geld in die Rentenkasse zahlt, macht ein gutes Geschäft: Am Ende bringt das mehr Zinsen als die private Vorsorge,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 18.09.

Nadine OBERHUBER klärt über die Neuregelungen auf, die mit der Flexi-Rente einhergehen. Angeblich können nur bereits 50-Jährige freiwillig einzahlen. Das stimmt so jedoch nicht. Geändert hat sich lediglich, dass dies nun explizit gesetzlich geregelt ist und diese Möglichkeit nun auch offensiv in den Medien beworben wird, weil die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung höher ist als jene der privaten Altersvorsorge.

Die Lobbyisten der Versicherer sind darüber verärgert und kommen mit ihrem Totschlagargument von der Generationengerechtigkeit:

"Die heute 30- oder 40-Jährigen würden die Zeche zahlen. In Wirklichkeit fürchten die Versicherer wohl eher um den Verkauf ihrer eigenen Produkte, wenn künftig mehr Geld in die gesetzliche Kasse fließt."

Erstaunt jedenfalls, dass die FAZ in diesem Falle das Generationenargument nicht gelten lässt, das sie ansonsten bei jeder anderen Gelegenheit ins Felde führt, um Interessen der Rentner zu diffamieren. Dies mag daran liegen, weil OBERHUBER auf die Geldgier der FAZ-Leser setzt, denn nicht der Ausgleich von Abschlägen bei vorzeitigem Renteneintritt, sondern die Erhöhung der Rente durch Weiterarbeiten über das Rentenalter hinaus, wird von OBERHUBER in den Mittelpunkt ihres Artikels gestellt.

PENNEKAMP, Johannes (2016): Der Brief, der nervös macht.
Der jährliche Brief der Rentekasse hat auch ein Gutes: Er motiviert die Menschen zur privaten Altersvorsorge,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 18.09.

Johannes PENNEKAMP referiert das ZEW-Diskussionspapier Do Savings Increase in Response to Salient Information About Retirement and Expected Pensions? von Andreas PEICHL u.a. das sehr gewagte Schlüsse aus der Korrelation von Renteninformation und Veränderungen der Sparrate zieht. Der größte Effekt auf die Sparrate ist nicht auf die Renteninformation zurückzuführen, sondern wurde durch Änderungen bei der Förderung im Bereich der privaten Altersvorsorge und die Finanzkrise hervorgerufen. Bei PENNEKAMP vermisst man einen Hinweis auf solche Einflüsse, denn keineswegs ist die Sparrate kontinuierlich gestiegen, sondern unterliegt extremen Schwankungen (vgl. Schaubild S.27). Korrelationsstudien wie jene von PEICHL u.a. können keine Aussage über die Sparmotivation und deren Ursachen machen, sondern sind mehr oder weniger Spekulation. Die Ergebnisse passen jedoch ideal in die gegenwärtige Debatte um das Nudging, d.h. sanfter Zwang.

WOLFF, Volker (2016): Investmentsfonds sind die bessere Lebensversicherung.
Die Vermögensfrage: Fondsgebundene Lebensversicherungen verlieren jeden Vergleich mit ETF-Sparplänen. Ihr Kosten sind viel zu hoch. Außer in einem speziellen Fall,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.09.

Volker WOLFF rechnet uns vor, dass bei fondsgebundenen Lebens- oder Rentenversicherungen die Kosten und die großzügig kalkulierten Sterbetafeln die Steuervorteile auffressen. ETF-Sparpläne seien demgegenüber günstiger, jedoch gilt:

"Nur in einem sind Fondspolicen und ETF-Sparpläne gleichwertig: Der Anleger trägt das gesamte Risiko."

Als Ausnahme von der Regel beschreibt uns WOLFF Nettopolicen, die jedoch von Versicherern nicht vertrieben werden:

"Keiner der rund 230.000 Versicherungsvertreter und -makler wird sie auf den Tisch legen. Nur Versicherungsberater und Honorarberater bieten diese provisionsfreien Versicherungsverträge an. (...). Das Angebot ist begrenzt. »Finanztest« zählte 2013 elf Lebensversicherer mit Nettotarifen. Elf von über 70."

Fazit: Letztendlich trägt der Versicherte bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge alleine das gesamte Risiko. Dagegen sind die Erträge der gesetzlichen Rentenversicherung sicher und entgegen der Propaganda vor der Teilprivatisierung sogar lukrativer, weswegen inzwischen selbst die FAZ freiwillige Einzahlungen in die Rentenkasse propagiert. Unschlagbar ist alleine die gesetzliche Rentenversicherung! Daran wird auch die demografische Entwicklung nichts ändern, denn auch die Kapitalmärkte sind davon betroffen. Dort wo die Demografie angeblich günstiger ist, ist die Unsicherheit größer. Die Finanzdienstleistungsbranche gewinnt dabei jedoch immer - nur die Versicherten tragen das Risiko der Fehlspekulation!

BINNER, Miriam (2016): Teurer Übermut.
Tausende Unternehmen haben ihren Mitarbeitern Betriebsrenten versprochen - und dafür kaum vorgesorgt. So wie der Modellbauer Fleischmann. Die Lücke wird nun zur existenziellen Gefahr,
in: Capital Nr.10,
Oktober

"Wer mindestens fünf Jahre für ihn arbeitet, sollte eine Betriebsrente erhalten.
Heute - 41 Jahre später - ist die Traditionsfirma Fleischmann pleite",

berichtet Miriam BINNER über die Einführung der Betriebsrente im Jahr 1974 bei Fleischmann. Das Betriebsrentenprogramm wurde bereits 1999 beendet. Von den 600 ehemaligen Mitarbeitern sind heutzutage nur noch 33 Mitarbeiter übrig. Ursache der Insolvenz sind jedoch nicht die Pensionsrückstellungen, sondern die Tatsache, dass der gegenwärtige Inhaber durch eine Insolvenz die besten Chancen sieht diese Altlasten relativ unproblematisch loszuwerden, was jedoch bei BINNER nur zwischen den Zeilen steht.

"Etwa 20 Millionen Arbeitnehmer sparen aktuell mit Unterstützung ihres Arbeitgebers fürs Alter, schätzt die Bundesregierung. Genau Zahlen gibt es nicht. Sozialministerin Andrea Nahles hat den Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge zu einem wichtigen Ziel erklärt. Doch Fälle wie Fleischmann zeigen die Schwachstellen des Systems",

meint BINNER. Die Direktzusage soll die am weitesten verbreitete Form der Betriebsrente sein und rund 8 Millionen Arbeitnehmer betreffen (S.36), was im Widerspruch zu einer Grafik steht (S.88). Demnach erhielten 2001 lediglich 3,86 Millionen Betriebsrentner und 2013 rund 4,6 Millionen Betriebsrentner eine Direktzusage. Aus Steuerspargründen wählten Unternehmer diese Form.

"Statt eine Versicherung für die Betriebsrenten abzuschließen, entschieden sich viele Unternehmer dafür, das Geld in der eigenen Firma anzulegen, in neuen Gebäuden, Fabriken und Maschinen",

erklärt uns BINNER, denn wie Pensionsrückstellungen gehandhabt werden, darüber gibt es für vor 1987 gemachte Direktzusagen, keine Vorgaben:

"Bis heute habe nur ein Drittel aller Mittelständler in Deutschland ihre Pensionszusagen durch liquide Rücklagen geschützt, ergab vor fünf Jahren eine Studie von Allianz Global Investors. Aktuellere Daten gibt es nicht. Bei den restlichen zwei Dritteln haftet das Unternehmen im Zweifelsfall mit dem gesamten Vermögen. Für Zusagen vor 1987 müssen Unternehmen bis heute keine Rückstellungen für ihre Pensionsverpflichtungen ausweisen. Seither ist das zwar Pflicht, was sich hinter den Rückstellungen verbirgt, ist aber nach wie vor ihre Sache".

Heiko GRADEHANDT von der Unternehmensberatung Towers Watson sieht Probleme vor allem im Bereich von kleinen und mittleren Unternehmen, weil Dax-Unternehmen mehr Rücklagen bilden. Das Beispiel Fleischmann zeigt, wie neue Eigner ihre Pensionslasten entsorgen:

"die Werke in Franken wurden geschlossen, 350 Leute mussten gehen, die Produktion zog nach Rumänien. Über eine Holding wurde dafür eine neue Tochtergesellschaft gegründet. Zurück blieben 33 Mitarbeiter im Stammwerk Heilbronn. (...). Die Einnahmen fließen in die Holding.
Die Pensionsansprüche dagegen blieben beim alten Betrieb (...): Rund 360 Rentner erhielten im Schnitt rund 150 Euro im Monat, schätzt ein ehemaliger Betriebsrat. Weitere 250 Ex-Mitarbeiter sind noch nicht im Ruhestand, haben aber Ansprüche. Das macht 600 Männer und Frauen, die ihr Geld sehen wollen. Sie alle hängen nun mit in der Insolvenz."

Als weiteres Insolvenzbeispiel wird uns die Firma Kunert präsentiert, von der rund 6.000 Mitarbeiter betroffen wahren. Der Kölner Pensionssicherungsvereins (PSV) wird uns als Sicherungsnetz für solche Fälle präsentiert:

"Geht ein Unternehmen pleite, übernimmt der PSV die Auszahlung der Betriebsrenten. Finanziert wird er durch die Beiträge der gut 90.000 Unternehmen, die ein Rentenprogramm ohne speziellen Insolvenzschutz eingereichtet haben."

Das Niedrigzinsniveau wird als "Zins-Bombe" dramatisiert, weil es die Rückstellungen in den Firmenbilanzen erhöht:

"Sollte das Zinsniveau über die kommenden sieben Jahre konstant bleiben, könnte der einschlägige Rechnungszins für den Mittelstand nach Einschätzung der Bundesregierung bis 2021 auf 2,4 Prozent sinken. Momentan liegt er noch bei 4,5 Prozent. Unter diesen Bedingungen müssten kleine und mittlere Unternehmen die Rückstellungen in ihren Bilanzen um rund 26 Prozent erhöhen, prognostizierte die Regierung im Juli in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Finanzpolitikers Gerhard Schick."

Die Dax-Unternehmen seien aber wesentlich schneller von steigenden Pensionsrückstellungen betroffen:

"Weil Dax-Konzerne mit Marktzinsen rechnen müssen, sind die Folgen hier schon zu sehen: Nach einer Analyse von Towers Watson stiegen ihre Pensionsverpflichtungen 2014 um 25 Prozent auf 372 Mrd. Euro. Das hierfür reservierte Vermögen betrug 228 Mrd. Euro. Binnen zwölf Monaten sank die Quote für die Kapitaldeckung von 65 auf 61 Prozent. Die neuen Lücken müssen die Unternehmen aus ihrem Cashflow begleichen."

Den Mittelstand würde es zwar langsamer, aber nicht weniger hart treffen:

"Das Institut der Wirtschaftsprüfer hat die Bilanzkennzahlen von mehr als 70.000 Unternehmen untersucht (...). Demnach dürften die Jahrsüberschüsse von Unternehmen mit mehr als 50 Mio. Euro Umsatz allein wegen der niedrigen Zinsen und höheren Rückstellungen 2016 um die Hälfte geringer ausfallen als 2012 - unter sonst gleichen Bedingungen."

Zuerst würde dies gemäß BINNER zu Investitionskürzungen und dann zum Nachschießen der Eigner oder der Insolvenz führen:

"Etwa zehn bis 15 Prozent aller Mittelständler könnten »große Probleme« bekommen, sagt Berater Gradehandt von Towers Watson. Wenn er recht behält, wären das mehr als 300.000 Unternehmen."

