|
Einführung
Ein Blick in die Vergangenheit der Zukunft
Deutschlands bietet die Möglichkeit die Grenzen von
Bevölkerungsvorausberechnungen zu erkennen. Welche Zukünfte
wurden uns Deutschen prophezeit und was ist davon überhaupt
eingetreten? Diese Bibliografie ermöglicht einen Vergleich
zwischen zeithistorischen Befürchtungen bezüglich des
demografischen Wandels und der tatsächlichen Entwicklung in
Deutschland.
Tabelle 1: Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 1990 -
2015
|
Jahr |
Deutschland |
Früheres
Bundesgebiet
(ab 2001 ohne West-Berlin) |
Neue
Bundesländer
(ab 2001 ohne Ost-Berlin) |
1990 |
79,75 Mio. |
63,73 Mio. |
16,03 Mio. |
1991 |
80,27 Mio. |
64,48 Mio. |
15,79 Mio. |
1992 |
80,97 Mio. |
65,29 Mio. |
15,69 Mio. |
1993 |
81,34 Mio. |
65,74 Mio. |
15,60 Mio. |
1994 |
81,54 Mio. |
66,01 Mio. |
15,53 Mio. |
1995 |
81,82 Mio. |
66,34 Mio. |
15,48 Mio. |
1996 |
82,01 Mio. |
66,58 Mio. |
15,43 Mio. |
1997 |
82,06 Mio. |
66,69 Mio. |
15,37 Mio. |
1998 |
82,04 Mio. |
66,75 Mio. |
15,29 Mio. |
1999 |
82,16 Mio. |
66,95 Mio. |
15,22 Mio. |
2000 |
82,26 Mio. |
67,14 Mio. |
15,12 Mio. |
2001 |
82,44 Mio. |
65,32 Mio. |
13,73 Mio. |
2002 |
82,54 Mio. |
65,53 Mio. |
13,62 Mio. |
2003 |
82,53 Mio. |
65,62 Mio. |
13,52 Mio. |
2004 |
82,50 Mio. |
65,68 Mio. |
13,43 Mio. |
2005 |
82,44 Mio. |
65,70 Mio. |
13,34 Mio. |
2006 |
82,31 Mio. |
65,67 Mio. |
13,24 Mio. |
2007 |
82,22 Mio. |
65,66 Mio. |
13,14 Mio. |
2008* |
82,00 Mio. |
65,54 Mio. |
13,03 Mio. |
2009* |
81,80 Mio. |
65,42 Mio. |
12,94 Mio. |
2010* |
81,75 Mio. |
65,43 Mio. |
12,87 Mio. |
2011** |
80,33 Mio. |
64,43 Mio. |
12,57 Mio. |
2012** |
80,52 Mio. |
64,62 Mio. |
12,53 Mio. |
2013** |
80,77 Mio. |
64,85 Mio. |
12,50 Mio. |
2014** |
81,20 Mio. |
65,22 Mio. |
12,50 Mio. |
2015** |
82,18 Mio. |
66,06 Mio. |
12,60 Mio. |
|
Quelle:
Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe 3.1, 2015,
S.3
(Stand: 08.03.2017); Rundung auf zwei Stellen; eigene
Darstellung
Anm.: * Verzerrungen durch Datenbereinigungen;
**
Bevölkerungsfortschreibung auf Basis
Zensus 2011; Alte Bundesländer ab
2001 ohne
Berlin West; Neue Bundesländer ab 2001 mit Berlin-Ost |
Tabelle 2: Die Entwicklung der
Altenquotienten in Deutschland 1990 -
2015
|
|
Altenquotient 60 |
Altenquotient 65 |
Altenquotient 67 |
Jahr |
Deutschland |
Früheres
Bundesgebiet |
Deutschland |
Früheres
Bundesgebiet |
Deutschland |
Früheres
Bundesgebiet |
1960 |
|
30,0 |
|
18,0 |
|
|
1970 |
|
38,0 |
|
23,4 |
|
|
1975 |
|
39,1 |
|
25,7 |
|
|
1980 |
|
35,8 |
|
26,6 |
|
|
1985 |
|
36,0 |
|
24,0 |
|
|
1990 |
35,2 |
35,6 |
- |
23,9 |
|
|
1991 |
35,2 |
- |
23,6 |
|
|
|
1992 |
35,0 |
- |
- |
|
|
|
1993 |
35,1 |
- |
- |
|
|
|
1994 |
35,8 |
- |
- |
|
|
|
1995 |
36,6 |
- |
24,7 |
|
|
|
1996 |
37,5 |
- |
- |
|
|
|
1997 |
38,6 |
- |
- |
|
|
|
1998 |
39,8 |
- |
- |
|
|
|
1999 |
41,3 |
- |
- |
|
|
|
2000 |
42,7 |
- |
26,8 |
|
|
|
2001 |
43,9 |
- |
27,5 |
|
|
|
2002 |
44,3 |
- |
28,3 |
|
|
|
2003 |
44,9 |
- |
29,3 |
|
|
|
2004 |
45,5 |
- |
30,5 |
|
|
|
2005 |
45,2 |
- |
31,7 |
|
|
|
2006 |
45,3 |
- |
32,7 |
|
|
|
2007 |
45,6 |
- |
33,2 |
|
|
|
2008* |
46,1 |
- |
33,7 |
|
|
|
2009* |
46,9 |
- |
34,1 |
|
|
|
2010* |
47,6 |
- |
33,8 |
|
|
|
2011** |
- |
- |
33,9 |
|
|
|
2012** |
- |
- |
34,1 |
|
|
|
2013** |
- |
- |
34,2 |
|
|
|
2014** |
- |
- |
34,6 |
|
|
|
2015** |
50,4 |
- |
34,7 |
|
|
|
|
Quelle:
Altenquotient 20/60:
Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe 3.1, 2009,
S.11; WIST 7/2002, S.563
Altenquotient 20/65:
Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 Reihe 3.1, 2015,
S.3
(Stand: 08.03.2017); eigene
Darstellung
Anm.: * Verzerrungen durch Datenbereinigungen; **
Bevölkerungs-
fortschreibung auf Basis Zensus 2011 |
Kommentierte Bibliografie (Teil 1: 1990 -
2000)
1990
SCHULZ, Erika (1990):
Szenarien der Bevölkerungsentwicklung in der DDR,
In: DIW-Wochenbericht, Nr. 23-24 v. 14.06., S.315-321
Erika SCHULZ geht davon aus,
dass die Bevölkerung in den neuen Bundesländern von 16,4
Millionen (01.01.1990) aufgrund von Wanderungsverlusten bis
zum Jahr 2000 auf unter 15 Millionen sinkt. SCHULZ geht
demnach vom Szenario B aus (14,5 Millionen), während das
Szenario A mit 15,1 Millionen der tatsächlichen Entwicklung
entspricht, denn Ende 2000 lebten in den neuen Bundesländern
noch 15,12 Millionen.
