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Herbstthema

 
       
   

Die Lehren aus den ostdeutschen Landtagswahlen 2019

 
       
   

Die netten Jahre sind vorbei (5): Ist Ostdeutschland lediglich ein Labor, in dem westdeutsch geprägte Parteien neue Machterhaltungstechniken erproben oder waren die Wahlen nicht vielmehr ein Menetekel?

 
       
     
       
   
     
 

Einführung

Die drei Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen haben die politische Landschaft in Ostdeutschland einschneidend verändert. Keine der bisherigen Koalitionen kann so weitermachen wie bisher und in allen Landtagen wurde die Alternative für Deutschland (AfD) zweitstärkste Kraft im Parteiensystem. Nur die Parteien des amtierenden Ministerpräsidenten waren in den drei Ländern stärker. Aus der folgenden Übersicht sind die massiven Verschiebungen im Parteiensystem ersichtlich.

Tabelle: Amtliche Endergebnisse für Brandenburg, Sachsen und Thüringen mit Gewinn/Verlusten gegenüber 2014 
Rang Brandenburg Sachsen Thüringen
Partei

Stimmen-
anteil

+/- Sitze
(+/-)
Partei

Stimmen-
anteil

+/- Sitze Partei

Stimmen-
anteil

+/- Sitze
1 SPD 26,2 % -5,7 % 25 (-5) CDU 32,1 % -7,3 % 45 (-14) Linke 31,0 % + 2,8 % 29 (+1)
2 AfD 23,5 % +11,3 % 23 (+12) AfD 27,5 % +17,7 % 38 (+24) AfD 23,4 % +12,8 % 22 (+11)
3 CDU 15,6 % -7,4 % 15 (-6) Linke 10,4 % -8,5 % 14 (-13) CDU 21,7 % - 11,8 % 21 (-13)
4 Grüne 10,8 % +4,6 % 10 (+4) Grüne 8,6 % +2,9 % 12 (+4) SPD 8,2 % - 4,2 % 8 (-4)
5 Linke 10.7 % -7,9 % 10 (-7) SPD 7,7 % - 4,6 % 10 (-8) Grüne 5,2 % -0,5 % 5 (-1)
6 BVB/
Freie Wähler
5,0 % +2,3 % 5 (+2) FDP 4,5 % +0,7 %

-

FDP 5,0 % +2,5 % 5 (+5)
7 FDP 4,1 % +2,6 % -                
Quellen: wahlergebnisse.brandenburg.de; wahlen.sachsen.de; wahlen.thueringen.de

In Brandenburg wird die Koalition von SPD und Linkspartei voraussichtlich durch eine SPD/CDU/Grüne-Koalition ("Kenia") abgelöst. In Sachsen wird die Koalition von CDU/SPD voraussichtlich ebenfalls durch eine Kenia-Koalition abgelöst. In beiden Ländern steht jedoch noch die Wiederwahl des amtierenden Ministerpräsidenten aus. In Thüringen verlor die Regierungskoalition von Linkspartei, SPD und Grünen ihre Mehrheit. Eine neue Regierungsbildung steht noch aus. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies der AfD zusätzlich Auftrieb gibt. Hier soll deshalb gefragt werden, weshalb die Wahlkampfstrategie der etablierten Parteien zwar einen kurzfristigen Erfolg zeitigte, aber letztendlich ein Pyrrhussieg sein könnte.

Jenseits von Rechts und Links?

Seit den 1980er Jahren gilt den Kosmopoliten in Westdeutschland das alte Rechts-Links-Schema als überholt. Unter dem Schlagwort "Indidvidualisierung" (Ulrich BECK) wurde in den Sozialwissenschaften der aufkommende Neoliberalismus sozialdemokratisiert. Lebensstile galten seitdem als gesellschaftliche Basiseinheiten, denen politisch Rechnung getragen werden sollte. Klassengegensätze galten in der nivellierten Mittelstandsgesellschaft als überwunden. Die "neue Mitte" galt den Volksparteien als Maß aller Dinge.