Um diesem Szenario Nachdruck zu verleihen, kommt BINNER in diesem Zusammenhang auf die Firma Fleischmann zurück:

"Bei Fleischmann stiegen die Pensionsverpflichtungen von 2014 auf 2015 um eine halbe Million Euro - obwohl das Programm seit 16 Jahren geschlossen ist. Und das bei einem Jahresumsatz von 15 Mio. Euro."

Durch das neue Insolvenzrecht von 2011 können solche Pensionsverpflichtungen durch einen Verzicht der Gläubiger, d.h. der Betriebsrentner auf den Pensionssicherungsverein abgewälzt werden:

"So funktionierte auch die Insolvenz von Kunert. Und die Pleite der Deutschen Linoleum-Werke 2014."

Zunehmende Abwälzungsversuche könnten dieses System jedoch ruinieren:

"Schon 2009 stand das System auf der Kippe. Damals schlitterte der Handelskonzern Arcandor in die Pleite. Der Beitrag verachtfachte sich, der PSV musste 4 Mrd. Euro stemmen."

Während die Regierung Optimismus verbreitet, sieht der Grünenpolitiker SCHICK hier Gefahren. Am Ende könnten die Betriebsrentner also die Leidtragenden dieser Risikoabwälzung sein.

KROHN, Philipp (2016): Einfach war früher.
Die betriebliche und private Vorsorge sollten die Kürzung der gesetzlichen Rente auffangen. Dann kamen Krise und Niedrigzins. Hat das alles zunichtegemacht? Und gibt es Alternativen?
in:
Frankfurter Allgemeine Woche, Nr.41 v. 07.10.

Philipp KROHN stellt seinem Artikel ein 15 Jahre altes Streitgespräch zweier Volkswirtschaftsstudenten über die richtige Altersvorsorgestrategie voran. Damals lagen beide falsch. Warten wir also lieber 15 Jahre, um zu sehen was aus KROHNs mageren Ausführungen dann geworden ist. Zur angeblichen Lukrativität Riester-Rente wird uns zum wiederholten Male eine fragwürdige Untersuchung des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung vom Frühjahr angepriesen. Sicher ist nur eines: die Profite der Finanzdienstleistungsbranche. Ansonsten werden die Beitragsgarantien als Hindernis höherer Renditen stilisiert. Die Finanzdienstleistungsbranche wird dies freuen. Die Versicherten tragen dann das ganze Risiko allein! Wir haben also die Wahl zwischen Pest und Cholera.

ÖCHSNER, Thomas (2016): 30 Euro mehr im Monat.
Gutverdiener müssen von 2017 an höhere Sozialabgaben zahlen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 13.10.

Thomas ÖCHSNER begründet in seinem Bericht über die Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2017 auch die Notwendigkeit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen:

"Ein Verzicht auf eine Anhebung der Grenzen ist politisch nicht gewünscht. Denn würden diese nicht mit dem Einkommen wachsen, müssten die Arbeitnehmer mit einem geringeren Einkommen sukzessive immer mehr Lasten tragen, während Gut- und Spitzenverdiener aus der Sozialversicherung nach oben herauswachsen."

Besser wäre die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen und stattdessen eine Kappung der Rentenhöhe für Spitzenverdiener, denn dann würden die Lasten noch stärker verteilt. Das Versicherungsprinzip wird nämlich längst durch die Zunahme versicherungsfremder Leistungen konterkariert. Dies würde mehr bringen als eine Einbeziehung weiterer Personengruppen in die gesetzliche Rente. Dies würde zudem der großen Ungleichheit in Deutschland entgegenwirken.

ÖCHSNER erläutert auch, dass die stärkere Zunahme in Ostdeutschland auf die Einführung des Mindestlohns zurückzuführen ist, der zu größeren Lohnzuwächsen im Osten geführt hat.

SIEMS, Dorothea (2016): Steuerzahler können die Rente nicht retten.
Alternde Gesellschaft führt ab 2025 zu einem Einbruch der Einnahmen. Gleichzeitig steigt der Bundeszuschuss,
in:
Welt v. 13.10.

Dorothea SIEMS posaunt die PR Die Wirkung des demografischen Wandels auf die Steuereinnahmen in Deutschland der Unternehmenslobby IW Köln hinaus, die die Haushaltsfinanzen schlecht redet, um Forderungen nach einer Stabilisierung des Rentenniveaus abzuwehren. Unter welchen Vorrausetzungen der angebliche "Steuereinbruch" eintritt, das verschweigt uns das Sprachrohr SIEMS. Auffällig ist auch, dass die PR kurz vor der Lancierung eines Berichts im Auftrag des Finanzministeriums mit gleichlautendem Tenor erfolgt.

Das Pamphlet begnügt sich mit einem Vergleich der Effekte von vorgelagerter mit nachgelagerter Besteuerung im Jahr 2030, wobei die Bevölkerungsstruktur des Jahres 2016, die bereits einer Hochrechnung aus Daten des Jahres 2014 ist, mit allen Faktoren konstant gehalten wird. Die Zukunft ist jedoch keine lineare Fortschreibung der Vergangenheit:

"Im Ergebnis würden ohne Umsetzung der nachgelagerten Besteuerung die Einkommensteuereinnahmen im Jahr 2024 unter sonst gleichen Bedingungen über 4 Milliarden Euro, im Jahr 2030 gut 8 Milliarden Euro und 2035 rund 10 Milliarden Euro höher ausfallen."

Die Annahmen der Folgen des demografischen Wandels werden dann einfach additiv hinzugerechnet, d.h. Verhaltensänderungen kommen in dem Modell nicht vor, sondern die heutigen Altersklassen verhalten sich genauso wie eine Generation später.

Die Schlagzeile "Steuerzahler können Rente nicht retten" ist zudem selten dämlich, denn Rentner werden zukünftig verstärkt Steuerzahler sein, während Erwerbstätige bei den Steuern entlastet, aber bei den Sozialabgaben belastet werden. Vom Gesamtsystem ganz zu schweigen.      

KREMER, Dennis (2016): Das Wunder-Portfolio.
Eine Kombination aus zwei ETF reicht aus, um die besten Fondsmanager zu schlagen. Das Ganze ist kinderleicht,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 16.10.

Im Rückblick ist die Sache immer kinderleicht, was aber hat uns Dennis KREMER vor fünf Jahren als Renditewunder verkauft? Das wäre die entscheidendere Frage. Beim Wunderportfolio von KREMER  gewinnt vor allem einer: der Finanzgigant Blackrock. Und KREMER baut vor, falls sein Wunderportfolie zukünftig keine 10,7 Prozent Rendite mehr bringt:

"Niemand kann wissen, ob sich die Renditen der Vergangenheit so in die Zukunft fortschreiben lassen."

Bert FLOSSBACH, der als als einer von zwei Fondsmanagern von KREMER gelobt wurde, sieht das mit ETF-Fonds dagegen ganz anders.

KREMER, Dennis (2016): Es geht ums Geld!.
FAS-Serie Geldirrtümer (1):Geld zu haben, findet jeder gut. Richtig mit Geld umzugehen ist aber gar nicht so einfach. Höchste Zeit für eine neue F.A.S.-Serie,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 16.10.

Dennis KREMER erklärt uns, dass wir in Sachen Finanzbildung doch nicht die Deppen sind. Ein Vergleich von 140 Nationen unter Leitung von Annamaria LUSARDI erbrachte:

"Die Deutschen haben in diesem internationalen Vergleich sehr gut abgeschnitten. Gemeinsam mit Norwegern, Schweden, Finnen, Kanadiern und Briten teilen sie sich die vordersten Plätze. 66 Prozent der Deutschen verfügten über eine gute Finanzbildung".

Aber vielleicht ist ein solch simpler "finanzmathematischer PISA-Test" gar nicht in der Lage richtiges Verhalten in Finanzfragen zu erfassen. Die Vergleichbarkeit von Konditionen steht der Intransparenz auf Märkten gegenüber. Mit Fragen auf PISA-Test-Niveau kommt man deshalb nicht weiter, wenn es z.B. um die Altersvorsorge geht. Und wenn uns Finanzdienstleister mit Untersuchungen kommen, die uns unser Analphabetentum in Sachen Finanzbildung bescheinigen, dann handeln sie nicht in unserem, sondern in ihrem eigenen Interesse. Aber darüber informiert uns auch Dennis KREMER nicht. Seine Serie bewegt sich auf PISA-Test-Niveau, während die gesellschaftlichen Kollateralschäden des Finanzkapitalismus außen vor bleiben.

PLICKERT, Philip (2016): Die schlechte Botschaft der Generationenbilanzen.
Wie hoch ist die heimliche Staatsschuld durch ungedeckte Versprechen aus dem Renten- und Gesundheitssystem,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.10.

Philipp PLICKERT singt ein Loblied auf den neoliberalen Ökonomen Laurence KOTLIKOFF, der zusammen mit Alan AUERBACH das Kampfmittel "Generationenbilanz" erfand. 2005 erschien das Buch The Coming Generational Storm des Apokalyptikers, das vom Wirtschaftsnobelpreisträger Paul KRUGMAN scharf attackiert wurde. Bernd RAFFELHÜSCHEN ist ein gelehriger Schüler von KOTLIKOFF.

Generationenbilanzen kranken nicht nur daran, dass sie nur einen Ausschnitt der Staatsausgaben beleuchten und damit den Gewinn für zukünftige Generationen außer Acht lassen, sie sind zudem abhängig von der aktuellen Konjunktur und den unterstellten Zinsen.

Generationenbilanzen fokussieren einseitig auf angebliche Nachteile des Umlagesystems, während sie die Risiken der Kapitaldeckung unterschlagen.

FREIBERGER, Harald (2016): Der Königsweg.
Geldwerkstatt: Bei einem Sparplan fließt jeden Monat ein fester Betrag vom Konto in einen Investmentfonds. Das hat eine Reihe von Vorteilen: Es fördert die Spardisziplin, ist flexibel und nutzt die Renditechancen aus, die Aktien und Anleihen nach wie vor bieten,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 17.10.

Auch Harald FREIBERGER setzt auf ETF-Fonds, die dank Medienhype erstaunlichen Zuwachs erhalten haben:

"Die zwölf größten Fondshäuser meldeten bis Ende Juni Zuwachsraten von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Insgesamt betreuen sie 3,8 Millionen Sparpläne mit einem monatlichen Volumen von 470 Millionen Euro: jeder Kunde zahlt also gut 100 Euro im Durchschnitt ein. Ein großer Trend sind Sparpläne in Indexfonds (ETF)".

NARAT, Ingo (2016): Deutsche sind Meister im Pessimismus.
Großanleger suchen verzweifelt nach Rendite. Sie müssen sich neu orientieren,
in:
Handelsblatt v. 19.10.

Ingo NARAT erklärt uns Deutsche zu Pessimisten, wobei jedoch diesmal keine Privatanleger, sondern institutionelle Großanleger gemeint sind. Er stützt sich dabei auf eine Untersuchung, die lediglich 8 europäische Staaten vergleicht, was ihn nicht daran hindert uns das Etikett "Europameister in Sachen Risikoscheu" zu verpassen. Er macht sich damit zum Sprachrohr der Profitinteressen von Fondsgesellschaften wie Blackrock.

