2013
DRIBBUSCH, Barbara (2013): Mit 68 noch als Girlie an der Kasse
sitzen.
Alter: Eine Studie der
Ruhr-Universität Bochum wagt eine Langfristprognose bis 2060:
Dann ist nur noch ein Drittel der Bevölkerung jünger als 65
Jahre. Deshalb sollten alle in Zukunft noch länger arbeiten,
in:
TAZ v. 12.03.
Die Bertelsmann-Stiftung,
das Sturmgeschütz des Neoliberalismus, hat eine Studie zur
Reform des Rentensystems in Auftrag gegeben. Bereits die
Auswahl des Autors, Martin WERDING (ein Schüler von
Hans-Werner SINN) statt z.B. Gerd BOSBACH, ist Garant dafür,
dass Kaffeesatzlesen höhere Weihen erfährt.
Wesentlich interessanter
als die Studie selbst, die das Papier nicht wert ist, auf das
sie geschrieben steht, ist deshalb die
umfassendere Methodenstudie, in denen die grundlegenden
Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung aufgeführt sind. Die
Überlegungen von WERDING sind nur bei folgenden Gegebenheiten
relevant:
"die
zusammengefasste Geburtenziffer bleibt bis 2060 konstant auf
dem Wert für 2008 (1,376)
• die Lebenserwartung bei
Geburt steigt entsprechend dem Trend der Jahre von 2000 bis
2008 bei Frauen bis 2060 auf 91,2 Jahre, bei Männern auf
87,7 Jahre
• der
Wanderungssaldo erhöht sich bis 2020 wieder auf einen
Zuwanderungsüberschuss in Höhe von 150.000 Personen pro Jahr
(Zuwanderer: 800.000, Auswanderer 650.000) und bleibt
anschliessend bis 2060 konstant."
(2013, S.29)
Bereits der Wert 1,376 der zusammengefassten Geburtenziffer
entspricht nicht der tatsächlichen heutigen
Geburtenentwicklung, die bei den
Babyboomern (Geburtsjahrgänge 1955 bis 1970) bei über 1,6
liegt. Dass die Geburtenentwicklung über 50 Jahre konstant
bleiben soll - angesichts der familienpolitischen Reformen -
ist ebenfalls nicht realistisch.
Entscheidender als die
bereits Geborenen, ist die Entwicklung bei denjenigen, die in
den nächsten Jahrzehnten geboren werden. Dies findet jedoch
keine Berücksichtigung in der Studie, wie die Annahmen zur
Geburtenentwicklung bis 2060 deutlich zeigen.
Der Berechnung von WERDING
liegen zudem veraltete Daten zur Bevölkerungsfortschreibung
zugrunde, die durch den 2011 durchgeführten Zensus deutlich
revidiert werden müssen. Warum wurde mit der Studie also nicht
zum Vorliegen der Zensusergebnisse gewartet? Könnte es sein,
dass man erwartet, dass diese andere Tendenzen nahe legen
würden?
Fazit: Die Studie ist alles
andere als seriös. Sie soll lediglich das nahe legen, was von
der Bertelsmann-Stiftung gewünscht ist: drastische weitere
Rentenreformen. Offenbar ist der Stiftung die aktuelle Debatte
um die zunehmende Altersarmut ein Dorn im Auge.
GOTTHOLD, Kathrin & Holger ZSCHÄPITZ (2013): Kampf der Systeme
gegen die Altersarmut.
Rentenlücke steigt deutlich.
Im Wahljahr stellt sich mehr denn je die Frage, wer sie füllen
soll,
in:
Welt v. 25.04.
GOTTHOLD & ZSCHÄPITZ
berichten über eine neue Auftragsstudie von Martin WERDING für
ein Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche. Bereits im
März hatte seine
Auftragsstudie für die neoliberale Bertelsmann-Stiftung
Aufsehen erregt, weil sie in den Medien mit überhöhten Angaben
zur Alterung in Deutschland lanciert worden war (eine Kritik
der zugrunde liegenden Annahmen der Studie
wie auf single-generation.de
wurde in den Medien erst gar nicht geleistet!). So war
selbst in der taz zu
lesen:
"Während heute der Anteil
der über 65-Jährigen bei 30 Prozent an der Bevölkerung
liegt, sieht die Prognose für 2030 einen Anteil von 49
Prozent und für 2060 von 63 Prozent dieser Altersgruppe
vor."
In einem
Interview mit der jungen Welt, erläutert der
Statistiker Gerd BOSBACH:
"63 Prozent, das wären
von drei Einwohnern zwei, die über 64 Jahre als sein sollen.
Das ist in keiner Gesellschaft möglich. So ein Fehler ist
fatal. In der zugrundeliegenden Studie der Uni Bochum stand
auch korrekt, daß der Altenquotient 63 betrage, also 2060
auf 100 Erwerbsfähige 63 Ältere kämen. Zusammen mit Kindern
und Jugendlichen ergäbe das einen Bevölkerungsanteil von
knapp 33 Prozent."
Während die Auftragsstudie
für die Bertelsmann-Stiftung auf weitere Reformen zur
Erhöhung des Renteneintrittsalters abzielte, errechnet die
neue Studie eine hohe Vorsorgelücke - und zielt damit in die
gleiche Richtung: Stärkung des Kapitaldeckungsverfahrens und
Schwächung des Umlageverfahrens in der Alterssicherung.
GOTTHOLD & ZSCHÄPITZ weisen zu Recht auf das Eigeninteresse
der Auftraggeber der Studie hin:
"Auftraggeber
der Studie ist das Anlagehaus Fidelity Investment, dem ein
Eigeninteresse an einer möglichst großen Rentenlücke nicht
abzusprechen ist."
Bedenklich
ist, dass eine Auftragsstudie durch den Hinweis geadelt wird,
dass mitgeteilt wird, der Autor sei auch Professor an einer
deutschen Universität. Warum der Hinweis auf die Professur,
statt auf weitere Auftraggeber des Autors? Das wäre zur
Bewertung der Position des Autors doch weitaus sinnvoller.
2014
SCHERFF, Dyrk (2014): Nur Dumme arbeiten länger.
Die Rente mit 63 ist noch viel
attraktiver als gedacht. Wer bis 65 arbeitet, muss schon 100
werden, damit sich das lohnt,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 25.05.
LOOMAN, Volker (2014): Der Einfluss von Zinsen hält sich bei
vielen Geldanlagen in Grenzen.
Die
Vermögensfrage: Die meisten Anleger überschätzen die Bedeutung
von Zinseszinsen, weil die meisten Sparverträge nur wenige Jahre
laufen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.06.
Während uns bei der
Altersvorsorge gerne die Wichtigkeit des Zinseszins erklärt
wird, sieht das Volker LOOMAN ganz anders:
"Der Traum vom Millionär
ist so alt wie die Menschheit. Folglich ist es kein Wunder,
dass Verkäufer von Investmentfonds mächtig Eindruck
schinden, wenn sie jungen Zuhörern vorrechnen, dass aus
10.000 Euro bei einer Rendite von 10 Prozent nach 50 Jahren
rund 1.174.000 Euro werden. Die Kalkulation ist mathematisch
korrekt, doch die Rechnung geht an der Realität vorbei.
Erstens gibt es nur wenige Leute, die im Alter von 20 Jahren
mal eben 10.000 Euro zur Verfügung haben, zweitens sind
jährliche Renditen von 10 Prozent nach Abzug von Spesen und
Steuern fromme Wünsche, und drittens sind Menschen, die Geld
aus purer Lust an dessen Vermehrung ein halbes Jahrhundert
anlegen, im besten Sinne des Wortes seltene Paradiesvögel."
Bei der Altersvorsorge
setzt LOOMAN auf Aktien:
"Sparer sind an Renditen
interessiert, die nach Kosten, Steuern und Inflation noch
Überschüsse abwerfen. Bei diesen Wünschen gilt weiter das
alte Motto, dieses Mal aber in abgeänderter Form: Erst die
Sparrate, dann die Sicherheit, dann der Zins, und das klappt
bei einer Laufzeit von 25 bis 30 Jahren nur mit Hilfe von
Aktien."
BLANK, Florian (2014): Die
betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung –
Regulierung, Verbreitung und verteilungspolitische Aspekte,
In: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 3, S.
129-142
Anlässlich von
regierungsamtlichen Bestrebungen zur Stärkung der
betrieblichen Altersversorgung (bAV) bemängelt Florian BLANK
die Folgen des Status Quo in der bAV und leitet daraus
folgende Forderungen für eine Weiterentwicklung ab:
"Die Große Koalition
strebt ausweislich ihres Koalitionsvertrags an, die
betriebliche Altersversorgung zu stärken. Sie müsse auch für
Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben
selbstverständlich werden (CDU et al. 2013: 72). Soll der
eingeschlagene rentenpolitische Pfad – die Alterssicherung
im Mehr-Säulen-Modell bei Absenkung des Leistungsniveaus der
gesetzlichen Rentenversicherung – fortgeführt werden und
wird darum auch eine weitere Verbreitung und
Weiterentwicklung der Entgeltumwandlung angestrebt, muss
meines Erachtens geprüft werden, wie eine sinnvolle
sozialpolitische Regulierung aussehen soll, die auch die
beschriebenen
verteilungspolitischen Wirkungen berücksichtigt. Das
bedeutet einerseits eine Unterstützung der Bemühungen der
Sozialpartnerinnen/-partner etwa durch
Allgemeinverbindlicherklärungen und das Dringen auf
flächendeckende Arbeitgeberzuschüsse mindestens in Höhe der
eingesparten Sozialversicherungsbeiträge oder – so rechtlich
möglich – sogar die Verpflichtung zu solch einem Zuschuss.
Durch die Weitergabe der Sozialversicherungsbeiträge ist die
paritätische Finanzierung der Absicherung der Beschäftigten
im Übrigen noch nicht wiederhergestellt. Das bedeutet
andererseits aber auch die Korrektur der
Sozialabgabenfreiheit des umgewandelten Entgelts, also
zumindest die Verbeitragung des Entgelts in der
Rentenversicherung. Zu diskutieren wäre des Weiteren eine
Aufteilung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
auf die Phase vor und nach der Verrentung, das heißt die
Abkehr von der vollen Verbeitragung der bAV-Leistungen und
der vollen Beitragsfreiheit des umgewandelten Entgelts."
2015
HANDELSBLATT-Titelgeschichte: Der falsche Prophet.
Die fünf
Irrtümer des Ökonomen Hans-Werner Sinn |
RÜRUP, Bert (2015): 4. Kinderrente.
Würde
Hans-Werner Sinns Forderung nach weniger staatlicher Rente
für Kinderlose durchgesetzt, wäre dies fatal für die ganze
Gesellschaft,
in:
Handelsblatt v. 16.01.
"Mit Ausnahme des
archaischen bäuerlichen Familienverbandes ist (...) jedes
Alterssicherungssystem eine Versicherung gegen die
wirtschaftliche Abhängigkeit von den eigenen Kindern im
Alter. Dies stellt eine sozialstaatliche Errungenschaft dar
und keinen Defekt unserer 125 Jahre alten
Rentenversicherung.
Die von Sinn vorgeschlagene Eliminierung der Versicherung
gegen Kinderlosigkeit unter Beibehaltung der Absicherung
gegen eine Undankbarkeit oder unzureichende ökonomische
Möglichkeiten der Kinder ist daher nicht konsequent. Zu Ende
gedacht, müssten die Eltern auf ihre eigenen Kinder
verwiesen werden, wenn sie ein Alterseinkommen oberhalb
einer kollektiven Basisabsicherung erhalten wollen. Und
anders, als Sinn vermutet, gibt es bislang weder eine
wirklich belastbare Theorie des generativen Verhaltens noch
einen Beleg dafür, dass unsere gesetzliche
Rentenversicherung der Grund für die seit 1970 so geringen
Geburtenraten ist. Die Elternrente wäre daher definitiv kein
Garant für mehr Geburten. Darauf wurde des Öfteren von
Forschern des Max-Planck-Instituts für demografische
Forschung in Rostock hingewiesen,"
kritisiert Bert RÜRUP die
von Hans-Werner SINN verfochtene
Rente nach
Kinderzahl. Eine "bevölkerungsorientierte
Familienpolitik", neudeutsch für Bevölkerungspolitik, ist für
RÜRUP eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuern zu
finanzieren ist und nicht wie z.B. die Mütterrente, die nur
den Beitragszahlern des Rentensystems aufgebürdet wird.
THELEN, Peter
(2015): Der Rentenschock.
Trotz gegenteiliger Versprechen der
Politik: Die Rentenkasse wird in Zukunft rote Zahlen schreiben. Nun
schlägt der Präsident der Rentenversicherung Alarm. Er fordert die
Anhebung des Beitragssatzes bereits Anfang 2018,
in:
Handelsblatt v. 02.03.
Das Titelbild zeigt eine
dramatisch fallende Kurve, aber nicht etwa der Rentenkasse,
sondern des Rentenniveaus! Herbert RISCHE beschreibt das
Problem folgendermaßen:
"Nach der Senkung des
Rentenbeitrags auf 18.7 Prozent im Januar und wegen der
Kosten des Rentenpakets, aber auch wegen der demografischen
Entwicklung greifen wir zur Finanzierung unserer laufenden
Ausgaben auf unsere Rücklagen zurück. Nach unseren
Schätzungen werden die Reserven 2019 die gesetzliche
Untergrenze von 0,2 Monatsausgaben unterschreiten, so dass
der Beitragssatz erhöht werden muss".
Das Rentenpaket 2014
gilt (nicht nur) Neoliberalen als Fehler. Vor allem die
Finanzierung der Mütterrente aus Beiträgen, statt aus
Steuermitteln kommt einem gezielten Angriff auf die
gesetzliche Rente gleich, während die Rente ab 63 dagegen
lediglich Kosmetik darstellt, die dagegen nur wenigen Rentnern
zugute kommt.
Nur eines ist falsch:
Die demografische Entwicklung wird die Finanzlasten nicht in
die Höhe treiben, sondern im Gegenteil mildern. Dafür erfinden
dann Neoliberale den irreführenden Begriff eines
"demografischen Zwischenhochs". Noch dämlicher ist lediglich
der Begriff der "demografischen Pause" (RÜRUP). Der
demografische Wandel ist eine Rahmenbedingung jeder
Gesellschaft, denn die demografischen Parameter ändern sich
ständig. Vor allem existieren Wechselwirkungen mit allen
gesellschaftlichen Entwicklungen - auch dann, wenn die
Ökonomen dem keine Bedeutung beimessen.
KLEMM, Thomas
(2015): Rentner sorgen für Rendite.
Die
Menschheit wird älter. Demographie-Fonds machen sich das zunutze,
in: Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung
v. 16.08.
Thomas KLEMM beschreibt,
wie Finanzdienstleister mit Demographie-Fonds ihre
Produktpalette erweitern. Marketingexperten umschreiben mit
Etiketten wie "Silver Ager" oder "Silver-Age-Economy" die
kaufkräftigen, fitten Alten, aber auch die Betagten sollen
der Medizinbranche Auftrieb geben:
"Die Weltbevölkerung wird
immer größer und älter. Zudem wird die Mittelschicht immer
breiter, vor allem, weil sie in den Schwellenländern
wächst."
Ob Demographie-Fonds aber
rentabler sind als andere Fonds, muss sich erst erweisen.
BUNDESREGIERUNG (2015): Beitrag bleibt, Rente steigt.
Rentenversicherungsbericht
2015: Die Rentenbeiträge für 2016 bleiben voraussichtlich bei
18,7 Prozent. Die Rente könnte nach Berechnungen des
Rentenversicherungsberichts zum 1. Juli 2016 um 4,4 Prozent in
den alten und um 5 Prozent in den neuen Bundesländern steigen.
Den Bericht hat das Bundeskabinett beschlossen,
in:
bundesregierung.de v.
18.11.
2016
SCHERFF, Dyrk (2016): Die demographische Falle.
Früher war es so, dass die
Alten die Jungen finanzieren. Jetzt dreht sich das. Was kann man
da machen?
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 14.02.
"Schon in wenigen Jahren
wird die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter merklich
schrumpfen - und mit ihr die Zahl der Neugeborenen,
wiederholt Dyrk SCHERFF das
Mantra des Statistischen Bundesamtes angesichts der steigenden
Geburtenrate in Deutschland. Optimismus ist nämlich schlecht
für die Wirtschaft, so scheint man in Deutschland zu glauben.
Die Aussage ist jedoch in dieser Form falsch, denn sie basiert
auf einer Vorausberechnung, die nicht auf einer steigenden
Geburtenrate, sondern auf einer gleich bleibenden Geburtenrate
bis 2060 basiert.
Einzig die Rente ab 63 (fälschlicherweise
als Rente mit 63 bezeichnet), die jedoch nur für Wenige
gilt, und die Mütterrente, die durch die Beitragsfinanzierung
nur falsch finanziert ist, da es sich um eine
gesamtwirtschaftliche Aufgabe handelt, werden von SCHERFF
kritisiert.
Angeblich finanzieren nun
die Jungen die Alten, während es früher umgekehrt war. Dazu
wird eine im Text nicht näher bezeichnete und zudem
umstrittene Studie zitiert. Die Grafik des Artikels verweist
als Quelle auf Roland statt auf Ronald LEE und Andrew MASON,
von denen das Buch
Population Aging and the Generational Economy (2011)
erschienen ist. Für Deutschland wird das renommierte
Max-Planck-Institut für demographische Forschung in Rostock
als teilnehmendes Institut genannt. Zum Thema gibt es u.a. das
Arbeitspapier
Transfers, Consumption and Income over the Lifecycle in
Germany von
Fanny Annemarie KLUGE. In Kapitel 3 wird das Konzept und
die Datengrundlage für Deutschland erläutert. Grundlage für
Deutschland ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
(EVS), bei der die gut verdienenden Haushalte in Deutschland
gar nicht enthalten sind. Hier wird also auf eine fragwürdige
Datengrundlage zurückgegriffen, die große Teile privater
Transfers gar nicht erfasst.
In Deutschland finanzieren
nicht die Alten die Jungen, sondern die Erwerbstätigen
finanzieren Alte und Junge. Grundlage der Berechnungen sind
angeblich private und staatliche Transfers. Bei den privaten
Transfers sollen z.B. Erbschaften oder sonstige Zuwendungen
und Sachleistungen der Großeltern und Eltern betrachtet
werden. Da der EVS eine Haushaltsstichprobe ist, werden
Großeltern nur erfasst, wenn sie im Haushalt mit den Eltern
zusammen leben, was jedoch nur selten der Fall ist. Die
Forscher sehen gemäß SCHERFF keine Veränderungen, was jedoch
nur stimmen würde, wenn die Altersarmut in Zukunft nicht
zunehmen würde. Zu den privaten Transfers müssten jedoch auch
die Zuwendungen von Onkeln und Tanten zählen, die in Zukunft
sogar wichtiger werden. Dies ist ebenfalls nicht der Fall. Die
Berechnungen sind also alles in allem sehr dürftig.
Typisch für alarmistische
Artikel wie jener von SCHERFF ist die Beschwörung eines
zukünftigen Generationenkonflikts. Dazu hat sich Bernd
RAFFELHÜSCHEN bereit gefunden:
"One Gegenmaßnahmen wird
ein Generationenkonflikt entstehen, nicht zwischen den
heutigen Erwerbstätigen und heutigen Alten, sondern zwischen
den Erwerbstätigen und ihren wenigen Kindern."
