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Kommentierte Bibliografie

 
       
   

Deutschlands Zukunft im Spiegel der Öffentlichkeit

 
       
   

Eine Bibliografie der Debatte um die Bevölkerungsentwicklung in wiedervereinigten Deutschland (1990 - heute)

 
       
     
   
     
     
 

Einführung

Ein Blick in die Vergangenheit der Zukunft Deutschlands bietet die Möglichkeit die Grenzen von Bevölkerungsvorausberechnungen zu erkennen. Welche Zukünfte wurden uns Deutschen prophezeit und was ist davon überhaupt eingetreten? Diese Bibliografie ermöglicht einen Vergleich zwischen zeithistorischen Befürchtungen bezüglich des demografischen Wandels und der tatsächlichen Entwicklung in Deutschland.

Kommentierte Bibliografie (Teil 3: 2006 - 2010)

2006

RHEINISCHER MERKUR-Spezial: Trübe Aussichten - Deutschland im Jahr 2020

MISHRA, Robin (2006): Riesige Baustelle.
Zukunft. Umfragen zeigen Licht und Schatten,
in: Rheinischer Merkur Nr.2 v. 12.01.

Der Rheinische Merkur hat aus einigen Studien, u.a. der Konrad-Adenauer-Stiftung (Delphi-Studie 2004/05 "Deutschland im Umbruch"), des Berlin-Instituts ("Deutschland 2020 - Die demographische Zukunft der Nation") und dem B.A.T.-Institut (Horst W. OPASCHOWSKI: "Deutschland 2020 – Wie wir morgen leben"), das herausgepickt, was zum Weltbild der eigenen Zeitung passt. Herausgekommen ist eine düstere Zukunft, die sich aus einer nationalkonservativ-kirchlichen Weltsicht speist.

LINNEWEBER, Silke (2006): Silberstreif am Horizont.
Arbeitsmarkt. Die Zeiten werden freundlicher. Aber nicht für jeden und auch nicht überall,
in: Rheinischer Merkur Nr.2 v. 12.01.

"Für Vierjährige verspricht Silke LINNEWEBER aufgrund des Rückgangs der Erwerbsfähigen nach 2010 auch einen Rückgang der hohen Arbeitslosigkeit:

"Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine aktuelle Projektion des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Für die nächsten Jahre sei zwar weiterhin mit hoher Arbeitslosigkeit zu rechnen, glauben die Nürnberger Wissenschaftler. Doch bis 2020 könne sich die Zahl der Arbeitslosen halbieren. Denn in 15 Jahren wird es hierzulande schlicht weniger Menschen geben, die einen Job suchen, und die Unternehmen brauchen wieder mehr Personal."

Gemäß IAB wird jedoch ein zunehmendes West-Ost-Gefälle auf dem Arbeitsmarkt entstehen:

"Arbeitsplätze werden künftig alles andere als gleichmäßig über die Republik verteilt sein. Der Graben zwischen Ost und West wird tiefer."

KLOEPFER, Inge (2006): Deutschland 2020.
Demographischer Wandel: Gewinner und Verlierer,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 05.02.

Inge KLOEPFER stellt eine Analyse der Bertelsmann Stiftung vor. Jena ("Boom-Town des Ostens"), Hamburg ("Zukunft für Junge"), Ahrensfelde ("Aufstieg mit Berlin") werden als Gewinner porträtiert. Dagegen werden Gelsenkirchen ("Trauer auf Schalke"), Chemnitz ("Abstieg ohne Ende") und Mittenwald ("Berge ohne Kinder") als Verlierer beschrieben.

"Es gibt keine Gemeinde in Deutschland, die nicht altert",

zitiert KLOEPFER das schlichte Fazit der Bertelsmann Stiftung.

taz-Serie: In Arbeit (Teil 5)

HERRMANN, Ulrike (2006): Die Katastrophe als Chance.
Deutschland vergreist - das ist gut so. Weil der Nachwuchs fehlt, könnte es ab 2030 wieder zu Vollbeschäftigung kommen. Davon profitieren die Unterschichten,
in: TAZ v. 16.02.

"Während in Deutschland viel über die »Vergreisung« der Gesellschaft lamentiert wird, bleibt der eigentliche Skandal unerwähnt: die große Jugendarbeitslosigkeit. Etwa 15 Prozent aller jungen Arbeitnehmer unter 25 Jahren finden derzeit keine Stelle, rechnet man nach dem internationalen ILO-Standard. Für sie ist es daher eine echte Chance, wenn sie in Zukunft mit weniger Konkurrenten um die knappe Arbeit rechnen müssen. Das sollten all jene euphorischen Familienpolitiker bedenken, die derzeit Kinder als einen Wert an sich propagieren, den es in Deutschland zu mehren gelte.
Doch dass sich der Diskurs um die angebliche »demografische Katastrophe« dreht, ist kein Zufall. Es sind vor allem die Elite und die Mittelschicht, die über die drohende »Vergreisung« klagen. Sie fürchten um ihre Privilegien",
meint Ulrike HERRMANN.

SCHIRRMACHER, Frank (2006): Minimum. Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft, München: Blessing Verlag

Das Buch ist geprägt vom Denkmuster der Abwärtsspirale:

"Die neue Generation potenzieller Eltern ist längst umprogrammiert. Das hat nicht mehr nur mit den ökonomischen Rechnungen ihrer älteren Brüder und Schwestern zu tun. Sie sind bereits anders sozialisiert. Zum ersten Mal liegt nicht nur die tatsächliche Geburtenrate, sondern auch die Anzahl gewünschter Kinder in Europa bei weniger als zwei. Damit ist das Niveau unterschritten, das zur Bestandserhaltung der Bevölkerung notwendig ist.
Wo keine Kinder mehr leben, wachsen auch immer weniger Kinder nach. »Je höher der Anteil der Kinderlosen«, so resümieren die Forscher der Universität Wien, Maria Rita Testa und Leonardo Grilli, »desto mehr jüngere Personen wollen zeitlebens kinderlos bleiben.« Mehr noch, wie viele Kinder man sich wünscht, hängt davon ab, wie viele Kinder die ältere Generation auf die Welt gebracht hat. Das gilt auch umgekehrt. »Je höher die tatsächliche Geburtenrate, desto mehr Kinder wünschen sich die jüngeren (künftigen) Mütter und Väter.«
Heranwachsende lernen von Menschen, die sie beobachten - sei es in der tatsächlichen Wirklichkeit und (...) in der Fernsehwirklichkeit.
Doch kaum jemand ahnt, wie geradlinig dieser Lernprozess sich vollzieht. Je kinderloser die Umwelt, je verwandtschaftsärmer die Netzwerke, desto schneller scheint sich der Mensch der Kinder zu entwöhnen. (...).
Dies ist der Grund, warum bei uns eine so genannte Catch-22-Situation entstanden ist, eine sich selbst erfüllende Entwicklung: Denn Menschen müssen Kinder nicht nur aufwachsen sehen, um selber welche zu bekommen, sie müssen Kinder auch erleben, um sie zu wollen." (2006, S.72f.)

Der Rückgang der Kinderwünsche muss im Nachhinein als Forschungsartefakt oder sogar als Fake betrachtet werden. Sie resultierte zum einen aus der Hysterie, die die Medien entfachten und einer Fehlinterpretation von Umfragen zu Kinderwünschen. Zum anderen war die Geburtenrate (CFR) nie so niedrig wie es die zusammengefasste Geburtenziffer vortäuschte (TFR). Aufgrund des steigenden Erstgebäralters wurde die zusammengefasste Geburtenziffer fehlinterpretiert. Und nicht zuletzt wurde die Kinderlosigkeit (nicht nur) aufgrund der normativen deutschen Statistik überschätzt. Man hätte das wissen können wie diese Webseite beweist, aber es mangelte am politischen Willen...

