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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Das Rentensystem und seine Gefährdung durch nicht-demografische Faktoren

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatten, die Sprengwirkung für das System der Rentenversicherung haben (Teil 4)

 
       
       
     
   
     
 

Einführung

Die Rente wird seit Jahrzehnten wegen des demografischen Wandels vor dem Kollaps gesehen. Der Geburtenrückgang und der Anstieg der Lebenserwartung gelten als jene Faktoren, die das Rentensystem bedrohen. Es sind jedoch in der Regel die unbeachteten Nebenfolgen von Entwicklungen, die wirkliche Sprengkraft besitzen. Auf dieser Website wird davon ausgegangen, dass es gerade die nicht-demografischen Faktoren sind, die wirklich bedrohlich sein können. Man könnte das Problem mit Demografiepanik bezeichnen und die Nuller Jahre mit ihrer Hysterie war nur ein Vorgeschmack auf das, was uns in den 1920er Jahren bevorsteht.

Die kommende Demografiepanik speist sich aus drei Quellen, deren Auswirkungen teilweise bereits seit den 1990er Jahren beobachtet werden können und die durch selbstverstärkende Effekte befeuert werden: Renditegier, Angst vor Altersarmut und die Eigengesetzlichkeiten der Mechanismen im Rentensystem. Zu dieser die Demografiepanik begünstigenden Faktoren kommen weitere nicht-demografische Faktoren hinzu, die als Rahmenbedingungen die Demografiepanik weiter befeuern können: der Wandel des Arbeitsmarktes, die Entwicklung der Kapital- und Immobilienmärkte, der Wandel des Parteiensystems und nicht zuletzt die Entstehung der neuen Klassengesellschaft (mehr hier).

In dieser Bibliographie sollen deshalb jene öffentlichen Debatten dokumentiert werden, in denen jene nicht-demografischen Aspekte zur Sprache kommen, die die gesetzliche Rentenversicherung gefährden.     

Kommentierte Bibliografie (Teil 4 - 2017)

2017

BÄCKER, Gerhard (2017): Rückblick auf die Alterssicherungspolitik im Jahr 2016,
in:
Zeitschrift für Sozialreform, Heft 1, S.3-14

"Im Bundestagswahlkampf 2017 wird die Zukunft der Rente das zentrale innenpolitische Thema sein. Obwohl Bundskanzlerin Angela Merkel die Alterssicherungspolitik nicht zum Wahlkampfthema machen will, wird sich dies nicht vermeiden lassen, da die Menschen die Frage nach ihrer Absicherung im Alter sehr bewegt und das sinkende Rentenniveau und die Angst vor einer verbreiteten Altersarmut viel Besorgnis auslösen. Nicht zuletzt wird auch die AfD die Rentenpolitik in den Mittelpunkt ihrer sozialpolitischen Forderungen während des Wahlkampfes stellen",

prophezeit Gerhard BÄCKER zu Beginn seines Rückblicks auf das rentenpolitisch ereignis- und diskussionsreiche Jahr 2016. Es werden die Debatten über das Scheitern der Riester-Rente, die steigende Altersarmut, die Abwehr der Grundsatzkritik durch Inaussichtstellung eines Gesamtkonzeptes zur Alterssicherung sowie die Debatte um die Erhöhung des Renteneintrittsalters nachgezeichnet und näher auf die Gesetze (Flexirente) und Gesetzentwürfe (Ostrentenangleichung und Betriebsrentenstärkungsgesetz) eingegangen.

Beim Betriebsrentenstärkungsgesetz wird auch auf die negativen Auswirkungen der Entgeltumwandlung näher eingegangen. Anders als Volker MEINHARDT im aktuellen Heft der Zeitschrift Soziale Sicherheit wird die Entgeltumwandlung in erster Linie hinsichtlich der Bereitschaft zur Zahlung höherer Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) diskutiert:

"Bei einer Ausweitung der Entgeltumwandlung auf acht Prozent werden - vorausgesetzt, dass viele Menschen davon Gebrauch machen - die verfügbaren Einkommen belastet und damit die Akzeptanz, höhere Beiträge für die GRV zu zahlen. Die Ausweitung der betrieblichen Altersvorsorge wird also die Zahlungsbereitschaft in der gesetzlichen Alterssicherung einschränken. Wenn mehr Menschen die Entgeltumwandlung nutzen, wird sich dies auch auf die Einnahmen in der gesetzlichen Rente auswirken. Nach der Rentenanpassungsformel fallen entsprechend auch die Rentenanpassungen geringer aus. Die Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersvorsorge hat also immer das Problem, dass sie sich negativ auf die finanzielle Situation der gesetzlichen Rente auswirkt - und zwar auch auf jene Versicherten, die keine betriebliche Altersvorsorge über Entgeltumwandlung betreiben."

In dem Artikel von MEINHARDT werden die Auswirkungen der Entgeltumwandlung auf die unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen und die anderen Zweige der Sozialversicherung, die bei BÄCKER nicht zur Sprache kommen, ausführlicher dargestellt.

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz wird von BAECKER als Versuch gedeutet, die kapitalgedeckte Altersvorsorge zu retten. Die Ostrentenangleichung wird als notwendig erachtet, deren Problematik aber nicht erkannt, wenn es heißt:

"Inzwischen hat es eine starke Lohnangleichung gegeben, allerdings keineswegs einen Gleichstand. Auch der aktuelle Rentenwert Ost hat sich dem aktuellen Rentenwert West bis auf 94 Prozent angenähert. Gleichwohl würde eine Anhebung auf 100 Prozent sehr teuer, da alle Renten im Osten höher ausfielen."

Dass das Gesetz die Rentenwertangleichung bremsen statt fördern könnte, wird von BÄCKER nicht gesehen, stattdessen wird nur auf die falsche Finanzierung (Beiträge statt Steuermittel) abgehoben.

Die Flexi-Rente wird von BÄCKER ambivalent beurteilt. Zum einen betont er die Gefahr, dass ältere Menschen auf schlechtbezahlte Vollzeitstellen abgedrängt werden, weil die Teilrente als Lohnsubventionierung missbraucht wird, andererseits lobt er die vorgesehenen Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation:

"Viele andere Alterssicherungssysteme beinhalten keine Rehabilitationsleistungen, auch nicht die betriebliche Altersvorsorge oder die Riester-Rente, die daneben beide keine Erwerbsminderungsrenten vorsehen."

Eine Erhöhung des Renteneintrittsalter oder gar eine Kopplung an die Lebenserwartung sieht BÄCKER wegen der großen gruppenspezifischen Unterschiede bei der Lebenserwartung als problematisch. Außerdem würde die Rahmenbedingungen wie Arbeitsmarktlage und Entwicklungen beim Gesundheitszustand vernachlässigt. Nicht zuletzt wird die postdemokratische Tendenz der Kopplungsvariante kritisiert:

"Man kann dies als Versuch werten, die hochpolitische Debatte um das Renteneintrittsalter zu entpolitisieren und einer demokratischen Entscheidungsfindung zu entziehen."

Mehr Transparenz z.B. durch die Einführung des Produktblatts (PIB) bei der Riester-Rente löst für BÄCKER nicht das grundsätzliche Problem der kapitalgedeckten Altersvorsorge: die fehlende Vorhersehbarkeit und damit fehlende Planungssicherheit für die Rentner.

Zu den künftigen Themen zählt BÄCKER die nationalkonservativen Vorstellungen der AfD:

"Die Kinderlosen sollen (...) höhere Beiträge zahlen. Damit wird, polemisch gesprochen, eine Grenze zwischen selbstlosen Müttern und selbstbezogenen Karrierefrauen gezogen. Ähnliche Äußerungen stammen auch vom ehemaligen Sozialrichter Jürgen Borchert."

Hinsichtlich der Selbständigen und der Digitalisierung der Arbeitswelt plädiert BÄCKER für einen Absicherung der Selbständigen in der GRV

KLÖCKNER, Marcus (2017): Journalismus als Durchlauferhitzer.
Journalist und Buchautor Stephan Hebel über etablierte und alternative Medien,
in:
Telepolis v. 01.01.

MICHLER, Inga (2017): Freiheit mit 60.
Vorsorgelücke: Die meisten Deutschen würden gerne früher in Rente gehen, mit 60,2 Jahren. Bleibt nur die Frage: Woher soll das Geld dafür kommen?
in:
Welt am Sonntag kompakt v. 01.01.

Wäre dies ein Schulaufsatz, dann würde darunter Thema verfehlt stehen, denn ums Geld für den vorzeitigen Ruhestand geht es in dem Artikel nicht, sondern die Springer-Presse hat durch das angeschlagene GfK-Konsumforschungsinstitut erfragen lassen, ob die Propaganda der Mainstreammedien, die das Weiterarbeiten über die Altersgrenze hinaus als Herzensangelegenheit predigen, bereits Erfolg gezeitigt hat. Das hat sie jedoch nicht. Entgegen allen Artikeln, die in den letzten Jahren den älteren Spaßarbeiter zum Leitbild erhoben haben, interessiert das noch nicht einmal die Bessergebildeten:

"Es sind nicht diejenigen mit Abitur und Hochschulabschluss, die so gerne arbeiten, dass sie möglichst spät damit aufhören wollen. Es sind gerade die Menschen mit Hauptschulabschluss, die mit 60,3 Jahren eine etwas spätere Rente anstreben",

interpretiert MICHLER Umfrageergebnisse, deren Original uns jedoch vorenthalten werden.  Offenbar sind sie nicht geeignet, das zu untermauern, was MICHLER in sie hineininterpretiert. Denn sonst gäbe es doch keinen Grund, uns die Ergebnisse vorzuenthalten? Uns wird nur die Antwort von Altersgruppen zum gewünschten Renteneintritt präsentiert und zwar ohne, dass dies auch von ihnen finanziert werden können muss.

Vor diesem Hintergrund belehrt uns MICHLER nun, dass unsere Wünsche aufgrund der demografischen Entwicklung nicht finanzierbar seien. Dazu wird uns das Jahresgutachten der "Wirtschaftsweisen", die uns als "ökonomisches Gewissen der Nation" vorgestellt werden, obwohl sie nur Lobbyisten der Arbeitgeber sind. Uns soll die "Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung" als alternativlos eingeredet werden. Dazu wird auch vor Lügen nicht zurückgeschreckt:

"Ein besonderes Geschenk bereitete die Große Koalition langjährig Versicherten wie etwa Facharbeitern. Sie können seit 2014 ohne Abschläge schon mit 63 Jahren in Rente gehen."

Dies ist falsch. Die Deutsche Rentenversicherung schreibt dazu in ihrer Pressemittelung v. 20.12.2016 auf ihrer Website:

"Bei der abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 steigt die Altersgrenze auf 63 Jahre und vier Monate. Das gilt für Versicherte, die 1954 geboren wurden und im nächsten Jahr (Anm.d.V.: 2017) 63 werden. Für die folgenden Geburtsjahrgänge erhöht sich das Eintrittsalter um je zwei weitere Monate. 2029 ist dann die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht ist."

Wenn MICHLER hier schon so schlampig ist, dann darf es uns auch nicht wundern, wenn sie Fakten freizügig interpretiert.

"Laut GfK-Umfrage können sich noch nicht einmal fünf Prozent der Befragten damit anfreunden, erst ab 67 Jahren in Rente zu gehen. Mehr als 83 Prozent würden dagegen am liebsten noch vor ihrem 65. Geburtstag aufhören zu arbeiten."

Damit solche Vorstellungen nicht in die Tat umgesetzt werden, hat sich u.a. das Berliner "Silver Workers Institute" gegründet. Dessen wohlklingende Propaganda wird uns durch den Wirtschaftspsychologen Jürgen DELLER nahe gebracht.

Die Flexi-Rente wird uns von MICHLER auf die neoliberale Zielsetzung hin reduziert: das Weiterarbeiten nach der Regelaltersgrenze. Ein Chor von Fachkräftemangel-Propagandisten begleitet diese Sichtweise.

Weil aber alle diese Argumente zu fadenscheinig sind - schließlich muss die frühe Rente ja finanziert werden, d.h. das Weiterarbeiten ist für viele Menschen zukünftig Zwang und nicht Spaß - wird uns die Rente als Krankmacher eingeredet. Tatsächlich gibt es Menschen, denen die Rente nicht gut tut, nur werden diese uns pauschal als Negativbeispiel dargestellt. Wen also Neoliberale schon nicht davon abhalten können, frühzeitig in Rente zu gehen, denen machen sie zumindest ein schlechtes Gewissen. Als Ablasshandel wurde deshalb das Ehrenamt entwickelt. Viel sinnvoller wäre es jedoch das Ehrenamt als bezahlte Arbeit anzubieten. Hier könnten genügend sinnvolle Arbeitsplätze für Ältere geschaffen werden. Das aber widerspricht jedoch den Profitinteressen der Wirtschaft. Alternativ könnten auch die Arbeitsbedingungen für ältere Menschen verbessert werden. Aber auch das ist nicht im Sinne der Wirtschaft, die ältere Menschen entweder durch die Teilrente subventiert gegen jüngere Arbeitswillige ausspielen möchte oder zumindest als Reservearmee benötigt, um die Lohnentwicklung zu bremsen.

ENGARTNER, Tim (2016): Rendite statt Rente - oder: Die Privatisierung der Altersvorsorge,
in: Gesellschaft - Wirtschaft - Politik,
Heft 4, S.419-426

Tim ENGARTNER, Verfasser des vor kurzem erschienenen Buchs Staat im Ausverkauf, kritisiert die Teilprivatisierung der Rentenversicherung.

"Selbst in weiten Teilen der SPD, der Gewerkschaften und der Kirchen formierte sich kein (wirksamer) Widerstand gegen die »Verschlankung« des gesetzlichen Rentenversicherungssystems" (2016, S.419),

nennt ENGARTNER jene, die eigentlich energisch Widerstand hätten leisten müssen, aber entweder wie die Gewerkschaften zu lange auf die Durchsetzbarkeit eigener Interessen hofften, oder sich der Marktgläubigkeit unterordneten. ENGARTNER beschreibt die Vorteile des Umlageverfahrens und stellt es den Nachteilen der Kapitaldeckung mit seinen Unsicherheiten und Risiken gegenüber.

ENGARTNER weist auf die Nachteile der Entgeltumwandlung bei der betrieblichen Altersvorsorge hin, die derzeit selbst von den Gewerkschaften forciert wird:

"Begleitet wurde die Reform der gesetzlichen Rentenversicherungssysteme durch die sogenannte Entgeltumwandlung von Gehaltsteilen, sodass nun Teile des Gehalts in eine betriebliche Altersvorsorge oder Direktversicherung fließen können. Damit profitieren Gutverdiener zu Lasten der Geringverdiener, weil das dann niedriger Durchschnittsentgelt das allgemeine gesetzliche Rentenniveau senkt. Zugleich fließt weniger Geld in die Kranken- und Pflegeversicherung, die Arbeitgeber hingegen können einen Teil der Sozialabgaben sparen." (2016, S.423)

KREMER, Dennis (2017): Das Zeitalter der ETF.
Indexfonds (ETF) sind populär wie nie. Weil sie einfach und günstig sind. Ihr Siegeszug markiert eine Zeitenwende an den Finanzmärkten,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 01.01.

SOMMER, Ulf (2017): Auf lange Sicht immer erfolgreich.
Leidartikel: Hinter Aktien steckt mehr als heiße Luft,
in: Handelsblatt
v. 03.01.

Ulf SOMMER ist nichts anderes als ein Durchlauferhitzer für das Deutsche Aktieninstitut, dessen Propaganda SOMMER nachplappert und sogar noch falsch:

"Wer ganz sichergehen will, muss mindestens 15 Jahre lang investiert bleiben, denn über so einen langen Zeitraum entstand noch nie ein Minus - egal, wie ungünstig ein Einstieg auch war."

Das widerspricht der aktuellen DAI-Broschüre Lebensstandard im Alter sichern – Rentenlücke mit Aktien schließen:

"Bei historischen DAX-Sparplänen von 15 Jahren betrug (...) der Verlust für die schlechteste 15-Jahres-Periode (...) noch -0,4 Prozent." (2016, S.21)"

Aber Ulf SOMMER ist mit seiner Propaganda In guter Gesellschaft (mehr hier und hier),

ÖCHSNER, Thomas (2017): Früher Vogel fängt den Wurm.
Auch Frührentner können mit freiwilligen Zusatzbeiträgen ihr Altersgeld aufstocken,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 05.01.

Thomas ÖCHSNER berichtet über mögliche freiwillige Einzahlungen in die Rentenkasse, mit denen Abschläge beim vorzeitigen Renteneintritt vermieden werden können. Anlass ist das Inkrafttreten des Flexirentengesetzes. Daneben macht er Werbung für Rentenbeitragszahlungen von Minijobbern, die sich meist befreien lassen.

MUßLER, Hanno (2017): Vermögensverwalter senken Aktienquote.
Nach dem Aufschwung am Aktienmarkt scheuen Vermögensverwalter oft vor mehr Aktien zurück. Wie eine Umfrage zum richtigen Vermögensmix für 2017 zeigt, lenken sie freie Mittel eher in Anleihen und Gold,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 05.01.

Privatanlegern wird seit geraumer Zeit die Aktie als Königsweg der Altersvorsorge angepriesen. Daniel MOHR und andere werden nicht müde mit hohen Renditenversprechen als Durchlauferhitzer des DAI, der Lobbyorganisation der Aktie, zu fungieren (mehr auch hier). Dabei werden Kosten und Risiken von Aktien verharmlost.

Besonders für Schlechterverdienende, die keine oder nur geringe Möglichkeiten der Diversifikation besitzen, besteht die große Gefahr ihre Altersvorsorge durch Falschanlage aufs Spiel zu setzen. Gewinner sind auf alle Fälle die Finanzdienstleister, die beim Erfinden von Hintertürchen der Risikoabwälzung auf die Kunden clever genug sind. 

BRANDSTETTER, Barbara (2017): Mit freiwilligen Beiträgen die Rente aufbessern.
Die Vermögensfrage: Freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung rechnen sich vor allem für Leute ab 55 Jahren. Aber auch Jüngeren steht die Möglichkeit offen. Allerdings sind die fetten Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung aller Voraussicht bald vorbei,
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 07.01.

Bereits Mitte August predigte Barbara BRANDSTETTER die freiwilligen Zuschussbeiträge als lukrative Möglichkeit zur Aufbesserung der Rente. Die fetten Jahre sind gemäß Rentenversicherungsbericht 2016 erst 2023 vorbei, wenn die derzeit niedrigen Beiträge steigen sollten und das Rentenniveau sinkt.

"Besonders lukrativ sind Ausgleichszahlungen derzeit für rentennahe Ostdeutsche. Die Angleichung der Ost- an den West-Rentenwert ist beschlossen und soll 2025 finalisiert sein. Daher können Ostdeutsche aktuell die Möglichkeit nutzen, vergleichsweise günstig Entgeltpunkte zu erwerben. So liegt der Wert eines Entgeltpunktes im Osten derzeit bei 28,66 Euro, im Westen sind es 30,45 Euro. Bei einer weiteren Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert steigt auch der aus einer geringeren Beitragszahlung resultierende Betrag der Rente",

berichtet BRANDSTETTER. Die Differenz des Rentenwertes liegt 2016 aber nur noch bei 1,79 Euro. 2015 wären es noch 2,16 Euro gewesen. Wer also länger wartet, der könnte zu spät kommen, weil die Differenz mit jedem Jahr weiter abnimmt. Inwieweit das Gesetz die Lukrativität von Einzahlungen erhöht hängt auch von Faktoren ab, die nichts mit dem Gesetz zu tun haben, z.B. mit der Lohnentwicklung in Ost und West, von der der Rentenwert abhängig ist. 

