2015
BECKER, Kim Björn
(2015): "Für die Pflegenden ein täglicher Kraftakt".
Fast drei Viertel der Menschen, die
ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen können, werden zu Hause
betreut - meist von Angehörigen Um den drohenden Notstand von Personal
in den Heimen zu bewältigen, fordern Experten eine schnelle Aufwertung
des Sozialberufs,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 13.03.
RÖTZER, Florian (2015): Die reichsten Engländer können 19 Jahre länger
gesund leben als die ärmsten.
Nach Zahlen des Statistikamts
gleichen manche Gegenden
Englands diesbezüglich der Lebenserwartung
von Entwicklungsländern,
in: Telepolis
v. 27.03.
DESTATIS (2015): Lebenserwartung für Jungen knapp 78 Jahre, für
Mädchen rund 83 Jahre,
in: Pressemitteilung des
Statistischen Bundesamtes
v. 22.04.
Aufgrund des Zensus 2011 musste
die Lebenserwartung nach unten korrigiert werden, sodass die
Lebenserwartung im Vergleich zur letzten Sterbetafel bei Männern
gleich und bei Frauen lediglich um einen Monat gestiegen ist.
REINHÄCKEL, Heide (2015): Gemeinsam alt sein.
taz-Spezial Altern: Alten-WG: Mehrgenerationenhäuser sind die konkrete
Utopie der alternden Gesellschaft. Wie man solche Konzepte
verwirklichen kann, zeigt das "Leipziger Modell". Zwei Architektinnen,
die das Projekt initiieren, setzten sich dabei auch mit dem Thema
Armut auseinander,
in: TAZ v. 09.05.
STUTTGARTER ZEITUNG-Tagesthema:
Der Wandel wird
sichtbar.
Bevölkerungsentwicklung: Eine neue Studie zeigt, dass die
Deutschen immer älter werden. Bis 2030 verdoppelt sich die Zahl
der über 80-Jährigen. Das hat Konsequenzen |
KÄFER, Armin
(2015): Der Südwesten wächst und wird älter.
Der
demografische Wandel ist in vollem Gang. Die Kluft zwischen Stadt und
Land wird größer, die Vergreisung wächst rasant - das zeigt eine
Studie zur Bevölkerungsentwicklung. Die Herausforderungen an die
Politik sind enorm,
in: Stuttgarter Zeitung
v. 09.07.
Armin KÄFER kann offenbar nicht
einmal richtig abschreiben! In der
Pressemeldung der privaten, neoliberalen Bertelsmann-Stiftung
heißt es:
"In den kommenden 15 Jahren
steigt die Zahl der Hochbetagten über 80 Jahre bundesweit um 47,2
Prozent auf über 6,3 Millionen."
Wäre dies eine Verdopplung, dann
dürften heute nur 3,15 Millionen über 80-Jährige in Deutschland
leben. Das Statistische Bundesamt meldete jedoch zur
Veröffentlichung der 13. Bevölkerungsvorausberechnung
am 28. April diesen Jahres:
"Im Jahr 2013 lebten 4,4
Millionen 80-Jährige und Ältere in Deutschland. Ihre Anzahl wird
2060 mit insgesamt 9 Millionen etwa doppelt so hoch sein wie
heute."
Eine Verdopplung der über
80-Jährigen steht uns erst in 45 und nicht bereits in 15 Jahren
bevor - vorausgesetzt die jetzige Entwicklung würde 45 Jahre
anhalten, was jedoch an moderne Kaffeesatzleserei grenzt.
Unsere Presse leidet eindeutig am
Vergreisungssyndrom, denn wer sich Deutschland ständig als
Greisenstaat vorstellen muss, der fantasiert sich die Zahlen auch
entsprechend zurecht.
KOSTRZEWA, Anne (2015): Nur die Alten bleiben.
Bis
2030 wird die Landbevölkerung in Deutschland stark schrumpfen. Berlin
wird voll sein - und München jung,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 09.07.
Auch
die SZ, die gerne eine "Qualitätszeitung" wäre,
meldet fälschlicherweise eine Verdoppelung der 80-Jährigen bis 2030.
DESTATIS-Broschüre:
Die Generation 65+ in Deutschland |
STATISTISCHES BUNDESAMT (2015): Die Generation 65+ in Deutschland.
