2018
GENTRUP, Anne & Friederike KRIEGER (2018): Kürzer leben.
Zu viel Fett, zu wenig Bewegung:
Kommt die Trendwende bei der Lebenserwartung?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 15.01.
GENTRUP & KRIEGER lassen die Interessenvertreter der
Versicherungswirtschaft zu Wort kommen, die natürlich nichts von einer
Trendwende bei der Lebenserwartung in Deutschland wissen wollen. Die
Interpretation von Fakten - so zeigt der Artikel - ist abhängig von
den Interessen. Hätte man Verbraucherschützer zu Wort kommen lassen
oder unabhängige Experten, dann wäre der Artikel informativer gewesen.
Der aktuelle Rentenversicherungsbericht 2017 geht bereits von einer
Verlangsamung des Anstiegs der Lebenserwartung aus. Für die Lebensversicherer wäre dagegen ein solcher Trend profitabel, weil sich
für sie steigende Profite aus der Kluft zwischen tatsächlicher und
prognostizierter Lebenserwartung ergeben.
HENNING, Ulrike
(2018): Gewonnene Jahre.
Gute Nachrichten aus der Geriatrie:
Die gesunde Lebensphase lässt sich ausdehnen,
in:
Neues Deutschland
v. 22.02.
Ulrike HENNING verficht in ihrem Artikel die These von der Kompression
der Morbidität, d.h.
"Die Phase schwerer Krankheiten
wird dabei verkürzt, im Gegenzug bleibt Autonomie bis ins hohe Alter
erhalten, es werden gesunde und behinderungsfrei Lebensjahre
gewonnen."
Dabei beruft sie sich u.a. auf den
Barmer Pflegereport 2017 von Heinz ROTHGANG u.a. (vgl. 2017,
S. 122ff.), der die altersbedingte Pflegewahrscheinlichkeit positiver
einschätzen soll als
frühere Pflegereports. Angesichts der
Stagnation bei der ferneren Lebenserwartung in Deutschland
erscheint die optimistische Sicht eher weniger begründet.
ROSSBACH, Henrike
(2018): Beliebt und teuer.
Rente mit 63: Mehr als 600.000
Arbeitnehmer haben die Möglichkeit seit 2014 genutzt,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 26.02.
"Im ersten Jahr gab es
demnach gut 151.000 Rentenzugänge in der Kategorie »Besonders
langjährige Versicherte«, 2015 waren es gut 274.000 und 2016
noch einmal mehr als 225.000. Zwar fallen in diese Statistik
auch abschlagfreie Rentenzugänge nach früherem Recht, so dass
die Zahlen nicht alleine der Rente mit 63 zuzurechnen sind. Das
Gewicht der Neuregelung aber wird anhand der Zahlen aus dem Jahr
ihrer Einführung deutlich: Während bis zum Stichtag 1. Juli 2014
nur knapp 15.000 langjährig Versicherte abschlagsfrei in Rente
gingen, waren es in der zweiten Jahreshälfte und damit zu den
Bedingungen der neuen Rente mit 63 gut 136.000",
berichtet Henrike ROSSBACH über
die Rente ab 63, denn das Renteneintrittsalter steigt von
Geburtsjahrgang zu Geburtsjahrgang an, sodass 1964 Geborene erst
mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Dies zeigt sich
auch am faktischen Renteneintrittsalters, das durch die Rente ab
63 nur zeitweise einen geringen Einbruch erlebt hat:
"Demnach stieg das faktische
Renteneintrittsalter (viele Arbeitnehmer scheiden vor der
Regelaltersgrenze aus dem Beruf aus, auch wenn damit
Renteneinbußen verbunden sind) bei Männern zwischen 2000 und
2013 kontinuierlich von 62,2 auf 64,1 Jahre. 2014 aber, dem
Einführungsjahr für die Rente mit 63, gab es einen ersten
leichten Rückgang auf 64 Jahre, 2015 einen weiteren auf 63,9
Jahre. 2016 blieb es dabei, für 2017 werden die Zahlen erst im
Sommer veröffentlicht. Bei den Frauen ist die Entwicklung
ähnlich",
behauptet ROSSBACH. Betrachtet
man die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (vgl.
Rentenversicherung in Zeitreihen, Stand: Oktober 2017, S.137),
dann stagnierte 2014 das faktische Renteneintrittsalter von
Männern und Frauen bei Herausrechnung des Einflusses der neuen
Mütterrente bei 64,1 Jahren. Nur 2015 sank es auf 64,0 Jahre, um
2016 wieder auf 64,1 Jahre zu steigen.
Dass Fachkräfte verloren gehen,
ist kein Argument gegen die Rente ab 63, sondern dafür, weil
dadurch für jüngere Menschen die Chancen auf eine bessere
Bezahlung steigen. Bei der Kritik an der Rente ab 63 ist eine
große Portion Heuchelei dabei.
Die Kosten der Rente ab 63 sind
zudem wesentlich geringer als z.B. die Mütterrente. Die SZ
droht für Herbst einen Bericht über die Auswirkungen der Rente ab
63 an. Dabei lassen sich die Auswirkungen aufgrund fehlender
statistischer Datenerhebungen gar nicht beziffern, sondern nur
schätzen, was je nach ideologischer Präferenz durchaus verschieden
gesehen werden kann.
Die DRV
Rheinland und
Westfalen haben bereits erste Antragszahlen für das Jahr 2017
veröffentlicht. Immerhin fast ein Viertel der abschlagsfreien
Rente wurde von Frauen beantragt. Dieser Anteil dürfte sich bei
den jüngeren Frauenjahrgängen weiter erhöhen. Zudem profitieren
die älteren Frauen von der Mütterrente.
Letzte Woche hat bereits das neoliberale DIW die Rente ab 63
mit fragwürdigen Argumenten (prognostizierter Anstieg des
Altenquotienten) ins Visier genommen.
HAGELÜKEN, Alexander (2018): Die Rente muss warten.
Immer mehr Bundesbürger überlegen,
den Eintritt in den Ruhestand zu verschieben, auch über die bisherige
Altersgrenze hinaus. Denn sie haben Angst vor Altersarmut,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 08.03.
Alexander HAGELÜKEN nutzt die
Umfrage
Demographischer Wandel: Wahrnehmungen und Einschätzungen der
Bevölkerung
des konservativen
Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der neoliberalen Privatstiftung
Bertelsmann, die den Erfolg der medialen Berieselung in Sachen
Demografischer Wandel herausfinden sollte. Die Interviews wurden vom
07. - 19. Oktober 2017 durchgeführt, fanden also noch im Vorfeld der
Jamaika-Sondierungen statt. Er greift sich dazu folgenden Aspekt
heraus:
"Immer mehr Deutsche sind
entschlossen, im Alter länger zu arbeiten. Jeder Achte will über
die bisherige Ruhestandsgrenze hinaus seinen Beruf ausüben. Der
Anteil derjenigen, die später in Rente gehen wollen, hat sich
damit seit 2002 mehr als verdoppelt. (...).
Der Grund dafür ist, dass die Sorge vor der Altersarmut wächst.
Zwei von drei Deutschen sehen in der Alterung der Gesellschaft
vor allem Gefahren. So erwarten 80 Prozent von ihnen mehr arme
Rentner und höhere Beiträge an die Rentenkasse. (...).
Die Umfrage zeigt nun, dass die Deutschen beginnen, anders über
einen späteren Ruhestand zu denken."
Die Verdopplung des Anteils,
der länger arbeiten möchte, ist der Tatsache geschuldet, dass 2002
lediglich 6 Prozent dies wollten und nun 12 Prozent.
Dass die Gefahren der Alterung
betont werden, liegt an der medial einseitigen Berieselung und
daran, dass die Geburtenentwicklung pessimistisch eingeschätzt
wird. Bezeichnend ist, dass selbst der Autor der Broschüre nicht
zwischen Geburtenrate und Geburtenzahlen richtig trennt:
"Davon, dass sich der
demographische Wandel bzw. dessen Folgen langfristig dadurch
abschwächen, dass die Geburtenrate in Deutschland wieder steigt,
geht die Bevölkerung eher nicht aus. Zwar nehmen immerhin 39
Prozent der Bevölkerung an, dass die Zahl der Geburten in den
nächsten Jahren eher wieder steigen wird, die Mehrheit geht aber
davon aus, dass sich hier in naher Zukunft nicht viel ändern
wird (42 Prozent) oder die Zahl der Geburten sogar weiter
zurückgeht (14 Prozent; Schaubild 20)." (2018, S.28)
Geburtenrate und Geburtenzahlen
sind zwei unterschiedliche Aspekte, die nicht durcheinander
gebracht werden dürfen. Nach der Entwicklung der Geburtenrate
wurde gar nicht gefragt! Die Frage lautete nämlich:
"Was glauben Sie, wie sich
die
Zahl der Geburten in Deutschland in den nächsten Jahren
entwickeln wird: Wird die Geburtenzahl in den nächsten Jahren
eher steigen oder eher sinken oder wird sich da nicht viel
ändern?"
Nur 14 Prozent gehen von einem
Sinken der Geburtenzahlen aus. 42 Prozent sind der Meinung, dass
sich hier nicht viel ändert. Wie es langfristig aussieht, wurde
gar nicht gefragt. Es wird zudem mit unbestimmten Mengenbegriffen
gearbeitet. Was aber ist viel bei der Geburtenrate bzw. bei den
Geburtenzahlen? Es geht bei der Erhebung nicht darum zu fragen, ob
die Vorstellungen realistisch sind, sondern nur darum, ob die
Bevölkerung die mediale Berieselung richtig verstanden hat. Die
Folgen des demografischen Wandels sind bereits fest vorgegeben und
lesen sich folgendermaßen:
"Durch eine in Deutschland
seit Jahrzehnten niedrige Geburtenrate – deutlich unterhalb der
Reproduktionsrate von 2,1 Geburten je Frau – und einer
gleichzeitig steigenden Lebenserwartung wächst der Anteil
älterer Menschen im Vergleich zum Anteil jüngerer immer weiter
an. Die Auswirkungen dieser Veränderungen stellen die
Gesellschaft vor große Herausforderungen, beispielsweise im
Bereich der Alterssicherung, der Gesundheitsversorgung oder auf
dem Arbeitsmarkt, wo ein Fachkräftemangel befürchtet wird bzw.
schon spürbar ist." (2018, S.1)
Diese Unterstellungen zu
Ursachen und Auswirkungen werden als Faktum präsentiert. Es
besteht hinsichtlich der Erhöhung des Renteneintrittsalters im
Grunde nur ein Kommunikationsproblem, das im Artikel von HAGELÜKEN
folgendermaßen beschrieben wird:
"Der Psychologe glaubt, dass
den Bürgern die Vorteile längeren Arbeitens angesichts deutlich
längerer Lebenserwartung besser erklärt werden müssten als
bislang."