PAPON, Kerstin (2017): Neues Rekordjahr für Indexfonds.
Inzwischen sind gut 3,4 Billionen Dollar in den kostengünstigen ETF investiert. Doch die Branche wandelt sich: 2016 kauften Anleger erstmals mehr Fonds auf Anleihen als auf Aktien,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 12.01.

ZYDRA, Markus (2017): Haus schlägt Aktie.
Die meisten Geldprofis gehen bis heute davon aus, dass Aktien die lukrativste Geldanlage sind. Eine Untersuchung beweist nun, dass Immobilien mehr bringen. Sollte also jeder ein Haus kaufen? So einfach ist es nicht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 12.01.

Markus ZYDRA liefert einen einseitigen Bericht ab, der nur auf Sensation aus ist, aber nicht die unrealistischen Annahmen der noch unveröffentlichten Studie von Moritz SCHULARICK nennt. Ausführlicher und weniger reißerisch hat das Handelsblatt schon im November über die Studie berichtet.

BEEGER, Britta (2017): Bloß nicht dran denken!
Viele junge Menschen sind durch die Rentendebatte verunsichert. Sie glauben, mehr privat für das Alter vorsorgen zu müssen - und tun es trotzdem nur selten. Ein Blick in die Gefühlslage,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 14.01.

BMAS (2017): Verbreitung der Altersvorsorge 2015 (AV 2015) - End- und Methodenbericht,
in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales v. 16.01.

MJJ (2017): Betriebsrente dominiert private Altersvorsorge.
Finanzen: Nur 20 Prozent verfügen über eine Betriebs- und Riester-Rente,
in:
ihre-vorsorge.de v. 19.01.

CREUTZBURG, Dietrich (2017): Pensionäre erhalten durchschnittlich 3.000 Euro Ruhegeld.
Versorgungsbericht der Regierung liefert neue Zahlen. Innenministerium gegen direkte Vergleiche mit Rentnern,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 21.01.

Der Sechste Versorgungsbericht der Bundesregierung (S.13) bildet die Systematik des Alterssicherungssystems in Deutschland folgendermaßen ab:

Sicherungsfunktion

Arbeitnehmer/in

Beamte / Richter / Berufssoldaten
Privatwirtschaft Öffentlicher Dienst
Regelsicherung
(1. Säule)
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Beamten- und Soldatenversorgung
Zusatzversicherung
(2. Säule)
Betriebsrente Zusatzversorgung/
Betriebsrente
(VBL / kommunale Zusatzversogrungskassen
Private Altersvorsorge
(3. Säule

Eigenverantwortliche Altersvorsorge

Ein Vergleich von gesetzlicher Rente mit der Beamtenversorgung ist nach dieser Sicht unzulässig, denn die Beamtenversorgung entspricht nach dieser Systematik der erste und zweiten Säule der Alterssicherung. Hinzu kommt, dass sich die Sozialstruktur von Beamten und Nicht-Beamten dahingehend unterscheidet, dass sie gebildeter sind als jene in der gesetzlichen Rentenversicherung.

"Beamte (haben) im Durchschnitt eine höhere Berufsqualifikation (...) als der durchschnittliche Arbeitnehmer. So kommen 70 Prozent der Pensionäre des Bundes aus dem gehobenen oder höheren Dienst, wofür in der Regel eine akademische Bildung erforderlich ist. Unter den mehr als 30 Millionen Arbeitnehmern haben dagegen weniger als 40 Prozent Abitur oder Fachhochschulreife erreicht, hätten also die Voraussetzungen für eine solche Laufbahn",

berichtet Dietrich CREUTZBURG. Nicht berichtet wird dagegen, dass Bundesbeamte im Vergleich zu Arbeitnehmern eine sehr kleine Gruppe sind:

"Die Zahl der Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter, Berufssoldatinnen Berufssoldaten im unmittelbaren Bundesbereich (nachfolgend Bundesbedienstete) belief sich im Jahr 2014 auf rund 177.900. Das ist der niedrigste Stand seit 1992."

Landes- und Kommunalbeamte fehlen im Versorgungsbericht, sodass der Bericht keinen Gesamtüberblick über die Beamtenversorgung in Deutschland ermöglicht.

KREMER, Dennis (2017): Der Urvater aller Indexfonds.
John Bogle hat die Geldanlage revolutioniert: Vor 40 Jahren erfand er den ersten Indexfonds (ETF). Heute kopieren alle seine Idee,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 22.01.

MOHR, Daniel (2017): Mehr Altersvorsorge in Fonds.
Privatanleger jedoch zurückhaltend. Mischfonds gefragt,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 24.01.

Neoliberale berichten lieber über Erfolgsmeldungen in Sachen Kapitaldeckung. Statt die gesetzliche Rente zu fördern, sollen die Profite der Finanzmarktakteure durch Subventionen gesichert werden. Die Propaganda der Lobbyisten war erfolgreich: Garantien sind kein Thema mehr. Die Risiken werden inzwischen voll auf die Kunden abgewälzt. Diese hoffen jedoch, dass nur die dummen Anderen Fehlinvestitionen tätigen:

"Garantiefonds (...) schließen reihenweise und verzeichneten 2016 Abflüsse von mehr als 4,5 Milliarden Euro."

BOEHRINGER, S. & J. WILLMROTH (2017): Risiko, was ist das?
Die Europäer wissen wenig über finanzielle Zusammenhange,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 28.01.

Die Finanzdienstleister möchten uns gerne schon in der Schule so bilden, dass sie davon profitieren, weshalb wir von Studien in ihrem Auftrag regelmäßig zu finanziellen Analphabeten erklärt werden. So auch wieder durch eine Auftragsstudie des Allianz-Konzerns in 10 europäischen Ländern. Dazu werden uns Fragen gestellt, die für den Finanzmarktalltag wenig tauglich sind. Nützt es jemanden etwas über Renditen zu wissen, der kein Geld fürs Sparen übrig hat? Ich könnte z.B. alle Fragen richtig beantworten und dennoch der Meinung sein, dass z.B. die Kapitaldeckung gegenüber der Umlagefinanzierung die schlechtere Lösung ist. Das aber wollen solche Umfragen gar nicht wissen! Sie schreiben unsere Zurückhaltung lieber unserer ungenügenden Finanzbildung zu.

SCHERFF, Dyrk (2017): Früh spart, wer reich werden will.
Mäusekonten, Hipp Baby Sparbücher oder Biene-Maya-Schutzbriefe sollen Eltern zum Sparen für ihre Kinder verführen. Doch der Zins darauf ist nicht der Rede wert. Es gibt bessere Möglichkeiten,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 29.01.

SCHERFF, Dyrk (2017): Aktien sind unschlagbar.
Der Dow Jones ist der berühmteste Börsenindex der Welt. Sein jüngster Rekord beweist: Wer etwas Zeit mitbringt, macht mit Aktien Gewinn,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 29.01.

SIEDENBIEDEL, Christian (2017): Die Inflation ist nicht leicht zu schlagen.
Die Inflationsrate ist im Januar auf 1,9 Prozent gestiegen. Wo gibt es noch so hohe Zinsen fürs Ersparte, dass dieser Kaufkraftverlust ausgeglichen wird?
in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung v. 31.01.

ÖCHSNER, Thomas (2017): Frauen holen bei der Rente auf.
Männer erwerben in Zukunft geringere Ansprüche, zeigt eine neue Studie des DIW,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 02.02.

Bericht über den DIW-Wochenbericht Gender Pension Gap.

BRANDSTETTER, Barbara (2017): Sicher fürs Alter vorsorgen.
Die Vermögensfrage: Selbständige, Freiberufler und Mütter können sich mit freiwilligen Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung eine Leibrente aufbauen. Das rechnet sich insbesondere für Leute von 55 Jahren an,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 04.02.

Barbara BRANDSTETTER berichtet ausführlich darüber wie sich Spitzenverdiener durch freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung ihre üppigen Alterseinkommen auf Kosten der Schlechterverdiener noch erhöhen können. Dazu gehören z.B. Anwälte oder Ärzte, die über eigene Versorgungswerke versorgt sind, genauso wie Mütter mit einem   Spitzenverdiener an ihrer Seite oder hohe Beamte. Grundsätzlich steht diese Möglichkeit natürlich auch Schlechterverdienern zu, aber deren Möglichkeiten sind durch fehlendes Vermögen und mangelhafte Ausnutzung steuerlicher Vorteile sehr eingeschränkt. Als Experten werden der Fachanwalt für Sozialrecht Christian WAGNER, der Finanzmathematiker Werner SIEPE und der Finanztest-Mitarbeiter Theodor PISCHKE zitiert. 

KREMER, Dennis (2017): Schöne Kurve, schöne Gewinne.
Indexfonds (ETF) sind bliebt wie nie. Das können Anleger nutzer. Sie brauchen nur die Aktie der Firma MSCI kaufen, die für die wichtigsten Börsenindizes der Welt verantwortlich ist,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 05.02.

SCHICKENTANZ, Chris-Oliver (2017): Mehr Rendite im Alter.
Profi-Anlageempfehlung,
in: Handelsblatt
v. 09.02.

Der Artikel zeigt, dass beim Handelsblatt PR und Journalismus vermischt werden: Ein Commerzbank-Mitarbeiter kann hier kostenlos Werbung für einen Themen-ETF machen. Dass diese Werbung, die als "Anlageempfehlung" geadelt wird, im Gewande eines "informativen Artikels" präsentiert wird, wirft ein schlechtes Licht auf den Journalismus.

KELNBERGER, Josef (2017): Sparsam ist relativ.
Die Abgeordneten in Baden-Württemberg sollen wieder staatlich fürs Alter vorsorgen können,
in: Süddeutsche Zeitung
v. 09.02.

Erst 2008 setzten Baden-Württembergs Landtagsabgeordnete mit einer Reform auf die private Altersvorsorge. Nun haben sie ihren kurzen Ausflug in die raue Welt der privaten Altersvorsorge wieder beendet. Wir können dagegen nicht wählen, ob wir der privaten Altersvorsorge den Rücken kehren wollen. Wir werden von der Bundesregierung zur Subvention der Finanzdienstleister gezwungen, weil die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr lebensstandardsichernd ist.

WAGSTAFF, Chris (2017): Behavioral Finance für die Altersvorsorge.
Standpunkt,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 11.02.

Chris WAGSTAFF will statt Belehrung den Nachahmungseffekt ausnutzen, um die Bevölkerung in die Arme der Finanzwirtschaft zu treiben:

"Menschen (...) neigen (dazu), sich der sozialen Norm anzupassen. Solange die öffentliche Debatte den Eindruck vermittelt, unzureichende Altersvorsorge sei die soziale Norm, dürften Menschen wenig Anlass sehen, ihre Einstellung zu ändern. Positivbeispiele können mehr bewirken als Negativbeispiele, die bislang die Debatte bestimmen.

Die Finanzindustrie solle zudem Spielfilme und Talkshows mit dem Altersvorsorgegedankengut infiltrieren, als ob das nicht bereits der Fall wäre!

Die Altersvorsorge ist eine Wette auf die Zukunft. Pikanterweise will WAGSTAFF dieses Glücksspiel zusätzlich noch durch Gewinnspiele attraktiver machen. Je mehr gespart wird, desto höher sollen die Gewinnchancen sein. 

KREMER, Dennis (2017): Häuser lohnen sich mehr als Aktien.
Immobilien sind die beste Geldanlage, sagt Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick. Er hat die Hauspreise seit dem Jahr 1870 erforscht,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
v. 12.02.

STIEBER, Benno (2017): Unverblümte parlamentarische Selbstbedienung.
Baden-Württemberg: Der Landtag genehmigt sich eine üppige Altersvorsorge. Doch das könnte gekippt werden - durch einen Volksbeteiligung, die das Parlament 2016 beschlossen hatte,
in:
TAZ v. 14.02.

Benno STIEBER berichtet über die Selbstbedienungsmentalität der Baden-Württembergischen Landtagsabgeordneten, denen ein Volksantrag droht. Dazu wären nur 40.000 Unterschriften nötig (O,5 Prozent der Wahlberechtigten):

"Allein die Drohung, dass die Bevölkerung die Abgeordneten via Volksantrag zum Rapport zwingen könnte, zeigt erste Wirkung".

MOHR, Daniel (2017): Mehr Jüngere kaufen Aktien,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 15.02.

Daniel MOHR füttert uns mit der am Dienstag veröffentlichten PR des Deutschen Aktieninstituts - ohne uns jedoch die ganze Wahrheit zu den geschönten Zahlen zur "Zusatzrente" zu präsentieren, denn dazu müsste man die 12seitige Broschüre zu den Aktionärszahlen 2016 lesen:

"Annahmen: Ansparphase über 30 Jahre mit 50 Euro Anlage pro Monat, Anlage jeweils zum Stand des DAX oder REXP am Monatsende, keine Berücksichtigung von Steuern und Transaktionskosten: Zeitraum der Berechnung, 1967-2016" (S.9)

In der Printausgabe wird uns sogar nur der höchstmögliche Durchschnittswert präsentiert:

"Wer in der Vergangenheit 30 Jahre lang monatlich einen Sparbetrag von 50 Euro in Aktien investiert habe, konnte damit im Durchschnitt eine Zusatzrente von 870 Euro im Monat erzielen, die 20 Jahre lang gezahlt wird."

Online wird dagegen zumindest darauf hingewiesen, dass man auch Pech haben konnte:

"Selbst im Falle einer ungünstigeren Entwicklung der Aktienmärkte waren es immer noch 360 Euro."

Nur bezieht sich das eben nicht auf Aktien, sondern nur auf einen Indexfonds und ohne die Kosten zu berücksichtigen. Uns wird also ein nicht erreichbares Ideal präsentiert. Aufklärung sieht anders aus! Und ob in Zukunft solch hohe Renditen wie in der Vergangenheit noch möglich sind, weiß niemand.

SOLDT, Rüdiger (2017): Vertrauensspeck aufgebraucht.
Das Scheitern der Neuregelung der Altersversorgung im Südwesten schadet auch der Koalition,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 17.02.

KOUFEN, Sebastian & Christiane LOOS (2017): Rentenbezugsmitteilungen als neue Datenquelle,
in:
WISTA, Heft 1, S.82-94

MOHR, Daniel (2017): Deutsche Fonds verwalten 2,8 Billionen Euro.
Die Bedeutung von Fonds für die Altersvorsorge wächst stetig. Systemrelevant will die Branche aber keinesfalls sein,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung
v. 22.02.

Daniel MOHR nervt mit dem Gejammer des Lobbyverbandes BVI, das er uns filterlos vorsetzt. Dass der Verband gegen einen Deutschland-Fonds als Konkurrenzprodukt ist und Regulierung ablehnt (höchstens sie trifft die Wettbewerber) ist selbstverständlich.

"Die Bundesbank weist ein Geldvermögen der Deutschen von gut 5,5 Billionen Euro aus. Vereinfacht gesagt, steckt damit jeder zweite Euro der Deutschen direkt oder indirekt über Versorgungswerke, Betriebsrenten und Versicherungen in Fonds",

erläutert MOHR, dennoch wirft er uns mit dem BVI-Blick vor, dass wir nicht genug in "renditestarke" Aktien (also risikoreich) investieren:

"In den Vereinigten Staaten haben 52 Prozent der Menschen Aktien und hierzulande nur 14 Prozent und das (...), weil es eine steuerlich geförderte private Altersvorsorge gibt".

Regulierung: nein, Subventionen: nehmen wir sofort! WILLMROTH zitiert dagegen ganz anders:

"»Im europäischen Vergleich stehen wir gar nicht schlecht da.« Denn im europäischen Ausland besitzen die Bürger auch nicht mehr Aktien, sei es über Fonds oder als direkte Beteiligung. In Österreich sind neun Prozent der Bürger Aktionäre, in Frankreich nur sieben. In Deutschland sind es 14 Prozent."

Anders als MOHR weist WILLMROTH auf die Interessen des Verbandes hin:

"Pross ist Präsident des Verbands BVI, des politischen Arms der deutschen Fondsgesellschaften. Denen geht es gut: 2016 war für die Branche ein weiteres Rekordjahr. (...). Dem BVI ist daran gelegen, diesen Anteil weiter zu erhöhen".

Bei MOHR erscheint das Rekordergebnis dagegen unbefriedigend:

"Vor allem Privatanleger hielten sich zurück und legten unter dem Strich nur 6,5 Milliarden Euro in Fonds an nach außergewöhnlich hohen 72 Milliarden Euro im Vorjahr".

NARAT, Ingo & Anke REZMER (2017): Die große Ernüchterung.
Privatanleger haben deutlich weniger neues Kapital in Publikumsfonds angelegt als im Jahr zuvor. Mischfonds bleiben ihre Favoriten,
in: Handelsblatt
v. 23.02.

NARAT & REZMER spielen wie MOHR lediglich den Durchlauferhitzer für den Lobbyverband BVI. Zusätzlich machen sie indirekt Werbung für Indexfonds, indem sie uns PR der Ratingagentur Scop Analysis präsentieren, bei denen Mischfonds schlechter aussehen.

KÖHLER, Peter & Robert LANDGRAF (2017): Druck auf Megafonds.
Beteiligungskapital: Die Finanzinvestoren zahlen im Wettbewerb um lukrative Deals immer höhere Preise. Grund ist der hohe Anlagedruck der Kapitalverwalter,
in:
Handelsblatt v. 27.02.

"Der riesige Geldüberhang im Markt führt (...) dazu, dass die Finanzinvestoren riskanter wirtschaften. Daran sind aber auch die Finanzierer der Beteiligungsfonds - Versorgungswerke, Pensionskassen und Stiftungen - nicht ganz unschuldig",

schreiben KÖHLER & LANDGRAF. Steht also die betriebliche Altersvorsorge bald vor dem Abgrund? Was passiert, wenn sich die Renditeerwartungen als Luftnummer erweisen?

"Finanzinvestoren wie Advent kaufen Unternehmen, trimmen diese auf Effizienz und verkaufen sie dann weiter oder bringen sie an die Börse",

beschreiben  KÖHLER & LANDGRAF das Geschäft der Private-Equity-Unternehmen. Was diese Beschreibung für die Arbeitnehmer der Unternehmen bedeutet, steht dagegen auf einem ganz anderen Blatt.

FERBER, Michael (2017): Führt die demografische Entwicklung zu Inflation oder zu Deflation?
Ein "asset meltdown" als Folge der Alterung in Industrieländern gilt als wenig wahrscheinlich,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 28.02.

Welche Auswirkungen hat die demografische Entwicklung auf die Geldanlage? Fördert sie die Inflation oder die Deflation? Das ist offenbar eine Frage des jeweiligen Zeitgeistes. In Zeiten des TRUMP-Hypes werden nun die pessimistischen Annahmen einer "säkularen Stagnation" entsorgt wie uns Michael FERBER mit Verweis auf etliche Studien erklärt. Warten wir also ab, was passiert, wenn sich der TRUMP-Hype in Wohlgefallen aufgelöst hat.

FRÜHAUF, Markus (2017): Blackrock will sich stärker einmischen.
Aufsichtsratchef Friedrich Merz hält Gehaltsexzesse für gefährlich. Der Vermögensverwalter will künftig in Einzelfällen mehr mitreden,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 09.03.

Die großen Vermögensverwalter wie Blackrock sind in die Kritik geraten. Nun bietet die FAZ dem ehemaligen CDU-Abgeordneten Friedrich MERZ, der Blackrock in Deutschland mehr Macht verschaffen soll, eine Plattform, um sich als Robin Hood aufzuspielen. Der Wahlkampf von Martin SCHULZ lässt grüßen!