Die Wiedervereinigung sorgte in Deutschland für den Siegeszug des progressiven Neoliberalismus, der mit Rot-Grün im Bund ab 1998 seine Hochphase erlebte. Bereits die Wiederwahl von Gerhard SCHRÖDER im Jahr 2002 brachte jedoch besorgte Bürger des rechten Spektrums auf die Palme. Der erste Wutbürger - lange bevor der Begriff geprägt wurde - war Arnulf BARING, der die Bürger auf die Barrikaden rief. Es drohten damals angeblich Weimarer Verhältnisse. Tatsächlich wurde damals aber die Hartz-Gesellschaft und die arbeitsscheue Unterschicht geboren. Geburtshelfer waren der Historiker Paul NOLTE und der Soziologe Heinz BUDE, die sich als Generation Berlin verstanden und die Bonner Republik endlich entsorgen wollten. Der Selbstunternehmer sollte als neue Symbolfigur die kleinbürgerliche Arbeitnehmergesellschaft der Bonner Republik ablösen. Damit war der Nährboden entstanden, der die Verrohung der Sitten vorbereitete, die direkt zu Thilo SARRAZINs Deutschland schafft sich ab und zur Radikalisierung des Wutbürgertums durch die AfD führte. Bereits im Jahr 2003 wurde auf dieser Website die Rückkehr der Klassengesellschaft prognostiziert. Denn ein Wandel des Wertewandels zeichnete sich damals bereits ab.

"Und wir anderen gehen zur Tagesordnung über"

Lange Zeit galt die AfD als kurzfristiges Intermezzo, die sich wie die rechtsextremen Kleinparteien der Vergangenheit selbst zerlegen oder vom Zeitgeist hinweggefegt werden. Die Vordenker der Berliner Republik - allen voran Heinz BUDE - redeten noch im Februar 2015 davon, dass Pegida ein folgenloses Intermezzo sein wird und nur wenige die AfD wählen werden. Die Kosmopoliten können dann endlich wieder zur Tagesordnung übergehen:

Wer ist Pegida? Die Selbstgerechten, die Übergangenen und die Verbitterten

"Aber was wird aus den Leuten, die sich hier in Dresden im Winter 2014/2015 Montag für Montag versammelt haben (...)? Ich glaube, einige von denen werden das tun, wozu sie immer schon tendiert haben: die NPD wählen. Es wird auch ein bestimmter Anteil die AfD wählen. Die allermeisten jedoch werden, das ist jetzt keine Erkenntnis, aber eine begründete Vermutung, ins Lager der Nichtwähler zurücksinken. Und sie werden es tun mit dem Gefühl eines verbitterten Verstummens. Sie werden in ihren Internet-Nischen recherchieren, sich böse Mails schreiben und sich die empfundenen Wunden lecken. Und wir anderen gehen zur Tagesordnung über".
(Theater Heute, März 2015, S.35)

Vier Jahre später werden dann im Osten drei Landtagswahlen stattfinden, die diese damalige begründete Vermutung gründlich widerlegen werden. Die Landtagswahlen hatten für die etablierten Parteien in erster Linie ein einziges Ziel: zu verhindern, dass die AfD stärkste Partei in einem der drei Bundesländer wird. Jenseits von Rechts und Links, sollte es nun um die Rettung der liberalen Demokratie gehen.

Liberale Demokratie gegen illiberale Volksherrschaft - eine Wahlkampfstrategie mit starken Nebenwirkungen

Die Wahlkämpfe waren gekennzeichnet durch Hyperpersonalisierung und ein "Anti-AfD-Bündnis" der etablierten Parteien, das zur Verteidigung der Demokratie gegen den Teufel in Person - Björn HÖCKE - antrat. HÖCKE trat zwar nur in Thüringen als Direktkandidat an, aber Teufels Statthalter hörten in Brandenburg auf den Namen Andreas KALBITZ und in Sachsen auf den Namen Jörg URBAN. Diese Dämonisierung des Spitzenpersonals sollte die AfD kleinhalten.

