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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Späte Mütter und Väter

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatte um die Spätgebärenden (Teil 2)

 
       
     
       
   
     
 

Einführung

Als späte Mütter werden hier Mütter bezeichnet, die noch mit 35 Jahren und später ein Kind gebären. Diese Bibliografie soll eine erste Orientierung in diesem Themenbereich ermöglichen und wird im Laufe der Zeit erweitert und aktualisiert.

Kommentierte Bibliografie (Teil 2 - 2010 bis 2013)

2010

STATISTISCHES LANDESAMT BADEN-WÜRTTEMBERG (2010): Baden-Württembergerinnen werden im Durchschnitt mit 29 Jahren zum ersten Mal Mutter.
Jede sechste Frau war 2008 bei der Geburt ihres ersten Kindes 35 Jahre oder älter,
in: Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg v. 09.03

MAIER, Anja (2010): Ich bin frei und du bist alt. So sieht's aus, Mutti.
Rede an die nächste grau gelockte Mutter, die mich im Supermarkt achtlos mit ihrem Schubverband rammt,
in: TAZ v. 10.05.

WELTI, Philippe (2010): Das späte Vaterglück.
Wer mit fünfzig ein Kind zeugt, bekommt von Frauen oft harsche Kritik zu hören. Zu Unrecht,
in: Weltwoche Nr.19 v. 12.05

CAMPBELL, Denis & Lucy ATKINS (2010): Besser spät als nie?
Laut Statistik bekommen mehr Frauen ihre Kinder mit über 40. Was sie abseits von Zahlen und Statistiken bewegt? Vier Frauen geben Auskunft,
in: Freitag Online v. 04.07.

"»Baby Boom bei Müttern über 40«, stand kürzlich auf der Titelseite einer britischen Zeitung. Der Artikel dazu beruft sich auf Daten des  Office for National Statistics (ONS), das die Geburtenzahlen von 2009 in England und Wales unter die Lupe genommen hat. Sie unterstreichen eine kulturelle Revolution beim Kinderkriegen, die in den Achtzigern begann und stetig zunimmt. Ärzte warnen weiterhin vor den Risiken einer späten Schwangerschaft, doch eine wachsende Anzahl von Müttern hört nicht auf sie.
Fassen wir das Wichtigste kurz zusammen: Die Zahl der Frauen, die jenseits der 40 gebären, hat sich in den vergangenen 20 Jahren beinahe verdreifacht. Auch die Zahl der 35- bis 39-Jährigen, die Nachwuchs bekommen, steigt. Dass in diesem späten Stadium so viele Babys geboren werden, erklärt, weshalb das Durchschnittsalter der Gebärenden in Großbritannien im vergangenen Jahr einen neuen Höchstwert von 29,4 erreicht hat. Eine Entwicklung, wie sie ähnlich auch in Deutschland stattfindet. Hier lag das Durchschnittsalter 2008 bei 30,4 Jahren",

berichten CAMPBELL & ATKINS über die Entwicklung zur späten Mutterschaft in Großbritannien, wo das Durchschnittsalter der Mütter niedriger liegt als in Deutschland. Jedoch wird auch auf schichtspezifische und und die Geburtenfolge bei Spätgebärenden eingegangen:

"Eine Untersuchung der regional-spezifischen Unterschiede beim Alter der Frauen ergab in Großbritannien ein Nord-Süd-Gefälle, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die sozialen Klassenunterschiede spiegelt: Von 1.000 Frauen, die 2008 ein Kind bekamen, waren im Durchschnitt 12,6 älter als 40 Jahre – allerdings in den Arbeiterregionen des Nordens deutlich weniger, denn im Süden sowie in London mit gar stolzen 21,4. Die Daten aus dem Jahr 2008 besagen auch, dass sich unter den Fortysomething-Müttern die Anzahl derer, die ihr erstes, zweites oder drittes Kind bekommen, in etwa die Waage hält. Die Annahme, dass viele Spätgebärende sich gerade noch ein Einzelkind abringen können, bevor ihre fruchtbare Zeit vorbei ist, wird dadurch widerlegt. Diese Erkenntnis stützt vielleicht auch das Argument der Mitbegründerin des sozialen Netzwerks Netmums, Sally Russel, viele Spätgebärende seien Frauen, die in einer zweiten festen Beziehung seien."

KASTILAN, Sonja (2010): Das Risiko der späten Väter.
Auch für Männer tickt die biologische Uhr: Schon ab 30 nimmt die Gefahr für Erbschäden zu und die Zeugungskraft lässt nach,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.09

GILLMANN, Barbara (2010): Der Trend zur späten Geburt.
Die Geburtenrate ist erneut gesunken. Ökonomen raten: Jetzt erst recht Kitas und Ganztagsschulen auszubauen - zu Lasten des Ehegattensplittings,
in: Handelsblatt v. 15.11.

2011

SCHAREIN, Manfred G. (2011): Der demografische Schluss: Kinderlose Akademikerinnen 0.3 - Wo war das Problem?
in: Bevölkerungsforschung Aktuell Nr.3, Juni

HORDYCH, Harald (2011): Das junge Glück.
Frühe Schwangerschaften: Frauen schieben das Kinderkriegen oft hinaus - bis es zu spät ist. In Sachen Lebensplanung können sie viel von Müttern unter 20 lernen. Zwei Geschichten von jungen Frauen, die eine frühe Mutterschaft stark gemacht hat,
in: Süddeutsche Zeitung v. 27.08.

Späte Mutterschaft gilt in Zeiten des Bevölkerungsrückgangs als bevölkerungspolitisches Problem. Tatsächlich ist es jedoch die Konsequenz eines unsicheren Arbeitsmarktes und einer Politik für die Baby-Boomer, die der Jugend eine jahrelange Warteschleifeexistenz im Bildungssystem (euphemistisch als Postadoleszenz bezeichnet) bescherte.

"Wenn deutsche Frauen heutzutage ihr erstes Kind bekommen, sind sie im Durchschnitt 30 Jahre alt. Fast jede fünfte Frau ist älter als 35. Und selbst diejenigen, die gar zum ersten Mal mit über 40 Mutterfreuden entgegensehen, sind keine Minderheit mehr",

behauptet HORDYCH. Fakt ist jedoch: Mütter, die ihr erstes Kind mit über 40 bekommen, finden sich hauptsächlich unter Frauen, die im Wissenschaftsbetrieb unterhalb einer sicheren Existenz als Professorin arbeiten. Dies ist - entgegen HORDYCHs Behauptung - eine klitzekleine Minderheit.