Auf die Frage, ob sich der
bevorstehende Generationenkonflikt entschärfen lässt, spielt
SCHERFF mögliche Lösungen durch:
1. Steigerung der
Geburtenrate:
"mehr Geburten (wären)
derzeit für Deutschland gar nicht optimal. Denn das würde
die finanziellen Lasten durch Erziehung und Ausbildung genau
dann steigen lassen, wenn auch das Renten- und
Gesundheitssystem besonders belastet wird - weil die
Babyboomer in Rente gehen."
2. Mehr Zuwanderung:
Angesichts der Flüchtlingskrise sieht SCHERFF auch in mehr
Zuwanderung keine Lösung.
3. Die Erhöhung der Lebenserwartung könnte mit geringeren
Gesundheitskosten einhergehen als bislang befürchtet.
4. Die Verlängerung der
Lebensarbeitszeit, das Hauptanliegen von SCHERFF sieht er am
Widerstand der Bevölkerung scheitern. Diese Sichtweise ist
jedoch dem zweckpessimistischen Blick geschuldet, während in
der Realität die Rente ab 63 keineswegs den Trend zur längeren
Lebensarbeitszeit verhindert.
SCHERFF, Dyrk (2016): "Die Inflation kommt zurück".
Der Chefökonom der USB,
Reinhard Cluse, sieht die Inflation bald bei 2 Prozent. Das ist
gut so. Denn dann gibt's mehr Zinsen,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 10.04.
"Die Renditen
amerikanischer Staatsanleihen werden zulegen, und davon kann
sich Deutschland nicht abkoppeln. Zudem erwarten wir, dass –
wie lange erhofft – die Inflation zurückkehrt. Am Jahresende
könnte sie bei 0,9 Prozent liegen, Ende kommenden Jahres
schon bei 1,7 Prozent und damit in der Nähe des Niveaus, das
sich die Europäische Zentralbank (EZB) vorstellt",
erläutert uns Reinhard
CLUSE. Dies wird mit der Entwicklung des Ölpreises, der
Nahrungsmittelpreise und des Wirtschaftswachstums begründet.
KERSCHBAUMER, Judith (2016): Vorschläge zur Stärkung der bAV für
Geringverdiener.
Reform der betrieblichen
Altersversorgung aus der Sicht von ver.di,
in:
Soziale Sicherheit,
Heft 6, S.225-230
Judith KERSCHBAUMER erklärt uns, dass es
vor allem im Niedriglohnsektor keine "generöse
arbeitgeberfinanzierte" betriebliche Altersversorgung (bAV)
gibt. Daraus zieht sie folgende Forderungen:
"Die Stärkung der bAV
darf deshalb weder als Kompensation einer dringend
notwendigen Umsteuerung und Stärkung der ersten Säule - der
GRV angesehen werden noch darf der Auf- und Ausbau der bAV
zu einer weiteren Reduzierung der gesetzlichen
Rentenanwartschaften führen."
KERSCHBAUMER bemängelt,
dass trotz des seit 2002 bestehenden Rechtsanspruchs auf
Entgeltumwandlung die Verbreitung unzureichend sei. Außerdem
beklagt sie, den Rückzug der Arbeitgeber aus ihrer
Verantwortung. Damit meint sie die zunehmende Verlagerung der
Finanzierung der bAV auf die Arbeitnehmer und die
zurückgenommene Ausfallhaftung. Sie fordert deshalb eine
Umkehr dieses Trends.
KERSCHBAUMER geht es
insbesondere um Verpflichtungen der Arbeitgeber. Hierzu
erwähnt sie die gesetzliche Regelung in der Schweiz, die
Arbeitgeber dazu verpflichtet, dass sie sich mindestens
paritätisch an der Finanzierung der bAV beteiligen müssen.
KERSCHBAUMER weist
insbesondere darauf hin, dass Frauen, die sowieso meist
niedrigere gesetzlichen Renten beziehen, auch in der bAV
benachteiligt sind, weil sie meist in kleineren Betrieben ohne
bAV arbeiten. Sie fordert zudem die Anrechnung der bAV auf die
Grundsicherung zu reduzieren.
Die Folgen der
Entgeltumwandlung werden von KERSCHBAUMER nur einseitig aus
Sicht des Betriebsrentenempfänger beschrieben, dessen
gesetzliche Rente sich dadurch reduziert. Beispielhaft wird
das sogar am Maximalbetrag einer solchen Entgeltumwandlung von
2.976 Euro unter aktuellen Bedingungen (Stand 1. Juli 2016)
vorgerechnet:
"Würde ein Westdeutscher
20 Jahre in diesem Umfang Entgeltumwandlung betreiben, käme
es (in heutigen Werten) zu einer monatlichen Rentenminderung
von 50 Euro".
Dies ist jedoch eine
Milchmädchenrechnung, weil die Entgeltumwandlung gleichzeitig
aufgrund des Eingriffs in die Mechanismen der gesetzlichen
Rente nicht nur Folgen für die Betriebsrentenempfänger haben,
sondern für alle Empfänger einer gesetzlichen Rente.
Florian BLANK beschreibt in seinem Beitrag Die
betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung –
Regulierung, Verbreitung und verteilungspolitische Aspekte
in der im Vierteljahresheft zur Wirtschaftsforschung 3
aus dem Jahr 2014 deshalb die Folgen der Entgeltumwandlung u.
a. mit Hinweis auf Winfried SCHMÄHL und Angelika OELSCHLÄGER
(2007) in drei Punkten folgendermaßen:
"Erstens
reduziert sich durch die Verminderung des
sozialversicherungspflichtigen Entgelts für die/den
Einzelne/n der Anspruch auf Arbeitslosengeld und Rente aus
der GRV. Ob sich die bAV durch Entgeltumwandlung für die/den
Einzelne/n tatsächlich rechnet und sie/er die
Versorgungslücke schließen kann, hängt von der Höhe und
Entwicklung der bAV-Anwartschaft ab – also häufig auch von
der Entwicklung der Kapitalmärkte –, vom künftigen Wert der
Ansprüche im Vergleich zu Ansprüchen gegenüber der GRV
(dieser Wert wird wiederum durch die Nutzung der
Entgeltumwandlung beeinflusst, siehe im Folgenden), der
Belastung durch Steuern und Sozialabgaben, aber auch von den
abgesicherten Risiken und der Anpassung der Leistungen im
Rentenbezug (...).
Zweitens werden durch die Sozialabgabenfreiheit die
Einnahmen der Sozialversicherung reduziert. Bei gegebenem
Ausgabenniveau – etwa in der Krankenversicherung – führt das
zu steigenden Beitragssätzen (...). Unter der Annahme, dass
durch die bAV durch Entgeltumwandlung auch die
sozialversicherungspflichtigen Alterseinkommen erhöht
werden, bedeutet dass eine zeitliche Verschiebung in der
Beitragsbasis in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Angesichts der in der Regel niedrigeren Alterseinkommen (im
Vergleich zu den vorher erzielten Erwerbseinkommen) kann das
jedoch mit einen Verlust für die Sozialversicherung
einhergehen.
Zudem impliziert die Reduzierung der Einnahmen der
Sozialversicherung eine Umverteilung zwischen
Arbeitnehmerinnen/-nehmern, die eine Entgeltumwandlung in
Anspruch nehmen und denen, die es nicht tun. Bezug nehmend
auf die Arbeitskostenerhebung des Statistischen Bundesamtes
argumentiert Kerschbaumer (2011: 46), dass bei einer
Umwandlung von insgesamt sieben Milliarden Euro im Jahr 2008
der Sozialversicherung unter der Annahme, dass dieser Betrag
sozialabgabenfrei umgewandelt wurde, knapp drei Milliarden
Euro entgingen, der GRV 1,5 Milliarden Euro.
Drittens wirkt die Reduzierung des
Bruttoarbeitsentgelts vermittelt über die Rentenformel auf
die jährliche Rentenanpassung zurück und mindert die
Anpassung des Rentenwertes. Die Entgeltumwandlung führt also
dazu, dass die Rentenansprüche auch derjenigen reduziert
werden, die eine Entgeltumwandlung nicht nutzen,
einschließlich der aktuellen Rentnerinnen/Rentner (...).
Von den verteilungspolitischen Folgen sind nicht nur
Beschäftigte betroffen, auch die Arbeitgeber der
Beschäftigten, die die Entgeltumwandlung nicht nutzen,
werden benachteiligt (...). Daten zur Nutzung der
Entgeltumwandlung (...) legen nahe, dass die
Subventionierung der Entgeltumwandlung eher gut verdienenden
Beschäftigten zugute kommt".
(2014, S.132f.)
Die Entgeltumwandlung hat
also wesentlich weitreichendere Folgen, die von KERSCHBAUMER
in ihrer Sicht auf die bAV nur unzureichend erörtert werden.
Stattdessen argumentiert sie nur im Hinblick auf eine Stärkung
der bAV und damit allein im Interesse der
Betriebsrentenempfänger. Sie fordert deshalb eine gesetzliche
Verpflichtung der Arbeitgeber, die "ungerechtfertigte
Sozialversicherungsersparnis" bei der Entgeltumwandlung an die
Arbeitnehmer weiterzugeben. Sie verweist darauf, dass dies
auch im Gutachten für das Bundesfinanzministerium gefordert
werde:
"In diesem Gutachten wird
es für sachgerecht erachtet, den Pflichtzuschuss auf 18 % zu
pauschalieren und auf solche Arbeitnehmer zu beschränken,
deren Bruttogehalt vor der Entgeltumwandlung die BBG in der
Krankenversicherung (derzeit: 50.850 Euro pro Jahr) nicht
übersteigt."
Inwiefern dieser Vorschlag
ausreichend wäre, die schädlichen Folgen für die gesetzliche
Rente zu mindern oder gar zu vermeiden, wird von KERSCHBAUMER
nicht erörtert. Stattdessen fordert sie die seit 2004 geltende
"volle und alleinige
Tragung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) durch die Betriebsrentner"
wieder rückgängig zu
machen. Eine Tabelle zeigt die Beitragszahlungen eines
kinderlosen Arbeitnehmer in der Arbeits- und Rentenphase auf.
Kinderlose müssen aufgrund eines BVG-Urteils höhere Beiträge
zur Pflegeversicherung leisten als Arbeitnehmer mit Kindern.
Die Vorschläge des Gutachtens im Auftrag des
Bundesfinanzministeriums findet KERSCHBAUMER als ungenügend:
"Das BMF-Gutachten nimmt
diese Problematik nur im Hinblick auf die betriebliche
Riester-Rente in seiner Empfehlung 2 im Rahmen der
staatlichen Arbeitnehmerförderung auf. (...).
Diese - als Alternative zu einem bAV-Förderbetrag
vorgeschlagene staatliche Arbeitnehmerförderung - ist
abzulehnen. Das Vertrauen in die Riester-Rente ist stark
gesunken und so erscheint es unsinnig, weiteres Geld in ein
im Auslaufen befindliches System zu pumpen."
KERSCHBAUMER wendet sich
deshalb den Vorschlägen des Gutachtens zur bAV-Förderung zu.
Mögliche Wirkungen einer solchen Förderung auf die
Betriebliche Altersvorsorge werden an einer Beispielrechnung
aufgezeigt. Die genaue Ausgestaltung der Förderung ist für sie
offen:
"Ob nur Gering- oder auch
Niedrigverdiener bzw. alle Beschäftigten in den Genuss
kommen sollen, geht aus dem Vorschlag noch nicht hervor."
KERSCHBAUMER fordert eine
gesetzliche Verpflichtung zur bAV-Förderung. Danach kommt sie
noch einmal auf die Rückwirkungen der bAV auf die GRV zu
sprechen:
"(J)egliche Form von
Sozialversicherungsfreiheit (mindert) die gesetzlichen
Rentenanwartschaften. Um Armut im Alter zu begegnen und von
dem Grundsatz ausgehend, dass die GRV-Rente eine möglichst
weitgehende Lebensstandardsicherung gewährleisten soll, ist
deshalb die Sozialversicherungsfreiheit so weit wie möglich
zu begrenzen."
Darüber hinaus will
KERSCHBAUMER jedoch das "Sparen aus dem Netto" verhindern und
deshalb die 4 %-Grenze der Entgeltumwandlung aushebeln. Sie
begründet dies damit, dass dies für Besserverdienende schon
heute möglich sei:
"Schon
heute ist bei geschickter Kombination verschiedener
Durchführungswege ein höherer Beitrag als 4 % der BBG
steuer- und sozialversicherungsfrei (...). Wer die
organisatorischen Möglichkeiten dadurch nutzen kann, indem
der Arbeitgeber mehrere Durchführungswege zur Verfügung
stellt und einen entsprechenden Spielraum zur Verfügung hat,
kann einen höheren Betrag steuer- und beitragsrechtlich
privilegiert für die bAV verwenden. Dies betrifft regelmäßig
die Beschäftigten in oberen Einkommensbereichen, die von
Altersarmut nicht bedroht sind und ohnehin eine gute
Absicherung in der GRV besitzen."
In einer Übersicht werden
die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen
Gestaltungsmöglichkeiten in der bAV aufgezeigt. Dabei wird
einerseits zwischen den Durchführungswegen (einerseits
Direktversicherung/Pensionskasse und andererseits
Direktzusage/Unterstützungskasse) und der Einzahlungs- bzw.
Rentenphase unterschieden.
Fazit: KERSCHBAUMER geht es
in erster Linie um die Interessen von Betriebsrentnern und
zielt dabei auch auf die Abschaffung der Riester-Rente ab.
Inwiefern eine Stärkung der bAV zu Lasten der GRV gehen wird
und inwiefern KERSCHBAUMERs Vorschläge geeignet sind negative
Rückwirkungen auf die GRV zu verhindern, ist eine Frage, die
in dem Beitrag nicht aus sozial- und verteilungspolitischer
Sicht erörtert wird. Die Folgen der Entgeltumwandlung, die
Florian BLANK (2014)
aufzeigt, verdeutlichen diese Problematik.
FELD,
Lars/KOHLMEIER, Anabell/SCHMIDT, Christoph M. (2016):
Altersarmut statt Altersvorsorge.
Was läuft
falsch, und welche Reformen sind für ein zukunftsfähiges
Rentensystem nötig?
in: ifo Schnelldienst, Nr.12 v. 23.06.
FELD/KOHLMEIER/SCHMIDT reduzieren die Rentendebatte auf die
WDR-Berechnungen und folgende Maßnahmen, die sie als Popanz
aufbauen:
"Einführung einer
sogenannten solidarischen Lebensleistungsrente über die
Abschaffung des Nachhaltigkeitsfaktors in der
Rentenversicherung bis hin zur Ausweitung des
Versichertenkreises der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV)"
(2016, S.3)
Danach erklären uns die
Autoren den Sinn der Agenda-Reformen unter SCHRÖDER. Die
kapitalgedeckte Altersvorsorge wird in dieser Sicht als
"Entlastung der jüngeren Generationen in der GRV" gepriesen.
Dabei sind derzeit die Lasten der privaten Altersvorsorge
höher als diejenigen der GRV, was von den Autoren ausgeblendet
wird.
Die Autoren zitieren fast
ausschließlich sich selber, sowohl wenn sie auf das Schrifttum
des Sachverständigenrats zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Jahre ab 2009 verweisen
als auch auf namentlich gekennzeichnete Schriften. Die
Ausführungen zu den Wunschvorstellungen der Ökonomen
hinsichtlich der Reformziele sind in der laufenden
Reformdebatte hinlänglich breit getreten worden und wurden von
den Helfershelfer in den Wirtschaftsteilen der
Mainstreammedien ausgiebig rauf und runter gebetet.
Interessant ist dagegen höchstens zu wissen, wo die Zahl 5,4 %
Arme im Jahr 2030 herkommt:
"Für ein pessimistisches
Szenario ohne Verhaltensanpassung und bei schlechter
Arbeitsmarktintegration hat der
Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie (2012) einen Anstieg der
Altersarmutsquote auf 5,4 % im Jahr 2029 ermittelt."
In dem Gutachten mit dem
Titel Altersarmut vom November 2012 befinden sich
Beschäftigungsszenarien-Berechnungen nur für die 1965 - 1979
Geborenen. 2030 sind diese im Alter von 51 - 65 Jahren, haben
also gar nicht die Regelaltersgrenze erreicht.
Die Zahl von 5,4 Prozent
wird in dem ganzen Gutachten nirgends erwähnt. Stattdessen
wird uns lediglich die folgende Tabelle präsentiert, aus der
man sich seine Altersarmutsquote für das Jahr 2030
zusammenmixen kann:
Tabelle: Effekte der Reformmaßnahmen bzw. möglicher
Verhaltensänderungen auf den Anteil der
Grundsicherungsbezieher der 65-Jährigen und Älteren |
Prozentpunkte |
Reformmaßnahmen bzw. Verhaltensänderungen |
+
0,5 % |
Rentendämpfende Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors |
+
0.2 % |
Vermehrte Abschläge bei der Rente mit 67 bei
gleichbleibender Lebensarbeitszeit |
+ 0,7 % |
Rentenreformpaket
2001 - 2007 ohne Verhaltensanpassung |
-
0,3 % |
Späterer Renteneintritt durch Reaktion auf die mit
der Reform 1992 eingeführten Abschläge |
-
0,4 % |
Späterer Renteneintritt infolge der Rente mit 67 |
-
0,3 % |
Späterer Renteneintritt zur vollständigen Vermeidung
von Abschlägen |
- 1,0 % |
Mögliche
Verhaltensanpassungen aufgrund der Reformen |
+
1,0 % |
10 Jahre ALG-II-Bezug statt sozialversicherte
Beschäftigung |
+
0,7 % |
Keine Änderung der Einkommenssituation der jetzt 30-
bis 34-Jährigen in den neuen Bundesländern |
|
Quelle:
Wissenschaftlicher Beirat beim BMWI (2012): Altersarmut.
Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,
Berlin, Tabelle 1, S.10 |
Zum Ausgangspunkt und
den betrachteten Faktoren heißt es in dem Gutachten von 2012:
"Ausgehend von der
derzeitigen Verteilung der Lebenseinkünfte zu
Renteneintritt, der derzeitigen mittleren Länge der
Lebensarbeitszeit von 40 Jahren und dem heutigen Rentenrecht
ergibt sich der heutige Anteil von Grundsicherungsbeziehern
im Alter von 65 Jahren und älter, nämlich 2,6 %. Im
Folgenden wird die Abhängigkeit dieser Zahl von (...) drei
(...) Entwicklungen (Einschnitte durch das Rentenrecht,
Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse, Umkehrung der
Alterseinkommensverhältnisse zwischen Ost und West) jeweils
isoliert dargestellt. Die (...) Tabelle fasst die Ergebnisse
in Prozentpunkten des zusätzlichen bzw. abnehmenden Anteils
von Grundsicherungsbeziehern der 65-Jährigen und älteren
Menschen zusammen". (2012, S.10)
Addiert man alle hier
genannten Faktoren, dann kommt man auf höchstens 5 Prozent
(2,6 % + 2,4 %), aber nicht auf 5,4 %. Auf diesen Wert kommt
man nur, wenn man die von den Autoren genannten 3 %
(Altersarmutsquote im Jahr 2014) statt der 2,4 %
(Altersarmutsquote im Jahr 2011) nimmt. Anders formuliert: Der
demografische Wandel ist in der Altersarmutsquote verborgen.
