[ Verzeichnis der Single-Forscher/innen ] [ News ] [ Homepage ]

 
       
   

Abstract der Magisterarbeit

 
       
   

Das Single-Dasein

 
       
   

Leistungen und Grenzen von Begriffstraditionen und Typologien

 
       
   

unveröffentlichte Magisterarbeit von Bernd Kittlaus

 
       
   
     
  Singles sind in aller Munde. Stadtmagazine wollen mit Single-Partys die Zahl der Einpersonenhaushalte verringern. Das Jahr 1996 wurde als das "Jahr der Single-Shows" bezeichnet. Die Frauenzeitschrift Amica wirbt seit Mai 1997 jeden Monat mit 100 Singles zum Verlieben. Das ZDF hat ihnen sogar eine eigene Fernsehserie gewidmet und Trendforscher sprechen von "Singelisierung". Auch in wissenschaftlichen Publikationen haben die Singles den Weg vom Anmerkungsapparat in den Haupttext und inzwischen auch auf die Titelseite geschafft. Einige Forscher sprechen gar von "Singularisierungsprozessen" oder von der "Single-Gesellschaft".

Wenn von Singles gesprochen wird, sind damit aber auch immer die gleichen Personen, sozialen Gruppen oder Sachverhalte gemeint?

Die Erforschung des Single-Daseins ist auf den unterschiedlichsten Ebenen mit Problemen behaftet. Eine spezielle Soziologie, die den Single zum Gegenstand hat, existiert nicht. Forschungsergebnisse stammen stattdessen aus den unterschiedlichsten Forschungskontexten, deren Erkenntnisinteressen und Fragestellungen die Perspektive bestimmen und der Bedeutungsumfang des Single-Begriffs ist nicht eindeutig. Darüber hinaus wird ein historischer Bedeutungswandel in der Begriffsverwendung sichtbar. Die Beschreibung dessen, was das Single-Dasein ist und was es bedeutet, als Single zu gelten, hat sich im Laufe der Zeit verändert. Und nicht zuletzt ist die empirische Erfassung selbst ein Problem. Im Rahmen dieser Arbeit werden deshalb die Leistungen und Grenzen von Begriffstraditionen und Typologien diskutiert.

Im ersten Teil der Arbeit wird dem Aufkommen und Bedeutungswandel des Single-Begriffs nachgegangen. Dabei wird auf die Single-Debatte in den USA und den daran anknüpfenden deutschsprachigen Diskurs eingegangen. In dieser öffentlichen Debatte und den damit verbundenen Vorstellungen über das Singleleben wird ein ganzes Spektrum von Stereotypen sichtbar, das von der "alten Jungfer" über den "swinging Single" bis zu "Yuppies" und "einsamen Karrierefrauen" reicht.

Im Hauptteil der Arbeit geht es dann um die wissenschaftliche Beschreibung des Single-Daseins. Die wissenschaftliche Kategorienbildung ist geprägt durch die "Normalfamilie", die als Kontrastfolie zur Beschreibung von Singles dient. Das Single-Dasein erscheint hier als mehr oder weniger stark abweichende Lebensform. Daher wird zuerst die "Normalfamilie" dargestellt und der Gegenstandsbereich "Single-Dasein" eingegrenzt, bevor kurz auf die Funktion und den Stellenwert von Typologien im Forschungsprozess eingegangen wird. Danach wird das Single-Dasein aus der Perspektive fünf verschiedener begrifflicher Zugänge betrachtet, die jeweils verschiedene Dimensionen des Single-Daseins hervorheben: Familienstand (rechtlicher Aspekt), Single-Identität (sozialpsychologischer Aspekt), Alleinwirtschaften- und Alleinwohnen (sozio-ökonomischer bzw. - ökologischer Aspekt), Familie (sozio-biologischer Aspekt) und Partnerlosigkeit (Beziehungsaspekt). Jeder dieser Begriffe beleuchtet die Lebensführung unterschiedlicher sozialer Gruppen. Konkrete Personen werden in unterschiedlichem Ausmaß Gegenstand, je nachdem in wie vielen Aspekten sie als Single erfasst werden. Gemeinsam ist allen diesen Lebensführungen, dass sie nicht dem Bild der "Normalfamilie" entsprechen. Diese Zugänge heben jeweils andere Dimensionen hervor und beinhalten entsprechend unterschiedliche Typologisierungsmöglichkeiten. Die Leistungen und Grenzen der jeweiligen Zugänge werden dabei sichtbar.