HANDELSBLATT-Titelthema: Gefährliches Spiel mit der Rente.
Mehr als 100 Milliarden Euro kostet nach exklusiven Berechnungen die neue Rentenpolitik der Regierung. Doch damit nicht genug: Die Wahlkämpfer versprechen bereits weitere Wohltaten. Bezahlen müssen das Arbeitnehmer und Unternehmen

THELEN, Peter (2017): Die Kosten der schwarz-roten Rentenpolitik.
Wahlkampf um die Rente: Neue Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft belegen: Schon die Rentenpolitik in dieser Legislatur belastet künftige Generationen mit einem dreistelligen Milliardenbetrag. Dabei hat der der Rentenwahlkampf noch gar nicht begonnen,
in:
Handelsblatt v. 14.03.

Weil sich der SPD-Kanzlerkandidat Martin SCHULZ bislang zur Rentenpolitik nicht konkret geäußert hat, bläst das Handelsblatt nun Berechnungen der Arbeitgeberlobby IW Köln zu den angeblichen Kosten des Rentenpakets 2014 zum Titelthema auf. Basis ist das IW Policy-Paper Kosten der schwarz-roten Rentenpolitik – eine Heuristik von Jochen PIMPERTZ.

KROHN, Philipp (2017): Mehr Übersicht über die Rente.
Versicherer befürworten einheitliche Darstellung,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.03.

Philipp KROHN stellt eine nicht-repräsentative Studie vor, wonach sich die Lebensversicherer für eine säulenübergreifende Darstellung ihrer Rentenansprüche auf einer Renteninformation aussprechen.

OBERHUBER, Nadine (2017): Der Mythos vom Haus.
FAS-Serie Geldirrtümer (22): Eine Immobilie ist eine Geldanlage, die nie an Wert verliert. Das ist ein Irrtum, der Hausbesitzer teuer zu stehen kommen kann,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 19.03.

SCHERFF, Dyrk (2017): Warum steigen die Kurse immer weiter?
Eine Börsenregel besagt: Steigende Zinsen sind Gift für Aktien. Jetzt erhöht Amerika den Leitzins, und trotzdem legen die Kurse zu. Zeit zum Umdenken,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 19.03.

KREMER, Dennis (2017): Wo gibt's die besten Fonds?
Die Deutschen haben so viel Geld in Fonds investiert wie nie. Höchste Zeit zu prüfen, ob sie auch die richtigen Fonds gekauft haben,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 19.03.

BMAS (2017): Gute Löhne, gute Rente: Gesetzliche Altersbezüge steigen zum 1. Juli,
in:
Pressemitteilung des Bundesarbeitsministeriums v. 22.03.

"Nach den nun vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung Bund steht die Rentenanpassung zum 1. Juli 2017 fest: In Westdeutschland steigt die Rente um 1,90 Prozent, in den neuen Ländern um 3,59 Prozent. Damit beträgt der aktuelle Rentenwert (Ost) nun 95,7 Prozent des aktuellen Rentenwerts West (bisher: 94,1 Prozent)", meldet das Bundesarbeitsministerium.

HOFFMANN, Catherine (2017): Mehr Netto.
Die Reallöhne in Deutschland sind 2016 das dritte Jahr in Folge gestiegen - weil die Inflation so gering ist,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 23.03.

Catherine HOFFMANN berichtet über die Pressemitteilung Reallöhne im Jahr 2016 um 1,8 % gestiegen des Statistischen Bundesamts. Sie geht mit dem DIW davon aus, dass dieses Jahr die Reallöhne und damit die Kaufkraft sinken könnten

SCHWENN, Kerstin & Maja BRANKOVIC (2017): Spürbarer Rentenaufschlag in Ost und West.
Die Reallöhne sind im dritten Jahr in Folge gestiegen. Das merken auch Ruheständler auf ihrem Konto,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.03.

GÖBEL, Heike (2017): Teilhabe im Alter.
Kommentar,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 23.03.

SAUER, Stefan (2017): Der Osten holt auf bei der Rente.
Erhöhung fällt deutlicher aus als im Westen,
in:
Frankfurter Rundschau v. 23.03.

ÖCHSNER, Thomas (2017): Gute Löhne, gute Renten.
Die Altersbezüge steigen dieses Jahr vor allem in Ostdeutschland spürbar,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 23.03.

MEINHARDT, Volker (2017): Die Auswirkungen der Entgeltumwandlung auf die gesetzliche Rente.
Alterssicherung: Betriebsrente versus gesetzliche Rente?
in:
Soziale Sicherheit, Heft 4

Volker MEINHARDT zeigt die Auswirkungen einer forcierten Entgeltumwandlung auf, wie sie durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz geplant ist. Dabei unterscheidet MEINHARDT drei Personengruppen, die von der Entgeltumwandlung unterschiedlich betroffen sind:

1) Arbeitnehmer, die Entgelte unterhalt der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) umwandeln
2) Arbeitnehmer, die Entgelte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) umwandeln
3) Arbeitnehmer, die auf die gesetzliche Rente angewiesen sind und nicht an der Entgeltumwandlung teilnehmen

Die Entgeltumwandlung hat für diese drei Gruppen und die Entwicklung der gesetzlichen Rente unterschiedliche Auswirkungen. Die meisten Arbeitnehmer wandeln Entgelte unterhalb der BBG um und schmälern damit ihre Anwartschaften bei der gesetzlichen Rente. Diese Schmälerung müsste erst kompensiert werden, bevor sie von der Betriebsrente profitieren. Die Spitzenverdiener der oberen Mittelschicht, deren Entgelte auch nach der Umwandlung über der BBG liegen, müssen dagegen keine Schmälerung ihrer Rentenanwartschaften hinnehmen.

Über die Rentenformel hat die Entgeltumwandlung zudem Auswirkungen auf alle Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Dies betrifft zum einen direkt den Rentenwert und zum anderen indirekt über die Beitragsausfälle den Nachhaltigkeitsfaktor und damit letzten Endes auch die Beitragssatzentwicklung. Die Beitragsausfälle beschränken sich jedoch nicht auf die GRV, sondern wirken sich auf alle Zweige der Sozialversicherung aus:

"Werden Teile des Arbeitsentgelts umgewandelt und somit keine Beiträge für diese Teile geleistet, dann vermindern sich für die betroffenen Arbeitnehmer auch die Ansprüche auf die beitragsabhängigen - und damit einkommensbezogenen - Leistungen. Dies gilt für alle Geldleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld und Rentenleistungen. (...).
Aber bei Leistungen, die unabhängig von der Höhe der individuellen Beitragsleistung von den Trägern gewährt werden - dies betrifft vor allem die Sachleistungen im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung - führen die Beitragsmindereinnahmen ceteris paribus zu einer Dämpfung der Ausgaben oder einer Finanzierungslücke, die durch Beitragssatzanhebungen ausgeglichen werden muss. Dies gilt auch für die Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung."

Das Ausmaß der Minderung von Rentenanwartschaften kann sich für den einzelnen Arbeitnehmer mit einer Entgeltumwandlung unterhalb der BBG auf über 100 Euro der Monatsrente belaufen, die erst einmal kompensiert werden müssten, bevor er von einer Betriebsrente profitieren könnte.

Bei der heutigen Verbreitung der Entgeltumwandlung unterhalb der BBG schätzt MEINHARDT eine Minderung des Rentenwertes um 23 Cent, die sich bei 40 Jahren auf 9,20 Euro summieren würden. Bei einer Verdreifachung der Entgeltumwandlung von 22 auf 70 % der Beschäftigten würde sich das auf 27,60 Euro belaufen, um die jede Rente eines Arbeitnehmers geschmälert würde, wobei hier die Wirkungen des Nachhaltigkeitsfaktors unberücksichtig bleiben. Die Bundesregierung verharmlost diesen Aspekt der Entgeltumwandlung. MEINHARDT kommt jedoch zu einem anderen Schluss:

"Die Individualisierung der Alterssicherung über eine Teil- oder Nichtteilnahme an der Entgeltumwandlung unterminiert den solidarischen Aspekt der GRV. Die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung und der Ausbau der betrieblichen Alterssicherung über eine Entgeltumwandlung stehen im Widerspruch zueinander."

Fazit: Die Gewerkschaften, die sich an einer Forcierung des Ausbaus betrieblicher Versorgungssysteme aktiv beteiligen, sind an der Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung aktiv beteiligt. Die DGB-Rentenkampagne wird dadurch letztlich zur Farce.

BRANDSTETTER, Barbara (2017): Abrechnen, bitte!
Für immer mehr Ruhständler wird das Finanzamt zum lebenslangen Begleiter. Allein durch die Rentenerhöhung 2016 sind rund 160.000 Rentner in die Steuerpflicht gerutscht,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 01.04.

WOLFF, Volker (2017): Langes Halten lohnt sich nicht.
Die Vermögensfrage: Steigen die Zinsen, sinken die Kurse der Anleihen und ihrer Fonds. Mit Short-ETF kann man an diesem Kursverfall verdienen. Das Problem dabei: Short-ETF sind unberechenbar,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.04.  

NEUES DEUTSCHLAND-Tagesthema: Digitale Finanzgeschäfte

DYER, John (2017): Fondsmanager haben ausgedient.
BlackRock ersetzt im Aktiengeschäft zunehmend Menschen durch Algorithmen,
in:
Neues Deutschland v. 10.04.

BlackRock vewaltet ca. 5.000 Milliarden Dollar berichtet Hermannus PFEIFFER in seinem Artikel Die unbekannte Börsenmacht. Da nehmen sich die 30 Milliarden  Dollar (weniger als 1 %), die von aktiv auf passiv gemanagte Fonds umgestellt werden und im Artikel von John DYER zum Aufhänger des Tagesthema werden, mehr als mickrig aus. Entscheidender ist hier wohl der Siegeszug von ETF-Indexfonds, der insbesondere von der kapitalgedeckten Altersvorsorge getrieben wird.

DPA (2017): Jedes Jahr 2 Prozent mehr Rente.
Rentenpräsidentin Roßbach zuversichtlich. Bsirske warnt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.04.

ND/Agenturen (2017): Im Schnitt gibt es mehr.
Rentenversicherung verbreitet Optimismus, doch der kommt nicht so richtig an,
in:
Neues Deutschland v. 18.04.

DRIBBUSCH, Barbara (2017): Bloß keine Modernisierung.
Alter: Die Renten steigen weiter. Doch ihr Verhältnis zum Lohnniveau verschlechtert sich. Höhere Wohnkosten und der Tod des Partners sind Verarmungsrisiken,
in:
TAZ v. 18.04. 

Barbara DRIBBUSCH setzt der Warnung vor Altersarmut von Frank BSIRSKE die Zahlen zum Rückgang der Altersarmut im Jahr 2016 entgegen und suggeriert, dass die Zunahme von Doppelverdienerhaushalte ein Beitrag zur Verringerung der Altersarmut wäre:

"Eine boomende Wirtschaft und viele Doppelverdienerhaushalte beispielsweise steigern die Zahl der Erwerbstätigen - und damit die Renten."

Das ist aber keineswegs sicher, denn in der Rentenformel zählt keineswegs die Zahl der Beitragszahler und Rentner, sondern die Zahl der Äquivalenzrentner und -beitragszahler, d.h. die Zunahme der Geringverdiener - trotz boomender Wirtschaft - führt nicht zu Rentensteigerungen. Die Spannbreite der prognostizierten Altersarmut gibt DRIBBUSCH mit 6 - 10 Prozent an, wobei jedoch eine Jahresangabe fehlt! 

MOHN, Dorothea (2017): Mehr Geld im Alter.
Gastwirtschaft: Non-Profit-Produkte bringen mehr Ertrag,
in:
Frankfurter Rundschau v. 19.04.

Dorothea MOHN von der staatlich finanzierten Verbraucherzentrale plädiert für eine staatliche subventionierte Unterstützung der Finanzdienstleister, denn nichts anderes ist das angebliche "Non-Profit-Produkt". Den Fondsgedanken kennen wir schon vom schwarz-grünen Projekt Deutschlandsrente. Nach den Vorstellungen von MOHN soll der Staat die Kostenstruktur der Altersvorsorge verbessern, damit dann "private Gesellschaften die Gelder effizient" anlegen können. Die Finanzdienstleister sparen sich dadurch teure Vertriebs- und Marketingkosten.

Warum also nicht gleich die Finanzbranche außen vor lassen, d.h. die gesetzliche Rentenversicherung stärken? Dies wäre die kostengünstigste Lösung. Dass die Finanzbranche das Geld effizient anlegt, kann niemand garantieren, sondern ist eine Art Lotto mit staatlicher Unterstützung. Geködert werden sollen wir mit angeblich höherer Rendite. Man darf sich ruhig an die Teilprivatisierung des Rentensystems Anfang des Jahrtausends erinnert fühlen, als wir mit vollmundigen Renditeversprechungen geködert wurden, denen sich die Versicherungswirtschaft nun gerne auf Kosten der Versicherten entledigen würde.

REZMER, Anke & Peter THELEN (2017): In der Rentenfalle.
Die Deutschen verlieren das Vertrauen in die private Altersvorsorge. Obwohl eine Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung eine schlechtere Lebensqualität im Alter fürchtet, sparen sie weniger. Die Politik scheint machtlos,
in:
Handelsblatt v. 27.04.

REZMER & THELEN berichten über eine Meinungsumfrage im Auftrag des Lebensversicherers Axa und lassen die Ergebnisse auch gleich von deren Vorstand interpretieren. Wer den Bock zum Gärtner macht, sollte sich über den Vertrauensverlust nicht wundern! Natürlich sparen die Deutschen aus Sicht der Lebensversicherer zu wenig - alles andere wäre ja gegen ihre eigenen Geschäftsinteressen.

RÜRUP, Bert (2017): Abgabenbescheide für Roboter.
Die Sozialkassen brauchen eine neue Finanzierungsquelle,
in:
Handelsblatt v. 02.05.

"Für sich genommen sinkt in einer alternden Gesellschaft die individuelle Arbeitsproduktivität. Dies lässt sich aber durch höheren Kapitaleinsatz kompensieren. Alterung muss daher keineswegs zu Wachstums- und Produktivitätspessimismus führen, wie ihn jüngst die Bundesbank an den Tag legte",

entgegnet Bert RÜRUP. Demografiepessismus sind die Gemeinsamkeiten von Neoliberalismus und Nationalkonservatismus - eine Melange wie sie typischerweise von Hans-Werner SINN verkörpert wird.

MOHR, Daniel (2017): Altersvorsorge im Blindflug.
Das Gelddrucken der Versicherer auf Kosten der Sparer muss ein Ende haben,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.05.

Daniel MOHR will die Profite der Finanzdienstleister retten und plädiert deshalb für eine Aufhübschung der privaten Altersvorsorge, die 3 schwarz-grüne Minister wegen der mauen Geschäftslage wieder einmal ins Spiel gebracht haben. Unter dem Begriff Deutschland-Rente firmiert nun eine revidierte Wiederbelebung der privaten Altersvorsorge, die fatal an die Versprechungen Anfang des Jahrtausends erinnern. Wieder sollen wir mit sagenhaften Renditen geködert werden:

"Wer 30 Jahre einzahlte, bekam in der Vergangenheit im schlechtesten Fall eine jährliche Rendite von 6 Prozent, im besten Fall von 13,6 Prozent",

behauptet nun Daniel MOHR. Dies ist natürlich gelogen. Nicht einmal das Deutsche Aktieninstitut, die Lobbyorganisation der Aktie, lässt solchen Unsinn verlautbaren. Und Volker LOOMAN, der die Millionäre unter den FAZ-Lesern bedient, geht davon aus, dass nicht einmal 6 Prozent Rendite erreichbar sind.

"Teure Versicherer und Fondsgesellschaften werden ihre Pfründe ebenso verteidigen wie die Finanzvertriebe",

glaubt MOHR, um uns weiszumachen, die Finanzdienstleisterbranche würde etwas gegen die Reanimation der privaten Altersvorsorge haben. Niemand garantiert uns jedoch, dass die versprochenen Renditen gehalten werden:

"Und was ist bei Verlusten? Wer haftet dann? Die Antwort muss heißen: Der Anleger".

Oder anders formuliert: Die Finanzdienstleistungsbranche gewinnt immer. Das Risiko trägt auch nicht MOHR, sondern jeder einzelne, der auf diesen Marketingtrick hereinfällt. Einzig die Stärkung der gesetzlichen Rente sorgt dafür, dass Altersarmut kein Massenphänomen wird.

HERZ/KÖHLER/LANDGRAF (2017): Aufstand der Aktionäre.
Der Versicherer Munich Re bekam es als Erster zu spüren: Die Investoren sind nicht länger bereit, den Konzernen einen großzügigen Kapitalrahmen zu gewähren. Diese Erfahrung werden auch andere Dax-Unternehmen machen,
in:
Handelsblatt v. 03.05.

Wer bei der Altersvorsorge auf ETF-Indexfonds setzt, der stärkt damit die großen Fondsgesellschaften, z.B. Blackrock. Diese interessiert nicht das Wohl der Beschäftigten oder der Arbeitsplatzerhalt, sondern lediglich die Rendite und die ist am einfachsten mit Massenentlassungen zu erreichen. Am Ende wird sich die Mittelschicht den Ast absägen, auf dem sie mit ihrer Altersvorsorge zu sitzen gedenkt!

WOLFF, Volker (2017): Peinliche Renditen.
Die Vermögensfrage: Zahllose Fonds, die den Anlegern Geld für Managementleistungen abnehmen und dann doch nur Indizes abbilden. Da sind ETFs die günstigere Lösung,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 06.05.

MIHM, Andreas (2017): Strafzinsen kosten die Sozialversicherung Millionen.
Steigende Kosten durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.05.

Andreas MIHM berichtet über Strafzinsen, die in erster Linie den Gesundheitsfonds betreffen. Statt jedoch Kapitaldeckungsprinzipien als Problem auszumachen, soll an den Symptomen gedreht werden  Die Rentenversicherung ist aufgrund des Umlageverfahrens weit weniger stark betroffen und konnte 2016 sogar ein positives Zinsergebnis erreichen. Auch hier zeigt sich die Überlegenheit der Rentenversicherung gegenüber den stark betroffenen Kapitaldeckungsverfahren.

BRAUNBERGER, Gerald (2017): Die Demografie drückt den Zins erheblich.
Auch der Anstieg der Häuserpreise wird durch die Alterung stark beeinflusst,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.05.

Der Babyboomer Gerald BRAUNBERGER, Jahrgang 1960,  berichtet über einen britischen Bankbericht, der Munition für Neoliberale gegen den Sozialstaat gesammelt hat. Der Artikel liefert deshalb auch lediglich Ergebnisse, aber keine Belege für diese Aussagen.

ZSCHÄPITZ, Holger (2017): 400 Billionen: Es droht die Renten-Krise.
WEF prophezeit riesige globale Pensionslücke,
in:
Welt v. 27.05.