Aufgrund der normativen amtlichen Geburtenstatistik konnte bis zum Mikrozensus 2009 das Alter bei der Erstgeburt lediglich geschätzt werden, weil nur die Geburtenreihenfolge in einer Ehe erfasst wurde. Angesichts einer hohen Zahl lediger und geschiedener Mütter in Deutschland war das ein skandalöser Zustand. Gemäß einer Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes vom 2. Dezember 2010 wurde das inzwischen geändert:

"Durch eine Anpassung des Bevölkerungsstatistikgesetzes ist für das Jahr 2009 erstmals die Nachweisung der sogenannten biologischen Geburtenfolge unabhängig vom Familienstand der Mutter möglich. Bis zum Jahr 2008 lagen Angaben über das Alter der Frau bei der ersten Geburt nur in der aktuell bestehenden Ehe vor."

KERBEL, Barbara (2011): Das Glück der späten Jahre.
In Berlin ist inzwischen jede vierte Frau bei der Geburt älter als 35. Früher galt das als problematisch Doch Studien zeigen: Wenn Mütter in etwas reiferem Alter sind, kann das sogar von Vorteil sein,
in: Tagesspiegel v. 29.08.

NEW YORK MAGAZINE-Titelgeschichte: Is She Just To Old For This?

MILLER, Lisa (2011): Parents of a Certain Age.
Is there anything wrong with being 53 and pregnant?
in: New York Magazine v. 03.10.

"The age of first motherhood is rising all over the West. In Italy, Germany, and Great Britain, it’s 30. In the U.S., it’s gone up to 25 from 21 since 1970, and in New York State, it’s even higher, at 27. But among the extremely middle-aged, births aren’t just inching up. They are booming. In 2008, the most recent year for which detailed data are available, about 8,000 babies were born to women 45 or older, more than double the number in 1997, according to the Centers for Disease Control. Five hundred and forty-one of these were born to women age 50 or older—a 375 percent increase. In adoption, the story is the same. Nearly a quarter of adopted children in the U.S. have parents more than 45 years older than they are.
The baby-having drive in this set is so strong it’s recessionproof. Since 2008, birthrates among women overall have declined 4 percent, as families put childbearing on hold while they ride out hard times. But among women over 40, birthrates have increased. Among women ages 45 to 49, they’ve risen 17 percent", berichtet Lisa MILLER über die Zunahme der Spätgebärenden.

BEITZER, Hannah/BERTH, Felix/REST, Tanja/ZIPS, Martin (2011): Schatz, wann kriegen wir Kinder?
Erst Karriere, dann Familie - oder beides? Theoretisch ist alles drin. Das ist ja das Drama. Deutschland schrumpft. Doch Demographen glauben, dass sich etwas ändern könnte: Dem Land der vielen Kinderlosen steht vielleicht die Trendwende bevor,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 05.11.

Im Kampfblatt gegen die vergreisende deutsche Bevölkerung wird heute gegen die späte Mutterschaft und Kinderlosigkeit in Deutschland mobil gemacht. Drei Akte hat dieses Drama, das den unentschlossenen Frauen in Deutschland auf die Sprünge helfen soll:

1. Fallbeispiel: Wie man es nicht machen soll - Ende 30 und noch immer nicht für Kinder entschieden. Dazu die passende Statistik:

"Mehr als 20 Prozent der Frauen, die Mitte der sechziger Jahre geboren wurden, sind heute noch kinderlos, wie mehrere Untersuchungen zeigen. Das bedeutet: Etwa jede fünfte Frau in Westdeutschland bekommt keinen Nachwuchs.

Unter Akademikerinnen ist es sogar fast jede dritte - das sind Rekorde, die regelmäßig Negativschlagzeilen machen."

Zu dieser Statistik wäre anzumerken, dass noch bis Mitte 2009 von einem Drittel Kinderloser bei diesen Jahrgängen geschrieben wurde. Akademikerinnen sollten gar zu über 40 % kinderlos bleiben.

Und natürlich darf auch ein Blick auf die Kinderwunsch-Praxen dieser Republik nicht fehlen, um die Angst vor ungewollter Kinderlosigkeit zusätzlich zu schüren.

2. Fallbeispiel: Wie man es machen soll - Als Frau noch während des Studiums, auf jeden Fall unter Dreißig Kinder bekommen. Dazu diese passende Statistik über eine Trendwende bei den in den 1970er Jahren Geborenen:

"Michaela Kreyenfeld und ihr Chef Joshua Goldstein sprechen jedenfalls schon von einer »Trendwende«, die sich bei den Geburtsjahrgängen ab 1970 zeige. Diese Frauen bekommen mehr Kinder als Frauen, die in den Sechzigern geboren wurden."

Dazu wäre anzumerken, dass diesen Jahrgängen vor 2005 eine noch höhere Kinderlosigkeit als den in den 1960er Jahren Geborenen vorausgesagt wurde.

3. Fallbeispiel: Das große Heulen bei der Single-Generation. Erfolgreich, einsam, kinderlos, das war die Beschreibung von Susanne GASCHKE für diese Gruppe der uneinsichtigen Karrierefrauen in ihrem 2005 erschienenen Bestseller. Single-generation.de wagte damals folgende Prognose:

"Liest man im Jahr 2010 das Buch Die Emanzipationsfalle von Susanne GASCHKE noch einmal, wird man sich fragen, wie es dazu kam, dass damals solch gravierende Fehleinschätzungen an der Tagesordnung waren.  Man wird dies auf die damals weit verbreitete Single-Rhetorik zurückführen, die sowohl Singles als auch Eltern ein falsches Bild ihrer Lage vermittelt hatte. Bis zur Jobkrise der Generation Golf kurz nach der Jahrtausendwende konnte man sich als aufstiegswillige Singlefrau noch an die Single-Ästhetik klammern, die von erfolgreichen Aufsteigerinnen - als Gegengift zur zunehmend geschlosseneren Gesellschaft - in Umlauf gebracht wurde. Sozialpolitiker werden ihre damalige Single-Rhetorik damit rechtfertigen, dass die damit verbundenen Kollateralschäden der notwendige Preis waren, um die neue Klassengesellschaft zu etablieren. Die dritte Mütterbewegung wird GASCHKEs Buch als frühes Manifest feiern, das ihren Belangen Ausdruck verliehen hatte, bevor offensichtlich wurde, dass Singles die wahren Modernisierungsverlierer waren."

Inzwischen ist einiges davon eingetreten: Frühgebärende Akademikerinnen gelten nicht mehr als Exoten, sondern weisen auf eine Trendwende hin, was 2005 noch undenkbar erschien. Die Ernüchterung der aufstiegswilligen Single-Frau kann man im Buch Echtleben von Katja KULLMANN nachlesen.

