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Einführung
Das Pflegeurteil des
Bundesverfassungsgerichts vom April 2001 war gleichzeitig der
Startschuss für die Themen des Monats auf dieser Website. Dieses
ist mittlerweile der 85. Beitrag und es ist das erste
Herbstthema. Im
Dezember 2003 ging es hier um die Gesellschaft der
Langlebigen. Im Untertitel hieß es dazu: Eine
Herausforderung für Individuum und Politik. Nichts weniger als
eine kopernikanische Wende ist notwendig! Fast 6 Jahre
später zeigt sich, dass diese Einschätzung richtig war
. Die
Themen Älterwerden, Pflege und Sterben beherrschen
mittlerweile den Buchmarkt. Standen zu Beginn des Jahrzehntes
Fragen der Politik im Vordergrund, so geht es nun im ausgehenden
Jahrzehnt vermehrt um die Herausforderungen für das Individuum.
Die
Politik hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten
Rahmenbedingungen geschaffen, die inzwischen den Alltag von
vielen Menschen verändern. Letztes Jahr wurde zuletzt die
Pflegeversicherung reformiert, die 1995 in Deutschland
eingeführt wurde. Diese Reform brachte zwar einige
Verbesserungen, aber längst sind damit nicht alle Probleme
befriedigend gelöst worden, wie z. B ein Blick in die Zeitung
Das Parlament Nr.31 v. 28.07.2008 schnell deutlich macht
. Dies führt dazu, dass sich Kinder
bei der Pflege der Eltern zwischen mehr oder weniger
befriedigenden Alternativen entscheiden müssen. Oftmals stehen
die Angehörigen bei Pflegebedürftigkeit unvorbereitet da. Hier
werden deshalb verschiedene neue Ratgeber- und Sachbücher
vorgestellt, die zum einen Hilfe in solchen
Entscheidungssituationen bieten möchten und zum anderen auf
neuartige Probleme aufmerksam machen, vor die wir zukünftig
gestellt sein werden.
Die Gesellschaft der Langlebigen
In der politischen Debatte
wird gerne von "vergreisender" oder "überalteter" Gesellschaft
gesprochen. Dies sind Wertungen, die viel über die Position der
Debattenführer aussagen, aber nicht weiterführend sind. Es wird
so getan, als ob es früher keine gesellschaftlichen Probleme
gegeben hätte oder die früheren Probleme zumindest kleiner
gewesen wären. Die Vergangenheit wird damit unzulässig verklärt.
Die Schuld für unsere gesellschaftlichen Probleme wird dann
entweder bei den zu vielen Alten ("Vergreisung") oder bei den
jungen Kinderlosen bzw. Kinderarmen ("Unterjüngung") gesucht. Mittlerweile gibt es aber etliche Soziologen, die beide
bevölkerungspolitisch motivierte Bewertungen ablehnen. Zu ihnen
gehören Karl Otto HONDRICH ("Weniger sind mehr"
) und
Peter GROSS ("Glücksfall Alter"). Auf
dieser Website wird deshalb wertneutral von einer Gesellschaft
der Langlebigen gesprochen. Dies legt den Fokus auf die
geänderten Lebensläufe und ihre Folgen für Individuum und
Gesellschaft. Sehr
sachlich informiert auch ein Buch der Stiftung Warentest
mit dem Titel Pflege zu Hause. Sabine KELLER tritt einer
Verklärung der Vergangenheit entgegen.
Pflege zu Hause
"An der oft
geäußerten Behauptung, dass es heute nicht mehr
selbstverständlich sei, alte und behinderte Menschen im
Kreise der Familie zu versorgen, ist (...) kaum etwas
dran. Zumal ältere Menschen früher nur selten ein Alter
erreichten, in dem sie völlig hilflos wurden - und wenn,
dann starben sie meist sehr schnell. Eine »Schwerstpflege« zu Hause ist auch erst heute möglich, denn
sie setzt neben speziellen Pflegekenntnissen technische
Geräte, Pflegehilfsmittel und Medikamente voraus, die
früher gar nicht zur Verfügung standen."
(2009, S.11) |
Gibt es einen Krieg der Generationen?
Die seriöse
Generationenforschung
zeigt,
dass es sowohl einen öffentlichen als auch einen familialen
Transfer zwischen den Generationen gibt. Wenn vom
Generationenkrieg gesprochen wird, dann geht es um
Interessenpolitik bezüglich der öffentlichen Transfers, die in
der Politik gerne als Generationenvertrag thematisiert werden.
Diese oder jene Altersgruppe kann dann des Vertragsbruchs
bezichtigt und Generationengerechtigkeit eingefordert werden . Im
Gegensatz dazu spielen im alltäglichen Leben der Individuen
familiale Transfers die größere Rolle. Es geht dann in erster
Linie um Geld-, Sach- oder Hilfeleistungen zwischen Kindern,
Eltern und Großeltern. Mit der Einführung der Pflegeversicherung
wird seit Mitte der 1990er Jahre im Falle der
Pflegebedürftigkeit in das System der familialen Transfers
eingegriffen. Dies führt dazu, dass immer mehr Bürger den Umgang
mit neuen bürokratischen Strukturen erlernen müssen.