Begleitmaterial zur Pressekonferenz v. 29.07.
In der Broschüre
beschreibt das Statistische Bundesamt die Aussichten der "Generation
65 +" folgendermaßen:
"Mit 57 % gab es Ende
2013 mehr ältere Frauen als Männer (43 %). Die Hauptursache
liegt in der höheren Lebenserwartung von Frauen. Nach der
allgemeinen Sterbetafel 2010/2012 für Deutschland haben
65-jährige Männer eine noch verbleibende Lebenserwartung von
17 Jahren und 6 Monaten. 65-jährige Frauen können
statistisch gesehen mit weiteren 20 Jahren und 9 Monaten
rechnen." (2016, S.5)
Zur Entwicklung der
Pflegebedürftigkeit heißt es:
"Ende 2013 waren 2,2
Millionen Menschen ab 65 Jahre pflegebedürftig im Sinne des
Pflegeversicherungsgesetzes (Sozialgesetzbuch XI). Die
Mehrheit davon waren Frauen (69 %). 1,4 Millionen
Pflegebedürftige (66 %) waren 80 Jahre und älter.
Von 1999 bis 2013 wuchs die Zahl der Pflegebedürftigen ab 65
Jahre von 1,6 Millionen auf 2,2 Millionen. Der Grund für die
Zunahme war die gestiegene Zahl älterer Menschen: 1999 hatte
es in Deutschland 2,9 Millionen Menschen ab 80 Jahre
gegeben; 2013 waren es bereits 4,4 Millionen." (2016, S.39)
ZEIT-Titelgeschichte:
Der Fluch der frühen
Rente.
Ein Leben
lang träumen wir vom wohlverdienten Ruhestand. Dann ist er da -
und wir müssen lernen, ohne Kollegen, Pflichten und Visitenkarten
auszukommen |
AHR, Nadine (2015): Herr Vahl hört auf.
Dossier: Nie zuvor gingen so viele Deutsche in Rente wie heute.
Manfred Vahl ist einer von ihnen. Er wohnt in Hamburg, war 49
Jahre bei der Bahn und freut sich auf seinen Ruhestand. Doch der
ist anders als erwartet,
in:
Die ZEIT Nr.31
v. 30.07.
"Einer von über 800.000
Deutschen im vergangenen Jahr. Es sind so viele wie noch nie
zuvor, und es werden immer mehr. Großteils haben sie ihr ganzes
Berufsleben in einem einzigen Unternehmen verbracht. Bei ihrer
Einstellung haben sie nicht über die beste Work-Life- Balance
geredet. Sie kannten das Wort gar nicht. Auch Herr Vahl hat immer
viel gearbeitet. Um etwas zu schaffen, um voranzukommen und sich
etwas leisten zu können. Die Menschen, die jetzt in Rente gehen,
stehen finanziell besser da als alle Rentner- Generationen vor
ihnen. Herr Vahl ist Beamter, er wird Pensionär. Auch im Ruhestand
wird er genug Geld haben . Die Menschen, die jetzt in Rente gehen,
sind auch fitter, sie fühlen sich jünger als frühere
Rentner-Generationen",
beschreibt Nadine AHR den
Hintergrund der Story. Es gibt viele Bücher über den Ruhestand, aber
ausgerechnet das Buch In Rente von Wolfgang PROSINGER, einem
Journalisten, der den neuen neoliberalen Mainstream in Sachen
Ruhestand beschreibt und der angeblich die Wahrheit über den letzten
Lebensabschnitt verkündet, wird hervorgehoben.
Tatsächlich gibt es diese
Menschen, für die der Ruhestand ein Einschnitt ist, weil der Betrieb
für sie das Leben ist. Für diejenigen jedoch, die die neue
Unternehmenskultur des flexiblen Kapitalismus kennen und die auch
jenseits der Erwerbsarbeit sinnvolle Tätigkeiten gefunden haben, ist
der Ruhestand kein Einschnitt, dessen Unstrukturiertheit Sorge
bereitet, sondern eine Möglichkeit dem Leben bessere Seiten
abzugewinnen.
Natürlich darf in solch einem
neoliberalen Mainstream-Artikel auch nicht der Frührentner fehlen,
der mit 65 stirbt, wo doch im Schlager danach erst das Leben so
richtig beginnt...