SCHIRRMACHER prophezeit eine Halbierung der unter Zwanzigjährigen, wobei keine exakten Zeitangaben gemacht werden:

"Aber ihr gesellschaftlicher »Wert« wird in den nächsten Jahren sprunghaft steigen, nicht nur, weil sie als unter Zwanzigjährige dann einer faktisch halbierten Bevölkerungsgruppe angehören (von 17,7 Millionen reduziert sich ihr Anteil auf 9,7 Millionen oder noch weniger), sondern weil sie in einer schrumpfenden Gesellschaft eine unersetzliche Größe darstellen." (2006, S.72)   

KRÖHNERT, Steffen/MEDICUS, Franziska/KLINGHOLZ, Reiner (2006): Die demografische Lage der Nation. Wie zukunftsfähig sind Deutschlands Regionen? München: Deutscher Taschenbuchverlag

Wie kurzsichtig demografische Studien verfasst werden zeigt die Publikation des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, ein privates Propagandainstitut in Sachen Demografisierung gesellschaftlicher Probleme:

"Tatsächlich hat die Bevölkerung Deutschlands erst seit dem Jahr 2003 angefangen zu schrumpfen. Im ersten Jahr lag der Verlust bei 5.000 Einwohnern, im nächsten waren es 31.000. Diese Zahlen werden über die Jahre weiter steigen, weil immer stärker besetzte Kohorten ins hohe Alter kommen und sich gleichzeitig der Nachwuchsmangel verschärft: Denn längst dünnen sich die Elternjahrgänge aus und diese Menschen bekommen ihrerseits eher noch wenige Kinder als früher. Somit beschleunigt sich der Bevölkerungsrückgang aus sich selbst heraus"
(2006, S.6)

Dass die Zuwanderung so stark zunehmen könnte, dass Deutschland wieder ein Bevölkerungswachstum aufweist, das schien noch Mitte der Nuller Jahre undenkbar, stattdessen wird das geschichtskonservative Denkmuster der Abwärtsspirale bemüht. Aufgrund linearen Fortschreibung vergangener Muster wird bereits ab 2015 ein erheblich verschärfter Mangel an Fachkräften prognostiziert (vgl. 2006, S.8). Davon ist jedoch im Jahr 2015 - trotz Wirtschaftswachstum - nichts zu spüren.

Das Berlin-Institut hat folgende 13 Regionen identifiziert, die sich sowohl durch besonders negative demografische als auch ökonomische Trends auszeichnen, sozusagen die absoluten Schlusslichter im Regionenranking:

Region Bundesland
Coburg, Landkreis Bayern
Hof, Landkreis Bayern
Elbe-Elster Brandenburg
Spree-Neiße Brandenburg
Uecker-Randow Mecklenburg-Vorpommern
Muldentalkreis Sachsen
Köthen Sachsen-Anhalt
Merseburg-Querfurt Sachsen-Anhalt
Nordhausen Thüringen
Kyffhäuserkreis Thüringen
Sömmerda Thüringen
Ilm-Kreis Thüringen
Altenburger Land Thüringen

Im Vergleich zum Ranking des Jahres 2004 wurden etliche Indikatoren geändert. So z.B. der Indikator "Singlehaushalt":

"An Stelle des Anteils der Singlehaushalte tritt jetzt die Zahl der Personen je Haushalt, um das Zusammenleben in Familienverbünden und anderen Lebensgemeinschaften zu berücksichtigen. Der neue Indikator kann unmittelbar aus den Daten der amtlichen Statistik berechnet werden, während die Zahl der Singlehaushalte aus den Befragungen im Rahmen des sogenannten Mikrozensus geschätzt werden müssen."

Die Indikatoren sind nicht immer plausibel. So gibt es z.B. einen Indikator "Frauenanteil", der für die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen berechnet wird. Dazu heißt es:

"Da in strukturschwachen Regionen eher Männer eine Beschäftigung finden, verlassen mehr junge Frauen als Männer diese Gebiete. Damit fehlen dort potenzielle Mütter, was ein Frühindikator für weitere Bevölkerungsverluste ist." (2006, S.182)

Eine solche statische Sicht widerspricht der zunehmenden Multilokalität und Mobilität in der heutigen Gesellschaft. Warum sollten sich z.B. Männer und Frauen bei der Partnerwahl an politische Grenzen halten? Die Bestnote 1 wird z.B. für einen Frauenüberschuss von 122 vergeben, während ein gleich hoher Männerüberschuss mit der 6 bestraft wird. Wenn Frauen jedoch aufgrund des Frauenüberschusses keinen Mann finden, dann wird es oftmals mit der Familiengründung auch nichts. Bei dem Frauenüberschuss handelt es sich um die Universitätsstadt Heidelberg, deren Uni in erster Linie für Frauen attraktiv ist. Dagegen würde ein Hochschulstandort mit technischen Fächern zum Männerüberschuss tendieren, falls dies nicht anderweitig kompensiert würde. Das Beispiel zeigt also, dass ein Männerüberschuss keineswegs nur für strukturschwache Regionen kennzeichnend ist, sondern auch für attraktive Hochschulstandorte.

Und auch die Ausweisung von Wohngebieten kann die Altersstruktur einer Stadt erheblich verändern. So gab es im Jahr 2006 in Heidelberg noch keine Bahnstadt, deren Altersstruktur erheblich von der Gesamtstadt abweicht. Ein Indikator für städtischbauliche Entwicklungspotentiale fehlt aber beim Ranking des Berlin-Institut.    

DECKERT, Marc (2006): Zahlensalat.
Die Deutschen sterben in 300 Jahren aus! Wir haben die niedrigste Geburtenrate der Welt! So klingt die aufgeregte Mediendebatte über KINDERLOSE DEUTSCHE, in der mit vielen schiefen Argumenten und falschen Zahlen hantiert wird. Oft berichten Medien bewusst irreführend, sagt Professor Dr. Gerd Bosbach, Experte für Statistikmissbrauch,
in: Neon, Mai

Die Zeitschrift Neon schließt sich dem Urteil von single-generation.de an, wenn die Minimum-Spiegel-Titelgeschichte als "meinungsstark und faktenschwach" charakterisiert wird. Gerd BOSBACH, der bereits am 20. März auf single-generation.de den Statistikmissbrauch von Matthias MATUSSEK und Frank  SCHIRRMACHER anprangerte, legt in Neon noch nach:

"Wenn Altern und geringe Kinderzahl an sich ein Problem wären, hätte es letztes Jahrhundert in Deutschland den Supergau gegeben. Da sind wir um über 30 Jahre gealtert, und der Anteil der Kinder und Jugendlichen sank dramatisch von 44 auf heute 20 Prozent! Die für die Zukunft erwarteten Veränderungen sind dagegen gering: Sechs Jahre Alterung bis 2050 und ein Jugendanteil von 16 Prozent."

BOSBACH sieht in der derzeitigen Negativkampagne ein Problem, denn

"Verunsicherung ist kein Faktor, der zum Kinderkriegen ermuntert".

Single-generation.de sieht das Problem der Negativkampagne jedoch noch viel umfassender, denn bereits die Single-Lüge ist Teil einer Negativkampagne die seit Anfang der 90er Jahre die Selbstbilder auf den Kopf gestellt hat. BOSBACH weist darauf hin, dass die geburtenstarken Jahrgänge durch ein Lebensgefühl geprägt wurden, das man als "Wir waren überall zu viel" bezeichnen kann. Die Reduktion der Kinderzahl wäre dann als adäquate Reaktion auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zu betrachten, die weniger mit der viel beschworenen deutschen Vergangenheit, aber viel mit den Bedingungen des Heranwachsens, zu tun gehabt hätte. Jürgen VOSS hat das Horror-Szenario einer kinderreichen Generation Golf hochgerechnet. Deutschland hätte heute ca. 21 Millionen Menschen mehr. Es ist kaum vorstellbar, dass unser Arbeitsmarkt und unsere Sozialsysteme dies besser verkraftet hätte. Statt über die demografische Situation zu jammern, sollten wir die jetzt Heranwachsenden besser bilden und ausbilden. Davon reden Politiker zwar gerne, aber weniger um mehr für die Bildung zu tun, sondern nur um Bildung gegen Sozialausgaben auszuspielen.

FETSCHER, Caroline (2006): Das geteilte Land.
Zukunft Deutschlands,
in: Tagesspiegel v. 14.05.

"Wenn also in diesem Jahr der Zukunft, 2026, wie uns Demographen in einer Expertise der Bundesregierung vorrechnen, mehr als die Hälfte aller Berliner Kinder einen so genannten Migrationshintergrund haben werden, wenn in den Schulklassen neben jedem Christian ein Mahmut sitzt, und neben jeder Charlotte eine Fatima, dann haben wir – und wissen das bereits jetzt – es mit einer anderen Welt zu tun. Es gibt dann, weder in Neukölln noch in Köln oder Stuttgart – keine kleinen »Parallelgesellschaften« mehr, sondern zwei gleich große Teile einer Gesellschaft",

droht uns FLETSCHER mit der Überfremdung. Wir leben im Jahr 2006. Vor etwas mehr als 30 Jahren hat der Spiegel in seiner Titelgeschichte gefragt Sterben die Deutschen aus? Für Frankfurt a/M wurde damals behauptet, dass dort bereits 1976 über die Hälfte der Geborenen Ausländer sein werden:

"In Frankfurt wuchs die Zahl der Gastarbeiterkinder fast im gleichen Tempo, wie die Geburtenzahl der Einheimischen schrumpfte: 1964 wurden 8992 deutsche und 800 ausländische Kinder registriert, 1972 betrug das Verhältnis 3730 zu 2216, 1974 etwa 3056 zu 2400, und 1976 werden voraussichtlich in der Main-Stadt mehr Ausländer als Deutsche geboren" (Spiegel, 24.03.1975, S.41).