Aber es gibt auch Widerstand aus der Single-Generation gegen das Bild von der einsamen, kinderlosen Karrierefrau. Bettina WÜNDRICH straft mit dem Buch Einsame Spitze? diejenigen Lügen, die wie die SZ, die Rolle der kinderlosen Karrierefrau auf das Sujet der späten Reue festlegen wollen.

VOWINKEL, Heike (2011): Späte Freuden.
Ulrich Wickert bekommt Nachwuchs - und ist fast 70. Eine Ausnahme ist er nicht: Die Zahl der späten Vaterschaften steigt,
in: Welt v. 07.12.

VOWINKEL, Heike (2011): Späte Väter.
Sie sind eigentlich im Alter von Großvätern. Doch viele Männer über 60 entscheiden sich bewusst für ein Kind. In Deutschland gibt es 35 000 alte Väter pro Jahr. Experten sprechen von einer Verschiebung des "Alters-Limes",
in: Welt am Sonntag v. 11.12.

2012

POMPL, Moritz (2012): Späte Väter, kranke Kinder?
Nicht nur der Nachwuchs spät gebärender Frauen ist erhöhten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt - auch die Kinder älterer Männer sind bedroht,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 03.01.

"In Deutschland geht der Trend (...) Richtung jüngerer Zweitfrau, mit der ein Mann gehobenen Alters noch einmal eine Familie gründet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2000 knapp 70000 werdende Väter älter als 40 Jahre. 2010 hatten bereits fast 117000 diese Altersgrenze erreicht. Im selben Zeitraum erhöhte sich der Anteil der Väter, die bereits die 70 überschritten hatten, sogar um 20 Prozent",

erläutert Moritz POMPL. Das Statistische Bundesamt erfasst jedoch nur das Alter der Mütter. Woher stammen also die Daten wirklich, die uns POMPL präsentiert, bzw. was wurde tatsächlich erhoben? Mit dem Mikrozensus können nur Haushalte mit Kindern erfasst werden, ob der Mann dann der leibliche Vater oder nur der soziale Vater ist, das bleibt in diesem Fall jedoch offen.   

PÖTZSCH, Olga (2012): Geburtenfolge und Geburtenabstand - neue Daten und Befunde,
in:
Wirtschaft und Statistik, Heft 2

Veröffentlichungen zur Geburtenentwicklung sind in Deutschland in der Regel so angelegt, dass die wichtigen Ergebnisse NICHT für jedermann deutlich werden, sondern aus dem Subtext herausgelesen werden müssen:

"Immer mehr Frauen bekommen ihr erstes Kind erst nach ihrem 30. Geburtstag. Allein in den letzten 20 Jahren stieg in Deutschland das durchschnittliche Gebäralter beim ersten Kind um mindestens drei Jahre an, von etwa 26 Jahren im Jahr 1989 auf 29 Jahre im Jahr 2010. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung mit einem entsprechenden Aufschub der zweiten und weiteren Geburten auf ein immer höheres Alter einhergeht. In diesem Fall könnte künftig der bisher relativ konstante Anteil der Mütter mit drei oder mehr Kindern sinken",
(Wirtschaft und Statistik, Heft 2, 2012)

schreibt PÖTZSCH. Hier geht es also darum, ob der Aufschub von Geburten in ein höheres Alter zu einem Rückgang kinderreicher Familien beiträgt. In Deutschland geht es jedoch in erster Linie um den Umfang der endgültigen Kinderlosigkeit der westdeutschen Akademikerinnen, der bis vor kurzem noch auf über 40 % geschätzt wurde, aber tatsächlich je nachdem welche Abschlüsse dazugezählt werden, zwischen 25 und 31 % liegt. Dies auch wiederum nur, wenn man nicht berücksichtigt, dass hoch qualifizierte oftmals noch mit über 40 Jahren Kinder bekommen. Unter diesem Aspekt ist die folgende Textpassage zu betrachten:

"Im früheren Bundesgebiet blieben die Intervalle bis zur zweiten und dritten Geburt bei den unter 40-jährigen Müttern praktisch konstant. Bei den 40- bis 44-jährigen Müttern verkürzten sie sich um sechs Monate bei der zweiten Geburt und um zwölf Monate bei der dritten Geburt. Der Anteil der Mütter, die in diesem Alter Kinder bekommen, nimmt ständig zu und hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Trotzdem bilden sie nach wie vor eine kleine Gruppe von 5 % unter den Müttern der zweiten Kinder und von 9 % unter den Müttern der dritten Kinder (Angaben für 2010)."
(Wirtschaft und Statistik, Heft 2, 2012)

Diese Interpretation muss dahin gehend korrigiert werden, dass es sich bei diesem Geburten vor allem um Geburten von Akademikerinnen handelt. Wenn dieser Anteil als gering eingeschätzt wird, dann nur im Hinblick auf die Gesamtbevölkerung, nicht jedoch im Hinblick auf die kleine Gruppe der Akademikerinnen.

"Die früher in empirischen Untersuchungen gängige Altersgrenze von 39 Jahren ist durch neuere Forschungsergebnisse kritisiert und erweitert worden, denn gerade bei hochqualifizierten Frauen setzen Familiengründungsprozesse später, zu großen Teilen auch nach dem Alter von 39 Jahren, ein."
(2012, S.29)

heißt es hierzu in dem kürzlich erschienen Buch Kinderlosigkeit in Deutschland von Rabea KRÄTSCHMER-HAHN. In dem Buch heißt es weiter:

"Die überdurchschnittlich hohe Kinderlosigkeit bei hoch qualifizierten Frauen ist (...) kein neuartiges Phänomen, sondern lässt sich auch schon in den 1970er Jahren beobachten. Der einzige Unterschied besteht darin, dass damals nur 2 % der Frauen zwischen 35 und 39 Jahren einen Hochschulabschluss hatten (...), doch heute im Zuge der Bildungsexpansion etliche Frauen besser ausgebildet sind und die Anzahl der Akademikerinnen steigt. Dennoch stellen die Akademikerinnen auch im Jahr 2004 mit 10 % eine eher kleine Gruppe dar."
(2012, S.49)

Betrachtet man die Fakten, die PÖTZSCH zu den 40-44jährigen Müttern präsentiert, unter diesem Gesichtspunkt, dann könnte das darauf hindeuten, dass die Kinderzahl von Akademikerinnen nicht mehr so niedrig ist, wie das die bisherige Debatte vermuten ließ.

WELTWOCHE-Titelgeschichte: Hilfe, meine Oma ist schwanger.
Kinder für alle: Wo sind die Grenzen?

