2018
ZSCHÄPITZ, Holger
(2018): Analysten versprechen eine heile Welt.
Experten erwarten 2018 Rekorde bei
Aktien. Dax könnte am Jahresende bei über 14.000 Punkten liegen. Nur
einer hält dagegen,
in:
Welt v. 03.01.
ÖCHSNER, Thomas (2018):
Rendite mit der Rente.
Zusätzliche und freiwillige
Beiträge in die Rentenkasse können sich lohnen - jetzt und in den
nächsten Jahren besonders,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 03.01.
Thomas ÖCHSNER berichtet über die
Möglichkeiten, mit denen "Gutverdiener und Erben" die
Rentenkassen ausplündern können:
"Immer mehr Gutverdiener
nutzten die Rentenversicherung (...) quasi wie eine
Geldanlage sie zahlen den Höchstbeitrag von etwa 1209 Euro
monatlich ein. (...).
Diesen Höchstbeitrag leisteten sich 2014 noch 3.803
Personen. 2015 waren es bereits 5.045, ein Anstieg um 33
Prozent. Zahlen für 2016 liegen laut DRV noch nicht vor. Die
Zahl der Einzahler dürfte jedoch weiter steigen, auch wegen
der anhaltend niedrigen Zinsen".
Das Problem dieser Art von
Plünderung der Rentenkasse wird sich erst in den nächsten
beiden Jahrzehnten zeigen, wenn die Gutverdiener die
lebenslange Rente ausbezahlt bekommen oder an ihre
Hinterbliebenen ausgezahlt werden müssen. Diese Bereicherung
ist eine weitere Umverteilung von unten nach oben. Die andere
Form wird von Philipp KROHN heute in der FAZ propagiert, denn
die Entgeltumwandlung bei der betrieblichen Altersvorsorge
schwächte die gesetzliche Rentenkasse ebenfalls.
Fazit: Entgeltumwandlung
und freiwillige Einzahlungen sorgen dafür, dass die
gesetzliche Rentenversicherung in Zukunft mehr Probleme
bekommt als dies aufgrund des demografischen Wandels nötig
wäre.
KREFTING, Marco (2018):
"Ein Volk von Zahlenblinden".
Weil sich viele Deutsche mit dem
Rechnen so schwer tun, sind sie leicht zu manipulieren,
in:
Frankfurter Rundschau v. 05.01.
Marco KREFTING macht Werbung für mehr
Mathematik- und Statistikkenntnisse. Dies ist sicherlich
richtig, aber nur die halbe Wahrheit:
Mathematik ist nur das Handwerkszeug und keineswegs
ausreichend, um Manipulationen zu erkennen. Das wird
bereits dadurch ersichtlich, weil in Deutschland sich z.B.
zwei Statistikprofessoren, die ihr Handwerkszeug beherrschen -
Gerd BOSBACH und Walter KRÄMER -
in der Debatte um den demografischen Wandel auf zwei
ideologischen Grabenseiten positioniert haben. Während
BOSBACH die Interessen nicht nur der besserverdienenden
Arbeitnehmer vertritt, hat sich KRÄMER auf die Seite der
Demagogen geschlagen. Bevölkerungsvorausberechnungen
ermöglichen z.B. mehr als eine einzige mathematisch korrekte
Aussage (mehr
hier)
und der demografische Wandel ist nur ein Aspekt der Zukunft,
die in erster Linie durch nicht-demografische Aspekte (z.B.
Produktivitätsentwicklung, Arbeitsmarktentwicklung,
Verhaltensänderungen und politische Entscheidungen) geprägt
wird.
Fazit: Es bedarf mehr als
reines Mathematikverständnis, um öffentliche Debatten richtig
einschätzen zu können.
KELLER, Dieter &
Andre BOCHOW (2018): "Besser als vorausgesagt wurde".
Gundula Roßbach im Gespräch,
in:
Südwestpresse v. 12.01.
THISSEN, Stefan
(2018):
Rentenfinanzen: Unerwartetes Plus.
Zum Jahresende lagen 33,4
Milliarden Euro auf den Konten der Rentenversicherung – über eine
halbe Milliarde mehr als erwartet,
in:
Freitag Nr.3 v. 18.01.
KROHN, Philipp (2018): Wer wenig verdient, sorgt wenig vor.
Wer im Rentenalter seinen
Lebensstandard halten will, sollte dafür auch privat vorsorgen,
das verlangen die Reformen seit 2001. Doch wie viel Spielraum
zur Eigenverantwortung haben Geringverdiener?
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 20.01.
MOHR,
Daniel
(2018):
Selbst ist der Anleger.
Die Vermögensfrage:
Rentenpolitik ist für die Rentner da. Unter diesem Leitbild
steht auch wieder das Sondierungspapier von Union und SPD. Die
jungen Sparer sollten sich davon aber nicht beirren lassen,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 20.01.
Daniel MOHR redet als Verfechter der Kapitaldeckung die gesetzliche
Rente schlecht und versucht die Jungen mit Renditeversprechen zu
ködern. Linke werden damit verdummt, dass der Kauf von Aktien(fonds)
eine "Beteiligung (...) am Produktivkapital" sei. Die Niederlande und
Schweden würden alles richtig machen. Erst die Geschichte wird zeigen,
ob die Auslieferung an Kapitalmärkte der richtige Weg ist, um dem
"demografischen Wandel" zu begegnen. Bislang ist eher das Gegenteil zu
beobachten. Wenn es schief geht, dann ist für Marktradikale wie MOHR
sowieso die "Überregulierung" und der "Kleinanlegerschutz" schuld.
KAFSACK, Hendrik
(2018):
Steuerzahler müssen für
EU-Pensionen geradestehen.
Fonds für Sonderpensionen der
EU-Abgeordneten droht 2026 die Insolvenz,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.01.
THELEN, Peter
(2018):
Der heimliche Griff in unsere Taschen.
Trotz sinkender Beitragssätze
sprudeln die Einnahmen der Sozialkassen. Acht Milliarden Euro mehr
winken allein den Krankenkassen. Grund sind steigende
Beitragsbemessungsgrenzen. Experten fordern nun Korrekturen,
in:
Handelsblatt v. 25.01.
Peter THELEN betätigt sich als Lobbyist der oberen
Mittelschicht. Die Beitragsbemessungsgrenzen in der Rentenversicherung
sind nicht zu niedrig, sondern gehören abgeschafft. Teile der oberen
Mittelschicht haben sich nämlich längst aus der Finanzierung des
Sozialstaats verabschiedet. In der Schweiz finanzieren die Reichen
durch das Fehlen der Beitragsbemessungsgrenze die Renten der Armen in
der AHV mit, obwohl sie bei der Rentenhöhe nicht davon profitieren.
FERBER, Michael (2018): Unsicherheit über Finanzen
im Alter.
Längeres Leben, niedrige Zinsen und
"Gig Economy" zwingen zum Umdenken,
in: Neue Zürcher
Zeitung
v. 31.01.
KROHN, Philipp
(2018): Anlegern fehlt der lange Atem.
Kurzfristige persönliche Erfahrung
prägt das eigene Anlageverhalten. Aber ist sie ein zuverlässiger
Ratgeber? Fragen für eine Generation der Selbstentscheider,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.02.
Philipp KROHN verkauft uns
wieder einmal für dumm mit seinen höchstens theoretisch
erreichbaren Renditechancen auf dem Aktienmarkt:
"Zwischen Ende 2007 und
März 2009 verlor der Index fast 50 Prozent seines Werts. Wer
aber auf dem Tiefpunkt einstieg, konnte sich seither über
einen Kursgewinn von knapp 220 Prozent freuen".
Dumm nur, dass Tiefpunkte
erst in der Rückschau überhaupt erkennbar werden. Wer sein
Aktienkapital aufgrund von unvorhergesehenen Ereignissen
dringend benötigt, dem dürfte es ziemlich egal sein, ob man
hypothetisch riesige Renditen erreichen könnte. Wer das Pech
hat, dass Börsencrashs sich nicht um Geldprobleme kümmern, der
wird für KROHN höchstens Hohn übrig haben. Aktien sind nur
etwas für Menschen, die Geld zum Verbrennen übrig haben, aber
keinesfalls für Geringverdiener, die sich bereits für größere
Anschaffungen verschulden müssen!
NARAT, Ingo (2018): Die Hoffnung des
Crash-Propheten.
Fonds unter der Lupe: Max Otte
versucht ein Comeback. Der umstrittene Geldverwalter erwartet eine
neue Krise und bereitet sich in seinem Fonds entsprechend vor. Seine
Aktienbestände fängt er bereits an zu senken,
in:
Handelsblatt v. 13.02.
SIEDENBIEDEL, Christian (2018):
So viel verlieren die Besitzer
bekannter Aktienfonds.
Die Börsenkorrektur hat auch in
Deutschlands Investmentfonds ihre Spuren hinterlassen. Die
Wertverluste bekannter Aktienfonds reichen von 3 bis mehr als 7
Prozent in einer Woche. Wer hat sich dabei noch ganz gut geschlagen?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.02.
MOHR, Daniel
(2018):
So viele Aktionäre wie seit 2003 nicht mehr.
Die neuesten Zahlen des Deutschen
Aktieninstituts zeigen eine wieder stärkere Hinwendung zur Aktie. Doch
das große Geld fließt woanders hin,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.02.
Daniel MOHR ergänzt die Zahlen des DIA
durch Zahlen der Finanzdienstleister Lobbyverbände GDV und BVI
sowie der Bundesbank. Obwohl er davon ausgeht, dass die Zahlen
des DIA die Verbreitung aufgrund mangelnden Wissens der
Privatanleger unterschätzt, ist ihm das in Aktien angelegte
Vermögen entschieden zu wenig. Im Kommentar Die Profis
enttäuschen, beklagt er die Zurückhaltung der
Lebensversicherer. Diesen wirft er Fehlentscheidungen vor. Das
kann man so interpretieren, dass die Lebensversicherer endlich
von Garantien Abschied nehmen sollen.
Abwicklungsgesellschaften sind eine Möglichkeit um diese
unprofitablen Policen abzustoßen,
deren Image Philipp KROHN gerade aufpoliert. An der FAZ
liegt es also nicht, dass die Deutschen Aktienmuffel sind,
denn diese rührt unermüdlich die Werbetrommel für den
Finanzkapitalismus. Dabei gibt es durchaus Gründe für die
Aktienabstinenz. Das gilt insbesondere für Geringverdiener,
die ihr Geld nicht einfach zum Fenster hinauswerfen können.
SEIBEL,
Carsten (2018): Selbst die Vorsichtigen trauen sich jetzt an
die Börse.
Erstmals seit der
Finanzkrise gibt es mehr als zehn Millionen Aktionäre. Sie
haben seit dem Platzen der New Economy-Blase dazugelernt,
in: Welt
v. 20.02.
"Der typische deutsche
Aktionär lebt in den westlichen Bundesländern, ist über 50
Jahre alt, hat ein überdurchschnittliches
Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4.000 Euro und ein
hohes Bildungsniveau",
behauptet Carsten SEIBEL.
In Wirklichkeit ist das keineswegs der typische deutsche
Aktionär, denn die einzelnen Dimensionen Alter, Gebiet,
Einkommen und Bildung stehen jede für sich. Über den
Zusammenhang der Dimensionen sagt die Studie lediglich aus:
"Die soziodemographischen
Merkmale sind nicht unabhängig voneinander, sondern
überlappen sich zum Teil." (2018, S.7)
Daraus kann keinesfalls
geschlossen werden, dass reiche Rentner die typischen
Aktionäre sind.
Dem neoliberalen DAI geht
es darum Geringverdiener zum Aktiensparen zu verleiten, obwohl
diese davon kaum profitieren können. Deshalb fordert das DAI
staatliche Subventionen, von denen in erster Linie die
Finanzdienstleister und die Gutverdiener profitieren würden.
LEISINGER, Christof
(2018): Ein starker Kursrückschlag kommt selten allein.
Wie die Erfahrung zeigt,
kann Übermut zum Crash führen - übersehen die Anleger einmal
mehr die Zeichen der Zeit?
in: Neue
Zürcher Zeitung
v. 20.02.
Im Gegensatz zu den
deutschen Aktieneuphorikern, warnt die NZZ davor, dass
es sich bei dem Kurseinbruch vor kurzem nur um eine Art von
kleinem Vorbeben gehandelt haben könnte. Von daher könnte sich
das Trauma der deutschen Aktiensparer, immer wieder zum
falschen Zeitpunkt eingestiegen zu sein, erneut wieder holen -
allen Aktieneuphorikern, die den Höchststand an deutschen
Aktienbesitzern jetzt bejubeln.
ZSCHÄPITZ,
Holger (2018):
Rente mit 70? Das wird
nicht reichen.
Neue Studie offenbart, dass
die Lücke trotz längerer Arbeitszeit immer noch besteht,
in: Welt
v. 20.02.
Holger ZSCHÄPITZ verbreitet willig die PR
der Fondsgesellschaft Fidelity, die bei Martin WERDING eine
Werbebroschüre für mehr Fondssparen in Auftrag gegeben hat.
Der Artikel
zielt auf die Gutverdiener, weshalb das Fallbeispiel einer
Versicherungskauffrau nur erwähnt, aber nicht näher ausgeführt
wird. Im Mittelpunkt steht ein Ingenieur und ein
Geschäftsführer, von deren "Rentenlücke" die Fondsgesellschaft
besonders profitieren kann.
Die Rentenlücke ist ein
Konstrukt der Finanzdienstleister, die sich aus zwei Quellen
speist: zum einen Annahmen zur weiteren Entwicklung der
gesetzlichen Rente und zum anderen Annahmen zur Höhe des
Alterseinkommen. Das wird mit dem dehnbaren Begriff der
"Lebensstandardsicherung" bezeichnet, ein Steilpass, den die
rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2001 mit der
Teilprivatisierung der Lebensstandardsicherung ermöglicht hat.
Seitdem verbreiten die Helfer der Finanzdienstleister
Horrorszenarien zur Rentenlücke, wobei ihnen die
Gewerkschaften und Sozialverbände mit der Debatte um
Altersarmut auch noch Hilfestellung leisten.
Berechnet wird die
Rentenlücke für einen 1975 Geborenen, der heute 43 Jahre alt
ist.
"Als
lebensstandardsichernd setzen die Autoren 85 Prozent des
letzten, in der Erwerbsphase erzielten Nettoeinkommens".
Das soll angeblich ein
Optimum an Lebenszufriedenheit versprechen. Angesichts der
Gesellschaft der Singularitäten, die gegenwärtig gerne
beschworen wird, erscheint eine solche allgemeingültige
Annahme eher absurd.
Ein Vergleich mit einer PR des gleichen Autors für dieselbe
Fondsgesellschaft aus dem Jahr 2013 zeigt eine gewisse
Willkür der Annahmen:
"Nach einer aktuellen
Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum droht den Deutschen
im Rentenalter eine markant größere Vorsorgelücke. Danach
fehlen einem Standardrentner im Alter monatlich rund 650
Euro, um den eigenen Lebensstandard zu sichern. Das sind 350
Euro mehr als bisher angenommen. Bisher galt es in der
Politik aber auch in der Versicherungsbranche als
ausgemacht, dass zur Alterssicherung rund 70 Prozent des
letzten Nettoeinkommens ausreichen. In der Praxis sei der
Bedarf aber deutlich größer, erklärt Martin Werding,
Professor für Sozialpolitik an der Ruhr-Universität und
Autor der Studie. Im Schnitt müssen Bürger bei Eintritt ins
Rentenalter rund 87 Prozent vom letzten Netto erzielen."
Obwohl sich die Lage der
Rentenversicherung seit dem Jahr 2013 verbessert hat, wächst
die Rentenlücke von PR zu PR weiter!
"Bei der privaten
Vorsorge unterstellen die Autoren eine jährliche
Anlagerendite von real drei Prozent, also einer Verzinsung
des Sparkapitals nach Abzug der Inflation."
Sollte diese Rendite nicht
erreicht werden, dann geht das zu Lasten des Sparers, der dann
eben noch mehr sparen muss.
Als weitere Annahme, die
den Finanzdienstleistern geradezu in die Arme spielt, wird
angenommen, dass für die 1975 Geborenen das gesetzliche
Renteneintrittsalter weiter angehoben wird, wobei jedoch die
Annahmen verschwiegen werden.
Fazit: "rein mathematisch"
mögen die Ergebnisse nicht zu beanstanden sein, dagegen sind
die Annahmen, die entscheidend die Höhe der Rentenlücke
definieren, keineswegs frei von Interessen. Martin WERDING ist
als Epigone von Hans-Werner SINN kein Freund des derzeitigen
Rentensystems, von daher kommt die gesetzliche Rente schlecht
weg, wodurch zwangsweise die Kapitaldeckung profitiert. Das
steht im Einklang mit dem derzeit herrschenden
Neoliberalismus. Da die Zukunft keine lineare Fortschreibung
der Vergangenheit bzw. Gegenwart ist, könnten die Berechnungen
bis zum Renteneintritt der 1975 Geborenen schnell Makulatur
werden. Einzig die Finanzdienstleister profitieren von der PR,
alles andere ist unsicher.
ECKERT, Daniel
(2018): Achthundert Euro für jeden Bundesbürger?
Ein Staatsfonds könnte die
Lösung sein für Altersarmut, steigende Einkommens- und
Vermögensunterschiede. Alaska macht vor, wie es geht,
in:
Welt v. 23.02.
Timm BÖNKE tourt bereits seit Jahren mit
seiner Idee eines Staatsfonds durch die Republik. Die
neoliberale Privatstiftung Bertelsmann sponsert ihn dabei
kräftig. Bereits im März 2017 publizierte sie sie Broschüre
Ein Staatsfonds für Deutschland? Grundüberlegungen und
internationale Vorbilder. Nun wird in der Broschüre
Soziale Dividende. Utopie oder realistische Politikoption
Alaska zum Vorbild stilisiert, obwohl die Bedingungen in
Alaska in keiner Weise mit jenen in Deutschland zu vergleichen
sind. Darauf wird von ECKERT erst im letzten Drittel
hingewiesen:
"Alaska hat, ebenso wie
andere ölreiche Staaten den Vorteil, dass sich die Gewinne
aus dem Verkauf von Rohstoffen leicht abschöpfen und
reinvestieren lassen.
(...). Diese einfache Option (...) hat Deutschland nicht".
Hinzu kommt, dass Alaska
lediglich 700.000 Einwohner hat, d.h. ein Staatsfonds müsste
mit Summen operieren, die Begehrlichkeiten wecken. Für BÖNKE
ist das auch nicht wirklich ein Modell zur Bekämpfung der
Altersarmut, ihm geht es um "zukünftige Generationen", wer
immer das sein soll. Wie üblich werden uns von Neoliberalen
traumhafte Renditen versprochen, das war bei der
Teilprivatisierung des Rentensystems Anfang des Jahrtausends
nicht anders!
RÜRUP,
Bert (2018): Politik in Zeiten alternder Wähler.
Leidartikel: Rentenreformen
halten allenfalls zwei Legislaturperioden,
in:
Handelsblatt v. 02.03.
Bert RÜRUP verteidigt die Rentenpolitik
gegen kleinbürgerliche Ökonomen wie Hans-Werner SINN:
"Ökonomen sind Experten
für Effizienzfragen. Geht es um Verteilungsfragen, haben
viele von ihnen zwar eine dezidierte Meinung, die nicht auf
Analyse und Forschung basiert, sondern auf
ideologiegeleiteten Werturteilen. Fast alle Politikfelder
lassen sich auf Verteilungsfragen reduzieren: Wer zahlt wie
hohe Steuern oder Abgaben, wofür gibt der Staat Geld aus?
Die politischen Antworten auf solche Verteilungsfragen
hängen vom ökonomischen und demografischen Umfeld ab und
basieren auf Gerechtigkeitsvorstellungen. Ändern sich diese
Bedingungen (...), können auch die politischen Antworten
nicht die gleichen sein",
meint RÜRUP. Das Problem
ist jedoch, dass weder das ökonomische, noch das demografische
Umfeld auf längere Zeit prognostiziert werden kann, obwohl das
gerne von Ökonomen behauptet wird. Ein Blick in die
Vergangenheit zeigt dies - auch auf andere Weise als dies von
RÜRUP gemeint ist.
"Norbert Blüm war der
erste Sozialminister, der sich Ende der 1980er Jahre den
Problemen der Rentenversicherung infolge der
Bevölkerungsalterung stellte.
Laut damaligen Prognosen hätte sich der Beitragssatz bis zum
Jahr 2030 auf 36 bis 41 Prozent mehr als verdoppelt. Um den
Anstieg auf 27 Prozent zu begrenzen, beschloss eine
informelle Koalition aus Union, FDP und SPD am Vormittag des
9. Novembers 1989 das Rentenreformgesetz 1992",
erzählt uns RÜRUP.
Tatsächlich gab es Anfang des Jahrtausends laute Aufschreie
der Neoliberalen, weil der Beitragssatz auf 22 Prozent bis
2030 begrenzt werden soll. Derzeit liegt er bei 18,6 Prozent,
d.h. weit unter dem befürchteten Anstieg, der seit den 1990er
Jahren zu hysterischen Debatten geführt hatte. Entscheidender
ist jedoch ein anderer Aspekt:
"Die (...)
