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Thema des Monats

 
       
   

Väter im Blickpunkt

 
       
   

Ein Sammelband, herausgegeben von Tanja Mühling und Harald Rost, widmet sich den unterschiedlichen Facetten der Vaterschaft heute

 
       
     
       
   
     
 

Einführung

In den letzten Jahren sind die Väter mehr und mehr in den Blickpunkt der öffentlichen Debatte geraten. In der bevölkerungspolitischen Debatte kam die Rede vom "Zeugungsstreik" auf (z.B. Meike DINKLAGE ("Der Zeugungsstreik", 2005), die Belletristik entdeckte den späten Vater (z.B. John von DÜFFEL "Beste Jahre", 2007), in Sachbüchern schrieben Väter über die Vaterschaft (z.B. Eberhard RATHGEB "Schwieriges Glück", 2007) und in der familienpolitischen Debatte um das Elterngeld erregten sich die Verfechter der traditionellen Familie über das "Wickelvolontariat" als ungerechtfertigte staatliche Einmischung in private Familienangelegenheiten.

Auch in den Sozialwissenschaften hat das Thema mittlerweile Konjunktur. Gab es in den 1970er Jahren nur 21 Publikationen zum Thema Vater, so waren es in den 1980er Jahren bereits 123 und in den Jahren 2001 bis 2006 erschienen 185 Aufsätze, Beiträge und Monographien zu Vätern.

Die Familienforschung setzte die Väterforschung erst Ende der 1990er Jahre auf die Agenda, obwohl dem Mann bereits seit Mitte der 1980er Jahre  immer wieder eine verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre attestiert wurde. Damals - nach einem steilen Absturz der Anzahl von  Lebendgeborenen in Westdeutschland - entbrannte ein Art Vorläuferdebatte um den demografischen Wandel, wie sie in ähnlicher Form nach der Jahrtausendwende geführt wurde. Bärbel DÖHRING & Brigitte KREß fassten die damalige Stimmung folgendermaßen zusammen: 

Zeugungsangst und Zeugungslust

"Nicht unwesentlich (...) war das gesellschaftliche Klima, das Frauen wieder alleine die Verantwortung für die Fruchtbarkeit beider Geschlechter aufbürden möchte. Damit sind Bestrebungen gemeint, Frauen wieder auf Familie festzulegen und darüber ihre Förderung im Beruf zu vernachlässigen und die Diskussion um eine Verschärfung des Paragraphen 218, also die beabsichtigte Änderung der Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen durch die Krankenkassen.
          
Wie kontrovers wir solche Tendenzen und unsere Haltungen auch diskutiert haben, wir fanden in unseren Fragen doch wieder zusammen: Warum wird, wenn über Fruchtbarkeit und Fortpflanzung geredet und gestritten wird, immer nur von und über Frauen geredet, warum nicht über Männer und von Männern?
(...).
Die »Unsichtbarkeit der Männer« löste bei uns nicht nur Empörung darüber aus, daß viele Männer sich einer verantwortlichen Entscheidung einfach entziehen, sondern auch Unverständnis dafür, daß Männer ausgesprochen selten versuchen, um ihr Kind zu kämpfen, wie man es von ihnen als den  »Mitproduzenten« eigentlich erwarten könnte. Dies würde allerdings voraussetzen, daß sie ihren entsprechenden Beitrag zur Erziehung des Kindes leisteten und sich nicht nur als Ernährer der Familie begriffen."
(1986, S.13f)

Ist dieser "neue Vater", der bereits in den 1980er Jahren vehement eingefordert wurde , bis heute ein Phantom geblieben oder gibt es ihn wirklich? Der von Tanja MÜHLING & Harald ROST herausgegebene Sammelband Väter im Blickpunkt beleuchtet in 9 aufschlussreichen Beiträgen die unterschiedlichen Facetten der Vaterschaft.