In Frankfurt a/M müssten gemäß dieser Entwicklung der Geburtenzahlen, die uns der Spiegel vor 30 Jahren präsentierte, heute bereits fast nur noch Ausländer die Schulen besuchen. Möglicherweise lebt dort schon längst kein einziger Deutscher mehr? Einen Deutschen muss es dort aber noch geben: Frank SCHIRRMACHER. Minimum.

Was FLETSCHER für 2026 prognostiziert, müsste schon seit Jahrzehnten in den Großstädten Realität sein. Wir hätten gerne eine Erklärung für diesen eklatanten Widerspruch! Gibt es da im Spiegel nicht so eine Rubrik, in der alten Storys nachgegangen wird? Da könnte der Spiegel doch mal zeigen, was tatsächlich daraus geworden ist. Wär' doch eine spannende Sache, wenn der Spiegel endlich aufdecken würde, dass Frank eigentlich Ali heisst...

TAGESSPIEGEL-Themenausgabe: Gutes, altes Deutschland

RINKE, Moritz (2006): Ihr da drinnen, wir hier draußen.
Viel Bingo, wenig Sex - 2050 kann heiter werden, muss aber nicht. Eine Vision,
in: Tagesspiegel v. 28.05.

HONDRICH, Karl Otto (2006): Der Fall der Geburtenrate - ein Glücksfall.
Wirtschaft und Sozialversicherungen sind nicht auf "eigenen" Nachwuchs angewiesen,
in: Neue Zürcher Zeitung v. 29.07.

Für HONDRICH ist die Bestandserhaltungszahl 2,1, die von nationalkonservativen Bevölkerungspolitikern und ihren Sympathisanten zum Maß der Dinge erklärt wird, irrelevant (Anmerkung: Auch Ökonomen wie z.B. Stephan FASSHAUER bestreiten dies; vgl. DRV "Besteht ein Zusammenhang zwischen Alterssicherungssystem und Geburtenrate? Anmerkungen aus theoretischer und empirischer Sicht", Juni 2006):

"Die entscheidende Frage ist vielmehr, über welche Mechanismen der Bestandserhaltung und der Leistungssteigerung soziale Systeme verfügen, auch wenn Geburtenraten gegen null tendieren".

Dieser Frage geht HONDRICH dann anhand der Wirtschaft, der sozialen Sicherung und der Familie nach. Die Wirtschaft kommt gemäß HONDRICH mit weniger Kindern aus. Weniger auf Migranten, sondern auf Frauen setzt hier HONDRICH, weil die Integrationskosten für Letztere geringer sind und noch ein großes Kräftereservoir vorhanden ist.

Das Problem der sozialen Sicherung sieht HONDRICH nicht - wie Nationalkonservative und ihre Sympathisanten - in der Unterjüngung, sondern in der Zunahme der Älteren, der verlängerten Jugend, der Arbeitslosigkeit und der "Einwanderung in die Sozialsysteme, statt in den Arbeitsmarkt". Die Umstellung der sozialen Sicherung vom Umlageverfahren auf die Kapitaldeckung löst die Probleme nicht, sondern erzeugt neue Probleme. Seine These:

"Die sozialen Sicherungssysteme können sich ohne selbstgeborenen Nachwuchs erhalten oder mit einem Minimum, sofern Produktivität und Dienstleistungen weiter wachsen. »Produktivitätssteigerung« heisst denn auch das Lösungswort".

Auch vom Aussterben der Familie kann keine Rede sein, da die Familie über mindestens zwei Mechanismen der Selbsterhaltung verfüge: zum einen die Erweiterung durch Verwandtenwahl:

"Wer zur Familie gehört, entscheiden letztlich nicht Biologen, Demographen und Statistiker anhand vorgefasster Kriterien, sondern die Beteiligten selbst, indem sie sich gegenseitig Liebe, Intimität und Halt schenken, also die zentralen Funktionen der Familie erfüllen."

Ein solcher Ansatz, der Familie als "ego-zentriertes" Netzwerk auffasst, wurde in Deutschland erstmalig mit dem Familiensurvey des Deutschen Jugendinstituts, angewandt. In der Verringerung der Anzahl biologischer Eltern sieht HONDRICH keine Schwächung des Familiensystems, sondern eine Stärkung im Sinne einer evolutionären Qualitätssteigerung. Deswegen kritisiert er auch die Subventionierung von Kindern, z.B. durch die Senkung der Opportunitätskosten (siehe z.B. RÜRUP). HONDRICH sieht die Bevölkerungspolitiker gar auf verlorenem Posten, weil sie sich gegen den Lauf der Evolution stellen:

"Werden die Kinder-Subventionen wenigstens im Sinne ihrer Erfinder erfolgreich sein? Widerstände und perverse Effekte sind schon heute sichtbar. Sie bestehen einerseits bei den Menschen, deren Energien, wie bei den meisten Subventionen, in Tätigkeiten geleitet werden sollen, die ihren Präferenzen nicht entsprechen. Sie treten andererseits auch seitens der Systeme Wirtschaft, soziale Sicherung, Familie auf. Schliesslich wird auch gegen den Lauf der Evolution selbst subventioniert. Angesichts dieser geballten Gegen- und Übermächte stehen die Bevölkerungspolitiker auf verlorenem Posten.
          
Und wenn ihr Subventions-Vorhaben gleichwohl gelänge, was wäre gewonnen? Wenig, ganz unabhängig davon, ob man mit «linkem» Impetus sozial schwache Familien und Alleinerziehende subventioniert oder «rechts denkend» Eltern mit vermeintlich guten genetischen und sozialen Voraussetzungen, also auch die kinderlosen Akademikerinnen, fördern will. Die Folge von Subventionen ist, dass immer mehr Leute Eltern werden, die es sonst mangels Mitteln oder kraft anderer Interessen und Wertorientierungen, Stärken und Schwächen nicht wären. Ob es den Kindern, der Familie und der Gesellschaft zugute käme?"

In dem Buch "Die Single-Lüge" wird ähnlich argumentiert, wenn es heißt:

"Dieses Buch sollte als Beitrag zur Versachlichung der Debatte verstanden werden und lieferte deshalb Argumente für eine neue Sichtweise auf das Single-Dasein im Zeitalter der Demografiepolitik. In einer funktional-differenzierten Gesellschaft sollten Kinderlose genauso selbstverständlich sein wie Kinderreiche. Warum sollten sich unterschiedliche Lebensformen, mit ihren jeweils spezifischen Potenzialen nicht sinnvoll ergänzen können? Solange jedoch in Singles nur eine Bedrohung und nicht auch eine Chance gesehen wird, leben wir in einer blockierten Gesellschaft, in der wichtige Energien gebunden sind, die bei den anstehenden Herausforderungen fehlen werden. (2006, S.254)"

DESTATIS (2006): Im Jahr 2050 doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene,
in: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt v. 07.11.

Das Statistische Bundesamt hat 3 Jahre nach der letzten Bevölkerungsvorausberechnung eine erneute Vorausberechnung, nunmehr die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung,  vorgelegt. Wie bereits beim letzten Mal wird die Geburtenrate in der mittleren Variante auf 1,4 Kinder pro Frau bis ins Jahr 2050 festgeschrieben. Aber wie realistisch ist dieses Szenario?

Junge Demografen wie Michaela KREYENFELD vom Rostocker Max-Planck-Institut für demographische Forschung oder Tomáš  SOBOTKA vom Vienna Institute of Demography haben den Tempoeffekt durch die Erhöhung des Erstgebäralters herausgerechnet. Dieser verfälscht die Geburtenrate. Demnach liegt bereits heute die Geburtenrate bei 1,6 und nicht bei 1,4.

Die Einschätzungen zur lebenslangen Kinderlosigkeit in Deutschland unterscheiden sich gravierend. Dies zeigt ein kurzer Blick auf den westdeutschen Frauenjahrgang 1965, der seit etlichen Jahren familienfundamentalistischen Hardlinern als Paradebeispiel für das kinderlose Deutschland gilt.

