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Gentrifizierung - Hamburger Schanzenviertel
und Prenzlauer Berg in Berlin als Prototypen des Gentrifizierungsprozesses?
Im Februar 2002 wurden auf
dieser Website Bücher aus dem Bereich der deutschen
Gentrificationsforschung der Jahre 1983 bis 1996 vorgestellt,
die sich mit der Aufwertung innenstadtnaher Stadtviertel
befassen. Es wurde aufgezeigt welche Entwicklung diese
stadtsoziologische Forschung genommen hat und welche Rolle
Singles als Akteuren zugewiesen wurde
.
Ende der 1980er Jahre war das Hamburger Schanzenviertel von der
Gentrifizierung bedroht. Der Spiegel-Artikel
Lachs oder Fladenbrot von Tom SCHIMMECK beschreibt die
damalige Debatte um die Aufwertung von Hamburger
Innenstadtvierteln.
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Rote Flora
im Hamburger Schanzenviertel; Foto: Bernd Kittlaus
2014 |
Die
Rote Flora gilt noch heute als Symbol des Widerstandes gegen
die Gentrifizierung. 1987 beschrieben die Soziologen Hartmut HÄUßERMANN & Walter SIEBEL in ihrem Buch
Neue Urbanität die
Yuppisierung, ein Begriff der damals
zum Synonym für Gentrifizierungsprozesse avancierte
.
Mitte der 1980er Jahre war zwar in den Städten die
Alternativbewegung bereits im Niedergang begriffen, aber sie
diente noch als Erklärungsfolie der Stadtsoziologie. Vielleicht
sollte man deshalb den Begriff "Alternative" weniger eng
betrachten und die damals entstandenen vielfältigen
"Jugendszenen" bzw. die
"Postadoleszentenszene"
mitberücksichtigen, die zum
Entstehen der
Szeneviertel beitrugen
. HÄUßERMANN
& SIEBEL sahen in der Baby-Boomer-Generation die Basis für die
damalige Reurbanisierung:
Neue Urbanität
"Die gleichen Ursachen,
die für die Bevölkerungsabnahme verantwortlich sind,
wirken dahingehend, daß die Abwanderungstendenz abflacht
und sich neues Leben in jenen Stadtvierteln zeigt, die bis
vor kurzem noch zu veröden drohten. Grob gesagt: Es ist
die Tendenz, keine Kinder zu haben oder doch nur wenige
und diese auch erst spät zu bekommen, die beides erklärt:
sinkende Bevölkerungszahlen und ein steigender Anteil
jener, die die Innenstadt nicht lediglich als
vorübergehendes Übel betrachten, sondern diesen Standort
zum Wohnen geradezu suchen. Was sind das für Leute?
Die Antwort ist kaum überraschend: Es sind die, die schon
immer in den Innenstädten gewohnt haben - aber davon gibt
es heute mehr. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist
größer geworden, und er steigt weiter."
(1987, S.12) |
Seit Mitte der 1970er Jahre
sahen die Städte ihr Problem in der Stadtflucht, der so
genannten Suburbanisierung und waren deshalb darauf bedacht die
Städte für gut verdienende Familien wieder attraktiver zu
machen. Hans-Peter GATZWEILER & Wendelin STRUBELT schreiben dazu
1988 in dem Sonderheft Soziologische Stadtforschung der
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie:
Demographische Veränderungen und der Wandel der Stadt
"(Die) Entwicklung der Ausländerbevölkerung (hat) in
den letzten 20 Jahren entscheidend die
Bevölkerungsentwicklung der Großstädte, weniger
ihres jeweiligen Umlandes, geprägt (...). Erst mit
der wirtschaftlichen Rezession 1974/75 und der
veränderten Ausländerpolitik (Anwerbestopp 1973)
traten die Bevölkerungsverluste der Kernstädte vor
dem Hintergrund der allgemeinen natürlichen
Bevölkerungsentwicklung und der Randwanderung
deutlicher zutage. Die betroffenen Städte nahmen die
Auswirkungen der Bevölkerungssuburbanisierung erst
zu diesem Zeitpunkt politisch richtig wahr und die
Stadtflucht wurde zu einem geläufigen und populären
Schlagwort in der politischen Auseinandersetzung. Es
begann ein »Kampf« um einkommensstarke Einwohner
zwischen Kernstädten und ihren Umlandsgemeinden".