Die Entwicklung der Väterforschung und die Debatte um die "neuen Väter" im deutschsprachigen Raum

Gudrun CYPRIAN gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über Methoden, Ergebnisse und offene Fragen in der deutschsprachigen Väterforschung. Sie beschreibt diese Forschung zur Vaterrolle als Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen. CYPRIAN unterscheidet vier Phasen der Beschäftigung mit Vätern, die in Westdeutschland erst in den 1970er Jahren einsetzt. Es ging zuerst um die Auswirkungen der Väterabwesenheit und die negativen Folgen für die betroffenen Kinder. Danach rückte die Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung in den Mittelpunkt. Das Bindungsverhalten gilt seitdem von der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung abhängig. In der dritten Phase wurde die Familie als System betrachtet. Gegenwärtig befinden wir uns gemäß CYPRIAN in der vierten Phase. Im Fokus steht nun die differenzierte Beschreibung nichttraditionaler Familienformen. CYPRIAN zeigt auf, wie sich im Rahmen dieser Forschungen ein differenzierteres Vaterschaftskonzept entwickelt, wobei sich die neueren Konzepte in erster Linie als Ergänzung oder Reaktion auf das klassische Ernährer-Modell verstehen. In neueren Arbeiten kommt dem Konzept Verantwortung eine zentrale Stellung zu, d.h. gute Väter sind verantwortungsbewusste Väter. Anhand eines sozialpsychologischen Phasenmodells von ZIMBARDO beschreibt CYPRIAN die verschiedenen Einflussfaktoren im Veränderungsprozess der Vaterrolle. Es wird deutlich gemacht, dass sich der Wandel der Vaterrolle in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld vollzieht, der den Wandel der innerfamilialen Beziehungen, Veränderungen am Arbeitsmarkt und Arbeitsplatz, die Entwicklung des Sozialstaats und kulturelle Veränderungen im Rahmen des Modernisierungsprozesses umfasst.

Seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahren entwickelt sich parallel zur wissenschaftlichen Forschung eine öffentliche Expertendebatte, d.h. es erscheint Ratgeberliteratur für Väter, neue Zeitschriften etablieren sich und es entstehen Männer- bzw. Vätergruppen sowie politische Interessenverbände. In diesem Zusammenhang wird dann in den 1980er Jahren der Begriff "neuer Vater" geprägt, der jedoch äußerst unscharf ist. Eine immer wieder kehrende Frage dreht sich um die Geschlechterrollenidentät. Jörg BOPP bezeichnete eine Spezies der neuen Väter als "Mappi", wenn sie möglichst viele typisch weibliche Eigenschaften übernahmen. Nicht zuletzt spiegelt sich der Wandel der Männerrolle auch im Familienrecht wider. Vor allem das Kindschaftsreformgesetz aus dem Jahr 1998 hat die Position des Vaters deutlich verändert.

Väterforschung im deutschsprachigen Raum

"Die »personale Verantwortung«, die bis zur Reform bei unverheirateten Paaren automatisch nur der Mutter zustand, steht seitdem beiden Eltern zu. Im Falle der Trennung oder Scheidung bleibt das gemeinsame Sorgerecht die Regel und ein Elternteil muss erhebliche Gründe vorweisen, wenn ihm das alleinige Sorgerecht zugesprochen werden soll, soweit der andere Elternteil nicht zustimmt. (...). In den meisten Scheidungsprozessen vor der Reform verlor der Vater dagegen sein Sorgerecht."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.29)

Die Väterforschung ist gemäß CYPRIAN in Deutschland aufgrund der Abrechnung mit der Nazizeit und die Kritik der Frauenbewegung bis in die jüngste Zeit ideologisch stark belastet gewesen. Ob es nun um die Verweigerung von Unterhaltszahlungen, Misshandlungen, Missbrauch usw. geht: Väter hatten bislang ein schlechtes Image. Mit dem Perspektivenwechsel vom abwesenden Vater zum anwesenden Vater verband sich auch kein Imagewandel, sondern Vätern wurde  Dilettantismus im Umgang mit Kindern bescheinigt. Es waren insbesondere zwei empirische Studien am Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg, die herausstellten, dass Väter besser als ihr Ruf sind und insbesondere Restriktionen der Arbeitswelt einem stärkeren Engagement der Väter entgegenstehen. CYPRIAN zeigt in ihrem Beitrag, dass es im Zusammenhang mit der Vaterrolle noch viele methodische und konzeptionelle Unzulänglichkeiten und eine ganze Reihe offener Fragen gibt.