GUT, Philipp & Alex REICHMUTH (2012): Kinder für alle.
Im Kanton Graubünden hat eine 66-jährige Frau Zwillinge zur Welt gebracht – dank moderner Fortpflanzungsmedizin. Dass Omas Mütter werden, liegt im Trend. Was heisst das für die Kinder? Wo liegen die Grenzen?
in:
Weltwoche Nr.11 v. 15.03.

NIEMANN, Julia (2012): Der ist doch noch gut.
Späte Väter: Knirschende Knie, kurzer Atem - trotzdem werden viele Männer mit 60 Vater. Was das für Konsequenzen hat - und was es für Kinder heißt, mit Opa-Papas aufzuwachsen,
in:
TAZ v. 28.03.

BAHNSEN, Ulrich (2012): Gefährliche Spermien.
Behinderungen: Nicht nur alte Mütter, auch alte Väter stellen für den Nachwuchs ein genetisches Risiko dar,
in:
Die ZEIT Nr.16 v. 12.04.

Der späten Elternschaft, in erster Linie also der späten Mutterschaft, vermehrt aber auch der späten Vaterschaft, wird seit einigen Jahren nicht nur in Deutschland vehement der Kampf angesagt. Sie wird bevölkerungspolitisch als Ursache für die Kinderarmut betrachtet und eine reaktionäre Familienpolitik à la Paul KIRCHHOF verspricht sich davon eine Rückkehr zur Natürlichkeit:

"Die Ausbildungs- und Erwerbsbiographien sind so umzugestalten, dass die jungen Menschen in Zukunft die Frage der Familiengründung nicht mehr verspätet stellen. Während wir derzeit deutlich nach Vollendung des 30. Lebensjahres, wenn der Eintritt in das Berufsleben vollzogen und die Berufsposition gefestigt ist, die Frage einer Familiengründung ernstlich erwägen, sollte in Zukunft die Entscheidung über eine Familie um zehn Jahre vorverlegt werden. Nach einem schulischen Abschluss - auch dem im Gymnasium - mit spätestens 17 Jahren sollte sich eine Phase der Berufsqualifikation - einschließlich eines Hochschulabschlusses - von etwa fünf Jahren anschließen. Danach, also im Alter von 22 bis 25 Jahren, sollten die Menschen ihre Freiheit zur Familie, zum Kind wahrnehmen. Bei der Bewerbung um Arbeitsstellen oder um eine weitere Berufsqualifikation sollten sie sodann vorrangig berücksichtigt werden, weil sie eine Doppelleistung - die familiäre und die berufliche - erbringen. Der Lebensrhythmus wird wieder natürlicher."

Es stellt sich dann aber eine unangenehme Frage: Wurde etwa einer ganzen Generation, also den Babyboomern, ein unnatürlicher Lebensrhythmus von jenen aufgezwungen, die sie nun durch eine reaktionäre Familienpolitik zum zweiten Mal bestrafen wollen? Wenn jetzt die Rücknahme der Verlängerung von  Ausbildungszeiten unproblematisch erscheint, wirft dies eben auch ein bezeichnendes Licht auf die Ursachen der Verlängerung. Wurde die Arbeitsmarktkrise seit den 1970er Jahren nicht zu Lasten der Babyboomer dahingehend gelöst, dass sie im Bildungssystem ruhig gestellt wurden? Jetzt, da sich am Horizont ein möglicher Arbeitskräftemangel abzeichnet, lassen sich die Bildungswege plötzlich ohne Probleme auflösen?

Es könnte also gut sein, dass die Babyboomer den reaktionären Eliten in Zukunft ein paar unangenehme Fragen stellen. Denn die bevölkerungspolitischen Implikationen, die Reaktionäre von Jens SPAHN über Meinhard MIEGEL, Hans-Werner SINN bis Paul KIRCHHOF bislang entworfen haben, könnten ganz andere Schlussfolgerungen aufwerfen.

Wurden die Babyboomer betrogen? Sind sie nicht die wahren Opfer, statt die angeblichen Täter als die sie von den Reaktionären gesehen werden? Was, wenn der Hedonismus in Wahrheit ein Zwangshedonismus war? Ruhig gestellt in den Bildungsanstalten der Republik? Ist Individualisierung dann nicht ein Schönreden von unnatürlichen Lebensrhythmen gewesen?

Man darf also in Zukunft auf die Nebenwirkungen dieser reaktionären Politik gespannt sein!

VOIGT, Claudia (2012): Frauen können alles haben.
Sie sollten nur viel früher Kinder bekommen,
in: Spiegel Nr.34 v. 20.08.

Claudia VOIGT, Angehörige der Generation Golf/Ally, will die in den 1990er Jahren geborenen Frauen zum frühen Gebären während des Studiums überreden. Anlass bietet ihr u. a. ein Artikel von Anne Marie SLAUTHGER:

"Ihr Fazit: Frauen können nicht alles haben.
Doch ist Rückzug die Lösung? Im Fall von Anne-Marie Slaughter mag es eine richtige Entscheidung gewesen sein. Wie sie wie viele Frauen ihrer Generation früh in ihrem Leben eine falsche Entscheidung getroffen hat: Sie hat ihre Kinder zu spät bekommen."

Zum anderen werden die Ostfrauen als Vorbild präsentiert:

"Aber wie wäre es, nur mal angenommen, man würde seinen 40. Geburtstag feiern und die Kinder würden demnächst zu Hause ausziehen? Da wäre plötzlich eine Menge überschüssiger Kraft, und es blieben noch über zwanzige Jahre Berufstätigkeit um sie einzusetzen. Zeit, um Führungspositionen zu übernehmen (...). Viele Frauen, die in der DDR groß geworden sind, haben solche Biografien. Bei ihnen gibt es ein freundlich kaschiertes Unverständnis den ehemaligen West-Frauen gegenüber und ihren endlosen Diskussionen über Karriere und Kinder."

Und nicht zuletzt müssen die Frauen, die in den 1960er und 1970er Jahren geboren wurden, abgewertet werden:

"Heute sitzen manche dieser Frauen von Mitte vierzig auf Spielplätzen herum und gucken ihrem einzigen Sohn, ihrer einzigen Tochter beim Schaukeln zu. Für ein Geschwisterkind sind sie mittlerweile zu alt. Andere Frauen der Generation sind kinderlos geblieben, die Traurigkeit darüber gehört zu ihrem Leben."

Den Plot dazu lieferte der Ökonom Detlef GÜRTLER bereits im August 2003. Und wer sich gegen solche Zuschreibungen wehrt, wie z.B. Bettina WÜNDRICH ("Einsame Spitze"), dem kann  vorgehalten werden:

"Niemand, der heute vierzig, fünfzig ist, gibt gern zu, dass er sein Leben rückblickend besser anders gelebt hätte. Da ist es leichter allein den Umständen die Schuld zu geben".