Jahre |
Abwanderungsverluste |
Szenario A |
Szenario B |
1989 |
340.000 |
340.000 |
1990 |
300.000 |
400.000 |
1991 |
200.000 |
280.000 |
1992 |
120.000 |
180.000 |
1993 |
80.000 |
130.000 |
1994 |
60.000 |
110.000 |
1995 |
40.000 |
80.000 |
1996-2000 |
20.000 |
60.000 |
2001-2010 |
10.000 |
30.000 |
2011-2020 |
0 |
20.000 |
2021-2030 |
0 |
10.000 |
2031-2040 |
0 |
0 |
Im Artikel
Demografische Situation in den ostdeutschen Ländern
(abgerufen am 17.03.2017) heißt es zu den
Abwanderungsverlusten::
"Von 1991 bis 2012
verringerte sich die ostdeutsche Bevölkerung allein durch
die Ost-West-Wanderung um rund 1,1 Millionen Personen"
Das Szenario A geht
dagegen nur von 700.000 Personen aus, während das Szenario B
von 1,38 Millionen für diesen Zeitraum ausgeht.
Bei der Geburtenentwicklung
geht SCHULZ davon aus, dass sich das Geburtenmuster des
Frauenjahrgangs 1973 zum Oststandard entwickelt. Sie unter für
diesen Frauenjahrgang eine endgültige Kinderzahl von 1,5
Kinder je Frau. Die endgültige Kinderzahl des Frauenjahrgangs
1958 wird auf 1,86 geschätzt. SCHULZ geht davon aus, dass sich
die endgültige Kinderzahl der vor 1973 geborenen Frauen dem
Jahrgang 1973 schrittweise annähern.
1992
SOMMER, Bettina
(1992): Entwicklung der Bevölkerung bis 2030.
Ergebnis der
siebten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung,
in: Wirtschaft und Statistik, Heft 4, S.217-222
DÖNHOFF, Marion/MIEGEL,
Meinhard u.a. (1992): Weil das Land sich ändern muss. Ein
Manifest, Reinbek: Rowohlt Verlag
Die Herkunft der
folgenden Bevölkerungsvorausberechnung
wird in dem Buch nicht
angegeben. Um die Situation zu dramatisieren, wird mit
gleich bleibender Geburtenrate gerechnet und keine
Zuwanderung angenommen:
"Die jüngsten
Prognosen des
Statistischen Bundesamtes über die künftige Entwicklung
der Bevölkerung Deutschlands sind eindeutig. Ohne
Veränderung der Geburtenrate und ohne Zuwanderungen wird
sie bis Ende der neunziger Jahre um rund eine Million
Menschen, im dann folgenden Jahrzehnt um 2,8 Millionen,
zwischen 2011 und 2020 um 4,4 Millionen und zwischen 2021
und 2030 um 5,6 Millionen, insgesamt also um etwa 14
Millionen Menschen abnehmen.
Mit dieser Bevölkerungsabnahme geht eine nachhaltige
Veränderung der Altersstruktur einher. Der
Bevölkerungsanteil der über 60jährigen steigt von
gegenwärtig reichlich einem Fünftel bis 2030 auf weit über
ein Drittel. Der Anteil der über 80jährigen steigt im
gleichen Zeitraum von knapp 4 v.H. auf knapp 7 v.H. der
Bevölkerung. Etwa jeder 15. Einwohner Deutschlands ist
dann älter als 80 Jahre. Der Anteil der unter 20jährigen
geht demgegenüber von gegenwärtig einem Fünftel auf etwa
ein Sechstel der Bevölkerung zurück. Die Zahl der über
60jährigen ist also um 2030 mehr als doppelt so hoch wie
die Zahl der unter 20jährigen. Um 1950 lagen die
Zahlenverhältnisse von über 60jährigen und unter
20jährigen genau umgekehrt."
(1992, S.40)
1993
TICHY, Roland
(1993): Ausländer rein! Deutsche und Ausländer - verschiedene
Herkunft, gemeinsame Zukunft, München: Pieper Verlag
Für Roland TICHY
herrscht bereits in den 1990er Jahren ein demografisch
bedingter Fachkräftemangel in Deutschland, weil die
Babyboomer den geburtenschwachen Jahrgängen weichen:
"Bereits
im Jahr 1990 wird es nach Schätzungen des Deutschen
Industrie- und Handelstages (DIHT) 300.000 Schul- und
Hochschulabgänger weniger geben als 1989. Ab Anfang der
90er Jahre würde damit jeder dritte Lehrplatz unbesetzt
bleiben - für jeden neuen Lehrling wird dann ein roter
Teppich ausgebreitet werden, so der DIHT.