In ihrem Beitrag Wandel der Geschlechterrollen und Väterhandeln im Alltag stellt Daniela GRUNOW theoretische Konzepte der Väterforschung vor. Im Mittelpunkt steht dabei die Konkurrenz ökonomischer Theorien (am prominentesten ist der Ansatz von Gary S. BECKER) und geschlechtsspezifischer Theorien familialer Arbeitsteilung. Bei letzteren differenziert GRUNOW zwischen dem Geschlechtsrollenansatz, Doing/Undoing Gender und dem Identitätsformationsmodell. Am Beispiel der Zeitverwendung von Vätern und Müttern zeigt GRUNOW die Defizite und blinden Flecken dieser Ansätze auf.

Kinderwunsch und Übergang zur Vaterschaft  

Die sozialwissenschaftliche Forschung zur Kinderlosigkeit setzte in Deutschland verstärkt erst nach dem Pflegeurteil des Bundesverfassungsgericht im April 2001 ein . Kinderlose Männer spielten in der öffentlichen Debatte um den demografischen Wandel ab 2003 eine größere Rolle. Es war eine empirische Studie von Christian SCHMITT über Kinderlose Männer in Deutschland aus dem Jahr 2004, die darauf aufmerksam machte, dass die Kinderlosigkeit von Männern höher ist als die von gleichaltrigen Frauen. Dies wurde populärwissenschaftlich als "Zeugungsstreik" gedeutet, so auch ein Buchtitel von Meike DINSKLAGE. Die Familienforschung hat das Thema gemäß ROST sogar erst im Jahr 2005 aufgegriffen. Die Ursache sieht er im Konservatismus der Modellannahmen:

Der Kinderwunsch von Männern

"Die Ursache dafür lag häufig in den zugrundeliegenden bevölkerungswissenschaftlichen und familiensoziologischen Theorien, die von einem traditionellen Familienmodell ausging, d.h. dem Mann die Ernährerrolle und der Frau die Familienrolle zuschrieben. Hinzu kam, dass Frauen als »letzte Entscheidungsinstanz« im Prozess des generativen Verhaltens betrachtet wurden."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.79)

Neben diesen theoriebedingten Gründen spielte aber auch die Datenlage eine entscheidende Rolle. Die amtliche Statistik muss angesichts des gesellschaftlichen Wandels in den letzten 30 Jahren als hoffnungslos rückständig gelten. Sie verkörpert weitgehend immer noch die Normen des golden Age of Marriage und behindert dadurch eine angemessene Beschreibung moderner Lebensformen jenseits der traditionellen Kernfamilie . ROST gibt in seinem Beitrag einen Überblick über neuere Forschungen  zum generativen Verhalten. Der Kinderwunsch wird im Spiegel diverser empirischer Studien (Shell-Jugendstudie, DJI-Familiensurvey, Bamberger Ehepaar-Panel) betrachtet. Eine Kritik an gegenwärtigen Kinderwunschstudien fehlt leider . Es zeigt sich, dass für Männer ein Einkommen, mit dem eine Familie ernährt werden kann, immer noch eine wesentliche Voraussetzung einer Familiengründung ist:

Der Kinderwunsch von Männern

"Je mehr die über 34-jährigen Männer verdienen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit einer festen Partnerin zusammenleben und Kinder haben. In der höchsten Einkommensgruppe »2500 Euro und mehr« (Netto) gibt es nur einen kleinen Anteil an Nicht-Vätern. Männer mit sehr niedrigen Einkommen sind dagegen häufiger Singles und kinderlos. In der Gruppe mit einem Nettoeinkommen »unter 1000 Euro« leben 39 % nicht in einer festen Partnerschaft und nur 38 % leben zusammen mit Kindern."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.85f)

ROST zeigt anhand des Übergangs zur Vaterschaft, dass sich das generative Verhalten von Männern nicht geändert hat, sondern dass es die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind, die zu einem Aufschub der Familiengründung geführt haben:

Der Kinderwunsch von Männern

"Der Übergang zur Vaterschaft fand in der Vergangenheit in der Regel in einer Altersphase statt, in der die Ausbildung weitestgehend abgeschlossen, der Einstieg in den Arbeitsmarkt vollzogen und die Paarbeziehung institutionalisiert war. Der Anstieg des durchschnittlichen Alters beim Übergang zur Vaterschaft kann im Wesentlichen mit den längeren Zeiten für Bildungsabschlüsse und damit verbunden einer späteren beruflichen Etablierung erklärt werden. Dadurch kommt es sowohl bei Frauen als auch bei Männern zu einer späteren Familiengründung und der Anteil junger Väter nimmt ab."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.92)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für Männer eine stabile Partnerschaft und eine sichere berufliche Situation wichtige Voraussetzungen für eine Familiengründung sind.  Im Gegensatz dazu vertritt Thomas GESTERKAMP in seinem Beitrag Väter zwischen Laptop und Wickeltisch die These, dass in den Großstädten und in akademischen Sozialmilieus eine Vätergeneration heranwächst, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit tradierten Geschlechterrollen bricht.