Wenn die Kinder älter und die Eltern
pflegebedürftig werden
Die Zeitschrift Neon,
deren Motto ist: Eigentlich sollten wir endlich erwachsen
werden, widmete im Januar 2005 den älter werdenden Eltern eine
Titelgeschichte.
Hilfe! Unsere Eltern werden alt
Egal "in welche
Richtung sich unsere Eltern gerade entwickeln, sind wir
natürlich froh, solange sie bloß Runzeln und Macken
anhäufen, aber gut zurechtkommen. Und wir werden
hoffentlich nicht kneifen, falls sie irgendwann doch
unsere Hilfe brauchen."
(Januar 2005, S.46) |
Michael EBMEYER, Jahrgang
1973, beschrieb damals die Hoffnungen der älter werdenden
Generation Golf. Zumindest was das gut Zurechtkommen der
eigenen Eltern anbetrifft, wird das für immer mehr Angehörige
dieser Generation ein frommer Wunsch bleiben. Nach
einer von REITZLER zitierten Studie von Horst W. OPASCHOWSKI
wünschen sich die Best Ager (50- 69-Jährige) geistig fit zu
bleiben. Rund die Hälfte der Deutschen definiert das Alter mit
dem Zeitpunkt, wenn man zum Pflegefall wird und zugleich
wünschen sich 87 % der Deutschen niemals alt zu werden.
Gesundbleiben im Alter hat also einen hohen Stellenwert.
In
seinem lesenswerten Buch 50 einfache Dinge, die Sie über das
Altern wissen sollten klärt der Wiener Professor Cem
EKMEKCIOGLU über den Prozess des Alterns und daraus folgende
Konsequenzen für einen gesunden Lebensstil auf. Anti-Aging ist
in den vergangenen Jahren zu einem Schlagwort geworden, mit dem
sich vielfach übersteigerte Erwartungen verbinden. EKMEKCIOGLU
zeigt in seinem Buch eindrucksvoll, dass man mit einem gesunden
Lebensstil die Wahrscheinlichkeit erhöht, die individuell
vorgegebene Lebensspanne zu erreichen. Die maximal mögliche Lebensspanne
der Menschen hängt
dagegen auch von Faktoren ab, die wir mit unserem Handeln nicht
beeinflussen können.
50
einfache Dinge, die Sie über das Altern wissen sollten
"Unter Anti-Aging
kann zweierlei verstanden werden. Einmal die Absicht, den
Alterungsprozess zu verzögern, und zweitens das Anliegen,
Mittel beziehungsweise Methoden zu finden, die gegen
altersabhängige Veränderungen wirken können. In den
vergangenen Jahren hat dabei unter dem Schlagwort »Anti-Aging-Medizin«
neben der bekannten Hormonersatztherapie bei Frauen vor
allem die Frage der Hormongabe an alternde Männer breiten
Raum in der Gesellschaft eingenommen. Es vergeht kaum eine
Woche, in der nicht in einem öffentlichen Medium dieses
Thema angesprochen wird.
Dafür gibt es Gründe. Dazu gehören sowohl das durch
Öffentlichkeitsarbeit propagierte gestiegene
Gesundheitsbewusstsein wie auch das finanzielle Potential,
das in dem steigenden Anteil alter Menschen in der
Gesellschaft steckt. Jedoch ist die wissenschaftliche
Beweislage bei gesunden Seniorinnen und insbesondere
Senioren mit altersentsprechenden (Hormon-)Veränderungen
mehr als dürftig."
(2009, S.204) |
Zwei Monate vor Erscheinen
des oben erwähnten Neon-Artikels
hat der 12 Jahre ältere Journalist Matthias KAMANN - also ein
Angehöriger der Single-Generation - darauf hingewiesen,
dass nun die "trauernde Generation" der geburtenstarken
40Jährigen anfängt, ihre Eltern zu beerdigen. Vor dem
Sterben tritt aber in vielen Fällen die Pflegebedürftigkeit ein. Heutzutage sind es die 45- bis 55 Jährigen, die relativ
unvorbereitet mit der Pflegebedürftigkeit der Eltern
konfrontiert sind, wie Rainer REITZLER in seinem Ratgeber
Wenn Eltern Pflege brauchen schreibt.
Wenn Eltern Pflege brauchen
"Meist kommt der Tag X gar nicht
so unerwartet, wie es sich die am meisten betroffene
Generation, die heute 45- bis 55-Jährigen, einredet. Viele
der 45- bis 55-Jährigen können sich zudem gar nicht
vorstellen, dass die eigenen Eltern irgendwann einmal so
hilfsbedürftig werden, sodass sich die Rollen vertauschen.
Wer 30, 40 oder 50 Jahre das Kind war, möchte es auch
irgendwie bleiben, egal wie selbständig er lebt. Wer
ehrlich zu sich selbst ist, wird eingestehen, dass es
immer kleine Anzeichen für Verfall gibt. Sie werden nur
ignoriert bzw. nach kurzzeitiger Beschäftigung mit
unausweichlichen Situationen wieder verdrängt."