DESTATIS (2018): Lebenserwartung für Jungen und Mädchen steigt weiter
an,
in:
Pressemitteilung des Statistischen
Bundesamts v. 26.03.
"Die Lebenserwartung in Deutschland
ist erneut angestiegen: Sie beträgt nach der auf die aktuellen
Sterblichkeitsverhältnisse bezogenen Sterbetafel 2014/2016 für
neugeborene Jungen 78 Jahre und 4 Monate und für neugeborene Mädchen
83 Jahre und 2 Monate. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis)
weiter mitteilt, erhöhte sich die Lebenserwartung im Vergleich zur
vorherigen Sterbetafel 2013/2015 für neugeborene Jungen und Mädchen
um jeweils etwa 2 Monate.
Auch für ältere Menschen hat die Lebenserwartung weiter zugenommen.
Nach der Sterbetafel 2014/2016 beläuft sich zum Beispiel die
sogenannte fernere Lebenserwartung von 65-jährigen Männern
mittlerweile auf 17 Jahre und 10 Monate. Für 65-jährige Frauen
ergeben sich statistisch 21 weitere Lebensjahre. Im Vergleich zur
vorherigen Sterbetafel 2013/2015 hat die fernere Lebenserwartung in
diesem Alter damit bei den Männern um 1 Monat und bei den Frauen um
2 Monate zugenommen.
Auf der Ebene der einzelnen Bundesländer weist Baden-Württemberg bei
beiden Geschlechtern die höchste Lebenserwartung Neugeborener auf:
Für Jungen beträgt sie hier 79 Jahre und 6 Monate, für Mädchen 84
Jahre. Die niedrigsten Werte weisen mit 76 Jahren und 4 Monaten
Jungen in Sachsen-Anhalt und mit 82 Jahren und 3 Monaten Mädchen im
Saarland auf", meldet das Statistische Bundesamt.
MPIDR
(2018): Wer arm ist, ist weniger gesund. Aber warum?
in:
Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für demografische
Forschung v. 26.03.
"In ihren Berechnungen konnten
die Forscher bestätigen, dass sozioökonomischer Status und
Gesundheit direkt miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig
beeinflussen - ein geringer sozioökonomischer Status geht meist mit
einer schlechteren gesundheitlichen Verfassung einher, während
Menschen mit einem höheren sozioökonomischem Status im Schnitt
gesünder sind. Sie haben auch bestätigen können, dass der
sozioökonomische Status sich über den Lebensverlauf hinweg
verfestigt. Vor allem aber stellten sie fest, dass bei dem Übergang
von Kindheit zu Erwerbsalter beide möglichen Kausalitätsrichtungen -
also sowohl »social causation« (sozioökonomischer Status beeinflusst
die Gesundheit), als auch »health selection« (Gesundheit beeinflusst
den sozioökonomischen Status) - gleich wichtig waren.
Interessanterweise blieb diese Situation aber nicht bestehen,
sondern ändert sich beim Übergang vom Erwerbsalter zum hohen Alter.
Hier überwiegt eindeutig der Einfluss des sozioökonomischen Status
auf die Gesundheit. Mögliche Erklärungen seien, dass das Auftreten
von Gesundheitsproblemen im Alterungsprozess ganz besonders abhängig
von sozialen Faktoren ist, und dass sich bei Bezug von Rente die
Gesundheit weniger auf den sozioökonomischen Status auswirken könne,
so Hoffmann",
fasst die Pressemitteilung die
Ergebnisse der Studie Pathways between socioeconomic status and
health: Does health selection or social causation dominate in
Europe? zusammen.
SIEVERS,
Stefan
(2018): Rentner in Arbeit.
Zahl der Beschäftigten im höheren
Alter steigt,
in:
Frankfurter Rundschau v. 26.03.
Stefan SIEVERS berichtet über die
kleine Anfrage der Grünen zu
Probleme beim Übergang in den Ruhestand. Der Dritte Bericht zur
Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre. Deren Status wird
im Bundestag-Dokumentensystem immer noch als nicht beantwortet
geführt (Stand: 28.03.2018). Mit Bezug auf den Spiegel
zitiert SIEVERS aus der Antwort der Bundesregierung.
Online heißt es beim Spiegel:
"Rund 1,42 Millionen Rentner
gingen im Jahr 2016 in Deutschland einer Beschäftigung nach. Im
Jahr 2000 hatte ihre Zahl noch bei 539.000 gelegen."
SIEVERS spricht einmal von
Über-65-Jährigen und ein anderes Mal , dann von jenen jenseits der
Altersgrenze, obwohl beides keineswegs identisch ist, wenn
Vergleiche über den Zeitraum ab 2000 angestellt werden. Der
steigende Anteil von Über-65-Jährigen, die arbeiten, lässt sich auch
auf die Erhöhung des Renteneintrittsalters zurückführen, was bei
SIEVERS unberücksichtigt bleibt.
RÖSER, Sarna (2018): Die große Koalition saugt die Jungen aus.
Gastbeitrag: Deutschland muss die
Rentenpolitik ändern. Nur politischer Druck wird CDU und CSU sowie die
SPD dazu bringen, neue Wege zu beschreiten,
in:
Frankfurter Rundschau v. 27.03.
Sarna RÖSER, Lobbyistin der
Jungen Unternehmer, möchte keine neuen Wege gehen, sondern setzt auf
die Privatisierung der Rente und die Kopplung des
Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. Das wird unter die
Leerformel "Generationengerechtigkeit" subsumiert. Notwendig soll
das angeblich durch die demografische Entwicklung werden.
"Im Jahr 2035 - das ist nur
eine halbe Generation entfernt - wird ein Viertel der deutschen
Bevölkerung älter als 67 Jahre sein. Die durchschnittliche
Rentenbezugsdauer wird dann mehr als zwanzig Jahre betragen. Die
staatlichen Kosten für die Altersabsicherung werden sich von
derzeit knapp 300 auf 600 Milliarden Euro im Jahr 2035",
erzählt uns RÖSER im Brustton der
Überzeugung, als ob das bereits jetzt sicher feststehe. Bis 2035
sind es 17 Jahre.
Man muss nur 17 Jahre zurück gehen, also ins Jahr 2001, um
festzustellen, dass wenig von dem eingetroffen ist, was damals zur
demografischen Entwicklung und zur Rentenentwicklung fabuliert wurde.
Die versprochen Renditen der privaten Altersvorsorge haben sich in
Wohlgefallen aufgelöst und die Anbieter der Altersvorsorge jammern
uns stattdessen die Ohren voll, weil sie ihre Versprechungen am
liebsten nicht gemacht hätten. Weil sich die demografische
Entwicklung partout nicht an die Prognosen gehalten hat, wurde
inzwischen ein "demografisches Zwischenhoch" erfunden, um die
Blamage der Fehlprognose zu verschleiern.
Das Zwischenhoch soll angeblich bis maximal 2025 halten. Sollte
das nicht der Fall sein, wird man wohl ein neues demografisches
Zwischenhoch dafür verantwortlich machen, das sich aus dem Nichts
ergeben hat.
Weil ein solcher Rückblick die
Argumentation zum Zusammenbruch bringen würde, stilisiert RÖSER die
Babyboomer lieber zu den Gewinnern der Rentenpolitik:
"Von der Rentenpolitik (...)
profitieren (...) die Jahrgänge 1955 bis 1965, die sogenannten
Babyboomer. Es handelt sich dabei um Jahrgänge, die mehrheitlich
geschlossene Erwerbsbiografien vorweisen können und noch ganz
andere Möglichkeiten hatten, für das Alter anzusparen."
Warum gerade die Jahrgänge 1955
(1,1 Millionen) bis 1965 (1,32 Millionen) von RÖSNER den Babyboomern
zugerechnet werden, hat nichts mit Fakten zu tun, sondern ergibt
sich aus der der Argumentationslogik. In den Jahren 1966 bis 1968
wurden jeweils mehr Kinder geboren als im Jahr 1955.
Die
Generation Golf (Jahrgang 1965 - 1975) stilisierte sich Anfang
des Jahrtausends bekanntlich zur Verlorenen Generation und wurde
dabei von den Mainstreammedien kräftig unterstützt. Als
Gewinner der Bildungsexpansion und des Ausbaus des Wohlfahrtsstaats
gelten dem Soziologen Berthold VOGEL die Jahrgänge bis Mitte der
1950er Jahre.
Möglichkeiten für das Alter
anzusparen, gibt es erst seit 2001. Die damaligen hohen Renditen,
die RÖSNER fabuliert, fielen der Inflation und dem Kaufkraftverlust
zum Opfer. Ob die Generationen, die nach 1970 geboren wurden, zu den
Verlierern zählen werden, das ist keineswegs ausgemacht.
Fazit: Die Demografie ist nicht
unser Schicksal und die Entwicklung der Renten hängt keineswegs
allein vom demografischen Wandel ab. Entscheidungen sollten
getroffen werden, wenn sie erforderlich sind und nicht etwa als
Vorgriff auf eine angeblich vorherbestimmte Zukunft. Der Versuch den
Renteneintritt an die Lebenserwartung zu koppeln ist der Versuch
durch postdemokratische Elemente die demokratische Willensbildung
auszuhebeln.
NEIßE, Wilfried
(2018):
Rente schützt vor Arbeit nicht.
Lebenserwartung steigt auch in
Brandenburg weiter an - und mit ihr die Altersarmut,
in: Neues
Deutschland v. 03.04.
WENIG; Mirko (2018): Rente - Frauen zahlen im Schnitt 27,6 Jahre in
Rentenkasse ein,
in: versicherungsbote.de v.
06.04.
Mirko WENIG berichtet über die Antwort der
Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zur
Entwicklung der Altersrenten in Deutschland
DRIBBUSCH,
Barbara
(2018):
Milchschäumen mit 67.
Debattereihe Zukunft der Arbeit:
Immer mehr Leute jenseits der 60 arbeiten, auch noch im Rentenalter.
Ist das nun gut oder schlecht? Kommt drauf an. Das soziale Gefälle ist
groß,
in: TAZ v.
16.04.