Zwischen Kind und Karriere

"tip: Wie wünschen sich neue Väter ihre Vaterschaft?
Döge: Alle vorliegenden Studien zeigen eindeutig, dass Väter eine Reduktion ihrer wöchentlichen Arbeitszeit wünschen. Die neue Generation der männlichen Führungskräfte hat eine andere Vorstellung von Work-Life-Balance, als ihre Vorgängergeneration. Viele Männer beklagen die Anwesenheitskultur in Unternehmen oder Verwaltungen, also die Erwartung, dass der Mann sich bevorzugt an seinem Arbeitsplatz aufhält, sei ein sehr großes Hemmnis für ihre Familienorientierung."
(Peter Döge im Gespräch mit Eva Apraku im tip-Magazin Nr.9 v. 19.04.2007)

Dies mag zwar dem Zeitgeist entsprechen wie er in diversen Magazinen propagiert wird, steht bislang jedoch noch im Widerspruch zu empirischen Befunden, wonach "neue Väter" keinesfalls am häufigsten im akademischen Milieu zu finden sind, sondern unter Facharbeitern, wie CYPRIAN an anderer Stelle ausgeführt hat (S.42f.). GESTERKAMP ist der Meinung, dass Männer die Verlierer des gesellschaftlichen Wandels sein werden und fordert deshalb Schulungsmaßnahmen.

Väter zwischen Laptop und Wickeltisch 

"Deregulierte Arbeitsverhältnisse, prekäre Selbständigkeit, befristete Jobs und erst recht Arbeitslosigkeit stellen die traditionelle männliche Identität als Ernährer in Frage. (...). Es liegt oft jenseits ihrer Vorstellungskraft, dass sie als Verlierer des gesellschaftlichen Wandels demnächst vielleicht weniger verdienen könnten als ihre gleich gut oder besser qualifizierte Partnerinnen."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.109)

Besser verdienende Partnerinnen dürften jedoch auch in Zukunft für die Mehrzahl der Männer die Ausnahme sein, insbesondere wenn zukünftig Frauen vermehrt im Segment des "servicebasierten Wohlfahrtsstaates" Arbeit finden.  

Die Zeitverwendung von Vätern

Tanja MÜHLING widmet sich ausführlich der Zeitverwendung von Vätern. Es zeigt sich dabei, dass die amtliche Statistik Väter, die nicht mit ihren Kindern zusammenleben, ignoriert. Familie ist da, wo Kinder leben, heißt es selbst in Parteien, die sich als fortschrittlich bezeichnen. MÜHLING schreibt dazu:

Wie verbringen Väter ihre Zeit?

"Gemeinsam ist allen Datenquellen der amtlichen Statistik, dass Männer, deren Kinder z.B. nach einer Scheidung der Eltern nicht (mehr) mit ihnen zusammen wohnen, nicht als Väter eingestuft werden können. Aus diesem Grund sind Vergleiche der Zeitverwendungsstruktur von Vätern, die mit ihren Kindern den Haushalt teilen, und Vätern, die nicht mit ihren Kindern zusammen leben, leider nicht möglich, obwohl dies gerade eine interessante Fragestellung wäre."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.126)

Die amtliche Statistik ermöglicht auch keine Unterscheidung zwischen leiblichen Vätern und Stiefvätern, obwohl es zunehmend mehr Patchwork- bzw. Stieffamilien gibt. Ob sich biologische und soziale Väter in ihrem Engagement unterscheiden, lässt sich daher in Mikrozensus-Erhebungen nicht feststellen.  Es sind gemäß MÜHLING vor allem Zwei-Verdiener-Familien, die mit Hilfe der Auslagerung von Hausarbeiten bzw. Kinderbetreuung zeitliche Engpässe abfedern .

Wie verbringen Väter ihre Zeit?