(1988, S.200) |
Die Städte wurden nun also attraktiver, aber nicht
unbedingt für die
anvisierte Zielgruppe, sondern im Gegenteil in erster Linie für
Kinderlose, die als
"neue Haushaltstypen" bezeichnet wurden.
"Aussteiger" der Alternativszene gelten HÄUßERMANN &
SIEBEL noch als prototypisch für die "Pioniere" und damit den
Nährboden der Gentrifizierung.
Neue Urbanität
"Die sich entleerenden
Altbaugebiete der Städte sind zu prädestinierten Orten für
diese neue Lebensformen geworden. Läden, die im
Marktwettbewerb nicht mehr standhalten konnten, werden von
Angehörigen der Szene übernommen, die sich an dieser
Konkurrenz erst gar nicht beteiligen, weil sie ein
besonderes Angebot für eine spezifische Klientel bieten.
Und die niedrigen Mieten in heruntergekommenen Altbauten
entsprechen der notorischen Geldknappheit von
»Aussteigern«. Selbst für alte Fabrikgebäude und
Lagerschuppen haben die Alternativen noch Nutzungsideen -
als Wohngelegenheit, Kommunikationszentrum oder
Kulturraum. So richten sie sich in jenen Quartieren ein,
die aus dem Umwälzungsprozeß der kapitalistischen Stadt
sozusagen herausgefallen sind. Stadtökonomisch waren diese
Gebiete entwertet, weil es keine zahlungskräftige
Nachfrage mehr gab".
(1987, S.15f.) |
Als Nutznießer dieser
Entwicklung werden die Yuppies beschrieben, denen ebenso wie der
Alternativbewegung ein
kinderloser Lebensstil zugeschrieben wird.
Neue Urbanität
"Die Yuppies sind
anders. Sie sind von allem Modernen fasziniert gleich ob
sie als »soft-ware-Schickeria« aus der Kultur- und
Modebranche Sympathien für weiche Technologien und »wenig
verstrahlte Vollwertkost« hegen, oder aber als »hard-ware-Schickeria«
zu den »Modernisierungshardlinern« zählen (...), die die
High-Tech-Revolution vorantreiben. Sie verkörpern einen
neuen Lebensstil, der zwar schick, aber ebensowenig
bürgerlich sein soll wie der der Alternativen. Ihre
gelebte Kritik beschränkt sich aufs Private, vor allem auf
eines: auf die Befreiung von den Zwängen eines
Familienlebens."
(1987, S.16) |
Yuppies werden also als
kinderlose Karrierepaare oder
alleinlebende Karrierist(innen)en
("Singles") beschrieben, die nicht wie üblich zur
Familiengründung aus den innenstadtnahen Wohngebieten wegziehen,
sondern bleiben.
Neue Urbanität
"Für die Yuppies,
ob weiblich oder männlich, ist der städtische Raum die
Bühne von Selbstdarstellung und demonstrativem Konsum,
egal, ob es sich dabei um einen Drink, Haute Cuisine oder
sonstige Kultur handelt. Für die Singles und die
kinderlosen Paare ist die vielfältige
Infrastrukturausstattung der städtischen Quartiere das
Element, in dem sie ihr stark berufsbezogenes Leben, für
das Haushalt und alltägliche Versorgung nur marginale
Bedeutung gewinnen dürfen, problemlos organisieren können.
Die »In-Kneipe« und die Clique (...) müssen ohne eigene
Organisationsarbeit einfach vorhanden sein, man muß immer
wissen, wo man jemanden trifft. Die (tatsächliche oder
eingebildete) Individualität und absolute Freiheit gehören
zum Credo - und dafür zahlt man schließlich auch. Denn
dieser Teil der neuen Stadtbevölkerung ist durchaus
zahlungskräftig. Er leistet sich die teuer und stilvoll
modernisierte Wohnung oder den postmodernen Neubau."
(1987, S.17) |
Die Gemeinsamkeit von
Alternativen und Yuppies sehen HÄUßERMANN &
SIEBEL in ihrer Ablehnung der traditionellen bürgerlichen
Familie und den dafür geschaffenen Wohnraum.