Leistungsrücknahmen wurden kaschiert, indem zuvor die
Erwerbsbiografie des Standardrentners von 40 auf 45 Jahre
verlängert und so das ausgewiesene Rentenniveau um gut sechs
Prozentpunkte angehoben wurde."
Eine Wiederholung dieser
Praxis wird seit Jahren von Neoliberalen von Bundesbank bis
Axel BÖRSCH-SUPAN gefordert. Die Erwerbsbiografie des
Standardrentners soll von 45 auf 47 Jahre verlängert werden,
um die weitere Absenkung des Rentenniveaus zu verschleiern.
Dieses Spielchen wird in Zukunft öfters gespielt werden.
RÜRUP geht davon aus, dass
die Leistungsausweitungen seit 2014 schnell wieder dem "Diktat
leerer Kassen geopfert werden" können, denn:
"In einer Demokratie
besteht Rentenpolitik durchweg im Nachsteuern entsprechend
geänderter Rahmenbedingungen und
Gerechtigkeitsvorstellungen. Das ist allemal besser, als die
Rentenpolitik einem wohlwollenden Diktator zu überlassen,
und sei dieser ein noch so kluger Ökonom."
Diese Sicht verschleiert
jedoch ebenfalls, denn sie lässt die Interessenpolitik außer
Acht. Welche politische Entscheidungen Rahmenbedingungen und
Gerechtigkeitsvorstellungen erfordern, das ist keine Frage
objektiver Fakten, sondern eine Frage politischer
Machtverhältnisse. Das Altern der Wähler ist dabei kein
entscheidender Faktor. Im Aufsatz Ungleichheit, Sozialstaat
und demokratische Repräsentation. Marktkorrigierende Politik
durch den Medianwähler? stellt Ursula DALLINGER in der
aktuellen Ausgabe der
Zeitschrift für Sozialreform die gängigen
Vorstellungen Neoliberaler in Frage. Der Medianwähler wird
auch von RÜRUP als Indikator für eine Reaktion der Politik
verantwortlich gemacht. Das steigende Alter des Medianwählers
ist in dieser Sicht verantwortlich, dass verstärkte
Umverteilung zugunsten der Rentner betrieben wird. Diese Sicht
wird jedoch infrage gestellt:
"Wie responsiv
Regierungen tatsächlich gegenüber Forderungen der
Bürger/-innen, insbesondere gegenüber den Interessen weniger
wohlhabender Haushalte sind, wird zunehmend skeptisch
betrachtet (Achen/Bartels 2016), denn schließlich kann man
Veto-Spieler und organisierte Interessengruppen für
wichtiger halten. Der demokratietheoretische Optimismus der
Einstellungsforschung ist evt. zu weitreichend und der
Einfluss des theoretisch mächtigen Medianwählers auf
Umverteilungspolitik nicht gegeben. Der Beitrag fragt
daher, inwieweit der Umfang an Umverteilung, den die Sozial-
und Steuerpolitik verschiedener Länder erzielt, sich mit der
politischen Nachfrage des Mittelschicht- bzw. Medianwählers
erklären lässt" (2017, S.485),
formuliert DALLINGER die
Einwände gegen das Konzept des Medianwählers und die Leitfrage
ihrer empirischen Untersuchung. Aufgrund ihrer international
vergleichenden Studie kommt DALLINGER zum Schluss:
"Der geringe Einfluss des
Medianwählers dürfte auch das Resultat dessen sein, dass
diese Gruppe weder politisch noch sozial so homogen ist, wie
der Begriff suggeriert, denn die Mittelschicht und mehr noch
das Medianwählerkonstrukt umfassen breite Gruppen mit
heterogenen politischen Präferenzen. (...). Es ist ein
Irrtum anzunehmen, dass der Medianwähler einheitliche
Forderungen stelle." (2017, S.508)
Leider gibt es in
Deutschland nur eine rudimentäre empirische Forschung zum
Thema. Vorurteile ersetzen auch in der Forschung die Empirie.
Schließlich repräsentieren die Leitartikel in
Mainstreamzeitungen nicht die Bevölkerungsinteressen, sondern
spiegeln lediglich die politisch-medialen Machtverhältnisse
wieder.
BRANDSTETTER, Barbara (2018): Mehr Geld im
Alter.
Die Vermögensfrage:
Freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung
rechnen sich aktuell nicht nur für Frührentner. Auch
Selbständige, Hausfrauen und -männer oder Beamte profitieren.
Einzahlungen für 2017 sind noch möglich,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 10.03.
PAPON, Kerstin
(2018): Die deutschen Aktienmuffel scheinen mutiger zu werden.
Niedrige Zinsen machen
erfinderischer. Trotzdem scheuen viele Anleger noch die
Risiken der Aktienanlage,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 17.03.
BMAS (2018): Renten steigen zum 1. Juli im Westen um 3,2
Prozent, im Osten um 3,4 Prozent,
in:
Pressemitteilung des Bundesarbeitsministeriums
v. 20.03.
"Auf Basis der
vorliegenden Daten ergibt sich (...) ab dem 1. Juli 2018
eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts von gegenwärtig
31,03 Euro auf 32,03 Euro und eine Anhebung des aktuellen
Rentenwerts (Ost) von gegenwärtig 29,69 Euro auf 30,69 Euro.
Dies entspricht einer Rentenanpassung von 3,22 Prozent in
den alten Ländern und von 3,37 Prozent in den neuen Ländern.
Der aktuelle Rentenwert (Ost) erreicht damit 95,8 Prozent
des Westwerts. Zum Vergleich: Mit einer Anhebung gemäß dem
ersten Schritt der Rentenangleichung wäre der aktuelle
Rentenwert (Ost) um 3,33 Prozent angepasst worden und läge
bei 30,68 Euro. Die Berücksichtigung der tatsächlichen
Lohnentwicklung Ost bei der Rentenanpassung in den neuen
Ländern führt also zu einem geringfügig günstigeren
Ergebnis. Damit kommt in diesem Jahr die mit dem
Rentenüberleitungsabschlussgesetz eingeführte
Vergleichsprüfung zum Tragen",
meldet das
Bundesarbeitsministerium, das durch die positive
Rentenentwicklung 1,82 Milliarden Euro gespart hat, denn diese
Summe wurde als Kosten des Gesetzes für das Jahr 2018
ursprünglich veranschlagt.
CREUTZBURG, Dietrich
(2018): Rentner bekommen gut 3 Prozent mehr Geld.
Renten steigen stärker als
die Löhne - doch die "Mütterrente II" wird künftige Erhöhungen
dämpfen,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 21.03.
"Zusammen
mit den vier vergangenen Rentenerhöhungen ergibt sich
nun eine Gesamterhöhung um 13,8 Prozent (West) und 19,2
Prozent (Ost) innerhalb von fünf Jahren",
rechnet uns Dietrich
CREUTZBURG vor. Inwiefern diese Rentenerhöhung aufgrund des
Alterseinkünftegesetzes geschmälert wird, bleibt dabei
unbeachtet.
"Den
Senioren im Osten kommt (...) eine Sonderklausel des 2017
beschlossenen Gesetzes zur Ost-West-Angleichung des
Rentenrechts zugute: Mit genau 3,37 Prozent fällt deren
neue Rentenerhöhung sogar etwas stärker aus, als in dem
Gesetz eigentlich vorbestimmt ist. Mit den dort vorgesehenen
festen Angleichungsschritten wären die Ostrenten diesmal um
3,33 Prozent gestiegen; weil die übliche Berechnung mit den
Lohn- und Arbeitsmarktdaten aber sogar zu einem höheren
Ergebnis führt, wird nun dieses umgesetzt",
schreibt CREUTZBURG zu den
Auswirkungen des Rentenüberleitungs-Abschlussgesetzes.
Der Nachhaltigkeitsfaktor
sollte eigentlich dafür sorgen, dass die demografische
Entwicklung die Rentenhöhe dämpft. Da sich der demografische
Wandel jedoch nicht an die Prognosen gehalten hat, sorgt der
Nachhaltigkeitsfaktor nun für satte Rentenerhöhungen:
"Da es derzeit (...)
immer mehr Beitragszahler gibt, läuft es umgekehrt: Der
Nachhaltigkeitsfaktor treibt die Renten hoch. Ohne ihn wäre
die aktuelle Erhöhung um 0,29 Prozentpunkte kleiner."
Auch der
Beitragssatzanstieg sollte eigentlich die Rentenerhöhungen
dämpfen. Auch hier ist das Gegenteil der Fall, was CREUTZBURG
jedoch verschweigt. Lieber spekuliert er, was passieren
könnte, wenn die Mütterrente II eingeführt würde. Dazu greift
er auf den noch unveröffentlichten
Konjunkturbericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft
zurück, der nicht als solcher bezeichnet wird. Dort findet
sich auf Seite 33 ein kleiner Kasten mit der Überschrift Wer
trägt die Kosten der Mütterrente II? Dabei wird angenommen,
dass für die Mütterrente die Rentenkasse aufkommt, worüber
jedoch noch zu streiten wäre. Dort heißt es:
"Für den Riesterfaktor
kann man in etwa abschätzen, dass ein um 0,1 Prozentpunkte
höherer Beitragssatz die Ausgaben der Rentenversicherung
durch eine entsprechend geringere Rentenanpassung um knapp
0,4 Mrd. Euro mindert. Unterstellt man einen Anstieg des
Rentenbeitragssatzes von etwa 0,2 Prozentpunkten, ergeben
sich geringere Ausgaben im Umfang von 0,7 Mrd. Euro. Die
verbleibenden 3 Mrd. Euro lassen sich langfristig durch
einen höheren Beitragssatz von rund 0,2 Prozentpunkten
finanzieren, wobei dies für die Beitragszahler eine
Mehrbelastung von 2,3 Mrd. Euro bedeutet. Der
Bundeszuschuss, der in Teilen vom Beitragssatz abhängt, wäre
langfristig um 0,7 Mrd. höher. Insgesamt verteilen sich
somit die 3,7 Mrd. Euro auf drei Schultern, wobei aber
Beitragszahler, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber, den
größten Anteil zu tragen haben. Kurzfristig dürfte eine
Folge der Mütterrente II und weiterer Leistungsausweitungen
in der Rentenversicherung sein, sofern diese wie von uns
erwartet im Jahr 2019 eingeführt werden, dass eine
andernfalls gebotene Beitragssatzsenkung in der
Rentenversicherung unterbleibt."
Weder die demografische
Entwicklung, noch das Inkrafttreten der rentenpolitischen
Reformen muss sich an diese Annahmen halten, weswegen es hier
rum Spekulationen geht.
Die entscheidende Frage
ist, inwiefern der Eingriff in die Rentenformel erfolgt, denn
im Koalitionsvertrag ist nur das Rentenniveau und die
Beitragsobergrenze vorgegeben. Ob dafür die Dämpfungsfaktoren
gestrichen werden müssen, ist keineswegs sicher. Genauso gut
könnte so verfahren werden wie bei der Ostrentenangleichung,
also mittels Meistbegünstigungsklausel.
PETER, Tobias
(2018): Kräftiges Plus für Rentner.
Bezüge steigen,
in:
Frankfurter Rundschau
v. 21.03.
Tobias PETER verkauft uns
das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz, das auf Drängen der
SPD durchgesetzt, aber von der CDU/CSU so verwässert wurde,
dass es eher einem Placebo gleich kommt, als Erfolg. Dass die
Rentenanpassung 2018 ohne das Gesetz genauso erfolgt wäre, das
verschweigt uns PETER deshalb lieber. Stattdessen wird wie
üblich die Rentnerinvasion durch die Babyboomer beschworen.
Und am Ende werden uns noch FDP-Ansichten serviert. Was ist
nur aus der einstigen linksliberalen Zeitung geworden?
SIEVERS, Stefan
(2018): Rentner in Arbeit.
Zahl der Beschäftigten im
höheren Alter steigt,
in:
Frankfurter Rundschau
v. 26.03.
Seine Interpretation zum
Grund Altersarmut untermauert SIEVERS mit Zahlen der
Instituts für ozial-ökologischen Wirtschaftsforschung (ISW),
einem Verein, der sich als Alternative zum neoliberalen
Mainstream versteht:
"Nach Berechnungen des
Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung
erhöhten sich die Renten in Westdeutschland von 2000 bis
einschließlich 2015 um 18,29 Prozent. Im Osten um 25,98
Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die Teuerung aber um
26,73 Prozent zu, so dass die reale Kaufkraft der Renten
sank."
Nimmt man die
Rentenanpassungen gemäß Deutscher Rentenversicherung zur
Hand, dann ergibt sich von 2000 bis 2015 eine Rentenerhöhung
von 23,1 % im Westen und von 32,92 Prozent im Osten. Wie also
kommt das ISW zu seinen Zahlen?
THISSEN, Stefan (2018): 18 Prozent der EM-Rentner begünstigt.
Bundesregierung: Etwa
326.000 der 1,8 Millionen Frührentner kassieren bereits wegen
des Rentenpakets von 2014 höhere Bezüge,
in:
ihre-vorsorge.de v.
27.03.
DESTATIS (2018): 1.059.000 Empfänger von Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung im Dezember 2017,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts v. 28.03.
"Im Dezember 2017 bezogen
in Deutschland knapp 1.059.000 Personen ab 18 Jahren
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch (SGB XII). Wie das Statistische Bundesamt (Destatis)
weiter mitteilt, waren das 3,2 % mehr Leistungsberechtigte als
im Dezember 2016. Damals hatten rund 1.026.000 Personen
Leistungen der Grundsicherung gemäß Sozialgesetzbuch XII
erhalten.
Im Dezember 2017 hatten rund 544.000 beziehungsweise 51,4 %
der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung die
Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 SGB XII erreicht oder
überschritten und erhielten Grundsicherung im Alter. Personen,
die vor dem Jahr 1947 geboren sind, erreichten die
Altersgrenze mit 65 Jahren. Für Personen, die im Jahr 1947
oder später geboren sind, wird die Altersgrenze seit dem Jahr
2012 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Im Dezember 2017 lag
die Altersgrenze bei 65 Jahren und 6 Monaten.
Rund 515.000 beziehungsweise 48,6 % der Empfängerinnen und
Empfänger von Grundsicherung waren im Alter von 18 Jahren bis
unter die Altersgrenze. Sie erhielten diese Leistungen
aufgrund einer dauerhaft vollen Erwerbsminderung. Voll
erwerbsgemindert sind Personen, die aufgrund einer Krankheit
oder einer Behinderung für einen nicht absehbaren Zeitraum
täglich keine drei Stunden unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein können.
Der Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII
wurde bis 2014 in einer jährlichen Statistik zum 31.12.
erfasst. Seit 2015 werden diese Leistungen in einer
vierteljährlichen Statistik zum letzten Monat des Quartals
erhoben", meldet das Statistische Bundesamt.
BRANDSTETTER, Barbara
(2018): So reduzieren Ruheständler die Steuerlast.
Die Vermögensfrage: Immer
mehr Rentner müssen mit dem Finanzamt abrechnen. Doch viele
können den Staat über die Steuererklärung 2017 an einer Reihe
von Ausgaben beteiligen und von Freibeträgen profitieren,
in:
Frankfurter Allgemeine
Zeitung v. 31.03.
TÜRK, Erik/BLANK, Florian/LOGEAY, Camille/WÖSS, Josef/ZWIERNER,
Rudolf Zwiener (2018): Den demografischen Wandel bewältigen.
Die Schlüsselrolle des Arbeitsmarkts, IMK-Report Nr.137,
April
Die Studie benutzt einen
Abhängigenquotienten statt des Altersquotienten, um die
Auswirkungen des demografischen Wandels zu beschreiben. Dies
ändert jedoch nichts daran, dass Prognosen bis 2060 nichts als
Kaffeesatzleserei sind. Die Autoren greifen zudem auf eine
Projektion der EU-Kommission für Deutschland aus dem Jahr 2014
(vgl. S.384) mit völlig überholten Annahmen zur
Bevölkerungsentwicklung zurück. So wird eine Geburtenrate von
1,45 ab 2020 angenommen (tatsächliche Geburtenrate 2016:
1,59). Der Wanderungssaldo wird mit unter 250.000 angenommen!
STEFFEN, Johannes (2018): Rentenanpassung 2018.
Lohn- und
Beschäftigungsplus lassen Renten um gut drei Prozent steigen,
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 03.04.
KROHN, Philipp
(2018): Viele Deutsche verstehen ihre Renteninformation nicht.
Die Verwirrung ist groß.
Deshalb soll eine einheitliche Darstellung aller Ansprüche
her. Die Koalition unterstützt das. Den Prototyp könnte es
schon bald geben,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.05.
Ein Lieblingsprojekt
neoliberaler Verfechter des Mehrsäulensystems der
Alterssicherung ist eine umfassende Renteninformation, die
einen Überblick über die zukünftige Rente geben soll. Die CDU
hat mit Carsten BRODESSER sogar einen "Berichterstatter zum
Thema Altersvorsorge", so wird er zumindest von Philipp KROHN
bezeichnet. BRODESSER sitzt im Finanzausschuss des Bundestags.
KROHN bringt einen neoliberalen Klüngelverein ins Spiel, der
das Projekt vorantreiben soll:
"Als wahrscheinlicher
Partner hat sich die
Deutsche Renten Information ins Spiel gebracht. Diesem
Verein zur Förderung der Transparenz in der Altersversorgung
steht der Frankfurter Finanzprofessor Andreas HACKETHAL von
der Goethe-Universität vor. Er kooperiert mit Vertretern von
Banken, Versicherern, Fondsgesellschaften und der
Technologiebranche sowie Wissenschaftlern."
Die Verbraucherschützer
werden nicht genannt, was KROHN als Lobbyist der
Finanzdienstleister ausweist.
Transparenz ist ein
Schlagwort, das gerne missbraucht wird, um die eigentlichen
Probleme zu verschleiern: die Unsicherheit bezüglich der
zukünftigen Alterssicherung. Bemängelt wird ja gerade, dass
die jetzige Renteninformation darüber nur mangelhaft Auskunft
gibt. Der neoliberale Klüngelverein setzt auf einen "Indikator
(...), der verrät, ob man genug getan hat"! Dass es einen
solchen Indikator gar nicht geben kann, weil die Zukunft offen
ist, zeigt das Illusionäre und die Augenwischerei, die damit
betrieben werden soll. Man könnte aber auch sagen: Genug ist
nie genug! Das ist die Losung der Finanzdienstleister.
Und wer soll bitte schön so
unparteilich sein, dass der Indikator hält, was er verspricht.
KROHN schließt Behörden schon mal aus, weil die Bürger denen
misstrauen. Ob sie den Finanzdienstleistern und deren willigen
Helfern jedoch trauen, diese Frage stellt sich hier nicht.
Schließlich hat die Renteninformation ja eine ganz parteiliche
Zielsetzung: Nämlich die kapitalgedeckte Altersvorsorge der
Bevölkerung zu steuern. Wer also ist da überhaupt
unparteiisch?
Als letzter Gegner einer
solchen Renteninformation wird die ABA ausgemacht:
"Die Interessenvertretung
der Einrichtungen der Betriebspensionen (...) warnt davor,
sich von mehr Transparenz zu viel zu erwarten. Sie scheut
sich auch, angesichts komplexer Daten für zukunftsgerichtete
Aussagen haftbar gemacht zu werden."
Damit wird der wahre Haken
an der Geschichte deutlich gemacht, zu der auch der Kommentar
Mündiger Verbraucher von KROHN passt. Das Risiko von
Falschaussagen zur zukünftigen Höhe der Rente soll nämlich der
mündige Verbraucher zahlen:
"Wenn man das Leitbild
des mündigen Verbrauchers ernst nimmt, muss man von ihm auch
erwarten, dass er sich auf den nötigen Informationsstand
bringt. Sieht man sich die Rechtsprechung in Deutschland an,
wird allzu oft denen recht gegeben, die sich ihrer eigenen
Verantwortung entziehen und eine schlechte Entscheidung in
finanziellen Fragen allein schlechten Beratern zuschreiben.
BOEHRINGER,
Simone (2018):
Neue Konzepte, dringend.
Altersvorsorge: Deutschlands Sparer sitzen auf
Forderungen - bei null Zinsen führt das in die Altersarmut,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 17.05.
Simone BOEHRINGER, Jahrgang
1971, will die kapitalgedeckte Altersvorsorge weiter ausbauen,
d.h. die Finanzdienstleister noch stärker subventionieren und
die Geringverdiener damit noch stärker dem Kapitalmarkt
ausliefern. Lebensversicherer sollen dadurch gerettet werden,
dass sie die Infrastruktur unseres Landes noch günstiger
erwerben können. Tatsächlich bieten die von den
Finanzdienstleistern mitgeschriebenen Gesetze jede Menge
Schlupflöcher, um sich ihrer Lasten zu entledigen. Was
BOEHRINGER fordert, ist nichts anderes als das, was der GDV
schon lange auf seiner Forderungsliste hatte und längst in der
Umsetzung begriffen ist.
Im Jahr 2012 gab Simone
BOEHRINGER das Buch
Der private Rettungsschirm heraus. Darin wurde der
heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Peter BOEHRINGER, Jahrgang
1969, hofiert. Er schrieb in dem Buch passenderweise über die
geistige Vorbereitung! Er ist zudem Mitglied in der
wirtschafts- bzw. neoliberalen Friedrich A. von Hayek
Gesellschaft, die von der AfD unterwandert wird.