Aber kann das sein? Und wie sähe die Situation im Jahr 2035
oder 2040 aus?
Die angegeben
Prozentanteile sind keine unverrückbaren Tatsachen wie uns die
Autoren weismachen wollen, sondern abhängig von der
demografischen Entwicklung, also inwieweit der
Nachhaltigkeitsfaktor tatsächlich in der vorgesehenen Form
dämpfend wirkt. Die von
FELD/KOHLMEIER/SCHMIDT betonte schlechte
Arbeitsmarktintegration wird vom Gutachten mit "10 Jahre
ALG-II-Bezug statt sozialversicherter Beschäftigung" für die
1965 - 1979 Geborenen repräsentiert. Hier sind gerade einmal
15 Geburtsjahrgänge betrachtet. Was aber ist mit den 1980 und
später Geborenen, die hier gar nicht betrachtet werden? Die
Arbeitsmarktsituation in den neuen Ländern wird nur durch die
Einkommenssituation der 30-34-Jährigen repräsentiert, was wohl
mehr als fragwürdig ist. Der Arbeitsmarktsituation werden 1,7
Prozent Altersarmutsquote zugeschrieben, während den
Rentenkürzungen 0,7 Prozent zugeschrieben wird. Durch
Verhaltensänderungen könnten die Rentenkürzungen sogar
überkompensiert werden - jedoch nicht eine schlechte
Arbeitsmarktsituation. Anders ausgedrückt: Nicht der
demografische Wandel ist das Hauptproblem, sondern die
Arbeitsmarktentwicklung. Inwiefern diese Annahmen jedoch
überhaupt realistisch sind, ist eine ganz andere Frage.
FELD/KOHLMEIER/SCHMIDT interpretieren dies so, dass "die
mangelhafte Integration in den Arbeitsmarkt (...) das
Altersarmutsrisiko treibt". Bildung wird deshalb als
Präventivmaßnahme gegen die Altersarmut verordnet. Die Logik
ist jedoch absurd, denn wenn das Stellenangebot nicht adäquat
ist, dann ist mehr Bildung auch keine Lösung.
Desweiteren wollen die
Autoren das Problem der Altersarmut durch die Reduzierung des
Erwerbsminderungsrisiko vermindern:
"Dazu können ein Ausbau
der betrieblichen Gesundheitspolitik sowie individuelle
Präventionsanstrengungen beitragen."
Anders formuliert: Der
Staat ist außen vor und die Bringschuld liegt bei Unternehmen
und den Beschäftigten. Außerdem wird uns die Kopplung des
Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung folgendermaßen
schmackhaft gemacht:
"Es ist vorteilhaft, den
weiteren Anstieg des Renteneintrittsalters an die
Entwicklung der (ferneren) Lebenserwartung zu koppeln. Damit
wäre sichergestellt, dass die Anpassung des
Renteneintrittsalters wirklich nur bei einem Anstieg der
Lebenserwartung umgesetzt wird. Gleichzeitig würde auf diese
Weise ein sich selbst stabilisierendes Rentensystem
geschaffen." (2016, S.6)
Die tatsächliche
Lebenserwartung eines Geburtsjahrgangs lässt sich erst dann
richtig berechnen, wenn bereits alle Mitglieder tot sind, aber
nicht im Alter von 65 Jahren. Durch unvorhergesehene
Ereignisse wie Epidemien, Kriege, Naturereignissen usw. kann
sich die tatsächliche Lebenserwartung drastisch ändern. Dies
lässt sich in einer Rentenformel nicht berücksichtigen. Die
Gewinner eines solchen Automatismus wären die besonders
langlebigen Exemplare einer Kohorte, während die
Frühverstorbenen die Verlierer einer solchen Lösung sind.
Da Änderungen der
Lebenserwartung erst im Nachhinein erkennbar werden, wären mit
einem Automatismus jene Jahrgänge benachteiligt, die von einem
Wandel direkt betroffen sind.
Über selbststabilisierende Rentensysteme nennt sich
ein Diskussionsbeitrag von Axel BÖRSCH-SUPAN aus dem Jahr
2007.
Die Riester-Rente
gescheitert? Die Autoren können dem nicht zustimmen, sondern
mehr Transparenz soll helfen:
"Einen Beitrag dazu
werden die ab dem 1. Januar 2017 von den Anbietern
zertifizierter Altersvorsorgeprodukte vorzuhaltenden
Produktinformationsblätter leisten."
Der Begriff "zertifiziert"
hat längst keinen guten Ruf mehr, seit Zertifikate mit der
Lehman-Pleite in Verbindung gebracht werden und moderne
Angestellte so manchen Unsinn im Rahmen des so genannten
Qualitätsmanagements mitgemacht haben. Nur noch völlig
Unbedarfte werden deshalb mit diesem Begriff noch Hoffnungen
auf Verbesserungen verbinden.
Ratlosigkeit drückt sich
meistens dadurch auf, dass den Betroffenen
Informationsdefizite unterstellt werden, weshalb mehr
Information immer die erste Empfehlung in diesem Fall ist, so
auch bei den Autoren, die "Niedrigeinkommensempfänger" mit
noch mehr Informationen über die staatliche Förderung der
Riester-Rente eindecken wollen.
In der betrieblichen
Altersversorgung (bAV) sehen die Autoren das Manko im Bereich
der Beschäftigten in Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern.
Die Lösung: "bessere staatliche Riester-Förderung in der bAV"
Notfalls auch eine "Zuschusspflicht des Arbeitsgebers bei der
Entgeltumwandlung, die in Verbindung mit einem
bAV-Abzugsbeitrag für kleinere Unternehmen erträglich
ausgestaltet werden könnte". Anders formuliert: Unternehmen
sollen subventioniert werden, damit sie das tun, was
eigentlich der Normalfall sein sollte. Wenig erstaunlich:
Diese Idee stammt aus einem Gutachtem für das
Finanzministerium. Das in den Mainstreamzeitungen bevorzugte
opt-out-Modell eines sanften Zwanges findet sich dagegen nicht
unter den Empfehlungen der Autoren.
Um
Niedrigeinkommensempfänger zu ködern, will man
Anrechungsmöglichkeiten beim Bezug der Grundsicherung im Alter
schaffen. Bislang diente ja die staatliche Förderung der
Geringverdiener hauptsächlich der Subventionierung der
Finanzdienstleister. Inwiefern dies hilft, steht auf einem
anderen Blatt.
Für Soloselbständige wollen
die Autoren eine Altersvorsorgepflicht einführen.
BRANDSTETTER, Barbara (2016): Früher in den Ruhestand.
Die Vermögensfrage: Ohne
große finanziellen Einbußen dem Arbeitsleben früher den Rücken
kehren? Möglich ist das - sofern man das entsprechende Geld hat
oder rechtzeitig plant. Besonders lukrativ könnten
Ausgleichszahlungen für Ostdeutsche werden,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 20.08.
Barbara BRANDSTETTER
erklärt uns die Konditionen unter denen wird vorzeitig in den
Ruhestand gehen können.
"Fein heraus sind nur
diejenigen, die 45 Jahre in die gesetzliche
Rentenversicherung eingezahlt haben. Sie können mit 63
Jahren ohne Abschläge in Rente gehen - sofern sie vor dem 1.
Januar 1953 geboren sind. Das ist seit dem 1. Juli 2014
möglich und wird inzwischen rege genutzt. Bis Ende des
Jahres 2015 haben gut 450.000 Arbeitnehmer einen
entsprechenden Antrag gestellt. Alle anderen müssen
rechnen",
berichtet uns BRANDSTETTER,
die uns die Möglichkeit schmackhaft macht, die drohenden
Abschläge mittels freiwilliger Ausgleichzahlungen zu
kompensieren. Das können frühestens 55-Jährige
Pflichtversicherte, soll aber mit dem
Flexi-Renten-Gesetzentwurf bald auch ab 50 Jahren möglich
sein, wenn das nicht der allerorten zu vernehmende Aufschrei
gegen diese Neuregelung noch abwendet. Diese Möglichkeit wurde
bis vor kurzem nicht propagiert, weshalb dies bislang nur
wenige in Anspruch genommen haben:
"Nach Angaben der
Deutschen Rentenversicherung Bund haben diese Möglichkeit im
Jahr 2014 lediglich 967 Arbeitnehmer genutzt. Im Jahr 2013
lag die Zahl mit 1271 zwar etwas höher. Doch gemessen an der
Zahl derer, die diese Option nutzen könnten, ist dies eine
verschwindend geringe Zahl."
Fehlende Information oder
Geldmangel nennt BRANDSTETTER als Gründe, die darauf
aufmerksam macht, dass z.B. auch der Arbeitgeber die
Ausgleichszahlung vornehmen kann. Uns werden 3 verschiedene
Beispielrechnungen aufgezeigt. Da Ausgleichzahlungen sowohl
als monatliche als auch als Einmalzahlung möglich sind, ist
bei ersteren zu beachten, dass sich die Berechnungsgrundlagen
ändern können, z.B. bei steigenden Beitragssätzen.
Vorteile für Ostrentner
(richtig müsste es eigentlich heißen: für jene, die im Osten
gearbeitet haben, denn das können auch Westdeutsche sein)
hätte die von Andrea NAHLES geplante Angleichung der
Ostrenten, die ihre Rendite steigern würde. BRANDSTETTER
verweist hier auf den Online-Beitrag
Zahlung von Rentenbeiträgen nach § 187a SGB VI von
Johannes STEFFEN.
Uns wird mit Verweis auf
Berechnungen von Werner SIEPE die Lukrativität der
freiwilligen Ausgleichszahlung dargestellt (vgl. auch
SZ 28.07.;
WamS 31.07.). Erst am
Schluss kommt der Pferdefuß:
"Der Versicherte muss
mindestens 83 Jahre alt werden, damit sich die Einzahlung
lohnt",
zitiert BRANDSTETTER einen
Fachanwalt für Sozialrecht. Dies lohnt sich also eher für
Frauen und männliche Besserverdiener. Wer an den Einfluss der
Gene glaubt, der beherzigt sicher den Ratschlag von
BRANDSTETTER und betreibt Ahnenforschung und geht zum Arzt.
Garantie gibt es trotzdem keine für das lange Leben. Es ist
und bleibt eine Wette auf die eigene Zukunft.
WOLFF,
Volker
(2016): Umrechnen in der Altersvorsorge.
Die Vermögensfrage: Die
mickrigen Zinsen ramponieren das Gefüge jeder Altersversorgung.
Jung und Alt müssen ihre Pläne überdenken - mit
unterschiedlichen Annahmen,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 27.08.
Volker WOLFF zerlegt seine
Zielgruppe kapitalgedeckte Altersvorsorge in zwei Typen: junge
35-jährige und ältere 55-jährige Anleger, um ihnen Tipps für
die Berechnung ihrer Rentenlücke zu geben. Dazu baut er das
Feindbild der Anbieter langfristiger Sparprodukte auf, die mit
einem Versorgungsniveau von 100 Prozent und pessimistischen
Szenarien zur Rentenlücke operieren würden. Vor diesem
Hintergrund grenzt er sich von diesen Praktiken ab, um uns
angeblich sinnvollere Berechnungsmethoden an die Hand zu
geben.
Die Rentenlücke ist eine
Rechnung mit vielen Unbekannten, zu denen die Inflationsrate,
das angestrebte Versorgungsniveau, die Entwicklung des Niveaus
der gesetzlichen Rente mit ihren Anpassungen in Abhängigkeit
von der Rentenformel und die weiteren alternativen
Vorsorgeformen gehören. Entsprechend ist die Unsicherheit für
35-jährige Anleger wesentlich großer als für 55-jährige
Anleger.
Als die private
Altersvorsorge noch unbekannt war, wurden wir von den
Mainstreamzeitungen mit primitiven Faustformeln versorgt, was
man z.B. bei Dyrk SCHERFF in der FAS nachlesen kann.
Mit den diversen Kapitalmarktkrisen seit Anfang des
Jahrtausends ist auch die Zuversicht, mit der diese
angeblichen Gewissheiten unters Volk gestreut wurden, einer
gewissen Vorsicht gewichen. Der Glaubwürdigkeit willen, haben
nun die Verfechter der kapitalgedeckten Altersvorsorge ihre
Vorgehensweise entsprechend angepasst. Neben dem Feindbild der
Anbieter, von deren Profitinteressen sich WOLFF distanziert,
werden uns nur die Stiftung Warentest mit ihrem Ratgeber zur
privaten Altersvorsorge und das DIA als Anhaltspunkte
geliefert:
"Die Rentenlücke-App des
Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA), eines Ablegers
der Deutschen Bank zur Förderung der privaten
Altersvorsorge, (...) ist (...) nicht auf einen Anbieter
ausgereichtet und sachlich recht fundiert",
erklärt uns WOLFF die
Selbstdarstellung des neoliberalen Instituts. WOLFF zeigt uns
die Funktionsweise der App anhand der beiden Beispieltypen
eines älteren und eines jungen Anlegers. Bereits die Tatsache,
dass der junge Anleger einen Nettoverdienst von 3.200 Euro
hat, zeigt, dass wir es hier mit einer Zeitung für
Besserverdienende zu tun haben, während sich Normalos erst gar
keine Gedanken darüber machen können, ob sie nun 820 Euro oder
nur 540 Euro pro Monat für die Altersvorsorge entbehren
können. Es wird einem jedoch schnell klar, dass die
Finanzdienstleister in erster Linie solche Besserverdienende
im Visier haben, während sie Geringverdiener nur aufgrund der
staatlichen Subventionen (unverfänglicher als staatliche
Förderung ausgewiesen) notgedrungen mitnehmen.
SCHERFF, Dyrk (2016): Altersvorsorge in
Gefahr.
Die niedrigen Zinsen machen
alle Pläne für den Ruhestand hinfällig. Wir müssen neu rechnen.
Das Ergebnis: Wer mehr spart und höhere Risiken eingeht, kommt
gut über die Runden,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 28.08.
Dyrk
SCHERFF preist uns die Interessen der
Finanzdienstleistungsbranche an, als ob es unsere wären. Das
ist die Sicht der Befürworter einer Kapitaldeckung, die die
Risiken der Altersvorsorge von der Gesellschaft auf den
Einzelnen verlagern wollen. Selbst schuld, wer da mitspielt
und verliert. Gewinn macht auf alle Fälle die
Finanzdienstleistungsbranche ("Gewinne werden privatisiert"),
die Verluste dagegen werden sozialisiert: d.h. jedem Einzelnen
zugeschrieben, der unter die Räder des Kapitalmarkts gekommen
ist.
Die Niedrigzinsen bescheren
uns nun zur Rentenlücke auch noch die Zinslücke, d.h. den
Unterschied zwischen den vollmundigen Renditeversprechungen
der Vergangenheit zur Realität der Gegenwart.
Die ganze Wahrheit will uns
die FAS gar nicht erst zumuten, denn sie vergleicht nur
den Istzustand mit dem Jahr 2006, also einem Jahr, in dem die
vollmundigen Versprechungen bereits der ersten
Kapitalmarktkrise zum Opfer gefallen waren. Der Istzustand
wird dann noch 30 Jahre in die Zukunft fortgeschrieben. Ein
pessimistischeres Szenario will man uns auch nicht zumuten.
Mit sagenhaften Renditen
will uns SCHERFF nun von der Lebensversicherung (1,25 %,
obwohl dieser 2017 auf 0,9 Prozent sinken soll!) abwerben und
auf den Aktienmarkt locken (7 %). Während die 1,25 %
garantiert sind, können auf dem Aktienmarkt jedoch 0 % winken,
wenn man auf eine Firma gesetzt hat, die pleite geht. Wer so
dumm ist, der ist eben nur selber schuld! Aber wer will schon
1.020 Euro im Jahr mehr sparen, wenn einem der Aktienmarkt mit
nur 370 Euro Sparrate angepriesen wird? SCHERFF ist auch nicht
so dumm, uns jene Aktie zu verraten, die uns die versprochenen
7 % Rendite bringen wird. Die FAS ist fein raus und bei
den Finanzdienstleistern klingeln die Kassen. Uns dagegen
bleibt nur das Prinzip Hoffnung, die stirbt bekanntlich
zuletzt.
"Sieben Prozent im Jahr
sind es im Schnitt der vergangenen Jahrzehnte",
zitiert SCHERFF seinen
Experten vom VZ Vermögenszentrum. Und wir wissen nun auch, was
es mit diesen 7 % wirklich auf sich hat. Warum sollte sich der
Aktienmarkt der Zukunft aber genauso weiterentwickeln wie in
der Vergangenheit? Dieses Geheimnis verrät uns SCHERFF nicht,
denn wir haben es mit einer ganz banalen Wette auf die Zukunft
zu tun. Aber auch die jetzigen Niedrigzinsen hatte keiner
eingeplant. Die Zukunft ist offen - weswegen Trends der
Vergangenheit keine Garantie sind. Nichtsdestotrotz wird uns
die Vergangenheit von SCHERFF als eine solche Scheingarantie
verkauft:
"Auf Sicht von 20 oder 30
Jahren hat der Dax als Ganzes in den vergangenen Jahren zu
keiner Phase Verlust gemacht, trotz aller zwischenzeitlichen
Kursstürzen. Im ungünstigsten Zeitraum haben die Anleger
»nur«
fünf Prozent im Jahr verdient, im besten 15 Prozent, hat das
VZ Vermögenszentrum ausgerechnet. Da kann keine Zinsanlage
mithalten."
Nur der Dax ist keine
Aktie, weshalb wir es hier mit einer Milchmädchenrechnung zu
tun haben, die uns die Risiken von Aktien verschleiern soll.
Hat uns gestern Volker
WOLFF
in
der FAZ mühsam den Unsinn von Faustformeln
erläutert, wischt SCHERFF heute alle Bedenken wieder weg:
"Experten (...) raten, 70
bis 80 Prozent des letzten Nettogehalts als Bedarf
anzustreben. Allerdings kennt niemand sein Einkommen am Ende
der Berufszeit. Schließlich weiß niemand genau, welchen
Verlauf die Karriere nimmt.
Vermögensverwalter wie Tom Friess machen es daher einfacher.
»Die
Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte habnen gezeigt, dass
man gut im Alter zurecht kommt, wenn man zehn Prozent seines
Nettogehalts und die Hälfte von Sonderzahlungen wie
Weichnachtsgeld oder Boni spart.« Bleibt dann noch etwas
übrig, ist es auch nicht schädlich, mehr zu sparen".
Die
Finanzdienstleistungsbranche bedankt sich herzlich über solche
Ratschläge!
KÖHLER, Peter
(2016): Niedrigzins trifft Pensionskassen.
Die globalen Top-Adressen für
die Altersvorsorge haben erstmals seit der Finanzkrise wieder
Wertverluste ihrer Vermögen hinnehmen müssen,
in:
Handelsblatt v. 06.09.