Die Grünen wurden schon weit im Vorfeld der ostdeutschen Landtagswahlen - nämlich nach der Bundestagswahl 2017 - zu natürlichen Gegenspielern der AfD stilisiert. Auf dieser Website wurde jedoch frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Bild unstimmig ist. Zuletzt wurde auf dieser Website im Juli 2019 auf die Schwächen der Grünen hingewiesen. Erst nach der Wahl in Thüringen, also nachdem die Grünen nur knapp an einer Katastrophe vorbeischrammten, verwies der Leiter des Parlamentsbüro der taz, Ulrich SCHULTE, darauf, dass dies ein Fehlschluss sei:      

Weniger inhaltliche Enge

"Die Ökopartei sonnte sich zu lange in der Gewissheit, der natürliche Gegenpart zu den Rechtspopulisten zu sein. Habeck verweist gerne auf eine neue Werteachse im Parteienspektrum: nicht mehr verstaubtes links gegen rechts, sondern liberal versus illiberal. (...).
Aber die Wahlen in Ostdeutschland haben dieses Narrativ widerlegt, oder ihm zumindest eine neue Ebene hinzugefügt. Der demokratische Antipode zur AfD hieß in Brandenburg Dietmar Woidke, in Sachsen Michael Kretschmer und in Thüringen Bodo Ramelow. Wer ein Zeichen gegen die AfD setzen wollte, wählte taktisch, nicht gesinnungsethisch - nämlich den starken Ministerpräsidenten."
(taz v. 07.11.2019)

Die Verteidiger der liberalen Demokratie haben sich einige Sprachregelungen zugelegt, um das schlechte Abschneiden in Ostdeutschland zu verharmlosen.

Wie die dramatischen Verluste der etablierten Parteien in Ostdeutschland verharmlost werden

Eine erste Strategie verweist auf die zahlenlose Unbedeutsamkeit der drei Ostländer. Bei Ulrich SCHULTE heißt es:

Weniger inhaltliche Enge

"Diese Wahlen taugen nicht für zugespitzte Thesen. Aus ihnen ein Ende des Höhenflugs im Bund abzuleiten, wäre eine Überinterpretation. Alle drei Ostländer haben zusammen nicht mal halb so viele Einwohner wie Nordrhein-Westfalen. Und die Grünen waren immer eine in Westdeutschland verwurzelte Partei. Eineinhalb Jahre Habeck und Baerbock machen aus einer grünen Diaspora nicht Baden-Württemberg."
(taz v. 07.11.2019)

Baden-Württemberg gilt unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried KRETSCHMANN als grüne Bastion. 2021 finden dort die nächsten Landtagswahlen statt und KRETSCHMANN will wiedergewählt werden. Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte die AfD dort 12,2 % (deutschlandweit: 12,6 %), was einer Verdopplung des Wahlergebnisses von 2013 entsprach. Und es war zugleich das zweitbeste Ergebnis in einem westdeutschen Bundesland. Im Jahr 2021 werden wir also wissen, ob Baden-Württemberg nicht das zweite Thüringen wird.

Eine zweite Strategie lautet: einfach zur Tagesordnung überzugehen und die AfD und ihre Themen zu ignorieren. Dieser Strategie unterliegt eine richtige Beobachtung, die Christoph HERWARTZ folgendermaßen beschreibt:

Wie die AfD zu stoppen wäre

"Spieltheoretisch betrachtet liegt eine (...) Erklärung nahe: Die AfD-Wähler haben konkrete Anliegen und bekommen ihren Willen selbst dann, wenn die AfD aus den Regierungen herausgehalten wird. Vier Beispiele verdeutlichen, wie das gelingt: Die AfD will erstens eine restriktivere Ausländerpolitik, zweitens eine stärkere soziale Absicherung, drittens die Veränderungen gering halten, die der Kampf gegen den Klimawandel mit sich bringt. Und sie will viertens den Betrieb des (...) politischen Systems zum Erliegen bringen. (...).
Jeder Wahlerfolg der AfD wirft in den Zentralen der Volksparteien wieder die Frage auf, wie man den eigenen Bedeutungsverlust aufhalten kann. Und die Antwort lautet immer wieder: »Machen wir Politik im Sinne der AfD-Wähler.«" Sage noch einer, die AfD-Wähler hätten nicht verstanden, was das Beste für sie ist! (...).
Wenn es die Rechtspopulisten schaffen, ihre Themen in den Vordergrund zu stellen, werden sie auch gewählt.
(Handelsblatt v. 04.11.2019)

HERWARTZ ist der Meinung, dass die politischen Parteien die Themen der AfD zu eigen machen und damit die AfD stärken. Das wird in ähnlicher Weise auch hier so gesehen. Doch irrt sich HERWARTZ, dass der AfD an einer stärkeren sozialen Absicherung gelegen ist. Die AfD ist sozialpolitisch gespalten und hält deswegen die sozialpolitische Position in der Schwebe. Es ist gerade die Offenheit für ganz unterschiedliche Strömungen, die von neoliberalen über nationalkonservative bis zu völkischen Politiken reicht, die die AfD für viele unterschiedliche Wähler attraktiv macht. Der Markenkern der AfD ist jedoch nationalkonservativ. Diese Klammer sorgt für die Anschlussfähigkeit der AfD bis in die Mitte der Gesellschaft. Der Irrtum von HERWARTZ ist ein anderer: Er meint, man könne einfach wieder zur Tagesordnung zurückkehren, wenn man nicht mehr die Themen der AfD bedient.

Das aber verkennt die strategische Absicht von großen Teilen der Parteistrategen: Es geht um den Versuch der etablierten Parteien die AfD auf den völkischen Flügel zu reduzieren, um die AfD dann entweder als neoliberal-nationalkonservative Partei ins Parteiensystem zu integrieren (eher die Absicht der CDU) oder aber als faschistisch stigmatisieren zu können (eher die Absicht von Grünen und Linkspartei). Erst dies sichert erstens die breite Aufmerksamkeit zugunsten der AfD und zum zweiten sichert es weiteren Zulauf, denn die etablierten Parteien stecken mitten in einer Zwickmühle des permanenten Ausnahmezustandes ("Rettung der Demokratie"), der langfristig der AfD mehr nützt als den etablierten Parteien. Solche Ausnahmezustände führen in der Regel schnell zu Ermüdungserscheinungen, die eine Mobilisierung erschweren.

Die dritte Strategie der Verharmlosung basiert auf der Zuschreibung als ostdeutsches Problem, das entweder aus der DDR-Vergangenheit oder aus den Nachwendeerfahrungen abgeleitet wird. Westdeutsche sind nach dieser Ansicht im Grunde immun gegen eine rechtsextremistische Partei wie die AfD. Tatsächlich sind die bisherigen Ergebnisse im Osten höher als im Westen. Dies scheint den Verfechtern dieser Richtung auf den ersten Blick Recht zu geben. Diese Sicht wäre jedoch nur zutreffend, wenn die AfD nur für überzeugte Rechtsextreme attraktiv wäre. Martin MACHOWECZ formuliert das in der Zeit folgendermaßen:

Mehr Ramelow wagen

"Es herrschen jetzt klare Verhältnisse. Höcke wählt man nicht aus Versehen. (...).
Wer in Thüringen für die AfD gestimmt hat, ist also entweder ein so wütender Protestwähler, dass er Höcke in Kauf nimmt. Oder er unterstützt ihn bewusst".