Fazit: Das Gegenteil dieser
neoliberalen Politik wäre notwendig, nämlich den Staat nicht
noch weiter zum Sklaven des Finanzkapitalismus zu machen.
KROHN,
Philipp (2018): Wissen fördert Altersvorsorge.
Ein Studienergebnis mit
politischer Sprengkraft: Sparer legen gezielter Geld zurück,
wenn sie über ihre Ansprüche im Alter Bescheid wissen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 07.06.
Schlagzeilendichter und Artikelschreiber
haben offenbar völlig verschiedene Ansichten zum Inhalt des
Artikels. Philipp KROHN berichtet über eine
nicht-repräsentative Studie von Andreas HACKETHAL u.a., die
von zwei großen Banken unterstützt wurde. Das Ergebnis ist
eher als Schlag ins Gesicht derjenigen zu sehen, die von einer
säulenübergreifenden Renteninformation träumen, denn von
20.000 Teilnehmern blieben lediglich 1.061 übrig, die sich der
Prozedur, die dafür nötig ist, unterzogen haben. Da es sich
dabei um besser gebildete und einkommensstarke Personen im
Vergleich zum Bundesdurchschnitt handelte, ist davon
auszugehen, dass Geringverdiener sich kaum der Mühe
unterziehen werden.
WASCHINSKI, Gregor (2018):
Denn eins ist nicht sicher:
Die Rente.
Leidartikel: Die Stärkung
der gesetzlichen Rentensäule wird angesichts des
demografischen Wandels nicht reichen,
in:
Handelsblatt v. 07.06.
"Während heute vier
Beitragszahler zwei Rentner finanzieren, werden es im Jahr
2030 nur noch drei Beitragszahler sein, Tendenz sinkend",
behauptet Gregor
WASCHINSIKI. Dass dieser Altenquotient keine Aussagekraft hat,
zeigt sich, wenn man die Entwicklung der letzten Jahre
betrachtet.
Bereits heute finanzieren keine zwei Beitragszahler die Renten
eines Rentners, worüber der Nachhaltigkeitsfaktor in der
Rentenformel Auskunft gibt. Dieses Verhältnis gibt die
Situation viel besser wieder als der Altenquotient, denn in
diesen Faktor fließt auch die Höhe der Beitragszahlungen mit
ein. Der Quotient 1,93 zeigt, dass der heutige Arbeitsmarkt
aus vielen Niedrigverdienern besteht.
Steigende Löhne könnten dieses Verhältnis drastisch
verbessern. Dies ist das eigentliche Problem!
WASCHINSKI geht es jedoch
nicht um die Stärkung der Rentenversicherung, sondern um die
Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge:
"Staaten mit starkem
kapitalgedecktem Anteil an der Alterssicherung wie die
Niederlande und Dänemark gelten international als Vorbild
für ein nachhaltiges Rentensystem - und bescheren ihren
Ruheständlern zugleich auch nocht deutlich höhere Leistungen
als in Deutschland."
Diese Aussagen gehören ins
Reich neoliberaler Mythen. Beide Länder haben aufgrund der
neoliberalen Reformen mit dem Problem starker
rechtspopulistischer Parteien zu kämpfen. Deutschland steht
dies noch bevor! Wer glaubt, dass die deutschen Versicherer
ein geeigneter Partner für die kapitalgedeckte Altersvorsorge
seien, der sollte sich den
gestrigen FAZ-Artikel eines ihrer dreisten
Repräsentanten durchlesen!
STOCKER, Frank
(2018): Inflation führt zu Ungleichheit.
Viele glauben, der Graben
zwischen Arm und Reich werde immer größer, obwohl die Daten
der Ökonomen das nicht hergeben. Nun stellt sich heraus: Es
ist doch was dran,
in: Welt
v. 07.06.
Frank STOCKER berichtet
über die Ergebnisse der Studie
Pro-Rich Inflation in Europe: Implications for the Measurement
of Inequality, in der die Inflation als Motor der
Ungleichheit untersucht wurde. Die Studie offenbart, dass der
einheitliche Preisindex die Ungleichheit in Europa
verschleiert:
"Fast 70 Prozent der
Produkte, für die die ärmsten Bevölkerungsschichten ihr Geld
ausgeben, haben sich zwischen 2001 und 2015 stärker
verteuert als der Durchschnitt. Bei den reichsten zehn
Prozent trifft dies dagegen nur auf rund 50 Prozent der
Produkte zu."
Der in ökonomischen Studien
so beliebte Gini-Koeffizient als Maßstab für die Ungleichheit
berücksichtigt diesen Aspekt nicht, sodass die Ungleichheit
als niedriger erscheint als sie tatsächlich für die Armen
ist.
GERTH,
Martin (2018): Garantiert viel weniger.
Der Niedrigzins setzt der
Betriebsrente zu. Allein Dax-Unternehmen haben
Pensionsverpflichtungen über 380 Milliarden Euro.
Pensionskassen müssen Leistungen kürzen. Beschäftigte checken
mithilfe von acht Kriterien, wie es um ihre Rente steht,
in:
WirtschaftsWoche Nr.24 v. 08.06.
Martin GERTH propagiert Pensionsfonds als
lukrativere Alternative zu Pensionskassen als Durchführungsweg
der betrieblichen Altersvorsorge. Als Kriterien für die
mangelhafte Nachhaltigkeit einer Pensionskasse werden
folgenden Aspekte aufgeführt:
1) Hoher Anteil an Zinspapieren, den man
aus einer Tabelle eines Vermögensverwalters ersehen kann
2) Zu viele Rentenanwartschaften in ferner Zukunft
3) Zu viele Verträge mit Zinsgarantien
4) Zu viele Firmen, die als Träger einer Pensionskasse
fungieren (Negativbeispiel BVV)
5) Zu hohe Altlasten ehemaliger Staatsunternehmen
(Negativbeispiel Lufthansa)
6) Pensionskassen, die ihr Neugeschäft an klassischen
Verträgen eingestellt haben (Negativbeispiel Bayer
Pensionskasse)
An den grundsätzlichen
Problemen, der Unsicherheit an den Kapitalmärkten, ändert dies
nichts. Der Anleger trägt das Kapitalmarktrisiko ganz allein!
Man sollte sich eher fragen, warum Unternehmen dieses Risiko
nicht (mehr) tragen wollen.
SPECKMANN, Guido (2018): Auch Zahlen sind
politisch.
Der Autor Oliver Schlaudt kritisiert die scheinbare
Objektivität von Statistiken,
in: Neues Deutschland
v. 13.06.
Guido SPECKMANN stellt das
Buch
Die politischen Zahlen von Oliver SCHLAUDT vor, in dem
der naiven Zahlengläubigkeit entgegen getreten wird:
"Evaluationen,
Leistungsindikatoren, Rankings und Benchmarks - überall
bestimmen Ziffern unsere Lebensrealität. Die
zugrundeliegenden Vorentscheidungen und Annahmen werden aber
kaum problematisiert",
schreibt SPECKMANN über ein
Problem, das auf dieser Website schon seit langem als
Demografisierung gesellschaftlicher Probleme kritisiert wird.
Statt wie allgemein üblich die Berechnungen neoliberaler
Organisationen anders zu interpretieren wie das die Linke in
der Verkennung ihrer Lage immer noch tut, hilft nur die Kritik
der Annahmen und Vorentscheidungen solcher Berechnungen
weiter.
Gerade demografische
Fakten, die uns als unabwendbares Schicksal verkauft werden,
sind eine Säule des Neoliberalismus, die jedoch mit jeder
neuen Fehleinschätzung und den Folgen ihrer Auswirkungen z.B.
im Schulbereich, beginnt zu bröckeln. Die Linke mit ihrem
Motto, dass die Welt nur anders interpretiert werden muss, um
sie zu ändern, hat in ihrer neoliberalisierten Kurzsichtigkeit
allzu lange den falschen Hebel bedient. Statt die Grundlagen
zu hinterfragen, versucht sie irrsinnigerweise lediglich die
Berechnungen in Frage zu stellen, aber nicht deren
Vorentscheidungen und impliziten Annahmen. Dies geschieht nur
ganz selten, z.B. wenn der Altenquotient durch einen
ökonomischen Abhängigkeitsquotienten in Frage gestellt wird.
Durch die Änderung eines Indikators werden plötzlich ganz
andere politische Maßnahmemöglichkeiten sichtbar.
HANK,
Rainer
(2018): Kontrollverlust.
Deutschland hat zu viel
Sozialstaat, aber zu wenig Staat. Das rächt sich gerade,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.06.
Deutschland hat zu viele
Neoliberale wie Rainer HANK, das rächt sich! Der Artikel ist
ein Lehrbeispiel für die Demagogie Neoliberaler. Um die
Verfettung des deutschen Sozialstaats zu belegen, wird uns
eine Grafik präsentiert, die suggerieren soll, dass wir seit
1991 einen immensen Anstieg der Sozialausgaben in Deutschland
hatten. Wer sich von der Steilheit der Kurve jedoch nicht
beeindrucken lässt, der sieht anderes: Innerhalb von 27 Jahren
ist der Anteil der Sozialausgaben am BIP lediglich um 4
Prozent gestiegen. Das entspricht einem jährlichen Wachstum
der Sozialausgaben um gerade einmal 0,15 Prozent und dies
trotz der Lasten der Wiedervereinigung, der
Massenarbeitslosigkeit und der Rentnerheere! Nur stramme
Neoliberale können darin eine Verfettung sehen! Dieses geringe
Wachstum spiegelt im Gegenteil die radikalen Kürzungen wider,
die es bei der Sozialversicherung in den letzten 25 Jahren
gab.
Eine Studie soll belegen,
dass der verfettete Sozialstaat ruhig weiter abgebaut werden
kann, weil die Leistungen des Sozialstaats bei der Bevölkerung
die niedrigste Priorität von allen Staatsaufgaben hätten. Dass
die gefundene Hierarchie genau den Vorstellungen Neoliberalen
über die Aufgaben des Staats entspricht, ist wenig
verwunderlich, da es stramme Neoliberale waren, die diese
Ergebnisse aufgrund des Studiendesigns herausgeholt haben. Es
wurden nämlich beim Sozialstaat nicht die Leistungen zum
Maßstab gemacht, sondern nur die Höhe der Sozialausgaben!
Zum verfetteten Sozialstaat
gehört für HANK insbesondere der Mindestlohn. Noch Fragen?
KROHN, Philipp
(2018): Altersvorsorge wird für Arbeitnehmer immer wichtiger.
Hohes Vertrauen in
Arbeitgeber. Skepsis gegen Zielrente,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 19.06.
Philipp KROHN interpretiert
Umfrageergebnisse der Unternehmensberatung Willis Towers
Watson ("Global Benefits Attitudes") im Interesse der Anbieter
im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge.
Arbeitgeber werden (noch)
als kompetente Instanz betrachtet, wenn es um die richtige
Altersvorsorge geht, während die Finanzdienstleister ein
Eigeninteresse unterstellt wird, das mit den Interessen der
Arbeitnehmer nicht im Einklang steht. Andererseits sind die
Arbeitnehmer gegenüber der Zielrente skeptisch.
KROHN geht es jedoch in
erster Linie um Argumente für Arbeitgeber, die für eine
Betriebsrente sprechen. Dabei geht es um Betriebsrenten als
Rekrutierungs-, Bindungs- und Motivationsinstrument. Da Willis
Towers Watson auf diesem Gebiet tätig ist, ist die Umfrage
nicht uneigennützig.
BOEHRINGER, Simone (2018): Beliebte eigene vier Wände.
Die Deutschen setzen
weniger auf Lebensversicherungen und mehr auf Immobilien,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 19.06.
FERBER, Michael (2018): Weltweite
Rentenkrise im Anzug.
Der demografische Wandel
und die Niedrigzinsen führen zu grossen Lücken in den
Pensionssystemen,
in:
Neue Zürcher Zeitung
v. 19.06.
Michael FERBER hat ein Diskussionspapier
des WEF wieder herausgekramt, das vor einem Jahr als
"Globale Zeitbombe" medial eingespeist und von den
neoliberalen Mainstreammedien gerne aufgegriffen wurde. In den
Nuller Jahren kündigte Frank SCHIRRMACHER bereits die globale
Apokalypse für 2010 an, die dann ausfiel wie so manch andere
Horrorvision der Demografiehysteriker. Nun also tritt FERBER
in die Fußstapfen dieser Demagogen. Diesen Neoliberalen geht
es um die Zerstörung der staatlichen Rentensysteme. Dazu ist
jede Apokalypse recht. Nicht etwa die kapitalgedeckte, sondern
nur die umlagefinanzierten Pensionssystemen erscheinen in
dieser Sicht ein Problem:
"Den politischen
Entscheidungsträgern gelingt es nicht, die sozialen
Sicherungssysteme wetterfest für die Zukunft zu machen. Wie
die Grafik zeigt, ist der Staat für rund drei Viertel der
Unterfinanzierung der Rentensysteme weltweit verantwortlich.
Martin Janssen, Leiter der Pensionskassenberatung Ecofin und
emeritierter Professor an der Universität Zürich, spricht
deswegen auch weniger von einer Pensionskrise als von einer
politischen Krise bzw. einer Krise des Sozialstaats."
Das Papier des WEF, das
FERBER zitiert, bezieht sich weder auf Deutschland, noch auf
die Schweiz.
Es geht darin lediglich um die Rentensysteme von Australien,
Kanada, China, Indien, Japan, den Niederlanden, Großbritannien
und den USA. Dies aber sind meist Länder, in denen nicht die
gesetzliche, sondern die private Altersvorsorge im Vordergrund
steht.
"Da die Rentensysteme
nicht nachhaltig finanziert sind, muss es zu erheblichen
Kürzungen kommen – die man freilich ebenfalls als Beitrag zu
einer verbesserten Finanzierung der Systeme sehen kann. Die
Bank Berenberg geht in ihrer Studie jedenfalls davon aus,
dass die durchschnittliche staatliche Pro-Kopf-Rentenzahlung
in der EU und in den USA in den kommenden Jahrzehnten um
rund 30% sinken dürfte",
erklärt uns FERBER. Diese
Entwicklung beruht auf der Annahme, dass sich gegen die
neoliberalen Reformen kein wirksamer Widerstand entwickeln
kann. Ob das jedoch stimmt, das werden wir erst in zwei, drei
Jahrzehnten tatsächlich wissen.
Natürlich lauten die
neoliberalen Lösungen wie üblich: Länger Arbeiten und mehr
private Altersvorsorge betreiben. Die Finanzdienstleister
bedanken sich für diese finanzielle Bildung durch FERBER!
FRAUNE, Burkhard
(2018):
Altersvorsorge wird
Sanierungsfall.
In dünn besiedelten Regionen fallen die Eigenheimpreise -
Verkäufe werden zum Problem,
in: Neues Deutschland
v. 20.06.
"Insgesamt zwölf
Millionen Deutsche leben in dünn besiedelten ländlichen
Kreisen - von Dithmarschen und Vorpommern über das Emsland,
die Lüneburger Heide, den Harz und die Lausitz, den
Thüringer Wald und Franken bis in den Bayerischen Wald",
berichtet Burkhard FRAUNE,
um dann mit dem Soziologen Rolf HEINZE, Jahrgang 1951, die
Erosion der Mitte der Gesellschaft in den Dörfern zu beklagen.
Zielgruppe sind die gut situierten Rentner, die ihr Häuschen
auf dem Lande verkaufen und gegen eine Wohnung in der nächsten
Stadt eintauschen wollen. Dies sei nun nicht mehr möglich. Wie
viele dieses Bedürfnis überhaupt haben und warum das nicht
möglich ist, bleibt unbelegt. Stattdessen werden Münster und
München als Beispiele genannt. Da stellt sich eher die Frage,
für wen das die nächste größere Stadt ist. Doch wohl nur für
jene Rentner im Speckgürtel und nicht auf dem Lande.
Um welche Interessen es
tatsächlich geht, das wird klar, wenn die neoliberale
Lobbyorganisation IW Köln zitiert wird.
"Mit Bauland zu
Dumpingpreisen lieferten sich schrumpfende Gemeinden einen
ruinösen Wettbewerb. Jedes dritte Neubaugebiet sei
langfristig unwirtschaftlich, das geplante Baukindergeld
werde die Zersiedelung noch verstärken. Besser sei es, wenn
Städte Familien fördern, die in leer stehende Häuser im
Ortskern ziehen oder an deren Stelle neu bauen",
wird der Lobbyist Ralph
HENGER zitiert. Man darf daran erinnern, dass Anfang der
Nuller Jahre Baupolitik per Abrissbirne betrieben wurde. Dabei
ging es nicht um sinnvollen Abriss, sondern abgerissen wurde
in erster Linie was in öffentlicher Hand war. Nur 10 bis 15
Jahre später rächte sich diese Politik und statt ewigem
Schrumpfen waren Wachstumsschmerzen und Wohnungsnot die neuen
Themen.
Fazit: Heute müssen wir das
ausbaden, was uns die Schrumpfungsideologen in den Nuller
Jahren eingebrockt haben, weil ihre Prognosen sich in
kürzester Zeit überholt hatten. Es wird Zeit, andere Kriterien
als die Demografie zur Richtschnur von Politiken zu machen.
ELFLEIN, Christoph/JANEVSKA,
Aleksandra/KOWALSKI, Matthias/THEDENS, Nina/WEBER,
Herbert (2018): Wann haben Sie das letzte Mal davon geträumt,
nicht mehr arbeiten zu müssen? So geht's!
Titel Früher in Rente: Raus
aus dem Job. Das Leben im Ruhestand genießen. Und das, ohne
auf Geld zu verzichten. Das funktioniert trotz Minizinsen oder
Rentenabschlägen. Aber nur mit einem guten Plan,
in: Focus
Nr.26 v. 23.06.
SCHERFF, Dyrk
(2018): So sparen Rentner Steuern.
Am 1. Juli steigen die
Renten kräftig. Dadurch werden viele Rentner steuerpflichtig.
Was ist jetzt zu tun?
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 24.06.
"(M)it der Anhebung am 1. Juli rutschen
etwa 54.000 Ruheständler zusätzlich in die Steuerpflicht,
schätzt das Bundesfinanzministerium. Schon jetzt müssen 4,4
Millionen von 21 Millionen Rentner Steuern zahlen. Denn
Renten sind seit der Reform 2005 nur noch zum Teil
steuerfrei. Der steuerpflichtige Teil fällt umso größer aus,
je später man in Rente geht",
erklärt uns Dyrk SCHERFF
anlässlich der anstehenden Rentenanpassung die Wirkung des
Alterseinkünftegesetzes, mit dem das Rentenniveau seit 2005
gesenkt wird, ohne dass dies mit dem Begriff des
"Nettorentenniveaus vor Steuern" sichtbar würde. Bis zum Jahr
2040 wird jede neue Rentnergeneration stärker besteuert,
wodurch das Nettorentenniveau umso mehr geschmälert wird. In
keiner Statistik wird dieser Aspekt sichtbar, weshalb die
Debatte um die Stabilisierung des Rentenniveaus hier ihren
zentralen blinden Fleck besitzt.
Fazit: Neoliberale haben
mit dem Begriff "Nettorentenniveau vor Steuern" die wahre
Absenkung des Rentenniveaus bisher erfolgreich vertuscht. Dass
sie das können, liegt auch an einer fehlenden Lobby für die
gesetzliche Rente. Nicht einmal Gewerkschaften oder
Linkspartei bringen diese heimliche Absenkung des
Rentenniveaus zur Sprache, obwohl sie angeblich die
gesetzliche Rente stärken wollen. Offenbar ist ihnen nicht
wirklich daran gelegen!
REZMER, Anke & Peter THELEN (2018): Die Angst vor Altersarmut.
Immer mehr Menschen
fürchten, im Ruhestand zu verarmen, zeigt eine Umfrage. Statt
mehr zu sparen, rufen sie nach dem Staat. Die Versicherer
wollen mit besseren Produkten reagieren,
in:
Handelsblatt v. 26.06.
PENA, Paulo & Harald
SCHUMANN (2018): Achtung, Rentenfresser.
Lobbyismus: Der US-Konzern
Blackrock will Europas Pensionen privatisieren. Die
EU-Kommission macht sich zur willigen Helferin,
in:
Freitag Nr.26 v. 28.06.
PENA & SCHUMANN berichten darüber wie der
weltgrößte Fondsverwalter Blackrock die EU als Einfallstor
benutzt, um die nationalen Altersvorsorgemärkte aufzumischen.
Während sich die Lebensversichererbranche in Deutschland noch
Abwehrkämpfe um Marktanteile am lukrativen Altersvorsorgemarkt
liefert, soll dieser Markt per EU-Politik zugunsten der
Fondsverwalter gestaltet werden. Die Neugestaltung trägt den
Namen PEPP und ist ein europaweites Altersvorsorgeprodukt -
ohne Garantien, aber mit Qualitätssiegel. Ein entsprechender
Gesetzesentwurf wurde bereits eingebracht.
PENA & SCHUMANN berichten darüber wie im
neoliberalen Vorzeigeland Großbritannien seit 2015 der
Grundstein für bessere Bedingungen für Blackrock gelegt wurde
und die verantwortlichen Politiker sich ihren Einsatz durch
lukrative Posten bei Blackrock ließen. Auch in Deutschland war
der Wechsel von verantwortlichen Politikern und
Politikberater, die die Teilprivatisierung der Altersvorsorge
durchsetzten, in die Finanzleistungsbranche eine
Selbstverständlichkeit.