HANDELSBLATT-Titelgeschichte: Die Last der Demografie.
Das Bundesfinanzministerium hat die Folgen des demografischen Wandels für die öffentlichen Haushalte berechnen lassen. Das Ergebnis: Die alternde Bevölkerung wird das Steueraufkommen in den nächsten Jahrzehnten dramatisch mindern

GREIVE, Martin & Jan HILDEBRAND (2016): Der große Steuerschwund.
Das Bundesfinanzministerium hat die Folgen des demografischen Wandels für die öffentlichen Haushalte berechnen lassen. Das Ergebnis: Die alternde Bevölkerung wird das Steueraufkommen in den nächsten Jahrzehnten dramatisch mildern,
in:
Handelsblatt v. 24.10.

Während die Titelgeschichte nichts als heiße Luft ist, ermöglicht der Endbericht Herausforderungen für das Steuerrecht durch die demografische Entwicklung in Deutschland - Analyse einer Problemstellung hinsichtlich der Besteuerung nach dem Alterseinkünftegesetz einen Orientierungsmaßstab, der Auskunft über die zukünftige Besteuerung von Alterseinkünften gibt. Die Tabelle 43, die mit Besteuerung von Leibrenten mit Kohortenbesteuerung bezeichnet ist, ergibt für die Zukunft folgenden Anstieg der Einnahmen durch gesetzliche Renten und der Betroffenenzahlen:

Szenario Jahr 2015 Jahr 2030 Jahr 2045 Jahr 2060
  Anzahl Betroffene Einnahmen
(in Mio.
€)
Anzahl Betroffene Einnahmen
(in Mio.
€)
Anzahl Betroffene Einnahmen
(in Mio.
€)
Anzahl Betroffene
(in Tausend)
Einnahmen
(in Mio.
€)
Referenzszenario 4,6 Millionen 6.600 5,7 Millionen 14.270 5,9 Millionen 25.190 5,8 Millionen 31.110
Variante 2 4,7 Millionen 6.710 6,7 Millionen 16.180 6,7 Millionen 22.510 6,1 Millionen 24.540
Variante 3 4,7 Millionen 6.710 6,7 Millionen 15.840 6,7 Millionen 21.770 5,9 Millionen 22.970
Variante 6 4,7 Millionen 6.710 6,7 Millionen 16.290 6,7 Millionen 22.970 6,1 Millionen 25.700

Angesichts der Zunahme Älterer, erscheint die Zahl der vom Alterseinkünftegesetz zukünftig Betroffenen sehr niedrig. Entgegen der Beteuerung, dass Altersarmut bei Rentnern kein Thema sein wird, gehen die Annahmen des Endberichts davon aus, dass es eine starke Zunahme der Altersarmut geben wird, weswegen sowohl die Zahl der Betroffenen als auch die Höhe der Einnahmen derart gering ausgewiesen wird. In der Tabelle fehlt die Besteuerung der Riester-Renten, die gesondert betrachtet wird.

Problematisch ist, dass die Zahlen für 2015 bereits eine Hochrechnung der steuerlichen Verhältnisse im Jahr 2007 sind und gravierende Mängel aufgrund fehlender Daten bestehen (vgl. Methodischer Anhang). Wir werden letztlich erst in einigen Jahren erfahren, inwiefern die Annahmen für das Jahr 2015 stimmen. Es könnte also sein, dass es bereits für das Jahr 2015 zu großen Abweichungen zur Realität gibt, ganz zu schweigen für die Jahre 2030 und folgende.

Fazit: Der große Steuerschwund ist erst einmal nur journalistische Fiktion!

ÖCHSNER, Thomas (2016): Riester und die Wahrheit.
Bei der privaten Altersvorsorge rechnet die Regierung nun ehrlich: mit sinkender Rendite,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.10.

Der Alterssicherungsbericht 2016 rechnet die Rendite der privaten Altersvorsorge weiterhin schön und gibt nur das zu, was sich nicht mehr leugnen lässt:

"Zinsannahmen für die Berechnungen: 2014: 4,0 %, 2015: 3,5 %, 2016: 3,0 %, 2017: 2,5 %, danach schrittweise Anstieg auf 4,0 % bis 2020",

zitiert Thomas ÖCHSNER aus dem noch immer unveröffentlichten Bericht. Das gleiche Spiel kennen wir bereits aus der Bevölkerungsvorausberechnung, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Dort wird die Bevölkerungsentwicklung möglichst schlechtgerechnet. Zusammen genommen erstellt sich die Regierung damit ein hervorragendes Zeugnis. Die Risiken der Kapitaldeckdung darf der Arbeitnehmer selber tragen!

Die private Vorsorge wurde im Rahmen der Riester-Reform als Beitragsentlastung für die Arbeitgeber beworben. Die Folge dieser Umverteilung zitiert ÖCHSNER nun folgendermaßen:

"2015 (hätten) nur noch in 28 Prozent der Betriebe Arbeitnehmer Ansprüche auf eine Betriebsrente erworben, weil ausschließlich der Arbeitgeber etwas für sie zurücklegt. 2001, vor der großen Rentenreform, sei dies noch bei 54 Prozent der Betriebe der Fall gewesen."

Die Riesterreform war also ein voller Erfolg für die Arbeitgeber und die Versicherungsbranche. Die Zeche zahlen die Arbeitnehmer - insbesondere die Nichtprivilegierten.

OSWALD, Andreas (2016): Geld fürs Alter.
Wann es sich lohnt, mehr in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen,
in:
Tagesspiegel v. 27.10.

Andreas OSWALD klärt über die Möglichkeit von freiwilligen Ausgleichszahlungen auf, die nun aktiv beworben werden. Verheiratete mit jüngerem Partner profitieren mehr von diesen Zahlungen als Ledige, denen im Gegensatz zu Ehepaaren keine Hinterbliebenenrente gezahlt wird.

SCHWENN, Kerstin (2016): Die Renten steigen weiter.
Auch das kommende Jahr dürfen Rentner mit einer überdurchschnittlichen Erhöhung rechnen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27.10.

fadenscheinig: Es geht SCHWENN einzig darum, Begehrlichkeiten hinsichtlich des Renteniveaus niedrig zu halten, weshalb es nun heißt:

"Auch der für 2017 anvisierte Zuwachs liegt (...) deutlich über dem Durchschnitt des zurückliegenden Jahrzehnts und über dem von der Bundesregierung erwarteten durchschnittlichen Anstieg bis 2030. Ein Anstieg oberhalb der bisherigen Annahmen bis 2030 wirkt sich wiederum auf das Rentenniveau aus: Es sinkt dann weniger stark als erwartet."

SCHWENN will uns also sagen, dass Altersarmut und eine Stabilisierung des Rentenniveaus kein relevantes Thema sind. Tatsächlich sind diese Rentenerhöhungen nicht zufällig vor die Bundestagswahlen gelegt worden, sondern Ergebnis politischer Manipulationen an diversen Stellschrauben. Dazu gehört z.B. die Fehlfinanzierung der Mütterrente.

Ganz dreist wird es, wenn SCHWENN uns den Vorschlag von Franz RULAND als Lösung präsentiert:

"Um den Anstieg der Beiträge zu bremsen, sollte nach Rulands Ansicht die Beitragsbemessungsgrenze, die heute bei 74.400 Euro im Jahr liegt, um ein Drittel steigen. Dann müssten Versicherte mit hohem Einkommen mehr in die Rentenkasse einzahlen, sie erhielten später aber auch höhere Renten."

Besser wäre es stattdessen die Beitragsbemessungsgrenze ganz entfallen zu lassen und stattdessen die Rentenhöhe zu deckeln. Dieser soziale Ausgleich käme dann Geringverdienern zugute. Richtig wäre es, die Sozialabgabenfreiheit der Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge zu beenden, denn diese geht zu Lasten der gesetzlichen Rente.

ROTH, Eva (2016): Renten-Märchen.
Kommentar: Über die Unternehmer-Lobby, die sich als Jugend-Lobby geriert,
in:
Neues Deutschland v. 28.10.

Die Unternehmer-Lobby INSM bedankt sich heute, 28.10., bei der FAZ und SZ mit der Kampagne Du zahlst! für ihre neoliberale Berichterstattung mit einer ganzseitigen Anzeige, auf der Andrea NAHLES mit dem Finger auf uns zeigt: Du zahlst heißt die unübersehbare Botschaft in dicken Lettern (Hinter NAHLES sehen wir SEEHOFER und MERKEL).

"Liebe Jungwählerinnen und Jungwähler, die große Koalition entscheidet über die Zukunft der Rente. Sie will zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode teure Wahlgeschenke machen. Egal ob Haltelinie beim Rentenniveau, Ausweitung der Mütterrente, Angleichung der Ostrenten oder Lebensleistungsrente - die Rechnung zahlt immer Ihr. Das ist nicht fair!"

heißt es dazu. Warum verstecken sich Versicherungsbranche und Arbeitgeber hinter Jungwählern? Man sollte die Anzeige anders lesen: Wir möchten, dass die Versicherungsbranche subventioniert wird (Förderung der Riester-Rente) und die Arbeitgeber von Garantien entlastet werden und Arbeitnehmer das ganze Kapitalmarktrisiko tragen müssen (Betriebsrentenstärkungsgesetz).

ARMBRUSTER, Alexander (2016): Roboter für die Rente.
Leidartikel: Immer wieder haben neue Technologien die Arbeitswelt umgekrempelt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02.11.

Wie schnell sich doch die Befürchtungen der FAZ ändern können. Es ist noch nicht lange her, da drohte uns aufgrund des demografischen Wandels eine Ära der Vollbeschäftigung. Nun droht uns dagegen die Wunderwaffe Roboterisierung:

"In Fabriken rund um die Welt zählt die International Federation of Robotics 1,6 Millionen Industrieroboter – noch einmal eine Million kommen in den nächsten drei Jahren hinzu, erwarten ihre Fachleute. Die vielen denkbaren Anwendungen als Dienstleister sind da noch gar nicht einbezogen."

Die Roboterisierung soll durch die Steigerung der Produktivität nun die negativen Auswirkungen des demografischen Wandels in Schach halten. In Zeiten, in denen wahlweise Zuwanderer und Mütter als Retter in der Not ausfallen - kommen die Roboter gerade rechtzeitig um das "demografische Desaster" (KRÄMER) zu verhindern.

NARAT, Ingo (2016): Reisen in der Zeitmaschine.
Sachwerte lieferten langfristig höhere Erträge als Zinsanlagen. Das zeigt eine bisher einmalige Studien. Auch künftig werden Aktien den Anleihen überlegen sein, sagen Experten,
in:
Handelsblatt v. 07.11.

Weil Ökonomen keine allgemeingültige Theorie des Aktienmarktes haben, blicken sie gerne in die Vergangenheit, um uns daraus - wie ein Historiker - die Zukunft der Finanzmärkte auszudeuten. Müssten Ökonomen dagegen ihre Prognosen zur Entwicklung von Finanzmärkten überprüfbar machen, dann könnte man anhand der Treffsicherheit sehen, dass diese nicht weit her ist.

Das Hauptproblem liegt darin, dass die Berechnung von Renditen meist auf unrealistischen Annahmen beruht, die in der Praxis nicht realisierbar sind. So werden bei Fonds gerne die geschlossenen oder verschmolzenen Fonds unberücksichtigt gelassen. Oder wie in dem Fall von Moritz SCHULARICK, wo Katastrophen (nicht nur Kriege, sondern auch Naturkatastrophen) außen vor bleiben:

"Die Hausrendite würden sich auf noch stehende Gebäude beziehen. Wenn eine schöne Gründerzeitvilla im Krieg zerbombt worden sei, hätte natürlich der Eigentümer sein Vermögen verloren."