Barbara DRIBBUSCH wendet sich
gegen eine
Stabilisierung des Rentenniveaus, weil Ältere ihre Rente durch
Erwerbsarbeit aufbessern sollen. Lediglich für Menschen mit
gesundheitlichen Problemen und "KleinrentnerInnen" sieht DRIBBUSCH
andere Möglichkeiten vor:
"Das neue Programm mit
bezahlten Jobs für Langzeitarbeitslose, das sie Groko plant,
sollte vor allem Menschen über 55 Jahren mit gesundheitlichen
Einschränkungen zugutekommen. Verbesserungen bei der
Erwerbsminderungsrente sind bereits beschlossen. Auch eine
Aufstockung für KleinrentnerInnen mit langer Berufsbiografie wäre
ein richtiges Signal."
Im Grunde ist DRIBBUSCH nicht
mehr weit von den neoliberalen Hardlinern entfernt, die weitere
Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente ablehnen, weil sie die
vorhandenen Verbesserungen als ausreichend empfinden. Zu einer
Erhöhung des Renteneintrittsalters schweigt DRIBBUSCH genauso wie
zur privaten Altersvorsorge.
LOSSAU, Norbert
(2018): Der übersehene Faktor für ein langes Leben.
Reiche Menschen kommen leichter an
Medikamente und bessere Therapien als arme. Trotzdem ist Wohlstand
kein Garant für ein langes Leben. Bildung sei wichtiger sagt
Sozialstatistiker Wolfgang Lutz aus Österreich,
in: Welt v. 05.05.
Der Artikel zeigt wie mit
wissenschaftlichen Studien Verdummung betrieben werden kann. Es wird
behauptet, dass zwischen Bildung und Lebenserwartung eine eindeutig
kausale Beziehung besteht, während das für Einkommen und
Lebenserwartung nicht gelten würde.
Die Untersuchung, die zitiert wird,
ist jedoch gar nicht in der Lage dies zu belegen. Als Indikator für
Wohlstand wird das BIP pro Kopf herangezogen, d.h. alle Einwohner
eines Landes wird das gleiche Einkommen zugewiesen, egal wie viel
jemand in diesem Land tatsächlich verdient. Es handelt sich also gar
nicht um eine Kausalstudie, sondern lediglich um eine
Korrelationsstudie. Eine Untersuchung, die 174 Länder vergleicht muss
zwangsweise grob vereinfachen, denn wie lässt sich der Wohlstand von
reichen und armen Ländern vergleichen?
"Nehmen wir Kuba. Die
Lebenserwartung ist in diesem Karibikland eine der höchsten in ganz
Latein- und Mittelamerika. Sie ist nach den jüngsten UN-Zahlen
insbesondere sogar höher als in den USA, und zwar sowohl bei den
Frauen als auch den Männern. Andererseits ist Kuba bekanntlich
bettelarm, während die USA zu den reichsten Ländern der Welt zählen.
Wie lässt sich das erklären? Doch wohl nun über das relativ gute
Schul- und Gesundheitssystem in Kuba",
antwortet Wolfgang LUTZ. Da stellt
sich die Frage, ob ein Wohlstandsmaß wie das BIP pro Kopf der
Fragestellung nicht unangemessen ist und eher ein Maß für die
Ungleichheit im Land erforderlich wäre. Und inwieweit ist die
durchschnittliche Lebenserwartung ein angemessener Indikator? Das Maß
sagt keineswegs etwas darüber aus, wie gesund das Leben in einem Land
für die Mehrzahl der Menschen ist. Die 50 Prozent der Überlebenden
könnten in Kuba ganz anders verteilt sein als in den USA. Der Artikel
erzeugt mehr Fragen als er beantwortet!
Einschränkend muss gesagt werden:
Da die Untersuchung noch nicht einmal veröffentlicht wurde, ist eine
Kritik nur anhand der Informationen des Artikels möglich.
KOCH, Martin
(2018):
Der Osten holt weiter auf.
Warum sich die durchschnittliche Lebenserwartung von
Menschen nur ungenau prognostizieren lässt,
in: Neues Deutschland v.
24.05.
Martin KOCH skizziert die
Entwicklung der Lebenserwartung von der Steinzeit an! Mit sage und
schreibe 3 Prominenten will uns KOCH belegen, dass es im Mittelalter
bereits viele Hochaltrige gab. Belege hat er jedoch für seine These
nicht. Anlass des Berichts ist jedoch die Pressemitteilung
Sterblichkeit verbesserte sich schon in der DDR es
Max-Planck-Instituts für Demografische Forschung über eine Studie
von Pavel GRIGORIEV.
ZWIENER, Rudolf
(2018): Mehr und besser bezahlte Arbeit statt "Rente mit 70".
Modellsimulation einer
erfolgreichen Wachstums- und Beschäftigungspolitik zur Bewältigung des
demografischen Wandels,
in: IMK-Policy
Brief v. 06.06.
Rudolf
ZWIENER kritisiert, dass der Altenquotient kein angemessener Indikator
für die zukünftige Entwicklung der Rentenversicherung ist. Stattdessen
wird ein ökonomischer Abhängigkeitsquotient präsentiert, der bereits
im April vorgestellt wurde
SIEMS,
Dorothea
(2018): Rente mit 69 - die Rettung?
Experten sehen in längerer
Lebensarbeitszeit vier Vorteile, die das System stabilisieren sollen,
in: Welt v.
06.06.
Die Arbeitgeberlobby INSM
subventioniert die deutsche Leitpresse heute durch eine ganzseitige
Anzeigenkampagne. Dorothea SIEMS bedankt sich mit einem
unterstützenden Artikel, der keine neue Fakten liefert, sondern nur
das bekannte neoliberale Mantra liefert. Die GDV, die für die
Interessen der Lebensversicherer in der Altersvorsorge steht, hat
zusammen mit der Prognos AG ein Tool entwickelt, das mit einem
realitätsfernen Horrorszenario operiert und mit dem die Politik
eingeschüchtert werden soll.
Die
heutige Pressemitteilung der GDV liefert genauso wenig wie die
Pamphlete der Prognos AG genaue Hinweise zu den Annahmen der
Berechnungen. Diese aber entscheiden darüber, inwieweit Berechnungen
realistisch sind.
Obwohl die Berechnungen der Prognos AG in der Vergangenheit schon
innerhalb von 10 Jahren völlig aus dem Ruder liefen, werden hier
Zahlen für 2040 genannt, d.h. für ein Zeitraum von über 20 Jahren.
Zum Tool, mit dem man angeblich
"Rentenminister" spielen kann, heißt es zu den Annahmen nur:
"Basis für die Prognose ist die
Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes, die
bis 2060 unter anderem eine durchschnittliche Zuwanderung von
200.000 Personen unterstellt."
Offenbar sind die Macher des
Tools davon überzeugt, dass die Nennung aller ihrer Annahmen der
Glaubwürdigkeit der Berechnungen schaden könnte, denn sonst hätten
sie die Annahmen zur Geburtenrate nicht weggelassen.
Im April hatte die Prognos AG bei
Berechnungen auf die Variante 2A der 13.
Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes
zurückgegriffen. Die dort angenommene Geburtenrate liegt bei 1,5,
obwohl die Geburtenrate bereits im Jahr 2016 bei fast 1,6 Kinder pro
Frau lag. Ein Anstieg von 0,1 scheint vernachlässigbar, ist es aber
nicht, denn im Jahr 2040 gehören diese Kinder zu den
Berufsanfängern, wodurch sich das Verhältnis zwischen
Beitragszahlern und Rentenempfängern verbessert. Das
gewerkschaftsnahe IMK weist zudem heute
zu Recht darauf hin, dass der Altenquotient kein brauchbarer
Indikator für die zukünftige Entwicklung in der Rentenversicherung
ist.
WALLRODT,
Ilse
(2018):
Ohne Rente sehen alle ziemlich alt
aus.
Bei
kaum einem Thema ist so viel Ideologie im Spiel wie bei der
Alterssicherung. Es ist daher schon fraglich, ob die neue
Rentenkommission überhaupt eine gemeinsame Sicht dazu findet, wo die
Probleme eigentlich liegen,
in: Neues Deutschland v.
07.06.
Ilse WALLRODT präsentiert erst
die neoliberalen Horrorszenarien, um sie dann mit Gegenargumenten zu
entkräften.
"Vertreter der
Arbeitgeberseite, Teile von CDU/CSU und nahestehende
Wirtschaftswissenschaftler wollen den Rentenbeginn noch weiter
nach hinten schieben (...). Am weitesten gingen bislang die
sogenannten Wirtschaftsweisen, die die Rente mit 71 befürworteten.
Dadurch wirkt die andere Altersgrenze - 69 Jahre -, die gern
genannt wird, gleich nicht mehr so unsozial."
Da irrt sich WALLRODT gewaltig.
2012 sprach der ehemalige SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang
CLEMENT bereits von der Rente mit 80! Ganz abgesehen davon, dass
manche die Regelaltersgrenze ganz abschaffen möchten.
SCHERFF,
Dyrk (2018): Arbeiten bis 72.
Eine Kommission soll die
Rentenversicherung fit für die Zukunft machen. Auch wenn viele das
nicht gerne hören: Am besten wäre es, wir würden alle länger arbeiten,
in: Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung v. 10.06.
Dyrk SCHERFF liefert keine neuen Fakten zum Thema.
Wie wäre es, wenn lediglich die Menschen mit Akademikerberufen, die
eine höhere Lebenserwartung haben, länger arbeiten müssten, statt dass
eine Umverteilung von unten nach oben betrieben wird, wie das bei
einer Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung der
Fall wäre?
MÜLLER, Hans Christian
(2018): Immer mehr Menschen.
Grafik des Tages: Die
Weltbevölkerung wächst und wächst - zurzeit um 160 Menschen pro
Minute. 2023 könnte die Marke von 8 Milliarden übersprungen werden.
2055 dann die von 10 Milliarden. Doch das Wachstum wird wohl bald
langsamer: Denn noch schneller, als die Lebenserwartung wächst, sinkt
wohl die Zahl der Kinder pro Erwachsenen,
in: Handelsblatt
v. 03.07.
GESTERKAMP, Thomas
(2018): Kampf der Angekratzten.
Maskulinismus: Im Netz klagen
Männer laut über ihre Benachteiligung. Manche ihrer Beschwerden haben
in der Tat einen wahren Kern,
in: Die ZEIT
Nr.27 v. 05.07.
Thomas GESTERKAMP meint, dass Antifeministen bzw.
Maskulisten keine relevante gesellschaftliche Bewegung darstellen,
ist jedoch der Ansicht, dass ein Erstarken nur verhindert werden
könne, wenn gewisse Einseitigkeiten in Sachen Gender beseitig
würden.