Als Kritiker von PEPP
werden der EU-Abgeordnete
Martin SCHIRDEWAN (Linkspartei) und Margrethe VESTAGER,
Chefin der EU-Kartellbehörde, genannt.
Den
EU-Altersvorsorgeproduktmarkt, der auf die besserverdienende
Mittelschicht abzielt, beziffern
PENA & SCHUMANN auf 2,1 Billionen Euro im
Jahr 2030 (derzeit 700 Milliarden Euro). Geringverdiener sehen
sie dagegen außen vor. Denen würde nach Meinung der Autoren
Reformen nach dem Vorbild von Schweiz oder Österreich helfen:
"Dort sind anders als in
Deutschland alle Einkommen beitragspflichtig, auch jene von
Selbständigen und Führungskräften. Darum können die
Rentenkassen dort auch bei niedrigen Geburtenraten
auskömmliche Renten zahlen."
DPA (2018): Wenn die
Altersvorsorge bröckelt.
Sinkende Hauspreise auf dem
Land gefährden die Finanzpläne vieler Senioren,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.06.
Die Agenturmeldung war
bereits am 20. Juni in der Zeitung
Neues Deutschland zu lesen.
BRAUNBERGER,
Gerald (2018): Das Zittern hat sich gelohnt.
Trotz aller Kursrückgänge
hat eine langfristige Anlage in den Dax eine hübsche Rendite
gebracht,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.06.
Das Deutsche Aktieninstitut
hat ein neues
Dax-Rendite-Dreieck veröffentlich, mit dem alljährlich die
Anlage in Aktien schöngerechnet wird.
"Als vor 30 Jahren, zur
Jahresmitte 1988, der Dax an den Start ging, umfasste er
einige Unternehmen, die noch heute in ihm enthalten sind
(...). Aber eine beachtliche Zahl von Unternehmen, die im
Jahre 1988 dem Dax angehörten, existiert heute gar nicht
mehr, oder aber ihre Aktien fristen ein Dasein in weniger
prominenten Indizes",
berichtet Gerald
BRAUNBERGER über die Instabilität der 30 Unternehmen, die
angeblich zu der Aktienprominenz gehören.
Das Deutsche
Aktieninstituts (DAI) berechnet seine Renditen so, dass zwar
auf der einen Seite alle positiven Aspekte (Wertentwicklung
und Dividenden) einfließen, aber auf der andere Seite alle
Kosten eines realen Anlegers ausgeblendet werden:
"Das sind allerdings
Bruttorenditen: In der Praxis wären mit den Käufen und der
Verwaltung von Wertpapieren auch Kosten und auf den
Wertzuwachs Steuern angefallen",
erklärt BRAUNBERGER zu
dieser Schönrechnerei des DAI.
JUNG, Marcus (2018):
Gericht erlaubt
Negativzinsen in Riester-Verträgen.
Nach einem Urteil in
Tübingen ist das Zustandekommen der Verzinsung transparent.
Für Riester-Sparer soll das zu keinem Nachteil führen -
Verbraucherschützer entsetzt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.06.
ATZLER, Elisabeth (2018):
Riester-Verträge mit Minuszinsen erlaubt.
Schlechte Nachrichten für
Riester-Sparer: Bleibt die Gesamtverzinsung positiv, darf der
Grundzins ins Minus rutschen, zeigt ein Urteil,
in:
Handelsblatt v. 02.07
BORTENLÄNGER, Christine (2018):
Die Rente wirklich sicher machen.
Mit Aktien lässt sich der
Generationenvertrag stabilisieren. Schweden zeigt, wie das
geht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 02.07.
Christine BORTENLÄNGER,
Lobbyistin der Finanzdienstleister, verbreitet Fake-News in
Sachen Aktien. Wie üblich wird die gesetzliche
Rentenversicherung schlechtgeredet und die Aktien-Rendite
schöngeredet.
Das
DAX-Rendite-Dreieck verklärt
die Renditen, indem die Renditen hervorgehoben, aber die
Kosten für reale Anleger verschwiegen werden. Und es kommt
sogar noch schlimmer: Die angeblich hohen Renditen, die über
lange Zeiträume erzielt werden können, sind rein fiktiv und
entsprechen nicht der Realität der historischen
Börsenentwicklung des DAX. Da der DAX, der erst 1988, also
nach dem großen Börsencrash 1987, eingeführt wurde, wird eine
Rückrechnung vorgenommen, als ob er schon seit 50 Jahren
bestehen würde. Diese fiktive Vergangenheit, die so für reale
Anleger nie existierte, wird uns nun als Argument dafür
geliefert, dass Aktien besonders gut - und ohne jegliches
Risiko - für die Altersvorsorge geeignet seien:
"Da über lange
Anlagezeiträume - wie bei der Altersvorsorge - das Risiko
mit einer breit gestreuten Aktienanlage Verlust zu machen,
gegen null tendiert, ist eine Beitragsgarantie ohnehin nicht
erforderlich".
Wer diesen Unsinn glaubt,
dürfte spätestens dann ein böses Erwachen erleben, wenn seine
Altersvorsorge aufgrund eines Börsencrashs ausgerechnet in dem
Moment einen Absturz erlebt, in dem er sich damit seinen
Ruhestand finanzieren wollte. Beim DAX gibt es auch nicht
wirklich eine breite Streuung, wie BORTENLÄNGER behauptet.
Fazit: Wer 20 Jahre lang
sparte, so das DAI, den erwartete im schlechtesten Fall
(falscher Einstiegszeitpunkt!) eine Rendite von 4,7 Prozent.
Was davon nach Abzug der Kosten und Steuern noch übrig bliebe,
das verschweigt das DAI lieber! Man hätte das Geld genauso gut
auf ein einfaches Sparkonto legen können und das wird uns
ernsthaft als Erfolg verkauft.
KANNING,
Tim (2018): Wo die Aktionäre wohnen.
In Ostdeutschland besitzt
kaum jemand Wertpapiere,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.07.
Es kann wohl kaum
erstaunen, dass Aktienbesitz dort am weitesten verbreitet ist,
wo die Vermögenden wohnen.
GURK,
Christoph (2018): Ihm reicht's.
Rente mit 40 - ohne
Erbschaft? Für die Anhänger der Fire-Bewegung ist genau dies
das Ziel. Mit Träumerei hat das wenig zu tun. Eher schon mit
Finanz- und Lebensplanung,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 07.07.
Anfang des Jahrtausends war
man ein Außenseiter, wenn man nicht wie alle andere Millionär
per Start-up werden wollte, nun wird aus zwei Deutschen gleich
eine Bewegung, die passend zur Privatisierung der
Altersvorsorge früh aus dem Berufsleben aussteigen will. Die
diversen Wirtschaftsblätter rechnen uns bereits seit Jahren
vor, wie easy es angeblich ist, mit 40 in Rente zu gehen - so
zumindest wenn man nur die Schlagzeilen liest und nicht das
Kleingedruckte des Artikels. Auch der SZ-Artikel hat
keine wirklichen Alternativen für Normalos zu bieten.
"Finanzielle Unabhängigkeit" heißt das Zauberwort, mit dem
sich offenbar vor allem Selbstausbeuter der IT-Branche ihre
Lebenslügen zusammenbasteln.
"Der Ruhestand hängt
nicht mehr vom Lebensalter ab, sondern von einem Betrag, den
es zu erreichen gilt",
heißt es zum neuen
Hamsterrad, das uns der Finanzkapitalismus bereitstellt. Ein
angeblicher Vorreiter der Fire-Bewegung (Akronym für
"Financial Independence, Retire Early") ist schlichtweg ein
typischer Rentier, der sich sein Leben durch Immobilienbesitz
finanziert. Die einzige Innovation der neuen Rentiers: das
Schreiben von Blogs und die Bedienung der Medienöffentlichkeit
- bevor die Sensationslust vorbei ist und ein neuer Medienhype
die Illusion namens "Fire-Bewegung" ablöst .
In ihrem aktuellen Buch
Bereicherung beschreiben Luc BOLTANSKI & Arnaud
ESQUERRE die Wiederkehr des Rentiers als Beispiel für die
Bereicherungsgesellschaft.
GAMMELIN, Cerstin (2018): Der Staat bist du.
Steuern: Die Mär vom
gefräßigen Fiskus ist Humbug. Und sie ist gefährlich,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 18.07.
Cerstin GAMMELIN nutzt den
Steuerzahlergedenktag des Bund der Steuerzahler, einer von
einem Nazi gegründeten Verein, um ihre eigenen neoliberalen
Vorstellungen von den Staatsaufgaben zu präsentieren. Der Bund
der Steuerzahler sei eine "Lobbyorganisation der Steuerzahler"
behauptet GAMNELIN. Das aber ist falsch, denn es ist eine
Lobbyorganisation der Arbeitgeber und der FDP-nahen
Mehr-Netto-vom-Brutto-Fraktion.
Bei der Steuerpolitik
ersetzt inzwischen die Leerformel "Nachhaltigkeit" den
früheren Begriff "Allgemeinwohl". Nachhaltigkeit suggeriert
Zukunft, womit auch gleich das Feinbild, nämlich der
Sozialstaat, impliziert ist.
"Mehr als zwei Drittel
der Bürger quer durch alle Altersklassen und nahezu alle
Einkommensgruppen wollen, dass sich der Staat um ein
auskömmliches Einkommen im Alter kümmert",
meint GAMMELIN. "Nahezu
alle Einkommensklassen" ist hier das Stichwort, das die
Differenz macht, um die es geht: Nicht um
Generationengerechtigkeit ("Nachhaltigkeit"), sondern um
Klassenunterschiede geht es in der Steuerpolitik wie in allen
anderen Verteilungsfragen.
WIEBE,
Frank
(2018): Eine gefährliche Lücke im Alter.
Die Rente ist sicher, aber
reicht sie auch? Das herauszubekommen erfordert eine ganze
Menge Arbeit. Es eröffnet aber auch die Chance, noch mehr
vorsorge zu betreiben, wenn sich ein Defizit abzeichnet,
in:
Handelsblatt v. 20.07.
Die Rentenlücke ist zu
klein? Kein Problem für die willfährigen Helferlein der
Finanzdienstleister:
"Manchmal liest man als
Richtwert, dass 80 Prozent des bisherigen Nettogehalts genug
sein sollten. (...).
Wirklich? Wieso sollte man im Ruhestand auf einmal weniger
Geld benötigen?"
stellt Frank WIEBE die
rhetorische Frage. Achtzig Prozent? Wieso so viel, denn manche
sagen gar, dass 60 Prozent des letzten Arbeitseinkommen völlig
ausreicht. Wie immer ist das aber in erster Linie eine Frage,
ob man glaubt, dass die gesetzliche Rente tatsächlich derart
schlecht dasteht wie die Neoliberalen auf der einen und manche
Vertreter der Sozialinteressen auf der anderen Seite
behaupten. Wenn es um das zukünftige Rentenniveau geht, dann
existiert eine merkwürdige Allianz von Interessengruppen, die
jeweils aus völlig unterschiedlichen Gründen die Altersarmut
dramatisiert.
"Die derzeitige Regierung
verspricht, das Niveau der gesetzlichen Rente stabil zu
halten. Aber wie lange schafft sie das noch?"
fragt WIEBE. Schließlich
ist entscheidend, wer sich im Machtkampf durchsetzt und ob die
demografische Entwicklung tatsächlich das wahre Problem der
Sozialversicherung ist. Weil aber die Angst vor Altersarmut
nicht groß genug zu sein scheint, wird auch noch die steigende
Lebenserwartung ins Spiel gebracht:
"Die Lebenserwartung ist
heute ziemlich hoch. Auch wer mit 67 in Rente geht, kann
locker noch 25 oder sogar 30 Jahre leben. Laut Statistik
werden heute 67-Jährige Männer im Durchschnitt 83, die
Frauen sogar 86 Jahre alt."
Mit der ferneren
Lebenserwartung ist das so eine Sache, denn gemäß
Statistisches Bundesamt kann ein 65-jähriger Mann zwar fast 83
Jahre alt werden. Ist ein Mann jedoch 80 Jahre alt, dann kann
er sogar 88 Jahre alt werden. Die Lebenserwartung wird also
für die überlebenden Menschen umso höher, je älter sie werden
(zumindest bis zu einem gewissen Alter). Auf der anderen Seite
heißt das aber auch, dass z.B. 55-jährige Männer eine
geringere Lebenserwartung haben als ein 67-Jähriger. Es
besteht hinsichtlich der Länge des eigenen Lebens eine sehr
große Ungewissheit für jeden Einzelnen. Von daher ist das
Wissen um die durchschnittliche Lebenserwartung nur ein vager
Anhaltspunkt, relevanter ist der individuelle
Gesundheitszustand.
Fazit: Hinsichtlich der
Rentenlücke haben wir es mit vielen unterschiedlichen
Interessengruppen zu tun, die jeweils vorgeben das Beste für
uns zu wollen.
NESTLER, Franz (2018): Die Jugend spart - das
Alter konsumiert.
Hierzulande legen die
Menschen viel Geld zurück. Die Motive für das Sparen sind dabei
so unterschiedlich wie das Sparverhalten in der Bevölkerung
zwischen Jung und Alt sowie Arm und Reich,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.07.
REXER,
Andrea (2018): Die rechten Nutznießer.
Vor zehn Jahren bracht die
Finanzkrise aus. Auch wenn sich die Wirtschaft wieder erholt
hat, sind die Auswirkungen bis heute zu spüren. Sieht man sich
an, wer profitiert und wer verloren hat, tun sich
überraschende Erkenntnisse auf,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 26.07.
Andrea REXER berichtet über
den Zeitschriftenartikel
Going to Extremes: Politics after Financial Crises, 1870-2014
von Christoph TREBESCH, Manuel FUNKE und Moritz SCHULARICK aus
dem Jahr 2016:
"Eine brisante Studie des
Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) stellt einen
direkten Zusammenhang zwischen Finanzkrisen und dem
Erstarken populistischer Parteien am rechten und linken Rand
her. Die AfD, die österreichische FPÖ, die italienische Lega
oder der amerikanische Präsident Trump - ihr Erfolg
überrascht nicht, wenn man die historischen Daten der
Ökonomen sieht."
Aus den Ergebnissen werden
jedoch - wie für Neoliberale typisch - keine Konsequenzen
gezogen, sondern REXER macht sich zum Sprachrohr des
Lobbyverbandes der Aktienverkäufer, die nur ein einziges Ziel
haben: uns noch stärker den Kapitalmärkten - vor allem bei der
Altersvorsorge - auszuliefern. Was passiert, wenn erneut
Tausende Mensche ihr Vermögen an den Börsen verlieren, darüber
macht sich der Artikel keine Gedanken. Einzig ein
Konjunktureinbruch wird als Problem gesehen:
"Man kann sich (...)
vorstellen, was passiert, wenn sich die Konjunktur in
absehbarer Zeit eintrübt: Es entsteht ein guter Nährboden
für weiteres Wachstum extremer Parteien.
PETER, Tobias
(2018): "Die Politik hat unsoziale Entscheidungen getroffen".
Rentenexperte Tim
Köhler-Rama über das Risiko, im Alter zu verarmen, den
Arbeitsauftrag für die neue Rentenkommission und den Preis für
sozialen Ausgleich,
in:
Frankfurter Rundschau v. 28.07.
Tim KÖHLER-RAMA möchte mehr Umverteilung
zwischen den Beitragszahlern. Warum aber sozialer Ausgleich
eine Sache der Steuerfinanzierung wäre, diese Frage wird
ausgeblendet, stattdessen wird die
Stabilisierung des Rentenniveaus in Frage gestellt. Dazu
werden wieder unsinnige Unterstellungen bezüglich des
Rentenniveaus in Umlauf gebracht, gegen die da dann angegangen
wird. Tatsächlich ist das Rentenniveau eine Kennziffer, die
aus der Rentenformel resultiert. Dass diese Kennziffer nur ein
sehr ungenauer Indikator für die Entwicklung der Altersarmut
ist, wird gerne zum Anlass genommen, um eine Stabilisierung
des Rentenniveaus für völlig unsinnig zu erklären. Bei der
Debatte um das Rentenniveau
geht es nicht wirklich in erster Linie um Altersarmut wie
Neoliberale immer wieder erklären, sondern um die Frage,
inwiefern die gesetzliche Rente weiterhin die entscheidende
Säule der Altersvorsorge sein soll. Die Gewerkschaften
sprechen von Lebensstandardsicherung und von
Akzeptanzsicherung.
KÖHLER-RAMA hat Recht, wenn er sagt, dass
sich im Rentenniveau nicht alle Kürzungen der vergangenen
Jahre niederschlagen:
"Die verminderte
Anerkennung von Ausbildungszeiten wirkt sich nicht negativ
auf das Rentenniveau aus. (...). Genau dasselbe gilt für die
Tatsache, dass heute für Arbeitslose in der
Rentenversicherung weniger getan wird als früher. Die
Politik hat hier unsoziale Entscheidungen getroffen, die das
Altersarmutsrisiko der Betroffenen zwar erhöht, zugleich
aber keinen Einfluss auf das Rentenniveau haben".
Was aber KÖHLER-RAMA
vergisst zu sagen: Die Verschiebung der Relevanzen
hinsichtlich dessen, was das Rentenniveau ausmacht, ist eine
bewusste politische Strategie. So wurden Aspekte jenseits der
Erwerbsarbeit wie Erziehungs- und Pflegezeiten immer stärker
zu Lasten von erwerbsarbeitzentrierten Aspekten wie
Ausbildungs- und Bildungszeiten sowie Arbeitslosigkeit
höherbewertet. Dahinter steht ein implizit
nationalkonservativer Paradigmenwechsel. Rentenpolitik wurde
im Laufe der letzten Jahrzehnte immer stärker Teil einer mehr
oder weniger impliziten Bevölkerungspolitik, die letztendlich
auf eine Rente nach Kinderzahl hinausläuft.
SPECHT,
Frank & Peter THELEN (2018): Zinsnot bei Rente und Co..
HB-Titelthema
Anlagenotstand: Langfristig lässt sich der Sozialstaat nur
sichern, wenn das Geld der Beitragszahler auch Rendite
abwirft. Doch angesichts der Nullzinspolitik wandeln sich
viele Anlagen der Renten- und Krankenversicherung zum
Verlustgeschäft,
in:
Handelsblatt v. 30.07.
SPECHT & THELEN verdummen
uns heute wieder mit Scheinproblemen. Die Zinsverluste der
Rentenversicherung sind im Vergleich zu anderen Aspekten der
deutschen Geldpolitik Peanuts. Zudem sind Zinsverluste ein
Problem, das die Kehrseite des Schlagworts "Nachhaltigkeit"
zeigt und damit ein hausgemachtes Phänomen neoliberaler
Politik ist, bei der ständig neue Geldtöpfe erfunden werden,
die uns im Namen von Generationengerechtigkeit und
demografischem Wandel als alternativ dargestellt werden.
DÖRNER/STEUR/VOLKERY
(2018):
Erträge für den
Wohlfahrtsstaat.
Anlagen im Ausland,
in:
Handelsblatt v. 30.07.
DÖRNER/STEUR/VOLKERY
verklären Norwegen, die USA und Großbritannien zu Vorbildern
der Anlagepolitik, wobei sie deren andersartigen
Voraussetzungen bzw. deren Nachteile ausblenden.
WASCHINSKI, Gregor (2018):
Rufe nach Entlastung.
Sozialkassen und Nullzins,
in:
Handelsblatt v. 31.07.
Bereits
gestern hat das Handelsblatt das Scheinproblem zum
Titelthema aufgeblasen. Das Problem der Negativzinsen muss im
Kontext der Gewinne in Sachen Staatsverschuldung und
kommunaler Schulden gesehen werden. Im Vergleich zu den
riesigen Gewinnen des Finanzministers und der Stadtkämmerer
aufgrund der Nullzinspolitik sind die Verluste bei der
gesetzlichen Rentenversicherung Peanuts.
SCHÄFER,
Daniel (2018): Ohne Not in der Zinsnot.
Kommentar zur
Rentenversicherung: Mit einer freieren Anlagepolitik könnte
die Rentenversicherung künftig Verluste vermeiden,
in:
Handelsblatt v. 31.07.
Daniel SCHÄFER möchte die Mindestreserve
der gesetzlichen Rentenversicherung für die Profitgier der
Finanzdienstleister öffnen. Gerne wird dafür auf die
angeblichen Erfolge des norwegischen Staatsfonds hingewiesen,
obgleich dessen Funktion eine völlig andere ist als die einer
Mindestreserve.
Dabei existieren in Norwegen zwei Fonds, wobei nicht der
norwegische Staatsfonds (Government Pension Fund Global),
sondern der norwegische Rentenreservefonds (Government
Pensions Fund Norway) der deutschen Mindestreserve entspräche.
Dieser ist jedoch ungleich weniger rentabel, weshalb ihn
Neoliberale wie SCHÄFER gerne außen vor lassen.
ZSCHÄPITZ,
Holger (2018): Geldpolitik der EZB untergräbt deutsches
Sozialsystem.