(2009,
S.20) |
Die verschiedenen Ratgeber setzen jeweils
unterschiedliche Schwerpunkte
Zum Thema Pflege gibt es
zahlreiche Bücher, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte
setzen. Dies soll ein Vergleich dreier Bücher zur Pflege der
Eltern zeigen.
Das Buch Wenn Eltern
Pflege brauchen hat Rainer REITZLER verfasst, der in der
Versicherungsbranche tätig ist. Der Autor legt viel Wert auf die
versicherungstechnischen und organisatorischen Aspekte sowie den
richtigen Umgang mit den diversen Behörden und Institutionen.
Wer alleinstehend ist, bzw. wer weniger auf familiale
Unterstützung hoffen kann oder wer bei der Pflege der eigenen
Eltern auf sich allein gestellt ist, der kann am meisten von
REITZLERs Buch profitieren. Fallbeispiele wie jenes einer
69jährigen alleinwohnenden Frau, die durch einen Sturz
pflegebedürftig wurde und dank einer privaten Unfallversicherung
wertvolle Unterstützung erhielt, zeigen anschaulich wo sich bei
der Altersvorsorge Lücken auftun.
Wenn Eltern Pflege brauchen
"Ohne die Versicherung hätte ich über
3.000 Euro für meine dienstbaren Geister bezahlen müssen.
Das wäre finanziell gar nicht gegangen. Wahrscheinlich
wäre es eine schlimme Zeit mit Entbehrungen geworden, denn
ich habe mich inzwischen erkundigt: Wer nach einem Unfall
vorübergehend auf fremde Hilfe angewiesen ist, wird zu
Hause weder über die gesetzliche Kranken- noch die
Pflegeversicherung versorgt."
(2009, S.49) |
Das Buch Pflege zu
Hause der Stiftung Warentest legt den Schwerpunkt -
wie bereits der Buchtitel verrät - auf die häusliche Pflege.
Damit entspricht es auch dem, was mit der Einführung der
Pflegeversicherung bezweckt werden sollte: die Förderung der
häuslichen Pflege. Viel
Augenmerk richtet Sabine KELLER deshalb auf das, was die
Pflegenden bei der häuslichen Pflege erwartet. Detailliert wird
auf den Pflegealltag eingegangen. Weder Inkontinenz oder Demenz,
noch einzelne Verrichtungen wie der Toilettengang oder
sexuelle Bedürfnisse der Pflegebedürftigen werden ausgespart.
Pflege zu Hause
"Für Pflegende wie
Pflegebedürftige gehört ein Kontrollverlust über die
Ausscheidung von Urin und Stuhl zu den größten
Belastungen. Menschen, die an einer Inkontinenz leiden,
fühlen sich meist in ihrer Würde und Selbstachtung
verletzt, schämen sich und bekommen Schuldgefühle denen
gegenüber, die sie versorgen.
Die Pflegenden müssen erst lernen, einfühlsam und
möglichst selbstverständlich mit den Folgen der
Inkontinenz umzugehen. Am Anfang fühlen sie sich oft
überfordert und kämpfen ihrerseits mit Schuldgefühlen,
weil sie sich ekeln und zur Versorgung des Betreuten erst
überwinden müssen. Die Pflege wird durch eine Inkontinenz
viel arbeitsaufwendiger, denn die sorgfältige Reinigung
des Pflegebedürftigen, Wäschewechseln und Hautpflege
können mehrmals am Tag notwendig werden."
(2009, S.81) |
Bei REITZLER bleiben
dagegen die Zumutbarkeitsgrenzen abstrakt. Stattdessen wird
ausführlicher auf typische Fehler beim Gutachterbesuch
eingegangen und ein Musterbrief erleichtert das Abfassen eines
Widerspruchs.
Das
Buch Wenn die Eltern älter werden der Diplom-Psychologin
Helga KÄSLER-HEIDE legt den Schwerpunkt stärker auf die
psychischen Aspekte des Älterwerdens von Kindern und ihren
Eltern sowie die mit einer Pflegesituation verbundenen
einschneidenden Änderungen im Verhältnis. Und nicht zuletzt wird
deutlich, dass immer noch hauptsächlich die Frauen Pflegearbeit
zu Hause leisten.
Wenn die Eltern älter werden
"Von der
Bestimmung des (...) Wohnorts der Eltern ist – wie bei
kaum einem anderen Entschluss – die gesamte Familie
betroffen. Häufig brechen alte Geschwisterkonflikte wieder
auf, die nicht immer konstruktiv ausgetragen werden. Aber
auch Einzelkinder haben es nicht leicht. Wieder einmal
liegt alle Verantwortung bei ihnen, müssen sie alle
Entscheidungen alleine treffen. (...). Besonders kritisch
wird der Zustand, wenn die Eltern pflegebedürftig werden
und/oder mental nicht mehr in vollem Umfang zu erreichen
sind. Aus der ehemaligen Kindrolle des Versorgt- und
Behütetwerdens wird ganz allmählich die Rolle der
umfassenden Versorger und Betreuer. Durch die Übernahme
der Pflege gewinnt die Beziehung zu den Eltern eine neue
Intimität, die manche Menschen mit großer
Selbstverständlichkeit aufnehmen können, die andere
hingegen völlig überfordert.