Was sich da plötzlich als Mangel an Nachwuchskräften
bemerkbar macht, ist das Auslaufen einer demographischen
Welle - das Ende des starken Geburtenanstiegs der ersten
Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg. Babyboom nennen die
amerikanischen Medien die starken Jahrgänge der 50er und
60er Jahre - eine Entwicklung, die sich ähnlich in allen
europäischen Staaten und in den USA vollzog. Die
Generation der Babyboomer (...) drängelt sich derzeit an
den Hochschulen und auf dem Arbeitsmarkt, der für sie noch
nicht Lehrstellen im Überangebot bereithielt. Die
nachfolgende Generation der 70er Jahre ist wesentlich
weniger zahlreich - und trifft auf für sie wesentlich
günstigere Bedingungen. Dabei ist das oben verwandte Bild
von der Welle falsch (...): Die Babyboomer sind vielmehr
ein einmaliger Berg, der sich durch das gesamte
gesellschaftliche System schiebt. Danach werden die
Deutschen immer weniger." (1993, S.126)
Das Buch erschien
1990 und obwohl diese 3. Auflage 1993 als "völlig
überarbeitet" deklariert wurde, beziehen sich die
Berechnungen in erster Linie auf Westdeutschland, wobei
deren Herkunft kaum nachvollziehbar ist.
Zur
Geburtenentwicklung wird z.B. lediglich das Buch Der
Rückgang der Geburten - Folgen auf längere Sicht aus dem
Jahr 1989 (Herausgeber Horst Claus Recktenwald) angegeben.
Basisjahr der Berechnungen ist das Jahr 1984, wobei es sich
hier um Westdeutschland handelt. Da es sich beim
Jahr 1984 um
einen Tiefpunkt der Geburtenzahlen handelt, sind die
Ergebnisse entsprechend dramatisch, was wohl auch im Sinne
des Autors war:
"Die
Bevölkerungswissenschaftler sprechen von einer fast
unausweichlichen Bevölkerungs-Implosion - einem
In-sich-Zusammenfallen der Bevölkerung. Die Bevölkerung
schrumpft und vergreist. Wie sich das zahlenmäßig
entwickelt, errechnete das Statistische Bundesamt unter
drei verschiedenen Annahmen:
- im Modell I bleibt das Gebärverhalten auf dem Niveau des
Jahres 1984;
- im Modell II sinkt die Geburtenfreude weiter ab - statt
600.000 Kindern würden von einer gleichgroßen Bevölkerung
nur noch 500.000 Kinder geboren;
- im Modell III schließlich steigt die Geburtenzahl wieder
auf 800.000 an. Selbst bei dem optimistischen Modell III,
das einen sofortigen Geburtenboom verlangt, schrumpft die
Bevölkerung schon in etwa 15 Jahren (...). Statt der
derzeit 61 Millionen Deutsche gibt es in 40 Jahren dann
nur noch knapp 53 Millionen." (1993, S.129)
TICHY spricht von
deutscher Bevölkerung, obwohl es sich hier lediglich um die
westdeutsche Bevölkerung handelt. Die Ostdeutschen werden
sozusagen als Ausländer gesehen.
1994
DEUTSCHER BUNDESTAG (1994)(Hrsg.):
Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Demographischer
Wandel". Herausforderung unserer älter werdenden
Gesellschaft an den einzelnen und die Politik, Bonner
Universitäts-Buchdruckerei (auch als
Bundestag-Drucksache 12/7876 vom 14.06.1994 online
verfügbar)
Die Entwicklung der
Geburten in Ostdeutschland wird von der
Enquête-Kommission
folgendermaßen beschrieben:
"Der
Einfluß einer außergewöhnlichen sozio-ökonomischen Lage auf
das Fertilitätsniveau kann an dem aufgezeigten abrupten
Geburtenrückgang in den neuen Bundesländern abgelesen werden:
Die niedrige Geburtenhäufigkeit dürfte sich bei anhaltender
sozialer und wirtschaftlicher Unsicherheit zunächst noch
fortsetzen. Kurz- bis mittelfristig könnte sie sich an das
Niveau in den alten Bundesländern angleichen. In der
regionalen Bevölkerungsprognose der Bundesforschungsanstalt
für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) wird angenommen, daß
bis zum Jahr 2000 eine zusammengefaßte Geburtenrate von 1,0 in
den neuen Bundesländern zu erwarten ist (Bucher u. a., 1993,
43). Der weitere Annäherungsprozeß könnte sich auf 20 bis 25
Jahre erstrecken. Birg erwartet für den Geburtsjahrgang 1980
eine in den neuen und alten Bundesländern etwa angenäherte
Kohortenfertilität, das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) für den Geburtsjahrgang 1985. Das
bedeutet, daß noch bis zu den Jahren 2025/30 die Auswirkungen
des abrupten Einbruchs der Geburtenzahlen auf das
Fertilitätsniveau in den neuen Bundesländern zu bemerken sein
werden." (Bundestag-Drucksache 1994, S.26)
Tatsächlich lag die ostdeutsche zusammengefasste
Geburtenziffer im Jahr 2000 bereits bei 1,21 statt bei
lediglich 1,0.
Seit 2008 ist die zusammengefasste Geburtenziffer in
Ostdeutschland (1,40) sogar höher als in Westdeutschland
(1,37), was keiner der Experten damals prognostizierte.
Die Entwicklung der Zahl
der Hochbetagten (80-Jährigen und Älteren) wird von der
Enquête-Kommission
(besetzt u.a. mit Eckart BOMSDORF, Gerhard NAEGELE, Bert RÜRUP
und Winfried SCHMÄHL) folgendermaßen beziffert:
Jahr |
Deutschland |
alte Bundesländer |
neue Bundesländer |
in Mill. |
in % |
in Mill. |
in % |
in Mill. |
in % |
1995 |
3,238 |
3,99 |
2,688 |
4,10 |
0,550 |
3,55 |
2000 |
2,911 |
3,59 |
2,494 |
3,79 |
0,417 |
2,72 |
2005 |
3,361 |
4,19 |
2,876 |
4,42 |
0,485 |
3,19 |
2010 |
3,724 |
4,72 |
3,155 |
4,94 |
0,569 |
3,79 |
2015 |
3,948 |
5,12 |
3,300 |
5,29 |
0,648 |
4,41 |
2020 |
4,623 |
6,17 |
3,823 |
6,30 |
0,800 |
5,61 |
2025 |
4,539 |
6,25 |
3,685 |
6,27 |
0,855 |
6,20 |
2030 |
4,347 |
6,22 |
3,594 |
6,35 |
0,752 |
5,66 |
Quelle:
1994, S.73 (Bundestag-Drucksache S.40) |
Die damals erwartete
Alterung für die Hochbetagten wurde von der Entwicklung
bislang übertroffen. Im Jahr 2000 betrug der Anteil 3,8 %, im
Jahr 2010 lag er bei 5,3 %. Ausschlaggebend ist jedoch nicht
die Anzahl der Hochbetagten, sondern z.B. die Entwicklung der
Pflegebedürftigen. Dazu macht der Bericht jedoch keine
konkreten Aussagen.