Kranken- oder
Rentenversicherung horten Milliarden Euro Beitragsgelder. Doch
die anhaltenden Negativzinsen zehren kräftig an den Reserven,
in: Welt
v. 31.07.
Holger ZSCHÄPITZ zitiert den
gestrigen
Handelsblatt-Titel,
KAUFMANN, Stephan
(2018): Eine märchenhafte Rechnung.
Analyse: Deutschland ist
hochverschuldet, wird gerne behauptet. Doch guckt man genau
hin, entpuppt sich das als Milchmädchenrechnung,
in:
Frankfurter Rundschau v. 03.08.
Stephan KAUFMANN kritisiert
die Sicht auf die Staatsverschuldung wie sie u.a. heute auch
im Handelsblatt daherkommt. Statt die Verschuldung
einfach dem Bruttoinlandsprodukt gegenüberzustellen, verweist
KAUFMANN darauf, dass auch das Staats- und Privatvermögen in
die Betrachtung miteinbezogen werden muss. Dadurch relativiert
sich die angeblich zu hohe Staatsverschuldung.
CREUTZBURG, Dietrich
(2018):
Sozialausgaben in
Deutschland steigen auf eine Billion Euro.
Sozialstaat wächst im
Aufschwung stärker als die Wirtschaft,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 04.08.
Die Meldung, dass die
Staatsverschuldung unter eine Billion gesunken ist, war der
FAZ zu positiv, weshalb sie -
anders als im Handelsblatt - weggelassen wird. Die
Magie der Zahlen ist das eigentliche Thema des Artikels, denn:
"Betrachtet man anstelle
der Auszahlungen die Finanzierung, dann ist die
Billionengrenze sogar schon überschritten."
Neoliberale lieben große
Zahlen und erst Recht, wenn sie als Zäsur interpretiert werden
können. Große Zahlen schüchtern ein, weil sie im Alltag der
meisten Bürger nicht vorkommen und deshalb kein Gefühl dafür
existiert. Vom Supermarkt kennt man allenfalls das Gegenteil:
Da werden Waren mit 9,99 Euro ausgezeichnet, weil das
wesentlich günstiger aussehen soll als 10 Euro. Magische
Zahlen sind Schwellwerte, die einprägsam sind, auch wenn deren
Überschreiten oder Unterschreiten in Wirklichkeit völlig
belanglos wäre. In der neoliberalen Zahlenmagie gibt es jede
Menge Zahlen, die zu heiligen Kühen stilisiert werden. Rote
Linien, die nicht überschritten werden sollen (40 Prozent
Sozialabgaben ist so eine heilige Kuh). Seltener geht es um
Unterschreitungen, das ist eher die Sache der defensiv
argumentierenden Sozialverbände. Wer Untergrenzen etablieren
muss, der steht argumentativ ganz anders da als diejenigen,
die Obergrenzen einziehen dürfen. Die Machtverteilung ist
asymmetrisch.
WASCHINSKI, Gregor & Thomas SIGMUND
(2018): Zukunftsrisiko Sozialstaat.
Das Soziale wird ein immer
größerer Kostenfaktor. Arbeitgeber, FDP und der
Wirtschaftsflügel der Union fordern ein Umsteuern,
in:
Handelsblatt v. 06.08.
"Erstmals seit Jahren ist
die Staatsverschuldung unter die Zwei-Billionen-Marke
gefallen.
Laut Statistischem Bundesamt waren Bund, Länder und
Gemeinden und Sozialversicherung 2017 nur noch mit 1,97
Billionen Euro verschuldet",
erklärten uns GREIVE &
WASCHINSKI vor 3 Tagen ("GroKo-Reformen treiben die
Sozialausgaben"). Solche positiven Nachrichten sind schlecht,
weshalb sie von Neoliberalen immer mit angeblichen
Negativmeldungen gekoppelt werden, die sich zudem auf
Spekulationen gründen:
"Nach neuen Zahlen des
Bundesarbeitsministeriums, die dem Handelsblatt vorliegen,
sind die Ausgaben für Soziales im Vorjahr auf 965,5
Milliarden Euro gestiegen, ein Plus von 3,9 Prozent",
hieß es noch vor drei
Tagen. Dies war anscheinend nicht drastisch genug, weshalb
WASCHINSKI & SIGMUND anlässlich des nun veröffentlichten
Sozialbericht 2017 schreiben:
"Laut aktuellen Zahlen
(...) erhöhte sich die Summe aller Sozialleistungen 2017 auf
den Rekordwert von 965,5 Milliarden Euro. Das ist ein
Anstieg von 3,9 Prozent im Vergleich zu 2016."
Offenbar haben die Leser
vor drei Tagen nicht verstanden, warum sich die
Handelsblatt-Journalisten so empörten, weshalb nun der
Begriff "Rekordwert" fällt, damit es auch dem Letzten klar
wird, dass er sich zu empören hat!
Das Motto der Neoliberalen
lautet: Überschüsse sind kein Segen, sondern ein Fluch. Wenn
man sie nicht verstecken kann, dann lautet die Alternative zu
"üppigen Sozialausgaben" für Transferempfänger, dass
Steuerentlastung für Besserverdienende und Reiche bzw. die
Subventionierung der Wirtschaft (deklariert als Investitionen)
gefordert wird. Das kommt wenigstens der eigenen Klientel
zugute.
Nachdem Neoliberale
Jahrzehnte unter der Fahne des schlanken Staates gegen den
fetten Staat mit seinen unnützen Verwaltungen gehetzt haben ,
entdecken sie plötzlich einen Investitionsstau:
"Weil der Staat jahrelang
seine Investitionen zurückgefahren hat, sind die
Bauverwaltungen in Ländern und Kommunen ausgedünnt,
Milliarden an Investitionsgeldern fließen deshalb nicht ab."
Kein Satiriker könnte diese
geschickte Umformulierung des Problemsachverhaltes besser
erfinden! Personalausgaben laufen bekanntlich im neoliberalen
Jargon nicht unter Investitionen, sondern unter "konsumtiven
Ausgaben", weshalb nun der Begriff "konsumtive Ausgaben" für
die Argumentation störend wäre. Um das zu erreichen, muss der
faule Beamte/öffentlich Bedienstete zum Arbeitstier werden,
dessen liegen gebliebene Arbeit uns nun als Investitionsstau
entgegentritt.
Fazit: Wenn es der
neoliberalen Argumentation dient, werden "konsumtive Ausgaben"
schon mal zum Investitionsstau umdeklariert! Hauptsache es
merkt niemand, dass sich dahinter eine 180 Grad-Kehrtwende
(schönfärberisch: Opportunismus, der uns als Pragmatismus
verkauft wird ) verbirgt.
NECKEL, Sighart
(2018): Völlig losgelöst.
Eine globale Finanzelite
hat sich ihre eigene Parallelgesellschaft erschaffen. die
Bewohner dieser entgrenzten Welt - höchstbezahlt,
kosmopolitisch, gesellschaftlich entkoppelt - sind nirgendwo
zu Hause außer in den Refugien ihrer eigenen Piivilegierung,
in:
Wirtschaftswoche Nr.33 v. 10.08.
Der Soziologe Sighart
NECKEL rechnet mit der globalen Finanzelite ab:
"Als Wirtschaftssektor
betrachtet, sind die Finanzmärkte zu einem globalen
Leitmarkt aufgestiegen, der den Branchen der
»Realwirtschaft« die Kennziffern und Konjunkturen vorgibt.
Gesellschaftlich haben die Finanzmärkte eine massive
Vertiefung sozialer Ungleichheit in praktisch allen
OECD-Ländern hervorgebracht. Die hohen Profite im
Finanzgeschäft ließen eine Klasse von Superreichen
entstehen. Zudem bildete sich (...) eine neue
Sozialkategorie der »working rich« (Andrew Sayer), die zu
den Hauptgewinnern des Aufstiegs des Finanzwesens zählt."
NECKEL hält am Begriff der
"globalen Elite" fest, weil geografische Mobilität für deren
Existenz an Bedeutung verloren hat und die Existenz eines
globalen Finanzmarktes entscheidender ist:
"Wechsel ins Ausland
(sind) nicht mehr der wichtigste Faktor in der
Globalisierung des Finanzmanagements. Inzwischen ist hierfür
die Transnationalisierung der Berufspraxis selbst, die
weltweite Standardisierung ihrer zentralen Methoden,
Kategorien, Geschäftsmodelle und Anschauungsweisen weitaus
bedeutender geworden."
Best-Practice-Modelle
stellen für NECKEL Einfallstore für die globale
Vereinheitlichung dar.
WELT-Themenausgabe: Die Würde des Alters |
STOCKER, Frank
(2018):
Zehn-Punkte-Check vor der
Rente.
Mit der Altersvorsorge
sollte man zwar nicht zu spät beginnen. Trotzdem kann kurz vor
dem Ruhestand noch viel geklärt werden,
in: Welt
v. 10.08.
Von der Wiege bis zur
Bahre, dafür ist im Neoliberalismus nicht mehr der Sozialstaat
zuständig, sondern der Bürger, schließlich sind die Älteren
für unseren Finanzkapitalismus eine sprudelnde Profitquelle,
wie der Artikel von Frank STOCKER beweist.
STEFFEN, Johannes (2018): Bruttobedarf in der Grundsicherung
nach SGB XII.
Gesetzliche
Neuregelung senkt den Durchschnittsbetrag,
in:
sozialpolitik-portal.de
v. 13.08.
"Der durchschnittliche
Bruttobedarf, bei dem es sich der Sache nach um eine
Nettogröße handelt, dient vielfach als Referenz für die
Entwicklung des Leistungsniveaus der Rentenversicherung –
etwa zur typisierenden Bestimmung der erforderlichen
Lohnhöhe Vollzeitbeschäftigter zur Erlangung einer
Altersrente oberhalb der Grundsicherung (Mindestlohnhöhe).
Über die vergangenen Jahre haben sich Nettostandardrente und
Grundsicherungsbedarf einander bedenklich genähert – ein
Prozess »systemischer Verschmelzung«. Mit der neuen
Berechnung des Bedarfs ist dieser Prozess nicht außer Kraft
gesetzt; aufgrund der nun gesunkenen Referenzgröße erscheint
er jedoch in einem etwas weniger bedrohlichen Licht",
erklärt uns Johannes
STEFFEN über eine neue statistische Trickserei bei der
Alterssicherung.
RÜRUP, Bert
(2018):
Fehlalarm bei der Rente.
Chefökonom: Die
Niedrigzinspolitik der EZB macht die Beitragszahler nicht
ärmer,
in:
Handelsblatt v. 13.08.
"Journalisten der
führenden deutschen Wirtschaftszeitung hatten vor Kurzem
herausgefunden, dass die gesetzliche Rentenversicherung im
letzten Jahr als Folge der Negativverzinsung von minus 0,4
Prozent auf Einlagen bei der Bundesbank erstmals einen
Verlust verbucht hatte (...).
Die Zinsverluste sind unstrittig. Dennoch war die Folgerung,
dass deshalb das Geld der Beitragszahler schleichend an Wert
verliert, vorschnell. Aber angesichts der Nachrichtenarmut
griffen auch andere Medien das Thema auf.
»Die Welt« etwa titelte: »Geldpolitik untergräbt
deutsches Sozialsystem«.
Und ein Kapitalmarktexperte des Handelsblatt kommentierte,
das gesetzliche Anlagekorsett für die Sozialkassen sei viel
zu eng geschnürt",
erklärt uns Bert RÜRUP. War
etwa der Chefökonom gerade in Urlaub, damit das
Handelsblatt den Unsinn sogar zur Titelgeschichte
aufgeblasen konnte?
Was
RÜRUP nun kritisiert, das war längst auf dieser Website zu
lesen. Mit "Journalisten der
führenden deutschen Wirtschaftszeitung" meint RÜRUP das
Handelsblatt. Es soll also verschleiert werden,
dass
das eigene Blatt diesen Unsinn überhaupt erst in die Welt
gesetzt hat, um das Thema dann einen Tag später noch
einmal
mit einem Artikel - den RÜRUP verschweigt - und dem oben
erwähnten Kommentar - aufzugreifen.
Fazit: Es ist beschämend,
dass das Handelsblatt ein Scheinproblem zum Titel
aufblasen kann und zwei Wochen später vom Chefökonom den
Unsinn dann dementieren lässt, ohne dass diese Zusammenhänge
klar offen gelegt werden. Man könnte dahinter aber auch etwas
anderes erkennen: nämlich die Dominanz des Finanzkapitalismus,
durch den die Sozialversicherung zu dessen Profitcenter
degradiert werden soll - und das auch noch als Interesse der
Beitragszahler verkauft werden kann.
SCHWENN,
Kerstin (2018): Die Mütterrenten treffen Steuerzahler immer
härter.
Die Beiträge für die
Kindererziehungszeiten steigen in Milliardenschritten. 2019
muss der Bundesfinanzminister schon 15,4 Milliarden Euro an
die Rentenkasse überweisen. Gleichzeitig kommen immer mehr
Babys in Deutschland auf die Welt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.08.
CREUTZBURG, Dietrich
(2018): Rentengarantie bringt Älteren bis zu 33.000 Euro.
Wer sich schon im Ruhestand
befindet, kann sich über die aktuellen Debatten freuen. Die
Jüngeren zahlen drauf,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.08.
Mit den Jüngeren sind nicht
die Neugeborenen oder Schulanfänger gemeint, die wirklich
draufzahlen, weil mit der Demografisierung gesellschaftlicher
Probleme, zu der auch diese Rentendebatte zählt, vom
gravierenden Mangel an Erziehern und Lehrern abgelenkt wird.
Die Debatte um die Rente ist nämlich lediglich die Kehrseite
der nichtgeführten Debatte über die interessengeleiteten
Bevölkerungsprognosen der letzten beiden Jahrzehnte.
"Von einer (...) Garantie
würden laut Prognos alle Jahrgänge bis 1991 profitieren",
erzählt uns CREUTZBURG. Für
die Jahrgänge 2010 und folgende dürfte das wie Hohn klingen.
Denn diese Jahrgänge werden die ganze Wucht der
interessengeleiteten Bevölkerungsprognosen im
Kinderbetreuungs- und Schulsystem zu spüren bekommen.
Deren Altersarmut wird nicht das Problem einer fehlenden
Rendite der gesetzlichen Rente sein wie uns die Neoliberalen
derzeit erklären, sondern ihnen werden die Versäumnisse der
Bildungspolitik zum Verhängnis werden!
BRINKMANN,
Bastian (2018): Ungerechte Rente.
Kommentar zur
Altersvorsorge: Die Last der Sozialabgaben ist für
Geringverdiener viel zu hoch,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 30.08.
"Bis zum Grundfreibetrag
sollten überhaupt keine Sozialabgaben anfallen. Dann sollte
die Belastung wie bei den Steuern langsam und stetig steigen
(...). Um das zu finanzieren, müssten die Sätze für
Besserverdiener auf mehr als 20 Prozent stetig steigen oder
die Steuerzuschüsse erhöht werden",
meint Bastian BRINKMANN,
der das Sozialversicherungssystem zu einem Fürsorgesystem
umbauen möchte. Begründet wird diese Politik damit, dass
"Absicherung gegen Altersarmut und Krankheit essenziell für
die Demokratie" ist. Es ist erstaunlich, welche Politik
inzwischen mit Gefahren für die Demokratie propagiert wird.
Bereits Olaf SCHOLZ hatte seinen Stabilisierungsvorstoß damit
begründet.
Mit Geringverdienern meint
BRINKMANN aber Frauen, die dem Arbeitsmarkt verstärkt zur
Verfügung stehen sollen. Der Vorschlag soll also neoliberale
Politik in Zeiten der AfD überlebensfähig machen.
SCHWENN,
Kerstin (2018): Ungerechte Garantie.
Kommentar,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.08.
Kerstin SCHWENN ruft gerne Zäsuren aus,
wenn ihr die Rentenpolitik nicht passt. Nun soll die
Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2025 eine neue Zäsur in
der Rentenpolitik sein. Dabei war schon die Rente ab 63 eine
Zäsur. Zäsuren sind alle Maßnahmen, die der neoliberalen
Schwächung der gesetzlichen Rente entgegenlaufen. Die
Stabilisierung ist jedoch keine Stärkung der gesetzlichen
Rente, sondern
öffnet Manipulationen der
Rentenniveauberechnung Tür und Tor. Eine Stabilisierung lässt
sich kostenlos erhalten, wenn man z.B. die Standardrente neu
definiert. Bereits die im
Gesetzesentwurf vorgenommene Neuberechnung des Rentenniveaus
erschwert Vergleiche mit der Vergangenheit.
Fazit: Die Stabilisierung
des Rentenniveaus könnte sich für die SPD als Schuss in den
Ofen erweisen, wenn deren Augenwischerei in den nächsten
Jahren sichtbar wird.
NIEJAHR,
Elisabeth (2018): Angst vor den Grauen.
Jeder Zweite mit hoher
Bildung will bis 65 oder länger arbeiten. Doch Regierung und
Tarifpartner drücken sich vor der Debatte über den
Rentenbeginn - und quälen sich lieber mit Detailproblemen,
in:
WirtschaftsWoche Nr.36 v. 31.08.
Wäre es nach Elisabeth
NIEJAHR gegangen, dann gäbe es die gesetzliche
Rentenversicherung in Deutschland nicht mehr, denn sie war
eine glühende Verehrerin des Diktators in Chile, der einfach
die Kapitaldeckung voll durchsetzen konnte und nicht einfach
nur eine Teilprivatisierung wie Deutschland.
"Viele Babyboomer haben
während der Finanzkrise Ersparnisse verloren, oft wollen sie
nicht nur länger arbeiten, sondern müssen es auch",
erklärt uns NIEJAHR mit
Blick nach Amerika, wo im Gegensatz zur Chile die private
Altersvorsorge nicht die einzige Säule ist.
Auch heute ist Elisabeth
NIEJAHR wieder eine glühende Verehrerin, diesmal im Kampf für
ein höheres Renteneintrittsalter. Es solle cool werden, länger
zu arbeiten? Das wäre gar kein Problem, wenn die
Rahmenbedingungen stimmen würden: die Gesundheit muss
mitspielen, gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen sind
notwendig. Beides ist heutzutage vielfach nicht der Fall.
Manche denken deshalb eher an die Rente mit 40 als an eine mit
67.
FRIESER,
Michael (2018): Auf Kosten der künftigen Generationen?
Die Gegenwart: Der
demographische Wandel ist keine Floskel. Die Alterung der
Bevölkerung wirkt sich auf viele Bereiche von Gesellschaft und
Staat aus. Das ist jedoch kein Grund zu verzagen. Denn wer
stets nur negative Szenarien darstellt, der gestaltet nicht
die Zukunft. Ergreifen wir die Chancen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.09.
SIEDENBIEDEL,
Christian (2018): Was die Altersvorsorge in Deutschland so
schwer macht.
Einmal im Jahr blickt ein
großer Vermögensverwalter auf die Rahmenbedingungen für den
Ruhestand in aller Welt. Deutschland fällt 2018 im Vergleich
zu anderen Ländern deutlich zurück,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 06.09.
Christian SIEDENBIEDEL blickt mit seiner
einseitig neoliberalen Brille auf den Global Retirement Index
2018 des französischen Vermögensverwalter Natixia Investment,
der sich aus einer Vielzahl von Statistiken einen Index
zusammengebastelt hat, der den eigenen Geschäftsinteressen
dient. Der Gesamtindex besteht aus 18 Variablen, die auf 4
Dimensionen verteilt wurden, dessen Aussagekraft zweifelhaft
ist.
SIEDENBIEDEL greift sich
aus diesem Gesamtindex einzig den Altersquotienten heraus, um
die angeblichen demografischen Probleme von Deutschland
herauszustreichen:
"Mit 32,5 Prozent weist
Deutschland in dieser Kategorie zum zweiten Mail in Folge
den fünftschlechtesten Wert aller untersuchten Länder auf",
zitiert SIEDENBIEDEL
einen Befund der Studie, der aus dem Zusammenhang gerissen,
das Gegenteil dessen zeigt, was in der Studie tatsächlich als
Problem dargestellt wird. Dort werden nämlich jene Länder
aufgelistet, die zwischen 2016 und 2015 die höchste Steigerung
des Altenquotienten aufweisen. Deutschland fehlt darunter,
stattdessen steht China mit 30 % Steigerung an der Spitze,
gefolgt von Japan mit 27,3 %. Danach kommt Brasilien (24,9 %)
und die Schweiz mit 22,8 Prozent (vgl. Grafik S.11). Auch eine
Publikation der US-Statistikbehörde sieht Deutschland
nicht unter den Ländern mit dem größten Alterungsproblem.
WENIG, Mirko (2018): Bundesfinanzminister Olaf Scholz will
Rente neu berechnen.
Bundesfinanzminister Olaf
Scholz (SPD) will laut einem Zeitungsbericht die Rente neu
berechnen lassen. So soll die sogenannte Standardrente auf
Grundlage von 47 Beitragsjahren festgelegt werden. Bisher sind
45 Jahre die Basis. Am Ende hätte kein Ruheständler einen Cent
mehr im Portemonnaie - aber das Rentenniveau würde deutlich
steigen,
in:
versicherungsbote.de v.
07.09.
Auf den Taschenspielertrick, mit dem das
Rentenniveau kostenlos gesteigert werden kann, wurde auf
dieser Website bereits öfters hingewiesen (mehr z.B.
hier)
REZMER, Anke (2018):
Die Lücke stopfen.