"Seit Jahrzehnten informiert
ein staatlich finanzierter Bericht über die Gesundheit von Frauen,
erst seit Kurzem gibt es auch einen Bericht über Männer, trotz
ihrer mehr als fünf Jahre kürzeren Lebenserwartung",
erwähnt GESTERKAMP zwar ein
wichtiges Defizit, wobei die ganze Tragweite des Problems offenbar
nicht begriffen wird, denn Armut und Lebenserwartung hängen eng
miteinander zusammen. Dass beide Aspekte nicht zusammen gedacht
wird, führt zu geradezu grotesken Debatten um Altersarmut. So sind
viel mehr Frauen im Alter arm, aber nur weil sie die Männer
überleben. Armut wird als das vorrangige Problem betrachtet und
nicht etwa die höhere Sterblichkeit. Aus der Sicht eines
neoliberalen Sozialstaatsabbau erscheint dies konsequent: Arme Tote
sind kostengünstiger. Die fehlende Anprangerung dieser zynischen
Denklogik ist der wahre Skandal.
MIHM, Andreas
(2018): Jeder zweite Berufstätige geht vorzeitig in Rente.
Das liegt nicht nur an körperlich
anstrengenden Aufgaben,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 05.07.
Andreas MIHM präsentiert die neoliberale Lesart des
Gesundheitsreport 2018 der Techniker-Krankenkasse,
nach der die Berufstätigen nicht etwa wegen Krankheit und
Berufsunfähigkeit aus dem Erwerbsleben ausscheiden, sondern in erster
Linie, um ihren Ruhestand bei bester Gesundheit zu genießen.
Prävention ist deshalb für MIHM nicht das Mittel der Wahl, um den
faktischen Renteneintritt zu erhöhen, sondern saftige Abschläge für
einen vorzeitigen Renteneintritt.
BALCEROWIAK, Rainer
(2018): Zu krank zum Durchhalten.
Studie:
Nur die Hälfte der Beschäftigten erreicht das Renteneintrittsalter
berufstätig,
in: Neues Deutschland v.
05.07.
Für Rainer BALCEROWIAK ist der
schlechte Gesundheitszustand vieler Beschäftigter die Hauptursache
für den vorzeitigen Ruhestand, weshalb er die Sicht der
TK-Krankenkasse referiert, der für mehr Prävention und die
Möglichkeit aus gesundheitlichen Gründen ohne Abschläge früher in
Ruhestand gehen zu können plädiert.
Die TK-Krankenkasse ist zwar die
größte Krankenkasse Deutschlands, repräsentiert jedoch lediglich
rund 15 % der Beschäftigten in Deutschland. Die Ergebnisse sind also
alles andere als repräsentativ.
Die Tabelle 1 des
Gesundheitsreports (vgl. S.52) zeigt, dass die Geburtsjahrgänge 1948
- 1951 mehr Möglichkeiten zum Bezug einer vorzeitigen Rente besitzen
als die Geburtsjahrgänge ab Geburtsjahrgang 1952. Für diese bestand
die Möglichkeit zum Bezug einer Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gemäß § 237 SGB
VI oder zum Bezug einer Altersrente für Frauen gemäß § 237a
SGB VI.
BARTENS,
Werner (2018): Dem ewigen Leben auf der Spur.
Im hohen Alter scheint das
Sterberisiko nicht mehr anzusteigen. Lässt sich die Lebenszeit
beliebig dehnen?
in: Süddeutsche
Zeitung v. 06.07.
Die Schlagzeile würde man eher
bei der Bildzeitung oder einem anderen Boulevardblatt vermuten und
sie zeigt wie tief die Qualitätspresse schon seit Jahrzehnten
gesunken ist!
"Wenn Forscher den Hochbetagten
auf Okinawa,
Sardinien und anderswo das Geheimnis ihrer Langlebigkeit
entlocken wollen, geht es künftig womöglich nicht mehr allein
darum, Extremfälle zu finden, jemanden, der den offiziell
anerkannten Altersrekord von 122 Jahren und 164 Tagen bricht
(...). Vielmehr erscheint es als lohnenderes Ziel zu erkunden, wie
man wenigstens 105 Jahre werden kann. Von diesem Alter an, und das
ist eine erstaunliche Erkenntnis, steigt das Sterberisiko nicht
mehr an, sodass es - zumindest theoretisch - kaum noch Grenzen für
die menschliche Lebenserwartung geben könnte",
ködert Werner BARTENS seine
naiven Leser. Wer sich schon einmal Tabellen zur ferneren
Lebenserwartung angeschaut hat, der weiß: ein 65-Jähriger hat eine
höhere Lebenserwartung als jemand des gleichen Geburtsjahrgangs bei
Geburt. Das ist wenig verwunderlich. Dass es Altersspannen gibt, in
denen die Sterblichkeitsrisiken unterschiedlich hoch sind, ist
wahrlich nichts Neues.
"Forscher (...) kritisieren,
dass (...) in der italienischen Studie unter den fast 4.000
Probanden weniger als 100 Hochbetagte waren, die 110 Jahre oder
ältere wurden. Das verwässere die Aussagekraft der Analyse",
heißt es bei BARTENS. Mehr Fakten
und weniger Spekulation würde der Wissenschaftsberichterstattung gut
tun!
STALA BW (2018): In Baden-Württemberg leben etwas mehr Frauen als
Männer.
Höchster Frauenanteil in Freiburg
im Breisgau, geringster in Karlsruhe,
in:
Pressemitteilung des Statistischen Landesamt Baden-Württemberg
v. 11.07.
Bei den 90-Jährigen und älteren
gibt es fast 3mal so viele Frauen wie Männer in Baden-Württemberg.
Während am 01.01.2017 in Baden-Württemberg 71.311 über 90-jährige
Frauen lebten, waren es dagegen nur 24.327 über 90-jährige Männer.
"Ab der Altersgruppe der
58-Jährigen sind die Frauen ausnahmslos stärker vertreten, wobei
diese zahlenmäßige Dominanz mit zunehmendem Alter immer
ausgeprägter wird: Unter den 60- bis unter 80-jährigen
Baden-Württembergern sind »nur« 53 % Frauen, bei den 80-Jährigen
und Älteren dagegen bereits 62 % – und zwar nicht nur wegen ihrer
höheren Lebenserwartung, sondern auch aufgrund der einschneidenden
Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs, als erheblich mehr Männer als
Frauen infolge des Krieges ums Leben kamen",
heißt es zur Dominanz der Frauen
im höheren Lebensalter in der Pressemitteilung des Statistischen
Landesamts Baden-Württemberg.
WIEBE, Frank
(2018): Eine gefährliche Lücke im Alter.
Die Rente ist sicher, aber reicht
sie auch? Das herauszubekommen erfordert eine ganze Menge Arbeit. Es
eröffnet aber auch die Chance, noch mehr vorsorge zu betreiben, wenn
sich ein Defizit abzeichnet,
in: Handelsblatt
v. 20.07.
Die Rentenlücke ist zu klein?
Kein Problem für die willfährigen Helferlein der Finanzdienstleister:
"Manchmal liest man als
Richtwert, dass 80 Prozent des bisherigen Nettogehalts genug sein
sollten. (...).
Wirklich? Wieso sollte man im Ruhestand auf einmal weniger Geld
benötigen?"
stellt Frank WIEBE die
rhetorische Frage. Achtzig Prozent? Wieso so viel, denn manche sagen
gar, dass 60 Prozent des letzten Arbeitseinkommen völlig ausreicht.
Wie immer ist das aber in erster Linie eine Frage, ob man glaubt,
dass die gesetzliche Rente tatsächlich derart schlecht dasteht wie
die Neoliberalen auf der einen und manche Vertreter der
Sozialinteressen auf der anderen Seite behaupten. Wenn es um das
zukünftige Rentenniveau geht, dann existiert eine merkwürdige
Allianz von Interessengruppen, die jeweils aus völlig
unterschiedlichen Gründen die Altersarmut dramatisiert.
"Die derzeitige Regierung
verspricht, das Niveau der gesetzlichen Rente stabil zu halten.
Aber wie lange schafft sie das noch?"
fragt WIEBE. Schließlich ist
entscheidend, wer sich im Machtkampf durchsetzt und ob die
demografische Entwicklung tatsächlich das wahre Problem der
Sozialversicherung ist. Weil aber die Angst vor Altersarmut nicht
groß genug zu sein scheint, wird auch noch die steigende
Lebenserwartung ins Spiel gebracht:
"Die Lebenserwartung ist heute
ziemlich hoch. Auch wer mit 67 in Rente geht, kann locker noch 25
oder sogar 30 Jahre leben. Laut Statistik werden heute 67-Jährige
Männer im Durchschnitt 83, die Frauen sogar 86 Jahre alt."
Mit der ferneren Lebenserwartung
ist das so eine Sache, denn gemäß Statistisches Bundesamt kann ein
65-jähriger Mann zwar fast 83 Jahre alt werden. Ist ein Mann jedoch
80 Jahre alt, dann kann er sogar 88 Jahre alt werden. Die
Lebenserwartung wird also für die überlebenden Menschen umso höher,
je älter sie werden (zumindest bis zu einem gewissen Alter). Auf der
anderen Seite heißt das aber auch, dass z.B. 55-jährige Männer eine
geringere Lebenserwartung haben als ein 67-Jähriger. Es besteht
hinsichtlich der Länge des eigenen Lebens eine sehr große
Ungewissheit für jeden Einzelnen. Von daher ist das Wissen um die
durchschnittliche Lebenserwartung nur ein vager Anhaltspunkt,
relevanter ist der individuelle Gesundheitszustand.
Fazit: Hinsichtlich der
Rentenlücke haben wir es mit vielen unterschiedlichen
Interessengruppen zu tun, die jeweils vorgeben das Beste für uns zu
wollen.
STOCKER,
Frank
(2018): Rente mit 63 bedroht den Wohlstand.
Deutschland hat die Beschäftigung
älterer Arbeitnehmer zuletzt so sehr erhöht wie kein anderes Land.
Doch vorzeitiger Ruhestand gefährdet dies,
in: Welt v.
24.07.
Anlässlich der PR einer
Unternehmensberatung, die einen
"Golden Age Index" präsentiert hat, füttert uns Frank STOCKER
mit Spekulationen, statt belastbare Zahlen zu liefern.