Für die Entwicklung der
Bevölkerung in Deutschland bis 2030 (in Millionen) werden
folgende 3 Modellrechnungen präsentiert:
|
1990 |
1995 |
2000 |
2005 |
2010 |
2015 |
2020 |
2025 |
2030 |
DESTATIS 8/1993 |
79,8 |
81,7 |
82,7 |
82,2 |
81,2 |
79,8 |
78,1 |
76,1 |
73,8 |
BIRG / FLÖTHMANN 8/1993 |
79,8 |
81,0 |
81,5 |
81,4 |
80,9 |
80,1 |
79,1 |
77,8 |
76,1 |
DIW
7/1993 |
80,3 |
81,9 |
83,4 |
83,7 |
83,7 |
82,7 |
81,6 |
79,6 |
77,5 |
Quelle:
1994, S.102 (Bundestag-Drucksache S.56); eigene
Darstellung |
Das Statistische Bundesamt
rechnet also genauso wie BIRG/FLÖTHMANN bereits zwischen dem
Jahr 2000 und 2005 mit einem dauerhaften Rückgang, während das
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erst zwischen 2010
und 2015 mit einem dauerhaften Rückgang der Bevölkerung
rechnet.
Tatsächlich ist Deutschland
nach einer kurzzeitigen Schrumpfung (Höchststand 2002: 82,537)
ab dem Jahr 2011 weiter gewachsen. Das Buch
Das
große Schrumpfen aus dem Jahr 2007 zeigt, dass dieses
kurzzeitige Schrumpfen bereits mit einem dauerhaften Rückgang
verwechselt wurde.
Aufgrund der
Zensus 2011-Korrektur musste die Bevölkerungszahl um 1,5
Millionen Menschen verringert werden (31.12.2011: 80,328). Im
Jahr 2015 dürfte das Wachstum seit 2011 bereits wieder die
Millionengrenze überschreiten.
SOMMER, Bettina
(1994): Entwicklung der Bevölkerung bis 2040.
Ergebnis der
achten
koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung,
in: Wirtschaft und Statistik, Heft 7, S.497-503
Für die 8. koordinierte
Bevölkerungsvorausberechnung wurden 3 Varianten berechnet,
die sich nur durch unterschiedliche Wanderungssalden
unterscheiden. Es wird angenommen, dass der
Wanderungsüberschuss bis zum Jahr 2000 auf 100.000 (Variante
1), 200.000 (Variante 2) bzw. 300.000 (Variante 3)
zurückgeht. In der folgenden Tabelle ist die Entwicklung der
Bevölkerung und des Altenquotient 60 gemäß mittlerer
Variante 2 und tatsächlicher Entwicklung ersichtlich:
Tabelle: Vergleich
der Bevölkerungsvorausberechnung mit der
tatsächlichen Entwicklung von Bevölkerung und
Altenquotient 60 |
31.12. des
Jahres |
Bevölkerungsstand |
Altenquotient
60 |
Schätzung
(Variante 2) |
tatsächlich |
Schätzung
(Variante 2) |
tatsächlich |
1992 |
80,97 Mio. |
80,97 Mio. |
35,0 |
35,0 |
2000 |
83,74 Mio. |
82,26 Mio. |
41,4 |
42,7 |
2010 |
83,43 Mio. |
81,75 Mio. |
44,1 |
47,6 |
2020 |
81,18 Mio. |
|
51,7 |
|
2030 |
77,41 Mio. |
|
67,8 |
|
2040 |
72,41 Mio. |
|
67,8 |
|
|
Quelle:
Bettina Sommer, WIST 7/1994, Tabelle 2 S.501,
Ergebnisse
gerundet; Statistisches Bundesamt (siehe Hyperlinks) |
Während die
Bevölkerungsentwicklung überschätzt wurde, wurde die
Alterung unterschätzt.
Bei der
Geburtenentwicklung wird für das frühere Bundesgebiet eine
Geburtenrate von 1,4 angenommen. Nach einem Geburteneinbruch
in den neuen Bundesländern soll sich deren Geburtenrate ab
1996 an das Niveau von Westdeutschland anpassen. Bei den
meisten Ländern geschieht das bis 2005, nur in zwei Ländern
dauert die Anpassung bis 2010.
Beide Annahmen haben sich als falsch erwiesen.
MÖLLER, Klaus-Peter
(1994): Wohin treibt die deutsche Wirtschaft?
In:
Warnfried Dettling (Hg.) Perspektiven für Deutschland,
München: Knaur Verlag, S.99-118
Der Ökonom Klaus-Peter
MÖLLER liest aus der Altersstruktur des Jahres 1992 die
weitere gesamtdeutsche Entwicklung ab! Der alsbaldige
Fachkräftemangel steht für ihn fest und auch der
Wohnungsmarkt wird sich nach der Jahrtausendwende
entspannen:
"Es
ist deutlich zu erkennen, daß auch im vereinten
Deutschland die negativen Folgen des Geburtenrückgangs auf
die Binnennachfrage schon in wenigen Jahren spürbar
werden. Mit dem Geburtenberg der sechziger Jahre ist
letztmalig eine starke Altersgruppe von »Deutschen« in das
Erwerbsleben eingetreten. Schon ab 1996 werden sich die
Bestandszahlen in den Altersgruppen um 25 Jahre drastisch
um 40 Prozent vermindern. Die Folgen dieser Verminderung
lassen sich schon heute einigermaßen klar absehen:
- Es wird zu einem
erheblichen Arbeitskräftemangel bei den Berufsanfängern
kommen. Dieser wird bereits ab 1996 einsetzen.