Ruhestand: Reichen Rente
und Erspartes für das Alter? Experten empfehlen einen Mix aus
verschiedenen Einkommensquellen und Durchhaltevermögen,
in:
Handelsblatt v. 10.09.
Anke REZMER hat im Vorfeld der zu
erwartenden DIW-Studie alte Daten aus der Union
Investment-Auftragsstudie Vorsorgeatlas 2017 des Beamten Bernd
RAFFELHÜSCHEN herausgekramt, um eine steigende Vorsorgelücke
für drei Altersgruppen (20 - 34 Jahre; 35 - 49 Jahre; 50 - 65
Jahre) zu propagieren. Wie wenig aussagekräftig solche Zahlen
sind, zeigt ein
Vergleich des Vorsorgeatlas 2017 mit seinem 4 Jahre älteren
Vorgänger.
Obwohl sich die private
Altersvorsorge von nur 4 Jahren im Vergleich zur gesetzlichen
Rente drastisch verschlechtert hat, wird uns die private
Altersvorsorge (fast) als Allheilmittel zur Schließung der
Vorsorgelücke empfohlen, was an den befragten Experten liegt,
die ihr Geld mit Finanzdienstleistungen verdienen. Als
Alternative wird inzwischen aber auch die freiwillige
Einzahlung in die Rentenversicherung propagiert - eine
Vorstellung, die noch vor 10 Jahren als undenkbar erschienen
wäre! Neoliberale wie RAFFELHÜSCHEN müssten das eigentlich als
Schlag ins Gesicht empfinden - hätten sie so etwas wie ein
Gewissen.
THELEN, Peter (2018):
Zusätzlich einzahlen lohnt fast für alle.
Gesetzliche
Rentenversicherung: Immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeit,
durch Zusatzbeiträge die Rente aufzubessern. Und noch viel mehr
sollten es tun, sagen die Politiker,
in:
Handelsblatt v. 10.09.
"So machten 2014 gerade einmal 967
Versicherte von der Möglichkeit Gebrauch, der
Rentenversicherung die Abschläge abzukaufen. 2015 waren es
1.499 und 2016 bereits 4.479. Das Beitragsvolumen stieg von
23 Millionen Euro 2014 auf 86 Millionen Euro 2016. Für 2017
ist die Zahl der Einzahler noch nicht ermittelt, aber die
Summe der eingezahlten Beiträge. Sie steig auf 207 Millionen
Euro - neunmal so viel wie 2014",
erzählt uns
Peter
THELEN zur Entwicklung der freiwilligen Einzahlungen in die
Rentenversicherung. Dass die Grünen als Partei der
Besserverdienenden die Möglichkeit von Einzahlungen für alle
fordern und nicht erst ab dem 50. Lebensjahr, wundert wenig,
denn die Einzahlungen muss man sich erst einmal leisten
können. Geringverdiener werden durch diese Praxis in Zukunft
noch stärker benachteiligt. Aber möglicherweise soll diese
Praxis auch den schnellen Weg zum Umbau der gesetzlichen
Rentenversicherung zur Armenfürsorge ebnen. Spätestens in 10
oder 20 Jahren könnte sich diese Praxis nämlich zum Problem
für die Rentenversicherung entwickeln.
DIW-Wochenbericht
37/2018 |
GRABKA, Markus M./BÖNKE, Timm/GÖBLER, Konstantin/TIEFENSEE,
Anita (2018): Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke in der
Sicherung des Lebensstandards,
in:
DIW-Wochenbericht Nr.37 v. 12.09.
DIW (2018): Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke bei der
Sicherung ihres Lebensstandards im Ruhestand.
Mehr als der Hälfte der 55-
bis 64-jährigen Erwerbstätigen reichen derzeitige
Rentenanwartschaften nicht, um aktuellen Konsum vollständig zu
decken – Private Versicherungen reduzieren diesen Anteil nur
geringfügig – Potentielle Versorgungslücke beträgt
durchschnittlich rund 700 Euro im Monat,
in:
Pressemitteilung des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung v. 12.09.
STOCKER, Frank (2018): Wachstum
trotz alternder Gesellschaft.
Obwohl der demografische
Wandel fortschreitet, kann der Wohlstand steigen - wenn
Regierung und Industrie vorsorgen,
in:
Welt v. 12.09.
BROST, Marc
(2018): Darum verlasse ich den Bundestag.
Der Grünen-Politiker
Gerhard Schick gründet eine Bürgerbewegung, um die Banken zu
bändigen. Warum geht das nicht im Parlament,
in:
Die ZEIT Nr.38 v.
13.09.
Die verschobene Deckelung der Provisionen
bei Lebensversicherern und das Durchwinken von Entlastungen
für die Branche zeigen, dass die Lobby des Finanzkapitalismus
in der Politik keinen ernstzunehmenden Gegner besitzt, der die
Interessen der Kunden vertritt. Es geht dabei keineswegs nur
um die Regulierung der Banken, sondern um die Eindämmung des
Finanzkapitalismus. Die Partei von Gerhard SCHICK setzt bei
der Altersvorsorge auf Kapitaldeckung, obwohl die Auslieferung
von Schlechtverdienern bei der Altersvorsorge an die
Kapitalmärkte grundsätzlich problematisch ist. Als
Grundproblem beschreibt Gerhard SCHICK:
"Den Kunden werden
provisionsgetrieben die für sie unpassenden Produkte
verkauft: Es gibt nach wie vor keine unabhängige
Finanzberatung".
Eine unabhängige
Finanzberatung kann für Gutverdienende eine Lösung sein, aber
Schlechtverdiener ist damit nicht gedient. Nichtsdestotrotz
könnte eine "Bürgerbewegung Finanzwende" wenigstens einige der
schlimmsten Auswüchse des Finanzkapitalismus beseitigen
helfen, wobei die Ausführungen von SCHICK in dem Artikel
zwangsweise oberflächlich bleiben müssen:
"Dass viele Mieter aus
ihren Wohnungen verdrängt werden und potenzielle
Wohnungskäufer sich keine Wohnungen mehr leisten können, hat
mit Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten zu tun. Wir reden
zu viel über Symptome - ich will an die Ursachen ran."
Fazit: Jede Initiative, die
gegen den derzeitigen Finanzkapitalismus mobil macht, ist zu
begrüßen! Wie die konkrete Gegenwehr aussehen soll, das
umreißt SCHICK nur kurz:
"Vor allem (...) brauchen
wir die Möglichkeit, viele aktiv anschreiben und einbinden
zu können, wenn ein wichtiges Gesetz zur Abstimmung steht
und die Finanzlobby wieder mal dabei ist, es zu entkernen.
Denn dann sollen die Bürger über uns die Möglichkeit haben,
dazu Stellung zu nehmen."
SCHWENN, Kerstin
(2018): Vielen Arbeitnehmern droht eine Versorgungslücke im
Alter.
DIW: Gesetzliche Rente
reicht nicht aus,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.09.
Kerstin SCHWENN lässt den CDU-Politiker
Peter WEIß die
DIW-Studie Rentennahe
Jahrgänge haben große Lücke in der Sicherung des
Lebensstandards
kritisieren. Der Maßstab, wonach die Rente einen
100prozentigen Lohnersatz gewähren soll, steht unter Beschuss.
Tatsächlich wird jedoch in der ganzen Studie dieser Maßstab
nirgends erwähnt, sondern kann nur implizit erschlossen
werden. Der Begriff "Versorgungslücke" wird - obwohl zentraler
Begriff des Beitrags - im Beitrag nirgends definiert, was für
eine wissenschaftliche Arbeit selbstverständlich sein sollte.
Aber in Auftragsstudien gelten leider selten
wissenschaftlichen Standards!
"Mehr als die Hälfte der
Erwerbstätigen aus rentennahen Jahrgängen im Alter von 55
bis 64 Jahren kann ihren derzeitigen Lebensstandard nicht
halten, wenn sie jetzt in den Ruhestand gingen.
(...).
Eine der zentralen Funktionen der Gesetzlichen
Rentenversicherung (GRV) ist der Lohnersatz. Bei Wegfall des
Erwerbseinkommens nach Renteneintritt sollen die Leistungen
der GRV zu einem bestimmten Prozentsatz diese Lücke
schließen. In der Vergangenheit wurde das Sicherungsziel in
der GRV mit einem Netto-Rentenniveau von 70 Prozent
festgelegt.
(...).
Wird wie eingangs erwähnt ein Sicherungsziel von 70 Prozent
des bisherigen Konsums angestrebt, so fällt die potentielle
Versorgungslücke mit nur noch 28 Prozent (320 Euro) deutlich
geringer aus." (S.810 und 816)
heißt es in der Studie. Das
Netto-Rentenniveau, das nur bedingt mit dem Nettoeinkommen des
Rentners vergleichbar ist, weil zum einen die nachgelagerte
Besteuerung ausgeblendet wird und zum anderen ein fiktiver
Durchschnittsrentner konstruiert wird, wird also in der Studie
in Relation gesetzt zum Konsumniveau der betrachteten
Altersgruppe der Erwerbstätigen. Aus der Berichterstattung
über die Studie dürfte wohl kaum ein Leser die Problematik der
Annahmen erkennen dürfen. Aufklärung sieht anders aus!
SCHWENN reiht sich zudem
ein in die Falschinformation über die Studie durch die
Qualitätspresse, wenn sie von "heute 55 bis 64 Jahre alten
Erwerbstätigen" spricht. In der Studie
heißt es dagegen:
"Im Folgenden werden nur
rentennahe Jahrgänge im Jahr 2012 betrachtet, dies sind
Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren, also die Jahrgänge
1948 bis 1957, die aber zu dem Zeitpunkt nicht bereits
verrentet, arbeitslos oder anderweitig nicht erwerbstätig
waren."
Im Jahr 2018 handelt es
sich also um die heute 61 bis 70-Jährigen, zu denen die Studie
eine Aussage trifft, wobei bestimmte Personengruppen sogar
ausgeklammert wurden.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Wirtschaftsthema:
Vier Länder, vier verschiedene Rentensysteme.
Was
Deutschland von den Nachbarländern lernen kann |
ROSSBACH, Henrike
(2018): Ewige Baustelle.
Auch in Zukunft wird es in
Deutschland Rentenreformen geben, die Demografie macht das
unumgänglich. Das deutsche System hat Schwachstellen. Chancen
liegen in einer besser funktionierenden Zusatzvorsorge,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 18.09.
Henrike ROSSBACH präsentiert uns die
neoliberale OECD-Sicht auf das deutsche Rentensystem. Für
Neoliberale ist
Österreich
ein Ärgernis, weil es (noch) Alternativen zum deutschen System
jenseits neoliberaler Vorstellungen aufzeigt. Von den vier
Ländern wird neben Österreich nur noch die
Niederlande genannt, dessen starke Betriebsrentensäule als
vorbildlich propagiert wird. Thomas ÖCHSNER wettert in seinem
Länderporträt gegen Österreich.
Frankreich
wird uns als abschreckendes Beispiel vorgeführt. Die
Niederlande erscheint dagegen als Paradies:
"Die australische
Beratungsfirma Mercer untersucht seit Jahren die
Rentensysteme aller Staaten der Welt. Die Niederlande lagen
lange Zeit auf Platz ein, 2017 rutschten sie mit hauchdünnem
Abstand hinter Dänemark",
erklärt uns das
Länderporträt. Es wundert deshalb kaum, dass
Dänemark als viertes Land vorgestellt wird. Die
Unternehmensberatung Mercer verdient ihr Geld global in erster
Linie mit der betrieblichen Altersvorsorge, weshalb das
Ranking mehr über Mercer aussagt als über die einzelnen
Rentensysteme. Mit seiner Präferenz für die Kapitaldeckung ist
die Sicht von Mercer einseitig.
SIEMS,
Dorothea
(2018): Generation
Mitte spart sich das Sparen.
Die Bürger legen Wert auf
finanzielle Unabhängigkeit. Sie wissen auch um die Probleme
der gesetzlichen Rente. Doch Konsum geht ihnen vor Vorsorge,
in:
Welt v. 20.09.
Bei Dorothea SIEMS zeigt
sich die herrschende neoliberale Doppelmoral, bei der
Alterssicherung und Konsum gegeneinander ausgespielt werden,
um die Profite der Finanzdienstleister zu steigern. Die
Allensbach-Umfrage
Generation Mitte 2018 ist von der
Versicherungswirtschaft in Auftrag gegeben worden. Damit ist
nicht etwa die Mittelschicht gemeint, sondern die Altersgruppe
der 30-59-Jährigen als Zielgruppe für die Produkte der
Lebensversicherer. Bezeichnenderweise wird nicht zwischen den
einzelnen Einkommensklassen unterschieden, sodass gar nicht
unterschieden werden kann, ob neben dem Konsum, zu dem auch
die steigenden Wohnkosten gehören, überhaupt Geld für die
Subvention der Finanzdienstleister ("Altersvorsorge") übrig
ist.
MATZIG, Gerhard
(2018): Fette Welt.
Mangel durch Reichtum: In
Deutschland sind Wohnungen auch deshalb so knapp, weil jeder
Einzelne immer mehr Raum beansprucht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 21.09.
Während Kosmopoliten wie Gerhard MATZIG uns
mit absurden Thesen zur Wohnungsnot daherkommen und daher zum
Hass auf unsere Eliten beitragen, werden die tatsächlichen
Ursachen der heutigen Wohnungsnot in Deutschland
vernachlässigt: Die Renditegier der institutionellen Anleger
insbesondere ausländischer Investoren und die Immobilie als
Altersvorsorge treibt die Wohnungsnot an. Dagegen will uns
MATZIG mit folgender These verdummen:
"Die Wohnungen in
Deutschland sind in der Regel nicht zu klein, sondern im
Gegenteil viel zu groß. Folglich gäbe es gar keine
Wohnungsnot, würde man nicht auf zu großem Fuß und in
quantitativ üppig bemessenen (qualitativ aber of miserabel
organisierten Grundrissen leben."
Den einzigen Beleg für
diese Behauptung formuliert MATZIG folgendermaßen:
"(S)eit (...) 1972 (...)
hat sich die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf, die in
Deutschland in Anspruch genommen wird, mal eben verdoppelt.
Bald werden es fünfzig Quadratmeter sein. Pro Mensch. Zum
Vergleich. Nur in den USA lebt es sich noch monumentaler, in
(...) Nigeria (kommt man) mit sechs Quadratmetern aus."
Wer so argumentiert,
benutzt Statistik, um sie als Waffe, satt als Argument zu
verwenden. Daran stimmt wenig, denn
nach letzter Erhebung des Statistischen Bundesamts aus dem
Jahr 2014 betrug die Wohnfläche pro Person 45,6 qm und
die Wohnfläche ging zurück (was auch mit den Erhebungsmethoden
zusammenhängt), während MATZIG eine Steigerung
suggeriert.
Die durchschnittliche
Wohnfläche ist nicht aussagekräftig, denn entscheidend ist, wo
sich die großen Wohnungen befinden und ob es sich dabei um
Miet- oder Eigentumswohnungen handelt. Die Wohnungsfläche ist
dort am höchsten, wo es keine Wohnungsnot gibt und sie ist bei
Eigentumswohnungen höher als bei Mietwohnungen. Der
Datenreport 2016 beschreibt die Situation zum Zeitpunkt
des Zensus 2011 folgendermaßen:
"Ein weiteres wichtiges
Merkmal für die Wohnsituation ist die durchschnittliche
Wohnfläche, die jeder Person zur Verfügung steht. Sie betrug
am 9. Mai 2011 in Deutschland 43 Quadratmeter. Die
durchschnittliche Wohnfläche pro Person war im selbst
genutzten Eigentum mit 47 Quadratmetern deutlich größer als
in Mietwohnungen (38 Quadratmeter)."
Für Stadt-Land-Unterschiede
unterscheidet der Datenreport nur nach Bundesländern, aber
auch daraus lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den
Stadtstaaten und den ländlich geprägten Bundesländern bei der
Wohnfläche festmachen: Hamburg und Berlin wiesen 39 qm pro
Person auf, während es in Rheinland-Pfalz 47 qm pro Person
waren. Da die Daten noch aus einer Zeit stammen, in der die
Wohnungsnot noch kaum ein Thema war, ist von einer
Verschärfung auszugehen.
Fazit: Im Gegensatz zum
durchschnittlichen Wohnflächenverbrauch pro Person, der nicht
zwischen Miete und Eigentum differenziert, ist die
Privatisierung der Altersvorsorge und der damit verbundene Run
auf Immobilien und Investitionen der institutionellen Anleger
entscheidender für die Wohnungsnot in Deutschland.
BERNAU, Patrick
(2018): Die Rente ist ungerecht.
Die Jungen müssen zu viel
zahlen, die Alten kriegen zu wenig Geld. Alle ärgern sich über
die Rente. Wer hat recht, und wie kann die Altersvorsorge
künftig funktionieren?
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 23.09.
Die Rente erscheint den
Lesern der FAS als dringendstes Problem in Deutschland.
Patrick BERNAU hat jedoch nur die üblichen neoliberalen
Parolen dafür übrig, wobei z.B. die Intention der DIW-Studie
Rentennahe Jahrgänge haben große Lücke in
der Sicherung des Lebensstandards
ins glatte Gegenteil
verkehrt wird:
"60 Prozent der älteren
Arbeitnehmer können sich in der Rente sogar höhere Ausgaben
leisten, als sie heute haben, hat das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung ausgerechnet",
wird uns erzählt, aber
nicht unter welchen Annahmen dies der Fall sein soll, was
BERNAU in Erklärungsschwierigkeiten bringen würde. Aus
neoliberaler Sicht gibt es keinerlei Probleme. Altersarmut?
Eine Fake-News von Linken. Die Besteuerung der
Alterseinkünfte:
"Nur das Geld einiger
unglücklicher Rentner wird tatsächlich doppelt besteuert."
Die Ansprüche der Rentner
werden als ungerechtfertigte "Wohltaten" diffamiert, da sind
sich FAS/FAZ und Springer-Presse einig. Es geht
in der Rentenpolitik
"nur zum Teil (um) eine
Auseinandersetzung der Rentner gegen die Beitragszahler. Es
ist ein Kampf der Babyboomer gegen ihre wenigen Kinder.
Würde der aktuelle Stand der Rente beibehalten, würden nicht
die
Babyboomer für ihre
Kinderlosigkeit bezahlen, sondern die arbeitende
Bevölkerung",
behauptet dreist BERNAU und
versucht damit das gesellschaftliche Problem auf einen
Konflikt von Eltern gegen Kinderlose zu reduzieren, was z.B.
die Arbeitgeber und ihren Anteil am Problem ganz außen vor
lässt.
Fazit: Neoliberale wie
BERNAU versuchen Bevölkerungsgruppen gegeneinander
auszuspielen, um die wirklichen Probleme des sozialstaatlichen
Gesellschaftsvertrags zu verschleiern.
RÜRUP, Bert
(2018): Individuell rational, kollektiv fatal.
Chefökonom: Mit
freiwilligen Beiträgen lassen sich keine nachhaltig höheren
Rentenansprüche erwerben,
in:
Handelsblatt v.
24.09.
Bert RÜRUP kritisiert
Forderungen nach der Ausdehnung der Möglichkeit von
freiwilligen Einzahlungen in die Rentenversicherung, die
aufgrund ihrer Rendite gegenwärtig die Renditen privater
Altersvorsorge übertrifft. RÜRUP warnt davor, dass die
gesetzliche Rentenversicherung dadurch Gefahr laufe immer mehr
einem Schneeballsystem zu ähneln. Dass der
vor zwei Wochen erschienene
Handelsblatt-Artikel zu den meistgelesenen
Online-Artikeln gehört, ist für ihn Anlass zur Sorge.
Was an dieser Sorge stört,
das ist die Naivität, mit der die Nachhaltigkeit privater
Altersvorsorge propagiert wird. Warum diese nachhaltiger als
die gesetzliche Rente sein soll, kann RÜRUP nicht erklären,
sondern redet sich andersweitig heraus, nämlich dass:
"private Versicherungen
einen privatrechtlich geschützten Eigentumsanspruch auf den
Kapitalstock und die laufenden Auszahlungen gewähren".
Was nützt einem
Versicherten aber das, wenn dieses Unternehmen pleite geht
oder gar der ganzen Branche der privaten Altersvorsorge der
Kollaps droht? Darauf hat RÜRUP keine Antworten. Alarmzeichen
gibt es jedoch zuhauf, was die drohende Instabilität der
privaten (inkl. betrieblicher) Altersvorsorge betrifft.
BLANK, Florian
(2018): Renten rauf, Riester runter!
Alter: Die Finanzkrise hat
auch die private Vorsorge zerschossen. Doch das Beispiel
Österreich zeigt: Ein nachhaltiges öffentliches Rentensystem
ist möglich,
in:
Freitag Nr.39 v. 27.09.
Ist
Österreich
ein rentenpolitisches Vorbild für Deutschland? Neoliberale
bestreiten dies, Gewerkschaftler und Sozialverbände schwören
darauf. Beide Seiten lassen den Machtkampf um das Rentensystem
in Österreich außen vor. Was sind Debatten wert, die sich
Rosinen aus landesspezifischen Sozialsystemen herauspicken,
während die landesspezifischen Verhältnisse ignoriert werden?