"Die
untersuchten 300 Einrichtungen wie etwa Versorgungswerke,
Pensionsfonds oder Unterstützungskassen repräsentieren 42
Prozent aller Vermögen für die Altersversorgung",
erklärt uns
Peter KÖHLER das Spektrum der untersuchten
Altersvorsorgeeinrichtungen. Weder die FAZ noch das
Handelsblatt listen die deutschen Pensionseinrichtungen unter
den Top 300 auf, sondern greifen sich nur die größte
Einrichtung (Bayerische Versorgungskammer) heraus. Folgende
deutsche Einrichtungen listet dagegen das Ranking auf:
Tabelle:
Die 9 größten
deutschen Altersvorsorgeeinrichtungen unter
den weltweit Top 300 Einrichtungen Ende 2015 |
Nr. |
Rang |
Altersvorsorgeeinrichtung |
Vermögen
(in Millionen US-Dollar) |
1 |
37 |
Bayerische Versorgungskammer |
71.281
|
2 |
138 |
BVV |
28.063
|
3 |
170 |
VBL |
23.185 (2)
|
4 |
194 |
BASF |
20.299 (6)
|
5 |
210 |
Daimler |
18.805
|
6 |
248 |
Siemens |
15.798 (8)
|
7 |
270 |
Allianz |
14.488 (6)
|
8 |
280 |
Baden-Württembergische |
13.788
|
9 |
284 |
RWE |
13.542
|
|
Quelle:
Pensions & Investments/Willis Towers Watson 300 analysis
2016, S.39ff.
Anmerkungen: (2) = geschätzter Wert; (6) = weltweiter
Wert; (8) = Vermögen
am 30. September 2015 |
OBERHUBER, Nadine (2016): Der Trick
mit der Flexi-Rente.
Wer ab 50 freiwillig einen
großen Batzen Geld in die Rentenkasse zahlt, macht ein gutes
Geschäft: Am Ende bringt das mehr Zinsen als die private
Vorsorge,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 18.09.
Nadine
OBERHUBER klärt über die Neuregelungen auf, die mit der
Flexi-Rente einhergehen. Angeblich können nur bereits
50-Jährige freiwillig einzahlen. Das stimmt so jedoch nicht.
Geändert hat sich lediglich, dass dies nun explizit gesetzlich
geregelt ist und diese Möglichkeit nun auch offensiv in den
Medien beworben wird, weil die Rendite der gesetzlichen
Rentenversicherung höher ist als jene der privaten
Altersvorsorge.
Die Lobbyisten der
Versicherer sind darüber verärgert und kommen mit ihrem
Totschlagargument von der Generationengerechtigkeit:
"Die heute 30- oder
40-Jährigen würden die Zeche zahlen. In Wirklichkeit
fürchten die Versicherer wohl eher um den Verkauf ihrer
eigenen Produkte, wenn künftig mehr Geld in die gesetzliche
Kasse fließt."
Erstaunt jedenfalls, dass
die FAZ in diesem Falle das Generationenargument nicht
gelten lässt, das sie ansonsten bei jeder anderen Gelegenheit
ins Felde führt, um Interessen der Rentner zu diffamieren.
Dies mag daran liegen, weil OBERHUBER auf die Geldgier der
FAZ-Leser setzt, denn nicht der Ausgleich von Abschlägen
bei vorzeitigem Renteneintritt, sondern die Erhöhung der Rente
durch Weiterarbeiten über das Rentenalter hinaus, wird von
OBERHUBER in den Mittelpunkt ihres Artikels gestellt.
PENNEKAMP, Johannes (2016): Der Brief,
der nervös macht.
Der jährliche Brief der
Rentekasse hat auch ein Gutes: Er motiviert die Menschen zur
privaten Altersvorsorge,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 18.09.
Johannes
PENNEKAMP referiert das ZEW-Diskussionspapier
Do Savings Increase in Response to Salient Information About
Retirement and Expected Pensions? von Andreas PEICHL
u.a. das sehr gewagte Schlüsse aus der Korrelation von
Renteninformation und Veränderungen der Sparrate zieht. Der
größte Effekt auf die Sparrate ist nicht auf die
Renteninformation zurückzuführen, sondern wurde durch
Änderungen bei der Förderung im Bereich der privaten
Altersvorsorge und die Finanzkrise hervorgerufen. Bei
PENNEKAMP vermisst man einen Hinweis auf solche Einflüsse,
denn keineswegs ist die Sparrate kontinuierlich gestiegen,
sondern unterliegt extremen Schwankungen (vgl. Schaubild
S.27). Korrelationsstudien wie jene von PEICHL u.a. können
keine Aussage über die Sparmotivation und deren Ursachen
machen, sondern sind mehr oder weniger Spekulation. Die
Ergebnisse passen jedoch ideal in die gegenwärtige Debatte um
das Nudging, d.h. sanfter Zwang.
WOLFF, Volker
(2016): Investmentsfonds sind
die bessere Lebensversicherung.
Die Vermögensfrage: Fondsgebundene
Lebensversicherungen verlieren jeden Vergleich mit ETF-Sparplänen. Ihr
Kosten sind viel zu hoch. Außer in einem speziellen Fall,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.09.
Volker WOLFF rechnet uns
vor, dass bei fondsgebundenen Lebens- oder
Rentenversicherungen die Kosten und die großzügig kalkulierten
Sterbetafeln die Steuervorteile auffressen. ETF-Sparpläne
seien demgegenüber günstiger, jedoch gilt:
"Nur in einem sind
Fondspolicen und ETF-Sparpläne gleichwertig: Der Anleger
trägt das gesamte Risiko."
Als Ausnahme von der Regel
beschreibt uns WOLFF Nettopolicen, die jedoch von Versicherern
nicht vertrieben werden:
"Keiner der rund 230.000
Versicherungsvertreter und -makler wird sie auf den Tisch
legen. Nur Versicherungsberater und Honorarberater bieten
diese provisionsfreien Versicherungsverträge an. (...). Das
Angebot ist begrenzt. »Finanztest« zählte 2013 elf
Lebensversicherer mit Nettotarifen. Elf von über 70."
Fazit: Letztendlich trägt
der Versicherte bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge
alleine das gesamte Risiko. Dagegen sind die Erträge der
gesetzlichen Rentenversicherung sicher und entgegen der
Propaganda vor der Teilprivatisierung sogar lukrativer,
weswegen inzwischen
selbst die FAZ freiwillige Einzahlungen in die
Rentenkasse propagiert. Unschlagbar ist alleine die
gesetzliche Rentenversicherung! Daran wird auch die
demografische Entwicklung nichts ändern, denn auch die
Kapitalmärkte sind davon betroffen. Dort wo die Demografie
angeblich günstiger ist, ist die Unsicherheit größer. Die
Finanzdienstleistungsbranche gewinnt dabei jedoch immer - nur
die Versicherten tragen das Risiko der Fehlspekulation!
BINNER, Miriam
(2016): Teurer Übermut.
Tausende Unternehmen haben
ihren Mitarbeitern Betriebsrenten versprochen - und dafür kaum
vorgesorgt. So wie der Modellbauer Fleischmann. Die Lücke wird
nun zur existenziellen Gefahr,
in:
Capital Nr.10,
Oktober
"Wer
mindestens fünf Jahre für ihn arbeitet, sollte eine
Betriebsrente erhalten.
Heute - 41 Jahre später - ist die Traditionsfirma
Fleischmann pleite",
berichtet Miriam BINNER
über die Einführung der Betriebsrente im Jahr 1974 bei
Fleischmann. Das Betriebsrentenprogramm wurde bereits 1999
beendet. Von den 600 ehemaligen Mitarbeitern sind heutzutage
nur noch 33 Mitarbeiter übrig. Ursache der Insolvenz sind
jedoch nicht die Pensionsrückstellungen, sondern die Tatsache,
dass der gegenwärtige Inhaber durch eine Insolvenz die besten
Chancen sieht diese Altlasten relativ unproblematisch
loszuwerden, was jedoch bei BINNER nur zwischen den Zeilen
steht.
"Etwa 20 Millionen
Arbeitnehmer sparen aktuell mit Unterstützung ihres
Arbeitgebers fürs Alter, schätzt die Bundesregierung. Genau
Zahlen gibt es nicht. Sozialministerin Andrea Nahles hat den
Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge zu einem wichtigen
Ziel erklärt. Doch Fälle wie Fleischmann zeigen die
Schwachstellen des Systems",
meint BINNER. Die
Direktzusage soll die am weitesten verbreitete Form der
Betriebsrente sein und rund 8 Millionen Arbeitnehmer betreffen
(S.36), was im Widerspruch zu einer Grafik steht (S.88).
Demnach erhielten 2001 lediglich 3,86 Millionen
Betriebsrentner und 2013 rund 4,6 Millionen Betriebsrentner
eine Direktzusage. Aus Steuerspargründen wählten Unternehmer
diese Form.
"Statt eine Versicherung
für die Betriebsrenten abzuschließen, entschieden sich viele
Unternehmer dafür, das Geld in der eigenen Firma anzulegen,
in neuen Gebäuden, Fabriken und Maschinen",
erklärt uns BINNER, denn
wie Pensionsrückstellungen gehandhabt werden, darüber gibt es
für vor 1987 gemachte Direktzusagen, keine Vorgaben:
"Bis heute habe nur ein
Drittel aller Mittelständler in Deutschland ihre
Pensionszusagen durch liquide Rücklagen geschützt, ergab vor
fünf Jahren eine Studie von Allianz Global Investors.
Aktuellere Daten gibt es nicht. Bei den restlichen zwei
Dritteln haftet das Unternehmen im Zweifelsfall mit dem
gesamten Vermögen. Für Zusagen vor 1987 müssen Unternehmen
bis heute keine Rückstellungen für ihre
Pensionsverpflichtungen ausweisen. Seither ist das zwar
Pflicht, was sich hinter den Rückstellungen verbirgt, ist
aber nach wie vor ihre Sache".
Heiko GRADEHANDT von der
Unternehmensberatung Towers Watson sieht Probleme vor allem im
Bereich von kleinen und mittleren Unternehmen, weil
Dax-Unternehmen mehr Rücklagen bilden. Das Beispiel
Fleischmann zeigt, wie neue Eigner ihre Pensionslasten
entsorgen:
"die Werke in Franken
wurden geschlossen, 350 Leute mussten gehen, die Produktion
zog nach Rumänien. Über eine Holding wurde dafür eine neue
Tochtergesellschaft gegründet. Zurück blieben 33 Mitarbeiter
im Stammwerk Heilbronn. (...). Die Einnahmen fließen in die
Holding.
Die Pensionsansprüche dagegen blieben beim alten Betrieb
(...): Rund 360 Rentner erhielten im Schnitt rund 150 Euro
im Monat, schätzt ein ehemaliger Betriebsrat. Weitere 250
Ex-Mitarbeiter sind noch nicht im Ruhestand, haben aber
Ansprüche. Das macht 600 Männer und Frauen, die ihr Geld
sehen wollen. Sie alle hängen nun mit in der Insolvenz."
Als weiteres
Insolvenzbeispiel wird uns die Firma Kunert präsentiert, von
der rund 6.000 Mitarbeiter betroffen wahren. Der Kölner
Pensionssicherungsvereins (PSV) wird uns als Sicherungsnetz
für solche Fälle präsentiert:
"Geht ein Unternehmen
pleite, übernimmt der PSV die Auszahlung der Betriebsrenten.
Finanziert wird er durch die Beiträge der gut 90.000
Unternehmen, die ein Rentenprogramm ohne speziellen
Insolvenzschutz eingereichtet haben."
Das Niedrigzinsniveau wird
als "Zins-Bombe" dramatisiert, weil es die Rückstellungen in
den Firmenbilanzen erhöht:
"Sollte das Zinsniveau
über die kommenden sieben Jahre konstant bleiben, könnte der
einschlägige Rechnungszins für den Mittelstand nach
Einschätzung der Bundesregierung bis 2021 auf 2,4 Prozent
sinken. Momentan liegt er noch bei 4,5 Prozent. Unter diesen
Bedingungen müssten kleine und mittlere Unternehmen die
Rückstellungen in ihren Bilanzen um rund 26 Prozent erhöhen,
prognostizierte die Regierung im Juli in einer Antwort auf
eine Kleine Anfrage des Grünen-Finanzpolitikers Gerhard
Schick."
Die Dax-Unternehmen seien
aber wesentlich schneller von steigenden
Pensionsrückstellungen betroffen:
"Weil Dax-Konzerne mit
Marktzinsen rechnen müssen, sind die Folgen hier schon zu
sehen: Nach einer Analyse von Towers Watson stiegen ihre
Pensionsverpflichtungen 2014 um 25 Prozent auf 372 Mrd.
Euro. Das hierfür reservierte Vermögen betrug 228 Mrd. Euro.
Binnen zwölf Monaten sank die Quote für die Kapitaldeckung
von 65 auf 61 Prozent. Die neuen Lücken müssen die
Unternehmen aus ihrem Cashflow begleichen."
Den Mittelstand würde es
zwar langsamer, aber nicht weniger hart treffen:
"Das Institut der
Wirtschaftsprüfer hat die Bilanzkennzahlen von mehr als
70.000 Unternehmen untersucht (...). Demnach dürften die
Jahrsüberschüsse von Unternehmen mit mehr als 50 Mio. Euro
Umsatz allein wegen der niedrigen Zinsen und höheren
Rückstellungen 2016 um die Hälfte geringer ausfallen als
2012 - unter sonst gleichen Bedingungen."
Zuerst würde dies gemäß
BINNER zu Investitionskürzungen und dann zum Nachschießen der
Eigner oder der Insolvenz führen:
"Etwa zehn bis 15 Prozent
aller Mittelständler könnten »große Probleme« bekommen, sagt
Berater Gradehandt von Towers Watson. Wenn er recht behält,
wären das mehr als 300.000 Unternehmen."
Um diesem Szenario
Nachdruck zu verleihen, kommt BINNER in diesem Zusammenhang
auf die Firma Fleischmann zurück:
"Bei Fleischmann stiegen
die Pensionsverpflichtungen von 2014 auf 2015 um eine halbe
Million Euro - obwohl das Programm seit 16 Jahren
geschlossen ist. Und das bei einem Jahresumsatz von 15 Mio.
Euro."
Durch das neue
Insolvenzrecht von 2011 können solche Pensionsverpflichtungen
durch einen Verzicht der Gläubiger, d.h. der Betriebsrentner
auf den Pensionssicherungsverein abgewälzt werden:
"So funktionierte auch
die Insolvenz von Kunert. Und die Pleite der Deutschen
Linoleum-Werke 2014."
Zunehmende
Abwälzungsversuche könnten dieses System jedoch ruinieren:
"Schon 2009 stand das
System auf der Kippe. Damals schlitterte der Handelskonzern
Arcandor in die Pleite. Der Beitrag verachtfachte sich, der
PSV musste 4 Mrd. Euro stemmen."
Während die Regierung
Optimismus verbreitet, sieht der Grünenpolitiker SCHICK hier
Gefahren. Am Ende könnten die Betriebsrentner also die
Leidtragenden dieser Risikoabwälzung sein.
KROHN, Philipp (2016): Einfach war
früher.
Die betriebliche und
private Vorsorge sollten die Kürzung der gesetzlichen Rente
auffangen. Dann kamen Krise und Niedrigzins. Hat das alles
zunichtegemacht? Und gibt es Alternativen?
in:
Frankfurter Allgemeine
Woche, Nr.41 v. 07.10.
Philipp
KROHN stellt seinem Artikel ein 15 Jahre altes Streitgespräch
zweier Volkswirtschaftsstudenten über die richtige
Altersvorsorgestrategie voran. Damals lagen beide falsch.
Warten wir also lieber 15 Jahre, um zu sehen was aus KROHNs
mageren Ausführungen dann geworden ist. Zur angeblichen
Lukrativität Riester-Rente wird uns zum wiederholten Male eine
fragwürdige Untersuchung des
Instituts für Vorsorge und Finanzplanung vom Frühjahr
angepriesen. Sicher ist nur eines: die Profite der
Finanzdienstleistungsbranche. Ansonsten werden die
Beitragsgarantien als Hindernis höherer Renditen stilisiert.
Die Finanzdienstleistungsbranche wird dies freuen. Die
Versicherten tragen dann das ganze Risiko allein! Wir haben
also die Wahl zwischen Pest und Cholera.
ÖCHSNER,
Thomas (2016): 30 Euro mehr im Monat.
Gutverdiener müssen von
2017 an höhere Sozialabgaben zahlen,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
13.10.
Thomas
ÖCHSNER begründet in seinem Bericht über die
Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2017
auch die
Notwendigkeit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen:
"Ein Verzicht auf eine
Anhebung der Grenzen ist politisch nicht gewünscht. Denn
würden diese nicht mit dem Einkommen wachsen, müssten die
Arbeitnehmer mit einem geringeren Einkommen sukzessive immer
mehr Lasten tragen, während Gut- und Spitzenverdiener aus
der Sozialversicherung nach oben herauswachsen."
Besser wäre die Abschaffung
der Beitragsbemessungsgrenzen und stattdessen eine Kappung der
Rentenhöhe für Spitzenverdiener, denn dann würden die Lasten
noch stärker verteilt. Das Versicherungsprinzip wird nämlich
längst durch die Zunahme versicherungsfremder Leistungen
konterkariert. Dies würde mehr bringen als eine Einbeziehung
weiterer Personengruppen in die gesetzliche Rente. Dies würde
zudem der großen Ungleichheit in Deutschland entgegenwirken.
ÖCHSNER erläutert auch,
dass die stärkere Zunahme in Ostdeutschland auf die Einführung
des Mindestlohns zurückzuführen ist, der zu größeren
Lohnzuwächsen im Osten geführt hat.
SIEMS,
Dorothea (2016): Steuerzahler können die Rente nicht retten.
Alternde Gesellschaft führt
ab 2025 zu einem Einbruch der Einnahmen. Gleichzeitig steigt
der Bundeszuschuss,
in:
Welt v. 13.10.
Dorothea
SIEMS posaunt die PR
Die Wirkung des demografischen Wandels auf die Steuereinnahmen
in Deutschland
der Unternehmenslobby IW Köln hinaus, die die
Haushaltsfinanzen schlecht redet, um Forderungen nach einer
Stabilisierung des Rentenniveaus abzuwehren. Unter welchen
Vorrausetzungen der angebliche "Steuereinbruch" eintritt, das
verschweigt uns das Sprachrohr SIEMS. Auffällig ist auch, dass
die PR kurz vor der
Lancierung eines Berichts im Auftrag des Finanzministeriums
mit gleichlautendem Tenor erfolgt.
Das Pamphlet begnügt sich
mit einem Vergleich der Effekte von vorgelagerter mit
nachgelagerter Besteuerung im Jahr 2030, wobei die
Bevölkerungsstruktur des Jahres 2016, die bereits einer
Hochrechnung aus Daten des Jahres 2014 ist, mit allen Faktoren
konstant gehalten wird. Die Zukunft ist jedoch keine lineare
Fortschreibung der Vergangenheit:
"Im Ergebnis würden ohne
Umsetzung der nachgelagerten Besteuerung die
Einkommensteuereinnahmen im Jahr 2024 unter sonst gleichen
Bedingungen über 4 Milliarden Euro, im Jahr 2030 gut 8
Milliarden Euro und 2035 rund 10 Milliarden Euro höher
ausfallen."
Die Annahmen der Folgen des
demografischen Wandels werden dann einfach additiv
hinzugerechnet, d.h. Verhaltensänderungen kommen in dem Modell
nicht vor, sondern die heutigen Altersklassen verhalten sich
genauso wie eine Generation später.