Gerade diese Überforderung führt häufig zu einem großen
Gefühlschaos, das sich zwischen Aggressionen und
Schuldgefühlen bewegen kann. Die meisten Pflegenden
bleiben mit diesen Gefühlen allein. Die ständige
Anspannung und der Mangel an Ausgleich führen häufig zu
einem Verlust an Lebensfreude. Viele Menschen sind derart
in ihrem Alltag zwischen Pflege des Elternteils, Beruf und
Familie eingespannt, dass sie kaum wahrnehmen, wie wenig
sie noch ihr eigenes Leben leben. Ein Teufelskreis
beginnt.
Für viele pflegende Angehörige ist es äußerst belastend,
diesen anstrengenden Zustand über einen längeren Zeitraum
durchzuhalten. Das Ausmaß der Belastung wird durch einen
Bericht der Bundesregierung zu Fragen der
Pflegebedürftigkeit deutlich, aus dem hervorgeht, dass 37
Prozent aller Pflegenden durch die Betreuung Schäden an
der eigenen Gesundheit erleiden.
Trotz vielfältiger gesellschaftlicher Veränderungen fühlen
vor allem Frauen sich für die Pflege der Eltern
verantwortlich. Die eigenen Ansprüche werden
zurückgestellt. Daraus resultiert häufig ein Verlust an
Lebensfreude und in den meisten Fällen leidet auch die
Partnerschaft."
(2009, S.11f.) |
Die Wahl des richtigen
Ratgebers hängt also auch von der Situation ab, in der Sie
sich gerade befinden und wo Sie die größten Probleme sehen. Alle
drei Ratgeber berücksichtigen die gesetzlichen Änderungen im
Bereich der Pflegeversicherung, die im Juli 2008 in Kraft
getreten sind.
Häusliche Pflege ist nicht gleich häusliche
Pflege
Von der Pflegefallproblematik
können wir selber oder unsere Kinder von
heute auf morgen (z.B. durch Schlaganfall oder Tod des
pflegenden Partners) oder aufgrund von vorhersehbaren Krankheitsverläufen
(z.B. bei Demenzkrankheiten) betroffen sein. Im
letzteren Fall ist meist genügend Zeit, um sich auf die
Situation vorzubereiten. Oftmals werden Kinder aber mehr oder
weniger unvorbereitet mit der Pflegebedürftigkeit eines
Elternteils konfrontiert. REITZLER beschreibt in seinem Buch die
Situation der so genannten "Sandwichgeneration".
Wenn Eltern Pflege brauchen
"Kommt es zur
Pflegebedürftigkeit eines Elternteils, fühlt sich das »reife
Kind« meist völlig überfordert. Sohn und Tochter geraten
in den Teufelskreis, gleichzeitig in Beruf, in der eigenen
Familie und nun auch noch im elterlichen Pflegefall
optimal funktionieren zu müssen. Schnelle und erfolgreiche
Auswege gibt es nur selten. Vielmehr gerät oft das gesamte
bisherige Lebenswerk ins Wanken. Hinzu kommt die große
emotionale Belastung. Wer möchte nicht das Beste für seine
Eltern? Aber ist das auch zu leisten?
Der Ruf nach Hilfe von außen verhallt ungehört. Niemand
fühlt sich in der ersten Zeit zuständig. Wehe dem, der
dann über keinen guten Hausarzt verfügt, der diesen Namen
auch verdient, also regelmäßig zu Hause nach dem Patienten
schaut, der zwar dringend der Pflege bedarf, aber
offiziell noch längst nicht als Pflegefall anerkannt ist
und somit keine Leistungen erhält."
(2009, S.29) |
Gerade in der ersten Phase
ist guter Rat teuer. Ein guter Hausarzt ist hier neben einer
Pflegeberatung besonders wichtig. Viele Probleme entstehen durch
die spezielle Definition der Pflegebedürftigkeit durch die
Pflegeversicherung. Ein kurzfristiger Pflegebedarf ist in der
Regel (Ausnahme Todkranke und Härtefälle) nicht durch die
Pflegeversicherung abgedeckt, wie Sabine KELLER ausführt.
Pflege zu Hause
"Als
pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversichungsgesetzes
gilt, wer »wegen einer körperlichen, geistigen oder
seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen
und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des
täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens
sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe
bedarf«.
Das bedeutet: Ein kurzfristiger Pflegebedarf (weniger als
sechs Monate) begründet keinen Anspruch auf Leistungen der
Pflegekasse." (2009, S.99) |
Die Pflegebedürftigkeit
wird nicht nur zeitlich, sondern auch nach Schwere in
unterschiedliche Pflegestufen eingeteilt. Zur Prüfung der
Pflegebedürftigkeit kommt ein Gutachter zu Besuch. Für
gesetzlich Versicherte ist der Medizinische Dienst der
Krankenkassen (MDS), für Privatversicherte ist die Medicproof
zuständig.