Die Angriffe auf Spätgebärende werden weiter zunehmen, das ist angesichts der gegenwärtigen bevölkerungspolitischen Stossrichtung sicher.

PANY, Thomas (2012): Die biologische Uhr der Männer.
Eine Studie in Nature zeigt, dass das Sperma exponentiell mit dem Alter des Vaters zunehmend genetische Mutationen produziert,
in: Telepolis v. 23.08

BRUNS, Annette (2012): Willkommen in der Zukunft.
Debatte: Früh gebären, um später beruflich durchzustarten? Das wird den Frauen auch nicht helfen,
in: Spiegel Nr.36 v. 03.09.

FUHR, Eckhard (2012): Lasset die Kinder kommen.
Frauen werden immer später Mütter. Das ist ihr gutes Recht. Die gesellschaftlichen Folgen aber gehen nicht nur sie selbst etwas an. Und es wäre auch in ihrem Interesse, früher Kinder zu bekommen. Es macht glücklicher,
in: Welt v. 03.09.

MPIDR (2012): Späte Geburt schadet Kindern langfristig nicht,
in: Pressemitteilung Max-Planck-Institut für demografische Forschung v. 06.09.

ALTMEIER, Lisa (2012): Mama studiert noch.
Kinderkriegen: Junge Frauen sollten während der Studienzeit Kinder kriegen, raten viele. Kommt das für Studentinnen überhaupt infrage? Und wie sehen Männer das? Fünf Protokolle,
in: ZEIT Online v. 12.09.

NIEMANN, Julia (2012): Ähhhh … lieber doch nicht.
Hirnfick: Früh Kinder kriegen - Frauen sollen mal wieder die Welt retten. Dabei sind sie nicht das Problem. Sondern die Männer,
in: TAZ v. 17.09.

STOCK, Günter u.a. (2012)(Hg.): Zukunft mit Kindern. Fertilität und gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Campus Verlag

Das Buch einer "interdisziplinären Akademikergruppe" verspricht Aufklärung. Zur späten Mutterschaft heißt es dort:

"6. »Da die Lebenserwartung von Frauen in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen ist, können Frauen länger Kinder bekommen.«
Was wir heute wissen: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich der Zeitpunkt des Eintritts der Menopause nicht verschoben, sondern liegt nach wie vor bei durchschnittlich 51 Jahren. (...).
7. »Bis Anfang/Mitte vierzig können Frauen problemlos schwanger werden.«
Was wir heute wissen: Die Fruchtbarkeit der Frau nimmt etwa ab dem 30. Lebensjahr allmählich und ab dem 35. Lebensjahr deutlich ab. Mit steigendem Alter der Frau kann aus einer zeitweise gewollten Kinderlosigkeit eine ungewollte Kinderlosigkeit werden. Auch die Zeugungsfähigkeit des Mannes nimmt etwa ab dem 40. Lebensjahr ab.
8. »Das Aufschieben des Kinderwunsches von Frauen bis Mitte dreißig/Anfang vierzig ist ohne Weiteres möglich, da die Reproduktionsmedizin problemlos den Kinderwunsch erfüllen kann, falls es auf natürlichem Weg nicht funktioniert.«
Was wir heute wissen: Der Eintritt einer Schwangerschaft und die Geburt eines lebenden Kindes hängen entscheidend vom Alter der Frau und damit von der Anzahl und der »Qualität« (Entwicklungs- und Befruchtungsfähigkeit) der Eizellen ab. So haben Frauen über etwa 40 Jahre im Vergleich zu Frauen unter etwa 34 Jahren - ähnlich wie auf natürlichem Weg - bei einer IVF-Kinderwunschbehandlung nicht einmal mehr eine halb so große Chance, schwanger zu werden und ein lebendes Kind auszutragen. Mit steigendem väterlichem Alter ab etwa 40 Jahren nimmt jedoch auch die Spermienqualität ab, aber in geringerem Ausmaß als die Qualität der Eizellen.
9. »Die Samenqualität des Mannes hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert.«
Was wir heute wissen: In jüngster Zeit ist die Samenqualität gleich geblieben. In der Vergangenheit waren die Methoden und Standards zur Messung der Spermienqualität zu unterschiedlich und machten einen Vergleich von Studien unmöglich. Erst die Erstellung von Standardwerten durch die World Health Organization (WHO) hat einheitliche Kriterien geschaffen. Langzeitstudien sind erforderlich, um die Frage nach Veränderungen der Samenqualität eindeutig zu beantworten." (S.28f.)  

LITTARDI, Julia (2012): Keine Anstellung mit Kind.
Uniabsolventin: Organisation, Stressresistenz und Ausdauer – das kann Leserin Julia Littardi bieten, sie hat im Studium zwei Kinder bekommen. Ein Traum für Personaler? Anscheinend nicht,
in: ZEIT Online v. 17.10.

BIB (2012): Mama werden ab 35.
Grafik des Monats: Trend zur späten Mutterschaft hält an,
in: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung v. 12.12.

2013

CADENBACH, Christoph (2013): Bis später, Baby.
Die biologische Uhr lässt sich jetzt anhalten. Diese Frau hat ihre Eizellen einfrieren lassen - wenn sie will, kann sie also auch mit 40, 50, 60 noch Mutter werden. Der letzte Schritt zur Vollendung der Emanzipation?
in: SZ-Magazin Nr.10 v. 08.03.