Die Schlagzeile
"Steuerzahler können Rente nicht retten" ist zudem selten
dämlich, denn Rentner werden zukünftig verstärkt Steuerzahler
sein, während Erwerbstätige bei den Steuern entlastet, aber
bei den Sozialabgaben belastet werden. Vom Gesamtsystem ganz
zu schweigen.
KREMER, Dennis (2016): Das
Wunder-Portfolio.
Eine Kombination aus zwei
ETF reicht aus, um die besten Fondsmanager zu schlagen. Das
Ganze ist kinderleicht,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 16.10.
Im
Rückblick ist die Sache immer kinderleicht, was aber hat uns
Dennis KREMER vor fünf Jahren als Renditewunder verkauft? Das
wäre die entscheidendere Frage. Beim Wunderportfolio von
KREMER gewinnt vor allem einer: der Finanzgigant Blackrock.
Und KREMER baut vor, falls sein Wunderportfolie zukünftig
keine 10,7 Prozent Rendite mehr bringt:
"Niemand kann wissen, ob
sich die Renditen der Vergangenheit so in die Zukunft
fortschreiben lassen."
Bert FLOSSBACH, der als als
einer von zwei Fondsmanagern von KREMER gelobt wurde,
sieht das mit ETF-Fonds dagegen ganz
anders.
KREMER, Dennis (2016): Es geht ums
Geld!.
FAS-Serie Geldirrtümer
(1):Geld zu haben, findet jeder gut. Richtig mit Geld
umzugehen ist aber gar nicht so einfach. Höchste Zeit für eine
neue F.A.S.-Serie,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 16.10.
Dennis
KREMER erklärt uns, dass wir in Sachen Finanzbildung doch
nicht die Deppen sind. Ein Vergleich von 140 Nationen unter
Leitung von Annamaria LUSARDI erbrachte:
"Die Deutschen haben in
diesem internationalen Vergleich sehr gut abgeschnitten.
Gemeinsam mit Norwegern, Schweden, Finnen, Kanadiern und
Briten teilen sie sich die vordersten Plätze. 66 Prozent der
Deutschen verfügten über eine gute Finanzbildung".
Aber vielleicht ist ein
solch simpler "finanzmathematischer PISA-Test" gar nicht in
der Lage richtiges Verhalten in Finanzfragen zu erfassen. Die
Vergleichbarkeit von Konditionen steht der Intransparenz auf
Märkten gegenüber. Mit Fragen auf PISA-Test-Niveau kommt man
deshalb nicht weiter, wenn es z.B. um die Altersvorsorge geht.
Und wenn uns Finanzdienstleister mit Untersuchungen kommen,
die uns unser Analphabetentum in Sachen Finanzbildung
bescheinigen, dann handeln sie nicht in unserem, sondern in
ihrem eigenen Interesse. Aber darüber informiert uns auch
Dennis KREMER nicht. Seine Serie bewegt sich auf
PISA-Test-Niveau, während die gesellschaftlichen
Kollateralschäden des Finanzkapitalismus außen vor bleiben.
PLICKERT, Philip (2016): Die
schlechte Botschaft der Generationenbilanzen.
Wie hoch ist die heimliche
Staatsschuld durch ungedeckte Versprechen aus dem Renten- und
Gesundheitssystem,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 17.10.
Philipp
PLICKERT singt ein Loblied auf den neoliberalen Ökonomen
Laurence KOTLIKOFF, der zusammen mit Alan AUERBACH das
Kampfmittel "Generationenbilanz" erfand. 2005 erschien das
Buch The Coming Generational Storm des Apokalyptikers,
das vom Wirtschaftsnobelpreisträger Paul KRUGMAN scharf
attackiert wurde. Bernd RAFFELHÜSCHEN ist ein gelehriger
Schüler von KOTLIKOFF.
Generationenbilanzen kranken nicht nur daran, dass sie nur
einen Ausschnitt der Staatsausgaben beleuchten und damit den
Gewinn für zukünftige Generationen außer Acht lassen, sie sind
zudem abhängig von der aktuellen Konjunktur und den
unterstellten Zinsen.
Generationenbilanzen
fokussieren einseitig auf angebliche Nachteile des
Umlagesystems, während sie die Risiken der Kapitaldeckung
unterschlagen.
FREIBERGER, Harald (2016): Der
Königsweg.
Geldwerkstatt: Bei einem
Sparplan fließt jeden Monat ein fester Betrag vom Konto in
einen Investmentfonds. Das hat eine Reihe von Vorteilen: Es
fördert die Spardisziplin, ist flexibel und nutzt die
Renditechancen aus, die Aktien und Anleihen nach wie vor
bieten,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 17.10.
Auch Harald FREIBERGER setzt auf
ETF-Fonds, die dank Medienhype erstaunlichen Zuwachs erhalten
haben:
"Die zwölf größten
Fondshäuser meldeten bis Ende Juni Zuwachsraten von 13
Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Insgesamt betreuen
sie 3,8 Millionen Sparpläne mit einem monatlichen Volumen
von 470 Millionen Euro: jeder Kunde zahlt also gut 100 Euro
im Durchschnitt ein. Ein großer Trend sind Sparpläne in
Indexfonds (ETF)".
NARAT, Ingo (2016): Deutsche sind
Meister im Pessimismus.
Großanleger suchen
verzweifelt nach Rendite. Sie müssen sich neu orientieren,
in:
Handelsblatt v.
19.10.
Ingo
NARAT erklärt uns Deutsche zu Pessimisten, wobei jedoch
diesmal keine Privatanleger, sondern institutionelle
Großanleger gemeint sind. Er stützt sich dabei auf eine
Untersuchung, die lediglich 8 europäische Staaten vergleicht,
was ihn nicht daran hindert uns das Etikett "Europameister in
Sachen Risikoscheu" zu verpassen. Er macht sich damit zum
Sprachrohr der Profitinteressen von Fondsgesellschaften wie
Blackrock.
HANDELSBLATT-Titelgeschichte:
Die Last der Demografie.
Das Bundesfinanzministerium hat
die Folgen des demografischen Wandels für die öffentlichen
Haushalte berechnen lassen. Das Ergebnis: Die alternde Bevölkerung
wird das Steueraufkommen in den nächsten Jahrzehnten dramatisch
mindern |
GREIVE,
Martin & Jan HILDEBRAND (2016): Der große Steuerschwund.
Das Bundesfinanzministerium
hat die Folgen des demografischen Wandels für die öffentlichen
Haushalte berechnen lassen. Das Ergebnis: Die alternde
Bevölkerung wird das Steueraufkommen in den nächsten
Jahrzehnten dramatisch mildern,
in:
Handelsblatt v.
24.10.
Während
die Titelgeschichte nichts als heiße Luft ist, ermöglicht der
Endbericht
Herausforderungen für das Steuerrecht durch die demografische
Entwicklung in Deutschland - Analyse einer Problemstellung
hinsichtlich der Besteuerung nach dem
Alterseinkünftegesetz einen Orientierungsmaßstab, der Auskunft
über die zukünftige Besteuerung von Alterseinkünften gibt. Die
Tabelle 43, die mit Besteuerung von Leibrenten mit
Kohortenbesteuerung bezeichnet ist, ergibt für die Zukunft
folgenden Anstieg der Einnahmen durch gesetzliche Renten und
der Betroffenenzahlen:
Szenario |
Jahr 2015 |
Jahr 2030 |
Jahr 2045 |
Jahr 2060 |
|
Anzahl Betroffene |
Einnahmen
(in Mio. €) |
Anzahl Betroffene |
Einnahmen
(in Mio. €) |
Anzahl Betroffene |
Einnahmen
(in Mio. €) |
Anzahl Betroffene
(in Tausend) |
Einnahmen
(in Mio. €) |
Referenzszenario |
4,6 Millionen |
6.600 |
5,7 Millionen |
14.270 |
5,9 Millionen |
25.190 |
5,8 Millionen |
31.110 |
Variante 2 |
4,7 Millionen |
6.710 |
6,7 Millionen |
16.180 |
6,7 Millionen |
22.510 |
6,1 Millionen |
24.540 |
Variante 3 |
4,7 Millionen |
6.710 |
6,7 Millionen |
15.840 |
6,7 Millionen |
21.770 |
5,9 Millionen |
22.970 |
Variante 6 |
4,7 Millionen |
6.710 |
6,7 Millionen |
16.290 |
6,7 Millionen |
22.970 |
6,1 Millionen |
25.700 |
Angesichts
der Zunahme
Älterer, erscheint die Zahl der vom Alterseinkünftegesetz
zukünftig Betroffenen sehr niedrig. Entgegen der Beteuerung,
dass Altersarmut bei Rentnern kein Thema sein wird, gehen die
Annahmen des Endberichts davon aus, dass es eine starke
Zunahme der Altersarmut geben wird, weswegen sowohl die Zahl
der Betroffenen als auch die Höhe der Einnahmen derart gering
ausgewiesen wird. In der Tabelle fehlt die Besteuerung der
Riester-Renten, die gesondert betrachtet wird.
Problematisch ist, dass die
Zahlen für 2015 bereits eine Hochrechnung der steuerlichen
Verhältnisse im Jahr 2007 sind und gravierende Mängel aufgrund
fehlender Daten bestehen (vgl. Methodischer Anhang). Wir
werden letztlich erst in einigen Jahren erfahren, inwiefern
die Annahmen für das Jahr 2015 stimmen. Es könnte also sein,
dass es bereits für das Jahr 2015 zu großen Abweichungen zur
Realität gibt, ganz zu schweigen für die Jahre 2030 und
folgende.
Fazit: Der große
Steuerschwund ist erst einmal nur journalistische Fiktion!
ÖCHSNER, Thomas (2016): Riester und die Wahrheit.
Bei der privaten
Altersvorsorge rechnet die Regierung nun ehrlich: mit
sinkender Rendite,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 27.10.
Der Alterssicherungsbericht
2016 rechnet die Rendite der privaten Altersvorsorge weiterhin
schön und gibt nur das zu, was sich nicht mehr leugnen lässt:
"Zinsannahmen für die
Berechnungen: 2014: 4,0 %, 2015: 3,5 %, 2016: 3,0 %, 2017:
2,5 %, danach schrittweise Anstieg auf 4,0 % bis 2020",
zitiert Thomas ÖCHSNER aus
dem noch immer unveröffentlichten Bericht. Das gleiche Spiel
kennen wir bereits aus der Bevölkerungsvorausberechnung, nur
unter umgekehrten Vorzeichen. Dort wird die
Bevölkerungsentwicklung möglichst schlechtgerechnet. Zusammen
genommen erstellt sich die Regierung damit ein hervorragendes
Zeugnis. Die Risiken der Kapitaldeckdung darf der Arbeitnehmer
selber tragen!
Die private Vorsorge wurde
im Rahmen der Riester-Reform als Beitragsentlastung für die
Arbeitgeber beworben. Die Folge dieser Umverteilung zitiert
ÖCHSNER nun folgendermaßen:
"2015 (hätten) nur noch
in 28 Prozent der Betriebe Arbeitnehmer Ansprüche auf eine
Betriebsrente erworben, weil ausschließlich der Arbeitgeber
etwas für sie zurücklegt. 2001, vor der großen Rentenreform,
sei dies noch bei 54 Prozent der Betriebe der Fall gewesen."
Die Riesterreform war also
ein voller Erfolg für die Arbeitgeber und die
Versicherungsbranche. Die Zeche zahlen die Arbeitnehmer -
insbesondere die Nichtprivilegierten.
OSWALD, Andreas (2016): Geld fürs Alter.
Wann es sich lohnt, mehr in
die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen,
in:
Tagesspiegel v. 27.10.
Andreas
OSWALD klärt über die Möglichkeit von freiwilligen
Ausgleichszahlungen auf, die nun aktiv beworben werden.
Verheiratete mit jüngerem Partner profitieren mehr von diesen
Zahlungen als Ledige, denen im Gegensatz zu Ehepaaren keine
Hinterbliebenenrente gezahlt wird.
SCHWENN, Kerstin (2016): Die Renten
steigen weiter.
Auch das kommende Jahr dürfen
Rentner mit einer überdurchschnittlichen Erhöhung rechnen,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 27.10.
fadenscheinig: Es geht SCHWENN einzig darum, Begehrlichkeiten
hinsichtlich des Renteniveaus niedrig zu halten, weshalb es
nun heißt:
"Auch der für 2017
anvisierte Zuwachs liegt (...) deutlich über dem
Durchschnitt des zurückliegenden Jahrzehnts und über dem von
der Bundesregierung erwarteten durchschnittlichen Anstieg
bis 2030. Ein Anstieg oberhalb der bisherigen Annahmen bis
2030 wirkt sich wiederum auf das Rentenniveau aus: Es sinkt
dann weniger stark als erwartet."
SCHWENN will uns also
sagen, dass Altersarmut und eine Stabilisierung des
Rentenniveaus kein relevantes Thema sind.
Tatsächlich sind diese Rentenerhöhungen nicht zufällig vor die
Bundestagswahlen gelegt worden, sondern Ergebnis politischer
Manipulationen
an diversen Stellschrauben. Dazu gehört z.B. die
Fehlfinanzierung der Mütterrente.
Ganz dreist wird es, wenn
SCHWENN uns den Vorschlag von Franz RULAND als Lösung
präsentiert:
"Um den Anstieg der
Beiträge zu bremsen, sollte nach Rulands Ansicht die
Beitragsbemessungsgrenze, die heute bei 74.400 Euro im Jahr
liegt, um ein Drittel steigen. Dann müssten Versicherte mit
hohem Einkommen mehr in die Rentenkasse einzahlen, sie
erhielten später aber auch höhere Renten."
Besser wäre es stattdessen
die Beitragsbemessungsgrenze ganz entfallen zu lassen und
stattdessen die Rentenhöhe zu deckeln. Dieser soziale
Ausgleich käme dann Geringverdienern zugute. Richtig wäre es,
die Sozialabgabenfreiheit der Entgeltumwandlung im Rahmen der
betrieblichen Altersvorsorge zu beenden, denn diese geht zu
Lasten der gesetzlichen Rente.
ROTH, Eva
(2016): Renten-Märchen.
Kommentar: Über die
Unternehmer-Lobby, die sich als Jugend-Lobby geriert,
in:
Neues Deutschland v.
28.10.
Die Unternehmer-Lobby INSM
bedankt sich heute, 28.10., bei der FAZ und SZ
mit der Kampagne Du zahlst! für ihre neoliberale
Berichterstattung mit einer ganzseitigen Anzeige, auf der
Andrea NAHLES mit dem Finger auf uns zeigt: Du zahlst heißt
die unübersehbare Botschaft in dicken Lettern (Hinter NAHLES
sehen wir SEEHOFER und MERKEL).
"Liebe Jungwählerinnen
und Jungwähler, die große Koalition entscheidet über die
Zukunft der Rente. Sie will zum zweiten Mal in dieser
Legislaturperiode teure Wahlgeschenke machen. Egal ob
Haltelinie beim Rentenniveau, Ausweitung der Mütterrente,
Angleichung der Ostrenten oder Lebensleistungsrente - die
Rechnung zahlt immer Ihr. Das ist nicht fair!"
heißt es dazu. Warum
verstecken sich Versicherungsbranche und Arbeitgeber hinter
Jungwählern? Man sollte die Anzeige anders lesen: Wir möchten,
dass die Versicherungsbranche subventioniert wird (Förderung
der Riester-Rente) und die Arbeitgeber von Garantien entlastet
werden und Arbeitnehmer das ganze Kapitalmarktrisiko tragen
müssen (Betriebsrentenstärkungsgesetz).
ARMBRUSTER, Alexander (2016): Roboter für die Rente.
Leidartikel: Immer wieder
haben neue Technologien die Arbeitswelt umgekrempelt,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 02.11.
Wie schnell sich doch die
Befürchtungen der FAZ ändern können. Es ist noch nicht
lange her, da drohte uns aufgrund des demografischen Wandels
eine Ära der Vollbeschäftigung. Nun droht uns dagegen die
Wunderwaffe Roboterisierung:
"In Fabriken rund um die
Welt zählt die International Federation of Robotics 1,6
Millionen Industrieroboter – noch einmal eine Million kommen
in den nächsten drei Jahren hinzu, erwarten ihre Fachleute.
Die vielen denkbaren Anwendungen als Dienstleister sind da
noch gar nicht einbezogen."
Die Roboterisierung soll
durch die Steigerung der Produktivität nun die negativen
Auswirkungen des demografischen Wandels in Schach halten. In
Zeiten, in denen wahlweise Zuwanderer und Mütter als Retter in
der Not ausfallen - kommen die Roboter gerade rechtzeitig um
das "demografische Desaster" (KRÄMER) zu verhindern.
NARAT, Ingo (2016): Reisen in der
Zeitmaschine.
Sachwerte lieferten
langfristig höhere Erträge als Zinsanlagen. Das zeigt eine
bisher einmalige Studien. Auch künftig werden Aktien den
Anleihen überlegen sein, sagen Experten,
in:
Handelsblatt v. 07.11.
Weil Ökonomen keine
allgemeingültige Theorie des Aktienmarktes haben, blicken sie
gerne in die Vergangenheit, um uns daraus - wie ein Historiker
- die Zukunft der Finanzmärkte auszudeuten. Müssten Ökonomen
dagegen ihre Prognosen zur Entwicklung von Finanzmärkten
überprüfbar machen, dann könnte man anhand der Treffsicherheit
sehen, dass diese nicht weit her ist.
Das Hauptproblem liegt
darin, dass die Berechnung von Renditen meist auf
unrealistischen Annahmen beruht, die in der Praxis nicht
realisierbar sind. So werden bei Fonds gerne die geschlossenen
oder verschmolzenen Fonds unberücksichtigt gelassen. Oder wie
in dem Fall von Moritz SCHULARICK, wo Katastrophen (nicht nur
Kriege, sondern auch Naturkatastrophen) außen vor bleiben:
"Die Hausrendite würden
sich auf noch stehende Gebäude beziehen. Wenn eine schöne
Gründerzeitvilla im Krieg zerbombt worden sei, hätte
natürlich der Eigentümer sein Vermögen verloren."
Besondere Vorsicht ist
geboren, wenn Anbieter tolle Renditen ihrer Produkte bzw.
Sparte versprechen. Gerne stellen uns Journalisten
irgendwelche "Experten" vor, ohne deren mögliches
Eigeninteresse zu berücksichtigen. Aufklärung sieht anders
aus.
HÄRING, Norbert (2016): Der teure Irrtum
der Indexfonds.
Aktienanlage:
Wirtschaftsforscher zeigen: Die Nachbildung von Kursbarometern
bringt weniger Rendite als einfache Investitionsregeln,
in:
Handelsblatt v. 07.11.
Norbert
HÄRING erklärt ein "gleichgewichtetes Portfolio" einem Index
nachgebildeten Fonds überlegen. Sind also Finanzmanager doch
schlauer als Märkte? Eher ist es ein Beispiel dafür, warum
Finanzmanager langfristig dem Markt unterlegen sind:
"die noch bescheidene
Nachfrage nach solchen Produkten (dürfte) auch wichtig für
ihre Erfolgsaussichten sein. Denn wenn diese Anlagestrategie
zur Norm wird, dann wirkt sie ausgleichend auf die
Marktkurse und lässt die Gewinnchancen aus dieser Strategie
schrumpfen."
STEFFEN, Johannes (2016): »Den heutigen Rentnern geht es so gut
wie noch nie«.