Neoliberale präsentieren gerne hohe Summen, die abschreckend wirken sollen. Die Renten-Krise wird seit Jahrzehnten tagtäglich ausgerufen, nur eintreffen tut sie nie, bzw. immer erst in ein paar Jahrzehnten, z.B. ist nun 2050 oder 2060 en vogue:

"Allein in den Kassen der sechs Länder mit den größten Pensionssystemen der Welt dürfte im Jahr 2050 eine Lücke von 224 Billionen Dollar klaffen. Rechnet man noch das voraussichtliche Rentendefizit der bevölkerungsreichsten Staaten Indien und China hinzu, beträgt die Summe der ungedeckten Pensionsforderungen 400 Billionen Dollar",

rechnet uns Holger ZSCHÄPITZ anlässlich des WEF-Report We’ll Live to 100 – How Can We Afford It? vor. Schlagwörter wie "tickende Zeitbombe" und "globale Rentenkrise" nehmen Demagogen schon lange in den Mund. Gemäß dem Apokalyptiker Frank SCHIRRMACHER müssten wir längst untergegangen sein, denn die wir müssten eigentlich schon mitten in dieser globalen Rentenkrise stecken, wenn das Pamphlet Das Methusalem-Komplott, das vor 13 Jahren die Bestseller-Listen mit kräftiger Unterstützung der Mainstreammedien stürmte. Jetzt sollen wir noch über 30 Jahre darauf warten müssen, obwohl sich doch schon viele Menschen darauf gefreut haben, dass das Ende der Welt naht. ZSCHÄPITZ weiß schon gar nicht mehr, wie er uns auf diesen Big Bang vorbereiten soll, denn er fasst alle Krisen zusammen, damit wir auch wirklich glauben, dass wir es mit einem Super-GAU zu tun haben.

Und dann das:

"Deutschland gehört wegen der staatlichen umlagefinanzierten Rente nicht zu den Ländern mit den größten Pensionssystemen."

Da macht uns ZSCHÄPITZ erst große Angst und dann sind wir gar nicht gemeint!

BETZELT, Sigrid & Ingo BODE (2017): Fatal funktional?
Angstmobilisierung im liberalisierten Wohlfahrtskapitalismus,
in: Leviathan, Heft 2,
Juni

"In diesem Beitrag wird argumentiert, dass in einer Gesellschaftsformation, die sich als liberalisierter Wohlfahrtskapitalismus etikettieren lässt, die Mobilisierung von Ängsten als »formationsstabilisierender«, aber zugleich riskanter Katalysator entsichernder Reformpolitiken begriffen werden kann" (S.193),

schreiben BETZELT & BODE. Am Beispiel der Arbeitsmarktreform und der Teilprivatisierung des Rentensystems beschreiben die Autoren die Gefahren einer Angstmobilisierung. Zur Rentenproblematik heißt es:

"Besonders für Beschäftigte aus dem Niedriglohnsektor sowie Personen mit Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie ist Altersarmut ein realistisches Szenario. In der besser gestellten Mitte werden Einschränkungen des Lebensstandards im Alter - also sozialer Abstieg - vorstellbar, sofern jenseits von selbst genutztem Wohneigentum kein größeres Vermögen nutzbar ist." (S.209)

In dem "Narrativ demografischer Lasten" und der "These von der Untragbarkeit erhöhter Sozialabgaben" sehen die Wissenschaftler eine Angstmobilisierung, die in Richtung Aktivierung (private Altersvorsorge) zielt. Dies hat unterschiedliche Reaktionsformen zur Folge:

"Eine erste Option scheint hier die Flucht nach vorn: in die explizite Betonung individueller Selbstverantwortung. (...). Es finden sich auch Konstellationen, in denen die Aktivierung folgenlos bleibt (weil auf Vorsorge verzichtet wird). (...).
In anderen Fällen misslingt die Aktivierung »aufgrund vieler Meinungen und Diskussionen und einer (...) Grundunsicherheit (...)«. Man bleibt inaktiv, Angst hat hier eine lähmende Funktion. Besonders interessant ist eine vierte Form der Verarbeitung (...): Hier greift eine spezifische Verknüpfung von internalisiertem Aktivierungsdruck und diffusen Ohnmachtgefühlen."(S.210)

Für BETZELT & BODE führt der vom Finanzkapitalismus gestützte Aktivierungsdiskurs bei unklaren Anreizstrukturen und Ohnmachtgefühlen zur "Lethargie oder meist achselzuckende Risikoakzeptanz".  Die Angstmobilisierung erfolgt dabei institutionell, diskursiv und auf der subjektiven Ebene.

"Offensichtlich ist, dass mit drohenden Wohlstandsverlusten argumentiert wurde, um Reformen durchzusetzen, so wie auch Verkäufer privater Rentensparpläne regelmäßig bedrohliche Szenario einer Versorgungslücke im Alter an die Wand malen." (S.211),

meinen BETZELT & BODE. Bislang, so die Autoren, sei die Angstmobilisierung noch funktional:

"Angstmobilisierung ist integraler Bestandteil (re-kommodifizierender) Entsicherungspolitik im heutigen liberalisierten Wohlfahrtskapitalismus. (...). Eine wahrscheinliche Reaktion bei den Adressaten ist die Unterwerfung unter die Aktivierungsagenda - auch im Modus lethargischer Hinnahme, Angstmobilisierung hat somit katalysatorische Effekte, die sich für die Systemintegration des liberalisierten Wohlfahrtskapitalismus als funktional erweisen. (...).
Die mit der Entsicherungspolitik verknüpfte Angstmobilisierung erzeugt allerdings mitunter gravierende Kontrollverluste (...). Die durch die Aktivierungsagenden angereizten Verhaltensoptionen erscheinen ebenso alternativ- wie erfolglos; der Perspektive auf einen statusgefährdenden oder armutsgeprägten Ruhestand und der Konfrontation mit der Eventualität eines stigmatisierten Lebens in der »Grundsicherung« können jedenfalls viele nicht entrinnen. Die offensichtliche Enttäuschung von Sicherheitserwartungen an den Wohlfahrtskapitalismus strapaziert so dessen Legitimationshaushalt nachhaltig", (S.212f.)

resümieren BETZELT & BODE, die deshalb für die Zukunft Gefahren der Funktionsstörungen befürchten:

"Möglicherweise sind wir nicht mehr weit entfernt von einem Punkt, an dem die Funktionalität der Angstmobilisierung umschlägt in Funktionsstörungen, die auch auf die wirtschaftliche Dynamik (...) durchschlagen, also die Systemintegration angreifen." (S.213)

Ob sich die politischen und wirtschaftlichen Eliten davon beeindrucken lassen, steht auf einem anderen Blatt. Bislang sieht es eher nach einem unbeirrten "Weiter-So" aus.

LANGENBERG, Britta (2017): Endspurt.
Mit Anfang 50, auf der Zielgeraden des Arbeitslebens, taucht für viele plötzlich eine Frage auf: Was tun, wenn für einen angenehmen Ruhestand noch 1.000 Euro Rente im Monat fehlen? Eine Anleitung,
in: Capital, Juni

Britta LANGENBERG geht von einem unrealistischen Beispiel aus, nämlich einem 1965 geborenen Akademiker (52 Jahre alt), der bereits 25 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Mit 67 Jahren und dann 40 Beitragsjahren soll dieser eine Rente von 2.500 Euro erhalten. Aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze ergibt sich ein jährlicher Höchstwert von ca. 2 Entgeltpunkten. Bei einem Rentenwert von rund 31 Euro sind das bei 40 Beitragsjahren eine Rente von ca. 2.480 Euro, und auch nur dann, wenn er die ganze Zeit einen durchschnittlichen Verdienst in Höhe von 6.350 Euro hätte.

Schon die Ausgangssituation ist also völlig absurd. Realistischer wäre dagegen, dass der Akademiker neben seiner gesetzlichen Rente eine betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen hat und dadurch zusammen mit seiner gesetzlichen Rente auf die 2.500 Euro kommt. Aber auch dann gehört er zu den glücklichen ca. 5,5 % der Bevölkerung, die mit ihrem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegen.

Dass dieser Akademiker dann noch innerhalb der verbleibenden 15 Jahre eine Extrarente von 1.000 Euro zusammensparen kann, das erscheint dann nach der Lektüre des Artikels mehr als unwahrscheinlich. Angenommen wird ein Sterbealter von 90 Jahren und eine Rentenbezugsdauer von 23 Jahren, d.h. bei der Lebenserwartung wird nicht von einem Akademiker, sondern von einer Akademikerin ausgegangen, der Lebenserwartung höher ist.

Nach der aktuellen Sterbetafel 2013/2015 hat ein 50-jähriger Mann eine durchschnittliche Lebenserwartung von 29,97 Jahren, d.h. von annähernd 80 Jahren (2017, S.13). Es ist also ziemlich optimistisch von 90 Jahren auszugehen. Eine 50-jährige Frau könnte im Vergleich zu einem Mann von ca. 3,4 weiteren Jahren ausgehen. Die Angaben von LANGENBERG sind also mehr als optimistisch.

"Weniger als 20 Rentenjahre sollte man aber nicht einkalkulieren. Nach den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes leben bereits heute 67-Jährige weitere 16 bis 19 Jahre - Tendenz steigend",

wird uns erklärt. Dumm nur, wenn man gar nicht erst 67 Jahre alt wird. Wer auch noch Steuerlast und Kaufkraftverlust durch die Inflation mitberücksichtigt, der wird schnell entmutigt, weshalb es eher darauf hinausläuft die Ansprüche zu reduzieren, statt auf ein hohes Alter zu hoffen, in dem man das gesparte Geld dann auch noch sinnvoll ausgeben kann.

MAHLER, Armin (2017): Nichtstun ist keine Lösung.
Geld: Wer seine Ersparnisse mehren will, hat es in Zeiten von Niedrigzinsen schwer. Die Anbieter von Indexfonds und sogenannte Robo-Advisor versprechen Abhilfe. Sieht so die Zukunft der privaten Altersvorsorge aus?
in:
Spiegel Nr.23 v. 03.06.

Armin MAHLER macht sich zum Sprachrohr von Andreas HACKETHAL, der uns als "Finanzprofessor an der Uni Frankfurt" vorgestellt wird. Verschwiegen wird uns dagegen, dass er politisch gut vernetzt ist. Wikipedia erklärt uns, dass er "seit Ende 2011 Mitglied der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium für Finanzen". Das ist sehr irreführend, denn keineswegs ist die Börsensachverständigenkommission (BSK) eine Kommission des Finanzministeriums, sondern eine Lobbyorganisation der Deutschen Börse. Auf boerse.de heißt es:

"Die Börsensachverständigenkommission wurde 1968 gegründet und ist eine Initative der Gruppe Deutsche Börse. Die BSK berät in Fragen der Kapitalmarktpolitik die gesamte Bundesregierung und das Bundesministerium für Finanzen (BMF). Das Sekretariat der Börsensachverständigenkommission ist bei der Deutsche Börse AG angesiedelt."

Bei Wikipedia heißt es:

"Die BSK wurde 1968 erstmals vom Bundesminister für Wirtschaft einberufen. Die erste Sitzung fand am 15. Juni 1968 statt. Die BSK besteht aktuell aus 14 Mitgliedern. Die Mitglieder werden vom Bundesministerium der Finanzen berufen."

Auf den Seiten des Bundesfinanzministerium findet sich jedoch nirgends ein Hinweis auf diese BSK oder gar Hinweise auf eine Berufung der Mitglieder. Bei der Deutschen Börse heißt es dagegen:

"Die seit 1968 bestehende Börsensachverständigenkommission (BSK) berät das Bundesministerium der Finanzen in Fragen der Kapitalmarktpolitik. Der BSK gehören an: Vertreter der Anlegerschutzverbände, Kreditinstitute, Versicherungen, Investmentgesellschaften, Börsen, Industrie, Deutschen Bundesbank, Wissenschaft und des Länderarbeitskreises Börsen. Das Sekretariat der BSK ist bei Patrick Arora, Deutsche Börse AG, angesiedelt."

Die Lobbyorganisation der Finanzwirtschaft wird also bei Wikipedia geadelt, indem der Anschein erweckt wird, dass die BSK eine Kommission im Range anderer Sachverständigenkommissionen wäre. Die Organisation ist ziemlich öffentlichkeitsscheu, d.h. sie sucht keine Publizität und ist deshalb eher skeptisch zu betrachten. Dass HACKETHAL zu diesem "Geheimbund" gehört, spricht nicht für ihn.

Aus Untersuchungen zu Anlagen bei Onlinebanken leitet der Finanzwissenschaftler ab, dass

"aktive Kleinanleger (...) im Schnitt »vier Prozent Rendite pro Jahr auf der Straße liegen«"

lassen. Wer aber möchte sich das schon bescheinigen lassen? Der Artikel reiht sich ein in die Vielzahl derer, die Lobbyismus in Sachen Aktien als Königsweg der Altersvorsorge machen.

"Ein ETF auf den Dax hätte in den vergangenen zehn Jahren, trotz des Börsencrashs infolge der Finanzkrise, eine durchschnittliche Rendite von über fünf Prozent im Jahr erzielt",

werden wir geködert. Immerhin versprachen andere in den letzten Jahren sogar acht Prozent Rendite, d.h. der Artikel ist skeptischer als die meisten anderen.

Als Beispiel für die Digitalisierung der Finanzwelt wird uns einzig die Firma Scalable Capital vorgestellt, deren großmäulige Ankündigungen unkritisch wiedergegeben werden:

"Ende 2014 starteten sie (...) Scalable Capital. Inzwischen verwalten sie rund 250 Millionen Euro Anlegergelder, das klingt viel, ist aber wenig im Vergleich zu den ehrgeizigen Zielen, die sie sich gesetzt haben: Sie wollen Europas größter digitaler Vermögensverwalter werden, der größte in Deutschland sind sie schon.
Wer bei Scalable Kunde werden will, muss mindestens 10.000 Euro anlegen, der durchschnittliche Anlagebetrag liegt bei 40.000 Euro."

Marketinggag der Firma ist der Begriff "risikoadjustierte Rendite", was nichts anderes heißt, dass unterschiedliche Anlegertypen - entsprechend ihrem Risikoverhalten - berücksichtigt werden, also etwas was selbstverständlich sein sollte!

Als weitere Firmen werden Fintego, Quirion und Vaamo genannt. Bei letzterer sitzt HACKETHAL im Aufsichtsrat. Lange hält sich der Artikel aber nicht mit diesen digitalen Firmen auf, sondern widmet sich den ETF-Fonds:

"Der Siegeszug der passiven Fonds, der erst vor gut 25 Jahren begann, ist noch lange nicht zu Ende. Er wird begleitet von den Jubelmeldungen der Branche, die bislang schon 3,9 Billionen Dollar eingesammelt hat und ständig neue Rekorde verkündet. Und von Auswüchsen, die dem Grundgedanken der ETF-Anlage - Transparenz und geringe Kosten - widersprechen."

Mit den Auswüchsen hält sich MAHLER jedoch nicht lange auf, sondern uns wird die PR des Vermögensverwalters Blackrock vermittelt, der mittlerweile aufgrund mannigfacher Kritik, auf Imagepflege bedacht ist. Der Artikel, der die Einwände gegen ETF-Fonds schnell wegwischt, endet mit einer Empfehlung von HACKETHAL, der den MSCI World propagiert:

"Dieser Weltindex enthält mehr als 1.600 Aktien aus 23 Ländern in unterschiedlichen Währungen, das Risiko ist somit breit gestreut".

Die breite Streuung verringert sich jedoch enorm, da über 59 % der vertretenen Aktien aus den USA stammen. 82 Prozent der Aktien kommen aus nur 6 Ländern. Die restlichen 17 Länder kommen zusammen auf gerade einmal 18 Prozent. Sollte der Aktienmarkt in den USA zusammenbrechen, so zieht dieser den Index mit in die Tiefe!

THELEN, Peter (2017): "Ohne private Vorsorge wird es nicht gehen".
Bert Rürup: Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen ist sicher: Das Rentenversprechen der SPD hält nur für begrenzte Zeit,
in:
Handelsblatt v. 08.06.

Peter THELEN befragt das hauseigene Handelsblatt-Orakel. Bert RÜRUP spricht von einer "Begünstigung der rentennahen Jahrgänge und der Bestandsrentner" und interpretiert den Hinweis auf die Aushandlung eines neuen Generationenvertrages (ein Wort, das den Sachverhalt nicht trifft, weil es um einen Gesellschaftsvertrag geht) dahingehend, dass es für Jüngere nach 2030 zu einer spürbaren Absenkung bei höheren Beiträgen kommen wird.

RÜRUP geht zudem für die Jahre nach 2030 von einem stark ansteigenden Altenquotienten aus, was keineswegs sicher ist, weil die gegenwärtigen Bevölkerungsvorausberechnungen den Geburtenanstieg in Deutschland  immer noch unterschätzen.

PIPER, Nikolaus (2017): Die Last der Jungen.
Leidartikel: Rente,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 09.06.

Der Linkspartei wirft PIPER vor, dass diese die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) abschaffen und damit "die Besserverdienenden (nicht nur die Reichen) unter den Jungen" stärker heranziehen will. Damit ist auch eine immanente Definition der Besserverdienenden verbunden, denn im Umkehrschluss sieht PIPER die gerade einmal 5,4 % der westdeutschen Beschäftigten und der 2,8 Prozent im Osten (Stand 2014), die mit ihrem Einkommen über die BBG kommen, als Besserverdienende an. Wer aber sind dann die Spitzenverdiener? Die Verachtung PIPERs trifft also die restlichen 94,6 % der westdeutschen Beschäftigten und die 97,2 % im Osten, die nicht zum elitären Kreis derer gehören, die PIPER in der SZ vertritt.

RÜRUP, Bert (2017): Sozialstaat contra Megabytes.
Chefökonom: Das Sozialrecht muss sich auf die Digitalisierung vorbereiten,
in:
Handelsblatt v. 12.06.

Wenn es um die Globalisierung geht, dann wird uns die Wirtschaft als Nullsummenspiel erklärt, wenngleich sich ansonsten die neoliberalen Besitzstandswahrer mit Händen und Füßen gegen eine solche Sicht wehren, wenn es um die Verhältnisse im eigenen Land geht.

Bert RÜRUP baut in diesem Sinne die Digitalisierung als Drohkulisse auf, die dem Sozialstaat die Beitragseinnahmen entzieht. Forderte RÜRUP Anfang Mai noch eine Robotersteuer, so plädiert er nun dafür Selbständige entweder in die Rentenversicherung einbeziehen oder in Analogie zur Künstlersozialkasse eine "neue Sozialkasse für Clickworker" aufzubauen. Außerdem sieht er in einer "Wertschöpfungsabgabe" (eine Art Oberbegriff, unter die man auch die Robotersteuer subsumieren könnte)  einen Weg zu neuen Finanzierungsquellen. 

CREUTZBURG, Dietrich (2017): Ein Drittel der Rente trägt der Steuerzahler.
Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rente nähert sich 100 Milliarden Euro. Auch ohne neue Reform steigen die Rentenausgaben bis 2030 um 60 Prozent,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.06.

Dietrich CREUTZBURG arbeitet sich weiter am Rentenkonzept der SPD ab und polemisiert gegen steigende Kosten. Dazu werden uns Horrorzahlen präsentiert, die sich bei näherer Betrachtung jedoch in fadenscheinige Argumentationen auflösen.

Wer ist der Steuerzahler wäre da zuerst zu fragen, denn immer mehr Rentner tragen mit ihren Alterseinkünften zum Steueraufkommen bei, d.h. die Rentenlast wird aufgrund des Alterseinkünftegesetzes reduziert. Eine verlogene Argumentation wie die von CREUTZBURG berücksichtigt diese Verschiebung nicht, sondern der Rentner erscheint nur als Last, nicht aber als Steuerzahler. Die Kosten für die Nicht-Rentner wären also um diesen Betrag zu reduzieren. Diese Rechnung wird uns jedoch nicht präsentiert, sondern es wird suggeriert, dass andere durch die "steigende Rentenlast" bezahlen müssten.

Unter dem Bundeszuschuss subsumiert CREUTZBURG zudem Kosten, die gar nicht Teil der beiden Bundeszuschüsse sind.