"Kaum ein Bereich der Medizin provoziert so viel Unbehagen, wirft so viele rechtliche und moralische Fragen auf wie die Reproduktionsmedizin. Warum dürfen in Deutschland Männer ihren Samen spenden, Frauen aber nicht ihre Eizellen? Wie viele Stunden nach der Befruchtung ist ein Embryo ein schützenswertes menschliches Leben? Dürfen Paare eine Leihmutter engagieren? Und dürfen sie ihr ungeborenes Kind auf eine Behinderung untersuchen und gegebenenfalls abtreiben lassen? Die Wissenschaft kann mehr, als viele Menschen ethisch gutheißen wollen; für die Ärzte ist es oftmals ein Dilemma.
Beim Social Freezing stellen sich andere Fragen: Wie alt darf eine Frau sein, um noch schwanger zu werden? 54, wie die Sängerin Gianna Nannini? Die meisten würden das wohl verneinen, aber müsste man dann nicht auch für Männer eine Altersgrenze setzen, bis zu der sie noch Vater werden dürfen?
Vor allem geht es aber um die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Technologie: Deutschland ist bekannt für seine niedrigen Geburtenzahlen. Vor allem gut ausgebildete Frauen werden immer später Mütter oder sie bleiben, wie jede Vierte von ihnen, ihr Leben lang kinderlos. Mit einer Fruchtbarkeitsvorsorge wie dem Social Freezing könnte sich das ändern. Was aber passiert, wenn es tatsächlich zur Massenbewegung wird, zum Normalzustand wie die Pille? Dann könnte die natürliche Schwangerschaft erst recht zum Problem werden. Wenn eine junge Frau mit Anfang 30 Mutter werden will, könnte sie sich die Frage gefallen lassen müssen, warum sie ihre Eizellen nicht einfach einfrieren lässt. Vielleicht bietet der Chef sogar eine Kostenübernahme an.
Natürlich ist es fraglich, ob die Mehrheit der Frauen das überhaupt will: erst mit 40 Kinder zu bekommen. Ist es nicht vielmehr ihr Umfeld, die von Männern bestimmte Arbeitswelt, die das von ihnen verlangt?", fragt Christoph CADENBACH.

CORNELIßEN, Waltraud/ZERLE-ELSÄßER, Claudia/BIEN, Walter (2013): Das Timing der Familiengründung und dessen Folgen für Familien,
in:
beziehungsweise, April

Späte Elternschaft wird heutzutage von bevölkerungspolitisch motivierten Wissenschaftlern und ihren Sprachrohren in den Medien attackiert, obwohl kein enger Zusammenhang zwischen Timing und Geburtenrate besteht, wie international vergleichende Studien beweisen. CORNELIßEN u. a. sehen dagegen Vorteile der späten gegenüber der frühen Elternschaft:

"Bei später Familiengründung sind nicht nur die Bildungs- und Berufsabschlüsse sowie die Erwerbschancen, sondern auch die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Zusammenleben als Paar besser",

ist das Fazit einer Studie der Autoren.

EMMA-Dossier: Mutter werden mit 50plus

LOUIS, Chantal (2013): Mutter werden mit 50plus,
in: Emma, Mai/Juni

Anlässlich der späten Mutterschaft der Rocksängerin Gianna NANINI, die mit 54 Jahren ein Kind bekommen hat, beschäftigt sich die Emma mit dem Thema später Elternschaft:

"Die Zahl der Mütter über 40 ist in den letzten Jahren rasant gestiegen, jetzt aber bekommen auch immer mehr Frauen Nachwuchs, die die 50 überschritten haben. In Deutschland verdoppelte sich die Zahl der Ü50-Mütter von 38 im Jahr 2007 auf 67 in 2010",

erläutert uns Chantal LOUIS. Der Anteil der Ü40-Mütter ist vom Jahr 2007 (3,8 %) auf 4,2 % im Jahr 2011 gestiegen. Die Vernachlässigung später Mütter führte seit der Jahrtausendwende dazu, dass die Kinderlosigkeit der Akademikerinnen stark überschätzt wurde. Im Übrigen auch ein Indiz dafür, dass späte Mutterschaft in unserer Gesellschaft unerwünscht ist.

Das Dossier befasst sich insbesondere mit der geschlechtsspezifisch ungleichen Bewertung des Alters beim Kinderkriegen, also dem Thema Geschlechtergerechtigkeit, und den Folgen der Reproduktionsmedizin, durch die das Alter der Mütter weiter steigen wird.

NIEMANN, Julia (2013): Vater mit 70plus,
in: Emma, Mai/Juni

LOUIS, Chantal (2013): Warum sollte eine 65-Jährige nicht mit einem 45-Jährigen ein Kind bekommen.
Gespräch mit Claudia Wiesemann,
in: Emma, Mai/Juni

LOUIS, Chantal (2013): Homo-Mütter. Wie es geht!
Rechtlich ist in Sachen künstlicher Befruchtung in Deutschland vieles unklar. Wie es gehen könnte, wird hier erklärt,
in: Emma, Mai/Juni

ZEIT-Dossier: Fortpflanzung? Später!
Ein neues medizinisches Verfahren stellt die biologische Uhr der Frau ab. Bis ins hohe Alter kann sie jetzt schwanger werden. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Kind?

SPIEWAK, Martin (2013): Familie auf Vorrat.
Das Kinderglück verschieben: Die Fortpflanzungsmedizin macht es möglich. Mit welchen Folgen?
in: ZEIT
Nr. 29 v. 11.07.

"Keinen Grund für Kinderlosigkeit nennen die Frauen häufiger, als dass ihnen der dafür geeignete Mann fehlt. Für diese Frauen könnte es eine Chance sein, den Kinderwunsch aufzuschieben. Ihn auf Eis zu legen. Bis der Richtige kommt", meint Martin SPIEWAK.

HOLST, Evelyn (2013): Alles auf Anfang.
Immer mehr Frauen bekommen immer später noch Kinder. Bei Evelyn Holst rufen die Last-Minute-Mütter zwiespältige Gefühle hervor,
in:
Brigitte woman Nr.9 v. 14.08.

Evelyn HOLST polemisiert gegen 50+ Mütter, die als narzisstisch, egoistisch oder als "verwitterte Erwachsene mit Grübchenbaby" beschrieben werden. Zahlen aus den USA werden zitiert und für Deutschland wird der Anschein erweckt, dass es bald ebenso schlimm sein wird:

"In den USA ist bereits jede fünfte Mutter bei der Geburt ihres Kindes zwischen 35 und 45 Jahren alt, so das Magazin »The New Yorker«. Die Zahl der Entbindungen von Frauen ab 50 liegt inzwischen bei weit über 500 pro Jahr. Deutschland zieht nach: Birgit Schrowange Bärbel Schäfer, Cordula Stratmann, Susanne Holst, sie alle sind um die 50, wenn sie die Schultüte für die Einschulung kaufen."

BERENDSEN, Eva (2013): Kinder? Nein danke.
Willkommen im Zeitalter der neuen Mütterlichkeit. Wer nicht auf natürliche Weise schwanger werden kann, darf auf die Wunder der Reproduktionstechnologie hoffen. Frauen, die keine Kinder haben wollen, geraten umso stärker unter Druck,
in: Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung v. 18.08.

Eva BERENDSEN macht letztlich aber auch subtil (im Gegensatz zu Evelyn HOLST und im Einklang mit einer bevölkerungspolitisch orientierten Wissenschaft) Front gegen späte Mütter:

"Erst das Kind und dann die Ausbildung? Oha! Wer muss da nicht an die Unterschichtenmamis in Jogginghosen denken? Aber warum sollten Frauen nicht Kinder bekommen, wenn sie noch auf der Höhe ihrer Kräfte sind - vorausgesetzt, sie erhalten Unterstützung von der Gesellschaft?"