Besondere Vorsicht ist geboren, wenn Anbieter tolle Renditen ihrer Produkte bzw. Sparte versprechen. Gerne stellen uns Journalisten irgendwelche "Experten" vor, ohne deren mögliches Eigeninteresse zu berücksichtigen. Aufklärung sieht anders aus.

HÄRING, Norbert (2016): Der teure Irrtum der Indexfonds.
Aktienanlage: Wirtschaftsforscher zeigen: Die Nachbildung von Kursbarometern bringt weniger Rendite als einfache Investitionsregeln,
in:
Handelsblatt v. 07.11.

Norbert HÄRING erklärt ein "gleichgewichtetes Portfolio" einem Index nachgebildeten Fonds überlegen. Sind also Finanzmanager doch schlauer als Märkte? Eher ist es ein Beispiel dafür, warum Finanzmanager langfristig dem Markt unterlegen sind:

"die noch bescheidene Nachfrage nach solchen Produkten (dürfte) auch wichtig für ihre Erfolgsaussichten sein. Denn wenn diese Anlagestrategie zur Norm wird, dann wirkt sie ausgleichend auf die Marktkurse und lässt die Gewinnchancen aus dieser Strategie schrumpfen."

STEFFEN, Johannes (2016): »Den heutigen Rentnern geht es so gut wie noch nie«.
Das Irrlicht vermeintlich historischer Höchstrenten,
in:
sozialpolitik-portal.de v. 09.11.

Johannes STEFFEN testet die Aussage von Jens SPAHN an der Rentenrealität. Ob ein 90-jähriger oder ein 70-jähriger Rentner betrachtet wird, das macht angesichts der Rentenpolitik der vergangenen 20 Jahre bereits einen großen Unterschied aus. Oder wie es bei STEFFEN etwas unverständlich heißt:

"Frühere Bestandskohorten erreichten mit ihrer Altersrente also einen durchweg höheren Sicherungsstandard als heutige Bestandskohorten."

Durchschnittswerte für alle Rentnerkohorten verharmlosen die drastischen Einschnitte der letzten Jahrzehnte bei der Alterssicherung.

WORATSCHKA, Rainer/DPA (2016): Renten steigen um bis zu zwei Prozent.
Sicherungsniveau geht 2017 ebenfalls nach oben. Hauptgrund ist die gute Beschäftigungssituation,
in: Tagesspiegel
v. 11.11.

Rainer WORATSCHKA greift vor allem die gute Arbeitsmarktentwicklung als Aspekt heraus. Dass die Rentensteigerung 2017 niedriger ausfällt, erklärt er uns folgendermaßen:

"Dass die Erhöhung im kommenden Jahr niedriger ausfällt als in diesem, ist nicht auf eine schlechtere Finanzsituation, sondern zum Großteil auf Einmaleffekte zurückzuführen. Aufgrund von EU-Vorgaben waren die Durchschnittslöhne bei der Rentenanpassung 2015 anders berechnet und niedriger angesetzt worden - was im Folgejahr dann wieder ausgeglichen werden musste. Zudem hatte sich die Beitragssenkung vom Januar 2015 von 18,9 auf 18,7 für 2016 rentensteigernd ausgewirkt."

REIMANN erwähnt dagegen die Beitragsenkung nicht als Grund:

"Dass die Anpassung im kommenden Jahr deutlich geringer als in diesem Jahr ausfallen dürfte, ist insbesondere auf die Generalrevision der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahr 2014 zurückzuführen, die die Rentenanpassung 2015 gedämpft und im Gegenzug 2016 entsprechend erhöht hat." (2016, S.10)

Stattdessen werden die Auswirkungen der Beitragssatzsenkung von REIMANN nur im Zusammenhang mit dem Bundeszuschuss genannt:

"Die Senkung des Beitragssatzes von 18,9 Prozent auf 18,7 Prozent hat den Anstieg des allgemeinen Bundeszuschusses gebremst." (2016, S.3)

WORATSCHKA zitiert auch aus dem Vortrag Zur aktuellen Diskussion um die Fortentwicklung der Alterssicherung von Annelie BUNTENBACH, die als DGB-Mitglied vor allem die drohende Altersarmut betont und wohl deshalb von WORATSCHKA mit einer positiven Deutung der bisherigen Rentenentwicklung zitiert wird.

Zum Schluss WORATSCHKA wird uns noch die Sicht des GDV als Lobbyist der Versicherungswirtschaft untergejubelt. Angeblich soll das sinkende Rentenniveau von den Arbeitnehmern durch die Kapitaldeckung geschlossen werden können. Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass dies falsch ist.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Nicht ganz so üppig.
Die Altersbezüge der 20 Millionen Rentner dürften im kommenden Jahr erneut steigen, wenn auch diesmal nur um maximal zwei Prozent. Das Finanzpolster der Versicherung ist größer als erwartet, doch für eine Senkung der Beiträge reicht es nicht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 11.11.

Thomas ÖCHSNER erwähnt im Gegensatz zu den anderen Zeitungen, dass die jetzt in Aussicht gestellte Rentenerhöhung hinter der Schätzung vom Sommer zurückbleibt:

"In der Sommerschätzung war die Rentenversicherung noch von einem Aufschlag von 2,3 Prozent im Westen und knapp 2,6 Prozent im Osten ausgegangen."

MUßLER, Hanno (2016): Gewinne mit alten Fonds werden ab 2018 steuerpflichtig.
Die Besteuerung von Fonds ändert sich von 2018 an radikal. Wer vor 2009 begann, mit Indexfonds (ETF) und breit anlegenden Aktienfonds zu sparen, verliert den Bestandsschutz. Aktien behalten dagegen diesen wichtigen Steuervorteil - vorerst,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.11.

MUßLER, Hanno (2016): Fiskus gegen Sparer.
Kommentar,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.11.

ZDRZALEK, Lukas (2016):Wenn Anbieter ihre Fonds plötzlich schließen.
Verbraucherschützer warnen davor, dass Lebens- und Rentenversicherer ihr Kunden in teuere und riskantere Anlagen drängen wollen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 14.11.

STEFFEN, Johannes (2016): Das »dynamisierte« Sicherungsniveau.
Kommt Schummelsoftware jetzt auch bei der Rente zum Einsatz?
in:
sozialpolitik-portal.de v. 15.11.

IWD (2016): Rente realistisch gerechnet.
Rentenniveau: Ein Jahr vor der Bundestagswahl scheint klar, dass die Rente wohl das alles beherrschende Wahlkampfthema sein wird. Deshalb wird die Bundesregierung nicht müde, den Bundesbürgern zu vermitteln, dass das gesetzliche Rentenniveau bis 2030 nicht unter 43 Prozent sinkt. Aller Voraussicht nach wird das tatsächlich nicht geschehen - erst recht wenn man berücksichtigt, dass die Menschen künftig länger arbeiten,
in: iwd Nr.34
v. 17.11.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Altersbezüge steigen leicht an.
Bundesregierung erwartet bis 2030 pro Jahr 2,1 Prozent Plus,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 17.11.

ÖCHSNER, Thomas (2016): 47 statt 45.
Wie viele Jahre arbeitet ein Durchschnittsmensch bis zur Rente?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 17.11.

Bei der Debatte um das Rentenniveau versuchen Neoliberale die Debatte auf die Kosten zu reduzieren, um eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung durchzusetzen. Diese ist jedoch nicht allein Garant einer kostenlosen Rentenniveaustabilisierung, sondern es braucht auch eine Neudefinition der Standardrente. Thomas ÖCHSNER, der derzeit eine Debatte um die Erhöhung des Renteneintrittsalters aus taktischen Gründen ablehnt, stellt deswegen - im Gegensatz zur FAZ, wo es umgekehrt ist - diese Neudefinition nun isoliert von solchen Plänen vor. Dazu nennt er dessen Befürworter von der Bundesbank über die Wirtschaftsweisen bis zu IW Köln und BDA - also die ganze Phalanx der Unternehmenslobbyisten.

Unternehmenslobbyist Jochen PIMPERTZ vom IW Köln, der bereits im Frühjahr die Kosten von Rentenniveaustabilisierungen für die Arbeitgeberseite berechnet hat, hat nun die Neudefinition mit seinem Pamphlet Rente realistisch gerechnet wieder ins Spiel gebracht. Johannes STEFFEN hat dies im Sozialpolitikportal vorgestern kritisiert, was ÖCHSNER auch erwähnt.

Während die BDA die Lebensarbeitszeit künftiger Rentner schön rechnet, zeigt der Rentenversicherungsbericht, dass die tatsächliche Lebensarbeitszeit derzeit eher den 43 Beitragsjahren entspricht, die von dem IG Metall-Vorsitzenden Hans-Jürgen URBAN als Bezugspunkt der Standardrente gefordert werden:

"Derzeit ist der durchschnittliche Arbeitnehmer allerdings von den 45 Beitragsjahren und erst recht von 47 Beitragsjahren noch weit entfernt. Dem neuen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung zufolge kamen Männer Ende 2015 im Durchschnitt auf 41,5 Jahre, in denen sie Rentenansprüche erworben haben. Bei Frauen sind es sogar nur 30,8 Jahre."

Die Debatte ist jedoch unvollständig, wenn nicht der Ifo Schnelldienstartikel von Axel BÖRSCH-SUPAN u.a. berücksichtigt wird, denn erst dort wird die ganze Stoßrichtung dieser Debatte erkennbar.

OBERTREIS, Rolf (2016): Eine Aktie fürs Volk.
Vor 20 Jahren hat die Telekom mit ihren ersten Anteilsscheinen die Deutschen für die Börse begeistert - dann kam der Crash,
in:
Tagesspiegel v. 17.11.

"Insgesamt haben der Niedergang der einstigen Volksaktie, die hohen Verluste und die langjährigen Prozesse der deutschen Aktienkultur einen schweren Schlag versetzt. Das Papier der Telekom sollte die Deutschen zu einem Volk der Aktionäre machen. Doch stattdessen bleiben sie Aktienmuffel. Und zwar vor allem wegen der Telekom. Nur 9,5 Millionen Bundesbürger besitzen Aktien oder Aktienfonds",

jammert Rolf OBERTREIS. Die Telekom ist schuld? Das ist ziemlich blödsinnig! Schuld sind unsere Finanzexperten, die uns das Blaue vom Himmel herunterlügen, um uns mit unrealistischen Renditen zu ködern. Jeder, der kein Geld übrig hat, um es an der Börse zu verbrennen ("Streuung" heißt das im Finanzsprech), sollte die Finger vom Kapitalmarkt lassen und das ist gut so! Vor allem mit Indexfonds sollen wir verführt werden. Hier winken angeblich sagenhafte Renditen. Von den 30 Dax-Konzernen, die vor 28 Jahren bei der Einführung des Index existieren schafften es nicht einmal 50 Prozent durchgängig im Dax notiert zu sein. Eine Erfolgsgeschichte sieht anders aus. Symbolträchtig ist die Tatsache, dass jene Bank, dessen Turm einst als Werbefläche für die T-Aktie diente, längst untergegangen ist: Die Dresdner Bank.

GENTRUP, Anna (2016): Neue Kapitalquelle willkommen.
Die Versicherer freut es, dass die Regierung über Privatinvestoren nachdenkt. Das finden nicht alle gut,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 17.11.