"Wenn die Partnerin ebenfalls berufstätig ist, steigt der Anteil der Familien, die bezahlte oder unbezahlte Hilfe bei der Kinderbetreuung, der Gartenarbeit und den Putzarbeiten im Haushalt annehmen. Zeitliche Engpässe bei der innerfamilialen Arbeitsteilung lösen Zwei-Verdiener-Familien häufig durch die Externalisierung bestimmter Aufgaben."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.156)

Der Politikwissenschaftler Gösta ESPING-ANDERSEN begründet mit der gewünschten Zunahme berufstätiger Mütter auf dem Arbeitsmarkt die Ausweitung eines Niedriglohnsektors. Ziel ist ein sogenannter "servicebasierter Wohlfahrtsstaat". Können sich Familien dies nicht leisten, so gehen Zeitkonflikte zu Lasten von Regenerationszeiten. Dirk HOFÄCKER gibt einen systematischen Überblick über Hindernisse, die dem Phänomen "neuer Vater" in verschiedenen europäischen Staaten entgegenstehen. Arbeitsmarkt, Familienpolitik und betriebliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familien werden dabei unter die Lupe genommen.

Rainer VOLZ beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Insbesondere den Bereich der Sauberkeit sieht er als Einfallstor für die Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse, die mit der Familiengründung einhergeht. Er bezieht sich dabei auf die Studie Die schmutzige Wäsche von Jean-Claude KAUFMANN .

Alleinerziehende Väter - eine schnell wachsende Familienform

"Und plötzlich wird das Paar wieder denkbar"

"Peter Handke: Zu Beginn war das unvorstellbar: Jemand wie ich, als Mann, als Schriftsteller, mit einem zweijährigen Kind, in einer beispielhaften bundesrepublikanischen Neubausiedlung - das konnte ich nicht denken. Die ersten Monate sind wirklich nur vergangen durch Morgen-und-Abend-werden-Lassen und durch eine gewisse Energie zur schriftstellerischen Routine; auch durch das Glück, daß ich gerade ein Buch in Arbeit hatte, »Wunschloses Unglück«. Die großen Schwierigkeiten fingen an mit der Frage: Wie ist man mit einem Kind allein?"
(aus: Spiegel Nr.28, 1978)

Die Zahl der alleinerziehenden Väter mit minderjährigen Kindern ist in Westdeutschland von 65.000 (1961) auf ca. 150.000 gestiegen. Alleinerziehende Väter wie Peter HANDKE, also mit Kindern unter 3 Jahren, sind aber auch heute noch die Ausnahme. 94,3 % leben bei alleinerziehenden Müttern und nur 5,7 % bei Vätern. Seit der Reform des Kindschaftsrechts im Jahr 1998 ist jedoch das alleinige Sorgerecht durch das gemeinsame Sorgerecht abgelöst worden. Wie das in der Praxis ablaufen kann, hat Georg SCHÖNHERR im Berliner Stadtmagazin tip geschildert:

Daddy Cool

"Vicky und ich haben uns getrennt, als Niklas ein Jahr und neun Monate alt war (...).
Eigentlich halte ich nicht viel von Bürokratie, aber ein paar Wochen nach der Geburt hatte ich darauf bestanden, dass wir uns vom Jugendamt eine Urkunde ausstellen ließen. Diese Urkunde verbriefte, dass ich die gleichen Rechte habe wie Vicky und wir uns die Sorge um Niklas teilen. (...). Nach einer Phase flexibler und oft kurzfristig per Telefon vereinbarter Kindübergaben, die in der Regel mit Geschrei und Anschuldigungen und allgemeinem Chaos einhergingen, einigten wir uns auf einen festen Zweiwochen-Rhythmus. Vicky hatte sich umgehört, andere machten das auch so und kamen ganz gut zurecht. Niklas blieb nun fünf Tage bei mir und neun Tage bei Vicky. Zum Ausgleich bekam Vicky das Kindergeld, und ich gab ihr noch was dazu."
(tip-Magazin Nr.9 v. 19.04.2007)

Gemäß MATZNER hat das neue Kindschaftsrecht jedoch nicht dazu geführt, dass nun Väter im gleichen Maße wie Mütter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen bekommen.