- Die Zahl der Haushaltsneugründungen geht zurück und
damit vermindert sich der Druck auf den Wohnungsmarkt. Das
aufgebaute Defizit wird allerdings noch bis zum Jahr 2000
für starke Nachfrage sorgen.
- Die Bevölkerung der Bundesrepublik überaltert. Die
Folgen dieses Entwicklungsprozesses sind zwar noch nicht
absehbar, können aber in Richtung mangelnder Kreativität
und Flexibilität gehen (1994, S.103f.)
OBERNDÖRFER, Dieter
(1994): Einwanderungsland Deutschland.
In:
Warnfried Dettling (Hg.) Perspektiven für Deutschland,
München: Knaur Verlag, S.285-301
Der
Politikwissenschaftler Dieter OBERDÖRFER beruft sich auf
eine nicht weiter ausgeführte DIW-Modellrechnung, wonach nur
der reine Erhalt der Wirtschaftskraft Deutschlands ab dem
Jahr 2008 eine Zuwanderung von 1 Million Menschen erfordern
würde:
"Nach
einer Modellrechnung des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung benötigt Deutschland allein zur
Erhaltung seiner Wirtschaftskraft bis zum Jahr 2008 eine
jährliche Zuwanderung von 300.000 Facharbeitern,
einschließlich ihrer Angehörigen. Nach 2008 wäre wegen der
dann verstärkt einsetzenden Überalterung der deutschen
Bevölkerung eine Zuwanderung von einer Million notwendig.
Zusammengerechnet ergäbe dies bis zum Jahr 2015 eine
Einwanderung von 12 Millionen." (1994, S.288)
Auch der baldige
Zusammenbruch des Rentensystems ist gewiss, weil bereits
2015 auf einen Erwerbstätigen zwei Rentner lasten:
"Der
Zusammenbruch des Rentensystems und ein schwerer
Generationenkonflikt sind vorgezeichnet.
Die Gefährdung der Renten zeichnet sich schon jetzt ab.
Trotz ständig steigender Beiträge der Arbeitnehmer zur
Altersversicherung soll nach den Plänen
Bundesarbeitsminister Blüms das Rentenalter bis 2002
allmählich von derzeit durchschnittlich 60 auf 65 Jahre
angehoben werden. Dies kann aber nur eine vorübergehende
Entlastung bringen. Schon 2015 wird ein Erwerbstätiger auf
zwei Rentner und bis 2040 ein Erwerbstätiger auf vier
Rentner kommen." (1994, S.286)
1995
WOTER, Carla (1995): Alt
und älter: Der vergreisende Planet. Die Deutschen stellen
ihre Bevölkerungspyramide auf den Kopf. In: Wolfgang
Wiedlich (Hrsg.) Das unvorstellbare Wachstum. Die
Bevölkerungslawine. Ein Blick zurück nach vorn, Bonn:
Bouvier, S.38-47
Carla WOTER prophezeit
bereits für das Jahr 2005 einen demografisch bedingten
Arbeitskräftemangel und beschreibt Lösungsmöglichkeiten:
"Die Gruppe der über 60jährigen
ist in den Industrieländern innerhalb von 40 Jahren von
elf auf 17 Prozent gestiegen.
Den
Welt-Alterungsrekord hält das Land des Lächelns und
Arbeitens - Japan: Bis zum Jahr 2007 wird einer von
fünf Japanern über 65 sein, 2025 bereits einer vor
vieren."
(1995, S.40)
"In Europa sieht die
Welt kaum jünger aus. »Die goldenen Jahre sind in
Deutschland bald vorbei«, sagte Tyll Necker, Präsident des
Bundesverbandes der Deutschen Industrie, unlängst auf
einer Konferenz zum Thema »Alternde Gesellschaft -
Dynamische Wirtschaft«. Im Jahre 2035 werden 35 Prozent
der Bundesbürger über 60 sein und nur 17 Prozent unter 20.
Derzeit profitiert Deutschland noch von seiner geradezu
idealen Altersstruktur als Folge des Zweiten Weltkriegs
sowie den geringeren Geburtenraten in der Endphase der
Weimarer Republik. Doch die wachsende Anzahl von Rentnern
und Pensionären könnte sich aufgrund steigender Sozial-
und Rentenkosten im internationalen Konkurrenzkampf als
Nachteil erweisen. So wird ab Mitte des nächsten
Jahrzehnts die deutsche Erwerbsbevölkerung um etwa 500.000
Personen abnehmen. In den Industrieländern allgemein kommt
heute auf drei Erwerbstätige ein Rentner, aber bereits in
30 Jahren liegt das Verhältnis bei 1,5:1. Um das
auszugleichen, müßten die Tarifparteien und Gesetzgeber
schon heute wichtige Bereiche der Gesellschaft
umorganisieren. Etwa den Frauen die Kombination von Beruf
und Familie erleichtern, die Anzahl der Kindergartenplätze
und Kindertagesstätten erhöhen sowie flexiblere
Arbeitszeiten schaffen.
Eine andere Möglichkeit, dem Dilemma zu entkommen, birgt
die nächste Schwierigkeit - Zuwanderer. Statistischen
Erhebungen der Universität Nürnberg zufolge müßte die
Einwanderungsquote um 250.000 Personen jährlich erhöht
werden. Doch die Politik steuert in die andere Richtung."
(1995, S.42)
Die Veränderung der
Bevölkerungspyramide wird als Ausdruck der Ego-Gesellschaft
beschrieben:
"Symbol der sogenannten
Ego-Gesellschaft ist die Bevölkerungspyramide: Aus der
ehemals sich nach oben verschlankenden Form ist ein Pilz
geworden. Unten rankt ein sehr schmaler, junger Stamm,
oben wuchert die solide Alten-Krone.