Das Irrlicht vermeintlich
historischer Höchstrenten,
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 09.11.
Johannes STEFFEN testet die
Aussage von Jens SPAHN an der Rentenrealität. Ob ein
90-jähriger oder ein 70-jähriger Rentner betrachtet wird, das
macht angesichts der Rentenpolitik der vergangenen 20 Jahre
bereits einen großen Unterschied aus. Oder wie es bei STEFFEN
etwas unverständlich heißt:
"Frühere Bestandskohorten
erreichten mit ihrer Altersrente also einen durchweg höheren
Sicherungsstandard als heutige Bestandskohorten."
Durchschnittswerte für alle
Rentnerkohorten verharmlosen die drastischen Einschnitte der
letzten Jahrzehnte bei der Alterssicherung.
WORATSCHKA, Rainer/DPA
(2016): Renten steigen um bis zu
zwei Prozent.
Sicherungsniveau geht 2017
ebenfalls nach oben. Hauptgrund ist die gute
Beschäftigungssituation,
in:
Tagesspiegel
v. 11.11.
Rainer WORATSCHKA greift
vor allem die gute Arbeitsmarktentwicklung als Aspekt heraus.
Dass die Rentensteigerung 2017 niedriger ausfällt, erklärt er
uns folgendermaßen:
"Dass die Erhöhung im
kommenden Jahr niedriger ausfällt als in diesem, ist nicht
auf eine schlechtere Finanzsituation, sondern zum Großteil
auf Einmaleffekte zurückzuführen. Aufgrund von EU-Vorgaben
waren die Durchschnittslöhne bei der Rentenanpassung 2015
anders berechnet und niedriger angesetzt worden - was im
Folgejahr dann wieder ausgeglichen werden musste. Zudem
hatte sich die Beitragssenkung vom Januar 2015 von 18,9 auf
18,7 für 2016 rentensteigernd ausgewirkt."
REIMANN erwähnt dagegen die
Beitragsenkung nicht als Grund:
"Dass die Anpassung im
kommenden Jahr deutlich geringer als in diesem Jahr
ausfallen dürfte, ist insbesondere auf die Generalrevision
der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahr 2014
zurückzuführen, die die Rentenanpassung 2015 gedämpft und im
Gegenzug 2016 entsprechend erhöht hat." (2016, S.10)
Stattdessen werden die
Auswirkungen der Beitragssatzsenkung von REIMANN nur im
Zusammenhang mit dem Bundeszuschuss genannt:
"Die Senkung des
Beitragssatzes von 18,9 Prozent auf 18,7 Prozent hat den
Anstieg des allgemeinen Bundeszuschusses gebremst." (2016,
S.3)
WORATSCHKA zitiert auch aus
dem Vortrag
Zur aktuellen Diskussion um die Fortentwicklung der
Alterssicherung von Annelie BUNTENBACH, die als
DGB-Mitglied vor allem die drohende Altersarmut betont und
wohl deshalb von WORATSCHKA mit einer positiven Deutung der
bisherigen Rentenentwicklung zitiert wird.
Zum Schluss WORATSCHKA wird
uns noch die Sicht des GDV als Lobbyist der
Versicherungswirtschaft untergejubelt. Angeblich soll das
sinkende Rentenniveau von den Arbeitnehmern durch die
Kapitaldeckung geschlossen werden können. Die Vergangenheit
zeigt jedoch, dass dies falsch ist.
ÖCHSNER, Thomas (2016): Nicht ganz so üppig.
Die Altersbezüge der 20
Millionen Rentner dürften im kommenden Jahr erneut steigen, wenn
auch diesmal nur um maximal zwei Prozent. Das Finanzpolster der
Versicherung ist größer als erwartet, doch für eine Senkung der
Beiträge reicht es nicht,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
11.11.
Thomas ÖCHSNER erwähnt im
Gegensatz zu den anderen Zeitungen, dass die jetzt in Aussicht
gestellte Rentenerhöhung hinter der Schätzung vom Sommer
zurückbleibt:
"In der Sommerschätzung
war die Rentenversicherung noch von einem Aufschlag von 2,3
Prozent im Westen und knapp 2,6 Prozent im Osten
ausgegangen."
MUßLER,
Hanno (2016): Gewinne mit alten Fonds werden ab 2018
steuerpflichtig.
Die Besteuerung von Fonds
ändert sich von 2018 an radikal. Wer vor 2009 begann, mit
Indexfonds (ETF) und breit anlegenden Aktienfonds zu sparen,
verliert den Bestandsschutz. Aktien behalten dagegen diesen
wichtigen Steuervorteil - vorerst,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 12.11.
MUßLER,
Hanno (2016): Fiskus gegen Sparer.
Kommentar,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 12.11.
ZDRZALEK, Lukas (2016):Wenn Anbieter ihre Fonds plötzlich
schließen.
Verbraucherschützer warnen
davor, dass Lebens- und Rentenversicherer ihr Kunden in teuere
und riskantere Anlagen drängen wollen,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
14.11.
STEFFEN, Johannes (2016): Das »dynamisierte« Sicherungsniveau.
Kommt Schummelsoftware jetzt
auch bei der Rente zum Einsatz?
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 15.11.
IWD (2016): Rente realistisch gerechnet.
Rentenniveau: Ein Jahr vor
der Bundestagswahl scheint klar, dass die Rente wohl das alles
beherrschende Wahlkampfthema sein wird. Deshalb wird die
Bundesregierung nicht müde, den Bundesbürgern zu vermitteln,
dass das gesetzliche Rentenniveau bis 2030 nicht unter 43
Prozent sinkt. Aller Voraussicht nach wird das tatsächlich nicht
geschehen - erst recht wenn man berücksichtigt, dass die
Menschen künftig länger arbeiten,
in: iwd
Nr.34
v. 17.11.
ÖCHSNER, Thomas (2016): Altersbezüge steigen leicht an.
Bundesregierung erwartet bis
2030 pro Jahr 2,1 Prozent Plus,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
17.11.
ÖCHSNER, Thomas (2016): 47 statt 45.
Wie viele Jahre arbeitet ein
Durchschnittsmensch bis zur Rente?
in:
Süddeutsche Zeitung v.
17.11.
Bei der Debatte um das
Rentenniveau versuchen Neoliberale die Debatte auf die Kosten
zu reduzieren, um eine Kopplung des Renteneintrittsalters an
die Lebenserwartung durchzusetzen. Diese ist jedoch nicht
allein Garant einer kostenlosen Rentenniveaustabilisierung,
sondern es braucht auch eine Neudefinition der Standardrente.
Thomas ÖCHSNER, der derzeit eine Debatte um die Erhöhung des
Renteneintrittsalters aus taktischen Gründen ablehnt, stellt
deswegen - im Gegensatz zur FAZ, wo es umgekehrt ist - diese
Neudefinition nun isoliert von solchen Plänen vor. Dazu nennt
er dessen Befürworter von der Bundesbank über die
Wirtschaftsweisen bis zu IW Köln und BDA - also die ganze
Phalanx der Unternehmenslobbyisten.
Unternehmenslobbyist Jochen
PIMPERTZ vom IW Köln, der bereits im Frühjahr die Kosten von
Rentenniveaustabilisierungen für die Arbeitgeberseite
berechnet hat, hat nun die Neudefinition mit seinem Pamphlet
Rente realistisch gerechnet wieder ins Spiel gebracht.
Johannes STEFFEN hat dies im
Sozialpolitikportal vorgestern kritisiert, was ÖCHSNER
auch erwähnt.
Während die BDA die
Lebensarbeitszeit künftiger Rentner schön rechnet, zeigt der
Rentenversicherungsbericht, dass die tatsächliche
Lebensarbeitszeit derzeit eher den 43 Beitragsjahren
entspricht, die von dem IG Metall-Vorsitzenden Hans-Jürgen
URBAN als Bezugspunkt der Standardrente gefordert werden:
"Derzeit ist der
durchschnittliche Arbeitnehmer allerdings von den 45
Beitragsjahren und erst recht von 47 Beitragsjahren noch
weit entfernt. Dem neuen Rentenversicherungsbericht der
Bundesregierung zufolge kamen Männer Ende 2015 im
Durchschnitt auf 41,5 Jahre, in denen sie Rentenansprüche
erworben haben. Bei Frauen sind es sogar nur 30,8 Jahre."
Die Debatte ist jedoch
unvollständig, wenn nicht der
Ifo Schnelldienstartikel von Axel BÖRSCH-SUPAN u.a.
berücksichtigt wird, denn erst dort wird die ganze
Stoßrichtung dieser Debatte erkennbar.
OBERTREIS, Rolf (2016): Eine Aktie
fürs Volk.
Vor 20 Jahren hat die Telekom
mit ihren ersten Anteilsscheinen die Deutschen für die Börse
begeistert - dann kam der Crash,
in:
Tagesspiegel v. 17.11.
"Insgesamt haben der
Niedergang der einstigen Volksaktie, die hohen Verluste und
die langjährigen Prozesse der deutschen Aktienkultur einen
schweren Schlag versetzt. Das Papier der Telekom sollte die
Deutschen zu einem Volk der Aktionäre machen. Doch
stattdessen bleiben sie Aktienmuffel. Und zwar vor allem
wegen der Telekom. Nur 9,5 Millionen Bundesbürger besitzen
Aktien oder Aktienfonds",
jammert Rolf OBERTREIS. Die
Telekom ist schuld? Das ist ziemlich blödsinnig! Schuld sind
unsere Finanzexperten, die uns das Blaue vom Himmel
herunterlügen, um uns mit unrealistischen Renditen zu ködern.
Jeder, der kein Geld übrig hat, um es an der Börse zu
verbrennen ("Streuung" heißt das im Finanzsprech), sollte die
Finger vom Kapitalmarkt lassen und das ist gut so! Vor allem
mit Indexfonds sollen wir verführt werden. Hier winken
angeblich sagenhafte Renditen. Von
den 30 Dax-Konzernen, die vor 28 Jahren bei der Einführung des
Index existieren schafften es nicht einmal 50 Prozent
durchgängig im Dax notiert zu sein. Eine Erfolgsgeschichte
sieht anders aus. Symbolträchtig ist die Tatsache, dass jene
Bank, dessen Turm einst als Werbefläche für die T-Aktie
diente, längst untergegangen ist: Die Dresdner Bank.
GENTRUP, Anna (2016): Neue Kapitalquelle willkommen.
Die Versicherer freut es,
dass die Regierung über Privatinvestoren nachdenkt. Das finden
nicht alle gut,
in:
Süddeutsche Zeitung v.
17.11.
SIEMS, Dorothea (2016): Absturz wegen versteckter Schulden.
Die Sozialpolitik der großen
Koalition und die Flüchtlingskosten treiben das deutsche Defizit
ab 2020 in die Höhe. Selbst Italien und Portugal stehen besser
da - wenn sie ihre Rentenreformen wirklich umsetzen,
in:
Welt v. 17.11.
Dorothea
SIEMS hofiert den Unternehmenslobbyisten Bernd RAFFELHÜSCHEN,
der mit Generationenbilanzen die Staatsschulden schlecht
rechnet und damit der Finananzdienstleistungsbranche
entgegenkommt, die nach Profiten und Stärkung des
Kapitalmarktes zu Lasten der auf die Altersvorsorge
angewiesenen Menschen giert.
Während Unternehmen gerne
über ihre Pensionslasten jammern, um noch mehr Risiken auf die
Arbeitnehmer und Steuerzahler abwälzen zu können, soll der
Staat mit Subventionen Geringverdiener dem Kapitalmarkt in die
Hände treiben. Statt Wettbewerb im Altersvorsorgebereich
dominiert Abzocke der Kunden. Mit ihren vollmundigen
Renditeversprechungen Anfang des Jahrtausends wollen die
Versicherungsunternehmen nichts mehr zu tun haben. Die Kunden
sollen jetzt umsteigen auf möglichst risikoreiche und teuere
Altersvorsorgeprodukte, damit die Profite noch mehr steigen.
RAFFELHÜSCHENs Generationenbilanzen, die angeblich für mehr
Generationengerechtigkeit sorgen sollen, fördern das genaue
Gegenteil: steigende Altersarmut für zukünftige Generationen.
Fazit: Wer seine Daten
nicht offen legt, sondern wie bei diesem
EU-Nachhaltigkeitsranking nur ein paar bunte Grafiken und
belanglose Tabellen veröffentlicht, der hat offenbar Angst,
dass man seine Berechnungen nachprüfen kann. Das ist kein
Zeichen von Seriosität, sondern von PR, die nur den Anschein
von Wissenschaftlichkeit erweckt.
MÜLLER, Hans Christian
(2016): Der Dax.
Eine bewegte
Börsengeschichte,
in:
Handelsblatt v. 18.11.
"Und auch wenn der Dax
bisweilen schwächelte oder einbrach: Mit einem
durchschnittlichen Wertzuwachs von knapp neun Prozent pro
Jahr bereitete er seinen Anlegern - auf lange Sicht - viel
Freude",
lautet
eine von vielen Versionen, mit denen uns der Index als
Erfolgsgeschichte verkauft wird und unsere Renditegier
angestachelt wird. Das Problem: Der Wertzuwachs ist ein Fake,
denn in der Praxis ist diese Rendite nicht erreichbar.
Den DAX gibt es erst seit
1988 und wer älter ist, der weiß, dass 1987 mit dem
Börsen-Crash die Yuppie-Dekade begann (Gerne wird das
Gegenteil erzählt). Der DAX resultierte also aus einem
Imageproblem der Börse.
Verschwiegen wird gerne die
Tatsache, dass die 30 Konzerne, die den DAX bilden, in nur 28
Jahren vielfach wechselten. Die Grafik nennt 57 Konzerne, die
in dieser kurzen Zeitspanne den Index bildeten.
Lediglich 14 Konzerne
konnten sich über die ganzen 28 Jahre im DAX halten. Ein
Konzern flog in dieser Zeit zwei Mal aus dem Index. Unter
jenen Konzernen, die auf der Strecke blieben, finden sich
einstmals klangvolle Namen wie Hypo Real Estate, Dresdner
Bank, Hannover Rück, Karstadt-Quelle, Kaufhof//Metro, MLP und
Nixdorf.
Fazit: Was uns die
Verfechter der Kapitaldeckung als Erfolgsgeschichte preisen,
ist eine Misserfolgsgeschichte. Kein durchschnittlicher
Anleger kann jene Rendite von 9 Prozent erreichen, die uns das
Handelsblatt präsentiert. Es ist wie mit den
Abgastests: Nur auf dem Zeitungspapier und in Studien werden
die Werte erreicht, die uns als Köder vorgesetzt werden.
Allein die Kosten von Kauf- und Verkauf bzw. die Depotkosten
schmälern die Rendite drastisch. Auch ETF-Indexfonds erreichen
den Spitzenwert nicht, denn geschlossene oder zusammengelegte
Fonds bleiben in der Regel bei den Erfolgsgeschichten außen
vor
JAKOBS, Hans-Jürgen
(2016): Die
wahren Herren der Welt.
Deutschland AG, das war
einmal. Jetzt hat die New York Inc. das Sagen: Ein Netz aus
US-Vermögensverwaltern kontrolliert inzwischen weite Teile der
Weltwirtschaft. Ihr Renditehunger könnte eine neue Finanzkrise
auslösen,
in:
Handelsblatt v. 18.11.
SCHWERDTFEGER, Heike & Niklas
HOYER (2016): Kostengünstig auf Börsentrends setzen.
Indexfonds/ETF: ETFs mit Gold
und Schwellenländern sind die Gewinner des Jahres. Welche
Indexfonds auch für 2017 noch Potenzial bieten,
in:
Wirtschaftswoche Nr.48
v. 18.11.
PAUL, Kirsten (2016): Stärkt die Rente!
Gastwirtschaft: Gesetzliche
Altersvorsorge ist besser als private,
in:
Frankfurter Rundschau
v. 19.11.
Die
Vermögensverwalterin Kirsten PAUL, Jahrgang 1969, kritisiert
die "Klüngelei von Politik und Versicherungswirtschaft", bei
der die gesetzliche Rente auf der Strecke bleibt, obwohl sie
der kapitalgedeckten Altersvorsorge überlegen ist.
"Wer nachrechnet, stellt
fest, dass er mit Riester- und Rürup-Verträgen oder
betrieblicher Altersvorsorge keine finanziellen Vorteile
hat. Vielmehr handelt es sich bei diesen
»Eigenvorsorge-Verträgen« um eine Subvention der
Versicherungswirtschaft. Denn Abschlussprovisionen und
laufende Vertragskosten fressen die erhaltenen Zuschüsse
mehr als auf.
Wer am Ende das eingezahlte Geld wiedersieht, kann froh
sein",
meint PAUL, die für eine
Stärkung der gesetzlichen Rente plädiert. Neben einem Ausbau
zur Erwerbstätigenversicherung, fordert sie eine stärkere
Umverteilung, dessen ungenanntes Vorbild die Schweizer AHV
ist:
"Eine deutliche Erhöhung
oder sogar Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze darf
kein Tabu mehr sein. Die Maximalrente für Hochverdiener
sollte nach oben gedeckelt, die Rente für Geringverdiener
dagegen durch Umverteilung erhöht werden."
WOLFF, Volker (2016): Komplettdepots für kleines Geld.
Die Vermögensfrage:
Portfolio-ETF sind für Privatanleger eine preiswerte Alternative
zu aktiv verwalteten Misch- oder Dachfonds. Das Angebot ist
allerdings noch sehr übersichtlich,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 19.11.
SCHERFF, Dyrk
(2016):
Hoffen auf die Trumpflation.
Amerikas künftiger Präsident
Donald Trump wird mit seiner Wirtschaftspolitik die Inflation
zurückbringen. Das treibt die Zinsen in die Höhe. Endlich,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 20.11.
ORTMANN-BABEL, Martina
(2016):
Vorsicht bei der gesetzlichen Rente.
Der Steuertipp zur
Doppelbesteuerung von Renten,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 20.11.
KLEMM, Thomas
(2016): Bis
zu 6 Prozent Rendite - garantiert!
Aktien übernommener Firmen
sind für Anleger attraktiv: Sie garantieren Jahr für Jahr eine
feste Dividende,
in:
Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 20.11.
STEFFEN, Johannes (2016): Rentenversicherungsbericht 2016.
Gesamtversorgungsniveau -
Mehr Erklärungsbedarf als Erkenntnisgewinn,
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 21.11.
Wer immer noch der Meinung
ist, dass er alles richtig gemacht hätte, wenn er auf die
private Altersvorsorge à la Regierungspropaganda gesetzt
hätte, der sollte den Artikel von Johannes STEFFEN lesen, der
uns sagt, was der Rentenversicherungsbericht in Sachen
Kapitaldeckung verschweigt:
"Zur Ermittlung der Höhe
der monatlichen Privatrente bei Rentenzugang ist es ganz
entscheidend, ob und - falls ja - in welchem Umfang die
Leistung während der Auszahlungsphase dynamisiert wird. Das
Bundesarbeitsministerium unterstellt eine Anpassung wie bei
der gesetzlichen Rente - weist die Beträge sowie die
entsprechenden Niveau-Punkte jedoch nicht aus. »Berechnungen
für Rentenbestandsjahre werden nicht erstellt« - so das BMAS
im August 2013. Und das hat seinen Grund: Die Ergebnisse
passen so gar nicht zum offiziellen Mantra. (...).