Neue Urbanität
"Die neuen
Haushaltstypen meiden Neubauten, weil diese in der Regel
auf einen spezifischen »modernen« Lebensstil zugeschnitten
sind (...). Die Grundrisse sind eindeutig hierarchisiert,
sie spiegeln die Herrschaftsstruktur der Kleinfamilie
wider. Altbauwohnungen bestehen dagegen aus mehr oder
weniger gleich großen Räumen, die verschiedene Nutzungen
erlauben. (...). Dies kommt einer Lebensweise entgegen,
bei der sich die verschiedenen Haushaltsmitglieder als
gleichberechtigt verstehen.
Diese Eigenschaft der Altbauwohnungen ist nicht auf große
bürgerliche Wohnungen beschränkt - dort findet man wohl
noch am ehesten eine Hierarchisierung, die sich aber nicht
so sehr auswirkt, weil auch die übrigen Räume eine
passable Größe aufweisen. Auch die Wohnungen der »kleinen
Leute« sind aus unterschiedlich vielen, etwa gleich großen
Zimmern zusammengesetzt, denn ein Zimmer für ein einzelnes
Kind konnte man sich früher gar nicht leisten. In den für
Arbeiter gebauten Mietskasernen kann man sich heute sogar
ganz nach eigenen Entwürfen einrichten, weil nicht einmal
Küche oder Bad als separate Räume vorhanden waren. Aus
einer Anzahl undefinierter Räume läßt sich mit heutigen
Mitteln eine flexible Wohnform entwickeln, die
differenziertesten Wünschen entgegenkommt."
(1987, S.18) |
Die Alternativen werden
als Pioniere der Reurbanisierung bezeichnet, die den
Gentrifizierungsprozess in Gang setzen können aber nicht müssen.
Sie sind also - wie die Yuppies - lediglich eine notwendige,
aber keine hinreichende Voraussetzung der Gentrifizierung.
Neue Urbanität
"Die Alternativen
können (...) die Funktion von »Pionieren der
Reurbanisierung« haben und einen Aufwertungsprozeß
einleiten, der die Voraussetzungen zerstört, die ihnen die
Besetzung eines bestimmten Viertels ermöglicht hatten.
Statt Müsli und naturtrübem Saft stehen dann Sekt und
Kaviar auf dem Tisch. Ob es sich dabei lediglich zu einer
neuartigen Mischung oder zu einem Verdrängungsprozeß
kommt, hängt davon ab, wie groß der Anteil von Yuppies an
der Bevölkerung in der jeweiligen Stadt ist."
(1987, S.19) |
Während hier - zumindest
theoretisch - noch eine Differenz zwischen dem bloßen
Vorhandensein sozialer Bevölkerungsgruppen gemacht wird,
zeichnen sich Medienberichte und die
empirische Gentrificationsforschung in jenen Jahren selten durch eine differenzierte
Betrachtung aus. Mit den Alternativen und den Yuppies sind zwei
Mittelschichtmilieus angesprochen, die um den selben Wohnraum
konkurrieren.
Neue Urbanität
"Das
Alternativ-Milieu in den Großstädten ist (...) weitgehend
ein Phänomen der Mittelschichten und der Expansion des
Bildungswesens. Deshalb hat es mit der professionellen
Kultur der Yuppies mehr gemeinsam als mit der Situation
der großen Masse jener Arbeitslosen, die aufgrund des
ökonomischen und technischen Strukturwandels aus der
Produktionsarbeit ausgesperrt sind. Dies schlägt sich in
den Städten auch räumlich nieder: die Räume von Yuppies
und Alternativen überschneiden sich im innerstädtischen
Altbaubestand, konsekutiv oder konkurrierend; die
Trennungslinie zur »normalen« Arbeitslosigkeit ist
relativ scharf. Diese hat vor allem in den Großsiedlungen
des sozialen Wohnungsbaus ihren Ort. (...). Die Situation
in diesen Stadtteilen wird sich bei zunehmenden
Leerständen, einer Verschärfung der sozialen Segregation
und bei weiteren Kürzungen im System der sozialen
Sicherheit noch zuspitzen.
Der gegenwärtig zu beobachtende Wandel in der Nutzung
innerstädtischer Altbaugebiete ist ein Resultat
veränderter Berufssituationen und neuer Lebensstile. Die »Reurbanisierung«
wird getragen von beruflich Erfolgreichen und von
Alternativlern, denen (wenigstens teilweise) der
alternative Lebensstil aufgezwungen worden ist."