Alleinerziehende Väter - eine schnell wachsende Familienform

"Väter haben es auch nach der Reform des Kindschaftsrechts noch immer schwerer als Mütter, das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu bekommen, wenn die »Erziehungsfähigkeit« der Mutter nach Auffassung von Jugendamt und Familiengericht nicht eingeschränkt ist und sie selbst die Kinder aufziehen möchte. Die jahrzehntelang normierte Sorgepflicht zugunsten der Mütter (...) wirkt hier noch nach. Im Zweifelsfall wird noch häufig die Mutter favorisiert, der Vater soll zahlen und »bekommt« dafür ein »großzügiges« Umgangsrecht."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.232)

Die Bewertung von Ein-Elternfamilien lässt sich am unterschiedlichen Sprachgebrauch seit den 1950er Jahren ablesen. Von den unvollständigen Familien zu den Alleinerziehenden war es ein langer Weg. MATZNER macht aber auch auf die Abgrenzungsprobleme aufmerksam. Nicht jeder, der statistisch als Alleinerziehender (ein Begriff, der erst 1990 eingeführt wurde) geführt wird, ist auch alleinwohnend und auch nicht unbedingt alleinerziehend . Der Status "alleinerziehend" hat seine Vorteile. Städte werben mit Fördergeldern, Kindergartenplätze sind einfacher zu bekommen. Warum also sofort heiraten? Aus diesem Grunde unterscheiden Forscher neuerdings zwischen "tatsächlich Alleinerziehenden" und jenen, die eigentlich als Paare ohne Trauschein zusammenwohnen, aber nicht zusammenwirtschaften. MATZNER geht auch ausführlich auf die Unterschiede der Lebenssituation von alleinerziehenden Müttern und Vätern ein.

Im letzten Beitrag widmet sich Ruth LIMMER der Bedeutung des getrenntlebenden Vaters für die psycho-soziale Entwicklung seiner Kinder. LIMMER wendet sich gegen Ansätze, die die An- und Abwesenheit von Vätern am Kriterium des Zusammenwohnens bzw. Getrenntwohnens festmachen.

Mein Papa wohnt woanders

"Aus der fehlenden physischen Präsenz des Vaters oder der Mutter kann (...) nicht geschlossen werden, dass er/sie im Leben des Kindes keine Rolle spielt. Der berufsmobile Vater kann beispielsweise über Fernkommunikationsmittel engen Kontakt halten und selbst in Fällen, in denen jeder Kontakt abgerissen ist, kann der Vater in der psychischen Realität des Kindes sehr präsent sein. Umgekehrt bedeutet das Zusammenleben beider Eltern mit ihrem Kind nicht, dass sie beide als Interaktionspartner verfügbar sind."
(aus: Väter im Blickpunkt 2007, S.243)

Des Weiteren verdeutlicht LIMMER in einem historischen Abriss die Weiterentwicklung der entwicklungspsychologischen Väterforschung. Es zeigt sich, dass sich die Bedeutung von getrenntlebenden Vätern keineswegs einheitlich darstellt. Sie hängt davon ab, ob ein Kind seinen Vater kennen gelernt hat bzw. wie sich der Umgang nach der Trennung/Scheidung zwischen Vater und Kind gestaltet. Es ist weniger der zeitliche Umfang, sondern die Qualität der Beziehung zwischen Vater und Kind entscheidend.

Fazit: Das Buch gibt einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Väterforschung

Das Buch Väter im Blickpunkt zeigt, dass die Väterforschung im deutschsprachigen Raum erst am Anfang steht. Männer sind das vernachlässigte Geschlecht in der Familienforschung. Die Beiträge geben einen guten Einblick in die unterschiedlichen Forschungsfelder und Themen. Sowohl konzeptuelle als auch methodische Restriktionen der bisherigen Väterforschung werden aufgezeigt. Offene Fragen werden angesprochen und auf unterbelichtete Aspekte wird hingewiesen. Jahrzehntelang hatten Väter in Deutschland ein schlechtes Image. Der vorliegende Band zeigt jedoch, dass die Väter besser sind als ihr Ruf. Es sind insbesondere Hindernisse in der Arbeitswelt, eine vorurteilsbeladene Rechtssprechung, eine mütterfixierte Familienpolitik, aber auch Vorbehalte der Frauen, die einem stärkeren Engagement von Vätern in Familien entgegenstehen.

 
     
 
   

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© 2002-2018
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 12. April 2008
Update: 21. November 2018