Zuerst werden Singles als Familienstandsgruppe begriffen. Dies ist der klassische Zugang zum Single-Dasein. Es wird auf die Vorstellungen eingegangen, die mit einem spezifischen Familienstand verbunden sind und die es bis in die 1970er Jahre gerechtfertigt erscheinen ließen, Singles undifferenziert zu behandeln. Aber auch Verheiratete entsprechen nicht immer dem Ideal der Kernfamilie. Es sind vor allem zwei Gruppen Verheirateter, denen eine ähnliche Lebenssituation wie Unverheirateten unterstellt wird: das sind Ehepartner, die "in Scheidung leben" und Ehepartner, die eine Commuter-Ehe führen. Hier stellt sich das Problem der Erfassung dieses Personenkreises.

Im nächsten Kapitel wird zuerst erörtert inwieweit der Familienstand oder die Haushaltsform Aussagen über die Dauerhaftigkeit bzw. Freiwilligkeit des Single-Daseins zulässt. Dabei werden die Grenzen einer Herangehensweise sichtbar, die die Selbstinterpretation der Individuen vernachlässigt. Anschließend werden Typologien erörtert, in denen die Single-Identität, d.h. das Selbsterleben, die Selbstakzeptanz und die Motive des Lebensstils, zum Gegenstand wird. Personen können hier nach dem Freiwilligkeitsgrad, der geplanten Dauerhaftigkeit sowie nach den Motiven ihrer Lebensführung differenziert werden.

Danach werden Singles als Alleinlebende betrachtet. Im Haushaltsbegriff sind die Dimensionen Wohnen (sozio-ökologischer Aspekt) und Wirtschaften (sozio-ökonomischer Aspekt) zusammengefasst. Diese selbstverständliche Einheit wird jedoch durch das Single-Dasein in Frage gestellt. Aus der Entkopplung der beiden Dimensionen und des damit verbundenen veränderten Stellenwertes sozialer Netzwerke resultieren spezifische Probleme für die Beschreibung des Single-Daseins, die in diesem Kapitel im Mittelpunkt stehen. Dazu werden die drei Dimensionen Alleinwirtschaften, Alleinwohnen und soziales Netzwerk getrennt betrachtet, um das gesamte Spektrum der damit verbundenen Lebensverhältnisse von Personen in Einpersonenhaushalten diskutieren zu können.

Im Anschluss daran werden Singles als Familienlose behandelt. In der Debatte um die "Single-Gesellschaft" wird Familie entweder als (eheliche) Haushaltsfamilie oder als Familiennetzwerk begriffen. Damit verbunden sind unterschiedliche Definitionen von Familienlosigkeit. Der Begriff "Familienlosigkeit" umfasst dabei so verschiedene Phänomene wie Kinderlosigkeit, Eltern- oder Verwandtenlosigkeit. Zuerst wird auf die Bedeutung der Elternschaft eingegangen, die im Zentrum der Debatte steht. Danach wird das Phänomen der Kinderlosigkeit im Zusammenhang mit dem Familienstand behandelt, weil das Ledigsein oft mit Kinderlosigkeit gleichgesetzt wird. In Verbindung mit der Haushaltsform geht es dann zusätzlich um das Phänomen der Eltern- bzw. Verwandtenlosigkeit, weil in der Debatte um die Freisetzung aus der Familie die Haushaltsform im Mittelpunkt steht. Zuletzt wird dargestellt, was sich an der Beschreibung des Single-Daseins verändert, wenn man Familie als vorgegebenes Netzwerk begreift.

Zuletzt werden Singles als Partnerlose den Paaren gegenübergestellt. Dabei wird zuerst auf den Stellenwert von sexuellen Beziehungen für Partnerlose und Paare eingegangen. Danach geht es um die Bedeutung des Zusammenwohnens und damit verbundene Abgrenzungen zwischen Singles und Nicht-Singles auf der Ebene der Haushalts- bzw. Wohnform. Zum Abschluss werden Abgrenzungen zwischen Partnerlosen und Paaren vorgestellt, die das Selbstverständnis dieser Personen berücksichtigen.

Im Schlussteil werden die Defizite der bisherigen Singleforschung aufgezeigt und Vorschläge für eine differenziertere Betrachtung gemacht. Das Single-Dasein besitzt in der öffentlichen und der wissenschaftlichen Diskussion vor allem zwei Grundbedeutungen: Partnerlosigkeit und Alleinwohnen. Diese beiden Dimensionen werden jedoch mit Hilfe verschiedener Begrifflichkeiten und Typologien nur unzureichend erfasst. Singles werden z.B. mit der Kategorie "Einpersonenhaushalt" gleichgesetzt, obwohl Personen, die einen Einpersonenhaushalt führen, weder immer allein wohnen, noch partnerlos sein müssen. Mit dem Leben im Einpersonenhaushalt verbinden sich Aussagen über die Motiviertheit eines solchen Single-Daseins, die einen Gegensatz zu Partnerschaft, Ehe und Familie herstellen. Motivationstypologien zeigen jedoch, dass die Motive sehr unterschiedlich sein können. Netzwerktypologien offenbaren, dass Alleinwohnende Kinder haben können und Verlaufstypologien zeigen, dass es sich um eine Zwischenstation auf dem Weg zur Ehe handeln kann.