Denn jeder neue Zugangsjahrgang muss während der Zeit des
Rentenbezugs deutliche Abstriche bei der Gesamtversorgung
hinnehmen. Kam beispielsweise der Rentenzugang des Jahres
2010 zunächst noch auf ein Gesamtversorgungsniveau von 53,0
Prozent (51,6% GRV plus 1,4% pAV), so sind es nach 20 Jahren
Laufzeit im Jahr 2030 nur noch 45,7 Prozent (44,5% GRV plus
1,2% pAV). Und so ergeht es sämtlichen Zugängen der
Folgejahre. Sie alle landen am Ende unterhalb des
Zugangsniveaus und sie alle liegen zudem deutlich unterhalb
des Niveaus von rund 53 Prozent, das bis zur
Jahrhundertwende mit der damals noch »lebensstandardsichernd«
ausgerichteten gesetzlichen Rente ganz alleine erreicht
wurde. Selbst unter den verzerrenden Modellannahmen des
Regierungsberichts kann »Riestern« die Rente also nicht
ersetzen – von den realen Verhältnissen ganz zu schweigen.
Als Folge der (Teil-) Privatisierung der Alterssicherung
zahlen die Versicherten also nicht nur einen insgesamt
höheren Preis für ihre Altersversorgung (Rentenbeitrag plus
vier Prozent »Riester«-Prämie), sie erhalten dafür im
Gegenzug auch noch geringere Leistungen."
Was hierbei noch nicht
einmal berücksichtigt ist: Die Umverteilung von Arm zu
Besserverdienenden aufgrund der unterschiedlich hohen
Lebenserwartung. Diese ist bei der Kapitaldeckung noch höher
als bei der gesetzlichen Rente.
SOMMER, Ulf
(2016): Langfristig ist die Dividende
fast alles.
Leitartikel: Kursgewinne sind
beim Sparen fürs Alter nicht so wichtig,
in:
Handelsblatt v. 28.11.
Ulf SOMMER vermarktet Aktien
als Altersvorsorge. Da wird selbst die Telekom-Aktie zum Renner.
Dumm nur, wer nicht gleich 1996
eingestiegen ist, sondern zwischen 1997 und 2001 - dem
dürften selbst die Dividenden nicht über die Kursverluste
hinweghelfen. Aber wer uns Aktien als Königsweg der
Altersvorsorge schmackhaft machen will, der wird natürlich die
Risiken lieber verschweigen.
GROTH, Julia
(2016):
Megatrends mit Restrisiko.
Anlagekonzepte: Anleger
können mit Indexfonds auf Spezialthemen setzen. Für
Privatinvestoren macht das wenig Sinn,
in:
Handelsblatt v. 29.11.
Trendforscher sprechen
gerne von Megatrends, also Trends die den Tag überdauern und
längerfristig wirken. Dazu gehört auch der demografische
Wandel, was purer Nonsens ist, denn der demografische Wandel
ist ein permanenter Begleitumstand jeglicher nationaler
Gesellschaft bzw. Bevölkerung. Von daher ist er kein
Megatrend, sondern Kontextbedingung. Das schert Trendforscher
wenig. Nicht der demografische Wandel, sondern spezielle
Aspekte des demografischen Wandels wie die Veränderung der
Lebenserwartung, die Entwicklung der Geburten usw. werden als
Trends konstatiert, obwohl auch hier jederzeit Änderungen
eintreten können.
"Indexfonds, die vom
demografischen Wandel profitieren sollen, legen ein starkes
Gewicht auf Pharma-Titel",
erklärt uns Julia GROTH,
was eher ein Beleg dafür ist, dass solche Fonds eher ein
Marketing-Gag sind, mit denen Fondsgesellschaften mehr Profit
machen möchten.
NARAT,
Ingo
(2016): Das große Hickhack.
Die lang ersehnten
Infoblätter für den einfachen Vergleich von Fonds, Zertifikaten
und Versicherungen kommen später als geplant. Der Weg zur
europäischen Lösung ist steinig,
in:
Handelsblatt v. 30.11.
Ingo NARAT berichtet über
den Stand der Dinge zu den geplanten Informationsblättern im
Finanzdienstleistungsmarkt. Das Ziel des EU-Projekts
Packaged Reteil and Insurance-Based Investment Products (Priips)
beschreibt NARAT folgendermaßen:
"Die EU hat es sich zum
Ziel gemacht, wichtige und aus Einzelbausteinen
zusammengesetzte Finanzprodukte wie Fonds, Versicherungen
und Zertifikate vergleichbar zu machen. Der Anleger soll
erfahren, worum es beim Produkt geht, welchen Ertrag er
erwarten kann, was es ihn kostet."
Ein solches Ziel verträgt
sich jedoch nicht mit den Interessen der
Finanzdienstleistungslobbyisten, die Transparenz zu ihren
Lasten unbedingt vermeiden wollen, weswegen das Projekt wohl
kaum verbraucherfreundlich werden wird. NARAT berichtet eher
einseitig über den Streit zwischen den Beteiligten:
"Kommission, Rat, Parlament, drei europäische
Aufsichtsbehörden und verschiedene Lobbygruppen" tragen einen
Interessenkonflikt aus.
Schlau gemacht hat sich
NARAT in einem Gespräch mit Steven MAIJOOR, der die Interessen
der EU-Wertpapieraufsicht (ESMA) vertritt - also nicht in
erster Linie die Verbraucherinteressen, sondern die
Kapitalinteressen. Bei den Streitpunkten legt NARAT deshalb
das Schwergewicht auf die Frage der Renditen und Kosten, nicht
jedoch auf die Risiken, die ja in erster Linie die Verbraucher
betreffen würden.
"Stein des Anstoßes waren
etwa die Angaben zu den Erträgen. Bisher werden Anleger in
Info-Materialien etwa zu Fonds mit Vergangenheitsdaten
versorgt. Das soll sich ändern, gefragt sind
Performanceszenarien für die Zukunft".
Dieser Paradigmenwechsel
ist jedoch von Seiten der Finanzdienstleistungsbranche
unerwünscht, denn dort wird gerne auf die tollen Renditen der
Vergangenheit verwiesen. Auch in den Mainstreamzeitungen wird
diese Sicht gerne übernommen, um Aktien zu propagieren. Da
werden uns sagenhafte Renditen vorgeschwärmt, die sich in der
Praxis höchst selten erreichen lassen. Als Kritiker dieser
Praxis wird uns einzig der EU-Parlamentarier Sven GIEGOLD
präsentiert. Vor allem den deutschen BVI, der die Interessen
der Fondsgesellschaften vertritt, stört dies. Die
Finanzdienstleistungsbranche hat so gar die "europäische
Verbraucherschutzorganisation Better Finance" auf ihrer
Seite, zumindest jedoch dessen Mitglied Guillaume PRACHE, der
lange Zeit als "Geschäftsführer der europäischen
Tochtergesellschaft der Vanguard Group, Inc., einem weltweit
führenden Unternehmen im Bereich Asset-Management" tätig war.
Warum wurde nicht Axel KLEINLEIN, den deutschen Vertreter
dieser Organisation befragt, sondern ausgerechnet jemand, der
beim Konkurrenten von Blackrock Karriere machte? Ist ein
solcher Seitenwechsel nicht eher verdächtig?
Vanguard sieht in der Transparenz zumindest rhetorisch einen
Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten. Genau diese
Vanguard-Masche im Kampf um Marktanteile, die in einem Bericht
von NARAT aus dem Jahre 2003 anklingt, verkörpert PRACHE auch
in der Verbraucherschutzorganisation Better Finance. Ist
jedoch die Transparenz, die eine Fondsgesellschaft vertritt,
gleichbedeutend mit Transparenz im Sinne der Kunden? Werden
hier nicht Interessenskonflikte ausgeblendet?
In Sachen Kosten wird uns
zuerst Greg van ELSTEN von der "Konsumentenschutzvereinigung
BEUC präsentiert, nur um die Sicht des BVI einzuleiten, dem
die Berechnung der Transaktionskosten nicht passt, weil
dadurch die Konkurrenten Vorteile hätten.
Die Streitigkeiten könnten
fortdauern, derweil NARAT mit Hinweis auf MAIJOOR zum Schluss
wieder die Aktien als Königsweg der Altersvorsorge propagiert.
Ob diese Anlagestrategie jedoch tatsächlich besser ist als
andere Formen der Geldanlage, darf bezweifelt werden. Wer es
sich nicht leisten kann, sein Geld zu verbrennen, der ist
selbst mit dem Sparbuch besser dran. Und Geringverdiener haben
nicht einmal die Möglichkeit der Streuung wie
Besserverdienende. Trotzdem sollen sie mit Staatsgeldern auf
den Kapitalmarkt gelockt werden. Da nützen auch
Informationsblätter nichts.
BUTTERWEGGE, Christoph (2016): Von Riester zu Nahles.
Altersarmut trotz Rente,
in:
Blätter für deutsche und
internationale Politik, Dezember, S.23-26
Christoph
BUTTERWEGGE wirbt für eine solidarische Bürger- bzw.
Erwerbstätigenversicherung:
"Nicht bloß (Solo-)Selbständige
müssten in die Rentenversicherung einbezogen werden, sondern
auch Beamte, Abgeordnete und Minister. Auch erwachsene
Nichterwerbstätige könnten einer Mindestbeitragspflicht
unterworfen werden. Für jene Personen, die den nach der
Einkommenshöhe gestaffelten Beitrag nicht entrichten können,
müsste der Staat einspringen."
BUTTERWEGGE plädiert für
eine Stärkung des Solidar- zulasten des Äquivalenzprinzip.
Darunter versteht er den Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze
und eine Deckelung der Rente bei Spitzenverdiener nach dem
Vorbild der Schweizer AHV.
Außerdem sei eine
Eindämmung des Niedriglohnsektors und die Ausweitung der
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung notwendig:
"Um wenigstens allen
sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten eine
armutsfeste Rente zu ermöglichen, muss der gesetzliche
Mindestlohn auf über 10 Euro pro Arbeitsstunde angehoben
werden. Nötig ist zudem eine Überführung der Mini- und
Midijobs in sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse, ein Verbot der Leiharbeit sowie
eine stärkere Beschränkung von Werk- und Honorarverträgen.
Außerdem sollte die Bundesagentur für Arbeit wieder
verpflichtet werden, für Hartz-IV-Bezieher (ausreichend
hohe) Beiträge in die Rentenkasse einzuzahlen."
Die Aufgabe der
ursprünglich im Koalitionsvertrag festgeschriebenen
"solidarischen Lebensleistungsrente" bedauert BUTTERWEGGE
nicht, denn diese wäre sowieso ungeeignet gewesen, die
Altersarmut zu bekämpfen:
"Wegen der brüchigen
Erwerbsbiographien kämen (...) nur wenige Geringverdiener in
den Genuss eines Rentenzuschusses, mit dem ihre Rente auf
850 Euro brutto aufgestockt wird, womit sie selbst nach
offizieller Lesart weiterhin armutsgefährdet wären."
Die Lage der älteren
Menschen ist für BUTTERWEGGE bereits jetzt schon dramatisch:
"Ältere bilden
hierzulande seit geraumer Zeit die Bevölkerungsgruppe, deren
Armutsrisiko stärker wächst als das aller anderen. Im
Dezember 2015 bezogen mehr als 536.000 Menschen die
sogenannte Grundsicherung im Alter. Das sind doppelt so
viele Empfänger wie im Jahr 2003, in dem diese
Grundsicherung eingeführt wurde. Mehr als 14 Prozent aller
Seniorinnen und Senioren in Deutschland sind nach
EU-Kriterien arm."
Nicht zuletzt kritisiert
BUTTERWEGGE, dass die Kapitaldeckung weiter zulasten der
gesetzlichen Rentenversicherung gestärkt wird. Insbesondere
das Betriebsrentenstärkungsgesetz setzt hier - als
"legislativer Kern" der Reform - falsche Akzente und setze die
unsägliche Tradition des Altersvermögens- und
Altersvermögensergänzungsgesetz unter Walter RIESTER fort.
BUTTERWEGGE sieht durch die
Stärkung der Kapitaldeckung sowohl die gesetzliche
Rentenversicherung als lebensstandardsichernde Rente als auch
die paritätische Finanzierung des Rentensystems durch
Arbeitgeber und Arbeitnehmer außer Kraft gesetzt. Stattdessen
werden vorrangig die Interessen von Unternehmen und
Versicherungswirtschaft bedient:
"Sie eröffnet der
Versicherungsbranche ein weiteres lukratives Geschäftsfeld
und beschert ihr erneut saftige Profite und Provisionen,
ohne dafür zu sorgen, dass die Kunden im Alter tatsächlich
vor Armut geschützt sind."
Im Gegensatz zu den
Mainstreammedien, in denen die Konsequenzen der
Entgeltumwandlung für die gesetzliche Rentenversicherung meist
völlig ausgeblendet werden, weist BUTTERWEGGE ausführlich auf
die dadurch entstehende Probleme hin:
"Wer die betriebliche
Altersvorsorge stärkt, schwächt allerdings zwangsläufig die
gesetzliche Rentenversicherung. Denn im Rahmen der
sogenannten Entgeltumwandlung werden dieser Milliardensummen
entzogen (...). Kurz nach der Jahrtausendwende führte die
rot-grüne Koalition die Entgeltumwandlung als befristete
»Anschubfinanzierung« für die betriebliche Altersvorsorge
ein, nun will die Große Koalition sie im Einvernehmen mit
den Gewerkschaften ausweiten. Dadurch aber sinkt das
allgemeine Rentenniveau (...). Betroffen davon sind auch
jene Arbeitnehmer, die sich gar nicht an der betrieblichen
Altersvorsorge beteiligen. Auch sie werden mit niedrigeren
gesetzlichen Renten bestraft."
BUTTERWEGGE plädiert
deshalb für eine Abschaffung der Kapitaldeckung und die
Einführung einer Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung
ÖCHSNER, Thomas (2016):
Eine allzu wohlwollende Rechnung.
Die Riester-Rente ist klasse,
sagt die Bundesregierung - und künftigen Rentnern könnte es
sogar besser gehen als Senioren heute. Kann das stimmen? Der
Sozialbeirat hat Zweifel daran, dass diese Kalkulation aufgeht -
nur ganz laut sagen können die Regierungsberater das nicht,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 01.12.
Thomas ÖCHSNER berichtet
über das
Gutachten des
12 Mitglieder zählenden Sozialbeirats zum
Alterssicherungsbericht 2016 und Rentenversicherungsbericht
2016. Dabei hebt er folgende Kritikpunkte hervor: Das
Gesamtversorgungsniveau wird zu optimistisch dargestellt,
weil:
1) Unwissenheit über die notwendige Höhe der privaten
Altersvorsorge besteht.
"Diese Gesamtversorgung
setzt sich zusammen aus der gesetzlichen Rente, der
ausgezahlten Riester-Rente - und (...) einer zweiten
privaten Zusatzrente. Diese ergibt sich, wenn die
Versicherten die Steuerersparnis auf Grund ihrer
Einzahlungen in die Rentenkasse in einen weiteren
Vorsorgevertrag anlegen."
Der Sozialbeirat
kritisiert, dass die Versicherten aufgrund ihres Unwissens
über notwendige private Zusatzrente zu wenig fürs Alter
vorsorgen:
"Tatsächlich dürfte kaum
einem Bürger bewusst sein, dass er diese Steuerersparnis von
je nach Verdienst 20 bis knapp 150 Euro monatlich auch noch
fürs Alter zurücklegen sollte."
2) Die Verzinsung der
Kapitaldeckung wird mit 4 Prozent zu hoch angesetzt
"Schon bei einer
Verzinsung von drei Prozent würde das Versorgungsniveau
niedriger ausfallen. Der Sozialbeirat regt daher an, in den
Rechnungen der Regierung deshalb »auch eine Variante mit
niedriger Kapitalrendite auszuweisen«",
berichtet ÖCHSNER.
3) Weder spart die
Bevölkerung in erforderlicher Höhe für das Alter, noch wird
die volle Förderung ausgeschöpft, wie es die Modellrechnungen
des Alterssicherungsberichts ausweist:
"Denn in fast jeden
fünften der mehr als 16 Millionen Riester-Verträge wird gar
nichts mehr eingezahlt. Außerdem unterstellt die Regierung
stets, dass die Sparer die volle staatliche Zulage erhalten.
Bei den meisten ist dies aber nicht der Fall, da sie selbst
nicht genug sparen."
4) Die Verwaltungskosten
werden mit 10 Prozent zu niedrig angesetzt.
ÖCHSNER, Thomas (2016): Zehn Wahrheiten über die Rente.
Wie lange müssen die
Deutschen künftig arbeiten? Reicht die Alterssicherung? Ist
alles gar nicht so dramatisch, sagen die einen. Die Rente wird
ein großes Problem, sagen die anderen. Die wichtigsten Fakten
und Folgen,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 03.12.
SCHUBERT, Christian
(2016): Gegen
getrennte Versicherungen für Beamte und Arbeitnehmer.
OECD schlägt Zusammenführung
der Rentensysteme vor,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 06.12.
Die neoliberale OECD will
in ihrem Bericht
Pensions Outlook 2016
mehr Einfalt, statt Vielfalt, weshalb sie darauf drängt, dass
in allen OECD-Staaten die selben Fehler wiederholt werden
sollen. Historisch gewachsene Systeme lassen sich jedoch nicht
über den neoliberalen Kamm scheren. Oberste Priorität hat bei
der OECD die Stärkung der Profite der
Finanzdienstleistungsbranche durch kapitalgedeckte
Rentensysteme. Die Richtigkeit dieser Strategie wird uns nicht
bewiesen, sondern umgekehrt soll die Anzahl von Ländern, die
diese Strategie gewählt haben, suggerieren, dass dies der
richtige Weg sei:
"Deutschland hat die
private Rentenvorsorge zwischen den Jahren 2000 und 2015 von
3,8 auf 6,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöht.
Damit liegt Deutschland im unteren Drittel der 35
OECD-Mitgliedsländer. Nur Österreich, Belgien, die Türkei,
Ungarn, Luxemburg und Griechenland haben geringere Anteile.
Dagegen gibt es schon 13 Länder, in denen kapitalbasierte
Rentensysteme für mehr als die Hälfte des BIP stehen."
Die Nachteile dieses
Systems werden uns folgendermaßen dargestellt:
"Die meisten dieser
Systeme erfordern ein festgelegtes Niveau an Beiträgen, ohne
dass die späteren Rentenbezüge garantiert sind. Daher gehen
die Beitragszahler ein nicht zu unterschätzendes Risiko
ein".
Um die Profite der
Finanzdienstleistungsbranche zu stärken, werden also die
Risiken auf die Kunden abgewälzt. Das wird bei der OECD aber
nicht als Problem gesehen, sondern es werden uns lapidare
Absichtsbekundungen hinsichtlich der Transparenz der Produkte
gepriesen:
"Die Staaten sollten
dafür Sorge tragen, dass höchst mögliche Transparenz
herrscht und die Versicherungsnehmer ihre Risiken kennen."