"Profitieren kann von einer
höheren Beschäftigungsquote unter älteren Bürgern (...) nicht nur
der Betrieb, sondern auch die gesamte Volkswirtschaft",
behauptet STOCKER. Dass vom
Wohlstand nicht alle Bürger eines Landes gleichermaßen profitieren,
sollte eigentlich inzwischen überall durchgedrungen sein. Das aber
heißt: "den" Wohlstand gibt es nicht. Man könnte z.B. Wohlstand auch
als Lebensqualität messsen, was in der produktivistischen Sicht des
Neoliberalismus unterbleibt. Zu den Wirkungen der Rente ab 63 hat
der Bericht keine Zahlen, sondern nur Spekulationen zu bieten.
Das Zentrum des Artikels ist die
neoliberale Praxis des Rankings, bei dem eine Rangreihe von Ländern
aufgestellt wird, bei der der Spitzenreiter das Vorbild abgibt, dem
die anderen gefälligst nacheifern sollen. Für die jeweilige
Kennziffer wird dann ein Zusammenhang zum Wohlstand behauptet, ohne
diesen zu belegen. Dieses eindimensionale Denken vernebelt uns
jedoch den Verstand, weil dadurch die komplexeren Zusammenhänge aus
dem Blick geraten. Musterknabe kann immer nur einer sein und manche
Ziele widersprechen sich, d.h. wer auf dem einen Felde Musterknabe
ist, der ist zwangsläufig auf dem anderen Felde abgehängt oder gar
Schlusslicht.
Eine Grafik zeigt das angebliche
Wachstumspotenzial durch arbeitende Senioren an. Die Welt hat
sich aus den 32 Ländern, die PWC betrachtet hat, 13 Länder
herausgesucht, wobei Deutschland Rang 8 belegt. Bei Betrachtung von
32 Ländern liegt Deutschland dagegen besser, nämlich auf Platz 16.
Fazit: Während der
Neoliberalismus Diversity - Vielfalt - predigt, regiert jedoch nur
Einfalt!
EV-USTORF,
Anne
(2018): Genug gearbeitet.
"Mit 50 Jahren höre ich auf" - das
schwören vor allem erfolgreiche Menschen, die in ihrem Beruf viel Geld
verdient haben. Sie wollen endlich das Leben genießen, um die Welt
reisen oder etwas ganz anderes machen. Kann das gut gehen?
in: Süddeutsche
Zeitung v. 28.07.
Anne EV-USTORF unterfüttert die
neoliberalen Forderungen nach einer Erhöhung des
Renteneintrittsalters und die Polemiken gegen die Rente ab 63 mit
zwei Einzelfällen, die aufzeigen sollen, dass ein vorzeitiger
Ruhestand unglücklich macht. Dumm nur, dass das nicht viele so
sehen.
"Ursula Staudinger (...) hat
jüngst in einer umfangreichen Vergleichsstudie mit Daten aus elf
Industrieländern gezeigt, dass es ungesund ist, ohne eine
Tätigkeit zu leben: Frührentner haben Staudinger zufolge sogar
eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung, selbst wenn man
Vorerkrankungen herausrechnet",
erzählt uns EV-USTORF. Über das
Studien-Design erfährt der Leser jedoch nichts, weshalb der Leser
das nicht überprüfen kann. Die meisten Studien sind
Korrelationsstudien, die keine Möglichkeiten bieten, die Ursachen
der unterdurchschnittlichen Lebenserwartung zu ermitteln. Und wie
will man Vorerkrankungen ausschließen? Und wer Tätigkeit mit
Erwerbsarbeit verwechselt, der ist den Neoliberalen bereits in die
Falle gegangen.
Fazit: Würden die
Arbeitsbedingungen und die Bezahlung stimmen, dann wären solche
Artikel überflüssig.
EV-USTORF,
Anne
(2018): Riskante Freiheit.
Warum ein früher Renteneintritt der
Gesundheit schaden kann,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 28.07.
Entgegen der Überschrift sieht
der Heidelberger Gerontologe Andreas KRUSE den frühzeitigen
Übertritt in den Ruhestand wesentlich differenzierter als Anne
EV-USTORF in ihrem einseitigen Artikel:
"Er schadet dann, wenn er mit
einem starken Rückgang der körperlichen, geistigen, sozialen und
emotionalen Aktivität verbunden ist. Und wenn er unfreiwillig
erfolgt, also einhergeht mit einer großen Verunsicherung. Wenn der
frühe Renteneintritt aber selbstbestimmt geschieht und neue
sinnerfüllte Aktivitäten folgen, kann das Wohlbefinden sogar
zunehmen."
FERBER,
Michael
(2018): Von der Zeit überholte Sterbetafeln.
Demografische Entwicklung zwingt
Pensionskassen zur Umstellung auf anderes Modell,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 08.08.
Michael FERBER berichtet über die
propagierte Umstellung von Perioden- auf Generationensterbetafeln in
der beruflichen Vorsoge. Er greift dabei auf den
Bericht finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2017 vom
08.05.2018 zurück. Im Kapitel 4.1 Biometrische Grundlagen
(Seite 22)wird auf den Stand der Entwicklung der Bilanzierung
mittels der neuen Generationensterbetafeln eingegangen. Diese haben
angeblich den Vorteil dass die Erhöhung der Lebenserwartung im
Gegensatz zu den Periodensterbetafeln realistischer berechnet
werden. Damit soll der Deckungsgrad bei Pensionskassen genauer
berechnet werden können.
Da es sich bei solchen
Generationensterbetafeln jedoch um
Fortschreibungen vergangener Steigerungsraten der Lebenserwartung
handelt, führen Verlangsamungen zu Fehleinschätzungen zu Lasten der
Versicherten. Auch hier geht es darum, dass die Risiken von
Falschannahmen nicht die Pensionskassen tragen sollen, sondern die
Versicherten die Leidtragenden sind.
WELT-Themenausgabe: Die Würde des Alters |
DOWIDEIT, Anette
(2018): Siechtum ist menschlich.
Rüstige Senioren himmeln wir an.
Wer aber dement wird oder gebrechlich, wer Pflege braucht und damit
auch die finanzielle Unterstützung der Solidargemeinschaft, der wird
oft auf die Rolle des Kostverursachers reduziert. Wir brauchen ein
Umdenken,
in: Welt v.
10.08.
Die Springer-Zeitung
widmet die heutige Ausgabe dem Thema Die Würde des Alters.
Der heimliche Lehrplan heißt dagegen: sozial verträgliches Ableben:
"(M)eine Oma (...), die meinen
krebskranken Opa jahrlang gepflegt hatte, blühte nach dessen Tod
richtig auf. Sie fing an, das bescheidene Vermögen (...) zu
investieren: in Erlebnisse. (...).
Das alles ist fast 15 Jahre her, und heute ist das, was bei meiner
Großmutter noch als Exotentum gegolten haben mag, der Normalfall.
(...).
Meine Oma (...) war 84, als sie starb. Sie selbst hätte gesagt,
sie sei »sozialverträglich abgelebt«",
erzählt uns Anette DOWIDEIT, die
ihre Großmutter zur Pionierin des aktiven Unruhestands stilisiert
Siechtum, das betrifft dagegen höchstens die anderen. Das dominante
Altersmodell der Gerontologie entspricht dem Möglichkeitsraum der
oberen Mittelschicht bzw. der Oberschicht, aber es wird als
allgemeingültiges Modell im Neoliberalismus gepredigt. In der
heutigen Ausgabe der Welt lässt sich das ganze Spektrum
dieser Vorstellungswelt erkennen.
FRITZ, Philipp
(2018): Die alten Deutschen von Zabelkow.
In Polen spezialisieren sich
Altenheime auf deutsche Bewohner. Sie locken mit guter Betreuung zu
Preisen, von denen man in Deutschland nur träumt,
in: Welt v.
10.08.
SIEMS, Dorothea
(2018):
Arbeitende Rentner sind ihrer Zeit voraus.
1,4 Millionen Senioren sind in
Deutschland berufstätig. Die meisten haben einen Teilzeitjob und Spaß
an der Beschäftigung. Experten sehen bei der freiwilligen
Erwerbstätigkeit viel Luft nach oben,
in: Welt v.
10.08.
Dorothea SIEMS arbeitet sich am
Feinbild Linkspartei ab, bei der das Arbeiten im Rentenalter als
Notwendigkeit aufgrund der Altersarmut gilt. Für SIEMS dagegen ist
das Ruhestandsmodell der oberen Mittelschicht und Oberschicht
("Avantgarde") die Folie auf der die Erwerbstätigkeit im Rentenalter
betrachtet wird:
"Deutlich überrepräsentiert
sind die Selbständigen und deren Angehörige. (...). Dagegen
verdienen sich Arbeiter oder ehemalige Angestellte im öffentlichen
Dienst und Beamte eher selten etwas zu ihren Alterseinkünften
hinzu",
zitiert SIEMS eine Studie des
Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Und natürlich entspricht
die Ideologie des Neoliberalismus den Interessen der Arbeitgeber:
"Für die Wirtschaft werden die
sogenannten Silver Worker in den Zeiten des Fachkräftewandels
immer wichtiger. (...) Wenn in wenigen Jahren die geburtenstarken
Jahrgänge ins Rentenalter kommen, droht sich die Situation noch
deutlich zu verschärfen."
Fachkräftewandel steht da
tatsächlich! Wer gerade beim Schreiben an den demografischen Wandel
denkt, der kann sich schon mal verschreiben. Natürlich soll es
Fachkräftemangel heißen. Der Fehler zeigt jedoch, dass bereits ganz
bestimmte Assoziationsketten erfolgreich unbewusst im Denken
verankert worden sind.
BOLZEN, Stefanie
(2018): Angewiesen auf die Barmherzigkeit der eigenen Bürger.
Der britische Staat spart
Milliarden im Sozialbudget ein. Besonders hart trifft es die Alten.
Ohne Freiwillige wären diese auf sich allein gestellt,
in: Welt v.
10.08.
WELT
(2018): "Die
meisten Menschen wissen nicht, wie sie alt werden wollen".
Der Onkologe Ezekiel Emanuel, 61,
will nicht älter als 75 Jahre werden. Danach sei kein bedeutungsvolles
Leben möglich. Nicht einmal die Geburt seines Enkelkindes konnte ihn
umstimmen,
in: Welt v.
10.08.
Natürlich ist der Artikel kein
Aufruf zum Selbstmord mit 75 Jahren, sondern es geht darum,
"nach dem 75. Lebensjahr keine
medizinischen Eingriffe mehr durchführen (zu) lassen, die allein
dazu dienen, mein Leben zu verlängern".