SIEMS, Dorothea (2016): Absturz wegen versteckter Schulden.
Die Sozialpolitik der großen Koalition und die Flüchtlingskosten treiben das deutsche Defizit ab 2020 in die Höhe. Selbst Italien und Portugal stehen besser da - wenn sie ihre Rentenreformen wirklich umsetzen,
in:
Welt v. 17.11.

Dorothea SIEMS hofiert den Unternehmenslobbyisten Bernd RAFFELHÜSCHEN, der mit Generationenbilanzen die Staatsschulden schlecht rechnet und damit der Finananzdienstleistungsbranche entgegenkommt, die nach Profiten und Stärkung des Kapitalmarktes zu Lasten der auf die Altersvorsorge angewiesenen Menschen giert.

Während Unternehmen gerne über ihre Pensionslasten jammern, um noch mehr Risiken auf die Arbeitnehmer und Steuerzahler abwälzen zu können, soll der Staat mit Subventionen Geringverdiener dem Kapitalmarkt in die Hände treiben. Statt Wettbewerb im Altersvorsorgebereich dominiert Abzocke der Kunden. Mit ihren vollmundigen Renditeversprechungen Anfang des Jahrtausends wollen die Versicherungsunternehmen nichts mehr zu tun haben. Die Kunden sollen jetzt umsteigen auf möglichst risikoreiche und teuere Altersvorsorgeprodukte, damit die Profite noch mehr steigen. RAFFELHÜSCHENs Generationenbilanzen, die angeblich für mehr Generationengerechtigkeit sorgen sollen, fördern das genaue Gegenteil: steigende Altersarmut für zukünftige Generationen.

Fazit: Wer seine Daten nicht offen legt, sondern wie bei diesem EU-Nachhaltigkeitsranking nur ein paar bunte Grafiken und belanglose Tabellen veröffentlicht, der hat offenbar Angst, dass man seine Berechnungen nachprüfen kann. Das ist kein Zeichen von Seriosität, sondern von PR, die nur den Anschein von Wissenschaftlichkeit erweckt.      

MÜLLER, Hans Christian (2016): Der Dax.
Eine bewegte Börsengeschichte,
in:
Handelsblatt v. 18.11.

"Und auch wenn der Dax bisweilen schwächelte oder einbrach: Mit einem durchschnittlichen Wertzuwachs von knapp neun Prozent pro Jahr bereitete er seinen Anlegern - auf lange Sicht - viel Freude",

lautet eine von vielen Versionen, mit denen uns der Index als Erfolgsgeschichte verkauft wird und unsere Renditegier angestachelt wird. Das Problem: Der Wertzuwachs ist ein Fake, denn in der Praxis ist diese Rendite nicht erreichbar.

Den DAX gibt es erst seit 1988 und wer älter ist, der weiß, dass 1987 mit dem Börsen-Crash die Yuppie-Dekade begann (Gerne wird das Gegenteil erzählt). Der DAX resultierte also aus einem Imageproblem der Börse.

Verschwiegen wird gerne die Tatsache, dass die 30 Konzerne, die den DAX bilden, in nur 28 Jahren vielfach wechselten. Die Grafik nennt 57 Konzerne, die in dieser kurzen Zeitspanne den Index bildeten.

Lediglich 14 Konzerne konnten sich über die ganzen 28 Jahre im DAX halten. Ein Konzern flog in dieser Zeit zwei Mal aus dem Index. Unter jenen Konzernen, die auf der Strecke blieben, finden sich einstmals klangvolle Namen wie Hypo Real Estate, Dresdner Bank, Hannover Rück, Karstadt-Quelle, Kaufhof//Metro, MLP und Nixdorf.

Fazit: Was uns die Verfechter der Kapitaldeckung als Erfolgsgeschichte preisen, ist eine Misserfolgsgeschichte. Kein durchschnittlicher Anleger kann jene Rendite von 9 Prozent erreichen, die uns das Handelsblatt präsentiert. Es ist wie mit den Abgastests: Nur auf dem Zeitungspapier und in Studien werden die Werte erreicht, die uns als Köder vorgesetzt werden. Allein die Kosten von Kauf- und Verkauf bzw. die Depotkosten schmälern die Rendite drastisch. Auch ETF-Indexfonds erreichen den Spitzenwert nicht, denn geschlossene oder zusammengelegte Fonds bleiben in der Regel bei den Erfolgsgeschichten außen vor

JAKOBS, Hans-Jürgen (2016): Die wahren Herren der Welt.
Deutschland AG, das war einmal. Jetzt hat die New York Inc. das Sagen: Ein Netz aus US-Vermögensverwaltern kontrolliert inzwischen weite Teile der Weltwirtschaft. Ihr Renditehunger könnte eine neue Finanzkrise auslösen,
in:
Handelsblatt v. 18.11.

SCHWERDTFEGER, Heike & Niklas HOYER (2016): Kostengünstig auf Börsentrends setzen.
Indexfonds/ETF: ETFs mit Gold und Schwellenländern sind die Gewinner des Jahres. Welche Indexfonds auch für 2017 noch Potenzial bieten,
in:
Wirtschaftswoche Nr.48 v. 18.11.

PAUL, Kirsten (2016): Stärkt die Rente!
Gastwirtschaft: Gesetzliche Altersvorsorge ist besser als private,
in:
Frankfurter Rundschau v. 19.11.

Die Vermögensverwalterin Kirsten PAUL, Jahrgang 1969, kritisiert die "Klüngelei von Politik und Versicherungswirtschaft", bei der die gesetzliche Rente auf der Strecke bleibt, obwohl sie der kapitalgedeckten Altersvorsorge überlegen ist.

"Wer nachrechnet, stellt fest, dass er mit Riester- und Rürup-Verträgen oder betrieblicher Altersvorsorge keine finanziellen Vorteile hat. Vielmehr handelt es sich bei diesen »Eigenvorsorge-Verträgen« um eine Subvention der Versicherungswirtschaft. Denn Abschlussprovisionen und laufende Vertragskosten fressen die erhaltenen Zuschüsse mehr als auf.
Wer am Ende das eingezahlte Geld wiedersieht, kann froh sein",

meint PAUL, die für eine Stärkung der gesetzlichen Rente plädiert. Neben einem Ausbau zur Erwerbstätigenversicherung, fordert sie eine stärkere Umverteilung, dessen ungenanntes Vorbild die Schweizer AHV ist:

"Eine deutliche Erhöhung oder sogar Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze darf kein Tabu mehr sein. Die Maximalrente für Hochverdiener sollte nach oben gedeckelt, die Rente für Geringverdiener dagegen durch Umverteilung erhöht werden."

WOLFF, Volker (2016): Komplettdepots für kleines Geld.
Die Vermögensfrage: Portfolio-ETF sind für Privatanleger eine preiswerte Alternative zu aktiv verwalteten Misch- oder Dachfonds. Das Angebot ist allerdings noch sehr übersichtlich,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 19.11.

SCHERFF, Dyrk (2016): Hoffen auf die Trumpflation.
Amerikas künftiger Präsident Donald Trump wird mit seiner Wirtschaftspolitik die Inflation zurückbringen. Das treibt die Zinsen in die Höhe. Endlich,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 20.11.

ORTMANN-BABEL, Martina (2016): Vorsicht bei der gesetzlichen Rente.
Der Steuertipp zur Doppelbesteuerung von Renten,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 20.11.

KLEMM, Thomas (2016): Bis zu 6 Prozent Rendite - garantiert!
Aktien übernommener Firmen sind für Anleger attraktiv: Sie garantieren Jahr für Jahr eine feste Dividende,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 20.11.

STEFFEN, Johannes (2016): Rentenversicherungsbericht 2016.
Gesamtversorgungsniveau - Mehr Erklärungsbedarf als Erkenntnisgewinn,
in:
sozialpolitik-portal.de v. 21.11.

Wer immer noch der Meinung ist, dass er alles richtig gemacht hätte, wenn er auf die private Altersvorsorge à la Regierungspropaganda gesetzt hätte, der sollte den Artikel von Johannes STEFFEN lesen, der uns sagt, was der Rentenversicherungsbericht in Sachen Kapitaldeckung verschweigt:

"Zur Ermittlung der Höhe der monatlichen Privatrente bei Rentenzugang ist es ganz entscheidend, ob und - falls ja - in welchem Umfang die Leistung während der Auszahlungsphase dynamisiert wird. Das Bundesarbeitsministerium unterstellt eine Anpassung wie bei der gesetzlichen Rente - weist die Beträge sowie die entsprechenden Niveau-Punkte jedoch nicht aus. »Berechnungen für Rentenbestandsjahre werden nicht erstellt« - so das BMAS im August 2013. Und das hat seinen Grund: Die Ergebnisse passen so gar nicht zum offiziellen Mantra. (...).
Denn jeder neue Zugangsjahrgang muss während der Zeit des Rentenbezugs deutliche Abstriche bei der Gesamtversorgung hinnehmen. Kam beispielsweise der Rentenzugang des Jahres 2010 zunächst noch auf ein Gesamtversorgungsniveau von 53,0 Prozent (51,6% GRV plus 1,4% pAV), so sind es nach 20 Jahren Laufzeit im Jahr 2030 nur noch 45,7 Prozent (44,5% GRV plus 1,2% pAV). Und so ergeht es sämtlichen Zugängen der Folgejahre. Sie alle landen am Ende unterhalb des Zugangsniveaus und sie alle liegen zudem deutlich unterhalb des Niveaus von rund 53 Prozent, das bis zur Jahrhundertwende mit der damals noch »lebensstandardsichernd« ausgerichteten gesetzlichen Rente ganz alleine erreicht wurde. Selbst unter den verzerrenden Modellannahmen des Regierungsberichts kann »Riestern« die Rente also nicht ersetzen – von den realen Verhältnissen ganz zu schweigen. Als Folge der (Teil-) Privatisierung der Alterssicherung zahlen die Versicherten also nicht nur einen insgesamt höheren Preis für ihre Altersversorgung (Rentenbeitrag plus vier Prozent »Riester«-Prämie), sie erhalten dafür im Gegenzug auch noch geringere Leistungen."

Was hierbei noch nicht einmal berücksichtigt ist: Die Umverteilung von Arm zu Besserverdienenden aufgrund der unterschiedlich hohen Lebenserwartung. Diese ist bei der Kapitaldeckung noch höher als bei der gesetzlichen Rente.

SOMMER, Ulf (2016): Langfristig ist die Dividende fast alles.
Leitartikel: Kursgewinne sind beim Sparen fürs Alter nicht so wichtig,
in:
Handelsblatt v. 28.11.

Ulf SOMMER vermarktet Aktien als Altersvorsorge. Da wird selbst die Telekom-Aktie zum Renner. Dumm nur, wer nicht gleich 1996 eingestiegen ist, sondern zwischen 1997 und 2001 - dem dürften selbst die Dividenden nicht über die Kursverluste hinweghelfen. Aber wer uns Aktien als Königsweg der Altersvorsorge schmackhaft machen will, der wird natürlich die Risiken lieber verschweigen.

GROTH, Julia (2016): Megatrends mit Restrisiko.
Anlagekonzepte: Anleger können mit Indexfonds auf Spezialthemen setzen. Für Privatinvestoren macht das wenig Sinn,
in:
Handelsblatt v. 29.11.

Trendforscher sprechen gerne von Megatrends, also Trends die den Tag überdauern und längerfristig wirken. Dazu gehört auch der demografische Wandel, was purer Nonsens ist, denn der demografische Wandel ist ein permanenter Begleitumstand jeglicher nationaler Gesellschaft bzw. Bevölkerung. Von daher ist er kein Megatrend, sondern Kontextbedingung. Das schert Trendforscher wenig. Nicht der demografische Wandel, sondern spezielle Aspekte des demografischen Wandels wie die Veränderung der Lebenserwartung, die Entwicklung der Geburten usw. werden als Trends konstatiert, obwohl auch hier jederzeit Änderungen eintreten können.