(1987, S.20) |
HÄUßERMANN &
SIEBEL gehen von einer Polarisierung zwischen den Städten aus
(vgl. "Die schrumpfende Stadt" in Sonderheft 29 der Kölner
Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1988),
wobei die Reurbanisierung durch Alternative und Yuppies den
einen und die Entstehung einer "Kultur der Armut" (Der
Berliner Stadtteil Kreuzberg
erscheint in dieser Sicht als Ausnahme) den anderen Pol der
Entwicklung darstellt.
Neue Urbanität
"Der Wandel der
Innenstädte wird sich (...) nicht überall gleichförmig und
mit denselben Ergebnissen abspielen. (...) Nur dort, wo
bei einem größeren Teil der Bevölkerung, der vom
Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist, durch längere und bessere
Ausbildung genügend soziale Fähigkeiten für die
Organisierung einer Arbeits- und Lebens-Alternative und
eine entsprechende Unterstützung durch die Stadtpolitik
vorhanden sind, kann sich eine alternative Szene
entfalten. Nur dort, wo Mode, Kultur, Banken und High Tech
prosperieren, entwickelt sich auch ihr Erfolgszwilling,
die Yuppie-Kultur. Ansätze beider Lebensformen zeigen sich
in fast allen Großstädten. Aber nur in sehr wenigen
erreichen sie solches Gewicht, daß sich sinnvoll von
Reurbanisierung sprechen ließe."
(1987, S.21) |
Rückblickend sind die
Reurbanisierungstendenzen, die HÄUßERMANN &
SIEBEL beschworen haben, im Gegensatz zu den
Suburbanisierungstendenzen unbedeutend geblieben. Jürgen
GÖDDECKE-STELLMANN
schreibt in dem
BBSR-Bericht Kompakt, Nr.9
Renaissance der Großstädte - eine Zwischenbilanz im Jahr
2011, dass in der neuen Reurbanisierungsdebatte übersehen wird,
dass die Großstädte lediglich die Bevölkerungsverluste der
1980er Jahre ausgeglichen hätten. Erst in den 1990er Jahren
haben sich die Bevölkerungszahlen der Großstädte stabilisiert.
Die
Überschätzung des Trends zur Single-Gesellschaft und
ausbleibende Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und
Familie haben Ende der 1980er und in den 1990er Jahren eine
wirkliche Trendumkehr verhindert.
25 Jahre nach HÄUßERMANN &
SIEBEL schreibt die Journalistin Kathrin
HARTMANN, eine Angehörige der Generation Golf, in ihrem
Buch Wir müssen leider draussen bleiben im Kapitel Von
der Gentrifizierung zur Gated Community über den Prenzlauer Berg
als Symbol der Gentrifizierung:
Wir müssen leider draussen bleiben
"Längst ist der
Prenzlauer Berg zum Symbol für Gentrifizierung
geworden, jenem soziokulturellen und ökonomischen
Prozess also, der ehemalige innenstadtnahe
Arbeiterviertel mit viel Altbau in Szeneviertel
verwandelt. Zuerst kommen die Studenten und Künstler,
die sich die damals noch billigen Wohnungen leisten
konnten. Sie schaffen eine improvisierte kreative
Struktur und locken weitere Nachzügler. Szene-Kneipen,
Frühstückscafés, Friseurläden mit originellen Namen,
individuell gestaltete Kleider- und Klimbim-Boutiquen
und eine kreative, hoch individualisierte
Bewohnerschaft werten ein Viertel erst kulturell auf,
dann ökonomisch. Flair und urbanes Lebensgefühl einer
solchen Infrastruktur werden attraktiv für eine besser
verdienende Schicht, die Nachfrage lässt die Mieten in
die Höhe schnellen, ehedem günstige unrenovierte
Altbauwohnungen werden zu luxussanierten
Eigentumswohnungen, ältere Menschen, weniger
Wohlhabende und Migranten müssen in günstigere
Quartiere fern der Innenstadt ausweichen."
(2012, S.115)
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Statt von
Alternativlern als Pionieren spricht HARTMANN von Studenten und
Künstlern, denen Kreative folgen. Statt von Yuppies spricht
HARTMANN von "besser verdienender Schicht". Verdrängung wird als
soziale Folge des Aufwertungsprozesses dargestellt, von der
Ältere, weniger Wohlhabende und Migranten betroffen sind.