Der nationalkonservative Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG schätzt in seinem Buch Die demographische Zeitenwende (2001) den Anteil der Kinderlosen dieses Jahrgangs auf 32,1 % (S.73). Dieser Sichtweise, dass heute bereits 1/3 der Frauen lebenslang kinderlos bleiben, folgten auch die Verfassungsrichter in ihrem Pflegeurteil aus dem Jahr 2001. Im Jahr 2003 forderte Susanne GASCHKE deshalb sogar Keine Kinder, keine Rente!.

Der WSI-FrauenDatenReport 2005 der Hans-Böckler-Stiftung schätzt den Anteil der Kinderlosen im Anschluss an Berechnungen von Heribert ENGSTLER auf 31,2 % (S.29).

Jürgen DORBRITZ vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung kommt dagegen bereits im Jahr 2001 in den BIB-Mitteilungen zum Ergebnis, dass der Jahrgang 1965 aufgrund einer rapiden Zunahme von Spätgebärenden höchstens zu ca. 27 % lebenslang kinderlos bleiben wird.

Das Sonderheft Bevölkerung - Fakten - Trends - Ursachen - Erwartungen. Die wichtigsten Fragen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung aus dem Jahr 2004 kommt gar nur noch auf 26,5 %.

In einem Arbeitspapier aus dem Jahr 2005 schätzt der Demograf Tomáš SOBOTKA, dass vom Jahrgang 1965 gar nur 23,3 % lebenslang kinderlos bleiben könnten.

Wie kann es sein, dass die Einschätzungen zur Kinderlosigkeit des westdeutschen Frauenjahrgangs 1965 zwischen 23,3 und 32,1 % differieren?

Ob es in Deutschland fast 10 % Kinderlose mehr oder weniger gibt, ist nicht nur entscheidend, wenn es darum geht, den Kinderlosen die Schuld am angeblichen Aussterben der Deutschen zuzuschieben, sondern es geht auch darum, dass der Bevölkerungsrückgang wie er jetzt gerade wieder vom Statistischen Bundesamt berechnet wurde, unrealistisch ist.

Im Newsletter Demografische Forschung aus erster Hand Nr.1/2005 schreibt SOBOTKA:

"Die Differenz zwischen der gewöhnlichen Geburtenziffer und der Geburtenziffer exklusive Tempoeffekt mag zwar gering erscheinen; jedoch bedeutet dies eine beachtenswerte Veränderung des voraussichtlichen Bevölkerungsrückgangs, falls sich der Trend über längere Zeit hält: Eine Fruchtbarkeitsrate von nur 1,46 Kindern hat einen jährlichen Bevölkerungsschwund von 1,1 % zur Folge, während dieser bei 1,71 Kindern pro Frau nur 0,6 Prozent betrüge."

Das Statistische Bundesamt geht dagegen davon aus, dass bestenfalls im Jahr 2025 eine Geburtenrate von 1,6 erreicht wird.

Die Berechnungen von Michaela KREYENFELD oder Tomáš SOBOTKA legen dagegen nahe, dass ein Wert von 1,6 bei der zusammengesetzten Geburtenziffer bereits in den nächsten Jahren erreicht werden kann. Es muss dem Statistischen Bundesamt also vorgeworfen werden, dass es diese wahrscheinliche Variante nicht berücksichtigt.

Im Buch Die Single-Lüge wird der Betrug an den Kinderlosen, wie er von Nationalkonservativen wie Herwig BIRG und seinen Mitstreitern ungehindert betrieben wird, detailliert nachgewiesen. Keiner kann mehr behaupten, dass dies nicht bereits seit vielen Jahren bekannt ist.

SCHWENTKER, Björn (2006): Schwarzmalen nach Zahlen.
Deutschland entvölkert sich, sagen die Statistiker. Doch unter leicht veränderten Annahmen kommt man zu ganz anderen Ergebnissen, kommentiert Björn Schwentker,
in: ZEIT online v. 07.11.

Björn SCHWENTKER, eine Art schlechtes Gewissen der ZEIT, darf nun zumindest online Zweifel am Realismus der Modellrechnungen anmelden:

"Was die Statistiker für die Öffentlichkeit aufbereitet haben, liest sich hingegen so gar nicht wertfrei. War etwa in der letzten Vorausberechnung noch die Rede von der »Differenz zwischen Lebendgeborenen und Gestorbenen«, hat man den technischen Terminus jetzt durch einen griffigeren Begriff ersetzt: »Geburtendefizit«.
            Die Botschaft zwischen den Zeilen ist klar: Momentan erfüllen die deutschen Frauen den Sollwert an Geburten nicht. Die Bevölkerung schrumpft, und das darf wohl nicht sein.
            Dabei verkennt das Statistischen Bundesamt allerdings seinen eigentlichen Auftrag. Und der lautet, für die öffentliche Diskussion die Fakten zu liefern, und zwar in neutraler Form. Ob die Tatsache, dass es einen demografischen Wandel gibt, nur negativ zu sehen ist oder auch große Chancen für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft bietet, soll und kann das Bundesamt nicht beurteilen.
            In der wissenschaftlichen Debatte nämlich mehren sich in letzter Zeit die positiven Stimmen. Das Bundesamt hingegen bedient weiter die Volksneurose des Alterns und kokettiert mit dem Schrecken des Schrumpfens."

SCHWENTKER darf sogar noch weiter gehen und zweifelt - wie single-generation.de - an, dass die Annahmen zur Geburtenentwicklung in Deutschland realistisch sind:

"Erstmals seit Jahren berechneten die Statistiker auch ein Szenario mit steigender Kinderzahl pro Frau. Bis 2025 erhöht sich die Geburtenrate dabei von jetzt etwa 1,4 auf 1,6. Für Radermacher ist das »optimistisch« und nur unter günstigen familienpolitischen Bedingungen zu erreichen. Eine typisch deutsche Sicht. Bei der UNO zum Beispiel sieht man es anders. In deren Bevölkerungsberechnungen steigt hierzulande die Geburtenrate bis 2050 auf 1,85 – im mittleren Szenario. Doch wer wissen will, was allein eine durchschnittliche Kinderzahl von 1,6 für Deutschland hieße, sucht die entsprechende Kurve in der schönen farbigen Präsentation der Wiesbadener vergeblich. Man muss sich schon die Mühe machen und die Zahlenkolonnen ganz hinten im Tabellenteil auseinanderdröseln, dann findet man schließlich doch eine Antwort: 77,5 Millionen Menschen würden nach dieser optimistischeren Prognose 2050 in Deutschland leben."

ZYLKA, Regine (2006): Deutschland schrumpft dramatisch.
Statistisches Bundesamt legt düstere Prognose zur Bevölkerungsentwicklung bis 2050 vor. Immer weniger Erwerbstätige. Lebenserwartung von Frauen steigt auf 88 Jahre,
in: Berliner Zeitung v. 08.11.

Was tut man, wenn die Realität nicht dem entspricht, was man sich erwartet hat? Man dramatisiert wie Regine ZYLKA, wenn sie schreibt:

"Das Statistische Bundesamt hat gestern neue Berechnungen vorgelegt, die von früheren Prognosen erheblich abweichen. Danach wird die Bevölkerung von heute rund 82 Millionen bis zum Jahr 2050 auf unter 70 Millionen zurückgehen. Bislang waren die Statistiker davon ausgegangen, dass die Zahl der Deutschen auf etwa 75 Millionen sinken wird. Das Bundesamt erwartet inzwischen jedoch eine wesentlich niedrigere Zuwanderung als bei der letzten Bevölkerungsprognose vor drei Jahren."

ZYLKA leitet daraus in ihrem Kommentar Land ohne Kinder die Forderung nach einer aktiven Bevölkerungspolitik ab. Fakt ist jedoch, dass sich die veränderte Bevölkerungsentwicklung zu allererst daraus ergibt, dass zum einen mit einer höheren Lebenserwartung gerechnet wurde und zum anderen die Zuwanderung geringer angesetzt wurde. Wie realistisch diese Annahmen sind, soll hier unbeachtet bleiben.

Vergleicht man aber die Variante 7 von 2003 mit der Variante 1 W von 2006 - das sind jene beiden Modellrechnungen, die sich in ihren Annahmen am ähnlichsten sind - dann ist das Ergebnis fast identisch: statt 69,6 Millionen Menschen würden 2050 nur noch 68,7 Millionen Menschen in Deutschland leben.

Geht man jedoch - wie etliche Demografen - davon aus, dass die Geburtenrate mit 1,4 zu niedrig ausgewiesen wird, dann fällt der Bevölkerungsrückgang noch geringer aus.

LICHTERBECK, Philipp (2006): Gebremste Fliehkraft.
Bernburg hat keine Zukunft, sagen die Demografen und raten zum Wegziehen. Viele Frauen sind schon weg. Warum bleibt der Rest?
in: Tagesspiegel v. 10.12.