Es handelt sich also um eine Art
Fortsetzung der Hüftgelenksdebatte, die der damals junge CDU-Wilde
Philipp MIßFELDER in den Nuller Jahren anstieß, nur dass der Artikel
subtiler ist.
KROHN, Philipp
(2018):
Kritik an neuen Sterbetafeln.
Wettbewerber hinterfragen Monopol
der Heubeck AG,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 15.08.
Heute ist einer der seltenen Momente, dass
Philipp KROHN die Interessen eines am "Gewinn orientierten
Unternehmens" entdeckt! Dies aber auch nur, weil es sich dabei um
ein marktinternes Streitthema handelt. Die Kölner
Unternehmensberatung Heubeck AG, die in Deutschland ein Quasimonopol
bei der Erstellung von Sterbetafeln in der betrieblichen
Altersvorsorge hat, ist den international agierenden Mitkonkurrenten
bei der betrieblichen Altersvorsorge, Willis Towers Watson und
Mercer, ein Dorn im Auge.
Über die Hintergründe des Streits
klärt KROHN jedoch nicht auf, sondern beschränkt sich auf den
Zusammenhang zwischen Annahmen, die in die Sterbetafeln einfließen,
und dem Rückstellungsbedarf von Unternehmen. Die Kritik läuft im
Grunde darauf hinaus, dass die neuen Generationensterbetafeln
höheren Rückstellungsbedarf erfordern. Mit den Annahmen zu
Lebenserwartung, Sterbewahrscheinlichkeit und Invaliditätsrisiken
lassen sich sozusagen diese Rückstellungen beeinflussen:
"Je nachdem, welcher Anbieter
rechnet, kann schon einmal ein um 15 Prozent höherer oder
niedriger Rückstellungsbedarf entstehen",
lautet die Kritik. Bei der Kritik
von Verbraucherschützern, die im Interesse
von Versicherten liegen, hat KROHN merkwürdigerweise
Scheuklappen auf.
"»Warum arbeitet nicht die
Deutsche Aktuarvereinigung die neuen Tafeln aus?«, fragt Philipp
Schoepffer, Chefaktuar der Beratungsgesellschaft EY. »Sie hat
weniger Interessenkonflikte als ein am Gewinn orientiertes
Unternehmen.« Ein solches Vorgehen sei zum Beispiel in
Großbritannien Standard",
zitiert KROHN, EY - eine global
agierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, deren Eigeninteresse hier
deutlich wird. Die Heubeck AG hat 2005 von den üblichen
Periodensterbetafeln auf Generationensterbetafeln umgestellt:
"Schoepfer ist eigentlich mit
dieser Neuerung weiterhin zufrieden. Das Risiko, berufsunfähig zu
werden, wei damals etwas zu hoch angesetzt worden. Das aber hätte
am besten eine unabhängige Organisation, wie die (...) DAV
feststellen sollen. Überdies würden die Tafeln in anderen Ländern
häufiger angepasst als in Deutschland - statt wie hier mit 13
Jahren Abstand im Zwei- bis Vierjahresrhythmus."
Obwohl aufgrund von
Generationensterbetafeln deutlich geworden ist, dass "gut
verdienende Rentner eine höhere Lebenserwartung als schlecht
verdienende hätten" und "Erwerbsminderungen ab 58 Jahren wieder
zurückgehen" kommt dieses Wissen in der Alterssicherung nicht zur
Anwendung. Im Gegenteil verhält es sich so, dass bei der
Altersvorsorge sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung und der
nicht-gesetzlichen Altersvorsorge, eine Umverteilung von Arm zu
Reich stattfindet.
HÖFFE, Otfried (2018): Alt werden will gelernt sein.
Wir brauchen eine Kunst des
Alterns. Und die Philosophie darf dazu nicht schweigen,
in:
Neue Zürcher Zeitung v.
25.08.
Die NZZ
druckt einen Vorabzug aus dem neuen Buch Die hohe Kunst des
Alterns von Otfried HÖFFE, einem der neuen Philosophen des
Neoliberalismus, ab. Aus dem Arsenal der Philosophie klaubt sich
HÖFFE vier Strömungen heraus, die zum Neoliberalismus am besten
passen und ihm einen mitfühlenden Anstrich verpassen soll:
ARISTOTELES gilt ihm als Prophet des gelungenen Lebens, Immanuel
KANT soll die individuelle Ethik liefern, John STUART mit der
Urform des Neoliberalismus das Allgemeinwohl stiften und
ausgerechnet Friedrich NIETZSCHE soll eine Kritik negativer
Altersbilder beisteuern.
Fazit: Wir verzichten lieber
auf eine Philosophie des richtigen Alterns, denn wie HÖFFE
richtig schreibt: Für das gute Altern benötigt man keine
Philosophen und erst recht keine philosophischen Texte, die uns
selektiv von HÖFFE präsentiert werden.
KROHN, Philipp (2018):
Deutsche verlieren 2,7 Lebensjahre durchs Rauchen,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 04.09.
Philipp KROHN berichtet über die PR der
Versicherungslobbyisten, die angeblich an den Gründen für die
Entwicklung der Lebenserwartung interessiert sind. Tatsächlich
fehlt jedoch der Faktor Armut, stattdessen werden lediglich
Aspekte des Verhaltens ("Lifestylefaktoren") aufgeführt, die zur
Verkürzung der Lebenserwartung führen sollen. Es sollte zu
denken geben, dass für einzelne konkrete Verhaltensweisen, z.B.
Rauchen und Fettleibigkeit, exakte Zahlen zur angeblichen
Verkürzung der Lebenserwartung aufgeführt werden. Ist also ein
Kettenraucher genauso gefährdet wie ein Gelegenheitsraucher? Bei
der Fettleibigkeit wird lediglich eine Untergrenze des BMI
angegeben, als ob es oberhalb dieser Grenze völlig belanglos
wäre wie dick jemand ist und worauf dies beruht.
Fazit: Die PR zielt darauf
ab, dass zukünftig der Lebensstil immer mehr zur Klassifizierung
von Risikotypen herangezogen werden kann. Biopolitik wird eine
solche Strategie genannt.
HERMANN, Rudolf (2018): Hat Schweden bei den Pensionen das Ei des
Kolumbus gefunden?
Das sich automatisch selbst
stabilisierende Rentensystem des nordischen Staats leuchtet helle -
aber vor allem im Ausland,
in:
Neue Zürcher Zeitung v.
14.09.
KROHN, Philipp (2018):
Lebensversicherern winkt Entlastung.
Bundesfinanzministerium will
Kalkulation der Zusatzreserve ändern. Risikogewinne werden immer
wichtiger,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 20.09.
Hinter dem Begriff
"Risikogewinne" verbirgt sicht eine Sache, die zeigt wie die
Versicherungswirtschaft sich zu Lasten ihrer Versicherten bereichern
kann.
Risikogewinne ergeben sich nämlich immer dann, wenn die
"kalkulierten und tatsächlichen Kosten" auseinanderklaffen. Oder
anders formuliert: wenn bei Lebensversicherungen Sterbetafeln
verwendet werden, die mit einer viel höheren Lebenserwartung
kalkulieren als die tatsächliche Lebenserwartung der Versicherten.
Über das Ausmaß dieser Profite zu Lasten der Versicherten schweigt
Philipp KROHN, denn ihm geht es einzig um die Stabilität der
Lebensversicherer und nicht um die Belange der Versicherten. Als
Quelle gibt er einen Zeitschriftenartikel von Hermann WEINMANN an,
der sich in einer betriebswirtschaftlichen Analyse erschöpft. Die
Frage, inwiefern sich die Lebensversicherer ihre Stabilität auf
Kosten der Versicherten erkaufen, stellt sich in einer solchen
Sichtweise erst gar nicht. Aus diesem Grund betrachtet KROHN die
große Koalition als Glücksfall der deutschen Lebensversicherer.
DESTATIS (2018): Rund jede fünfte Person in Deutschland ist 65 Jahre
oder älter,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts v. 27.09.
"Zum 31. Dezember 2017 lebten
rund 17,7 Millionen Personen ab 65 Jahren in Deutschland. Das
entsprach einem Anteil von 21,4 % an der Gesamtbevölkerung. (...)
Die Zahl der älteren Menschen (erhöhte sich) um 36,6 % innerhalb der
letzten 20 Jahre. Zum 31. Dezember 1997 hatte es etwa 13,0 Millionen
Personen der Generation 65+ gegeben. Das waren 15,8 % der
Gesamtbevölkerung gewesen.
Im Ländervergleich zeigt sich die Alterung der Gesellschaft
unterschiedlich stark: In Brandenburg (+67,6 %),
Mecklenburg-Vorpommern (+61,1 %) und Schleswig-Holstein (+49,8 %)
ist die Zahl der Seniorinnen und Senioren seit 1997 am deutlichsten
gestiegen.
Die Mehrheit der älteren Menschen sind Frauen: Während etwa die
Hälfte (50,7 %) der gesamten Bevölkerung weiblich ist, liegt der
Frauenanteil bei den älteren Menschen derzeit bei 56,4 %. Dieser
Anteil hatte Ende 1997 noch 63,0 % betragen und ist somit in den
letzten 20 Jahren deutlich zurückgegangen. Es erreichen mehr Männer
als früher das Seniorenalter.
Im EU-weiten Vergleich ist der demografische Wandel in Deutschland
weit vorangeschritten. Der EU-Statistikbehörde Eurostat liegen
bislang nur Daten zum Jahresbeginn 2017 vor. Höher als in
Deutschland (21,2 %) war der Anteil der ab 65-Jährigen demnach nur
in Italien (22,3 %) und Griechenland (21,5 %). Die niedrigsten
Quoten hatten Irland (13,5 %) und Luxemburg (14,2 %). Der
EU-Durchschnitt lag bei 19,4 %", meldet das Statistische Bundesamt.
STALA BW (2018): 290.500 Hochbetagte in Baden-Württemberg – höchste
Anzahl seit Bestehen des Landes.
Zahl der 85-Jährigen und Älteren
hat sich seit 1970 versechsfacht,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Landesamt
Baden-Württemberg v. 27.09.
"In Baden-Württemberg lebten am
31.12.2017 rund 290.500 Personen, die 85 Jahre oder älter waren.
Zwei Drittel in dieser Altersgruppe der Hochbetagten sind Frauen
(194.100) und lediglich ein Drittel Männer (96 400). Die Zahl der
Hochbetagten hat damit seit 1952, dem Gründungsjahr des
Südweststaats, einen neuen Höchststand erreicht und sich allein seit
1970 versechsfacht. Bis zum Jahr 2060 könnte sich deren Zahl
nochmals annähernd verdreifachen (...).