"Indexfonds, die vom demografischen Wandel profitieren sollen, legen ein starkes Gewicht auf Pharma-Titel",

erklärt uns Julia GROTH, was eher ein Beleg dafür ist, dass solche Fonds eher ein Marketing-Gag sind, mit denen Fondsgesellschaften mehr Profit machen möchten.    

NARAT, Ingo (2016): Das große Hickhack.
Die lang ersehnten Infoblätter für den einfachen Vergleich von Fonds, Zertifikaten und Versicherungen kommen später als geplant. Der Weg zur europäischen Lösung ist steinig,
in:
Handelsblatt v. 30.11.

Ingo NARAT berichtet über den Stand der Dinge zu den geplanten Informationsblättern im Finanzdienstleistungsmarkt. Das Ziel des EU-Projekts Packaged Reteil and Insurance-Based Investment Products (Priips) beschreibt NARAT folgendermaßen:

"Die EU hat es sich zum Ziel gemacht, wichtige und aus Einzelbausteinen zusammengesetzte Finanzprodukte wie Fonds, Versicherungen und Zertifikate vergleichbar zu machen. Der Anleger soll erfahren, worum es beim Produkt geht, welchen Ertrag er erwarten kann, was es ihn kostet."

Ein solches Ziel verträgt sich jedoch nicht mit den Interessen der Finanzdienstleistungslobbyisten, die Transparenz zu ihren Lasten unbedingt vermeiden wollen, weswegen das Projekt wohl kaum verbraucherfreundlich werden wird. NARAT berichtet eher einseitig über den Streit zwischen den Beteiligten: "Kommission, Rat, Parlament, drei europäische Aufsichtsbehörden und verschiedene Lobbygruppen" tragen einen Interessenkonflikt aus.

Schlau gemacht hat sich NARAT in einem Gespräch mit Steven MAIJOOR, der die Interessen der EU-Wertpapieraufsicht (ESMA) vertritt - also nicht in erster Linie die Verbraucherinteressen, sondern die Kapitalinteressen. Bei den Streitpunkten legt NARAT deshalb das Schwergewicht auf die Frage der Renditen und Kosten, nicht jedoch auf die Risiken, die ja in erster Linie die Verbraucher betreffen würden.

"Stein des Anstoßes waren etwa die Angaben zu den Erträgen. Bisher werden Anleger in Info-Materialien etwa zu Fonds mit Vergangenheitsdaten versorgt. Das soll sich ändern, gefragt sind Performanceszenarien für die Zukunft".

Dieser Paradigmenwechsel ist jedoch von Seiten der Finanzdienstleistungsbranche unerwünscht, denn dort wird gerne auf die tollen Renditen der Vergangenheit verwiesen. Auch in den Mainstreamzeitungen wird diese Sicht gerne übernommen, um Aktien zu propagieren. Da werden uns sagenhafte Renditen vorgeschwärmt, die sich in der Praxis höchst selten erreichen lassen. Als Kritiker dieser Praxis wird uns einzig der EU-Parlamentarier Sven GIEGOLD präsentiert. Vor allem den deutschen BVI, der die Interessen der Fondsgesellschaften vertritt, stört dies. Die Finanzdienstleistungsbranche hat so gar die "europäische Verbraucherschutzorganisation Better Finance" auf ihrer Seite, zumindest jedoch dessen Mitglied Guillaume PRACHE, der lange Zeit als "Geschäftsführer der europäischen Tochtergesellschaft der Vanguard Group, Inc., einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich Asset-Management" tätig war. Warum wurde nicht Axel KLEINLEIN, den deutschen Vertreter dieser Organisation befragt, sondern ausgerechnet jemand, der beim Konkurrenten von Blackrock Karriere machte? Ist ein solcher Seitenwechsel nicht eher verdächtig? Vanguard sieht in der Transparenz zumindest rhetorisch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten. Genau diese Vanguard-Masche im Kampf um Marktanteile, die in einem Bericht von NARAT aus dem Jahre 2003 anklingt,  verkörpert PRACHE auch in der Verbraucherschutzorganisation Better Finance. Ist jedoch die Transparenz, die eine Fondsgesellschaft vertritt, gleichbedeutend mit Transparenz im Sinne der Kunden? Werden hier nicht Interessenskonflikte ausgeblendet?

In Sachen Kosten wird uns zuerst Greg van ELSTEN von der "Konsumentenschutzvereinigung BEUC präsentiert, nur um die Sicht des BVI einzuleiten, dem die Berechnung der Transaktionskosten nicht passt, weil dadurch die Konkurrenten Vorteile hätten.

Die Streitigkeiten könnten fortdauern, derweil NARAT mit Hinweis auf MAIJOOR zum Schluss wieder die Aktien als Königsweg der Altersvorsorge propagiert. Ob diese Anlagestrategie jedoch tatsächlich besser ist als andere Formen der Geldanlage, darf bezweifelt werden. Wer es sich nicht leisten kann, sein Geld zu verbrennen, der ist selbst mit dem Sparbuch besser dran. Und Geringverdiener haben nicht einmal die Möglichkeit der Streuung wie Besserverdienende. Trotzdem sollen sie mit Staatsgeldern auf den Kapitalmarkt gelockt werden. Da nützen auch Informationsblätter nichts. 

BUTTERWEGGE, Christoph (2016): Von Riester zu Nahles.
Altersarmut trotz Rente,
in:
Blätter für deutsche und internationale Politik, Dezember, S.23-26

Christoph BUTTERWEGGE wirbt für eine solidarische Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung:

"Nicht bloß (Solo-)Selbständige müssten in die Rentenversicherung einbezogen werden, sondern auch Beamte, Abgeordnete und Minister. Auch erwachsene Nichterwerbstätige könnten einer Mindestbeitragspflicht unterworfen werden. Für jene Personen, die den nach der Einkommenshöhe gestaffelten Beitrag nicht entrichten können, müsste der Staat einspringen."

BUTTERWEGGE plädiert für eine Stärkung des Solidar- zulasten des Äquivalenzprinzip. Darunter versteht er den Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze und eine Deckelung der Rente bei Spitzenverdiener nach dem Vorbild der Schweizer AHV.

Außerdem sei eine Eindämmung des Niedriglohnsektors und die Ausweitung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung notwendig:

"Um wenigstens allen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten eine armutsfeste Rente zu ermöglichen, muss der gesetzliche Mindestlohn auf über 10 Euro pro Arbeitsstunde angehoben werden. Nötig ist zudem eine Überführung der Mini- und Midijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, ein Verbot der Leiharbeit sowie eine stärkere Beschränkung von Werk- und Honorarverträgen. Außerdem sollte die Bundesagentur für Arbeit wieder verpflichtet werden, für Hartz-IV-Bezieher (ausreichend hohe) Beiträge in die Rentenkasse einzuzahlen."

Die Aufgabe der ursprünglich im Koalitionsvertrag festgeschriebenen "solidarischen Lebensleistungsrente" bedauert BUTTERWEGGE nicht, denn diese wäre sowieso ungeeignet gewesen, die Altersarmut zu bekämpfen:

"Wegen der brüchigen Erwerbsbiographien kämen (...) nur wenige Geringverdiener in den Genuss eines Rentenzuschusses, mit dem ihre Rente auf 850 Euro brutto aufgestockt wird, womit sie selbst nach offizieller Lesart weiterhin armutsgefährdet wären."

Die Lage der älteren Menschen ist für BUTTERWEGGE bereits jetzt schon dramatisch:

"Ältere bilden hierzulande seit geraumer Zeit die Bevölkerungsgruppe, deren Armutsrisiko stärker wächst als das aller anderen. Im Dezember 2015 bezogen mehr als 536.000 Menschen die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das sind doppelt so viele Empfänger wie im Jahr 2003, in dem diese Grundsicherung eingeführt wurde. Mehr als 14 Prozent aller Seniorinnen und Senioren in Deutschland sind nach EU-Kriterien arm."

Nicht zuletzt kritisiert BUTTERWEGGE, dass die Kapitaldeckung weiter zulasten der gesetzlichen Rentenversicherung gestärkt wird. Insbesondere das Betriebsrentenstärkungsgesetz setzt hier - als "legislativer Kern" der Reform - falsche Akzente und setze die unsägliche Tradition des Altersvermögens- und Altersvermögensergänzungsgesetz unter Walter RIESTER fort.

BUTTERWEGGE sieht durch die Stärkung der Kapitaldeckung sowohl die gesetzliche Rentenversicherung als lebensstandardsichernde Rente als auch die paritätische Finanzierung des Rentensystems durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer außer Kraft gesetzt. Stattdessen werden vorrangig die Interessen von Unternehmen und Versicherungswirtschaft bedient:

"Sie eröffnet der Versicherungsbranche ein weiteres lukratives Geschäftsfeld und beschert ihr erneut saftige Profite und Provisionen, ohne dafür zu sorgen, dass die Kunden im Alter tatsächlich vor Armut geschützt sind."

Im Gegensatz zu den Mainstreammedien, in denen die Konsequenzen der Entgeltumwandlung für die gesetzliche Rentenversicherung meist völlig ausgeblendet werden, weist BUTTERWEGGE ausführlich auf die dadurch entstehende Probleme hin:

"Wer die betriebliche Altersvorsorge stärkt, schwächt allerdings zwangsläufig die gesetzliche Rentenversicherung. Denn im Rahmen der sogenannten Entgeltumwandlung werden dieser Milliardensummen entzogen (...). Kurz nach der Jahrtausendwende führte die rot-grüne Koalition die Entgeltumwandlung als befristete »Anschubfinanzierung« für die betriebliche Altersvorsorge ein, nun will die Große Koalition sie im Einvernehmen mit den Gewerkschaften ausweiten. Dadurch aber sinkt das allgemeine Rentenniveau (...). Betroffen davon sind auch jene Arbeitnehmer, die sich gar nicht an der betrieblichen Altersvorsorge beteiligen. Auch sie werden mit niedrigeren gesetzlichen Renten bestraft."

BUTTERWEGGE plädiert deshalb für eine Abschaffung der Kapitaldeckung und die Einführung einer Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung

ÖCHSNER, Thomas (2016): Eine allzu wohlwollende Rechnung.
Die Riester-Rente ist klasse, sagt die Bundesregierung - und künftigen Rentnern könnte es sogar besser gehen als Senioren heute. Kann das stimmen? Der Sozialbeirat hat Zweifel daran, dass diese Kalkulation aufgeht - nur ganz laut sagen können die Regierungsberater das nicht,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 01.12.

Thomas ÖCHSNER berichtet über das Gutachten des 12 Mitglieder zählenden Sozialbeirats zum Alterssicherungsbericht 2016 und Rentenversicherungsbericht 2016. Dabei hebt er folgende Kritikpunkte hervor: Das Gesamtversorgungsniveau wird zu optimistisch dargestellt, weil:
1) Unwissenheit über die notwendige Höhe der privaten Altersvorsorge besteht.

"Diese Gesamtversorgung setzt sich zusammen aus der gesetzlichen Rente, der ausgezahlten Riester-Rente - und (...) einer zweiten privaten Zusatzrente. Diese ergibt sich, wenn die Versicherten die Steuerersparnis auf Grund ihrer Einzahlungen in die Rentenkasse in einen weiteren Vorsorgevertrag anlegen."