Und weil der Sozialstaat umgebaut
wird, ist zudem mehr ehrenamtliches Engagement erforderlich. Dies
wird jedoch als individueller Gewinn vermarktet: wegen der Kontakte
und der Gesundheit wird es getan und nicht weil es den Sozialstaat
entlastet:
"Er würde auch gerne bei der
Armentafel Essen austeilen. »Weil ich dann wieder mehr mit
Menschen unterschiedlichen Alters zu tun hätte«, sagt er. Aber
auch, weil er wieder eine Aufgabe haben will. Herr Vahl möchte
noch etwas schaffen, nicht für Geld, sondern für andere. Und dabei
für sich selbst".
Der Soziologe Stephan LESSENICH
u.a. beschreiben dieses privilegierte Mittelschicht-Leben im
Ruhestand, das AHR im Artikel zeichnet, im Buch
Leben im Ruhestand als neues gesellschaftliches Leitbild
des produktiven Alters, das an die Stelle des traditionellen
Ruhestandes getreten ist.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG-Tagesthema:
Deutschlands ruhelose Rentner.
Sie reisen,
lesen viel, schreiben sich an Hochschulen ein. Einige gründen
sogar Unternehmen. Der Alltag alter Menschen hat sich in den
vergangenen Jahren stark gewandelt. Viele können dank guter
Gesundheit ihr Leben länger genießen. Ist also alles gut für die
Generation 65 plus? Ganz so rosarot sieht es dann doch nicht aus |
ÖCHSNER, Thomas (2015): Der Reiz der späten Jahre.
Mit 66 fängt es bei vielen tatsächlich erst richtig an. Wie sich
das Leben der Älteren ändert,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 30.07.
Thomas ÖCHSNER berichtet über
die Erhebung des Statistischen
Bundesamtes zu den 65-Jährigen und Älteren, wobei der
Anstieg der erwerbstätigen Alten - diese Steigerung ist in
neoliberaler Hinsicht erwünscht, um die Sozialversicherung zu
entlasten - hervorgehoben wird. Das wird in erster Linie als
individueller Gewinn vermarktet bzw. als Notwendigkeit, um der
Altersarmut zu entgehen.
KOSTRZEWA, Anne (2015): In alter Frische.
Warum eine Reisekauffrau als Rentnerin eine eigene Firma
gegründet hat - und damit auch noch erfolgreich ist,
in:
Süddeutsche Zeitung
v. 30.07.
SCHMIDT, Christoph M. 2015),
Der demografische Wandel als große Herausforderung für
Wirtschaft und Gesellschaft - ein Überblick. In:
Franz-Xaver Kaufmann & Walter Krämer (Hg.) Die demografische
Zeitbombe. Fakten und Folgen des Geburtendefizits,
Paderborn: Ferdinand Schöningh, S.39-77
Christoph M. SCHMIDT
propagiert eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die
fernere Lebenserwartung, wobei es im Grunde um die
Rentenbezugsdauer geht, denn:
"Sieht
man der Einfachhalber einmal von der Diskrepanz zwischen
gesetzlichem und tatsächlichem Renteneintrittsalter ab,
entspricht (...) die Steigerung der »ferneren Lebenserwartung«,
also der Lebenserwartung, die man erreicht hat, wenn man bereits
genau 65 Jahre alt ist, 1-zu-1 der Steigerung der
Rentenbezugsdauer. Steigerungen der ferneren Lebenserwartung
übersetzen sich also in dem Ausmaß direkt in Steigerungen der
erwarteten Rentenbezugsdauer, in dem sie nicht durch Steigerung
der Lebensarbeitszeit kompensiert werden.
Wäre es im gesamten Zeitraum von 1960 bis 2060 durchgehend bei
dem einmal beschlossenen Renteneintrittsalter von 65 geblieben,
dann wären die Lebenszeit nach dem Alter 65 und die
Rentenbezugsdauer nach dem Alter 65 für alle Jahrgänge, die
jeweils das 65. Lebensjahr vollenden, völlig identisch. Rentner,
die im Jahr 1960 in Rente eingetreten sind, sahen typischerweise
einem Rentenbezug von etwa 13,5 Jahren entgegen. Fünfzig Jahre
später beträgt die erwartete Dauer des Rentenbezugs bereits
etwas mehr als 19 Jahre, im Jahr 2060 werden es voraussichtlich
fast 24 Jahre sein."