"Diese Zuschüsse summieren sich 2017 auf knapp 68 Milliarden Euro; 44 Milliarden für den Hauptzuschuss und 24 Milliarden für den zusätzlichen".

Nur der Bundeszuschuss an die allgemeine Rentenversicherung (Hauptzuschuss) und der "zusätzliche Zuschuss", der als Pauschalbetrag zur Abdeckung der so genannten versicherungsfremden Leistungen gedacht war, aber diesen Zweck keineswegs erfüllt hat, gehören hierher.

Die 23 Milliarden, die CREUTZBURG dagegen zu den Bundeszuschüssen dazugeschmuggelt hat, sind zweckgebundene Mittel, die zum einen für die Anerkennung von Erziehungszeiten und zum anderen als Zuschuss für die knappschaftliche Rentenversicherung derjenigen, die früher als Bergleute arbeiteten, gedacht war. Diese Mittel reichen jedoch nicht aus, sondern die 2014 beschlossene Mütterrente wurde den Beitragszahlern aufgebürdet - eine krasse Fehlentscheidung, die der CDU/CSU anzulasten ist.

Die von CREUTZBURG zitierten Milliarden, die auf uns bis 2030 zukommen sollen, stammen zudem aus einer fragwürdigen Berechnung des Bundesfinanzministerium, mit dem im März die Belastungen des Finanzhaushaltes derart überschätzt wurden, damit jegliche Begehrlichkeiten abgeschmettert werden sollten. Dumm nur, dass dann die Steuereinnahmen weitaus höher ausfielen, wie in den Prognosen.

Da der Hauptzuschuss an die Entwicklung der Löhne und Beitragssätze gekoppelt ist, steigen die Ausgaben lediglich im gleichen Verhältnis wie die Einnahmen. Auch der zusätzliche Zuschuss ist an die Steigerung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer gekoppelt. Durch die Wahl des Bezugspunktes versucht CREUTZBURG horrende Steigerungsraten zu suggerieren. Es ist aber schlicht Nonsens, wenn die Ausgaben der Rentenversicherung und nicht die Entwicklung des Bruttosozialprodukts zum Bezugspunkt gemacht wird. Aber dann sähe die Sache eben nicht nach Horror aus, sondern als normale Entwicklung über immerhin 13 Jahre.  

Fazit: CREUTZBURG verdummt uns mit seinem einseitigen Blick auf den Bundeszuschuss, der zudem weder die Gewinner, noch die Verlierer nennt. Seriöse Bilanzierungen sehen anders aus.

STIEBER, Benno (2017): Teurer Rat für überflüssige Reform.
Baden-Württemberg: Die Stuttgarter Landtagspräsidentin Aras bekommt die Debatte über die Altersversorgung der Abgeordneten nicht in den Griff. Jetzt gibt es streit über den Vorsitzenden der eingesetzten Expertenrunde,
in:
TAZ v. 22.06.

Die grün-schwarzen Abgeordneten wollen von der privaten Altersvorsorge selber nichts wissen, die sie den anderen Bürgern jedoch gerne verordnen. In diesem Schmierentheater ist nun der nächste Akt eröffnet: eine Expertenkommission soll dafür sorgen, dass die geplante Selbstbedienung nicht wieder zum Skandal wird. Dazu wollte man sich einen berüchtigten PR-Berater und einen teuren Kommissionsvorsitzenden gönnen. Man gönnt sich ja sonst nichts!

Fazit: Wer selber nicht will, was er seinen Bürger verordnet, der sollte die Konsequenzen ziehen und die kapitalgedekte Altersvorsorge für alle auf den Müll werfen! 

SAUER, Stefan (2017): Verdi schlägt Alarm.
Studie,
in:
Frankfurter Rundschau v. 17.06.

Stefan SAUER stellt die Ergebnisse der Untersuchung Rentenerwartungen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung des Pestel-Instituts vor.

MOHR, Daniel (2017): Wo die Deutschen irren.
Aktien sind langfristig immer gestiegen. Warum vertrauen so wenige den Unternehmen?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 24.06.

Daniel MOHR preist wieder einmal Aktien wie Sauerbier an. Wenn Aktien wirklich der Königsweg für Normalos zum Reichtum wären, dann hätte sich das längst rumgesprochen. Uns werden die Top-durch-die-Deckengeher-Aktien präsentiert. Im Rückblick ist das eine simple Sache. Das Problem ist das im Voraus zu wissen. Da liegt der Haken. MOHR weist selber darauf hin, dass der FAZ-Aktienindex am Anfang von Bergbauunternehmen geprägt war. Wer also auf diese Aktien gesetzt hat, der ist mit ihnen untergegangen, wenn er nicht rechtzeitig abgesprungen ist, sondern - wie heutzutage allseits bei der Altersvorsorge empfohlen - die Talsohlen einfach auszusitzen. Manchmal brechen Unternehmen aber einfach weg und die Aktie ist nichts mehr Wert. MOHR muss auch nicht für die Verluste aufkommen, wenn ihm jemand auf den Leim geht. Für Normalos steht mehr auf dem Spiel, nämlich die Existenz. Reiche können sich den Luxus erlauben auch einmal daneben zu liegen.

"Politik. Hätte sie mehr Zutrauen in die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft, würde sie sich leichter tun, den demographischen Herausforderungen des Rentensystems auch mit Hilfe des Kapitalsmarkts zu begegnen und den zweifelnden Menschen einen kleinen Schubs in Richtung Aktien zu geben",

klagt der Aktien-Lobbyist. Man könnte gar auf den Gedanken kommen, dass er vom Deutschen Aktien-Institut als Lobbyorganisation der Aktie finanziell unterstützt wird. So sehr ist er um das Wohl um die Aktienabstinenten Deutschen besorgt.

Man darf bezweifeln, dass der demografische Wandel eine nicht zu bewältigende Herausforderung für das Umlageverfahren ist. Das ist in erster Linie ein neoliberaler Mythos, der von der Finanzdienstleisterlobby in die Welt gesetzt wurde, denen es nicht um unser Wohl, sondern um ihre Profite geht.

"Es ist ein Irrtum der Deutschen, wenn sie Horrorgeschichten über ruinöse Kursverluste für den Regelfall halten",

meint MOHR. Fakt ist jedoch, dass in jenen Ländern, die ihre Altersvorsorge dem Kapitalmarkt ausgeliefert haben, regelmäßig Rentner weiterarbeiten müssen, weil ihre Altersvorsorge gerade gecrasht ist. Dann ist das kein Trost, dass diese Verlust dann nach vielen Jahren wieder aufgeholt werden. So mancher erlebt sein Rentnerdasein dann nicht mehr. Über die Anzahl derer, denen es so ergeht, führen Ökonomen keine Statistiken. Möglicherweise deshalb nicht, weil das dann doch zu abschreckend wäre. 

KREMER, Dennis (2017): Goldene Zeiten für den Dax.
Der Dax eilt von Rekord zu Rekord. Die Anleger können sich freuen: Wir erleben gerade die beste aller Börsenwelten,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 25.06.

GERNHARDT, Grit (2017): Versicherung mit schrumpfenden Rücklagen.
Die gesetzliche Rentenversicherung gibt derzeit mehr aus, als sie einnimmt. Risiko für Altersarmut steigt,
in:
Neues Deutschland v. 27.06.

Agenturmeldungen, die von der neoliberalen Presse begierig aufgegriffen wurden, fokussierten gestern auf das bestehende Defizit bei der Rentenversicherung, das jedoch politisch gewollt ist und kein Grund zur Besorgnis darstellt. Die Deutsche Rentenversicherung sah sich deshalb zu einer Gegendarstellung veranlasst:

"Diese Entwicklung ist nicht Ausdruck einer schlechten Lage der Rentenversicherung, sondern Folge des gesetzlich vorgegebenen und geplanten Abbaus der Rücklagen. Diese lagen Ende letzten Jahres bei 32,4 Milliarden Euro oder 1,62 Monatsausgaben und damit an ihrer gesetzlich vorgegebenen Höchstgrenze. Die Einnahmen aus Pflichtbeiträgen sind im letzten Jahr um über vier Prozent gestiegen. Der Beitragssatz in der Rentenversicherung kann nach den aktuellen Vorausberechnungen bis 2021 stabil bleiben."

Auf die Studie der Bertelsmannstiftung wird nur im Zusammenhang mit der Forderung nach einer armutsfesten Mindestrente kurz hingewiesen.

BEISE, Marc (2017): Die Rente ist sicher, noch.
Sozialstaat: Hier geht es nicht um Ideologie, sondern um Mathematik,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 27.06.

Marc BEISE, der neoliberale Einpeitscher bei der SZ sieht im Kapitalmarkt, von dem die Finanzdienstleister besonders profitieren würden, eine Lösung des Altersarmutsproblem. Fondslösungen gelten Neoliberalen als Allheilmittel, doch sie sind keine Versicherung gegen Altersarmut, was die Finanzkrise seit 2009 eigentlich eindringlich gezeigt hat. Man muss nur nach Großbritannien oder in die USA zu blicken, um zu erkennen, dass Altersarmut in Ländern mit kapitalgedeckter Altersvorsorge am weitesten verbreitet ist.

BERSCHENS, Ruth (2017): EU will private Altersvorsorge harmonisieren.
Kapitalmarkt: Die Europäische Kommission schlägt einen Eu-Rechtsrahmen für Sparpläne vor. Die deutsche Versicherungswirtschaft lehnt das Vorhaben strikt ab,
in:
Handelsblatt v. 29.06.

"Lebensversicherungen in Deutschland, Pensionsfonds in Frankreich, Betriebsrenten in den Niederlanden: Die kapitalgedeckte Altersvorsorge ist in jedem EU-Staat anders organisiert. (...).
Die EU-Kommission will das jetzt ändern und einen EU-Rechtsrahmen für private Alterssparpläne einführen",

berichtet Ruth BERSCHENS. Der Lobbyverband der Versicherungswirtschaft sieht darin eine Gefahr für die eigene Branche, die in Deutschland zwar lauthals jammert, nichtsdestotrotz wie die Made im Speck auf Kosten der Kunden lebt.

CREUTZBURG, Dietrich (2017): Das ändert sich jetzt bei der Rente.
Nicht nur, dass sich Millionen Ruheständler auf höhere Renten freuen können. Auch die Teilrente funktioniert ganz neu,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.06.

SOZIALE SICHERHEIT-Titelthema: Höheres Regelrentenalter?
Folgen einer "Rente ab 70"

BÄCKER, Gerhard (2017): Auswirkungen eines noch höheren Regelrentenalters.
Rente erst mit 70?: Können höhere Altersgrenzen die Folgen des sinkenden Rentenniveaus kompensieren?
in:
Soziale Sicherheit Heft 6, S.221-229

FREISE, Matthias & Carolin SCHÖNERT (2017): Vorbeugen statt Reparieren?
Soziale Investitionen im europäischen Vergleich,
in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, Heft 2,
Juli

FREISE & SCHÖNERT unterscheiden kompensatorische Sozialprogramme (z.B. Renten und sonstige Transferzahlungen) und sozialinvestive Sozialprogramme (z.B. Vereinbarkeitspolitik, frühkindliche Bildung und aktivierende Arbeitsmarktpolitik). Aufgrund der Finanzkrise mussten kompensatorische Sozialprogramme ausgeweitet werden, weshalb sich ihnen der Verdacht aufträgt, dass

"soziale Investitionen häufig nur deshalb aufgelegt werden, um Kürzungen kompensatorischer Leistungen zu kaschieren.

SIEMS, Dorothea (2017): Rentner, Geld und die Gerechtigkeit.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos hat die Folgen der SPD-Pläne bis 2040 durchgerechnet. Und warnt vor Ungleichheiten,
in:
Welt v. 01.07.

CREUTZBURG, Dietrich & Kerstin SCHWENN (2017): Beschäftigungsaufschwung füll Lücken der Rentenkasse.
Das Defizit dürfte sich in diesem Jahr auf 900 Millionen Euro halbieren - der Beitragssatz bleibt stabil,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 08.07.

GRÄBER, Berrit (2017): Wie gewonnen, so zerronnen.
Wegen der Rentenerhöhung am 1. Juli werden viele Senioren steuerpflichtig. Alles nur wegen ein paar Euro mehr auf dem Konto,
in:
Welt v. 10.07.

"Nach einer Prognose des Bundesfinanzministeriums (BMF) weden nach der diesjährigen Rentenerhöhung etwa 40.000 Senioren für das laufende Jahr erstmals eine Steuererklärung abgeben müssen. 2018 kommen weitere 80.000 Senioren dazu",

berichtet Berrit GRÄBER über die Konsequenzen des Alterseinkünftegesetz, über das meist nur im Rahmen der jährlichen Rentenerhöhungen berichtet wird.

"2017, so die Prognose des BMF, müssen bereits 4,4 Millionen Rentner Einkommensteuer zahlen. Das wäre jeder Fünfte der gut 20 Millionen Rentner hierzulande",

heißt es zum Umfang der Besteuerung von Alterseinkünften, zu denen nicht nur die Renteneinkünfte zählen.

THISSEN, Stefan (2017): Lohnspreizung schlägt auf Rente durch.
Ungleiche Entwicklung in Verdienstgruppen zeigt sich auch in der Rentenschichtung,
in:
ihre-vorsorge.de v. 12.07.

MOHR, Daniel (2017): 2,2 Billionen Euro sind eine Verlockung für die Banken.
Die meisten Deutschen lassen ihr Geld zinslos herumliegen. Fonds und Banken versuchen mit neuen Produkten die ängstlichen deutschen Sparer aus der Reserve zu locken,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.07.

Wenn es um Profite geht, verstehen Journalisten genauso wenig Spaß wie bei Gewalt, denn MOHR bezeichnet die Deutschen als "renitent", nur weil sie den Finanzdienstleistern ihr Geld nicht einfach in den Rachen werfen wollen. MOHR erklärt uns die Strategie von BlackRock, der mit dem Ex-CDU-Abgeordneten und Möchtegern-Mopedrocker Friedrich MERZ einen Lobbyisten angeheuert hat, um Deutschland zu erobern. Schaut man in die USA, dann gehört BlackRock genauso wie TRUMP zu den Akteuren des Finanzkapitalismus, die dafür verantwortlich sein werden, wenn die nächste Finanzkrise die Welt ins Chaos stürzt.

HÄRING, Norbert (2017): Kann man Zinsen essen?.
Wachstum und Wohlstand: Die gemessene Produktion besteht zum Teil aus fiktiven Finanzdiensten,
in:
Handelsblatt v. 17.07.

Norbert HÄRING berichtet darüber wie sich der herrschende Finanzkapitalismus vom Nichtsnutz zum Produktivitätsillusionist entwickelt hat, indem seine illusionären Produkte ("Finanzserviceleistung Indirekte Messung" kurz FISIM) Teil des Bruttoinlandsprodukts wurden. In Deutschland passierte dies im Vergleich zu anderen Ländern jedoch sehr spät:

"In Deutschland wehrte sich das Statistische Bundesamt jahrelang dagegen, dass die von den Banken in Höhe ihrer Netto-Zinseinnahmen fiktiv erbrachte Finanzdienstleistung auf die anderen Sektoren aufgeteilt wird - 2005 wurde dieser Schritt dennoch vollzogen. (...). Wenn (...) der Staat oder private Haushalte die Bankzinsen zahlen, gilt die fiktive Dienstleistung seit 2005 als Konsum und erhöht so das BIP. (...).
In den ausführlichen Tabellen des Statistikamtes wird bis heute bei Größen wie dem privaten Verbrauch und den Einkommen separat ausgewiesen, wie viel davon aus FISIM besteht, also aus imaginären Bankdienstleistungen, die tatsächlich nur Kaufkraftentzug in Form von Zinsen sind. 2016 waren das beim privaten Konsum 27 Milliarden Euro, nicht ganz zwei Prozent. (...). Nicht eigens ausgewiesen sind die Dienstleistungen, die als Gegenwert der Gebühren und Provisionen der Finanzdienstleister unterstellt sind, sowie die Provisionen sonstiger Finanzinstitute und Immobilienmakler, bei denen auch nicht immer klar ist, ob sie aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht doch eher reine Kosten und nicht etwa Gegenwert für eine produktive Leistung sind."

Der Ökonom Jakob ASSA ("The Financialization of GDP and its Implications for Macroeconomic Debates") sieht im wachsenden Finanzsektor sogar das Hauptproblem der schwächelnden Lohnentwicklung, denn die Geldwirtschaft sei der einzige Wirtschaftssektor, bei dem Wachstum nicht mit Jobschaffung einhergehe, sondern sich im Gegenteil eine unheilvolle Polarisierung (einerseits Millionengehälter, andererseits Jobabbau) entwickelt hat. Der Finanzsektor trägt so zu einem "jobless growth" bei und ist damit für einen großen Teil des ungesunden Wachstums in den westlichen Industrieländern verantwortlich.

Fazit: Wer die kapitalgedeckte Altersvorsorge stärkt, der sorgt nicht nur für die Auslieferung der Alten an die gierigen Kapitalmärkte, sondern der befördert zudem noch ungesundes Wirtschaftswachstum, das nicht der Realwirtschaft zugute kommt, sondern nur die nächste Finanzkrise mitfinanziert.

METZLER, Friedrich von (2017): Altersvorsorge ist eine Pflicht.
Standpunkt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.07.

Der adlige Bankier möchte sich gerne noch stärker aus der Rentenkasse bedienen. Nichts anderes als ein dreister Angriff auf die gesetzliche Rentenversicherung ist dieser Artikel, um die Profite der Finanzdienstleister zu steigern. METZLER will die Entgeltumwandlung weiter ausweiten, die alle Renten schmälert - egal ob die Möglichkeit zur betrieblichen Altersvorsorge existiert oder nicht. Das reicht dem gierigen Bankier jedoch nicht, sondern er möchte zudem noch die Einnahmen des Staates zu Gunsten der Profite der Finanzdienstleister reduzieren. Der herrschende Finanzkapitalismus trägt jedoch dazu bei, dass der Wohlstand im Lande geringer ausfällt als er müsste. Betroffen sind davon in erster Linie die Arbeitnehmer.

ARAB, Adrian (2017): Rente? Echt jetzt?
Ich bin erst 20 und soll schon fürs Alter vorsorgen. Weil die Rente nicht mehr sicher ist. Wieso haben wir so etwas nicht in der Schule gelernt? In die Unterrichtspläne gehört mehr Wirtschaft,
in: Welt
v. 22.07.

Adrian ARAB hält Beamte für weltfremd. Da fragt man sich höchstens, warum er dann dem Beamten Bernd RAFFELHÜSCHEN nachplappert? Wer über das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenempfängern schreibt, sollte sich vorher über die Fakten informieren und nicht Vorurteile in die Welt setzen:

"die Babyboomer, haben weniger Kinder geboren, als seinerzeit ihre Eltern. Daher müssen schon heute immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner finanzieren",

meint der 20-jährige Volontär. Das Verhältnis lag 2010 bei 1,81 und 2015 bei 1,92. In diesen Zahlen des Nachhaltigkeitsfaktors wird das Verhältnis exakter abgebildet als im Altenquotient, der für das Rentensystem - im Gegensatz zur Arbeitsmarktlage und der sozialpolitischen Gesetzgebung - eine geringere Bedeutung hat als ihm in den Medien gerne zugeschrieben wird.

Ausgewiesen wird dieses Verhältnis erst seit dem Jahr 2003. Würde man die Angabe dieses Faktors bis ins Jahr 1957 als Pflichtangabe einführen, dann wäre eine Beurteilung der Entwicklung des demografischen Faktors für die Rentenversicherung für alle ersichtlich. Da dies nicht geschieht, kann jeder Dahergelaufene Unsinn über die Bedeutung des Altenquotienten für die Rentenversicherung erzählen.