Wie schnell wird aus dem Generationenvertrag ein
Verteilungskrieg zwischen den Generationen? (...).
Während heute 36 Rentner von den Beitragszahlungen 100
Erwerbstätiger leben, werden es im kommenden Jahrhundert
mehr als doppelt so viele sein." (1995, S.45)
Die steigende
Lebenserwartung bewegt sich auf ein Ende zu:
"Modellrechnungen haben ergeben,
daß 1993 geborene Mädchen auf 85 Jahre Leben hoffen
können, Jungen auf fast 78. Gerontologen gehen davon aus,
daß die Lebenserwartung des Menschen irgendwo zwischen 100
und 120 Jahren ausgereizt ist. (...). Die demographische
Zeitbombe tickt und hat viele Gesichter. Das Mengenproblem
ist eines, die Überalterung der Gesellschaften ein
anderes." (1995, S.45)
1996
SPIEGEL
-Titelgeschichte: Schlaraffenland
abgebrannt.
Die Pleite des Sozialstaats |
SPIEGEL (1996): Pleite im Paradies.
Geburtenrückgang und
Arbeitslosigkeit haben die sozialen Sicherungssysteme
verwüstet - der Sozialstaat bisheriger Prägung ist am Ende.
Die Rente ist unsicher, niemand weiß, womit
Arbeitslosengeld, Pflegehilfe und Krankengeld in Zukunft
bezahlt werden sollen. Die Gewerkschaften befürchten das
Schlimmste: Kapitalismus pur,
in:
Spiegel Nr.20
v. 13.05.
Ein Schaubild zeigt
folgende Entwicklung der erwarteten Zahl der Rentner je 100
Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung:
|
1994 |
2000 |
2010 |
2020 |
2030 |
2040 |
Rentner je 100 Beitragszahler |
46 |
52 |
62 |
74 |
96 |
102 |
Quelle:
Spiegel Nr.20, S.29 |
Als Quelle wird der
Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR)
angegeben. Der Altenquotient als Relation von 100
20-59-Jährigen zu 60Jährigen und Älteren lag
im Jahr 1995 bei 36,5, d.h.
damals
lag die Rentnerlast ca. 26 % über dem Altenquotient.
Unklar ist, wie der Rentnerquotient in die Zukunft
fortgeschrieben wurde.
Im Jahr 2010 lag der Altenquotient bei 47,2 und der
erwartete Rentnerquotient bei 62, d.h. um ca. 30 % höher.
Wie hoch war der Rentnerquotient jedoch tatsächlich im Jahr
2010? Nach dem
Rentenversicherungsbericht 2010 (vgl. S.59) lag der
Rentnerquotient bei 55,59, d.h. lediglich ca. 18 % über dem
Altenquotient. Das Rentenproblem ist also innerhalb von 15
Jahren geringer geworden als damals erwartet.
Außerdem wird die
Entwicklung der Hochbetagten in Deutschland folgendermaßen
beziffert:
|
1900 |
1950 |
1994 |
2030 |
80 Jahre und älter |
270.000 |
600.000 |
3.300.000 |
4.500.000 |
90 Jahre und älter |
10.000 |
20.000 |
362.000 |
800.000 |
100 Jahre und älter |
400 |
1.200 |
4.000 |
50.000 |
Quelle:
Spiegel Nr.20, S.29 |
Da nur Zahlen für das
Jahr 2030 genannt werden, lässt sich nicht überprüfen,
inwiefern diese Entwicklung zutreffend ist.
SCHÜLLER, Heidi (1996):
Die Alterslüge. Für einen neuen Generationenvertrag,
Reinbek: Rowohlt Verlag
Heidi SCHÜLLER sieht
keinen Arbeitskräftemangel im Jahr 2030 drohen, sondern
einen Mangel an Arbeitsplätzen:
"Weniger
als die Hälfte der deutschen Bevölkerung (46 Prozent)
würde in 35 Jahren - also im Jahre 2030 - überhaupt noch
im klassischen
»erwerbsfähigen« Alter sein. Und wie viele von denen
finden dann überhaupt noch Vollzeitarbeit in Zeiten
zunehmender Rationalisierung und zunehmender Abwanderung
von Industrieproduktion in Billiglohnländer."
(1996, S.53)
Aufgrund fehlender
Statistiken zur lebenslangen Kinderlosigkeit wird mit
Zahlen von Haushalten ohne Kinder, also durch
Umdefinition von potentiellen und tatsächlichen Eltern in
Kinderlose, argumentiert:
"30
Prozent der Erwachsenen in Deutschland bleiben
mittlerweile kinderlos, 20 Prozent der Eltern haben
nur einen Sprößling. Das heißt, für 40 Prozent der
Bevölkerung müssen die Renten später von den Kindern
anderer, fremder Leute aufgebracht werden. »Pro Jahr
fließen rund 160 Milliarden D-Mark von den
Mehrkinderfamilien auf die Konten der kinderlosen und
kinderarmen Rentner«, rechnet der Darmstädter
Sozialrichter Jürgen
Borchert in der Woche vor." (1996, S.61)
Heidi SCHÜLLER betrachtet
die
Lebenserwartung differenziert zum einen für Neugeborene
und zum anderen für 70-Jährige:
"Noch
vor hundert Jahren erreichten nur etwa 75 Prozent der
Geborenen das Erwachsenenalter, ein Viertel aller
Neugeborenen starb schon im Säuglings- oder
Kleinkindalter. Die Hälfte derer, die das Erwachsenenalter
erreichten, wurde dann aber auch über sechzig Jahre alt.
Heute liegt die statistische Lebenserwartung für alle
männlichen Neugeborenen bei knapp 73 Jahren und für alle
weiblichen bei fast 79 Jahren. Das sind durchaus
beeindruckende Zahlen. Entsprechend wird zum Beispiel in
den Ärzteblättern wohlfeil gejubelt, daß die
Lebenserwartung sich in den letzten hundert Jahren fast
verdoppelt habe (Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 51/52 vom
27. Dezember 1993). Aufmerksame Kollegen allerdings wissen
diese Meldung postwendend und zutreffend zu
differenzieren. Denn diese Aussage trifft tatsächlich nur
für Neugeborene zu. Die hohe Zahl der Alten insgesamt ist
also im wesentlichen eine Folge der verringerten
Frühsterblichkeit und nicht der »grandiosen« medizinischen
Versorgung im Alter.