(2015, S.73f.)"
Aus dieser
Momentanbetrachtung, deren empirische Überprüfung aussteht, wird
Folgendes geschlossen:
"Die Anregung des SVR
(2011), durch eine weitere Steigerung der Lebensarbeitszeit
einen Beitrag für die Zeit nach dem Jahr 2030 für die Stabilität
des umlagefinanzierten Systems der gesetzlichen
Rentenversicherung zu leisten, (...) sieht (...) vor, die sich
nach dem Jahr 2030 ergebenden weiteren Steigerungen der ferneren
Lebenserwartung zu einem guten Teil in eine Steigerung der
Lebensarbeitszeit umzusetzen. Die hier ausgewiesenen
Berechnungen sehen eine Aufteilung der Lebensdauer zwischen dem
Alter 20 und dem zu erwartetenden Lebensende nach dem im Jahr
2030 erreichten Stand vor. Demnach würden Lebensarbeitszeit und
Rentenbezug im Verhältnis von näherungsweise 7 (Arbeitszeit nach
dem Alter 20) zu 3 (Rentenbezug) aufgeteilt.
Im Effekt ergibt sich eine weitere Steigerung der
Lebensarbeitszeit nach dem Alter 65 um 4 Jahre - auf ungefähr 69
Jahre im Jahr 2060. Die Rentenbezugsdauer würde aber ebenfalls
weiter steigen, auf nahezu 20 Jahre im Jahr 2060. Unter der
geltenden Regelung der Einführung der Rente mit 67, die nach dem
Jahr 2030 keine Fortsetzung findet, wird die Rentenbezugsdauer
der künftigen Rentnergeneration hingegen auf fast 22 Jahre
steigen."
(2015, S.74f.)
Inwiefern die Aussagen
richtig sind, dazu liegen keine empirischen Überprüfungen vor.
Es ist stattdessen davon auszugehen, dass zwischen der
Entwicklung der Rentenbezugsdauer und der Entwicklung der
ferneren Lebenserwartung kein so enger Zusammenhang besteht wie
das hier behauptet wird. Dagegen spricht bereits die Tatsache,
dass in der Vergangenheit die Massenarbeitslosigkeit durch
Frühverrentung bekämpft wurde. Hinzu kommt, dass das Konstrukt
der "ferneren Lebenserwartung" Ergebnis einer Selbstselektion
ist, d.h. dass Klassenunterschiede und damit verbundene
Polarisierungen bei der durchschnittlichen Lebenserwartung
wegdefiniert werden. Im Endeffekt würde hier eine geschlossene
Gesellschaft der Besserverdienenden zum Maßstab der
Klassengesellschaft gemacht werden, was die soziale Ungleichheit
weiter erhöhen würde.
CAN, Devin
(2015): Die neuen Alten.
Die heutigen Best-Ager jenseits der Sechzig pflegen ihr ganz eigenes
Konsumverhalten,
in:
Frankfurter Rundschau v.
22.08.
Devin CAN berichtet über die Ergebnisse des Marktforschungsinstitut
GfK zum veränderten Konsumverhalten der Älteren, das mehr und mehr von
der Babyboomer-Generation dominiert werde. Insbesondere der
Lebensmittelmarkt, die Kosmetik- und die Tourismusbranche stehen im
Mittelpunkt des Artikels.
Michael MARMOT The Health Gap The Challenge of an Unequal
World, London: Bloomsbury
SPECHT, Jule
(2015): Psychologie des hohen Lebensalters.
Der aktuelle Forschungsstand,
in: Aus Politik und
Zeitgeschichte Nr.38-39 v. 14.09.
Jule SPECHT hält sich erst gar
nicht mit der Frage auf, ob 80-Jährige im Jahr 2060 überhaupt noch
als Hochbetagte anzusehen sind. Wenn die Lebenserwartung bis dahin
tatsächlich um 6-7 Jahre steigen würde, dann müsste sich auch die
Altersgrenze für Hochbetagte z.B. Richtung 85-Jährige verschieben.
Der Statistiker Gerd BOSBACH hat das als
Vermischung von statischer und dynamischer Sichtweise
kritisiert.
BARTENS, Werner (2015): Die Zeit, die bleibt.
Menschen schätzen verbleibende Lebenserwartung oft falsch ein,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 20.10.