Anlässlich einer Studie des Berlin-Instituts porträtiert Philipp LICHTERBECK die Gemeinde Bernburg:

"In Bernburg leben heute 31.579 Menschen: 8321 weniger als 1990 und 15.000 weniger als 1965. 16 Kindergärten und drei Grundschulen sind geschlossen worden. 2500 Wohnungen stehen verlassen, die Plattenbauten am Stadtrand werden abgerissen. Bedarf gibt es in Bernburg lediglich bei Wohnanlangen für Senioren: Die größte Altersgruppe bilden die Über-75-Jährigen.
Auf den Straßen fällt einen die Einsamkeit geradezu an. Morgens um zehn sind die Gehwege genauso verlassen wie mittags um zwei und abends um sechs. Sollte die Entwicklung sich nicht umkehren, dann ist Bernburg in 50 Jahren ein »Raum ohne Volk«, wie das Berlin-Institut schreibt. Tatsächlich haben sich ein paar Landkreise weiter schon die ersten Luchse niedergelassen."

2007

SPIEGEL ONLINE-Serie: Deutschland 2067 (Teil 4)

WEILAND, Severin (2007): Die Zukunft ist schwarz-rot-greis.
Der SPIEGEL ist 60 - SPIEGEL ONLINE blickt 60 Jahre in die Zukunft: 2067 ist Deutschland ein ausgedünnter, rationalisierter, sich selbst blockierender Senioren-Staat. Die Bundeswehr hat Söldner aus Afrika, und Chinesen haben das Willy-Brandt-Haus zum Thermalbad gemacht,
in: Spiegel Online v. 09.01.

Die Spiegel Online-Serie Die Welt in 60 Jahren blickte im 1. Teil von Henryk M. BRODER auf den Euro-Islam 2067. Im 2. Teil von Anne REIMANN stand ebenfalls die Integration im Mittelpunkt. Im 3. Teil befasste sich das Fernsehkind Reinhard MOHR mit dem Fernsehen, statt mit dem Internet.

"57 Millionen Menschen leben zwischen Rhein und Oder, zwischen dem platten Land im Norden und den Alpen. 2006 waren es rund 82 Millionen. Zuwanderung? Von den einen wurde sie befürchtet, von den anderen erhofft - eingetreten ist sie nicht. Nach Deutschland zog es die wenigsten Ausländer in der EU. Deutschland musste in den vergangenen Jahrzehnten mit schrumpfenden Städten und toten Dörfern zurechtkommen, mit Leerstand und fallenden Immobilienpreisen. Selbst die Bundeswehr wandelte sich - und unterhält nun eine Art Fremdenlegion, in der vorwiegend Afrikaner Dienst tun und in internationale Einsätze geschickt werden. Die dramatische demographische Veränderung, die das Land in den vergangenen Jahrzehnten erfasst hat, hat die Fundamente der deutschen Politik verändert",

beschreibt Severin WEILAND nun die demografische Lage im Jahr 2067. Erst im Jahr 2057 wurde jedoch die Demokratie nach Spiegels-Art zurechtgestutzt:

"Gegen den Widerstand der kleinen Parteien - Grüne, FDP und der Rechtsaußen-»Deutschlandpartei« - änderten sie das Grundgesetz und führten das Mehrheitswahlrecht ein. Die Legislaturperiode wurde von einst vier auf sieben Jahre verlängert, die Zahl der Wahlkreise von 299 (2007) auf 200 drastisch reduziert. Nur wer einen dieser Wahlkreise direkt gewinnt, kommt seither noch in den Bundestag. Im Bundestag sitzen nun 80 Abgeordnete von der Union, die den Kanzler stellt, 60 von der SPD, je 22 von FDP und Grünen - und 10 von der 2020 gegründeten »Deutschlandpartei«. 8 Abgeordnete sind unabhängig."

SPIEGEL ONLINE-Serie: Deutschland 2067 (Teil 6)

REIMANN, Anna (2007): Warum die westlichen Werte siegen werden.
Patchwork- statt Kernfamilie, selbstständig statt angestellt, lebenslang Single statt ewig gebunden: Zukunftsforscher Matthias Horx entwirft im SPIEGEL-ONLINE-Interview die Gesellschaft 2067. Seine Prognose: Die westliche Kultur wird den Fundamentalismus besiegen,
in: Spiegel Online v. 12.01.

Die Spiegel Online-Serie Die Welt in 60 Jahren blickte mit Robert BRACK im 5. Teil auf den Tourismus (Teil 1 bis 4 siehe hier). Nun darf der selbsternannte Trendforscher Matthias HORX seine Megatrends verkünden.

SPIEGEL ONLINE-Serie: Deutschland 2067 (Teil 7)

DORN, Thea (2007): Männerminister fordert Soforthilfe für Matriachats-Opfer.
Feminismus - das Matriarchat herrscht, Frauen führen Staat und Wirtschaft. Männer? Unbedeutend. Sie müssen es schon als Erfolg feiern, dass immerhin wieder 80 Prozent von ihnen Alphabeten sind,
in: Spiegel Online v. 13.01.

SPIEGEL ONLINE-Serie: Deutschland 2067 (Teil 8)

STRAUBHAAR, Thomas (2007): Endlich blühende Landschaften.
Globalisierung: 2067 ist China in Dutzende Einzelstaaten zerfallen. Dennoch geben Ostasien und der pazifische Raum in der Weltwirtschaft den Ton an. Deutschland hat die Globalisierung gemeistert, die Metropolen boomen - das Land dazwischen wird zu Öko-Reservaten,
in: Spiegel Online v. 17.01.

Während das ZDF noch für das Jahr 2030 den Aufstand der Alten gegen die Grundrente inszeniert, ist der neoliberale Ökonom und Grundrentenbefürworter Thomas STRAUBHAAR bereits weiter und setzt auf die Macher der Generation 2020:

"2067 prägen Zukunftsglaube und Optimismus das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben. Die Generation 2020 hat das Land neu ausgerichtet."

FRANKFURTER RUNDSCHAU-Tagesthema: Die Gesellschaft altert

SPERBER, Kathrin (2007): "Wir könnten die Alten locker versorgen".
Der Demografie-Forscher Gerd Bosbach warnt vor Horrorgemälden und sieht in Deutschland vor allem ein Verteilungsproblem,
in: Frankfurter Rundschau v. 18.01.

Gerd BOSBACH sieht nicht im demografischen Wandel, sondern in der hohen Arbeitslosigkeit das Hauptproblem der Sozialversicherungssysteme:

"In den vergangenen hundert Jahren sind wir im Schnitt 30 Jahre älter geworden, aber die Gesellschaft nicht ärmer, sondern reicher. Bis 2050 sollen wir nach verschiedenen Schätzungen sechs bis neun Jahre älter werden. Und das soll jetzt plötzlich ein Problem sein?"

HOFFMANN, Andreas (2007): Schröders Vollstrecker,
in: Süddeutsche Zeitung v. 10.03.

Für HOFFMANN hat die vom Bundestag beschlossene Rente mit 67 in erster Linie symbolischen Wert:

"Nach den Berechnungen steigt der Beitrag bis zum Jahr 2030 um 0,5 Prozentpunkte weniger stark an als ohne Reform. (...). Es geht aber um mehr als Zahlen. Die Rente mit 67 ist ein Symbol, ein Symbol für den Weg in die alternde Gesellschaft."

HOFFMANN weist außerdem darauf hin, dass zukünftig die Altersarmut wieder steigen kann, weswegen für ihn die Rente mit 67 erst der Anfang der Reformen ist.

PROKLA-Thema: "Bevölkerung"
Kritik der Demographie

BARLÖSIUS, Eva & Claudia NEU (2007): "Gleichwertigkeit - Ade?"
Die Demographisierung und Peripherisierung entlegener ländlicher Räume,
in: Prokla 146, H.1, März

ZAWATKA-GERLACH, Ulrich (2007): Paris und London wachsen - Berlin schrumpft.
Bis 2050 wird die deutsche Single-Hauptstadt voraussichtlich 300.000 Einwohner verlieren,
in: Tagesspiegel v. 30.03.

"Als der Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz im April 1967 eine Regierungserklärung abgab, sah er den Westteil Berlins »in den nächsten Jahren in die kritischste Phase seiner sozialen Belastung eintreten«. Der Anteil der Bürger über 65 Jahre werde bis 1971 von 20,5 auf 22 Prozent steigen, warnte der Sozialdemokrat. Die eingemauerte Stadt konnte Familien und jungen Leuten kaum noch eine vernünftige Lebensperspektive bieten. Wer es sich leisten konnte, zog weg.
             Heute ist Berlin jünger als damals: Knapp 18 Prozent der Bewohner haben das Rentenalter überschritten. Aber 2020 wird der Anteil der über 65-Jährigen laut Bevölkerungsprognose des Senats die 20-Prozentmarke erreichen", berichtet ZAWATKA-GERLACH.