Unterstützt diese Strategie nicht falsche Vorstellungen, die
von der historischen Gewachsenheit der Systeme und den
spezifischen Machtverhältnissen abstrahiert? Die Übernahme der
neoliberalen "Best Practise"-Rhetorik unter entgegengesetzten
Vorzeichen stärkt nur die neoliberale Ideologie, dass sich
Elemente aus Systemen ohne Rücksichten auf deren
Verschiedenheit, einfach übernehmen lassen. Scheitern nicht
Firmenübernahmen in erster Linie daran, dass die
Firmenkulturen unvereinbar sind? Bei Sozialsystemen ist das
nicht anders.
Fazit: Politik, Medien und
Wissenschaft verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn sie die
besonderen Verhältnisse bei internationalen Vergleichen außen
vor lassen und stattdessen mit selektiver Auswahl falsche
Alternativen vorgaukeln. Schon gar nicht können Gegner der
Neoliberalen damit punkten, dass sie deren
Argumentationsmuster einfach übernehmen und nur die Inhalte
austauschen. Der Neoliberalismus muss grundsätzlicher bekämpft
werden, indem die Grundstruktur seiner Argumentation in Frage
gestellt wird. Ein Beispiel, das jedoch nicht weit genug geht,
nennt Florian BLANK:
"Rentenpolitisch ist
nicht das Verhältnis von Jung zu Alt die relevante Größe,
sondern das Verhältnis von Beitragszahlerinnen und -zahlern
zu Leistungsempfängerinnen und -empfängern. Dieses
Verhältnis kann durch eine gute Arbeitsmarktpolitik
beeinflusst werden, die sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung fördert und brachliegende Potenziale nutzt."
Hier wird das Kriterium
"Altenquotient" als unbrauchbar für die Beurteilung des
demografischen Wandels dargestellt. Was aber nützt dies, wenn
sich beide Seiten auf die gleichen oder ähnliche Prognosen
berufen, deren Grundannahmen bereits fragwürdig sind? Die
Interessen hinter diesen Prognosen aufzudecken ist notwendig.
Es zeigt sich ja inzwischen, dass interessengeleitete
Bevölkerungsvorausberechnungen ganz gravierende Folgen in
anderen Politikbereichen zeitigen. Nur die Zusammenschau
verschiedener Politikbereiche kann das simple neoliberale
Theoriengebäude zum Einsturz bringen!
ÖCHSNER, Thomas
(2018): Ab heute wird gespart.
Viele reden darüber, wenige
handeln: Menschen schieben Unangenehmes auf, auch beim
Geldanlegen, etwa fürs Alter. Wie sich der innere Schweinehund
überlisten lässt,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 02.10.
Die Finanzdienstleister
wollen an das Geld der Deutschen, denn das ist angeblich nicht
richtig angelegt. Die Verhaltensökonomie, ein Zweig der
Konsumpsychologie, die den Behaviorismus, also das berüchtigte
Pawlow'sche Hund-Schema, marktgerecht weiterentwickelt hat,
soll nun dafür sorgen, dass die Deutschen sich endlich
altersvorsorgegerecht verhalten. Thomas ÖCHSNER stellt 10
Tricks der Selbstüberlistung vor. Für das gewünschte Ergebnis
(Rendite!) haftet jedoch nicht der Journalist oder die
Psychologie, sondern allein der Anleger.
BUCH, Claudia M.
(2018): Die Abwehrkräfte des Finanzsystems stärken.
An den Kosten der Rettung
seiner Banken trägt Deutschland immer noch doppelt so schwer
wie an den Hilfen für die Euroländer. Und trotz guter
Konjunktur und höherer Kapitalpuffer haben sich neue
Verwundbarkeiten aufgebaut. Es ist an der Zeit, ausreichend
Eigenkapital aufzubauen. Finanzstabilität beginnt zu Hause,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 04.10.
Claudia M. BUCH, bei der Bundesbank
zuständig für das Politikziel der Finanzstabilität, beschreibt
in einem ganzseitigen Artiken die Reformen in Sachen
Finanzmärkte als Erfolg, wobei sie jedoch weitere
Reformanstrengungen anmahnt. Die Schäden für deutsche
Steuerzahler durch die Finanzmarktkrise des Jahres 2008 machen
10 Jahre später immer noch 5,9 Prozent des BIP aus und es
drohen neue Gefahren, so BUCH, denen mit einem "antizyklischen
Kapitalpuffer" entgegengewirkt werden soll. Für BUCH werden
die Risiken im Falle eines Wirtschaftsabschwungs unterschätzt.
Was unter den neuen Verwundbarkeiten zu
verstehen ist, das bleibt unterbelichtet. Dagegen nervt, dass
BUCH Metaphern aus dem Gesundheitswesen benutzt, womit die
Ökonomen zu Ärzten stilisiert werden. Eine solche Überhöhung
der eigenen Zunft ist eher Zeichen eines Größenwahns, der
Anlass zur Skepsis geben sollte. Offenbar ist die Krise des
Finanzkapitalismus schlimmer als sie derzeit noch scheint. Was
passiert, wenn nicht nur Banken, sondern auch die
Lebensversicherer und die Pensionskassen in den Strudel
gerissen werden? Welche Folgen hat es, dass große Teile der
privaten Altersvorsorge in ETF-Fonds und Immobilien angelegt
werden?
Fazit: Die kapitalgedeckte
Altersvorsorge könnte bei der nächsten Krise des
Finanzkapitalismus großen Schaden nehmen angesichts der
Dominanz von international verflochtenen Vermögensverwaltern
und Investoren. Wenn ein Dominostein fällt, dann reißt das
viele andere Dominosteine mit
sich. Die Krise des Jahres 2008 könnte also nur ein
Vorgeschmack auf die kommende Krise gewesen sein. Die
Reformen, die vor allem die Banken im Blick haben, aber das
ganze vernetzte System nicht in den Blick nehmen, könnten sich
schnell als untauglich erweisen!
KROHN,
Philipp (2018): Union Investment schlägt Riester-Reform vor.
Der Marktführer regt eine
einfachere Zulage an. Dabei soll nicht das Produkt, sondern
die Förderung simpler werden,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.10.
Die Fondsgesellschaft Union Investment hat
1,9 Millionen Verträge in ihrem Bestand. Ihre Zielgruppe sind
zwar die Besserverdienenden, nichtsdestotrotz argumentiert sie
mit den angeblichen Belangen der Geringverdiener, um ihre
Interessen zu vertreten.
CREUTZBURG,
Dietrich & Andreas MIHM (2018): Höherer Pflegebeitrag treibt
den Rentenbeitrag hoch.
Eine seltsame Folge der
versprochenen Rentengarantie,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.10.
CREUTZBURG & MIHM hetzten gegen die
Stabilisierung des Rentenniveaus. Ihre Argumentation zeigt
aber eher unfreiwillig auf, dass die Rentner bislang gewaltig
im Nahmen der Generationengerechtigkeit geschröpft wurden. Das
Rentenpaket zeitigt Auswirkungen, weil Union und SPD in der
Regierung
zutiefst uneinig sind und
deshalb gegeneinander arbeiten.
"Nach Auskunft der
Deutschen Rentenversicherung Bund liegt das im konkreten
Fall daran, dass Rentner traditionell den vollen
Pflegebeitrag von bisher 2,55 Prozent zahlen, während für
die Beschäftigten zur Hälfte der Arbeitgeber zahlt. Die
Anhebung des Pflegebeitrags drückt deswegen etwas stärker
auf die Nettorente als auf den Nettolohn",
erklären uns CREUTZBURG &
MIHM, die den Sachverhalt natürlich aus neoliberaler Sicht
kommentieren, um diesen Aspekt zu verschleiern, indem sie
absurde Begründungen dafür liefern, dass dies gerecht sein
soll. Die Pflegeversicherung war 1995 also vor 23 Jahren nicht
als Zweig der Sozialversicherung, sonder als Teil des
Pflegemarkts eingerichtet worden. Weil dies so spät geschehen
sei, wird uns das als Ungerechtigkeit verkauft. Faktisch wird
jedoch jeder später eintretende Geburtsjahrgang immer
ungerechter behandelt, denn er zahlt immer länger ein und muss
trotzdem genauso lang wie die vorhergehenden Geburtsjahrgänge
seinen Rentnerpflegebeitrag zahlen. Unseren Neoliberalen
könnte also ihre Generationengerechtigkeit bald um die Ohren
fliegen.
Noch verrückter wird es,
bei der Arbeitslosenversicherung, die auf Druck der Union eine
stärkere Beitragssenkung hinnehmen muss:
"(D)er niedrigere
Arbeitslosenbeitrag entlastet nur die Nettolöhne, nicht aber
die Nettorenten."
Uns wird nun erklärt, dass
dies beschleunigte Rentenanpassungen zur Folge hätte.
Das aber steht in den Sternen, denn die Berechnungen wurden im
Zuge des Rentenpakets geändert, sodass eine Vergleichbarkeit
erschwert wird. Die diversen Wechselwirkungen, die die
FAZ nur selektiv darstellt, also nur insofern dies zu
ihrer neoliberalen Argumentation passt, könnten sich ganz
anders niederschlagen als jetzt noch propagiert.
Fazit: Sobald die
Rentenanpassungen vorliegen, werden die Deutungskämpfe
beginnen. Es ist dabei mit Schlammschlachten zur rechnen. Die
FAZ gibt mit diesem Artikel bereits einen
Vorgeschmack.
HOFFMANN, Timo
(2018): Knausern für die Rente mit 30.
Frugalisten suchen Glück in
der Genügsamkeit und sparen, um nicht mehr arbeiten zu müssen.
Die Philosophie kommt aus den USA und verbreitet sich im Netz.
Aber kann man tatsächlich nach 10 bis 15 Jahren Arbeit
ausgesorgt haben?
in: TAZ
v. 08.10.
Über die Fire-Bewegung berichtete bereits
die SZ
vor einem Monat. Das sind Leute, die den Propheten der
ETF-Fonds auf den Leim gehen und mit unrealistischen Renditen
rechnen. Das Konzept stammt aus den 1990er Jahren und fußt
deshalb auf Überzeugungen der Vergangenheit. Ein Profiteur
dieser Bewegung ist auf alle Fälle ihr Wegbereiter. Das ist so
wie beim Schneeballsystem: Wer zuerst dabei war, der kassiert
den Rest ab!
Im Gegensatz zur neuen
Bescheidenheit (Juli ZEH) zu Beginn des Jahrtausends,
schließen die Anhänger eine Wette auf die Zukunft ab.
Finanzdienstleister können diesem neuen Geiz natürlich kaum
etwas abgewinnen, die sollen schließlich von Leuten
profitieren, die sehr lange sparen und dafür lange arbeiten,
weshalb deren Kritik nicht in erster Linie auf den Gefahren
der Auslieferung an den Kapitalmarkt fußt, sondern den Geiz
und die Unlust an der Erwerbstätigkeit anprangert. Der
Finanzmedienkonzern Bloomberg warnt dagegen:
"Frugalisten könnten
»genauso enttäuscht enden wie Sparer, die auf dem Höhepunkt
der Dotcom-Blase imstande waren, in Rente zu gehen - bis sie
platzte«"
RÜRUP,
Bert (2018): Zwei mal drei macht vier...
Leidartikel: Die
gesetzliche Rente kann auf Dauer keine höhere Rendite als
Kapitalmarktanlagen abwerfen,
in:
Handelsblatt v. 08.10.
Bert RÜRUP hat zuletzt die freiwilligen
Einzahlungen in die Rentenkasse kritisiert, da die Rendite der
Einzahlungen derzeit höher ist als auf dem privaten
Altersvorsorgemarkt. Nun fügt er dieser Kritik neue Argumente
zu, die wenig plausibel sind, aber zur neoliberalen Strategie
der Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung bei
weiterer Stärkung der Privatisierung der Altersvorsorge
beitragen. RÜRUP hegt die Hoffnung, dass in Zukunft die
Kapitalmarktrenditen steigen, während die Rendite der
gesetzlichen Rentenversicherung sinkt. Ein Kollaps des
Aktienmarkts könnte diese Zuversicht ins Wanken bringen.
FERBER, Michael
(2018): Bremsspuren am Immobilienmarkt.
Die Lieblings-Anlageklasse
der Schweizer Pensionskassen in den vergangenen Jahren kommt
unter Druck,
in:
Neue Zürcher Zeitung
v. 09.10.
REZMER, Anke (2018): Mehr Geld fürs Alter.
Immer mehr Menschen werden
im Alter von ihrem Ersparten leben müssen. Denn die
gesetzliche Rente schmilzt ab. Die Kunst ist, dem Vermögen
etwas zu entnehmen, ohne dass es zu stark dezimiert wird. Es
gibt verschiedene Wege zur Extra-Rente,
in:
Handelsblatt v. 12.10.
HOYER, Niklas (2018):
Nicht alle sind schlecht.
Geringe Erträge, hohe
Kosten: Lebensversicherungen haben einen zweifelhaften Ruf -
und Niedrigzinsen konsolidieren die Branche. Ein exklusives
Rating zeigt, welche Anbieter der Krise standhalten,
in:
WirtschaftsWoche Nr.42 v. 12.10.
"Scharnhauser Park in Ostfildern (...).
Auf einem ehemaligen US-Militärgelände südlich von Stuttgart
sollen bis 2022 insgesamt 145 Mietwohnungen in grauen
Blöcken mit lang gezogenen weißen Balkonen entstehen.
Das Besondere an dem Vorhaben: Die Bewohner werden mit ihrer
Miete, geplant sind 13 Euro pro Quadratmeter, die Renditen
von vier Millionen Kunden der R+V Lebensversicherung
absichern. Die R+V ist Eigentümerin des Wohnprojekts. Sie
hat einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag investiert
- und baut ihr Engagement in Immobilien massiv aus",
erklärt uns
Niklas
HOYER. Was als Beruhigungspille gedacht ist, ist eher
beängstigend, denn die nächste, und deutlich größere
Finanzkrise, wird nicht mehr allein durch eine Immobilien- und
Bankenkrise ausgelöst werden, sondern von der
Altersvorsorgebranche, die mit ihrem Kapital nicht wer weiß
wohin und deshalb nicht nur in einen überteuerten
Immobilienmarkt investiert, sondern auch in viele andere
gefährliche Abenteuer Geld investiert.
"Wohnraum bleibt in den
Städten vorerst knapp, was die Nachfrage selbst bei
steigenden Zinsen - und teueren Krediten - kaum einbrechen
lassen dürfte.
Auch Marktführer Allianz setzt neue Akzente, um seine
Zinsversprechen einzuhalten: auf Investments in Immobilien,
in Infrastruktur (Autobahnen in Frankreich, ein
Abwassertunnel in London) und erneuerbare Energien (...).
Die Lebensversicherer wollen den Vorteil ausspielen, dass
Kunden ihnen, im Gegensatz zu den Banken, langfristig Geld
anvertrauen",
meint HOYER. Ob die
Lebensversicherer dieses Vertrauen der Kunden nicht mit ihren
Abenteuern gefährden, das werden die nächsten Jahre zeigen.
SCHÜRMANN, Christof (2018): Längeres Leben drückt die Rendite.
Unternehmen stellen
Milliarden für die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zurück.
Weil die immer länger leben, wird das Vermögen von Aktionären
zunehmend belastet, besonders bei Dax-Firmen,
in:
WirtschaftsWoche Nr.42 v. 12.10.
Christof SCHÜRMANN spielt die Aktionäre und
Pensionäre bei den DAX-Firmen gegeneinander aus. Angeblich
geht die Verwendung von neuen Sterbetafeln zu Lasten der
Aktionäre, obwohl deren Effekte minimal sind. Obwohl 160
Unternehmen untersucht wurden, werden in einer Grafik nur 31
Firmen aufgelistet, wobei die Auswahlkriterien intransparent
sind. Dass nun plötzlich die Belastungen von Aktionären
herausgestrichen werden, könnte mit dem Irrwitz
zusammenhängen, dass die private und betriebliche
Altersversorgung immer mehr von ETF-Fonds und ihren
Vermögensverwaltern dominiert werden. Unternehmen wie
Blackrock haben durch ihre Marktmacht einen großen Einfluss.
Fazit:
Das Risiko, dass die Altersvorsorge von vielen Menschen auf
dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird und bei einem
Finanzcrash ganz andere Risiken bedeutend sind, das fällt bei
diesem Artikel unter den Tisch.
KROHN, Philipp
(2018): Fondsbranche will Garantien in Riester-Rente kippen.
Die Debatte über ein
Standardprodukt für die Altersvorsorge wird immer intensiver
geführt. Fondsanbieter wollen einen Nachteil im Wettbewerb mit
den Versicherern beheben,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.10.
Philipp KROHN berichtet über das
Positionspapier des Bundesverbands Investment und Asset
Management (BVI), in dem die drei großen Riester-Profiteure
Union Investment, DWS und Deka ihr Lobbygeschäft gebündelt
haben. Bereits
vor einer Woche hat KROHN über ein Positionspapier der
mächtigen Union Investment berichtet, das sich auch im
BVI-Papier wiederfindet. KROHN beschreibt die hessische
Staatsfondslösung als Konkurrenzprodukt zur BVI-Position.
KROHN, Philipp
(2018): Flexible Garantien.
Kommentar,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 13.10.
Philipp KROHN macht sich zum Sprachrohr des
BVI-Lobbyverbands.
GERTH,
Martin/SCHWERDTFEGER, Heike/SCHÜRMANN, Christof
(2018): Nur bedingt flüssig.
Auf der Jagd nach Rendite
investieren Versicherer und Pensionskassen in Infrastruktur,
Asien-Immobilien und schwer handelbare Schuldpapiere. Im Crash
wären sie in illiquiden Anlagen gefangen - so wie in der
Finanzkrise,
in:
WirtschaftsWoche Nr.43 v. 19.10.
GERTH&SCHWERDTFEGER/SCHÜRMANN
berichten darüber wie leichtfertig Lebensversicherer und
Pensionskassen mit dem Geld der Versicherten umgehen, nur um
möglichst hohe Profite herauszuholen. Geht es schief, dann
sind nicht die Investoren, sondern diejenigen betroffen, die
auf ihre Altersvorsorge angewiesen sind.
Fazit: Finanzkrise 2008 war
nur ein kleiner Vorgeschmack auf die nächste Krise, in der die
Altersvorsorge besonders betroffen sein wird, da die
Teilprivatisierung in Deutschland nicht mehr in den Anfängen
steckt wie 2008, sondern immer mehr forciert wird. Und nicht
nur das: Immer mehr Demografiefonds bunkern Gelder, die
angelegt werden wollen. Dieser nächste Crash wird kommen, nur
der Zeitpunkt ist noch ungewiss. Mit steigenden Zinsen rückt
das Risiko immer näher.
REZMER, Anke (2018):
Alle einbeziehen.
Altersvorsorge: Das
deutsche Rentensystem gilt einer Studie zufolge aktuelle als
das "angemessenste" weltweit, zeigt aber Mängel für die
Zukunft,
in:
Handelsblatt v. 24.10.
Anke REZMER präsentiert uns die Ergebnisse
des Melbourne Mercer Global Pension Index, in den lediglich 34
Alterssicherungssysteme eingehen. Wer den Bock zum Gärtner
macht, der darf sich über die Ergebnisse nicht wundern. Die
Unternehmensberatung Mercer verdient ihr Geld mit der
kapitalgedeckten Altersvorsorge, weshalb sie die Schwächung
der gesetzlichen Rente und die Stärkung der betrieblichen und
privaten Altersvorsorge betreiben muss. Alles andere würde
gegen ihre Profitinteressen verstoßen.
Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist ein
neoliberaler Kampfbegriff zur Durchsetzung von
kapitalgedeckten Alterssicherungssystemen, mit denen die
globale Finanzklasse ihre Machtstellung ausbaut. Niederlande,
Dänemark und Schweden werden uns als Vorzeigesysteme
vorgestellt, während Italien, Österreich und Spanien als
problematisch gelten.
Die Überschrift zielt nicht
auf die Etablierung einer Erwerbstätigenrentenversicherung ab,
sondern im Gegenteil auf einen Zwang zur betrieblichen
Altersvorsorge, bei denen die Finanzdienstleister absahnen
können, während die Versicherten das Risiko alleine tragen.
MÜLLER, Hans
Christian (2018): Real bleibt weniger.
Grafik des Tages: Wenn es
um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung geht, ist es üblich,
die Teuerung der Preise aus dem Wachstum herauszurechnen.
Nicht so, wenn es um Börsen- und Unternehmensdaten geht. Dabei
ist es ja gerade für Anleger interessant, was ihnen am Ende an
realer Rendite bleibt. Das Handelsblatt hat daher die
Entwicklung der wichtigsten Indizes bereinigt - mit
erstaunlichen Ergebnissen. Gerade im sonst so starken US-Markt
gehen viele Gewinne durch die üppige Inflation verloren,
in:
Handelsblatt v. 25.10.
Den Deutschen werden von den Verfechtern
der kapitalgedeckten Altersvorsorge sagenhaft hohe mögliche
Renditen am Aktienmarkt versprochen. Indexfonds gelten als
problemlose Gewinnbringen. Davon bleibt jedoch weit weniger
übrig als so mancher glaubt.
BRUMM, Nicole/LANGELÜDDEKE,
Anne/ZANKER, Dagmar (2018): Der Generationenvertrag.