Die Gründe für diese Entwicklung sind zum einen auf die
Altersstruktur der Bevölkerung und zum anderen auf die stetig
steigende Lebenserwartung zurückzuführen: Ein neugeborener Junge
kann heute in Baden-Württemberg auf eine durchschnittliche
Lebenserwartung von 79,5 Jahren hoffen, ein neugeborenes Mädchen
sogar auf 84,0 Jahre. Damit liegt die Lebenserwartung Neugeborener
nach Angaben des Statistischen Landesamtes um knapp 10 Jahre bei den
Frauen bzw. um 11 Jahre bei den Männern höher als zu Beginn der
1970er-Jahre.
Die meisten Hochbetagten leben im Stadtkreis Stuttgart (16.000), dem
einwohnerstärksten Kreis in Baden-Württemberg. Allerdings liegt
deren Anteil an der Gesamtbevölkerung mit 2,5 % nur knapp im
Landesdurchschnitt (2,6 %). Am höchsten ist dieser Anteil in
Baden-Baden: Dort sind 3,8 % der Bevölkerung 85 Jahre oder älter,
damit leben in der Kur- und Bäderstadt knapp 2.100 Hochbetagte. Am
geringsten ist der Hochbetagtenanteil in den Landkreisen Tübingen,
Heilbronn und Biberach mit jeweils 2,3 %. Alle Werte im Text sind
auf 100 Personen gerundet", meldet das Statistische Landesamt
Baden-Württemberg.
ELING, Martin
(2018): Höheres Rentenalter - nicht länger tabu.
Gastkommentar: In Dänemark wird
das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt. Und kaum jemand
protestiert,
in:
Neue Zürcher Zeitung v.
28.09.
MOTTE, Laura de
la (2018): Wie alt werde ich?
Lebenserwartung,
in:
Handelsblatt v. 12.10.
Laura de la MOTTEs Artikel zeigt, dass die
Lebenserwartung vom Statistischen Bundesamt, der GDV, der
Allianz oder der Firma Heubeck durchaus unterschiedlich
errechnet wird. Und noch dazu kommt, dass je nach Ausgangspunkt
der Berechnung (Geburt, 65-Jährige) sich die Lebenserwartung
durchaus unterschiedlich darstellt.
Fazit: Die durchschnittliche
Lebenserwartung ist kaum geeignet, um die individuelle
Lebenserwartung zu beurteilen. Auch Familiengeschichte oder
Lebensweise sind wenig aussagekräftig. Auch die
Einkommensklasse, die bei MOTTE nicht erwähnt wird oder die
individuelle Krankengeschichte kann zumindest auf Tendenzen für
mögliche Abweichungen hindeuten. Die Altersvorsorge ist immer
auch eine Wette auf die Zukunft.
DESTATIS (2018): Lebenserwartung blieb 2015/2017 nahezu unverändert,
in:
Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamts v. 18.10.
"Nach den Ergebnissen der
aktuellen Sterbetafel 2015/2017 beträgt die Lebenserwartung für
neugeborene Jungen 78 Jahre und 4 Monate, für neugeborene Mädchen 83
Jahre und 2 Monate. (D)ie Lebenserwartung von Neugeborenen (hat
sich) damit im Vergleich zur vorangegangenen Sterbetafel 2014/2016
nur sehr geringfügig verändert.
Auch für ältere Menschen sind die Werte für die Lebenserwartung
nahezu unverändert. Nach der Sterbetafel 2015/2017 beläuft sich zum
Beispiel die noch verbleibende Lebenserwartung – die sogenannte
fernere Lebenserwartung – von 65-jährigen Männern wie bereits
2014/2016 auf 17 Jahre und 10 Monate. Für 65-jährige Frauen ergibt
sich nach wie vor eine fernere Lebenserwartung von 21 Jahren.
Auf der Ebene der einzelnen Bundesländer haben nach den Ergebnissen
der Sterbetafeln 2015/2017 Männer in Baden-Württemberg mit 79 Jahren
und 7 Monaten sowie dort lebende Frauen mit 83 Jahren und 11 Monaten
nach wie vor die höchste Lebenserwartung bei Geburt. Die niedrigsten
Werte weisen mit 76 Jahren und 3 Monaten weiterhin Männer in
Sachsen-Anhalt sowie mit 82 Jahren und 3 Monaten Frauen im Saarland
auf", meldet das Statistische Bundesamt.
BEEGER, Britta (2018):
Warum Rentner weiter arbeiten.
Nicht nur des Geldes wegen,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 17.10.
Nur wenige Rentner arbeiten wegen dem Spaß an
der Arbeit weiter, wobei Spaß eher mit Macht zu übersetzen ist,
denn es sind in erster Linie Führungskräfte und hoch bezahlte
Erwerbstätige, die weiter arbeiten. Frauen arbeiten vor allem
aus finanziellen Gründen und wegen der Kontakte weiter, die der
Beruf mit sich bringt.
"238.000
sozialversicherungspflichtige Beschäftigte arbeiten schon
jetzt über die derzeitige Regelaltersgrenze von 65 Jahren und
sieben Monate hinaus",
lauten die Erkenntnisse einer
IAB-Studie, die aus der Sicht derjenigen geschrieben ist, die
eine Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Senkung der
Arbeitskosten durch ein möglichst hohes Reserveheer im Blick
haben.
LIETSCH,
Jultta
(2018): Die Lust an der Arbeit.
Talk of the town: Der Anteil der
arbeitenden RentnerInnen in Deutschland hat sich in den letzten zehn
Jahren verdoppelt. Viele der Erwerbstätigen tun es nicht nur, um
ihre Rente aufzubessern,
in: TAZ v.
19.10.
Jultta LIETSCH, Jahrgang 1952 und
tazlerin im Ruhestand, rechtfertigt sich dafür, warum sie
weiterarbeitet, wobei sie auf Zahlen des Statistischen Bundesamts
zurückgreift, die die gleitenden Renteneintrittsalter
unberücksichtigt lässt. Dagegen greift der IAB-Kurzbericht
Erwerbstätigkeit nach dem Übergang in Altersrente von Silke
ANGER/Annette TRAHMS/Christian WESTERMEIER, den die FAZ
vorgestern zitierte - auf die Antworten
aus dem Nationalen Bildungspanel zurück, das anderen Restriktionen
unterliegt.
HAGELÜKEN, Alexander
(2018): Mit 67 ist nicht Schluss.
Rente,
in: Süddeutsche
Zeitung v. 20.10.
Alexander HAGELÜKEN lobt den
Neoliberalen Bert RÜRUP, den er als Verfechter einer weiteren
schrittweisen Erhöhung des Renteneintrittsalters präsentiert.
Offenbar hat HAGELÜKEN die Meldung
des Statistischen Bundesamt noch nicht gelesen, wonach die
fernere Lebenserwartung von 65-jährigen Männern und Frauen in
Deutschland leicht gesunken ist:
Von daher sollte darüber
diskutiert werden, was diese Stagnation bedeutet.
SCHWENN, Kerstin (2018): 42 Prozent der
Ostdeutschen gehen in "Rente ab 63".
Im Osten mehr Frührentner als im
Westen. Ifo: Ursache sind Erwerbsbiographien,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 27.10.
Die zugrunde liegende Pressemitteilung
Ostdeutsche gehen früher in Rente als Westdeutsche des
neoliberalen Ifo-Instituts Dresden
enthält nur
eine Statistik und Spekulationen zu den Gründen, die von den
neoliberalen Medien aber begierig aufgegriffen werden.
MICHLER, Inga (2018):
Ruhestand ohne Abschläge.
42 Prozent der Ostdeutschen gehen
mit 63 Jahren in Rente. Im Westen sind es nur 30 Prozent,
in: Welt v.
27.10.
Die Reichen-Zeitung behauptet gar, dass die 42
Prozent der Ostdeutschen mit 63 Jahren in Rente gehen, obwohl das
gar nicht stimmt. Das suggeriert auch das neoliberale Ifo-Institut
mit ihrer Statistik-Bezeichnung. Die Statistik enthält jedoch keine
Zahlen für die einzelnen Geburtsjahrgänge und den Zeitpunkt der
Inanspruchnahme der Rente AB 63.
Der Geburtsjahrgang 1952 darf z.B. erst mit 65 Jahren und 6 Monaten
abschlagsfrei in Rente gehen, wenn er die Bedingungen erfüllt.
Inga MICHLER nutzt die Meldung zudem um die Sicht der neoliberalen
Lobbyorganisation IW Köln, des Nationalkonservativen Martin WERDING
und des Beamten Bernd RAFFELHÜSCHEN unter die Leserschaft zu
streuen.
GAFAFER, Tobias (2018): Die verdrängte Zeitbombe.
Der demografische Wandel stellt
die Altersvorsorge vor epochale Herausforderungen. Die Schweizer
Politik darf die Debatte über ein höheres Rentenalter nicht länger
aufschieben. Sie sollte der Sicherung der AHV mehr Aufmerksamkeit
schenken,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 27.10.
"Neben der Demografie macht
der ersten Säule vor allem die Lebenserwartung zu schaffen,
die innert kurzer Zeit stark gestiegen ist. Für Männer lag sie
um die Jahrtausendwende bei 77 Jahren und für Frauen bei 82,6
Jahren; 2017 waren es 81,4 beziehungsweise 85,4 Jahre",
erklärt uns Tobias GAFAFER,
der die steigende Lebenserwartung offensichtlich nicht als Teil
des demografischen Wandels betrachtet. Der Begriff des
"demografischen Wandels" wird selten definiert, sondern meist -
wie bei GAFAFER - im wertenden Sinne als negative Entwicklung
betrachtet. Eine solche einseitige Sicht verstellt den Blick
darauf, dass jede Gesellschaft zu jedem Zeitpunkt einen
demografischen Wandel, d.h. Verschiebungen in der Bevölkerungs-
und Alterungsstruktur durch die demografischen Prozesse
(Geburtenentwicklung, Entwicklung der Sterblichkeit und der
Lebenserwartung) erfährt. Ob dieser Wandel zu positiven oder
negativen Entwicklungen in spezifischen Bereichen der
Gesellschaft führt, das ist eine empirische Frage, die durch die
Forschung zu beantworten wäre. Diese Forschung wird jedoch nur
halbherzig betrieben, weil deren Ergebnisse beliebte Vorurteile
und Annahmen der Neoliberalen in Frage stellen könnten.