TUTT, Cordula (2007): Das große Schrumpfen, Berlin Verlag

Cordula TUTT suggeriert einen stetig zunehmenden Abwärtssog. Entgegen ihrer Behauptung, dass die Prognostiker ihre früheren Voraussagen immer wieder nach unten korrigiert haben, streuen die Prognosen innerhalb eines Schwankungskorridors. Dies liegt daran, dass es auch in der Vergangenheit keine lineare Entwicklung gab, sondern Wellenbewegungen mit Ausschlägen nach oben und unten.

"In den nächsten 50 Jahren wird die Bevölkerung in Deutschlands jährlich um knapp 200.000 Menschen schrumpfen, wenn man den Vorhersagen glaubt. Zunächst geschieht das langsamer, dann schneller. (...). Folgt man den Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dann leben zur Mitte des Jahrhunderts nur noch 69 bis 74 Millionen Menschen in Deutschland statt der heute rund 82 Millionen Einwohner. Die amtlichen Prognostiker haben ihre früheren Voraussagen immer wieder nach unten korrigiert, manche internationalen Berechnung gehen von noch weniger Menschen im Land aus." (2007, S.17)   

Vier Jahre nach Erscheinen des Buches - wächst Deutschland wieder - und straft das Bild von kontinuierlichen Abwärtssog Lügen.

Beliebt ist auch das Bild, dass der Westen der ostdeutschen Schrumpfungsavantgarde folgen wird:

"Gleichsam als Zukunftslabor für ganz Deutschland vollziehen die meisten Gegenden im Osten der Republik bereits einen Wandel zum Weniger. Was dort auf Jahre hin Alltag bleiben wird, zeigt nur, was anderswo noch bevorsteht. (...). Sachsen-Anhalts Bevölkerung schrumpfte in den 15 Jahren seit 1990 von 2,9 auf rund 2,4 Millionen Menschen. Es gehen vor allem die Jungen und Mobilen - »selektive Abwanderung« heißt dieser schmerzhafte Verlust in der Sprache der Experten. Bis 2020 sollen in diesem Bundesland nur noch zwei Millionen Bewohner übrig sein." (2007, S.23)

Das Buch ist inzwischen aus dem Handel genommen worden. Man wird es vielleicht 2027 wieder neu auflegen können. Tipp: Einfach nur die Jahreszahlen um 20 Jahre weiter in die Zukunft verschieben! Wie bei den jährlichen Silvester-Ansprachen würde niemand den Unterschied merken. 

DESTATIS (2007): Zunehmende Kluft in der Bevölkerungsentwicklung zwischen den neuen und alten Ländern,
in: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamt v. 22.05.

"Während in den alten Ländern im Zeitraum von 2006 bis 2050 ein Bevölkerungsrückgang von 14% zu erwarten ist, wird die Bevölkerung der neuen Länder um 31% sinken.
Künftig wird der Osten Deutschlands der Vorausberechnung nach viel stärker von der fortschreitenden Alterung tangiert sein als der Westen. Dies wirkt sich nicht nur in der schnell ansteigenden Zahl der Älteren aus, sondern auch im Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials. Heute liegt der Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter (von 20 bis unter 65 Jahren) an der Gesamtbevölkerung in den neuen Ländern mit 62% noch höher als in den alten (60%). Das Erwerbspersonenpotenzial wird jedoch in den neuen Ländern schneller schrumpfen als im Westen Deutschlands und im Jahr 2050 bei 47% liegen. In den alten Ländern werden im Jahr 2050 52% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sein.
Der so genannte Altenquotient – er zeigt wie viele Senioren auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter (von 20 bis unter 65 Jahren) entfallen – wird in den neuen Ländern schneller ansteigen als in den alten: er wird sich von heute etwa 35 bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln und dann 80 betragen. Der Westen Deutschlands weist bereits zurzeit einen etwas niedrigeren Altenquotienten von etwa 32 auf. Dieser wird etwas langsamer als im Osten Deutschlands ansteigen und im Jahr 2050 bei 62 liegen.
Die Bevölkerung in den Stadtstaaten wird nicht so schnell schrumpfen wie im übrigen Bundesgebiet und im Jahr 2050 noch 90% des aktuellen Niveaus betragen (2006: 5,8 Millionen, 2050: 5,2 Millionen). Der Altenquotient wird sich jedoch auch in diesen drei Bundesländern von heute etwa 29 auf 60 Seniorinnen und Senioren je 100 Personen im Erwerbsalter im Jahr 2050 verdoppeln",

teilt das Statistische Bundesamt zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2050 mit. Grundlage der Berechnung ist die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, wobei lediglich zwei Varianten berechnet wurden, die sich nur durch unterschiedliche Außenwanderungssalden unterscheiden: 100.000 bzw. 200.000 Zuwanderungsgewinn.

2008

PERINA, Udo (2007): Falsche Propheten.
Seit über hundert Jahren sagen Bevölkerungswissenschaftler eine Vergreisung der Gesellschaft voraus,
in: Die ZEIT Nr.21 v. 16.05.

Noch bis zum Juni 2006 war das Aussterben bei der ZEIT angesagt. Nun möchte man nichts mehr davon wissen. Land ohne Leute. Die vergreiste Republik lautete noch im Jahr 2003 ein Zeit-Dossier. Bereits damals behauptete single-generation.de, dass die Bevölkerungsvorausberechnungen nur einem einzigen Zweck dienen: der Durchsetzung politischer Ziele.

Die 10. Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahr 2003, die einzig der Durchsetzung der Agenda 2010-Reformen diente, musste bereits im Jahr 2006 durch die 11. Bevölkerungsvorausberechnung ersetzt werden. Während 2003 die Ergebnisse in zahlreichen Titelgeschichten publiziert wurden, wurde die letzte Vorausberechnung von den Medien mehr oder weniger ignoriert. Sie passte gerade nicht in die politische Landschaft... Nun also darf PERINA im Geld Spezial der Zeit schreiben:

"Vermutlich hat der britische Demograf David Eversley recht. Dieser Spezialist für Bevölkerungsprognosen behauptet, dass Voraussagen von Bevölkerungsentwicklungen der reinste Irrglaube seien. Sie würden nur aus einem einzigen Grund gemacht: um bestimmte politische Ziele durchzusetzen."

Die nächste Reform, die durch Bevölkerungsvorausberechnungen gestützt werden soll, kommt bestimmt, dann wird die Zeit sicherlich nichts mehr davon wissen wollen...

DESTATIS (2007): Zunehmende Kluft in der Bevölkerungsentwicklung zwischen den neuen und alten Ländern,
in: Pressemitteilung des Statistischen Bundesamt v. 22.05.

"Während in den alten Ländern im Zeitraum von 2006 bis 2050 ein Bevölkerungsrückgang von 14% zu erwarten ist, wird die Bevölkerung der neuen Länder um 31% sinken.
Künftig wird der Osten Deutschlands der Vorausberechnung nach viel stärker von der fortschreitenden Alterung tangiert sein als der Westen. Dies wirkt sich nicht nur in der schnell ansteigenden Zahl der Älteren aus, sondern auch im Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials. Heute liegt der Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter (von 20 bis unter 65 Jahren) an der Gesamtbevölkerung in den neuen Ländern mit 62% noch höher als in den alten (60%). Das Erwerbspersonenpotenzial wird jedoch in den neuen Ländern schneller schrumpfen als im Westen Deutschlands und im Jahr 2050 bei 47% liegen. In den alten Ländern werden im Jahr 2050 52% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sein.
Der so genannte Altenquotient – er zeigt wie viele Senioren auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter (von 20 bis unter 65 Jahren) entfallen – wird in den neuen Ländern schneller ansteigen als in den alten: er wird sich von heute etwa 35 bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln und dann 80 betragen. Der Westen Deutschlands weist bereits zurzeit einen etwas niedrigeren Altenquotienten von etwa 32 auf. Dieser wird etwas langsamer als im Osten Deutschlands ansteigen und im Jahr 2050 bei 62 liegen.
Die Bevölkerung in den Stadtstaaten wird nicht so schnell schrumpfen wie im übrigen Bundesgebiet und im Jahr 2050 noch 90% des aktuellen Niveaus betragen (2006: 5,8 Millionen, 2050: 5,2 Millionen). Der Altenquotient wird sich jedoch auch in diesen drei Bundesländern von heute etwa 29 auf 60 Seniorinnen und Senioren je 100 Personen im Erwerbsalter im Jahr 2050 verdoppeln",

teilt das Statistische Bundesamt zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2050 mit. Grundlage der Berechnung ist die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, wobei lediglich zwei Varianten berechnet wurden, die sich nur durch unterschiedliche Außenwanderungssalden unterscheiden: 100.000 bzw. 200.000 Zuwanderungsgewinn.