Beide Dienste bewerten
nach den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur
Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des
Sozialgesetzbuches. Die aktuellen Richtlinien können auf den
Seiten des MDS als PDF-Datei heruntergeladen werden. Da
die Pflegeversicherungen dynamisch weiterentwickelt werden, ist
auch weiterhin des Öfteren mit Anpassungen der Richtlinien zu
rechnen, sodass sich ein Blick auf die Website des MDS
lohnt. Kein Buch kann so aktuell sein, dass es alle kommenden
Anpassungen berücksichtigen kann. Die derzeit aktuelle Fassung
der Richtlinien stammt z.B. vom Juni 2009.
Die Organisation der häuslichen Pflege
Am Anfang steht die Frage,
ob die häusliche Pflege durch Angehörige durchgeführt werden
kann oder ob fremde Hilfe benötigt wird. Die Pflege kann dabei
durch technische Hilfen (z.B. Gehhilfen oder moderne
Kommunikationstechnik), bauliche Anpassungen, Bringdienste,
Haushaltshilfen, soziale Dienste und vieles mehr erleichtert
werden.
Auf den Internetseiten der
Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik®
kann man sich im Katalog Komfort & Qualität über
die vielfältigen technischen Hilfsmittel informieren.
Seniorplace hilft u. a. bei der Suche nach ambulanten
Pflegediensten. Auf der Homepage der
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung e.V. findet man
Adressen regionaler Wohnberatungsstellen und Informationen zum
Thema Wohnungsanpassung.
Das Thema Pflegedienst
wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Ideologische Kämpfe
gibt es z.B. um die Frage, ob karitative oder privat
organisierte Pflegedienste besser sind. Sabine KELLER stellt
deshalb im Buch Pflege zu Hause die Vor- und Nachteile
der beiden Pflegedienstvarianten gegenüber. REITZLER
listet dagegen im Buch Wenn Eltern Pflege
brauchen das ganze Spektrum professioneller und
nicht-professioneller Organisationen auf, die den
Alltag der Pflege erleichtern können. Dazu zählen neben den
professionellen Pflegediensten auch Nachbarschaftshilfe,
Selbsthilfegruppen oder private Vereine, die Hilfen und
Informationen bei
speziellen Alterskrankheiten wie Demenz, Parkinson oder
Schlaganfällen anbieten.
Ein eigenes
Kapitel widmet REITZLER dem Thema Pflegenotstand, in dem es u. a. um
Haushaltshilfen am Rande der Legalität geht. Spätestens seit dem
Erscheinen des Buches Wohin mit Vater steht das Thema
illegale ausländische Pflegekraft auf der Agenda.
Während Sabine KELLER den
legalen Weg der Vermittlung von osteuropäischen Pflegekräften
durch die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der
Bundesagentur für Arbeit ausführlich erläutert, übt REITZLER
Kritik an der gängigen Praxis in Deutschland und geht
ausführlicher auf die Bedingungen ein, unter denen ausländische
Pflegekräfte in Deutschland eingesetzt werden dürfen.
Wenn die Belastungen zunehmen
Bei den meisten
Alterskrankheiten ist der Krankheitsverlauf mit zunehmenden
Belastungen für die Pflegenden verbunden. Aber bereits in der
ersten Phase kann selbst eine leichtere Pflegebedürftigkeit
eines Angehörigen Paare und Familien stark belasten, wenn die
Zuständigkeiten nicht fair aufgeteilt und/oder die eigenen Grenzen
falsch eingeschätzt werden. Im ersteren Fall
können professionelle
Streitschlichter (Mediatoren) nützlich sein. Auf den
Interntseiten des Bundesverbandes Mediation e.V. kann nach
geeigneten Mediatoren gesucht werden. Die aktuelle
Fachzeitschrift Spektrum der Mediation vom Herbst 2009
befasst sich mit dem Thema Mediation im Gesundheitswesen.
Meist sind die Pflegenden
entweder gleich alt (bei Ehepartnern) oder stehen bereits mitten im
Berufsleben und haben kleine Kinder. Wenn ein pflegender
Partner stirbt, wird die Frage aufgeworfen, wer die Pflege
weiter übernimmt. Oftmals kommt das für die Kinder überraschend, weil Anzeichen
der Überlastung gerne verdrängt werden.
Nicht selten wird bei pflegenden (Ehe-)partnern über die Sorge um den Partner der eigene
Alterungsprozess und die damit einhergehenden Grenzen
vernachlässigt. In dem Buch 50 einfache Dinge, die Sie über
das Altern wissen sollten, vermittelt Cem EKMEKCIOGLU
wichtiges Wissen über den Alterungsprozess und Möglichkeiten der
Entstehung von typischen Alterskrankheiten und -problemen entgegenzuwirken. Zu einem
gesunden Lebensstil gehören Auszeiten, die mit dem
Alter wichtiger werden, weil sich das Zeitempfinden ändert.