Warum also in Zukunft kinderlos bleiben, wenn man junge Mutter werden könnte?

Man könnte aber auch grundlegender fragen, warum die Demografisierung gesellschaftlicherer Probleme - wie sie hier auch von BERENDSEN betrieben wird - in unser aller Interesse sein soll.

FISCHER, Susanne (2013): Ansichten einer späten Mutter, Hoffmann & Campe Verlag

"Ich habe der Statistik ein Schnäppchen geschlagen, hurra! Im jüngsten Fachbericht der Bundesregierung, dem »Familienreport 2011«, zählte ich noch zu den 22 Prozent meines Jahrgangs (1968), die im Jahr 2009 41 Jahre alt und kinderlos waren. Mit mir haben die deutschen Demografen nicht mehr gerechnet. Und meine Familie auch nicht. Wie sagte so charmant meine 80-jährige (kinderlose) Tante, als ich ihr von meiner Schwangerschaft erzählte? »Ich dachte ja eher, du kommst jetzt in die Wechseljahre«.
Mutter mit 43 - darf frau das? (...).
Zu meiner Beruhigung kann ich sagen: Ich bin nicht allein. (...). Die Zahl der Frauen, die mit über 35 Jahren (noch) ein Kind bekommen, steigt von Jahr zu Jahr, vor allem in Westdeutschland und da vor allem in den Städten und unter den Akademikerinnen. Jede vierte Frau in Deutschland bringt inzwischen mit über 35 Jahren ihr erstes Kind zur Welt. Schaue ich mich unter meinen Freundinnen um, kommt es mir sogar vor, als müssten es noch viel mehr sein. Und auch die Zahl der (Erst-)-Mütter über 40 wächst. 2008 lag der Anteil der verheirateten Frauen, die bei der Geburt ihres ersten Kindes 40 Jahre oder älter waren, bei 3,4 Prozent, Tendenz steigend. In München machen die Mütter über 40 sogar schon fünf Prozent aus, in anderen Großstädten sieht es ähnlich aus" (22f.), erklärt uns Susanne FISCHER. 

FOCUS-Titelgeschichte: Projekt Kind.
Mit High-Tech-Medizin zum Baby - aber kann man Glück planen?

GOTTSCHLING, Claudia (2013): Kinderwunsch auf Eis.
Spätes Mutterglück? Kein Problem, sagen Mediziner. Frauen sollten nur rechtzeitig daran denken, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Doch den meisten kommt die Idee sehr spät,
in:
Focus Nr.41 v. 07.10.

FRITZEN, Florentine (2013): Der Albtraum der ewigen Fruchtbarkeit.
Späte Mütter gab es schon immer. Heute sind sie ein Trend. Das hat Folgen,
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 27.10.

"Fast jedes zwanzigste Neugeborene in Deutschland hat inzwischen eine Mutter über 40. Schwangere über 35 sind schon so gut wie normal, die Mutter jedes vierten Neugeborenen ist mindestens so alt",

klagt die Neokonservative Florentine FRITZEN. Denn:

"Dossiers und Ratgeber preisen gerne die späten Mütter".

Tatsächlich? Lebt FRITZEN etwa hinter dem Mond? Seit Kinder angeblich immer nur die Falschen bekommen, d.h. Nicht-Akademikerinnen, wird zur Jagd auf Spätgebärende (im Wortschatz Nationalkonservativer wurden Spätgebärende lange Zeit zu Kinderlosen umdefiniert) geblasen. Gemäß ZEIT Wissen sind Spätgebärende noch eine größere Gefahr für unsere "kinderarme Gesellschaft" als Kinderlose:

"1970 waren Deutschlands Frauen bei der ersten Geburt im Schnitt 24 Jahre alt, 2009 bereits 30,2. Das hat - unabhängig von der Geburtenrate - demografische Folgen. Was die Bevölkerungszahl betrifft, entsteht daraus eine Art Zinseszins-Effekt. Wenn Frauen ihr erstes Kind immer mit 20 bekommen, sind sie mit 40 bereits Großmutter. Gründen wie hingegen erst mit 40 eine Familie, dann fällt eine ganze Generation aus - ein Bevölkerungsschwund, der sich in der Zukunft immer weiter potenziert. (...). Andererseits sinkt die Wahrscheinlichkeit, nach der späten ersten Geburt noch weitere Kinder zu bekommen. Was die künftige Bevölkerung Deutschlands betrifft, ist also der immer immer weiter hinausgeschobene Termin viel entscheidender als ein womöglich fehlender Kinderwunsch",

doziert Daniel HAUN. Das Szenario mit den Frühgebärenden 20Jährigen ist jedoch nur auf den ersten Blick überzeugend, weil es die geänderte Lebenserwartung außer Acht lässt. Denn das Szenario würde in einer Gesellschaft der Langlebigen schnell in eine rasante Überbevölkerung führen, wie ein Gedankenexperiment zeigt.

"Social Freezing", d.h. das Einfrieren von Eizellen, ist für FRITZEN so etwas wie Teufelszeug, weil es angeblich gegen die Evolution verstößt. Wirklich? Wenn es neben einer biologischen auch eine soziokulturelle Evolution gibt, die technischen Fortschritt mit einschließt, dann relativiert das simples lineares Denken in der biologischen Kategorie der Widernatürlichkeit. Ganz davon abgesehen, dass FRITZEN die strukturellen Bedingungen, die den Trend zur späten Geburt bedingen (z.B. die mangelhafte Vereinbarkeit von Beruf und Familie), außen vor lässt. Außer einer verquasten Ethik hat FRITZEN nichts zu bieten.

KÖLNER STADT-ANZEIGER-Tagesthema: Später zur Familie.
In Deutschland setzt sich der Trend fort, dass Frauen mit der Mutterschaft warten. Laut Statistik sind sie beim ersten Nachwuchs 29 Jahre alt

STOLZENBACH, Kathy (2013): Gebildet, westdeutsch, kinderlos.
Frauen gründen immer später eine Familie - Geburtenrate bleibt dennoch zunächst stabil,
in:
Kölner Stadt-Anzeiger v. 08.11.

WELT AM SONNTAG-Thema: Jetzt bloß kein Kind.
Staatliche Zuschüsse sind ihnen egal. Immer mehr Frauen vertagen ihren Kinderwunsch - aus ganz privaten Gründen. Fünf Porträts

SPOERR, Kathrin (2013): Ja! Aber später.
Unsere Gesellschaft braucht mehr Kinder, sagt die Politik. Viele Frauen wollen auch Nachwuchs, warten aber auf den richtigen Zeitpunkt. Manchmal kommt er nie,
in:
Welt am Sonntag v. 17.11.