WIRTSCHAFTSWOCHE-Serie: Wie wir aus der Demografie-Falle kommen (Teil 1)

FISCHER, Malte/HAACKE, Eva/KUTTER, Susanne/WELP, Cornelius (2007): Ungenutzte Potenziale.
Alt und arm - ist das Deutschlands Schicksal in wenigen Jahrzehnten, wie Wissenschaftler vorhersagen? Nicht zwangsläufig. Die demografische Krise lässt sich verhindern - mit den richtigen Maßnahmen. Und dem nötigen Mut,
in: Wirtschaftswoche Nr.25 v. 18.06.

WELT-Serie: Besser Altern (Teil 1)

BORSTEL, Stefan von (2007): Auf dem Weg zur "Silver Economy".
Wie muss man sich das Deutschland der nächsten Generation vorstellen, in 30 oder 40 Jahren? Als "neue graue Welt" der Alten und Greise, als düsteres Land ohne Kinder und Familien, in dem Dörfer verwaisen? Oder doch anders aus?
in: Welt v. 30.07.

CICERO-Titelgeschichte: Das neue Baby-Wunder

EICHEL, Christine (2008): Das Baby-Wunder.
Nicht nur Statistiker staunen: Seit vielen Jahren steigen die Geburten erstmals wieder an. Offenbar gelten Kinder nicht mehr als Problem, Emanzipationsrisiko oder Armutsfalle, sondern als sinnstiftend und als emotionale Lebensversicherung,
in: Cicero, August

WELT-Serie: Besser Altern (Teil 6)

HOLLSTEIN, Miriam (2007): Ostdeutschland wird zum Rentnerparadies.
Der Osten entwickelt sich zu einem Ruhesitz für Westdeutsche. Während die einen sich über den Zuwachs freuen, fürchten die anderen, dass Städte wie Görlitz und Weimar in Zukunft ausschließlich als Altersresidenz angesehen werden könnten,
in: Welt v. 09.08.

KLINGHOLZ, Reiner/KRÖHNERT, Steffen/HOßMANN, Iris (2008): Die demografische Zukunft von Europa. Wie sich die Regionen verändern, München: Deutscher Taschenbuch Verlag

JACOBS, Stefan (2008): Berlin zieht die Jugend an und vergreist dennoch.
Die Zahl der Einwohner wird nach einer Prognose des Senats bis 2030 leicht wachsen. Trotz junger Zuwanderer steigt das Durchschnittsalter in der Stadt,
in:
Tagesspiegel v. 04.12.

PEZZEI, Kristina (2008): Im Osten viel Junges, im Westen nichts Neues.
Die Ostbezirke werden in den kommenden 20 Jahren zunehmend Menschen anziehen, periphere Westbezirke hingegen verlieren. Insgesamt legt die Bevölkerung in Berlin leicht zu, so die Prognose des Senats bis 2030.
in:
TAZ v. 04.12.

SCHAREIN, Manfred (2008): Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Stimmrechte der einzelnen Bundesländer im Bundesrat. Eine Projektion,
in:
BIB-Mitteilungen, Nr.3 v. 15.12.

DIE POLITISCHE MEINUNG-Thema: Demografischer Wandel

WILBERS, Joachim (2008): Altern in Zukunft.
Ein Blick auf Deutschlands demografische Entwicklung,
in:
Die Politische Meinung, Nr.469, Dezember

2009

BERTH, Felix (2009): Rezepte mit erfreulichen Nebenwirkungen.
Die Familienpolitik hat es offenbar geschafft, dass sich immer mehr deutsche Paare für Nachwuchs entscheiden,
in:
Süddeutsche Zeitung v. 17.02.

ARNING, Matthias (2009): Reich, aber sexy.
Demografie in Frankfurt,
in: Frankfurter Rundschau v. 14.05.

"Während Hessen bis 2025 um 124.000 Menschen schrumpft und dann nur noch 5,95 Millionen Einwohner zählt, legt Frankfurt am Main zu: kontinuierlich um 1,5 Prozent", berichtet Matthias ARNING über Ergebnisse des Wegweiser Kommune der Bertelsmann-Stiftung.

KLINGHOLZ, Reiner (2009): Herr Minister, wir schrumpfen!
Im Grundgesetz ist die "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse" angemahnt: das Konstrukt der alten Bundesrepublik, die nur Wachstum kannte. Das ist längst eine Illusion. Ein Plädoyer für eine neue Demographiepolitik,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.06.

Das Berlin-Institut soll das Demografiebewusstsein in der deutschen Bevölkerung verankern. Die Studien der Institution werden deshalb gerne mit großem publizistischem Getöse veröffentlicht. Wo gehobelt wird, fallen eben auch Späne - weswegen manche Kampagne zum Bumerang geworden ist. Im letzten Jahr erklärte der Island-Fan KLINGHOLZ die Insel zum Primus in Sachen Nachhaltigkeit. Kurz danach versank das Eiland in einer nachhaltigen Finanzkrise. In der FAZ ist KLINGHOLZ nun in Sachen Ostdeutschland unterwegs.

DRÖSSER, Christoph (2009): Republik in Schieflage.
Deutschlands Bevölkerung schrumpft - doch nicht überall in gleichem Maße. In manchen Regionen ist die Zahl der Geburten größer als die der Todesfälle, manche ziehen Zuwanderer an, andere verlieren Einwohner. Blick auf ein Land im Wandel,
in: Die ZEIT Nr.29 v. 09.07.

RÖLL, Thomas (2009): "Das System kollabiert".
Die Sozialversicherungen verleiten die Menschen dazu, auf Kinder zu verzichten, analysiert der Bevölkerungsforscher Herwig BIRG,
in: Focus Nr.33 v. 10.08.

Dem Focus muss Herwig BIRG mehr als peinlich sein! Keine seiner Studien wird zitiert, kein Buch genannt. Ganz lapidar heißt es nur "Birg wies in zahlreichen Veröffentlichungen auf die Probleme des demografischen Wandels hin." Nicht einmal mehr - wie noch Mitte des Jahrzehnts - von einem "anerkannten" Bevölkerungswissenschaftler spricht man. Offenbar hat sich außer BIRG keiner mehr gefunden, der solche Thesen vertritt. BIRGs große Zeit liegt immerhin auch schon 20 Jahre zurück. Seit der Jahrtausendwende hat sich BIRG selber ins Abseits geredet und geschrieben. Keiner seiner Schätzungen über die Kinderlosigkeit der jungen Generationen hat annähernd gestimmt. Der westdeutsche Frauenjahrgang 1965 sollte angeblich zu fast 33 % kinderlos bleiben. Es werden dagegen über 10 % weniger sein.
Spätestens nach der Volkszählung 2011 und der ersten darauf fußenden Bevölkerungsvorausschätzung wird man auch nichts mehr von BIRGs bisherigen Vorausschätzungen wissen wollen.

RÖTZER, Florian (2009): Immer mehr Alte und Kranke überfordern das Gesundheitssystem.
Mit der Vergreisung der Gesellschaft steigen Krankheiten und damit die Kosten für das Gesundheitssystem drastisch an,
in: Telepolis v. 26.08.

Nicht nur Telepolis berichtet über eine Studie, ohne dass die Daten einer eingehenden Analyse unterzogen wurden. "Dramatisch" stuft RÖTZER die Zahlen ein, ohne überhaupt die Grundlagen der Berechnungen zu kennen. Tatsächlich sind Bevölkerungsvorausberechnungen bis zum Jahr 2050 alles andere als eine seriöse Datenbasis. Betrachtet man die Bevölkerungsvorausberechnungen der letzten Jahre, dann lässt sich erkennen, dass Voraussagen über 40 Jahre hinweg keine Grundlage für sinnvolle Politiken sein können. Man vermisst zudem den Hinweis, dass Fritz BESKE, sowohl Leiter des Institut als auch Mitautor der Studie, ein langjähriges CDU-Mitglied ist, also handfeste Parteiinteressen vertritt.

DESTATIS (2009): Im Jahr 2060 wird jeder Siebente 80 Jahre oder älter sein,
in:
Pressemitteilung Statistisches Bundesamt Wiesbaden v. 18.11.