Für einen heute siebzigjährigen Mann hat sich die weitere
Lebenserwartung innerhalb der letzten hundert Jahre gerade
mal um 3,56 Jahre erhöht. Für eine gleichaltrige Frau
beträgt der statistische Gewinn 6,36 Jahre. Für
Siebzigjährige läßt sich also eine statistische
Lebensverlängerung nicht von der Hand weisen. Hingegen hat
sich die Lebenserwartung eines Neunzigjährigen im
Vergleich zu der Überlebenschance eines Greises vor
hundert Jahren nur gerade einmal um weniger als ein Jahr
verbessert." (1996, S.65f.)
Zum
Rentensystem und der weiteren Bevölkerungsentwicklung
nennt SCHÜLLER folgende Zahlen:
"1992
wurden insgesamt 18,3 Millionen Einzelrenten ausgezahlt,
inklusive Versicherten-, Witwen- und Waisenrenten. (...).
Ab 2035 könnte sich die Lage theoretisch wieder bessern,
dann geht der »Pillenknick« in Rente. Doch das
Mißverhältnis zwischen Erwerbstätigen und Anspruchnehmern
bleibt. Nur unter der Voraussetzung einer Zuwanderung von
14,5 Millionen Menschen ließe sich das Schrumpfen der
Einwohnerzahlen bis 2040 auffangen. Bis dahin wird ein
Minus von 5,5 bis 15 Millionen Einwohnern in Deutschland
erwartet." (1996, S.82)
Vor allem die
Vorruhestandsregelungen haben zur Verlängerung der
Rentenbezugsdauer beigetragen:
"Großzügig
gewährte und massenhaft in Anspruch genommene
Vorruhestandsregelungen gestatten es (...) eine für alle
Beteiligten »günstige« Regelung der Ausstiegsbedingungen
zu schaffen. Die Firma spart Kosten, der Arbeitnehmer
gewinnt Zeit und Rentenansprüche, und die verschiedenen
Sozialversicherungen, mithin die Gemeinschaft der
Beitragszahler, begleicht die Rechnung.
Solche und andere Regelungen haben dazu geführt, daß das
durchschnittliche Rentenalter bei Männern inzwischen bei
59,7 Jahren liegt. Bis zum 65. Lebensjahr arbeiten
lediglich noch ein Fünftel der Männer, ein Zwanzigstel der
Frauen (und nur noch jeder hundertste Lehrer). Der
Rentenbeginn bei den Erwerbsunfähigkeitsrenten liegt für
Frauen im Durchschnitt bei mittlerweile 52,5 Jahren."
(1996, S.96)
Der Kampf der
Familienlebensstile zeigt sich im Ost-West-Vergleich bei den
Rentnerinnen. Die Rabenmütter im Osten sind gegenüber den
Heimchen am Herd im Westen bevorzugt. Während die Ostfrauen
heute vielfach den Westfrauen als Vorbilder präsentiert
werden, ziehen sie sich bei SCHÜLLER den Neid auf sich:
"Für
die alten Menschen in Ostdeutschland bot die Vereinigung
sogar große Chancen. Der zusammengebrochene Sozialismus
hätte für sie ohnehin keine Versorgung mehr
bereitgehalten. Sie konnten sich nur verbessern, vor allem
die ostdeutschen Rentnerinnen. Da fast alle von ihnen
berufstätig waren - die Frauenerwerbsquote in der DDR lag
bei 91 Prozent -, hatten sie nach der Anpassung der
Rentensysteme auch gleichzeitig einen verbrieften Anspruch
auf eine eigene Rente.
Trotz geringerer Auszahlungen als im Westen waren sie
damit besser gestellt als zahlreiche Westrentnerinnen, vor
allem als die Alleinstehenden unter ihnen, die zeitlebens
keine eigenen Ansprüche erworben hatten, weil sie zu Hause
die Kinder großgezogen hatten.
Eine Rentnerin in Nordrhein-Westfalen, die im Durchschnitt
über nicht mehr als 700 DM an eigenen Rentenbezügen
verfügt, hat nichts zu lachen. Und eine heute 87jährige
Frau im Westen, die in ihrem Leben zweimal geschieden
wurde und immerhin dreizehn Kinder zur Welt gebracht hat,
steht ohne eigenen Rentenanspruch da und ist auf
Sozialhilfe und Pflegegeld angewiesen (vergleiche Walter
Hanesch u.a.: »Armut in Deutschland«. Reinbek 1994, Seite
348), während berufstätige Frauen aus dem Osten, die ihre
Kinder in den zahlreichen Kinderhorten - wie gut auch
immer - versorgt wußten, nun ihre eigene Rente beziehen.
So etwa schafft Unmut." (1996, S.163f.)
Eine Westfrau mit 13
Kindern ist jedoch die seltene Ausnahme, da die Kinderzahl
bereits Anfang des 20. Jahrhunderts stark zurückgegangen
ist.
HÖHN, Charlotte
(1996): Bevölkerungsvorausberechnungen für die Welt, die
EU-Mitgliedsländer und Deutschland,
in: Zeitschrift
für Bevölkerungswissenschaft, Heft 2, S.171-218
1997
MÜNZ,
Rainer (1997): Rentnerberg und leere Schulen? Unsere
alternde Gesellschaft im 21. Jahrhundert. In: Annette
Lepenies (Hrsg.) Alt und Jung: Das Abenteuer der
Generationen, Basel/Frankfurt a/M: Stroemfeld Verlag,
S.17-25
Der Aufsatz von Rainer MÜNZ
bleibt vage obwohl er immer wieder die
angebliche Genauigkeit der Bevölkerungsvoraussagen
beschwört. Lediglich zum Jahr 2030 werden ein paar konkrete
Zahlen genannt:
"Derzeit
ist ein Fünftel der in Deutschland lebenden Bevölkerung
über 60 Jahre alt (21 Prozent), darunter etwas über
ein Prozent über 80jährige. Bis zum Jahr 2030 wird der
Anteil der älteren Menschen in beiden Teilen Deutschlands
auf gut ein Drittel steigen (35 Prozent), darunter fast
vier Prozent über 80jährige.