Der Sozialbeirat kritisiert, dass die Versicherten aufgrund ihres Unwissens über notwendige  private Zusatzrente zu wenig fürs Alter vorsorgen:

"Tatsächlich dürfte kaum einem Bürger bewusst sein, dass er diese Steuerersparnis von je nach Verdienst 20 bis knapp 150 Euro monatlich auch noch fürs Alter zurücklegen sollte."

2) Die Verzinsung der Kapitaldeckung wird mit 4 Prozent zu hoch angesetzt

"Schon bei einer Verzinsung von drei Prozent würde das Versorgungsniveau niedriger ausfallen. Der Sozialbeirat regt daher an, in den Rechnungen der Regierung deshalb »auch eine Variante mit niedriger Kapitalrendite auszuweisen«",

berichtet ÖCHSNER.

3) Weder spart die Bevölkerung in erforderlicher Höhe für das Alter, noch wird die volle Förderung ausgeschöpft, wie es die Modellrechnungen des Alterssicherungsberichts ausweist:

"Denn in fast jeden fünften der mehr als 16 Millionen Riester-Verträge wird gar nichts mehr eingezahlt. Außerdem unterstellt die Regierung stets, dass die Sparer die volle staatliche Zulage erhalten. Bei den meisten ist dies aber nicht der Fall, da sie selbst nicht genug sparen."

4)  Die Verwaltungskosten werden mit 10 Prozent zu niedrig angesetzt.

ÖCHSNER, Thomas (2016): Zehn Wahrheiten über die Rente.
Wie lange müssen die Deutschen künftig arbeiten? Reicht die Alterssicherung? Ist alles gar nicht so dramatisch, sagen die einen. Die Rente wird ein großes Problem, sagen die anderen. Die wichtigsten Fakten und Folgen,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 03.12.

SCHUBERT, Christian (2016): Gegen getrennte Versicherungen für Beamte und Arbeitnehmer.
OECD schlägt Zusammenführung der Rentensysteme vor,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 06.12.

Die neoliberale OECD will in ihrem Bericht Pensions Outlook 2016 mehr Einfalt, statt Vielfalt, weshalb sie darauf drängt, dass in allen OECD-Staaten die selben Fehler wiederholt werden sollen. Historisch gewachsene Systeme lassen sich jedoch nicht über den neoliberalen Kamm scheren. Oberste Priorität hat bei der OECD die Stärkung der Profite der Finanzdienstleistungsbranche durch kapitalgedeckte Rentensysteme. Die Richtigkeit dieser Strategie wird uns nicht bewiesen, sondern umgekehrt soll die Anzahl von Ländern, die diese Strategie gewählt haben, suggerieren, dass dies der richtige Weg sei:

"Deutschland hat die private Rentenvorsorge zwischen den Jahren 2000 und 2015 von 3,8 auf 6,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöht. Damit liegt Deutschland im unteren Drittel der 35 OECD-Mitgliedsländer. Nur Österreich, Belgien, die Türkei, Ungarn, Luxemburg und Griechenland haben geringere Anteile. Dagegen gibt es schon 13 Länder, in denen kapitalbasierte Rentensysteme für mehr als die Hälfte des BIP stehen."

Die Nachteile dieses Systems werden uns folgendermaßen dargestellt:

"Die meisten dieser Systeme erfordern ein festgelegtes Niveau an Beiträgen, ohne dass die späteren Rentenbezüge garantiert sind. Daher gehen die Beitragszahler ein nicht zu unterschätzendes Risiko ein".

Um die Profite der Finanzdienstleistungsbranche zu stärken, werden also die Risiken auf die Kunden abgewälzt. Das wird bei der OECD aber nicht als Problem gesehen, sondern es werden uns lapidare Absichtsbekundungen hinsichtlich der Transparenz der Produkte gepriesen:

"Die Staaten sollten dafür Sorge tragen, dass höchst mögliche Transparenz herrscht und die Versicherungsnehmer ihre Risiken kennen."

Anders formuliert: Die Risiken für die Kunden sollen nicht etwa beseitigt werden, sondern die Kunden sind selber schuld, wenn sie zu hohe Risiken eingehen. Transparenz jedoch ist nicht im Interesse der Finanzdienstleistungslobby, denn das würde ihre Profite schmälern (Transparenz als Wettbewerbsvorteil existiert nur, solange es keine Transparenz gibt!), weshalb jeglicher Versuch durch die Lobbyisten torpediert wird. Im schlimmsten Fall sind die Lobbyisten sogar am Schreiben der Gesetze beteiligt. Welche Probleme damit verbunden sind, das konnte man kürzlich anhand eines Handelsblatt-Artikels sehen.

Um Transparenz zu verhindern, bringt die Finanzdienstleistungsbranche ständig neue Produkte auf den Markt. Die OECD umschreibt dies schönfärberisch  als "ständige Zunahme der Komplexität". Als Lösung wird uns der Erwerb von Finanzkompetenz nahe gelegt. Kein Verbraucher ist jedoch in der Lage diesen Wettlauf zwischen Hase und Igel zu gewinnen. Selbst wenn es Transparenz für die Produkte gäbe: Sie wären längst von anderen intransparenten Produkten überholt. Die OECD hält uns also für dumm.

Nicht zuletzt will die OECD auch noch staatliche Förderungen für die Finanzdienstleistungsbranche und begründet dies mit mehr Gerechtigkeit. Damit sollen Schlechterverdiener auf die Kapitalmärkte gelockt werden. Dass Besserverdienende eher die Chance auf Rendite haben, wird dadurch jedoch nicht ausgeglichen.

Die Zusammenführung der gesetzlichen Rente mit der Beamtenversorgung gehört ebenfalls in diese Strategie:

"Ausdrücklich nennt die OECD Deutschland, Frankreich, Belgien und Korea als Kandidaten für einen solchen Systemwechsel, weil sie als einzige unter den OECD-Ländern vollständig getrennte Versicherungen für Beamte und Beschäftigte der Privatwirtschaft haben."

Dann müssten aber auch sämtliche Versorgungssysteme von Freiberuflern aufgelöst werden, denn für diese gelten die gleichen Punkte wie für die Beamtenversorgung. Dazu liest man bei SCHUBERT wohlweislich nichts!

Fazit: Die Nachteile der Kapitaldeckung sind derart gravierend und reichen bis zum Verlust der privaten Rente, dass die Abschaffung der Kapitaldeckung die einzige sinnvolle Lösung des Problems ist.    

REZMER, Anke (2016): Aktiensparen für die Rente.
Kommentar Bulle & Bär,
in:
Handelsblatt v. 07.12.

Anke REZMER erklärt uns wie die Kapitaldeckung von der Angst vor Altersarmut profitieren will. Christine BORTENLÄNGER vom Deutschen Aktieninstitut (DAI), also einer Finanzdienstleistungslobbyistin, will uns auf den Aktienmarkt locken:

"Vier Prozent Rendite braucht ein deutscher Durchschnittsverdiener laut DAI auf Sparraten in Höhe von vier Prozent seines Bruttoeinkommens im Jahr - will er das Abschmelzen seiner Rente von heute 50 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf gut 41 Prozent im Jahr 2060 ausgleichen",

berichtet REZMER über die Sicht des DIA. Bei dieser Rechnung ist so ziemlich alles ungewiss. Wer 2060 in Rente geht - also derzeit mit 67 Jahren - wurde 1993 geboren und ist damit heute 23 Jahre alt und damit Berufsanfänger. Das Rentenniveau bezieht sich nicht auf das letzte Nettoeinkommen, sondern auf den durchschnittlichen Verdienst während seines Arbeitslebens. Es liegt heute bei rund 48 Prozent. Das Bundesarbeitsministeriums hat für 2045 ein Niveau von rund 42 Prozent prognostiziert. Bei einem weiteren Geburtenanstieg könnte sich das Verhältnis von Beitragszahlern zur Rentnern im Jahr 2060 wesentlich verbessern, weshalb die 41 Prozent reine Panikmache sind. Sollte sich die Politik zur Stabilisierung des Rentenniveaus genötigt sehen - was eher wahrscheinlich ist, dann verbessert sich die Situation sogar noch mehr.

Offenbar ist BORTENLÄNGER ebenfalls nicht von den Kapitalmärkten überzeugt, wenn sie eine enorme staatliche Förderung für eine Altersvorsorge mittels Aktien plädiert, denn sonst wäre diese Förderung überflüssig. REZMER ist sogar noch pessimistischer, denn mit Blick aufs Ausland will sie sogar Zwang anwenden. Wie unlukrativ muss also der Aktienmarkt sein, wenn man solche Mittel anwenden muss?

Fazit: Lieber auf die gesetzliche Rente setzen statt auf Kapitalmärkte, deren Entwicklung wesentlich schlechter verlaufen könnten als die Verfechter von Aktien das uns weismachen wollen. Im schlimmsten Fall wird die Rente zum Alptraum, wenn das Vermögen dahin ist.

HOCK, Martin (2016): Nur die Aktie kann die Rente retten.
Deutsches Aktieninstitut fordert Stärkung der Riester-Rente,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 07.12.

Martin HOCK berichtet noch ausführlicher und unkritisch über ein Pamphlet der Finanzdienstleistungslobby.

"Den Beitrag, den Aktieninvestments zur Altersvorsorge leisten können, untermauern die Initiatoren mit Zahlen. Sie haben die Rendite aller möglichen Sparpläne von ein bis dreißig Jahren zwischen 1967 und 2015 berechnet. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass ab einer Laufzeit von mehr als 15 Jahren kein Sparplan mehr einen Verlust gebracht hätte",

behauptet HOCK. Dagegen heißt es in der Broschüre:

"Bei Anlagezeiträumen von 15 bis 20 Jahren liegt kein von uns analysierter Sparplan im Minus, d.h. zumindest die Summe der Einzahlungen bleibt immer erhalten." (2060, S.3)

Da könnte man also sein Geld auch gleich auf dem Sparkonto lassen. Selbst dort bekommt man noch mehr als null Prozent, solange es keine Negativzinsen für Privatanleger gibt. Hinzu kommt die Einschränkung "von uns analysiert". Dazu heißt es in der Broschüre:

"Die folgenden Berechnungen legen (...) Sparpläne zugrunde. Als Maßstab für die Höhe der Aktienrenditen wird der Deutsche Aktienindex DAX 30 herangezogen, dem die 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen angehören. Betrachtet werden monatliche Daten für den Zeitraum von Anfang 1967 bis Ende 2015. Bei den Berechnungen in dieser Studie werden nominale Werte zugrunde gelegt, d.h. die Wertentwicklung der Anlagen wird nicht um die Inflation bereinigt." (2016, S.19)

Die Zahlen gelten also streng genommen nur für einen DAX-Indexfonds und nicht für das Alterssparen mit Aktien allgemein, wie uns nicht nur HOCK weismachen will. Und sie ignorieren auch noch die Inflation, die die Rendite drastisch schmälern kann.

Aber es kommt für HOCK noch schlimmer. Bei 15 Jahren Laufzeit kam es selbst beim DAX noch zu Verlusten:

"Bei historischen DAX-Sparplänen von 15 Jahren betrug hingegen der Verlust für die schlechteste 15-Jahres-Periode zwar noch -0,4 Prozent. Nach 20 Jahren lag die minimale Rendite auf DAX-Sparpläne mit 2,7 Prozent im positiven Bereich." (2016, S.21)

Wer also mit der Altersvorsorge per Aktien spät angefangen hat, z.B. mit 50 Jahren, dem  hätten in der Vergangenheit Verluste drohen können. Für die Zukunft ist diese Gefahr sogar wesentlich größer. Bei der Rendite müssten seriöserweise auch die Kosten abgezogen werden, wodurch die Verluste noch stärker zu Buche schlagen.