Die alltägliche Lebensführung Alleinwohnender kam bisher selten differenziert in den Blick. Welche Bedeutung kommt dem Wohnen unabhängig von der Partnerlosigkeit oder der Partnerschaft zu? Der sozio-ökologische Aspekt des Wohnens ist mittlerweile Gegenstand einer Soziologie des Wohnens geworden, in der den neuen Wohnformen neben dem Familienwohnen eine stärkere Beachtung zukommt. Vor allem die Frauenforschung hat das Thema Wohnen zum Gegenstand gemacht. Das Alleinwohnen wurde u.a. als Teil des Selbst, als Rückzugsort oder als Ort der Hausarbeit thematisiert. Das Alleinwohnen weist jedoch immer auch starke Bezüge zu der Dimension "Partnerschaft" und "soziales Netzwerk" auf. Es kommt daher nur unzureichend in den Blick, wenn diese Dimensionen nicht Gegenstand der Typenbildung sind.

Um die Bedeutung der Partnerlosigkeit sowohl für die Gesellschaft als auch für die Individuen erfassen zu können, reicht kein begrifflicher Zugang, der auf der Ebene des Familienstandes, der Haushalts- bzw. Wohnform ansetzt, sondern Partnerschaft muss als Beziehungsform aufgefasst werden. Nur auf dieser Ebene ist es möglich die ganze Bedeutung der Partnerlosigkeit zu erfassen. Außerdem wird dadurch eine Paarform sichtbar, die ansonsten als Partnerlosigkeit erscheint. Wenn aber nur ein solcher begrifflicher Zugang ausreichend ist, dann bedeutet dies auch, dass es Typologien bedarf, die an diesem Punkt ansetzen und diese Aspekte zum Gegenstand der Kategorienbildung machen. Dazu ist auch eine soziologische Theorie notwendig, die nicht nur eine Theorie des (Einpersonen)haushalts ist, sondern eine Theorie des Paares und damit eine Soziologie des Paares. Das Single-Dasein wird damit im Zusammenhang mit der Paarbildung thematisiert. Die empirische Forschung hat die Beziehungsform "Single" bisher kaum zum Gegenstand gemacht, obwohl diese Gruppe das Bild vom Single geprägt hat. Während der Übergang vom nichtehelichen zum ehelichen Zusammenwohnen gut erforscht ist, besteht ein Defizit bezüglich der Frage: Wann, wie und warum ziehen Paare zusammen? Oder wechseln sich gar Phasen der Partnerlosigkeit mit Phasen des Getrenntwohnens als Paar ab?

Die Jugendforschung hat sich mit der Bedeutung von Alleinwohnen und Partnerlosigkeit in der Postadoleszenz befasst. Die Familienforschung, die sich mit "Singles im Familienalter" beschäftigt, hat das Alleinwohnen von Partnerlosen thematisiert . Damit kommt jene Gruppe von Alleinlebenden in den Blick, die in der Öffentlichkeit als "swinging Singles" oder "Yuppies" beschrieben werden. Der quantitative Anteil älterer Alleinwohnender an den Einpersonenhaushalten ist beträchtlich. Sie stellen oft das Gegenbild zum positiven Image dar. Was passiert, wenn "Singles" alt werden? Ledig, kinderlos und alt ist der Inbegriff dessen, was als das Schicksal von Familienlosen beschworen wird, aber quantitativ bisher nur für eine Minderheit die zutreffende Beschreibung ist. Das Single-Dasein im Lebenslauf wird in seiner empirischen Vielfalt erst langsam sichtbar, aber nur im Rahmen der Biographie- bzw. Lebenslaufforschung lässt sich der Stellenwert des Singlelebens sowohl für die Gesellschaft als auch für das Individuum umfassend begreifen.

Infos:
Die Magisterarbeit wurde von
Prof. Werner Fuchs-Heinritz, Institut für Soziologie der Fernuniversität Hagen, betreut und umfasst ca.100 Seiten.

 
     
 
       
   

weiterführende Links

 
       
     
       
   
 
   

Bitte beachten Sie:
single-generation.de ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten

 
   
 
     
   
 
   
© 2002-2017
Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 04. Juni 2003
Update: 08. März 2017