Anders formuliert: Die
Risiken für die Kunden sollen nicht etwa beseitigt werden,
sondern die Kunden sind selber schuld, wenn sie zu hohe
Risiken eingehen. Transparenz jedoch ist nicht im Interesse
der Finanzdienstleistungslobby, denn das würde ihre Profite
schmälern (Transparenz als Wettbewerbsvorteil existiert nur,
solange es keine Transparenz gibt!), weshalb jeglicher Versuch
durch die Lobbyisten torpediert wird. Im schlimmsten Fall sind
die Lobbyisten sogar am Schreiben der Gesetze beteiligt.
Welche Probleme damit verbunden sind, das konnte man
kürzlich anhand eines
Handelsblatt-Artikels sehen.
Um Transparenz zu
verhindern, bringt die Finanzdienstleistungsbranche ständig
neue Produkte auf den Markt. Die OECD umschreibt dies
schönfärberisch als "ständige Zunahme der Komplexität". Als
Lösung wird uns der Erwerb von Finanzkompetenz nahe gelegt.
Kein Verbraucher ist jedoch in der Lage diesen Wettlauf
zwischen Hase und Igel zu gewinnen. Selbst wenn es Transparenz
für die Produkte gäbe: Sie wären längst von anderen
intransparenten Produkten überholt. Die OECD hält uns also für
dumm.
Nicht zuletzt will die OECD
auch noch staatliche Förderungen für die
Finanzdienstleistungsbranche und begründet dies mit mehr
Gerechtigkeit. Damit sollen Schlechterverdiener auf die
Kapitalmärkte gelockt werden. Dass Besserverdienende eher die
Chance auf Rendite haben, wird dadurch jedoch nicht
ausgeglichen.
Die Zusammenführung der
gesetzlichen Rente mit der Beamtenversorgung gehört ebenfalls
in diese Strategie:
"Ausdrücklich nennt die
OECD Deutschland, Frankreich, Belgien und Korea als
Kandidaten für einen solchen Systemwechsel, weil sie als
einzige unter den OECD-Ländern vollständig getrennte
Versicherungen für Beamte und Beschäftigte der
Privatwirtschaft haben."
Dann müssten aber auch
sämtliche Versorgungssysteme von Freiberuflern aufgelöst
werden, denn für diese gelten die gleichen Punkte wie für die
Beamtenversorgung. Dazu liest man bei SCHUBERT wohlweislich
nichts!
Fazit: Die Nachteile der
Kapitaldeckung sind derart gravierend und reichen bis zum
Verlust der privaten Rente, dass die Abschaffung der
Kapitaldeckung die einzige sinnvolle Lösung des Problems
ist.
REZMER, Anke
(2016):
Aktiensparen für die Rente.
Kommentar Bulle & Bär,
in:
Handelsblatt v. 07.12.
Anke REZMER erklärt uns wie
die Kapitaldeckung von der Angst vor Altersarmut profitieren
will. Christine BORTENLÄNGER vom Deutschen Aktieninstitut
(DAI), also einer Finanzdienstleistungslobbyistin, will uns
auf den Aktienmarkt locken:
"Vier Prozent Rendite
braucht ein deutscher Durchschnittsverdiener laut DAI auf
Sparraten in Höhe von vier Prozent seines Bruttoeinkommens
im Jahr - will er das Abschmelzen seiner Rente von heute 50
Prozent des letzten Nettoeinkommens auf gut 41 Prozent im
Jahr 2060 ausgleichen",
berichtet REZMER über die
Sicht des DIA. Bei dieser Rechnung ist so ziemlich alles
ungewiss. Wer 2060 in Rente geht - also derzeit mit 67 Jahren
- wurde 1993 geboren und ist damit heute 23 Jahre alt und
damit Berufsanfänger. Das Rentenniveau bezieht sich nicht auf
das letzte Nettoeinkommen, sondern auf den durchschnittlichen
Verdienst während seines Arbeitslebens. Es liegt heute bei
rund 48 Prozent. Das Bundesarbeitsministeriums hat für 2045
ein Niveau von rund 42 Prozent prognostiziert. Bei einem
weiteren Geburtenanstieg könnte sich das Verhältnis von
Beitragszahlern zur Rentnern im Jahr 2060 wesentlich
verbessern, weshalb die 41 Prozent reine Panikmache sind.
Sollte sich die Politik zur Stabilisierung des Rentenniveaus
genötigt sehen - was eher wahrscheinlich ist, dann verbessert
sich die Situation sogar noch mehr.
Offenbar ist BORTENLÄNGER
ebenfalls nicht von den Kapitalmärkten überzeugt, wenn sie
eine enorme staatliche Förderung für eine Altersvorsorge
mittels Aktien plädiert, denn sonst wäre diese Förderung
überflüssig. REZMER ist sogar noch pessimistischer, denn mit
Blick aufs Ausland will sie sogar Zwang anwenden. Wie
unlukrativ muss also der Aktienmarkt sein, wenn man solche
Mittel anwenden muss?
Fazit: Lieber auf die
gesetzliche Rente setzen statt auf Kapitalmärkte, deren
Entwicklung wesentlich schlechter verlaufen könnten als die
Verfechter von Aktien das uns weismachen wollen. Im
schlimmsten Fall wird die Rente zum Alptraum, wenn das
Vermögen dahin ist.
HOCK, Martin (2016): Nur die Aktie kann die Rente retten.
Deutsches Aktieninstitut
fordert Stärkung der Riester-Rente,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 07.12.
Martin HOCK berichtet
noch ausführlicher und unkritisch über ein Pamphlet der
Finanzdienstleistungslobby.
"Den Beitrag, den
Aktieninvestments zur Altersvorsorge leisten können,
untermauern die Initiatoren mit Zahlen. Sie haben die
Rendite aller möglichen Sparpläne von ein bis dreißig
Jahren zwischen 1967 und 2015 berechnet. Dabei kamen sie
zu dem Ergebnis, dass ab einer Laufzeit von mehr als 15
Jahren kein Sparplan mehr einen Verlust gebracht hätte",
behauptet HOCK. Dagegen
heißt es in der Broschüre:
"Bei Anlagezeiträumen
von 15 bis 20 Jahren liegt kein von uns analysierter
Sparplan im Minus, d.h. zumindest die Summe der
Einzahlungen bleibt immer erhalten." (2060, S.3)
Da könnte man also sein
Geld auch gleich auf dem Sparkonto lassen. Selbst dort
bekommt man noch mehr als null Prozent, solange es keine
Negativzinsen für Privatanleger gibt. Hinzu kommt die
Einschränkung "von uns analysiert". Dazu heißt es in der
Broschüre:
"Die folgenden
Berechnungen legen (...) Sparpläne zugrunde. Als Maßstab
für die Höhe der Aktienrenditen wird der Deutsche
Aktienindex DAX 30 herangezogen, dem die 30 größten
börsennotierten deutschen Unternehmen angehören.
Betrachtet werden monatliche Daten für den Zeitraum von
Anfang 1967 bis Ende 2015. Bei den Berechnungen in dieser
Studie werden nominale Werte zugrunde gelegt, d.h. die
Wertentwicklung der Anlagen wird nicht um die Inflation
bereinigt." (2016, S.19)
Die Zahlen gelten also
streng genommen nur für einen DAX-Indexfonds und nicht für
das Alterssparen mit Aktien allgemein, wie uns nicht nur
HOCK weismachen will. Und sie ignorieren auch noch die
Inflation, die die Rendite drastisch schmälern kann.
Aber es kommt für HOCK
noch schlimmer. Bei 15 Jahren Laufzeit kam es selbst beim
DAX noch zu Verlusten:
"Bei historischen
DAX-Sparplänen von 15 Jahren betrug hingegen der Verlust
für die schlechteste 15-Jahres-Periode zwar noch -0,4
Prozent. Nach 20 Jahren lag die minimale Rendite auf
DAX-Sparpläne mit 2,7 Prozent im positiven Bereich."
(2016, S.21)
Wer also mit der
Altersvorsorge per Aktien spät angefangen hat, z.B. mit 50
Jahren, dem hätten in der Vergangenheit Verluste drohen
können. Für die Zukunft ist diese Gefahr sogar wesentlich
größer. Bei der Rendite müssten seriöserweise auch die
Kosten abgezogen werden, wodurch die Verluste noch stärker
zu Buche schlagen.
Während das Aktiensparen
zu positiv dargestellt werden, sodass in der Praxis die
präsentierten Renditen nur selten erreicht werden können,
wird die gesetzliche Rente demgegenüber schlecht geredet:
"Nach aktuellen
Erhebungen wird das Rentenniveau von aktuellen 51,6
Prozent des letzten Nettoeinkommens, bezogen auf den
sogenannten »Eckrentner«, bis 2060 auf 41,2 Prozent
absinken. (...). »Dabei sind unsere Annahmen noch
optimistisch«, sagt DAI-Vorstand Christine Bortenlänger.
»Nach dem jüngsten Rentenversicherungsbericht der
Bundesregierung wird dieses Niveau schon 2045 erreicht«",
behauptet HOCK. Daran
stimmt jedoch so gut wie nichts. Das Rentenniveau bezieht
sich auf den durchschnittlichen Verdienst und nicht auf das
letzte Nettoeinkommen und so steht es sogar in der Broschüre
der Lobbyisten:
"Das
Standardrentenniveau, auf das in der öffentlichen
Diskussion abgestellt wird, ist das Rentenniveau des
Eckrentners in Abhängigkeit des letzten durchschnittlichen
Jahreseinkommens. Das Bruttorentenniveau bezeichnet den
Anteil der Rente am Bruttoentgelt. Beim Nettorentenniveau
vor Steuern, oftmals auch als Sicherungsniveau bezeichnet,
werden die jeweiligen Sozialabgaben sowohl vom
Bruttoentgelt als auch von der erhaltenen Bruttorente
abgezogen – Steuern werden hingegen nicht berücksichtigt."
(2016, S.30)
Die Berechnungen beruhen
auf veralteten Annahmen des Familienfundamentalisten Martin
WERDING, dessen Publikation bereits 2013 erschienen ist und
damit nicht auf der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung
beruht.
In der Publikation der
Lobbyisten (vgl. 2016, S.32) wird das Nettorentenniveau des
Rentenversicherungsberichts mit dem Bruttorentenniveau
verglichen, was HOCK bei seinen Ausführungen nicht
kritisiert, sondern einfach unwidersprochen wiedergibt.
Schätzungen für das Jahr
2060 sind zudem mit großen Unsicherheiten behaftet, weshalb
die Argumentation der Lobbyisten auch eher normativ als
empirisch ist. Das aus ihrer Sicht Wünschenswerte (Ausbau
der Kapitaldeckung) wird auf die Zukunft projiziert. Viel
wahrscheinlicher ist dagegen, dass sich die Kapitaldeckung
als wenig hilfreich bei der Bekämpfung der Altersarmut
erweisen wird und deshalb die gesetzliche Rente wieder an
Relevanz gewinnt.
Fazit: Die
Berichterstattung ist einseitig und unseriös. Sie klärt nicht
über die fragwürdigen Annahmen der Lobbyisten auf, sondern
gibt sie unkritisch wieder. Dadurch erscheint das Sparen mit
Aktien der gesetzlichen Rente gegenüber als überlegen obwohl
das Gegenteil der Fall ist. Selbst mit ein DAX-Indexfond
konnten in der Vergangenheit noch nach 15 Jahren Verluste
gemacht werden. Die Kosten für den Sparplan sind dabei noch
nicht einmal berücksichtigt. Wer auf einzelne Aktien setzt,
dem könnten sogar noch viel größere Verluste entstehen. Die
zukünftige Entwicklung der gesetzlichen Rente wird dagegen zu
pessimistisch dargestellt.
WORATSCHKA, Rainer (2016): Der Armut näher.
Rentner erlitten in den
vergangenen 15 Jahren einen enormen Kaufkraftverlust,
in:
Tagesspiegel v. 08.12.
Rainer WORATSCHKA berichtet
über die Kritik des Statistikprofessors Gerd BOSBACH ("Neue
Zahlen: Gesetzliche Renten seit 2000 dramatisch gesunken – Es
ist Zeit zu handeln, Frau Nahles!") an der Verharmlosung
der Rentenentwicklung in der neoliberalen Berichterstattung
der Mainstreammedien zum Rentenniveau:
"(D)ie Rentenzahlungen
(sanken) zwischen den Jahren 2000 und 2015 für Neurentner
mit Versicherungszeiten von mehr als 35 Jahren im Schnitt
von 1021 auf 848 Euro im Monat. Das ist ein Minus von 16,9
Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Preise um 24,7 und
das Bruttoinlandsprodukt um 18,3 Prozent.
Auch die sogenannten Bestandsrentner mit mehr als 35
Versicherungsjahren hätten gemessen an der Kaufkraft ein
enormes Minus zu verkraften gehabt, sagt Bosbach. Um die
Preissteigerungen in diesem Zeitraum ausgeglichen zu
bekommen, hätten sie im Jahr 2015 gut 21 Prozent mehr Rente
bekommen müssen. Nominal stiegen ihre Bezüge zwischen 2000
und 2015 zwar geringfügig, das Plus betrug jedoch lediglich
2,8 Prozent. Im Schnitt erhöhte sich die Rentenzahlung für
diese Gruppe pro Person von 1048 auf 1078 Euro im Monat."
Grundlage der Berechnungen
sind Angaben der Deutschen Rentenversicherung in ihrer
Publikation
Rentenversicherung in Zeitreihen vom Oktober diesen
Jahres.
WOLFF,
Volker
(2016): Augen zu und durch - Aktien lohnen
dauerhaft.
Die Vermögensfrage: Die
deutschen Anleger ziehen sich aus Aktien und Fonds zurück. Dabei
wurde mit Renditen um acht Prozent belohnt, wer in den
vergangenen 50 Jahren in Aktien investierte und die Papiere
länger hielt. Egal, wann er kauft,
in:
Frankfurter
Allgemeine Zeitung v.
10.12.
Volker WOLFF macht sich zum
Helfershelfer des DAI, dessen Interessen auf die Überredung
von potenziellen Altersvorsorgesparern abzielt. Zuerst jammert
WOLFF über die dummen Deutschen, die nicht wissen was gut für
sie ist.
"Seit Jahren listet das
DAI sorgfältig auf, mit welcher Rendite ein Käufer aller
Dax-Aktien belohnt wurde (...). Die Ergebnisse
berücksichtigen Kursgewinne und Dividenden. Sie sind
allerdings etwas zu schön, weil sie vor Steuern und ohne
Kosten ermittelt wurden. Das ist nicht ganz die Realität der
Anleger",
verharmlos WOLFF ganz im
Sinne der Finanzdiensleistungslobby. Warum werden die Kosten
nicht von den Renditen abgezogen? Offenbar ergäbe sich dann
ein Minus. Die Zahlen, die uns WOLFF liefert, sind zudem
geschönt:
"Tabelle 1 zeigt die
Schicksale unterschiedlicher Anlagedauern in den vergangenen
50 deutschen Börsenjahren. Wer irgendwann in diesem Zeitraum
Aktien kaufte und diese fünfzehn Jahre hielt,
erwirtschaftete meist eine jährliche Rendite von achteinhalb
Prozent. Unabhängig vom Kaufzeitpunkt. (...). Entscheidend
bei dieser Anlagedauer: Es gab am Ende nie einen Verlust,
die schalen 2,3 Prozent waren das schlechteste aller
Ergebnisse unter den fünfzehnjährigen Anlagezeiträumen."
Das widerspricht der
aktuellen Studie des DAI:
"Bei historischen
DAX-Sparplänen von 15 Jahren betrug (...) der Verlust für
die schlechteste 15-Jahres-Periode (...) noch -0,4 Prozent."
(2016, S.21)"
Bei der Tabelle von WOLFF
fehlt die Quellenangabe. Offenbar weil sonst jedem ersichtlich
wäre, dass die Angaben veraltet sind. Oder welchen anderen
Grund sollte es dafür geben?
Das wirkliche Problem
beschreibt WOLFF dann folgendermaßen:
"Mit Aktien kann schnell
auch mal ein Drittel des Anlagevermögens vernichtet werden."
WOLFF rät deshalb, dass
neben Aktien eine "ausreichend gefüllte Kasse" benötigt wird,
um solche Einbrüche auszusitzen. Geringverdiener, die derzeit
vorrangig auf die Kapitalmärkte gelockt werden sollen,
besitzen solche Voraussetzungen nicht - und ob sie den
Ruhestand überhaupt erreichen, ist noch eine ganz andere
Frage. Aktien als Altersvorsorge? Schlechterverdiener sollten
davon die Finger lassen! Es gibt zudem keinerlei Garantie
dafür, dass sich die Rendite der Vergangenheit auch zukünftig
erwirtschaften lassen.
LOOMAN,
Volker
(2016): Studenten.
Lebt, statt euch wegen der
Rente zu sorgen!
in:
Frankfurter
Allgemeine Zeitung v.
13.12.
Für Volker LOOMAN steht das
Projekt Altersvorsorge für Studenten bzw. Berufsanfänger ganz
hinten auf der Liste wichtiger Projekte.
MOHR, Daniel (2016): Das blaue Wunder.
Die Vermögensfrage: Die
Aktienkurse sind nun das fünfte Jahr in Folge gestiegen. Das ist
keine Ausnahme, sondern die Regel. Höchste Zeit, dass sich die
Deutschen am Erfolg ihrer Unternehmen beteiligen,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 24.12.
"Aktien haben keine Lobby",
behauptet dreist Daniel MOHR. Dabei wird uns tagein tagaus die
Aktie als Königsweg gepriesen. Die Verkünder meinen aber gar
nicht die Aktie, sondern nur ETF-Indexfonds, also
Nachbildungen der Entwicklung von Aktienindexen wie dem DAX.
Dazu werden uns vollmundige Renditen versprochen, die in der
Realität nie erreichbar sind. Die Überschrift Das blaue
Wunder bezieht sich auf das Renditedreieck des Deutschen
Aktieninstituts, das oberster Lobbyist der Aktie ist. Damit
sollen wir an unserer Renditegier gepackt werden. Und es
gerade diese Dreistigkeit der Lobbyisten, die Skeptizismus
erregt. Denn nirgendwo lesen wir etwas über die Kosten, denn
schließlich sind zwar im DAX immer 30
Unternehmen, aber nicht unbedingt dieselben. Die
Aktienanteile müssen also ständig den neuen Gegebenheiten
angepasst werden - das kostet entweder Zeit oder Geld, meist
beides. Bei den Kosten wird der bei Renditen redselige MOHR
ziemlich einsilbig und wortkarg:
"Ein Depot zu eröffnen
kostet in der Regel nichts. Je nach Bank können aber
Depotgebühren verlangt werden. Viele Banken bieten aber auch
eine kostenlose Depotführung. Auch die Gebühren für den Kauf
einer Aktie sind höchst unterschiedlich. Manchmal gibt es
Fixbeträge von zum Beispiel 3,90 Euro je Transaktion.
Manchmal gibt es Fixbeträge von zum Beispiel 0,5 Prozent.
Manchmal gibt es aber auch Aktionen mit kostenlosem Handel,
gerade nach einer Depoteröffnung."
Hätte MOHR mehr Aufwand auf
die Kostenaufschlüsslung verwendet, statt uns unrealistische
Renditemöglichkeiten vorzusetzen, es wäre glaubhafter gewesen.
Aber wer sich nur als Marketingableger der Börse versteht,
der kann sich nicht vorstellen, dass es berechtigte Einwände
gegen die Marktgläubigkeit gibt.
Glaubwürdigkeit ist schneller verspielt als zurückgewonnen!