Während das Aktiensparen zu positiv dargestellt werden, sodass in der Praxis die präsentierten Renditen nur selten erreicht werden können, wird die gesetzliche Rente demgegenüber schlecht geredet:

"Nach aktuellen Erhebungen wird das Rentenniveau von aktuellen 51,6 Prozent des letzten Nettoeinkommens, bezogen auf den sogenannten »Eckrentner«, bis 2060 auf 41,2 Prozent absinken. (...). »Dabei sind unsere Annahmen noch optimistisch«, sagt DAI-Vorstand Christine Bortenlänger. »Nach dem jüngsten Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung wird dieses Niveau schon 2045 erreicht«",

behauptet HOCK. Daran stimmt jedoch so gut wie nichts. Das Rentenniveau bezieht sich auf den durchschnittlichen Verdienst und nicht auf das letzte Nettoeinkommen und so steht es sogar in der Broschüre der Lobbyisten:

"Das Standardrentenniveau, auf das in der öffentlichen Diskussion abgestellt wird, ist das Rentenniveau des Eckrentners in Abhängigkeit des letzten durchschnittlichen Jahreseinkommens. Das Bruttorentenniveau bezeichnet den Anteil der Rente am Bruttoentgelt. Beim Nettorentenniveau vor Steuern, oftmals auch als Sicherungsniveau bezeichnet, werden die jeweiligen Sozialabgaben sowohl vom Bruttoentgelt als auch von der erhaltenen Bruttorente abgezogen – Steuern werden hingegen nicht berücksichtigt."
(2016, S.30)

Die Berechnungen beruhen auf veralteten Annahmen des Familienfundamentalisten Martin WERDING, dessen Publikation bereits 2013 erschienen ist und damit nicht auf der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung beruht.

In der Publikation der Lobbyisten (vgl. 2016, S.32) wird das Nettorentenniveau des Rentenversicherungsberichts mit dem Bruttorentenniveau verglichen, was HOCK bei seinen Ausführungen nicht kritisiert, sondern einfach unwidersprochen wiedergibt.

Schätzungen für das Jahr 2060 sind zudem mit großen Unsicherheiten behaftet, weshalb die Argumentation der Lobbyisten auch eher normativ als empirisch ist. Das aus ihrer Sicht Wünschenswerte (Ausbau der Kapitaldeckung) wird auf die Zukunft projiziert. Viel wahrscheinlicher ist dagegen, dass sich die Kapitaldeckung als wenig hilfreich bei der Bekämpfung der Altersarmut erweisen wird und deshalb die gesetzliche Rente wieder an Relevanz gewinnt.

Fazit: Die Berichterstattung ist einseitig und unseriös. Sie klärt nicht über die fragwürdigen Annahmen der Lobbyisten auf, sondern gibt sie unkritisch wieder. Dadurch erscheint das Sparen mit Aktien der gesetzlichen Rente gegenüber als überlegen obwohl das Gegenteil der Fall ist. Selbst mit ein DAX-Indexfond konnten in der Vergangenheit noch nach 15 Jahren Verluste gemacht werden. Die Kosten für den Sparplan sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Wer auf einzelne Aktien setzt, dem könnten sogar noch viel größere Verluste entstehen. Die zukünftige Entwicklung der gesetzlichen Rente wird dagegen zu pessimistisch dargestellt.  

WORATSCHKA, Rainer (2016): Der Armut näher.
Rentner erlitten in den vergangenen 15 Jahren einen enormen Kaufkraftverlust,
in:
Tagesspiegel v. 08.12.

Rainer WORATSCHKA berichtet über die Kritik des Statistikprofessors Gerd BOSBACH ("Neue Zahlen: Gesetzliche Renten seit 2000 dramatisch gesunken – Es ist Zeit zu handeln, Frau Nahles!") an der Verharmlosung der Rentenentwicklung in der neoliberalen Berichterstattung der Mainstreammedien zum Rentenniveau:

"(D)ie Rentenzahlungen (sanken) zwischen den Jahren 2000 und 2015 für Neurentner mit Versicherungszeiten von mehr als 35 Jahren im Schnitt von 1021 auf 848 Euro im Monat. Das ist ein Minus von 16,9 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Preise um 24,7 und das Bruttoinlandsprodukt um 18,3 Prozent.
Auch die sogenannten Bestandsrentner mit mehr als 35 Versicherungsjahren hätten gemessen an der Kaufkraft ein enormes Minus zu verkraften gehabt, sagt Bosbach. Um die Preissteigerungen in diesem Zeitraum ausgeglichen zu bekommen, hätten sie im Jahr 2015 gut 21 Prozent mehr Rente bekommen müssen. Nominal stiegen ihre Bezüge zwischen 2000 und 2015 zwar geringfügig, das Plus betrug jedoch lediglich 2,8 Prozent. Im Schnitt erhöhte sich die Rentenzahlung für diese Gruppe pro Person von 1048 auf 1078 Euro im Monat."

Grundlage der Berechnungen sind Angaben der Deutschen Rentenversicherung in ihrer Publikation Rentenversicherung in Zeitreihen vom Oktober diesen Jahres.

WOLFF, Volker (2016): Augen zu und durch - Aktien lohnen dauerhaft.
Die Vermögensfrage: Die deutschen Anleger ziehen sich aus Aktien und Fonds zurück. Dabei wurde mit Renditen um acht Prozent belohnt, wer in den vergangenen 50 Jahren in Aktien investierte und die Papiere länger hielt. Egal, wann er kauft,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 10.12.

Volker WOLFF macht sich zum Helfershelfer des DAI, dessen Interessen auf die Überredung von potenziellen Altersvorsorgesparern abzielt. Zuerst jammert WOLFF über die dummen Deutschen, die nicht wissen was gut für sie ist.

"Seit Jahren listet das DAI sorgfältig auf, mit welcher Rendite ein Käufer aller Dax-Aktien belohnt wurde (...). Die Ergebnisse berücksichtigen Kursgewinne und Dividenden. Sie sind allerdings etwas zu schön, weil sie vor Steuern und ohne Kosten ermittelt wurden. Das ist nicht ganz die Realität der Anleger",

verharmlos WOLFF ganz im Sinne der Finanzdiensleistungslobby. Warum werden die Kosten nicht von den Renditen abgezogen? Offenbar ergäbe sich dann ein Minus. Die Zahlen, die uns WOLFF liefert, sind zudem geschönt:

"Tabelle 1 zeigt die Schicksale unterschiedlicher Anlagedauern in den vergangenen 50 deutschen Börsenjahren. Wer irgendwann in diesem Zeitraum Aktien kaufte und diese fünfzehn Jahre hielt, erwirtschaftete meist eine jährliche Rendite von achteinhalb Prozent. Unabhängig vom Kaufzeitpunkt. (...). Entscheidend bei dieser Anlagedauer: Es gab am Ende nie einen Verlust, die schalen 2,3 Prozent waren das schlechteste aller Ergebnisse unter den fünfzehnjährigen Anlagezeiträumen."

Das widerspricht der aktuellen Studie des DAI:

"Bei historischen DAX-Sparplänen von 15 Jahren betrug (...) der Verlust für die schlechteste 15-Jahres-Periode (...) noch -0,4 Prozent." (2016, S.21)"

Bei der Tabelle von WOLFF fehlt die Quellenangabe. Offenbar weil sonst jedem ersichtlich wäre, dass die Angaben veraltet sind. Oder welchen anderen Grund sollte es dafür geben?

Das wirkliche Problem beschreibt WOLFF dann folgendermaßen:

"Mit Aktien kann schnell auch mal ein Drittel des Anlagevermögens vernichtet werden."

WOLFF rät deshalb, dass neben Aktien eine "ausreichend gefüllte Kasse" benötigt wird, um solche Einbrüche auszusitzen. Geringverdiener, die derzeit vorrangig auf die Kapitalmärkte gelockt werden sollen, besitzen solche Voraussetzungen nicht - und ob sie den Ruhestand überhaupt erreichen, ist noch eine ganz andere Frage. Aktien als Altersvorsorge? Schlechterverdiener sollten davon die Finger lassen! Es gibt zudem keinerlei Garantie dafür, dass sich die Rendite der Vergangenheit auch zukünftig erwirtschaften lassen. 

LOOMAN, Volker (2016): Studenten.
Lebt, statt euch wegen der Rente zu sorgen!
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 13.12.

Für Volker LOOMAN steht das Projekt Altersvorsorge für Studenten bzw. Berufsanfänger ganz hinten auf der Liste wichtiger Projekte.

MOHR, Daniel (2016): Das blaue Wunder.
Die Vermögensfrage: Die Aktienkurse sind nun das fünfte Jahr in Folge gestiegen. Das ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Höchste Zeit, dass sich die Deutschen am Erfolg ihrer Unternehmen beteiligen,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 24.12.

"Aktien haben keine Lobby", behauptet dreist Daniel MOHR. Dabei wird uns tagein tagaus die Aktie als Königsweg gepriesen. Die Verkünder meinen aber gar nicht die Aktie, sondern nur ETF-Indexfonds, also Nachbildungen der Entwicklung von Aktienindexen wie dem DAX. Dazu werden uns vollmundige Renditen versprochen, die in der Realität nie erreichbar sind. Die Überschrift Das blaue Wunder bezieht sich auf das Renditedreieck des Deutschen Aktieninstituts, das oberster Lobbyist der Aktie ist. Damit sollen wir an unserer Renditegier gepackt werden. Und es gerade diese Dreistigkeit der Lobbyisten, die Skeptizismus erregt. Denn nirgendwo lesen wir etwas über die Kosten, denn schließlich sind zwar im DAX immer 30 Unternehmen, aber nicht unbedingt dieselben. Die Aktienanteile müssen also ständig den neuen Gegebenheiten angepasst werden - das kostet entweder Zeit oder Geld, meist beides. Bei den Kosten wird der bei Renditen redselige MOHR ziemlich einsilbig und wortkarg:

"Ein Depot zu eröffnen kostet in der Regel nichts. Je nach Bank können aber Depotgebühren verlangt werden. Viele Banken bieten aber auch eine kostenlose Depotführung. Auch die Gebühren für den Kauf einer Aktie sind höchst unterschiedlich. Manchmal gibt es Fixbeträge von zum Beispiel 3,90 Euro je Transaktion. Manchmal gibt es Fixbeträge von zum Beispiel 0,5 Prozent. Manchmal gibt es aber auch Aktionen mit kostenlosem Handel, gerade nach einer Depoteröffnung."

Hätte MOHR mehr Aufwand auf die Kostenaufschlüsslung verwendet, statt uns unrealistische Renditemöglichkeiten vorzusetzen, es wäre glaubhafter gewesen. Aber wer sich nur  als Marketingableger der Börse versteht, der kann sich nicht vorstellen, dass es berechtigte Einwände gegen die Marktgläubigkeit gibt. Glaubwürdigkeit ist schneller verspielt als zurückgewonnen!

 
     
 
       
   

weiterführender Link

 
       
     
       
   
 
   

Bitte beachten Sie:
single-generation.de ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten

 
   
 
     
   
 
   
© 2002-2019
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 08. Februar 2019
Update: 13. Februar 2019