SIEVERS, Markus (2009): "Arme Babyboomer".
Professor Ernst Kistler warnt vor einer menschlichen Bugwelle: Wenn die geburtstarken Jahrgänge sich dem Rentenalter nähern und sich nichts ändert, drohen den Älteren Arbeitslosigkeit und Armut,
in: Frankfurter Rundschau v. 19.11.

BERGIUS, Michael (2009): Die Altenrepublik,
in: Frankfurter Rundschau v. 19.11.

KAPPUS, Monika (2009): Nachhaltig ignorant,
in: Frankfurter Rundschau v. 19.11.

SIEVERS, Markus (2009): Klimakiller Mensch.
Wachsende Bevölkerung,
in: Frankfurter Rundschau v. 19.11.

SAUERBREY, Anna (2009): Auf die Frauen kommt es an.
Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung hat ihren Bericht 2009 vorgelegt. Auch das Statistische Bundesamt hat sich mit der Bevölkerungsentwicklung beschäftigt. Zu welchen Ergebnissen kommen die beiden?
in: Tagesspiegel v. 19.11.

SIEMS, Dorothea (2009): Ein einig Volk von Rentnern.
Demografie-Studie: Deutschlands Bevölkerung schrumpft und altert unaufhaltsam - Ost-Länder besonders betroffen,
in: Welt v. 19.11.

KEIL, Lars-Broder (2009): Prognose: Jeder Zweite wird pflegebedürftig.
In 50 Jahren steigt Anteil der Rentner an der Bevölkerung auf ein Drittel - Regierung plant Demografie-Strategie,
in: Welt v. 19.11.

WORATSCHKA, Rainer (2009): Deutsche altern gesünder.
Obwohl die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigt, ist das Risiko, im Alter bettlägerig oder hilfsbedürftig zu werden, gesunken. "Die Deutschen altern gesünder", lautet das Fazit des aktuellen Pflegereports der Gmünder Ersatzkasse (GEK),
in: Tagesspiegel v. 19.11.

2010

RÖTZER, Florian (2010): Ostdeutschland wird leer und vergreist.
Deutschlands Bevölkerung schrumpft in der EU am stärksten,
in: Telepolis v. 20.01.

FOCUS-Titelgeschichte: 2030 - So leben wir morgen. Neue Serie.
Teil 1: Was wird aus den Deutschen

KRISCHER, Markus (2010): Reise nach morgen.
Wie werden wir leben, arbeiten und lieben? Woran werden wir glauben? Wie viele werden wir sein? Focus lädt in einer siebenteiligen Serie ein zu einer Expedition in die Zukunft,
in:
Focus Nr.15 v. 12.04.

KEIL, Ulrich (2010): Für eine pessimistische Sicht auf das Alter gibt es keinen Grund.
Die Zukunft sieht düster aus. Jedenfalls wenn man den Zeitungen und Zeitschriften glaubt. Dort sind immer wieder pessimistische Prognosen über die Gesundheit älterer Menschen zu lesen,
in: Tagesspiegel v. 11.05.

Ulrich KEIL bezieht sich mit seiner Kritik auf die Morbiditätsprognose 2050 des Fritz Beske-Institut, die ausschließlich zu Propagandazwecken im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes 2009 erstellt wurde (mehr hier). Wirtschaftsblätter wie die FAZ, auf die sich KEIL beruft, haben diese unseriöse Propagandaschrift unter Schlagzeilen wie Deutschland 2050 - alt, krank, teuer (FAZ) verbreitet. Bereits der Analysezeitraum disqualifiziert die Studie als pure Kaffeesatzleserei (Gerd BOSBACH) ab. Offenbar gab das Jahr 2030, das bis Mitte der Nullerjahre noch gut für Horrorszenarien wie die Steilvorlage für die Finanzbranche 2030 - Aufstand der Alten taugte, nichts mehr her, was man bereits an der Focus-Titelgeschichte zum Jahr 2030 sehen konnte. Die Propaganda verlegt sich deshalb auf das Jahr 2050.

LUKE, Christiane (2010): "In 80 Jahren gibt es keine Deutschen mehr".
Seine "Wahrheiten" tun weh und haben ihm schon einigen Ärger eingebracht. Die Rede ist von Dr. Thilo Sarrazin (65), Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank,
in: WAZ Online v. 18.05.

Bislang war der nationalkonservative Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG fürs Aussterben zuständig. Jetzt mischt sich der Gelegenheitsdemograf SARRAZIN ein, der immer dann vorgeschoben wird, wenn man eine BILDreife Schlagzeile benötigt. Ganz andere Sorgen haben die Österreicher mit den Deutschen:

"Deutschland ist das wichtigste Herkunftsland für Migration nach Österreich geworden. 2009 stellten die Deutschen mit 138.225 Personen erstmals die größte Ausländergruppe in Österreich, das geht aus den aktuellen Zahlen der Statistik Austria hervor",

ist auf den Onlineseiten der österreichischen Zeitung Der Standard nachzulesen. Die Deutschen sterben also auf keinen Fall aus, sondern sie wandern - wenn überhaupt - höchstens aus.

LINNEWEBER, Silke (2010): Deutschland 2030.
Spezial Wie wir leben werden: Wie der Alltag in 20 Jahren aussehen könnte. Und was die Wissenschaft über die Zukunft zu wissen glaubt. Ein Blick in die Glaskugel,
in: Rheinischer Merkur Nr.30 v.
29.07.

"Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt, lautet ein Sprichwort. Trends, die heute in aller Munde sind, können schon morgen in Vergessenheit geraten. Sicher ist nur: Die Deutschen werden in den kommenden Jahren erst greiser – und dann weniger",

lautet das Langweiler-Motto des Spezial, das natürlich nicht darüber informiert, wie wir zukünftig leben werden, sondern die üblichen Fortschreibungen der Vergangenheit betreibt. Was der Focus im April noch zu einer ganzen Serie aufplusterte, das wird hier in ein paar wenig inspirierenden Artikeln abgehandelt.

BRÖNSTRUP, Carsten (2010): Kampf der Studien.
Deutschland hat genug Fachkräfte, haben Ökonomen des DIW herausgefunden. Doch ihre Erkenntnisse veröffentlicht dürfen nicht erscheinen. Institutschef Klaus Zimmermann legte sein Veto ein,
in: Tagesspiegel v. 17.11.

KAUBE, Jürgen & Reinhard MÜLLER (2010): Krise! Welche Krise?
Provozierendes über Zustand und Zukunft des Sozialstaats in Deutschland,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22.11.

In der ansonsten sozialstaatskritischen FAZ wird plötzlich die Anpassungsfähigkeit des Sozialstaats bejubelt und der demografische Wandel als "harmlos" eingeschätzt. Da dürfte sich der Hysteriker Frank SCHIRRMACHER ziemlich auf seinen Schlips getreten fühlen. Die Einschätzung des demografischen Wandels als harmlos kommt nicht etwa von dem gewerkschaftsnahen Statistiker Gerd BOSBACH, der dies bereits seit einigen Jahren vertritt, sondern von Axel BÖRSCH-SUPAN, der von der FAZ als Nachfolger von Bert RÜRUP ins Gespräch gebracht wurde, dann aber nicht zum Zuge kam.

KÖLNER STADT-ANZEIGER-Serie: Wir werden weniger (Teil 1)

PETER, Tobias (2010): Ein Land trägt Schwarz, Rot, Grau.
Die Deutschen werden immer weniger und zugleich älter - Neue Serie zum demografischen Wandel
in: Kölner Stadt-Anzeiger v. 23.12.

Wie single-generation.de bereits am 3. September anlässlich der Hart aber fair-Sendung mit Thilo SARRAZIN anmerkte, können Prognosen jetzt nicht mehr einfach als unumstritten gelten wie das noch zu Zeiten der Agenda 2010 war.

PETER hält zwar 120 Jahre-Prognosen wie bei Thilo SARRAZIN für unrealistisch. Doch die Prognosen des Statistischen Bundesamtes bis 2050 seien realistisch. Im Gegensatz zu den Debatten der Vergangenheit ist PETER jedoch vorsichtig, denn 75 Millionen Menschen in Deutschland bis 2050 bedeuten im Spiegel aller Bevölkerungsvorausberechnungen für das wiedervereinigte Deutschland eine optimistische Sicht. Geht es um die konkrete regionale Bevölkerungsentwicklung in Nordrhein-Westfalen, dann wird "nur" eine Vorausberechnung bis ins Jahr 2030 dargestellt.

 
     
 
       
   

weiterführender Link

 
       
   

Deutschlands Zukunft im Spiegel der Öffentlichkeit (Teil 4): 2011 - 2013

 
       
   
 
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 28. März 2015
Update: 13. November 2019