50
einfache Dinge, die Sie über das Altern wissen sollten
"Eugène Ionesco
soll im Alter gesagt haben: »Ich bin in einem Alter, da
... eine Stunde nur wenige Minuten dauert und da man
Viertelstunden gar nicht einmal mehr wahrnimmt.« (Zitiert
aus Simone de Beauvoir, Das Alter) Um dieser
temporalen Kompression zu entkommen, sollte der ältere
Mensch sein Leben abwechslungsreich gestalten. Kurse,
Vorträge, Ausstellungen und vor allem Reisen bieten sich
an. Eine Woche einer schönen Reise ist so viel wert wie
manchmal Monate des Alltags. Reisen füllen die Speicher
mit frischen Erinnerungen."
(2009, S.40) |
Sabine KELLER geht
ausführlich auf die Notwendigkeit und Möglichkeiten von
Auszeiten - auch während der Pflegezeiten - ein. Wenn nicht
andere Angehörige oder Freunde die Pflege übernehmen,
dann können Ersatz- bzw. Verhinderungspflege oder stationäre Kurzeitpflege in
Anspruch genommen werden.
Pflege zu Hause
"Kurzurlaube
lassen sich leichter organisieren als eine längere
Abwesenheit zu Hause. Einmal pro Jahr sollten Sie dennoch
einen längeren Urlaub von der Pflege einplanen. Wenn Sie
sehr erschöpft sind, könnte auch eine Kur eine wertvolle
Hilfe bedeuten. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt über diese
Möglichkeit.
Wenn Sie als Hauptpflegende Urlaub brauchen, krank sind
oder wegen anderer Verpflichtungen kurzzeitig nicht zur
Pflege in der Lage sind, kann der Betreute eine sogenannte
Ersatz- oder Verhinderungspflege in Anspruch nehmen."
(2009, S.37) |
Wenn die Pflege zuhause
nicht (mehr) möglich ist
Alte Menschen möchten
meist so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung bleiben.
Hinzu kommt dass Heime in Deutschland ein schlechten Ruf haben.
Sie werden deshalb
oftmals nur als letzter Ausweg angesehen. Bücher wie Im Netz
der Pflegemafia von Claus FUSSEK & Gottlieb SCHOBER prägen
heutzutage das Bild vom Heim.
Sabine KELLER setzt dem
entgegen: Heime sind besser als ihr Ruf. Man kann sich leicht
vorstellen: Wenn Heime erst einmal einen schlechten Ruf haben,
dann kommen auch vermehrt nur die schwersten Fälle ins Heim und
damit werden die Probleme von Alten- und Pflegeheimen nicht
kleiner. Gewalt gegen Alte oder das Elend von Pflegebedürftigen
in Familien sind dagegen kein öffentliches Thema.
Pflege zu Hause
"·
Ausgeliefertsein im Heim: Berichte über schlecht geführte
Heime mit überlasteten und unqualifizierten Mitarbeitern
haben skandalöse Verhältnisse ans Licht gebracht. Doch
solche Zustände bleiben nicht über lange Zeit unentdeckt.
Aufmerksame Angehörige erleben die Verhältnisse im Heim
mit und können durchaus Einfluss nehmen. Es gibt zudem
Kontrollinstanzen wie die Heimaufsichtsbehörde, den
Medizinischen Dienst der Krankenkassen oder die Hausärzte.
Auch in der Familie kann ein Pflegebedürftiger unter
ungünstigen Umständen »ausgeliefert« sein, weil es außer
der Pflegeperson niemanden gibt, an den er sich wenden
kann. Immerhin hat die Pflegeversicherung Pflichtbesuche
von Fachkräften vorgeschrieben. Doch diese können die
Beziehungsdynamik in einer Familie bei einem solchen
Besuch kaum in ihrer ganzen Tragweite eranhnen.
· Viel ist vom Elend in
den Heimen die Rede. Für manche außenstehenden Besucher
sind die Vorstellung und der Anblick vieler alter,
gebrechlicher und verwirrter Menschen an einem Ort in der
Tat abschreckend und deprimierend. Vom Elend in den
Familien, die die Pflege nicht bewältigen können und in
denen die Pflegebedürftigen alles andere als gut
aufgehoben sind, vom Elend alleinstehender
pflegebedürftiger Menschen, die immer hilfloser werden,
schließlich vereinsamen und verwahrlosen, wird dagegen
recht selten gesprochen. Dieses Elend bleibt häufig
versteckt, für andere unsichtbar hinter der Wohnungstür."
(2009, S.186) |
Geistig fitte Heimbewohner
können sich gegen schlechte Behandlung wehren, wenn sie über
ihre Rechte Bescheid wissen. Das Bundesfamilienministerium hat
zu diesem Thema die Broschüre Ihre Rechte als
Heimbewohnerinnen und Heimbewohner herausgegeben, die auf
den Internetseiten des Ministeriums heruntergeladen werden kann. Aufgrund des schlechten
Images suchen viele nach Kompromisslösungen zwischen der nicht
(mehr) leistbaren Pflege zu Hause und dem "Abschieben" in ein
Heim. Eine Möglichkeit hierzu bietet das betreute Wohnen.