Fazit: Vor der Einführung eines Schulfachs Wirtschaft, das nur die Interessen des Finanzkapitalismus im Auge hat, wäre die politische Bildung mit einer Aufklärung über die Demografisierung gesellschaftlicher Probleme und deren fatalen Folgen hinsichtlich der Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft notwendig! 

SELL, Stefan (2017): Panikmache mit (scheinbar) wissenschaftlichem Flankenschutz.
Die bösen Sozialabgaben mal wieder und das Jobkiller-Motiv,
in: aktuelle-
sozialpolitik.blogspot.de v. 27.07.

GAMMELIN, Cerstin (2017): Ruhe im Ruhestand.
Rentnern soll komplizierte Steuererklärung erspart bleiben,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 28.07.

SCHÄFERS, Manfred (2017): Rentenbesteuerung mit Tücken,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 29.07.

BMAS (2017): Bundeskabinett verabschiedet Sozialbericht 2017.
Bericht dokumentiert die Leistungsfähigkeit des Sozialstaats,
in:
Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 02.08.

PAPON, Kerstin (2017): Viele Frauen schieben ihre Altersvorsorge vor sich her.
Dennoch ist die Sorge oft groß. Die meisten Deutschen scheinen für das Rentenalter aber zuversichtlich,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 02.08.

Finanzdienstleister erforschen gerne die Einstellungen der Deutschen zur Altersvorsorge, um diese für ihre Marketingkampagnen zu nutzen. So werden nun Kunden damit beworben, dass die Altersvorsorge die "Kluft zwischen dem gewünschten und dem tatsächlichen Rentenalter" schließen könne, denn sie haben herausgefunden, dass

"viele Anleger (...) sogar mehr einzahlen (würden), um vorzeitig in Rente gehen zu können."

Ein anderer Finanzdienstleister hat die Zielgruppe der Frauen im Alter von 35-55 Jahre ins Visier genommen, denn Frauen gelten als attraktive Zielgruppe, kümmern sich aber zu wenig - und vor allem zu spät - um ihre Altersvorsorge. Statt sie mit Renditeversprechen zu ködern - wie das in den Mainstreammedien gerne gemacht wird, lassen sie sich eher mit Sicherheitsversprechen locken.

SIEDENBIEDEL, Christian (2017): Streit um mögliche Negativzinsen in Riester-Verträgen.
Verbraucherzentrale mahnt Kreissparkasse Tübingen ab. Sparkasse wehrt sich,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.08.

Bericht über die Kontroverse um den Banksparplan Vorsorge-Plus der Kreissparkasse Tübingen. Die Verbraucherzentrale spricht von Negativzinsen, während die Kreissparkasse dem widerspricht.

Fakt ist jedoch, dass die Kreissparkasse von der durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz verbesserten staatlichen Förderung von Riesterverträgen stärker profitieren möchte.

ROßBACH, Henrieke (2017): Sozialausgaben kratzen an der Billionen-Euro-Grenze.
Unionsvize Fuchs: "Raubbau an wirtschaftlicher Zukunft",
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 03.08

Schon seit Tagen nehmen uns die neoliberalen Wirtschaftsteile der Printmedien unter Dauerbeschuss, um uns einzureden, dass die Sozialabgaben zu hoch seien und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft bedrohen.

Die Wahrheit sieht ganz anders aus: Die Unternehmen sind in Deutschland EU-weit unterdurchschnittlich an der Finanzierung der Sozialausgaben beteiligt, während die Privathaushalte überdurchschnittlich zur Finanzierung herangezogen werden. Das geht aus der folgenden EUROSTAT-Statistik hervor, die dem Sozialbericht 2017 zu entnehmen ist (vgl. 2017, S.257)

Fazit: Viel jammern hilft!

REZMER, Anke & Peter THELEN (2017): Neuer Ärger wegen Strafzinsen.
Riester-Rente: Verbraucherschützer mahnen die Kreissparkasse Tübingen wegen Negativzinsen in einem Riester-Vertrag ab. Sie fordern die Politik auf, die Altersvorsorge effizient zu gestalten. Auch Politiker äußern sich kritisch,
in:
Handelsblatt v. 04.08.

Nach der FAZ gestern berichten nun auch REZMER & THELEN über den Fall der Kreissparkasse Tübingen:

"Die Kreissparkasse Tübingen hat nun mit ihrem negativen Grundzins bei einem Banksparplan eines der weniger kritisierten Riester-Produkte in die Diskussion gebracht. Dies geschieht in einer Zeit, in der per Gesetz gerade eine Erhöhung der Riester-Förderung beschlossen wurde. Damit soll auch die Akzeptanz des infolge der sinkenden gesetzlichen Rente dringend nötigen privaten Sparens fürs Alter verbessert werden".

Fazit: Die Tübinger Kreissparkasse zeigt, dass die Förderung der Riester-Rente der falsche Weg ist, weil es lediglich eine Subvention der Finanzdienstleistungsbranche ist, die diese gerne mitnimmt!

LALLEMAND, Benoît (2017): Noch ohne Pepp.
Gastwirtschaft: Europäische Altersvorsorge nur kleiner Schritt,
in:
Frankfurter Rundschau v. 04.08.

Benoît LALLEMAND wird als Generalsekretär von Finance Watch vorgestellt. Die Organisation will ein "Gegengewicht zu den Lobbyisten der Finanzindustrie" sein, ist aber offensichtlich eher eine Lobbyistenorganisation, die sich um die Europäisierung der Altersvorsorge bemüht und damit lediglich die Internationalisierung des Finanzkapitalismus befördert, weshalb er das "Pan-European Pension Product" (PEPP) als ersten Schritt in die richtige Richtung lobt.

Man hätte gerne mehr über die Vorstellungen eines modernen europäischen Alterssicherungssystems gelesen, aber dazu lesen wir nichts in dem Artikel, der lediglich das neoliberale Mantra nachplappert. Griechenland dient da nur als Vorwand. Über das Rentensystem in Griechenland erfährt man zudem in der deutschen Presse im Grunde nichts. Alle Artikel zu Griechenland sind durch die jeweilige deutsche Interessensbrille verzerrt.

MOHR, Daniel (2017): Riester lebt!
Die Vermögensfrage: Über kaum ein Finanzprodukt wird so viel Quatsch verbreitet wie über die Riester-Rente. Dabei gibt es nur hier dank staatlicher Unterstützung gute Renditeaussichten ohne Risiko,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.08.

Daniel MOHR betätigt sich als Hilfskraft der Finanzdienstleister. Der Skandal um die Kreissparkasse Tübingen spielt bei MOHR keine Rolle. Die staatliche Subvention der Riester-Verträge beschert den Anbietern sagenhafte Profite, denn sie können die Kosten dank Lobbyisten wie MOHR hochtreiben, was dann bei MOHR folgendermaßen umschrieben wird:

"In vielen Fällen sind die Kosten der Riester-Versicherung zwar ärgerlich hoch, der Gesamtvertrag aber dennoch nicht unbedingt schlecht".

Kapitalgedeckte Altersvorsorge heißt: der Steuerzahler subventioniert den Finanzkapitalismus, der durch seine fehlende Produktivität und die Macht der Fondsgesellschaften zusätzlich noch das Lohnniveau in Deutschland in die Tiefe reißt.

PANSE, Reinhard (2017): Wieviel Absicherung braucht man?
Standpunkt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 05.08.

Reinhard PANSE macht Werbung in eigener Sache und zwar nicht wie MOHR in Sachen Riester, sondern für die Aktie als angeblich sichere Altersvorsorge. Er verspricht uns eine "üppige Rente im Alter" statt der "gigantischen Altersarmut", die uns ansonsten erwarten würde. Die Niederlande und Großbritannien sind für ihn die Schlaraffenländer des Finanzkapitalismus. Wenn dem so wäre, warum wandern die Menschen dann nicht dorthin aus?

SCHWENN, Kerstin (2017): Frührentnern droht oft Altersarmut.
Studie: Armutsgefährdung unter Rentnern steigt weiter,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.08.

Kerstin SCHWENN referiert die PR Altersarmut - Heute und in der Zukunft des DIA (bereits im Juni veröffentlicht und nun per Pressemitteilung lanciert), einer Lobbyorganisation zur Stärkung der privaten Altersvorsorge. Nicht Frührentner im Allgemeinen, sondern Erwerbsminderungsrentner und langzeitarbeitslose Frührentner sind von Altersarmut bedroht.

Die Autoren kommen bei ihrer Betrachtung ganz ohne Annahmen zur Bevölkerungs- und Arbeitsmarktentwicklung aus. In der Broschüre heißt es dazu:

"Die künftige Entwicklung der Altersarmut hängt von einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl an Faktoren ab. Für die Bildung von Szenarien lassen sich ganz grob die drei Kategorien Marktentwicklung, Verhaltensänderung und gesetzliche Rahmenbedingungen heranziehen. Annahmen zur Marktentwicklung, wie zum Beispiel zur Arbeitslosigkeit oder zur Höhe von Löhnen und Gehältern, werden in der nachfolgenden Vorausberechnung jedoch nicht getroffen. Höhe und Verteilung der Erwerbseinkommen werden also implizit konstant gehalten." (2017,. S.23)

Fazit: In einem Punkt ist die Szenarienberechnung ehrlich: Nicht die Demografie, sondern die gesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmen die weitere Entwicklung der gesetzlichen Rente!  

HANDELSBLATT-Serie: 10 Jahre Finanzkrise

SCHWARZER, Jessica (2017): Misstrauen ist eine gute Sache.
HB-Serie 10 Jahre Finanzkrise: Die Finanzkrise hat nicht nur das globale Wirtschaftssystem ins Wanken gebracht. Das große Beben an den Märkten brachte auch erschütternde Fälle von Falschberatung und Ahnungslosigkeit ans Licht,
in:
Handelsblatt v. 23.08.

Jessica SCHWARZER stellt uns die "Lehman-Oma" als "Prototyp des geprellten, weil falsch beratenen Anlegers" vor. Der Artikel ist nicht wirklich weiterführend, weil das Grundproblem ausgeklammert bleibt: Die vorgeschlagenen Schutzmechanismen (Beratungsprotokolle, Produktinformationsblätter und diversifizierte, bedarfsgerechte Portfolios) täuschen allesamt darüber hinweg, dass man sich die private Altersvorsorge erst einmal leisten können muss. Die private Altersvorsorge ist nicht in der Lage die Lücke zu schließen, die durch die Rentenreformen gerissen wurde. Lebensstandardsicherung kann diese Form der Altersvorsorge nicht leisten, weil die Kapitalmarktrisiken bestehen. Nur wer sich Verluste leisten kann, kann durch Streuung bzw. Diversifizierung allzu hohe Verluste vermeiden, nicht jedoch Geringverdiener, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen.

SCHWARZER, Jessica (2017): "Die »Lehman-Oma« kann es wieder geben.
HB-Serie 10 Jahre Finanzkrise: Niels Nauhauser: Der Verbraucherschützer über geprellte Anleger, schlechte Beratung und falsche Anreize,
in:
Handelsblatt v. 23.08.

PETER, Tobias (2017): Königsweg bei der Rente gesucht.
FR-Serie zur Bundestagwahl:
Demografischer Wandel und Lücken in vielen Erwerbsbiografien stellen das Umlagesystem vor große Probleme,
in:
Frankfurter Rundschau v. 29.08.

Tobias PETER erklärt uns zu Kleinkindern, denen man das Umlagesystem mit Analogien aus dem Alltag erklären muss. Analogien aus dem Alltag mögen anschaulich sein, blenden aber gerade das aus, was beim so genannten Generationenvertrag unstimmig ist. Entscheidend ist eben nicht das Kopfverhältnis, sondern gerade Aspekte, die mit der Kopfzahl nichts zu tun haben: technologische Entwicklung, Arbeitsmarktlage, Entwicklung der Einkommensungleichheiten usw. usf. Generationengerechtigkeit ist ein neoliberaler Tunnelblick, der die Verwerfungen innerhalb von Gesellschaften ausblendet. Die Zukunft ist keine simple Fortschreibung der Vergangenheit.

Außerdem hält uns PETER für so dämlich, dass wir nicht wissen, was es mit dem Rentenniveau auf sich hat. Uns wird jedoch nur erklärt, dass wir falsch liegen, aber nicht, was die Entwicklung des Rentenniveaus bedeutet. PETER suggeriert, dass das Rentenniveau keinerlei Bedeutung für unsere gesetzliche Rente hätte. Nichts ist falscher als das, denn es ist ein Indikator, der zeigt wie sich das Verhältnis von Löhnen und Renten in Zukunft auseinander entwickelt bzw. wie es sich in der Vergangenheit bereits auseinander entwickelt hat. Jene Faktoren, die das Rentenniveau bestimmen, sind auch für die Höhe der eigenen Rente entscheidend. Wenn das Rentenniveau sinkt, dann bedeutet dies, dass jeder neue Rentenjahrgang bei gleicher Einkommenshöhe weniger Rente erhält als der Vorgängerjahrgang. Dies ist eine politische Entscheidung und keine notwendige Entwicklung des demografischen Wandel wie das Neoliberale erzählen.

PETER will die Debatte um die gesetzliche Rente auf die Bekämpfung der Altersarmut reduzieren, weshalb er die Auftragsstudie der neoliberalen Privatstiftung Bertelsmann zur drohenden Altersarmut vom Juni zitiert. Wer so argumentiert, der will die gesetzliche Rente zur Fürsorgeeinrichtung herabwürdigen. Die Stärkung der gesetzlichen Rente ist notwendig, weil die private Altersvorsorge ungeeignet ist, die Lücken zu schließen, die die Reformen seit Anfang des Jahrtausends ins Netz der Alterssicherung gerissen haben.

EHRENTRAUT, Oliver & Stefan MOOG (2017): Generationengerechte Rente?.
Gewinner und Verlierer aktueller Rentenvorschläge,
in:
insm.de v. 30.08.

THELEN, Peter (2017): Geld verdienen mit der Rente.
Altersvorsorge,
in:
Handelsblatt v. 01.09.

FERBER, Michael (2017): Pensionsfonds mit grösseren Vermögen,
in:
Neue Zürcher Zeitung v. 06.09.

Michael FERBER berichtet über die Studie des Fachmagazins Investment & Pensions Europe (IPE), in der die 1000 größten europäischen Pensionsfonds und -kassen untersucht wurden.

"Die drei grössten Systeme für berufliche Vorsorge in Europa - Grossbritannien, die Niederlande und die Schweiz - kommen dabei zusammen auf einen Anteil von rund der Hälfte der Gelder",

erläutert FERBER, der die Schweiz bei der Konsolidierung der Pensionsfonds im Hintertreffen sieht. Aus der folgenden Übersicht sind die 20 größten Pensionsfonds und -kassen ersichtlich:

Rang Pensionsfonds/-kassen Land Vermögen
(Mrd.
)
1 Norway Government Pensions Fund Global Norwegen 859
2 ABP Niederlande 388
3 Pensioenfonds Zorg en Welzijn Niederlande 186
4 Arbejdsmarkedets Tillaegspension Dänemark 101
5 PFA Pension Dänemark 83
6 Alecta Pensionsförsäkring Schweden 80
7 Bayerische Versorgungskammer Deutschland 80
8 Pensioenfonds Metaal en Techniek Niederlande 69
9 Kommunal Landspensjonskasse Norwegen 63
10 Universities Superannuation Scheme Ltd Großbritannien 63
11 BT Group pic Großbritannien 60
12 Royal Bank of Scotland Group Großbritannien 58
13 BPF Bownijverheid Niederlande 54
14 AMF Schweden 52
15 Danica Pension Dänemark 51
16 Keva Finnland 49
17 Lloyds Banking Group Großbritannien 48
18 Pensionsfonds van de Metalektro Niederlande 46
19 Varma Mutual Pension Insurance Co Finnland 43
20 Ilmarinen Finnland 37

Im Beitrag Germany goes DC werden die folgenden 10 größten Pensionsfonds/-kassen genannt:

1 Bayerische Versorgungskammer (80); 2 Deutsche Rentenversicherung Bund (32); 3 BVV (27); 4 VBL (22); 5 Daimler AG (20); 6 Siemens AG (15); 7 B-W Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (13); 8 Nordrheinische Ärzteversorgung (13), 9 RWE AG (13); 10 Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (13)

Die Liste unterscheidet also nicht zwischen Pensionsfonds, Pensionskassen, Versorgungswerken oder staatlichen Rentenversicherungen.

ECKERT, Daniel (2017): Eine Formel soll die Rente retten.
Forscher schlägt vor, Altersbezüge künftig nur noch mit der Inflation steigen zu lassen,
in:
Welt  v. 09.09.

Neoliberale sind immer auf der Suche danach, die gesetzliche Rente noch stärker zu schwächen - vor allem, weil bei diesem Thema die Aufmerksamkeit der Medien gesichert ist. Und je mickriger ein Institut, desto mehr ist es auf Medienaufmerksamkeit angewiesen.  

Die Welt ist nun auf das 9-seitige PR-Pamphlet von Oliver HOLTEMÖLLER ("Zur Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenversicherungsbeitrag") angesprungen, in dem die Autoren erklären wie sie sich die Schwächung der gesetzlichen Rente vorstellen: Statt einer Kopplung an die Lohnentwicklung soll eine Kopplung an die Inflation zur Kostensenkung beitragen. Damit würden die Renten ganz von der Produktivitätsentwicklung abgekoppelt werden und stattdessen nur noch ein Inflationsausgleich gezahlt werden müssen.

Die außergewöhnlich hohen Rentenanpassung der letzten beiden Jahre werden zum Anlass genommen, um die "neue" Rentenformel zu propagieren:

"In beiden Jahren lag die Anpassung deutlich über der Inflation.
In dem System mit Inflationsbindung hätte der Anstieg im vergangenen Jahr 0,5 Prozent betragen, in diesem Jahr vermutlich 1,7 Prozent".

Es ist offensichtlich, dass dieser PR-Gag nur funktioniert, wenn gerade keine Nullrunden bei der Rente angesagt sind! Aber was tut man als mickriges Institut nicht alles, um in die Medien zu kommen!

KREMER, Dennis (2017): Die Angst der Anleger.
Kein Volk der Welt ist so versessen aufs Sparen wie die Deutschen. Gleichzeitig schreckt niemand so sehr vor Aktien zurück wie wir. Woher kommt die Angst?
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 10.09.

Der Vermögensverwalter BlackRock will die Deutschen zum Aktiensparen verführen. Dazu hat er ein "Psychogramm des typischen Anlegers (...) mit all seinen Ängsten und Wünschen" erstellt. Schließlich geht es darum, den Deutschen den richtigen Köder anzubieten, damit er endlich anbeißt. Merkwürdig ist daran, dass den Deutschen quasi ein "Nationalcharakter" zugeschrieben wird, obwohl doch die Mehrheit der Deutschen einen "Migrationshintergrund" haben soll.

KREMER speist uns mit Küchenpsychologie ab. So benutzt er den sozialpsychologischen Begriff "kognitive Dissonanz" im Zusammenhang mit Verhaltensökonomen. Das klingt dann seriöser, denn die Verhaltensökonomie ist derzeit hip. Tatsächlich geht es aber um Verkaufspsychologie. Dass die Amerikaner eher auf Pensionspläne statt wie in Deutschland auf Lebensversicherungen gesetzt wird, das wird nicht etwa aus der historischen Entwicklung der Alterssicherung in beiden Ländern erklärt, sondern "Narrativen" zugeschrieben, was nicht etwa mit Erzählung, sondern mit "sinnstiftenden Erfahrungen" übersetzt wird. Wer wie Neoliberale die Alterssicherung in Deutschland privatisieren möchte, dem mag die Enthaltsamkeit der Deutschen ein großes Ärgernis sein, andererseits sind die Grafiken, die uns präsentiert werden auch wenig aussagekräftig. Was bedeutet es denn, wenn 70 Prozent der Deutschen ihr Geld auf Giro- und Sparkonten anlegen, wenn weder die Einkommensverhältnisse noch die Vermögensverhältnisse dieser 70 Prozent dargelegt wird?