Ursache sind zu hohe Mieten und die Umwandlung von Mietwohnungen
in Eigentumswohnungen. Den Verdrängungsprozess belegt HARTMANN
mit folgenden Zahlen:
Wir müssen leider draussen bleiben
"Nur noch jeder
fünfte Anwohner des Prenzlauer Bergs hat dort den Fall
der Mauer erlebt - alle anderen sind später
hingezogen: Die Einwohnerschaft hat sich zu 80 Prozent
ausgetauscht. Nurmehr ein knappes Fünftel (...)
sind Alteingesessene. Die Anzahl der Bewohner mit
Abitur hat sich seit 1990 verdoppelt, in den teuersten
Gegenden rund um den Helmholtz- und Kollwitzplatz
leben nun zu drei Vierteln Akademiker. In manchen
Straßen des Prenzlauer Bergs hat sich die Zahl der
Akademiker sogar verfünffacht, während die
Arbeitslosenquote im Prenzlauer Berg unter dem
Berliner Durchschnitt liegt. Allerdings sind die
Unterschiede innerhalb des Prenzlauer Berg eklatant:
Rund um den Kollwitzplatz sind nur 6,4 Prozent
arbeitslos, in der Schmuddelecke des Prenzlauer Bergs,
wo Plattenbauten den Volkspark säumen, sind es doppelt
so viele. Der Migrantenanteil liegt mit elf Prozent
nur knapp unter dem städtischen Durchschnitt,
allerdings ist es nicht der typische Ausländer, der
hier lebt: (...) Hochgebildete, mit gut bezahlten Jobs
(...). Auch die Alten sind aus dem Viertel
verschwunden: der Großteil der Bewohner ist zwischen
25 und 45 Jahre alt - jung, fit, leistungsfähig."
(2012, S.115f.)
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Berlin
Prenzlauer Berg, Kollwitzplatz; Foto: Bernd Kittlaus
2014 |
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Die Zahlen
sind identisch mit einem bereits fünf Jahre alten ZEITMagazin-Artikel von Henning
SUßEMANN über das
Bionade-Biedermeier aus dem Jahr 2007:
Bionade-Biedermeier
"Der Prenzlauer Berg. Aus der Luft betrachtet, ist das
ein Dreieck von Altbauten, das sich in die Hauptstadt keilt,
restauriert und baumbestanden. Ein nur elf Quadratkilometer
umfassendes Häusergeschachtel, in dem 143000 Menschen leben.
Mehr als die Hälfte von ihnen ist zwischen 25 und 45 Jahre alt.
Viele im alten deutschen Westen haben eine Tochter, einen Sohn,
einen Neffen, eine Nichte, einen Freund, eine Freundin, die in
dieses ehemalige Stück Osten gezogen ist. Der Stadtteil
verändert sich so schnell, dass die Statistiker kaum noch
mitkommen: Allein zwischen 1995 und 2000 hat sich die Hälfte der
Bevölkerung ausgetauscht, Schätzungen für die gesamte Zeit seit
dem Mauerfall gehen von über 80 Prozent aus.
Der Anteil der Akademiker hat sich mehr als verdoppelt, in
manchen Straßen verfünffacht. In keinem anderen Berliner Viertel
sind so wenige Einwohner von staatlichen Leistungen abhängig.
Und da junge Leute, kurz bevor sie alt werden, doch noch ein
oder zwei Kinder kriegen, sind auch die Spielplätze sehr dicht
besiedelt.
(Die ZEIT Nr.46 v. 08.11.2007)
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Haben sich
seit dieser Zeit tatsächlich keinerlei Veränderungen ergeben?
Ein aktueller Ergebnisbericht des Bezirksamtes Pankow vom
Oktober 2013 gibt darüber folgendermaßen Auskunft:
Ergebnisbericht
Weiterentwicklung der Erhaltungsgebietskulisse gemäß § 172 Abs.
1 Nr. 2 BauGB im Bezirk Pankow, Ortsteil Prenzlauer Berg
"Altersstruktur
der Bevölkerung in den Teilräumen des Untersuchungsgebiets durch
Zuzug junger Haushalte und von Familien (Alleinerziehende und
Paare mit Kindern) sowie durch den Austausch von Bewohnern
deutlich verjüngt. In den Teilräumen des Untersuchungsgebiets
liegen die Anteile der unter 18-Jährigen um bis zu 4
Prozentpunkte höher als im Berliner Durchschnitt."