Die WamS begleitet die Kampagne der Bild-Zeitung, in der die Rente nach Kinderzahl propagiert wird, durch einen Buchauszug der Spätgebärenden Kathrin SPOERR, eine Angehörige der Generation Golf/Ally und Verfechterin des Elternwahlrechtes, die den Kinderwunsch zwischen Biologismus (Trieb) und Hedonismus (Spaß) ansiedelt. Ihr Fazit:

"Frauen sehnen sich nach ewiger Liebe. Mit Kindern können sie sich dieses Bedürfnis selbst erfüllen. Insofern sind also auch Kinder etwas unfassbar Romantisches und zugleich etwas unfassbar Egoistisches.
Was aber ist mit den kinderlosen Frauen? Manche haben keinen abgekriegt, weil ihnen die 2. oder 3. Wahl nicht gut genug war. Manche waren der 2. und 3. Wahl nicht gut genug. Manche wollten nicht aufhören mit dem Spaß, den ihnen die Arbeit und der folgenlose Sex machten. Manche haben es trotz überbordendem Kinderwunsch, trotz (...) Hightech-Fortpflanzungsmedizin (...) nicht geschafft, Kinder zu bekommen.
Fakt ist, dass es immer mehr Frauen gibt, die ohne Kinder alt werden, und es gibt genauso viele Gründe dafür. Manche kinderlose Frau erfüllt sich Ersatzwünsche: lebt mit Katzen zusammen, macht Weltreisen, legt eine beeindruckende Karriere hin, wird Bundeskanzlerin. Nicht jede Frau entwickelt sich auf dem kinderlosen Weg ins Grab zum griesgrämigen Monster – auch wenn diese Vorstellung eine Urangst vieler Frauen mit Kinderwunsch ist.
Es gibt auch ohne Fortpflanzung jede Menge respektable Lebensentwürfe. Das Problem ist, dass jedes Leben ohne Kinder gleich endet: mutterseelenallein.
"

Garniert wird der Artikel, der die strukturellen gesellschaftlichen Zwänge außen vor lässt, durch Porträts, die angeblich private Gründe der Kinderlosigkeit demonstrieren sollen:

"Ich komme aus einer muslimischen Familie. Meine Familie, meine Freunde, alle machen Druck, weil ich eine der wenigen bin, die noch ohne Kinder ist",

sagt z.B. eine 27jährige wissenschaftliche Mitarbeiterin. Auch weitere 3 Frauen sind Akademikerinnen im Alter von 26 bzw. 29 Jahren, sowie eine Studentin mit 33 Jahren.

Dies passt dazu, dass es in Deutschland nicht um die Kinderlosigkeit geht, sondern darum, dass nicht die Falschen die Kinder bekommen. In Deutschland ist die Kinderlosigkeit in den vergangenen Jahren in erster Linie bei den Nicht-Akademikerinnen gestiegen. Deren Probleme sind der WamS völlig egal..

BERNHARD, Albrecht (2013): Spätes Glück.
Es ist ein Segen für viele Frauen - mit neuen medizinischen Methoden können sie ihre Fruchtbarkeit konservieren. Etwa warten, bis der Richtige kommt. Aber: Was bedeutet das für die Gesellschaft?
in:
Stern Nr.48 v. 20.11.

BERNHARD berichtet anlässlich des Durchbruchs eines neuen reproduktionsmedizinischen Verfahrens, dem so genannten "Egg Freezing" bzw. Eizelleneinfrierens, über späte Mütter jenseits der 40, die inzwischen massiver Kritik ausgesetzt sind:

"»Social Freezing« scheint ein Ausweg zu sein, ein Modebegriff dafür, dass gesunde Frauen ihre Fruchtbarkeit konservieren, bis es im Leben besser passt. Chance oder Unheil für die Gesellschaft?"

BERNHARD macht Werbung dafür, dass Frauen (mit reichen Eltern) frühzeitig (zum Abschluss von Schule oder Studium), ihre Eizellen einfrieren lassen (denn heutzutage kommen die Frauen erst Mitte oder gar Ende dreißig in die Kinderwunschzentren).

BERNHARD sieht das "Social Freezing" als bevölkerungspolitische Chance, angesichts der Blockadehaltung von Männern, Wirtschaft und Politik hinsichtlich besserer Vereinbarkeit von Beruf und Partnerschaft/Familie:

"Solange der gesellschaftliche Wandel auf sich warten lässt, stehen Frauen, die ihre Unabhängigkeit bedroht sehen, dank der neuen Option vor der Entscheidung: entweder Kinder nach Social Freezing - oder eben keine Kinder. Für die kinderarme Gesellschaft ist des die Chance auf mehr Nachwuchs. Das ist das Positive."

ZINKANT, Kathrin (2013): Spätes Glück, wo bist du?
Beispiele von Frauen, die mit Mitte vierzig noch ein Kind bekommen, gibt es genug. Sind das Einzelfälle? Oder entwickelt sich da ein Trend, ganz ohne Hilfe der Medizin?
in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 15.12.

Im Gegensatz zum gegenwärtigen Mainstream, der die späte Mutterschaft (vorwiegend bevölkerungspolitisch motiviert) ablehnt, hat ZINKANT Argumente gesammelt, die für eine späte Mutterschaft sprechen.

So gibt es z.B. Frauen, für die eine späte Mutterschaft sogar biologisch angelegt ist und deren Eierstöcke später altern.

Ältere Frauen haben zwar eine geringere Chance ein gesundes Baby zur Welt zu bringen als jüngere Frauen, was in erster Linie ein ethisches bzw. rechtliches Problem ist, aber dafür sprechen sozioökonomische Faktoren für eine späte Mutterschaft:

"Kinder von älteren Müttern (bis 45 Jahre) (...) haben (...) durchschnittlich eine höhere Lebenserwartung. Und als Erwachsene sind diese Nachkommen gesünder als jene, die von Frauen im vermeintlich besten reproduktiven Alter, also jünger als 35 Jahre, geboren werden."

In dieser Sicht sind Teenagerschwangerschaften bedenklicher als Schwangerschaften älterer Frauen.

ZITTLAU, Jörg (2013): Späte Väter sind ein Risiko.
Alte Männer, kranke Kinder? Forscher warnen: Je später der Nachwuchs kommt, desto größer sind die Gefahren fürs Baby,
in:
Welt v. 18.12.

 
     
 
       
   
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Update: 04. Februar 2019