Werner BARTENS berichtet über die
Veröffentlichung
Subjective, Objective, and Observed Long-term Survival: A
Longitudinal Cohort Study von Rafael D. ROMO u.a.
In der Studie wird nicht die
individuell geschätzte mit der tatsächlich verbliebenen Lebenszeit
verglichen, sondern lediglich die individuell geschätzte mit einer
"objektiven Lebenserwartung". Das mag zwar aussagekräftig im Sinne
einer Massenstatistik sein, aber für das einzelne Individuum ist die
Studie wertlos. Wer sagt mir denn, ob ich gerade bei jenen bin, die
ihre Lebenserwartung unterschätzen und nicht bei jenen, die ihre
Lebenserwartung überschätzen? Es ist für den Alltag des Einzelnen
unnützes Wissen, das hier in der Rubrik Wissen der SZ
verbreitet wird. Relevanz könnte die Studie nur im institutionellen
Kontext gewinnen, d.h. Ärzte könnten aus einer Tendenz der
Unterschätzung andere Beratungsstrategien ableiten als aus einer
Tendenz zur Überschätzung. Doch um z.B. für Ärzte relevant zu sein
ist der Artikel wieder zu oberflächlich, denn offenbar müssen neben
dem Alter des Patienten auch noch andere Aspekte berücksichtigt
werden, auf die im Artikel nicht näher eingegangen wird. Es bleibt
am Ende deshalb nur bei Banalitäten:
"Wer seine restliche
Lebenserwartung deutlich unterschätzt, wird womöglich einer
Therapie oder weiteren Untersuchungen im Krankheitsfall nicht so
schnell zustimmen und damit hilfreiche Unterstützung nicht
erhalten. Umgekehrt ist es für Patienten äußerst belastend, wenn
sie noch einer invasiven und anstrengenden Therapie ausgesetzt
werden, obwohl alle Anzeichen darauf hindeuten, dass sie davon
nicht profitieren werden, weil sie nicht mehr lange zu leben
haben."
Der Wert des Artikels liegt wohl
eher im Anstoß für weitere Forschungen:
"Wir müssen lernen zu
verstehen, wie es die Behandlungsentscheidung beeinflusst, wenn
ältere Menschen ihre Lebenserwartung unter- oder überschätzen",
zitiert BARTENS den Forscher ROMO.
Wäre es also nicht sinnvoller für jeden Artikel die Adressaten
explizit zu nennen? Der Journalist müsste sich dann nämlich beim
Schreiben überlegen für wen sein Artikel eigentlich von Interesse
sein soll und welche Informationen vonnöten sind, um dieses
Interesse zu befriedigen. Oder will der Artikel möglichst viele
Leser erreichen? Aber welchen Gewinn hätten dann die Leser von
diesem Artikel?
FENGLER, Wolfgang (2015):
Mythen der Rente.
Die Altersversorgung kann nur dann
sicher werden, wenn die künstliche und abrupte Trennung von Arbeit und
Ruhestand verschwindet,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 19.12.
Ein Blick aus der oberen
Mittelschicht auf das Rentensystem, das nach deren Bedürfnissen
umgestaltet werden soll. Die Neugeborenen dieser privilegierten
Schicht können sich auf ein Methusalem-Leben freuen. Man findet in
diesem Artikel jedoch nichts über die Heterogenität der
Lebenserwartung. In einem Lehrbuch der Soziologie heißt es dazu:
"Die altersspezifische
Mortalität ist - bedingt auch durch soziale Faktoren - zwischen
den Individuen unterschiedlich (heterogen) ausgeprägt, was
bedeutet, dass mit zunehmendem Alter in verstärktem Maße
diejenigen mit einem geringeren Mortalitätsrisiko übrig bleiben
(...). Dieser auch als Heterogenitätsproblem bezeichnete
Selektionseffekt führt dazu, dass die altersspezifischen
Sterbewahrscheinlichkeiten - die natürlich immer im Durchschnitt
derer berechnet werden, die das jeweilige Alter erreichen -
niedriger sind, als es dem Durchschnitt des Geburtsjahrgangs
entspricht. Die Lebenserwartung bei Geburt wird daher mit zu
geringen altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten berechnet."
(Thomas Klein "Eine Sozialstrukturanalyse", 2005, S.96)