(...).
Heute sind 21 Prozent der Bevölkerung unter 20 Jahre alt,
2030 werden gerade noch 16 Prozent dieser Altersgruppe
angehören." (1997, S.20f.)
BÖRSCH-SUPAN, Axel (1997): Eine
umfassende Verpflichtung zur Solidarität. Das Festhalten
am Umlageverfahren gefährdet den Generationenvertrag -
Kapitaldeckung ist möglich und vorteilhaft. In: Annette
Lepenies (Hrsg.) Alt und Jung: Das Abenteuer der
Generationen, Basel/Frankfurt a/M: Stroemfeld Verlag,
S.34-40
Axel BÖRSCH-SUPAN
plädiert für einen Umstieg vom Umlageverfahren auf die
Kapitaldeckung und verspricht für die kapitalgedeckte Rente
weit höhere Renditen als das jetzige Umlageverfahren:
"Um
während eines 40jährigen Erwerbslebens das Deckungskapital
für eine Rente auf dem heutigen Niveau zu sammeln, ist bei
einer Kapitalrendite von 5 Prozent eine Sparquote von 4,7
Prozent notwendig. Im Vergleich mit dem derzeitigen
Beitragssatz von mehr als 20 Prozent würden unsere Kinder
also nicht lange fackeln, wenn sie wählen könnten."
(1997, S.39)
Das Kapitalmarktrisiko
wird mit Blick auf die
Niederlande und
Schweiz
klein geredet.
TEXTOR, R. Martin
(1997): Bevölkerungsentwicklung: Konsequenzen für
Gesellschaft und Familie, in: Ders. (Hrsg.)
Sozialpolitik. Aktuelle Fragen und Probleme, Westdeutscher
Verlag, S.11-28
"Bedeutsamer als der
Rückgang der Bevölkerung ist ihre Alterung. (...). Die
geburtenstarken Jahrgänge um 1965 und vor 1990 werden zu
Ausbuchtungen bei den Altersgruppen der 70- bis 75jährigen
und der 60- bis 60jährigen führen. Die jüngeren
Altersgruppen werden dann immer schwächer besetzt sein.
Dieser Altersstrukturwandel wird zu einer Neubewertung
des Altseins führen. Es muß nicht nur zwischen
»jungen Alten« und Hochbetagten unterschieden werden,
sondern auch zwischen ganz verschiedenen Lebensstilen und
Bedürfnislagen. Singularisierung (Fehlen eines
Partners), Isolierung aufgrund mangelnder
verwandtschaftlicher Verflechtungen (Kinder- ,
Geschwisterlosigkeit), Chronische Erkrankung und
Pflegebedürftigkeit mit Angewiesensein auf fremde Hilfe
werden häufiger werden" (1997, S.16),
beschreibt Martin R.
TEXTOR die Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung bis
2040, wobei er auf die Ergebnisse der achten koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes
(vgl. SOMMER
1994) zurückgreift.
1998
DEUTSCHER BUNDESTAG
(1998)(Hrsg.): Demographischer Wandel. Zweiter
Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Demographischer
Wandel" - Herausforderungen unserer älter werdenden
Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik, Bonner
Universitäts-Buchdruckerei (auch als
Bundestag-Drucksache 13/11460 vom 05.10.1998 online
verfügbar)
LUTZ,
Wolfgang & Sergei SCHERBOV (1998): Prohabilistische
Bevölkerungsprognosen für Deutschland,
in:
Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft,
Heft 2, S.83-109
LUTZ & SCHERBOV haben
für das Ausgangsjahr 1995 Prognosen erstellt. Es zeigt
sich, dass die
Bevölkerungsentwicklung - je nach Annahme - eine
enorme Schwankungsbreite annehmen kann:
Die "Wohnbevölkerung
Deutschlands (wird) im Jahr 2020 mit einer
Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 73 und 87 Millionen
Menschen betragen".
Zur Entwicklung des
Anteils der unter 20-Jährigen schreiben die Autoren:
"Der Anteil der
Personen von unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung
ist in den letzten Jahren schon deutlich gesunken.
Derzeit beträgt er noch knapp 21 %. Die Ergebnisse (...)
zeigen, daß auch dieser Anteil (...) im Jahr 2015 (mit)
mehr als 98 % aller simulierten Fälle unterhalb eines
Anteils von 20 % zu liegen (kommt)".
Dabei liegt die
Untergrenze sogar bei ca. 15 % für 2015!
1999
SPIEGEL
-Titelgeschichte: Die Baby-Lücke.
Geburtenrückgang mit dramatischen Folgen: Vergreisung,
Rentenkrise, Explosion der Gesundheitskosten |
REIERMANN, Christian & Ulrich SCHÄFER (1999):
Zwang zur Wende.
Das Gezerre um die Renten verschreckt Wähler und Regierung. Doch
das ist erst der Anfang: Weil Deutschland vergreist, wird die
Rentenversicherung unbezahlbar, und die Gesundheitskosten werden
explodieren. An einer wirklichen Reform der sozialen
Sicherungssysteme führt kein Weg vorbei - mit mehr Eigenvorsorge
und weniger staatlicher Fürsorge,
in:
Spiegel Nr.35 v.
30.08.
2000
GRÜNHEID, Evelyn (2000): Bevölkerungsentwicklung bis zum
Jahr 2050 - Vergleich der beiden letzten Modellrechnungen
des BMI mit der 8. und 9. koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnung des statistischen Bundesamtes
und der Statistischen Landesämter,
in: Zeitschrift
für Bevölkerungsentwicklung, Heft 2, S.327-338
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