Fazit: Neoliberale sehen in jeglichem Verhalten, das ihrem Ideal der privaten Altersvorsorge widerspricht ein irrationales Motiv. Damit werden sie jedoch dem Anlegeverhalten der Deutschen nicht gerecht. Die Unterstellung von kognitiver Dissonanz vernachlässigt die Möglichkeit, dass das Anlegeverhalten durchaus rational sein kann, auch wenn es in den Augen der Neoliberalen politisch unerwünscht ist!

REINERS, Hartmut (2017): Dumm und zynisch.
Gastwirtschaft: Wie Altersarmut verhindert werden kann,
in:
Frankfurter Rundschau v. 15.09.

"Es gibt vor allem zwei Stellschrauben, um eine massenhafte Altersarmut zu verhindern: Anhebung des Mindestlohns und Ausweitung der Finanzierungsbasis der gesetzlichen Rentenversicherung", meint Hartmut REINERS.

SCHWENN, Kerstin (2017): Bürger sollen mehr über ihre Rente wissen.
Kanzleramtschef Altmaier und CDU-Wirtschaftsrat für digitales Informationssystem,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.09.

CREUTZBURG, Dietrich (2017): Gutverdiener müssen künftig mehr Sozialabgaben zahlen.
Beitragsbemessungsgrenze steigt um bis zu 150 Euro,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.09.

Dietrich CREUTZBURG nutzt die Veröffentlichung des Referentenentwurfs Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2018, um die Vorstellungen der Parteien zur Änderung der Stellschraube "Beitragsbemessungsgrenze" zu präsentieren. Die FAZ hofft offenbar darauf noch ein paar Stimmen von Gutverdienern für die CDU/CSU/FDP-Koalition gewinnen zu können, denn diese Koalitionsoption könnte sich bald als eine Fata Morgana erweisen.

THELEN, Peter (2017): Ausputzer Rentenkasse.
Die Sozialversicherung wird immer mehr für allgemeinstaatliche Aufgaben zweckentfremdet. Die Institute fordern daher höhere Steuerzuschüsse,
in:
Handelsblatt v. 29.09.

THISSEN, Stefan/DPA (2017): Weniger Neurentner mit Steuerlast.
Gestiegenes steuerfreies Existenzminimum für Ruheständler verhindert Belastung,
in: ihre-vorsorge.de
v. 10.10.

KROHN, Philipp (2017): Alle Rentenansprüche auf einen Blick.
Fast alle Marktteilnehmer sehen die Vorzüge einer App, die sämtliche erwartbaren Leistungen der Altersvorsorge einbezieht. Warum kommt sie dann nicht?
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 07.10.

"Könnte der künftige Rentner auf einen Blick erfassen, was ihm aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Rente zusteht, wüsste er was er tun muss. Ist noch eine Vorsorgelücke zu schließen?",

meint Philipp KROHN. Dies ist natürlich Unsinn, wie ein Blick zurück auf die Privatisierung der Alterssicherung deutlich zeigt: Weder ist die gesetzliche Rente, noch ist die private Rente sicher, denn die gesetzliche Rente wird seit 2001 geschwächt, während die private Altersvorsorge zwar gestärkt, aber aufgrund der Verhältnisse auf den Kapitalmärkten extrem schwankungsanfällig ist. Der Begriff "Versorgungslücke" ist nicht zufällig eine Erfindung des Neoliberalismus und der Demografisierung gesellschaftlicher Probleme. Nicht um Transparenz geht es, sondern um Profitsteigerung. Die Versorgungslücke kann sich im Laufe der Zeit verkleinern oder vergrößern, nur konstant und damit eine Richtschnur, ist sie nie! Und da die Zukunft offen ist, schwanken Versorgungslücken nicht nur aufgrund der Veränderung der Rentenanwartschaften, sondern je nach prognostizierter zukünftiger Entwicklung. Der Überblick, den der Altersvorsorgesparer erhält ist nichts als eine trügerische Wette auf die Zukunft, die von Faktoren abhängt, die der Einzelne nur beschränkt beeinflussen kann, denn die Vorsorgelücke ist ja eine Fiktion, deren Prämissen von Interessenorganisationen bestimmt werden, die nicht unbedingt das Interesse des zukünftige Rentners wiederspiegeln.

"Seine Mitglieder seien in Sorge, dass sie in Haftung genommen werden könnten, wenn sie eine scheinbar verbindliche Information ausgegeben hätten",

wendet z.B. die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung ein, was bereits das Grundproblem solcher Informationen andeutet. Was nützt dem zukünftigen Rentner eine Information, die unverbindlich ist und ständig revidiert werden kann?    

ÖCHSNER, Thomas (2017): Da bleibt nur Aussitzen.
Die Union glaubt verstanden zu haben: Viele Wähler sorgen sich um ihre gesetzliche Rente. Ökonomen mahnen Reformen an. Doch einer Jamaika-Koalition fehlt ein gemeinsamer Nenner für grundlegende Systemeingriffe,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 10.10.

Thomas ÖCHSNER hofft darauf, dass sich die Neoliberalen in der nächsten Legislaturperiode mit der weiteren Erhöhung des Renteneintrittsalters durchsetzen können - auch wenn das dem Wählerwillen nicht entspricht. Obwohl die CDU/CSU aufgrund der Vermeidung des Themas Altersarmut hohe Stimmenverluste in Kauf nehmen musste, sieht ÖCHSNER mit Hinweis auf die Gemeinschaftsprognose der neoliberalen Wirtschaftsinstitute vom Herbst 2017 und die geplanten Koalitionspartner FDP und Grüne lediglich Spielraum für ein "flexibleres Renteneintrittsalter" und eine neue Renteninformation, die insbesondere die Profite der Finanzdienstleister steigern soll.

Gerade wurde vom Nobelpreiskomitee ein Verhaltensökonom geadelt, der das Verhalten in der Altersvorsorge für die Finanzdienstleister profitabler machen soll. Ob das so genannte Nudging, das im letzten Jahr von neoliberalen Journalisten geradezu gefeiert wurde, aber hält was es verspricht, bleibt dahingestellt. Am Ende könnte die Verärgerung größer sein als der kurzsichtige Gewinn, insbesondere dann, wenn die Kapitalmärkte ihre großmäuligen Versprechungen nicht halten können.

STOCKER, Frank (2017): Die neuen Abgehängten.
Der "Vorsorgeatlas" offenbart mit einem Nord-Süd-Gefälle ein neues Rentenproblem,
in:
Welt v. 11.10.

Frank STOCKER trommelt für die private Altersvorsorge. Der Beamte Bernd RAFFELHÜSCHEN hat im Auftrag eines Finanzdienstleisters einen "Vorsorgeatlas" erstellt, der die Profite der Finanzdienstleisters steigern soll und STOCKER ist sein williger Helfer.

Das Vorgehen ist insbesondere deswegen fragwürdig, weil die Rentenanwartschaften bis 2060 vorausberechnet wurden, obwohl eine solche Prognose nichts als Kaffeesatzleserei ist. Die Annahmen der Prognose werden - im Gegensatz zu seriösen Vorausberechnungen - zudem verschwiegen. Der Atlas spart nicht an bunten Bildchen, was darüber hinwegtäuschen soll, dass die Daten alles andere als gehaltvoll sind.

KROHN, Philipp (2017): Zusammenspiel aus Gesetzlich und Privat funktioniert.
Die Ansprüche aus allen drei Vorsorgeschichten genügen durchschnittlich für einen stabilen Lebensabend,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.10.

Philipp KROHN verdummt uns mit der Ideologie des Generationenvertrags, um die Einschnitte in das Rentensystem zu rechtfertigen, wenn er den neoliberalen Beamten Bernd RAFFELHÜSCHEN zitiert:

"Der Nachhaltigkeitsfaktor ist so gestaltet, dass die Generation, die in Rente geht, darauf geprüft wird, ob sie viele oder wenige Kinder in die Welt gesetzt hat".

Das ist purer Nonsens, denn den Nachhaltigkeitsfaktor interessiert die Zahl der Kinder, die in Deutschland geboren werden, nicht im geringsten, sondern nur das Verhältnis zwischen Erwerbstätigenzahl und Rentenempfängern und die Lohnentwicklung. Dieses ist jedoch in erster Linie von der Arbeitsmarktlage abhängig. Die Alterssicherung ist deshalb ein Gesellschaftsvertrag und kein Generationenvertrag wie uns das RAFFELHÜSCHEN und seine willigen Helfer in den Medien darstellen.

Zudem soll angeblich der Lebensstandard gesichert sein, wenn die Rente 60 Prozent des letzten Bruttoeinkommens beträgt. Auch das ist Nonsens, wie uns Markus ZYDRA in der SZ erklärt:

"Geringverdiener mit einem Einkommen von weniger als 1.100 Euro brutto kommen im Ruhestand den Berechnungen zufolge zwar auf rund 70 Prozent des letzten Gehaltes. Sie erhalten im Schnitt aber nur 679 Euro monatlich und liegen damit dann unterhalb der Armutsgrenze."

Das Zusammenspiel von Gesetzlich und Privat funktioniert? Das muss man als Zynismus bezeichnen, denn dazu reicht es die Aussagen des Vorsorgeatlas 2017 mit dem des Jahres 2013 zu vergleichen (vgl. 2013; 2017 S.14):

  Vorsorgeatlas 2013 Vorsorgeatlas 2017
Anspruch aus Schicht 1
(z.B. gesetzlicher Rente)
43,3 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens
48,9 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens
Anspruch aus Schicht 2
(z.B. betriebliche Altersvorsorge oder Riester-Rente)
16,6 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens
12,9 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens
Anspruch aus Schicht 3
(z.B. Vermögen oder Immobilien)
17,5 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens
20,8 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens
Gesamtansprüche 77,4 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens
82,6 Prozent des letzten
Bruttoeinkommens

Das Zusammenspiel funktioniert also nicht wegen der privaten Altersvorsorge, sondern TROTZ der privaten Altersvorsorge - wenn überhaupt! Die gesetzliche Rente hat im Grunde die Verluste bei der privaten Altersvorsorge kompensiert. Da es sich hier um Durchschnittswerte handelt, wird das Problem der Altersarmut einfach weggerechnet.

Wie realistisch sind eigentlich die Annahmen zum Rentenwert West/Ost? Das lässt sich z.B. anhand der Annahme des Vorsorgeatlas 2009 mit dem tatsächlichen Rentenwert des Jahres 2017 feststellen:

  aktueller Rentenwert (West) aktueller Rentenwert (Ost)
Prognose Vorsorgeatlas 2009
(vgl. 2009, S.3)
25,10 Euro 22,83 Euro
tatsächlicher Rentenwert 2017 31,03 Euro 29,69 Euro

Es zeigt sich, dass die Annahmen des Vorsorgeatlas 2009 wenig gemein haben mit der tatsächlichen Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung.

REZMER, Anke (2017): Friss oder geh!
Die Bank Donner & Reuschel will Kunden mit Riester-Banksparplänen loswerden. Wer nicht in eine konzerneigene Versicherung wechselte, wurde gekündigt. Verbraucherschützer fürchten Nachahmer,
in:
Handelsblatt v. 25.10.

Anke REZMER berichtet darüber wie ein Bankhaus ihre ungeliebten Riester-Altersvorsorgesparer durch eine fadenscheinige Begründung loszuwerden versucht. Die Verbraucherzentrale sieht die Gefahr, dass diese Praxis Nachahmer finden könnte und hat deswegen das Bankhaus abgemahnt.

NARAT, Ingo (2017): Rendite aus der westfälischen Provinz.
Das viertgrößte deutsche Versorgungswerk liebt in Niedrigzinszeiten alternative Anlagen,
in:
Handelsblatt v. 25.10.

Ingo NARAT präsentiert uns ein schlichtes Porträt des neuen Hauptgeschäftsführers der Ärzteverwaltung Westfalen-Lippe, die die Altersvorsorge von rund 60.000 Einzahlern und Rentnern betreibt. Der Geldexperte und seine Mitarbeiter zielen auf eine Rendite über 4 Prozent und nehmen dafür auch Risiken in Kauf, die kein Thema des Artikels sind.

PUSCHNER, Sebastian (2017): Roboter retten die Rente.
Staat: Südkorea, Österreich, Schweiz: Kann und soll eine Steuer auf maschinelle Arbeit künftig den Sozialstaat finanzieren,
in:
Freitag Nr.43 v. 26.10.

Sebastian PUSCHNER stellt sehr unterschiedliche Vorstellungen zu einer Roboter- bzw. Maschinensteuer vor, die von Bill GATES über Frank APPELL bis zur Robot SHILLER reichen und von Südkorea über die Schweiz bis zu Österreich diskutiert wird. Gegner gilt eine solche Steuer als "Innovationshemmnis", während Sozialstaatsbefürworter sie als Notwendigkeit aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen im Bereich Kapital und Arbeit betrachten. 

SIEMS, Dorothea (2017): Gefährliche Lücke.
Viele Deutsche fürchten sich vor der Altersarmut. Dabei wissen sie oft gar nicht, wie viel Rente sie bekommen werden,
in:
Welt v. 28.10.

Die Finanzdienstleister möchten gerne unsere Vorsorgelücke schließen und Neoliberale wie Dorothea SIEMS sind ihre willigen Helferlein in den Medien. Neuerdings wird uns erklärt, dass uns ein Altersvorsorge-Informationssystem vor Altersarmut schützen würde. Das ist ziemlicher Blödsinn, denn nicht Transparenz, sondern die Unsicherheit auf den Kapitalmarkt ist das Hauptproblem. Wir sollen also mit einer Illusion abgespeist werden, die nur den Finanzdienstleistern nützt, denn wer bestimmt, welche Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der Alterseinkünfte dem Informationssystem unterlegt werden? Wie stark die Schwankungen sind, das offenbaren ausgerechnet Berechnungen von Bernd RAFFELHÜSCHEN und dessen Vorsorgeatlas. Ein Vergleich der Zahlen für den Vorsorgeatlas 2013 und 2017 zeigt, was ein Informationssysteme tatsächlich Wert ist: nichts, wenn schon innerhalb von 4 Jahren gravierende Abweichungen entstehen können. Wem nützen also solche Zahlen?

Fazit: Transparenz würde heißen, dass die Fehlprognosen der vergangenen Jahre als Indikator für die Unsicherheiten eines solchen Informationssystems angegeben werden müssten. Dann aber würde jeder die Fragwürdigkeit des Systems erkennen, was den Finanzdienstleistern kaum gefallen würde. 

SIEDENBIEDEL, Christian (2017): Die seltsame Ängstlichkeit der Deutschen.
Bargeld, Tagesgeld und Gold - aber kaum Aktien:  Warum sind gerade die Deutschen in der Geldanlage so extrem auf Sicherheit bedacht? Der Göttinger Psychologe Borwin Bandelow hat dazu eine interessante Theorie,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28.10.

Christian SIEDENBIEDEL greift eine Lieblingsfrage der FAZ auf: Warum haben die Deutschen so wenig Vertrauen in die Aktie. Und immer findet sich dazu ein Studie oder Umfrage eines - welch Wunder! - Finanzdienstleisters, der sich um die virtuellen Verluste der Deutschen (denn diese beruhen nur auf Berechnungen, deren Annahmen nicht - oder nur teilweise - offen gelegt werden) - ganz uneigennützig natürlich! - sorgt und mit ihm die FAZ (als ob deren Autoren Provisionen kassieren würden, wenn der Anteil der Aktionäre steigt).

Diesmal darf Borwin BANDELOW seine biologistische Sicht vortragen. Danach sind unsere Vorfahren aus Äthiopien schuld an unserer Risikoaversion und nicht etwa unsere Geldgeschichte. Warum aber gerade auf diesem einen Felde eine Auslese der Ängstlichen statt der Mutigen stattgefunden hat, da dürften sich die Gelehrten noch die nächsten 1000 Jahre streiten. Auch dann wird die FAZ wieder dabei sein - sollte sie nicht einer Zeitungskrise zum Opfer gefallen sein!

STEFFEN, Johannes (2017): Sozialpolitisch ambivalenter Rückkauf von Rentenabschlägen.
Hintergrund: Für Ost-Versicherte zurzeit ein "doppeltes Schnäppchen",
in:
sozialpolitik-portal.de v. 02.11.

SCHWENN, Kerstin (2017): Rentenbeitragssatz kann auf 18,6 Prozent sinken.
Die Arbeitgeber dringen auf eine Entlastung der Beitragszahler. Und die gute Konjunkturlage erlaubt, dass die Beiträge sinken. Wie viel Geld das für die Unternehmen ausmacht, steht im neuen Rentenbericht,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 07.11.

Kerstin SCHWENN macht sich zum Durchlauferhitzer der Arbeitgeberlobby aus deren Stellungnahme zum Entwurf des Rentenversicherungsberichts sie zitiert. Der unveröffentlichte BMAS-Bericht befindet sich noch in der Ressortabstimmung. Der letzte Rentenversicherung 2016 wurde erst Ende November letzten Jahres veröffentlicht. Nicht selten ändern sich die Daten noch. Bei SCHWENN heißt es, dass

"jetzt noch die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung eingearbeitet werden müssen".

Der Artikel zielt deshalb in erster Linie auf die Sondierungsgespräche, denn eine Beitragssenkung ist nicht die einzige Option, sondern es könnten mit den Mehreinnahmen auch weitere rentenpolitische Maßnahmen finanziert werden. 2014 verhinderte die Große Koalition eine Beitragssenkung, indem sie die Mütterrente statt durch Steuermittel - wie das richtig gewesen wäre - durch Beiträge finanzierte. Auch die Ost-West-Angleichung schultern in erster Linie die Beitragszahler statt der Steuerzahler. Die BDA spielt sich mit ihrem Einsatz für die Beitragssenkung als Anwalt der Rentner auf:

"Schließlich hätten auch die Rentner Vorteile von einer Senkung des Beitragssatzes um 0,1 Prozent: Im Sommer 2019 würde dadurch die Rentenanpassung um 0,13 Punkte höher ausfallen."

Die Rentner hätten bedeutend mehr davon, wenn die Unternehmen endlich angemessene Löhne zahlen würden, statt mit dem Argument des Fachkräftemangels von ihren eigenen Versäumnissen abzulenken.

Fazit: Entscheidend ist, was am Ende im Rentenversicherungsbericht 2017 steht. Dann wird man vergleichen können, was von den Angaben, die SCHWENN öffentlich gemacht wird, tatsächlich übrig bleibt. 

STEFFEN, Johannes (2017): Löhne, Renten und Existenzminimum,
in:
sozialpolitik-portal.de v. 08.11.

RÜRUP, Bert (2017): Die Macht des Öffentlichen.
Chefökonom: Demokratie findet nicht nur im Bundestag statt: Nachhaltige Rentenreformen brauchen breiten Konsens,
in:
Handelsblatt v. 13.11.

Bert RÜRUP, Vorsitzender der Rentenkommission unter Rot-Grün, bereitet auf die kommende Rentenkommission vor, die eingesetzt werden soll, um den Unmut gegen die Politik zu verringern:

"Aufgabe (ist es), stellvertretend für die Politik unbequeme Wahrheiten auszusprechen und den so aus der Schusslinie genommenen Politikern Zeit für Entscheidungen zu verschaffen."