"Der Vergleich mit
OECD-Staaten zeigt, dass die Schweiz im Rückstand ist. Im
Vorsorge-Ranking des Beratungsunternehmens Mercer rutschte sie
in diesem Jahr vom achten auf den elften Platz ab. Dänemark,
das mit den Niederlanden regelmässig Bestnoten erhält, hat das
Rentenalter an die Lebenserwartung geknüpft. Ein generell
höheres Pensionsalter ist über kurz oder lang auch in der
Schweiz überfällig. Denkbar sind diverse Modelle, vom
dänischen Vorbild bis hin zu einer Art Schuldenbremse für die
AHV",
meint GAFAFER. Internationale
Vergleiche, die von Organisationen mit einem starken
Eigeninteresse durchgeführt werden, sollten von den Medien
eigentlich im Sinne einer Aufklärung kritisch hinterfragt
werden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Sie werden viel lieber
politisch für die eigene Sichtweise instrumentalisiert.
HESS, Moritz (2018):
Gewünschtes und erwartetes Renteneintrittsalter in Deutschland und
Europa,
in: Deutsche
Rentenversicherung, Heft 3,
S.228-242
Moritz HESS
beschreibt den Paradigmenwechsel von einer Politik der
Frühverrentung zur Erhöhung des Renteneintrittsalters durch
politische Maßnahmen in Deutschland. Er sieht Deutschland
gemeinsam mit den Niederlande als Land, in dem der Anstieg des
Renteneintrittsalters besondern steil nach oben ging - allen
Klagen unserer Neoliberalen in den Mainstreamzeitungen zum
Trotz! Sein Resümee:
"Es zeigt sich ein Anstieg
des gewünschten Renteneintrittsalters in Europa für alle drei
Bildungsgruppen, allerdings ist der Anstieg für die
Hochgebildeten am stärksten. Weiterhin ist auch das erwartete
Renteneintrittsalter gestiegen, hier am stärksten für die
Arbeitnehmer mit niedriger Bildung. Wenn man das erwartete und
gewünschte Renteneintrittsalter gegenüberstellt, zeigt sich,
dass Personen mit niedriger Bildung signifikant früher in
Rente gehen wollen, als sie dies erwarten zu tun.
Hochgebildete sehen sich eher in der Lage, ihre Wünsche und
Erwartungen hinsichtlich des Renteneintrittsalters in Einklang
zu bringen. Die Erklärung für diesen Unterschied ist, dass
Niedriggebildete eher finanzielle Zwänge als Grund für ein
spätes erwartetes Renteneintrittsalter angeben, während die
Hochgebildeten eher nicht materielle Gründe benennen. Die
Ergebnisse stützten die Warnungen vor dem Wiedererstarken von
sozialen Ungleichheiten beim Rentenübergang." (S.229)
HESS plädiert deshalb für
eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters, bei denen die
spezifischen Bedürfnisse der verschiedenen Bevölkerungsgruppen
berücksichtigt werden, z.B. bildungs- oder
berufsgruppenspezifische gesetzliche Renteneintrittsalter.
MOSER, Sebastin J. & Tobias
SCHLECHTRIEMEN (2018): Sozialfiguren - zwischen gesellschaftlicher
Erfahrung und soziologischer Diagnose,
in: Zeitschrift
für Soziologie, Heft 3,
S.164-180
"Porträts einzelner
Sozialfiguren (...) tauchen vor allem dann auf, wenn
gesellschaftliche Umbrüche problematisiert werden. Beispiele
dafür sind: »Der Fremde« (Georg Simmel), »Der Hobo« (Nels
Anderson), »Die Angestellten« (Siegfried Kracauer),
»Arbeiterkinder« (Ralf Dahrendorf),
»Der flexible Mensch« (Richard Sennett), »Der Tourist«
(Zygmunt Baumann), »Der Künstler« (Michel Menger) oder »Der
Migrant« (Thomas Nail) (...).
Sozialfiguren stellen kein ausgearbeitetes soziologisches
Konzept dar. (...) Im Gegensatz zur Selbstverständlichkeit,
mit der man sich auf den »Habitus« oder die »soziale Rolle«
bezieht, hat die Sozialfigur noch keinen Eingang in den Kanon
etablierter Kategorien gefunden. (...).
Der Ausdruck »Sozialfigur« wird in sozialwissenschaftlichen
Texten - z.T. bereits im Titel - seit langem verwendet, wenn
auch mit variierenden Bedeutungen und oft nur am Rande. Es ist
Ralf Dahrendorf, der den Begriff ab den 1960er Jahren häufiger
benutzt (...).
Seit Beginn des neuen Jahrtausends erschienen Sammelbände, in
denen verschiedene Sozialfiguren zusammengestellt sind. In
erster Linie wäre der von Stephan Moebius und Markus Schroer
herausgegebene Band
Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart
(2010a) zu nennen",
schreiben MOSER &
SCHLECHTRIEMEN über den Gegenstand ihres Artikels, der kein
genuin soziologisches Konzept ist, sondern in der Regel zuerst
in öffentlichen Diskursen, Romanen oder Filmen aufkommen (vgl.
S.167). MOSER & SCHLECHTRIEMEN gehen auch auf die Bedeutung von
Sozialfiguren für die Erkundung gesellschaftlicher Problemlagen
ein:
"Ein neueres Beispiel sind
die von Silke van Dyk und Stephan Lessenich beschriebenen »jungen
Alten« (2009), zu denen seither ebenfalls mehrere
empirische Studien vorliegen (vgl. etwa Niederhauser 2017).
Die beiden Autoren zeigen, wie im Kontext der Krisendiagnosen
einer alternden Gesellschaft und der gleichzeitigen
sozialpolitischen Aktivierungspolitik die Sozialfigur der
»jungen Alten« zu einem figurativen Fokus avanciert. Nun sind
es nicht mehr die »neuen Alten«, die noch in den 1980er Jahren
auftraten und allgemein als Problem empfunden wurden, sondern
die mitunter als »Retter des Sozialen« (...) betitelte Gruppe
jüngerer Alter, von denen erwartet wird, dass sie sich aktiv
in die Gesellschaft einbringen." (S.176)
HONTSCHICK, Bernd
(2018): Das Märchen von den teuren Alten.
Dem Gesundheitswesen unserer
alternden Gesellschaft droht die Kostenexplosion. Klingt
einleuchtend, ist aber falsch,
in: TAZ v.
03.11.
Bernd HONTSCHEK berichtet
über die Karriere des Begriffs "Kostenexplosion" in der Debatte
um den Umbau des Gesundheitswesen, die bis Mitte der 1970er
Jahre zurück reicht. Als im Jahr 1998 Rot-Grün die Macht
übernahm, avancierte das Buch Das Märchen von der
Kostenexplosion zwar zum Bestseller, doch den Umbau des
Gesundheitswesen von einer sozialstaatlichen Einrichtung zum
Proficenter einer Gesundheitswirtschaft konnte das nicht
stoppen. Im Gegenteil, denn der Begriff "Kostenexplosion"
erhielt seine scheinbare Plausibilität durch den demografischen
Wandel:
"Die immer höhere
Lebenserwartung der Deutschen, die Veränderung der sogenannten
Alterspyramide, die inzwischen eher einem gerupften Tannenbaum
als einer Pyramide gleicht, sei dazu geeignet, die Ressourcen
unseres Gesundheitswesens zu sprengen, heißt es. (M)an
(spricht) von einer »Überalterung« unserer Gesellschaft".
HONTSCHICK ist ein Vertreter
der Kompressionsthese, die davon ausgeht, dass sich die höchsten
Kosten auf das letzte Lebensjahr konzentrieren und sich die
Jahre des "gesunden Altseins" erhöhen:
"Kosten im letzten
Lebensjahr (sind) bei einem 40-Jährigen im Allgemeinen
deutlich höher (...) als bei einem 80-Jährigen, da man bei
jüngeren Patienten naturgemäß wesentlich radikalere und
invasivere, also auch teuere Therapieentscheidungen trifft",
agrumentiert HONTSCHICK. Das
mag für solche Extremfälle stimmen, aber eine Erhöhung der
durchschnittlichen Lebenserwartung bedeutet ja nicht, dass nun
viele erst mit 80 Jahren sterben, sondern viele sterben
wesentlich früher, und zwar umso ärmer sie sind. Da stellt sich
die Frage, ob dieser Aspekt nicht bei den Diskussionen um
Einsparungen im Gesundheitswesen unterbelichtet bleibt.
"Die Märchen von der
Kostenexplosion und der Altenlawine dienen nur dazu, ein im
Grunde gut funktionierendes Sozialsystem durch eine sogenannte
Gesundheitsreform nach der anderen zum Abschuss freizugeben.
(...). In den Gesundheitssektor hat unsere Gesellschaft
bislang einen Teil ihres Reichtums investiert, zum Wohle
aller. (...). Nun zieht sich der Staat zurück und macht Platz
für Investoren. Des Gesundheitswesen wird zu einem
Wirtschaftszweig, in dem ganz andere Gesetze gelten als in
einem Sozialsystem. Die Gesundheitswirtschaft wird zur Quelle
neuen Reichtums für Investoren (...). Nicht mehr der Kranke
ist Gegenstand der Medizin, der Heilkunst, sondern die
Krankheit ist Gegenstand eines (...) profitablen
Wirtschaftsprogramms. Das ist die Konkretion der Verwandlung
des Gesundheitswesens in eine Gesundheitswirtschaft",
meint HONTSCHICK, der nur die
Pflegeversicherung und die Rentenversicherung durch den
demografischen Wandel bedroht sieht, was jedoch lediglich den
eingeschränkten Blickwinkel des Autors zeigt.
HENNING, Ulrike
(2018):
Auch bei der Rente im Nachteil.
Ärmere Menschen haben über alle Lebensalter eher mit
Gesundheitsproblemen zu kämpfen,
in: Neues Deutschland v.
21.11.
Anlässlich eines Symposiums der
Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina berichtet Ulrike
HENNING über die Sicht von Thomas LAMPERT (Robert-Koch-Institut),
Peter HAAN (DIW) und Johan MACKENBACH zum Zusammenhang von
sozioökonomischen Einflüssen auf die Lebenserwartung..
PETERSDORFF, Winand von (2018): Die Lebenserwartung der Amerikaner
sinkt weiter.
Ungewöhnliche Entwicklung für ein
Industrieland. Immer mehr Drogentote und Selbstmorde,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 30.11.