(2013, S.87)
"Die Einkommenssituation
stellt sich in allen Teilräumen des Untersuchungsgebiets
günstiger dar, als in den übergeordneten Referenzgebieten. Die
Ursachen hierfür liegen in den Strukturveränderungen durch die
Bevölkerungsfluktuation in den Sanierungs- und
Erhaltungsgebieten. Nicht allein die Altersstruktur hat sich
dadurch verjüngt, sondern die Bevölkerung weist ein hohes (Aus-)Bildungsniveau
und überdurchschnittliche Erwerbsquoten auf. Dies trägt zu einer
vergleichsweise besseren Erwerbs- und Einkommenssituation bei.
Eine differenzierte Betrachtung der Ergebnisse der Sozialstudien
zeigt, dass dennoch bestimmte Personen- und Bewohnergruppen als
verdrängungsbedrohte Bevölkerung zu charakterisieren sind, da
ihre Äquivalenzeinkommen um bis zu einem Drittel niedriger
liegen als im Mittel der Teilräume und auch deutlich niedriger
als in den übergeordneten Referenzgebieten. Hierzu zählen
Familien mit Kindern (Paare und Alleinerziehende),
Seniorenhaushalte (Singles und Paare) sowie arbeitslose
Transferbezieher.
Im Hinblick auf die Verdrängungsproblematik ist darauf
hinzuweisen, dass die Haushalte mit den unterdurchschnittlichen
Einkommen überproportional in den besonders aufwertungsbedrohten,
öffentlich geförderten Belegrechtswohnungen und in den
unsanierten Beständen wohnen."
(2013, S.91)
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Der
Ergebnisbericht liefert für die ehemaligen Sanierungsgebiete des
Prenzlauer Bergs zum Teil detaillierte Sozialstrukturdaten, die
sich jedoch durch andere Altersgruppenaufteilungen und
Indikatoren nicht auf die Daten von HARTMANN oder SUßEBACH
beziehen lassen. Deutlich wird aber bereits hier, dass auch in
gentrifizierten Vierteln wie Prenzlauer Berg weitere
Aufwertungen möglich sind. Und ob bei einem Austausch der
Bevölkerung tatsächlich Verdrängung vorliegt, das ist zum einen
ein
Mess- bzw. Methodenproblem und zum anderen eine
Definitionssache. Dazu aber später mehr.
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Berlin
Prenzlauer Berg; Foto: Bernd Kittlaus 2014 |
Zunächst soll
gefragt werden, ob es
tatsächlich nur einen einzigen Verlauf von Gentrifizierung gibt?
Der Stadtsoziologe Andrej HOLM beschreibt neben dem
idealtypischen Gentrifizierungsprozess, den HARTMANN hervorhebt, verschiedene
Verlaufsformen, d. h. das Schanzenviertel in Hamburg oder das
Szeneviertel Prenzlauer Berg in Berlin sind
keineswegs prototypisch für Gentrifizierung in Deutschland.
Wir Bleiben Alle!
"Was in den verschiedenen Städten als Gentrification
beschrieben wird, kann sich dabei deutlich voneinander
unterscheiden: nicht alle Aufwertungen enden wie der
Kollwitzplatz in Berlin-Prenzlauer Berg, die Kölner Südstadt
oder München-Schwabing die sich zu Enklaven des gehobenen
Wohnens entwickelt haben. Auch der Verlauf folgt selten einem
festgesetzten Modell mit klar vorgegebenen Entwicklungsphasen."
(2010, S.8)
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Was Kathrin
HARTMANN beschreibt ist also lediglich der klassische Gentrifizierungszyklus.
Vernachlässigt wird dabei z.B. dass die Aufwertung in
Sanierungsgebieten stattfindet, weshalb HOLM auch von öffentlich
geförderter Verdrängungsdynamik spricht.
Wir Bleiben Alle!
"Kritische Studien haben (...) schon in den 1980er
Jahren von »öffentlichen Anschubfinanzierungen für
Gentrification« gesprochen. Heute attraktive Wohngebiete wie
Frankfurt-Bockenheim, Berlin-Prenzlauer Berg, die Kölner
Südstadt, das Hambuger Schanzenviertel oder die Dresdner
Neustadt sind Beispiele für solche staatlich initiierten oder
begleiteten Stadtteilaufwertungen.
Die großflächige Festlegung von Sanierungsgebieten mit dem Ziel
der umfassenden baulichen Erneuerung der Wohngebiete haben die
Verdrängungsdynamiken verstärkt".
(2010, S.12)
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