RÜRUP sieht solche Expertenkommissionen nicht als postdemokratische Elemente an, sondern als Element moderner Demokratie. Das ist natürlich Vernebelung, denn wenn Expertenkommissionen nur zum Ziel haben, postdemokratische Mechanismen, wie z.B. die Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung, zu installieren, dann hat das mit Demokratie nichts zu tun, sondern versucht politische Entscheidungsfindungen auszuhebeln.

Für Politik, so erzählt uns RÜRUP, gibt es im Englischen zwei Begriffe. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn es gibt deren drei: Neben der Policy und der Politics, die RÜRUP nennt, existiert die Polity, was das institutionelle Zusammenspiel der Politik und somit die Grundlagen betrifft, in deren Rahmen der Gesetzgebungsprozess und die politische Auseinandersetzung stattfindet. Dass Expertenkommissionen z.B. auch Einfalltore für Lobbyismus sind, das bleibt bei RÜRUP außen vor. Er malt ein Idealbild von Expertenkommissionen, das mit der politischen Realität nichts zu tun hat.

"Reine Expertenkommissionen arbeiten im Stillen und erregen erst dann mediales Interesse, wenn ihr Abschlussbericht dem zuständigen Ministerium zugeleitet wurde und in die Öffentlichkeit gelangt",

erklärt uns z.B. RÜRUP. Die "reine" Expertenkommission ist ein Phantom. Bei großen Expertenkommissionen und heiklen Themen - wie es die Rente ist - gibt es nicht selten Zwischenberichte oder Anhörungen weiterer Experten. Und zudem werden Mitglieder immer wieder von den Medien als Mitglieder solcher Kommissionen besonders gerne zu den die Kommissionen betreffenden Themen interviewt. Im Stillen agieren? Das ist das Wunschbild, erst recht, wenn wissenschaftliche Forschung immer stärker von Sponsoren aus der Wirtschaft abhängig ist. 

CREUTZBURG, Dietrich/SCHÄFERS, Manfred/ROßBACH, Henrike  (2017): Sozialkassen werden zur Verhandlungsmasse.
Alle blicken auf Donnerstagnacht. Dann wollen die Koalitionäre sich einigen. Sozialbeiträge könnten sinken. Die Rente aber dürfte steigen,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.11.

"(E)rste Hochrechnungen aus dem Entwurf des neuen Rentenversicherungsberichts (zeigen), dass die gesetzlichen Renten zum 1. Juli 2018 um rund 3 Prozent steigen könnten und gleichzeitig die Finanzreserve hoch genug bleibt, um den Beitragssatz von 18,7 auf 18,6 Prozent des Bruttolohns zu senken (...). Neue Hochrechnungen zur Rentenanpassung 2018 werden für die kommenden Tag erwartet, die endgültigen Zahlen für März",

heißt es in dem verstümmelten Artikel. Ob es "für die kommenden Tage" oder "für den kommenden Tag" heißen sollte, darüber darf der Leser rätseln. Mehr steht zum Thema Rente nicht. Ansonsten wird uns die Sicht des FDP-Unterhändlers Michael THEURER vermittelt.

THELEN, Peter (2017): Vorläufige Entwarnung.
Kommentar: Die positiven Signale sollten die Politik nicht zum Verpulvern der Reserven verleiten,
in:
Handelsblatt v. 15.11.

Peter THELEN wendet sich gegen eine "Minisenkung des Rentenbeitrags" und benutzt den neoliberalen Kampfbegriff vom "demografischen Zwischenhoch", eine Erfindung des Jahres 2016 als die Rente zum Bundestagswahlkampfthema zu werden drohte.

"Die finanziellen Folgen für die GRV fallen nur deshalb bislang nicht so stark aus, weil die gute konjunkturelle Lage und die günstige Situation auf dem Arbeitsmarkt zu einer unerwartet positiven Entwicklung der Beitragseinnahmen geführt haben (...). Ebenso hat sich ein kurzes demographisches Zwischenhoch günstig auf die Ausgabenentwicklung ausgewirkt".
(
in: "Altersarmut statt Altersvorsorge" von FELD, Lars/KOHLMEIER, Anabell/SCHMIDT, Christoph M. im ifo Schnelldienst Nr.12 vom 23. Juni 2016, S.4)

Das Zwischenhoch ist ein Komplementärbegriff zur "nachhaltigen Finanzierung", der jedoch durch den Glaubwürdigkeitsverlust von Bevölkerungsvorausberechnungen wegzubrechen droht.

ZSCHÄPITZ, Holger (2017): Jetzt tut der Minuszins auch der gesetzlichen Rente weh.
Bislang galt das System der deutschen Alterssicherung als immun gegen Finanzmarktlaunen. Die aktuellen Zahlen belegen das Gegenteil,
in:
Welt v. 15.11.

Bei Holger ZSCHÄPITZ werden Argumente der Verfechter einer Privatisierung der Altersvorsorge zu Argumenten der Befürworter einer Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung umgedeutet. Das ist ganz im neoliberalen Sinne, denn die private Altersvorsorge steht unter starkem Rechtfertigungsdruck.

Während die anderen Mainstreamzeitungen wenigstens nicht nur die Sicht des Arbeitgebervertreters der Deutschen Rentenversicherung präsentieren, ist der Bericht über eine Veranstaltung der Rentenversicherer von ZSCHÄPITZ völlig einseitig. Verschwiegen wird, dass es vor den entscheidenden Sondierungsgesprächen zur Sozialversicherung darum geht, ob die "Überschüsse" zu Beitragssenkungen, Steuersenkung oder zur Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung verwendet werden sollen. Der tendenziöse Beitrag von ZSCHÄPITZ soll die FDP-Position stärken.

"Der Beitragssatz für die gesetzliche Rente sinkt Anfang kommenden Jahres voraussichtlich leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 18,6 Prozent. Die Bundesregierung dürfte diesen Schritt per Verordnung vollziehen",

weckt ZSCHÄPITZ Hoffnungen der Mehr Netto vom Brutto-Fraktion. Die Rentner sollen mit Zahlen zu einer voraussichtlichen Rentenanpassung 2018 zufrieden gestellt werden. Erst im Frühjahr 2018 wird sich zeigen, was die Zahlen wert sind, denn erst dann erfolgt die Festlegung aufgrund der dann vorliegenden Zahlen.

THELEN, Peter (2017): Die Kasse füllt sich.
Die Rentenversicherung hat Rücklagen angehäuft. Negative Zinsen kosten Millionen,
in:
Handelsblatt v. 15.11.

Peter THELEN rückt die mangelnde Nachhaltigkeit der Rücklage in den Mittelpunkt:

"Wenn es weiter so gut läuft, könnte der Beitrag sogar bis 2023 so niedrig bleiben, also bis weit nach Ende der Legislaturperiode. Erst dann wird die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge dafür sorgen, dass er zunächst auf 18,7 Prozent, danach aber sehr schnell auf 21,6 Prozent bis 2030 angehoben werden muss."

Für Leistungsausweitungen war auch angeblich 2014 kein Geld da:

"Als 2014 die Rente ab 63 und die Mütterrente beschlossen wurden, herrschte Konsens, dass es nun auf Talfahrt gehen würde mit den bis dahin staatlichen Rentenreserven und schon bald auch wieder aufwärts mit dem Rentenbeitragssatz."

Das Spiel, dass Geld nur da ist, wenn es um Entlastungen der so genannten "Mitte" geht, die man einkommensmäßig eher als obere Mitte bezeichnen muss, kennt man zur Genüge, wenn man die Wirtschaftsteile der Mainstreamzeitungen studiert. Bestes Beispiel Martin GREIVE. Sobald es um Sozialausgaben geht, sind die sprudelnden Quellen plötzlich von heute auf morgen völlig versiegt.

THELEN präsentiert auch die Sicht von Annelie BUNTENBACH, bügelt das Problem Altersarmut mit einer fadenscheinigen Begründung ab:

"Doch auch diese Probleme sind als Folge des Beschäftigungswunders nicht mehr so drängend wie noch vor wenigen Monaten. Die Renten steigen wieder stärker im kommenden Jahr nach ersten vorsichtigen Schätzungen sogar in Ost und West um drei Prozent. Auch der Sinkflug des Rentenniveaus macht Pause."

Das ist nichts als Schönfärberei. Dass die Renten genauso schnell steigen sollen wie die Löhne, was erst einmal nur eine optimistische Annahme ist, heißt lediglich, dass der Abstand nicht noch größer ist als er bislang schon ist. Mit der Zunahme der Rentnerzahlen wird auch die Altersarmut zunehmen.

ÖCHSNER, Thomas (2017): Ein paar gute Jahre.
Rentner können mittelfristig mit steigenden Bezügen rechnen, auch die Beiträge sinken 2018 leicht. Doch bald droht der Ruhestand der Babyboomer-Jahrgänge,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 15.11.

"Schon sicher ist, dass der Beitrag zur Rentenversicherung 2018 niedriger ausfallen wird. Derzeit liegt er bei 18,7 Prozent. Dieser wird voraussichtlich vom nächsten Jahr an auf 18,6 Prozent gesenkt",

erklärt uns Thomas ÖCHSNER in einer sehr merkwürdigen Formulierung. Soll die Beitragssatzsenkung also noch höher ausfallen? 18,65 Prozent oder gar 18,69 Prozent kann wohl nicht gemeint sein, wenn man sich nicht lächerlich machen will.

Eine Senkung sei unvermeidlich, suggeriert ÖCHSNER, weil dies der Rentenmechanismus so vorsehe ("Obergrenze von 1,5 Monatsausgaben"). Die letzte Regierung hat gezeigt, dass man auch mit Leistungsausweitungen reagieren kann. Die VdK-Präsidentin wird mit einem Plädoyer für Verbesserungen bei der Erwerbsarmutsrente zitiert und Annelie BUNTENBACH als Gegnerin einer CSU-Mütterrente. Zufälligerweise alles Forderungen, die auch Neoliberale erheben - nur dass Kosten dabei möglichst zu vermeiden sind.

Zur Rentenerhöhung 2018 wird der Standardrentner herbeizitiert, also der Phantomrentner, dessen Rente kaum ein realer Rentner erreichen kann. Dieser Phantomrentner erhält eine Bruttorente von 1.396 Euro, was zur Erhöhung von "knapp 42 Euro" führen würde. Die Bildzeitung titelte gestern bereits großflächig:

"Mehr Geld für alle Rentner! Im Schnitt 43 Euro."

Dietrich CREUTZBURG kritisierte dagegen gestern in der Online FAZ:

"Einige Medien hatten zu Wochenbeginn mit Bezug auf denselben Entwurf vermeintlich genaue Zahlen zur Höhe der Rentenanpassung 2018 gemeldet: 3,09 Prozent im Westen und 3,23 Prozent im Osten. Die Zahlen sind aber in dieser Genauigkeit wenig belastbar, auch wenn sie sich aus den amtlichen Annahmen so ableiten lassen. Die erforderlichen statistischen Daten zur tatsächlichen Lohnentwicklung werden, wie üblich, erst im Frühjahr vorliegen. Eine Erhöhung um 3 Prozent würde bedeuten, dass die sogenannte Standardrente von derzeit brutto 1.383 Euro um gut 41 Euro im Monat steigt."

Tages zuvor kündigte die Bildzeitung noch großflächig eine Finanzserie an, die aufzuzeigen verspricht, wie die Rentenlücke zu schließen sei. Auch die SZ berichtete gestern über die Schließung der Rentenlücke. 

ÖCHSNER, Thomas (2017): Sieben gute und sieben schlechte Jahre.
Wie geht's der gesetzlichen Rente? Die Bundesregierung wagt in einem Bericht den Blick in die Zukunft. Danach wird das Altersgeld um durchschnittlich gut zwei Prozent steigen. Doch von 2024 an geht es mit den Beiträgen abrupt abwärts,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 22.11.

STEFFEN, Johannes (2017): Rentenversicherungsbericht 2017.
Gesamtversorgungsniveau: Mehr Erklärungsbedarf als Erkenntnisgewinn,
in:
sozialpolitik-portal.de v. 22.11.

GRÄBER, Berrit (2017): Rechnen mit der Rente.
Freiwillig ins staatliche System einzuzahlen statt privat absichern? Einst verpönt, kann sich das heute rechnen,
in:
Welt v. 27.11.

Während im Wirtschaftsteil die Rente schlecht geredet wird, dient die Rente im Finanzteil als Goldesel, weil die private Altersvorsorge ihre vollmundigen Versprechungen nicht einlösen kann. Beides schadet der gesetzlichen Rente, die nicht nur durch neoliberale Bestrebungen auf Gesetzesebene, sondern auch per Ausplünderung durch Gutsituierte geschwächt wird.

WORATSCHKA, Rainer (2017): Mehr Rente durch Zusatzeinzahlungen - Linke empört.
Rentenversicherung: Immer mehr Deutsche zahlen zusätzlich in die Rentenkasse ein. Die Linke kritisiert das als Renditeanlage,
in:
Tagesspiegel Online v. 29.11.

"Den Regierungsangaben zufolge haben im Jahr 2015 von den insgesamt 287.359 freiwillig Rentenversicherten 5.045 Personen den Höchstbetrag von derzeit 1187,45 Euro im Monat eingezahlt. Von diesen »Sparern« sind nur sieben Prozent Ostdeutsche und nur 86 Frauen. Im Durchschnitt betrug der Monatsbeitrag der freiwilligen Einzahler knapp 128 Euro",

berichtet Rainer WORATSCHKA. Aufgrund der miserablen Rendite bei der privaten Altersvorsorge ist der Anteil der freiwilligen Einzahler rapide gestiegen:

"Zwischen 2010 und 2015 stieg die Zahl der freiwillig Versicherten, die den Höchstbeitrag einzahlten, von 1.586 auf 5.045 Personen. Allein von 2014 auf 2015 gab es einen Anstieg um rund 33 Prozent. Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor. Es steht aber zu vermuten, dass die Zahl weiter stark steigt."

OECD (2017): Pensions reforms have slowed in OECD countries but need to continue.
Further reforms are needed across OECD countries to mitigate the impact of population ageing, increasing inequality among the elderly and the changing nature of work, according to a new OECD report,
in:
Pressemitteilung der OECD v. 05.12.

THELEN, Peter (2017): Rentenversicherung überraschend im Plus.
Manchmal geschehen Wunder – auch bei der Rente: Jahrelang sind Experten davon ausgegangen, dass die Rente mit 63 und die Mütterrente die Rentenversicherung ins Minus treiben. Doch bei den Prognosen wurde eines übersehen,
in:
Handelsblatt online v. 08.12.

THELEN, Peter (2017): Vorläufige Entwarnung.
Kommentar zur vollen Rentenkasse,
in:
Handelsblatt online v. 08.12.

BIEBER, Friedemann & Ben WALTMANN (2017): Was das Alter mit sich bringt.
Der Wahrheitscheck: Drohen den Deutschen wirklich niedrigere Renten als den Kroaten?
in:
ZEIT Nr.52 v. 14.12.

BIEBER & WALTMANN erzählen uns, dass in den "sozialen Medien" ein Artikel des Münchner Merkur - und insbesondere eine dortige Grafik - falsch gedeutet wurde. Anlass war der OECD-Bericht Pensions at a glance 2017. Ob das der Fall war, lässt sich nicht nachprüfen, weshalb auch die Erklärungen der Autoren nicht nachvollziehbar sind. Dafür können jedoch die Argumente von BIEBER & WALTMANN überprüft werden.

"Schätzungen für eine Muster-Arbeitnehmerin und einen Muster-Arbeitnehmer. Beide wurden 1996 geboren, haben 2016 eine Arbeit aufgenommen und werden ihr ganzes Berufsleben lang jeweils exakt den nationalen Durchschnittslohn verdienen. Sie werden in Rente gehen, sobald das abschlagsfrei möglich ist – in Deutschland also, der heutigen Gesetzeslage entsprechend, nach 45 Berufsjahren im Alter von 65 Jahren. Wie hoch wird nun die Rente ausfallen? Die Studie prognostiziert zunächst, wie viel der Muster-Arbeitnehmer im Jahr 2061 netto verdient. Dann prognostiziert sie die zu erwartende Netto-Rente und setzt beides ins Verhältnis. Heraus kommen die Prozentzahlen."

Bekanntlich müssen bereits 1964 Geborene in Deutschland bis 67 Jahre arbeiten, um abschlagfrei in Rente gehen zu können ("Regelaltersgrenze"). Das hätten die Wahrheitschecker auf der Website der Deutschen Rentenversicherung hier nachlesen können. Ob der Fehler bereits der Grafik zuzuschreiben ist, oder nur den Autoren - lässt sich leider nicht überprüfen.

BIEBER & WALTMANN ist ein Fehler zu Kroatien der Aufhänger für ihre Meinung zum deutschen Alterssicherungssystem, das sie als Drei-Säulen-Modell verteidigen, d.h. das Niveau der gesetzlichen Rente ist für sie relativ unwichtig, denn es wird ja durch betriebliche und private Altersvorsorge ergänzt, wodurch das Alterseinkommen gar nicht so niedrig ist. Diese Ideologie vertritt auch die Bundesregierung in ihren jährlichen Rentenversicherungsberichten. Pech nur für jene, denen eine betriebliche Altersvorsorge verwehrt bleibt bzw. die kein Geld für die private Altersvorsorge übrig haben.

Tatsächlich sind internationale Vergleiche sehr schwierig, weil ja die OECD eigene Interessen bei der Darstellung der Fakten verfolgt. Die OECD will die umlagefinanzierte Rente zur Armenfürsorge degradieren und die Kapitaldeckung zur Pflichtveranstaltung machen. Daraus ergibt sich ihre Darstellung. Prinzipiell folgen BIEBER & WALTMANN dieser neoliberalen Sicht:

"Außerdem unterscheidet sich das angenommene Renteneintrittsalter in der Prognose stark. Die Niederländer haben es per Gesetz an die Lebenserwartung gekoppelt, weshalb die OECD für die Muster-Arbeitnehmer von einem Renteneintritt mit 71 Jahren ausgeht. Für Deutschland nimmt die Prognose einen Rentenbeginn mit 65 an – sechs Jahre früher. Durch ein höheres Renteneintrittsalter aber lassen sich leicht höhere Renten finanzieren, da Menschen länger Beiträge zahlen und kürzer Renten beziehen. Und auch für Deutschland ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Renteneintrittsalter bis 2061 noch steigen wird.
Dennoch ist es plausibel, dass Deutschland im Vergleich mit den anderen OECD-Ländern keinen Spitzenwert erreichen würde. Das liegt am demografischen Wandel: In Deutschland kommen in Zukunft wenige Junge auf viele Alte, zudem ist das Rentensystem stark von der Altersstruktur abhängig. Länder mit vielen Geburten oder einem kapitalbildenden Rentensystem haben es einfacher.

Es ist ja so einfach die Probleme dem demografischen Wandel zuzuschreiben und die Überlegenheit kapitalbildender Rentensysteme zu behaupten. Belegt wird das jedoch nicht. Dumm auch, dass die Alterung in Deutschland keineswegs so dramatisch ist, wie das gerne von Neoliberalen dargestellt wird.  

KRIEGER, Friederike (2017): Hohe Risiken bei betrieblicher Altersvorsorge.
Die Aufsicht warnt vor einem Milliardenloch, sollte es zu einem Börsencrash kommen. Wie sicher sind Zusagen?
in:
Süddeutsche Zeitung v. 20.12.

 
     
 
       
   

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Update: 12. Februar 2019