Qualitätsmaßstäbe für ein solches Wohnen hat z.B. das
nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium und der Berliner
Verein für selbstbestimmtes Wohnen im Alter
ausgearbeitet. Sowohl Rainer REITZLER als
auch Sabine KELLER arbeiten in ihren Büchern die Vor- und
Nachteile alternativer Wohnformen heraus und zeigen auf, wo
deren
Grenzen sind.
Sterben, Tod und Trauer - Ein Lebensende in
Würde
In diesem Herbst ist in
den Feuilletons der großen Tagesszeitungen eine Debatte
entbrannt, in der es um das
öffentliche Schreiben über das eigene bzw. das Sterben eines
Elternteils geht. Drei Bücher von drei Autoren aus drei Generationen
haben diese Debatte ausgelöst: Georg Diez, Angehöriger der
Generation Golf, schreibt über den Tod seiner Mutter. Christoph Schlingensief, Angehöriger der
Single-Generation, und Jürgen Leinemann, Angehöriger der
Kriegsgeneration, schreiben über ihre Krebserkrankungen. Letzterer
schaffte es vor kurzem sogar auf das Cover des Spiegels.
Der weiter oben bereits
zitierte Journalist Matthias KAMANN sieht in diesen Büchern die
Vorhut einer neuen Volksbewegung In
seinem demnächst erscheinenden Buch Todeskämpfe beschäftigt
sich KAMANN mit der Politik des Jenseits und den Streit um die
Sterbehilfe.
Ein Lebensende in Würde,
so ist das Kapitel in Rainer REITZLERs Buch Wenn Eltern
Pflege brauchen überschrieben, in dem es um
Patientenverfügungen und Hospiz- bzw. Palliativpflege geht.
Sabine KELLER betont im Buch Pflege zu Hause im Kapitel
Sterben, Tod und Trauer stärker die psychische Seite der
Sterbebegleitung. Die
Verbraucherzentrale widmet diesen
brisanten Themen ein eigenes Buch: Ein Lebensende in Würde.
Auch zu den anderen Themen, die weiter oben angesprochen wurden,
bietet die Stiftung Warentest jeweils spezielle Bücher an,
die die jeweiligen Aspekte vertiefend behandeln. Da das Thema Ein
Lebensende in Würde gerade heftig diskutiert wird, soll es
hier nicht weiter abgehandelt werden, sondern zu einem späteren
Zeitpunkt wird ausführlicher darauf eingegangen.
Die Zukunft einer Gesellschaft der Langlebigen:
Müssen wir uns vor dem Jahr 2050 fürchten? (Anstelle eines Fazits)
Pflegefall
Pflegeversicherung und die Kur zur Besserung heißt ein
Kapitel in Rainer REITZLERs Buch Wenn Eltern Pflege brauchen.
Hier und im Kapitel Soziales, ökonomisches und geistiges
Altern, die zugleich die schwächsten Kapitel des ansonsten
lesenswerten Buches sind, betätigt sich REITZLER als Lobbyist
der Versicherungsbranche. Mit
den alarmistischen Büchern Das Methusalem-Komplott
und
Minimum
von Frank
SCHIRRMACHER im Gepäck, beschwört REITZLER bekannte Dystopien.
Skeptisch sollte uns machen, dass sowohl Szenarien des Babybooms
wie Soylent Green als auch Szenarien des
Geburtenrückgangs wie 2030 - Aufstand der Alten zum
gleichen Ergebnis kommen: Die alten Menschen werden in einer
zukünftigen Gesellschaft unwürdig leben.
Das Jahr 2050 eignet sich
besonders gut für Schwarzmalereien, weil dafür Vorausberechnungen
des Statistischen Bundesamtes vorliegen, die geradezu nach Interessenpolitik
schreien. Um
z. B. die umstrittene Agenda 2010 durchzusetzen, wurden vom
Statistischen Bundesamt keine Alternativszenarien berechnet.
Erst nach Verabschiedung der Agenda 2010 wurde dies nachgeholt
. Unseriöse
Berichterstattung zeichnet sich dadurch aus, dass eine einzige
Berechnung herausgegriffen wird, die am besten zur eigenen
Position passt und alle anderen Berechnungen unerwähnt bleiben.
So verfährt z.B. REITZLER, wenn er die Anteile von Alten und
Pflegebedürftigen für das Jahr 2050 als feststehende Tatsache
beschreibt, auf die eine Reform der Pflegeversicherung reagieren
müsse.
Wenn Eltern Pflege brauchen
"Der Anteil der
Älteren (65 +) wächst von 30,5 Prozent im Jahr 2005
selbst unter optimistischen Annahmen bei den
Geburtenzahlen auf 58 Prozent bis 2050. Da die meisten
Pflegebedürftigen über 80 Jahre alt sind, ist deren
Anteil in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtig. Das
Forschungszentrum Generationenverträge der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg kam in einer Studie
Anfang 2008 zu dem Schluss, dass der Anteil der Alten (80
+) von 7,1 Prozent 2005 auf 26,4 Prozent im Jahr 2050
ansteigt. Die Konsequenz: Auf etwa jeden vierten Deutschen
im Alter von 20 bis knapp 65 kommt statistisch gesehen
dann ein Deutscher im Alter von mindestens 80 Jahren, der
aller Wahrscheinlichkeit nach auch pflegebedürftig ist.