Ein Plädoyer für eine
differenzierte Betrachtungsweise,
in:
Deutsche Rentenversicherung, Heft 3,
S.209-227
Anlässlich der Einsetzung der Rentenkommission "Verlässlicher
Generationenvertrag" steht der "Generationenvertrag" erneut im
Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER
holen deshalb weit aus, um die verschiedenen Debatten um die
Existenzberechtigung des Umlageverfahrens in der
Rentenversicherung seit Beginn der Sozialversicherung Ende des
19. Jahrhunderts zu skizzieren. Denn von Anfang an, war das
Umlageverfahren umstritten, erlebte jedoch aufgrund von
gesellschaftlichen Problemen immer wieder Phasen, in denen
sich die Überlegenheit gegenüber der Kapitaldeckung zeigte.
Die Verengung des Generationenvertrags auf das Umlageverfahren
ist jedoch problematisch, weil es zwei Ebenen des
Generationenvertrags zu beachten gibt: zum einen die
Generationenbeziehungen (familiäre Ebene bzw. "kleiner
Generationenvertrag") und das Generationenverhältnis ("großer
Generationenvertrag").
"Das Umlageverfahren ist
(...) ein Teilaspekt, eine Ausprägung des umfassenderen
Generationenvertrags, in welchem die solidarischen
Beziehungen zwischen der jeweiligen Erwerbs- mit den
zeitgleichen Nicht-Erwerbsgenerationen realisiert werden
(S.211)",
behaupten
BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER. Tatsächlich
handelt es sich beim Sozialstaat jedoch um einen viel
umfassenderen Gesellschaftsvertrag, d.h. die Debatten um einen
"Generationenvertrag" sind immer schon verengt auf den
"demografischen Aspekt". Diese Einengung der Debatte führt
dazu, dass auch bei den Autorinnen der Blick auf die Probleme
des Sozialstaats im Zeichen der neoliberalen Weltordnung nicht
umfassend genug ist. Doch werden in dem Artikel auch die
umfassenderen Implikationen zumindest sichtbar.
"Der Erste Weltkrieg
zeigte (...) erstmals die Nachteile des
Kapitaldeckungsverfahrens in der Rentenversicherung auf. Der
von den Beitragszahlern aufgebaute Kapitalstock wurde
weitestgehend vernichtet, da ein großer Teil in
Kriegsanleihen des Deutschen Reiches investiert wurde. Der
verbliebene Kapitalstock wurde im Anschluss durch die
Inflation der Nachkriegsjahre bis 1923 nahezu komplett
entwertet. (...). Da die Auszahlung von Renten allerdings
essenziell war, um der Verelendung der Arbeiter und
Angestellten im Alter entgegenzutreten, erfolgte nun ein
eher notgedrungenes Aufweichen des Kapitaldeckungsverfahrens
zugunsten einer, wenn auch zeitlich begrenzten,
Umlagefinanzierung" (S.213),
schreiben
BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER über den
ungeliebten Anfang der Einführung. Die Rolle des
Kapitaldeckungsverfahrens nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten wirft ein bezeichnendes Licht auf die
Probleme dieses heutzutage so gehypte Verfahren:
"Das Vermögen der
Rentenversicherung wurde (...) zur Finanzierung des Kriegs
und dessen Vorbereitung genutzt. Im Gegensatz zu den
Vorgängen im Rahmen des Ersten Weltkriegs wurde dieses
Vorgehen nun offensiv begründet: Es galt als legitim, das
Vermögen der Rentenversicherung für die Kriegsfinanzierung
aufzuwenden, da dies ja eine Anlage in die Zukunft wäre.
Dementsprechend stellte die nationalsozialistische
Sozialpolitik eine Argumentation bereit, die auf den
»investiven Stellenwert« (...) abstellte und somit
sozialpolitische Instrumente als wirtschaftlichen Impuls in
den Fokus nahmen". (S.213)
Man könnte also die
NS-Rhetorik mit ihrer Rechtfertigung der Kapitaldeckung als
Vorläufer der heutigen neoliberalen Argumentation begreifen.
Rüstung statt Bildung als Investition in die Zukunft.
Während vor der Einführung
der Teilprivatisierung der Alterssicherung der
Geburtenrückgang als zentrales Problem für die Rechtfertigung
der Kapitaldeckung gegen das Umlageverfahren angeführt wurde,
rücken
BRUMM/LANGELÜDDEKE/ZANKER
ganz andere Aspekte der Debatte um die Kapitaldeckung in den
Mittelpunkt: die historischen Erfahrungen mit der
Zweckententfremdung des Vermögensbestandes der
Rentenversicherung sprach damals für und nicht gegen das
Umlageverfahren. Dass dies heutzutage vergessen ist, ist eine
der Verdrängungsleistungen. Gegenwind für das Umlageverfahren
sehen die Autorinnen bereits Mitte der 1980er Jahre, der in
den 1990er Jahren nach der Wiedervereinigung, die noch als
Glanzstunde des Umlageverfahrens galt, seinem Höhepunkt
zustrebte:
"Ein zentrales Argument
der Kapitaldeckungsbefürworter führte dabei
Renditevergleiche ins Feld, in denen auf den zu erwartenden
höheren Ertrag des Kapitaldeckungsverfahrens im Vergleich
zum Umlageverfahren verwiesen wurde (zum Beispiel The World
Bank 1994; Birg und Börsch-Supan 1999; Breyer 2000; kritisch
disktuiert in Rabe und Langelüddeke 1999)." (S.215)
Daneben spielten Anreize
auf dem Arbeitsmarkt ("Lohnnebenkosten") und die vorteilhaften
Auswirkungen auf die Ersparnis eine Rolle als Argumente, mit
denen alle Zweifel aus dem Weg geräumt wurden:
"Zweifel theoretischer
wie empirischer Art an diesen Argumenten (zum Beispiel
Orszag und Stiglitz 1999; Rabe und Langelüddeke 1999) wurden
im historischen Kontext der damaligen Kapitalmarktsituation,
der Erwartungen auf eine hohe Rendite weckte,
beiseitegeschoben und zugunsten des Paradigmenwechsels in
der Alterssicherungspolitik aufgegeben." (S.216)
Der Hauptteil des Artikels
befasst sich mit der Akzeptanz des Alterssicherungssystems in
der Bevölkerung, bei der zwischen der Zieldimension (Umfang
staatlicher Zuständigkeit, Ausmaß der Eigenverantwortung und
Höhe der Staatsausgaben) und der Mitteldimension
(Institutionalisierung und Reformen). Die Autorinnen sehen die
Akzeptanzforschung wenig kritisch, sondern referieren
hauptsächlich deren Ergebnisse, wobei die Einschätzungen für
den Leser nicht nachvollziehbar dargestellt werden. Die
demografische Problemstellung und darauf beruhende
Einschätzungen werden vorausgesetzt, statt problematisiert.
Wie üblich wird deshalb ein Informationsdefizit bei der
Bevölkerung unterstellt. Es wird deshalb dafür plädiert, das
"Wissen zum Generationenvertrag" durch Studien zu erheben, um
der Bevölkerung anstehende Reformen besser schmackhaft machen
zu können, denn es bestehe NOCH keine Einigkeit über die
zukünftige Ausgestaltung des Alterssicherungssystems:
"Werden (...) Analysen zu
diversen Reformvorschlägen - von Steuer- und
Beitragserhöhungen über Leistungskürzungen bis hin zur
Erhöhung des Renteneintrittsalters - herangezogen, so ist in
diesen bisher keine mehrheitlich getragende Unterstützung
ersichtlich." (S.221)
LOOMAN, Volker
(2018): Männer sind keine Altersversorgung,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.10.
Volker
LOOMAN sieht die Altersvorsorge für junge Frauen nicht als
dringendste Herausforderung an:
"Viel wichtiger ist, sich
in jungen Jahren auf die Gegenwart zu konzentrieren, und da
sind nach meinem Empfinden fünf Dinge zu erledigen. Erstens:
Verwirklichung des Lebenstraums. Zweitens: Arbeit und
Verdienst. Drittens: Abschluss der
Privat-Haftpflicht-Versicherung. Viertens: Absicherung bei
Berufsunfähigkeit. Fünftens: Aufbau eines Notgroschens".
CAPITAL-Titelgeschichte:
Genug Geld für später.
Viele fragen
sich: Reicht meine Rente? Ein Leitfaden für Ihre Vorsorge |
PACHE, Timo
& Lukas ZDRZALEK (2018): Der Raubzug.
Etliche Reformen hatten die
gesetzliche Rente abgesichert. Jetzt baut die Regierung alles
wieder um und schürt neue Verunsicherung. Besser also, Sie
sorgen selbst für sich vor. Hier ist ein Leitfaden,
in: Capital,
November
LANGENBERG, Britta
(2018): Geld oder Leben?
Wenn es auf den Ruhestand
zugeht, stehen viele Anleger vor derselben Frage: Wie wandeln
sie ihr Vermögen in ein sicheres Einkommen um? Ein Leitfaden,
in: Capital,
November
MANNWEILER,
Antonia & Gerald BRAUNBERGER (2018): Nicht nur Blackrock und die
DWS haben zu kämpfen.
Den großen
Fondsgesellschaften fließt immer weniger Geld zu. Führt die
Hebelwirkung in der Fondsbranche zu einer Abwärtsspirale?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02.11.
Antworten erhält der Leser
von MANNWEILER & BRAUNBERGER nicht auf die Frage nach einer
Abwärtsspirale, sondern eher darauf, warum Friedrich MERZ als
geplanter Statthalter von Blackrock in der CDU so wichtig ist:
"(I)m Falle von Blackrock
scheint die Quelle neuen Geldes zunehmend zu versiegen. Dies
betrifft vor allem die aktiv verwalteten Investmentfonds.
Institutionelle Investoren zogen insgesamt rund 25
Milliarden Dollar ab. Das sind ernüchternde Zahlen,
schließlich legten die gleichen Anleger im Vorjahr noch 16
Milliarden Dollar neues Geld an. Die jüngsten Abflüsse (...)
konnten nur über Zuflüsse in die ETF-Sparte aufgefangen
werden. Dort erhielt die auch in Deutschland stark
vertretene Tochtergesellschaft (...) immerhin noch 34
Milliarden Dollar - damit aber dennoch 18 Milliarden Dollar
weniger als im Vorjahr."
Blackrock darf darauf
hoffen, dass Friedrich MERZ die Tür für das Unternehmen weit
aufstoßen wird, denn der deutsche Altersvorsorgemarkt wird als
das wichtigste Profitcenter des US-amerikanischen Unternehmens
betrachtet:
"Auch wenn es immer
wieder zu starken Abflüssen kommt, würden diese durch
stetige Zuflüsse für die Altersvorsorge ausgeglichen werden,
sagt Stotz. Dorthin fließe systematisch Geld",
zitieren MANNWEILER &
BRAUNBERGER einen Finanzwissenschaftler.
HÄRING, Norbert
(2018): Wenn der Schuldenabbau ärmer macht.
Haushaltspolitik: Der IWF
wirbt dafür, öffentliches Vermögen bei der Beurteilung der
Staatsfinanzen zu berücksichtigen, Darüber gibt es Streit,
in:
Handelsblatt v. 05.11.
Norbert HÄRING berichtet über die
kosmetische Rhetorikkorrektur der neoliberalen
Lobbyorganisation IWF. Nach dem Brückeneinsturz von Genua wird
offensichtlich, dass die neoliberale Politik mit ihrer
jahrzehntelangen Vernachlässigung der Infrastruktur zu
katastrophalen Ergebnissen führt. In Deutschland sieht die
Lage dramatisch aus, denn nun müssen horrende Preise für die
Vernachlässigung von Sanierungen gezahlt werden. Ein weiteres
Beispiel ist die Wohnungspolitik:
"Viele Wohnungen in
Staatsbesitz wurden aus (...) schuldenkosmetischen Gründen
verkauf, was heute den Handlungsspielraum in der
Wohnungspolitik einschränkt. Umgekehrt wird eine staatliche
Bodenvorratspolitik (...) schwierig, wenn eine
Schuldenbremse die Finanzierung auf Kredit verhindert."
Die Einsichtigkeit der
Neoliberalen in ihre falschen Prioritätensetzungen ist jedoch
beschränkt, was daran liegt, dass
bei der Bewertung des Staatsvermögens die
falsche Unterscheidung von "investiven" und "konsumtiven"
Ausgaben (zu denen z.B. die Einstellung von Lehrern gehört) zu
Fehleinschätzungen zu Lasten des Staatsvermögens geht:
"Der IWF rechnet zu den
Schulden der öffentlichen Hand auch aufgelaufende
Pensionsverpflichtungen für öffentliche Bedienstete. Auf der
Vermögensseite berücksichtigt er den Wert von unbebauten
Grundstücken nicht und von bebauten nur den Gebäudewert."
Der IWF hält also an der
"Kürzung von Transferausgaben und von sogenannten konsumtiven
Ausgaben" fest. Pensionsverpflichtungen sind jedoch fiktive
Luftbuchungen, deren Entwicklung für die Zukunft als unsicher
gelten. Nichtsdestotrotz werden sie von
Generationengerechtigkeitskriegern wie Bernd RAFFELHÜSCHEN
missbraucht, um Bevölkerungsgruppen gegeneinander
auszuspielen. HÄRING weist dagegen auf die Probleme hin:
"Pensionsverpflichtungen
für Staatsbedienstete zählt der IWF zu den
Verbindlichkeiten, mit dem Argument, diese stünden fest -
anders als zum Beispiel Rentenzahlungen im privaten Bereich.
Als Abzinsungsfaktor werden die drei Prozent verwendet, die
auch das Statistische Bundesamt für eine ähnliche Rechnung
gebraucht. Das Statistikamt betont dabei allerdings, dass
die Höhe der Pensionen sich ändern könne und in der
Vergangenheit auch immer wieder geändert habe. Das steht im
Widerspruch zur Begründung des IWF für die Berücksichtigung
der Pensionsverpflichtungen. Ließe man sie weg, oder
berücksichtigte man einen Schätzwert für staatlichen
Grundbesitz, so würde der Befund eines negativen
Nettovermögens seltener."
Der IWF sieht ein
"negatives Nettovermögen" als Problem an, doch ob dieses
vorhanden ist, hängt in hohem Maße von den berücksichtigten
Faktoren ab. Es ist offensichtlich, dass das IWF insbesondere
solche Länder abstrafen will, die ihre Altersvorsorge noch
nicht umfangreich den Kapitalmärkten ausgeliefert haben oder
die neoliberalen Kernbestände, gemessen an fragwürdigen
Kennzahlen, nicht ausreichend beachten, dass dazu neoliberale
Musterknaben wie Großbritannien gehören, könnte stutzig
machen. In der Mehrzahl sind es jedoch Länder wie Österreich,
Deutschland und Frankreich, denen weitreichende Reformen des
Sozialstaatsabbaus verordnet werden sollen.
"Dadurch, dass der
Abzinsungsfaktor für die Pensionsverpflichtungen niedriger
ist als etwa der von künftigen Rohstoffeinnahmen, wird das
Nettovermögen gedrückt",
berichtet HÄRING über die
Art und Weise wie neoliberale Lobbyorganisationen die
Vermögenswerte von Ländern schlecht rechnen, um ihre
Empfehlungen zu rechtfertigen. Staaten sollen wie Unternehmen
funktionieren, doch Staaten sind keine Unternehmen, sondern
müssen politische Aufgaben erfüllen.
ARNDT, Heinz-Peter (2018): Mehr Rendite für
Wechselwillige.
Ranking: Fondsgebundene
Rentenversicherungen können gute Erträge fürs Alter abwerfen.
Ein Ranking zeigt, welche Produkte sich besonders lohnen. Doch
neben der Fondsqualität zählt auch die Wachsamkeit der Anleger,
in:
Handelsblatt v. 06.11.
Heinz-Peter ARNDT stellt ein Ranking der
Assekurata vor, dessen Ergebnis für Anleger eher wenig
aussagekräftig ist, denn es werden bis zu über 100 Fonds einer
Versicherungsgesellschaft zusammengefasst, als ob es zwischen
den einzelnen Fonds keine große Kluft geben könnte. Die
Stabilität der Unternehmen geht ebenfalls nicht in die
Bewertung ein.
KROHN, Philipp (2018): Altersvorsorge als
günstiges Finanzierungsinstrument.
Unterstützungskassen
erfreuen sich wieder einer wachsenden Beliebtheit,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 07.11.
PFEIFFER, Hermannus
(2018): Die neuen Finanzakteure.
Werner Rügemer sieht in
Blackrock und Co. die heimlichen Herrscher des Kapitalismus -
linke Ökonomen bezweifeln das,
in: Neues
Deutschland v. 08.11.
Hermannus PFEIFFER verkürzt
das Buch auf die Rolle von Blackrock, ein Unternehmen, das gar
nicht im Mittelpunkt des Buches von RÜGEMER steht. PFEIFFER
verteidigt den Vermögensverwalter Blackrock gegen den
"Verschwörungstheoretiker" Werner RÜGEMER und will in
Blackrock einen ganz gewöhnlichen Finanzdienstleister sehen:
"61 Prozent des
verwalteten Vermögens (kommt) von institutionellen Anlegern
(...), also von Banken und Unternehmen, Pensionsfonds und
Stiftungen (...). Die institutionellen Kunden suchen bei
Fink und seinen 2.500 Anlagespezialisten weniger
Machtprojektion als Rendite. Und zwar sicherer Rendite:
Entsprechend ist die Strategie (...) eine breite Streuung
des eingesammelten Kapitals unter den führenden
Aktiengesellschaften in aller Welt. Nichts anderes tun auch
erfolgreiche öffentliche Vermögensverwalter wie die
Staatsfonds von Norwegen oder Neuseeland, die für kommende
Generationen ansparen."
Möglicherweise ist es aber
genau diese unkritische Lesart der neoliberalen Weltordnung,
die das eigentliche Problem ist. Dass für "kommende
Generationen" angespart wird, wird uns als hehre Aufgabe
gepriesen.
Für welche Zwecke jedoch Kapitalstöcke angespart werden, das
kann sich jederzeit ändern, wenn die Rendite es erfordert.
Und ob die Rendite "sicher" ist, das wäre die andere Frage.
Das Prinzip des ETF-Fonds, mit dem Blackrock sein Geld
verdient, könnte sich bei einem Börsencrash auch als
Verhängnis erweisen. Vor allem ist es mit der Streuung nicht
besonders weit her, denn Blackrock setzt in erster Linie auf
US-Aktiengesellschaften. Ein dortiger Einbruch hätte enorme
Auswirkungen weltweit.
Fazit: Nicht die Macht im
konventionelle Sinne wie PFEIFFER es darstellt, ist das
Problem bei Blackrock, sondern die strukturelle Dominanz im
System der neoliberalen Weltordnung. Fällt der Dominostein
Blackrock, dann reißt es möglicherweise viel mehr mit sich als
die Fans der kapitalgedeckten Altersvorsorge glauben. Auch
institutionelle Anleger sind vor Irrtümern nicht
gefeit!
BRANDSTETTER, Barbara (2018): Früher in den
Ruhestand.
Die Vermögensfrage: Dem
Arbeitsleben früher den Rücken zukehren, als der Gesetzgeber
es vorsieht, geht ins Geld. Doch es gibt Möglichkeiten, sich
einen früheren Ausstieg aus dem Berufsleben zu ermöglichen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.11.
ÖCHSNER, Thomas
(2018): Rechnen mit der Lücke.
Reicht das Geld für ein
gutes Leben im Alter? Beim Kassensturz sollten sich Sparer
nicht in die Irre führen lassen,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 12.11.
In der Debatte um die
Stabilisierung des Rentenniveaus giften Neoliberale gerne
gegen den Standardrentner, weil dieser Rentner keine Realität,
sondern nur Fiktion sei. Andererseits greifen Neoliberale bei
der Erklärung von Rentenlücken genau auf diesen
Standardrentner zurück, der nur eine Fiktion ist. So auch
Thomas ÖCHSNER:
"Beispiel: Die
alleinstehende Hertha Müller, 60 Jahre, verdient monatlich
3.156 Euro brutto, so viel wie ein Durchschnittsverdiener in
der gesetzlichen Rentenversicherung. Netto kommen so bei ihr
etwa 2.000 Euro heraus. Nach 45 Beitragsjahren erhält sie
voraussichtlich 1.400 Euro, ohne Rentensteigerungen
gerechnet."
Die Angaben zur Rente sind
völlig illusorisch, denn Frau MÜLLER müsste 45 Jahre lang ihr
jetziges Gehalt bekommen (haben), um die angegebenen 1.400
Euro (was nur eine Rundung ist, weil sich west- und
ostdeutsche Renten unterscheiden!) zu erhalten.
Fazit: Es ist eine
merkwürdige Doppelmoral, wenn Neoliberale einerseits darauf
beharren, dass der Standardrentner nur eine Fiktion sei,
andererseits aber bei der Rentenlücke, d.h. bei der
notwendigen privaten und betrieblichen Altersvorsorge genau
auf diesen Standardrentner zurückgreifen, der angeblich nur
eine Fiktion ist. Wenn also Neoliberale das Konzept der
Standardrente ablehnen, dann dürften sie das Konzept auch
nicht mehr für ihre eigenen Darstellungen benutzen!