Fazit der Studie: Ohne grundlegende Reformen wird die
Pflegeversicherung in den kommenden Jahrzehnten
zusammenbrechen."
(2009, S.167) |
In einem Thema des Monats
wurden auf dieser Webseite dagegen sämtliche vorliegenden
Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes (derzeit 11) in
einer Übersicht zusammengestellt. Das Bild zeigt eine enorme
Spannbreite künftig noch möglicher Bevölkerungsentwicklungen in
Deutschland
. Zudem
können neuartige Entwicklungen nicht berücksichtigt werden. Der
Bevölkerungsstatistiker Gerd BOSBACH spricht deshalb von
moderner Kaffeesatzleserei. Die
Alten sind uns sicher? Vielleicht, aber die Jungen und die Ein-
und Auswanderer sind es sicher nicht. Wie
viel uns in Zukunft unsere älteren Mitbürger Wert sind, ist eine
politische, gesellschaftliche und individuelle Entscheidung.
Wenn Finanzdienstleister wie REITZLER Rechnungen vorlegen und
auf Sachzwänge verweisen ist das ihr gutes Recht, aber eben nur
die Interessenvertretung einer Branche.
Mit den Büchern
Meinungsmache von Albrecht MÜLLER und
Lobbyismus und
Rentenreform von Diana WEHLAU sind mittlerweile zwei Bücher
erschienen, die den Einfluss der Finanzdienstleistungsbranche
auf die politische Gesetzgebung thematisieren. Man muss nicht in
allen Punkten mit den Autoren übereinstimmen. Aber ihr Beitrag
ist wichtig für eine Debatte um eine menschenwürdige Zukunft
älterer Menschen. Cem
EKMEKCIOGLU geht in seinem Buch 50 einfache Dinge, die Sie
über das Altern wissen sollten ebenfalls auf die Entwicklung
bis zum Jahr 2050 ein. Er präsentiert im Gegensatz zu REITZLER
aber keine feststehenden Zahlen, sondern formuliert sich
abzeichnende Problemstellungen und Herausforderungen. Dies ist
dem Thema sozialer und demografischer Wandel angemessener. Streiten
kann man sich jedoch, ob die "demografische Alterung"
zwangsläufig eine verminderte Erwerbstätigkeit zur Folge hat,
wie EKMEKCIOGLU annimmt. Sie könnte - zumindest in Deutschland -
genauso gut zu einem geringeren Arbeitslosigkeitsniveau bei den
Erwerbstätigen sowie zu einer höheren Vollzeitberufstätigkeitsquote
bei Frauen führen, die den Rückgang der nicht-erwerbstätigen
Bevölkerung mehr als kompensiert. Ganz abgesehen davon, dass das
Rationalisierungspotenzial der Robotik und anderer
Zukunftstechnologien außer Acht gelassen wird.
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einfache Dinge, die Sie über das Altern wissen sollten
"Mit der
demographischen Alterung kommen verschiedene Probleme auf
die Gesellschaft zu, etwa eine verminderte
Erwerbstätigkeit und damit insgesamt eine geringere
wirtschaftliche Performance sowie eine höhere finanzielle
Belastung aufgrund von Pflegeaufkommen und medizinischer
Versorgung. Eine zentrale Frage, die man sich stellen
könnte, ist: Wie viele (Alters-)Jahre sind für uns noch
machbar? Vor allem wird man sich die Frage stellen, wenn
das Verhältnis von Erwerbstätigen zu
Nicht-(mehr)-Erwerbstätigen ständig abnimmt und man
gleichzeitig das Problem von Alterserkrankungen, vor allem
der Demenz, nicht in den Griff bekommt. Patienten mit
schweren Demenzerkrankungen stellen eine enorme Belastung
für die Gesellschaft dar, sei es aus finanzieller Hinsicht
oder aus psychologischer und körperlicher Hinsicht. Das
alles kann zu einer Explosion der Kosten für Pflege und
Gesundheit führen.
Die Sicherung der Lebensqualität und medizinischen
Versorgung im Alter wird daher eine Herausforderung in
diesem Jahrhundert, nicht nur in der westlichen Welt.
Entscheidend ist jedoch nicht nur der Anstieg der
Lebenserwartung, sondern vor allem der Anstieg der
behinderungsfreien Lebensjahre. Hier trägt die Medizin -
und vor allem die vorbeugende Medizin - eine besondere
Verantwortung."
(2009, S.47) |
Die Zukunft des Jahres 2050 ist
ungewiss. Fürchten müssen wir dieses Jahr genauso viel oder wenig
wie jedes andere zukünftige Jahr. Wenn uns die Maxime leitet,
dass ein Leben in Würde für jeden Menschen möglich sein sollte,
dann sind wir auf dem richtigen Weg.
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