(Die ZEIT Nr.45 v. 30.10.2019)

Direkt gewählt wurde HÖCKE aber nur im Wahlkreis 1 Eichsfeld I. Dazu schreibt Daniel DECKERS:

Eine grundsätzliche Wechselstimmung

"(Im) Eichsfeld (...) konnten die beiden CDU-Direktkandidaten ihre Wahlkreise gewinnen, doch wählten in der Katholikenhochburg schlechthin mehr als zwanzig Prozent den AfD-Direktkandidaten Björn Höcke."
(FAZ v. 29.10.2019)

Das Eichsfeld umfasst zwei Wahlkreise. Lediglich im Wahlkreis des CDU-Siegers Thadäus KÖNIG wurde HÖCKE direkt gewählt. Mit 21,4 % der Stimmen blieb er nur knapp unter dem Parteiergebnis des Wahlkreises von 21,9 %, obwohl er als unbeliebtester AfD-Politiker gilt. HÖCKE stand jedoch auf der Landesliste auf Platz 1, d.h. selbst wenn die AfD nur 5,0 % der Stimmen erhalten hätte, wäre HÖCKE gewählt worden. Der CDU-Direktkandidat siegte jedoch mit fast absolutistischen 49,0 % der Stimmen. Der Politikwissenschaftler Wolfgang SCHROEDER formuliert den Sachverhalt in der taz dagegen etwas weniger mit dem Zeigefinger:

"Ein entscheidendes Kriterium ist die Handwerkerdichte"

"Ich gehe davon aus, dass die Hälfte der AfD-Wähler in Thüringen wirklich rechtspopulistisch bis rechtsextrem sind, die andere Hälfte sind eher unzufriedene Protestwähler."
(taz v. 04.11.2019)

Die Zuschreibung, dass es sich bei den AfD-Wählern entweder um Protestwähler oder rechtsextreme Überzeugungstäter handelt, beeinflusst die Berichterstattung in den Medien genauso wie die Parteistrategien und Wahlanalysen. Die Wahlkampfberichterstattung folgte in Brandenburg und Sachsen einem völlig anderen Skript als in Thüringen. Die Landtagswahlen in den ersten beiden Bundesländern fanden zeitgleich am 1. September statt, während die Wahl in Thüringen erst am 27. Oktober stattfand. Gerd LÖWISCH bringt dies in der taz auf folgenden Punkt:

Im Labor wird's spannend

"Während im Sommer vor den Wahlen in Brandenburg und Sachsen ein medialer Countdown lief, ist von Thüringen kaum die Rede.
Das hat Gründe. (...). Ein wenig ist die rot-rot-grüne Regierung (...) selbst schuld: Sie legte den Wahltermin (...) so spät wie möglich (...). Das Kalkül: Nach dem AfD-Schocker in Brandenburg und Sachsen profitieren wir von der Gegenmobilisierung. Jetzt wirkt es aber so, als wollten viele das Land (...) am liebsten wegschweigen".

(taz v. 24.10.2019)

Tatsächlich fand der thüringische Wahlkampf in der Medienberichterstattung fast ausschließlich in der Woche vor der Wahl statt und war auf die Spitzenkandidaten von Linkspartei und CDU ausgerichtet. Die grüne Spitzenkandidatin und Umweltministerin war auf Tauchstation, während der SPD-Spitzenkandidat Wolfgang TIEFENSEE mit dem Prestigeprojekt einer Batteriezellenfabrik in Arnstadt punkten sollte. Neben TIEFENSEE stand nur der einzige mögliche SPD-Direktkandidatensieg von Matthias HEY im Medienfokus. Das Gegenteil hatte sich in Sachsen abgespielt, wo der Landtagswahlkampfmarathon sozusagen kurz nach der Bundestagswahl 2017 mit der Ernennung von Michael KRETSCHMER zum Ministerpräsidenten startete (mehr hier). Die Brandenburg-Berichterstattung boomte schon allein aufgrund der Zugehörigkeit zur "Hauptstadtregion".

Neues Deutschland, die Parteizeitung der Linkspartei, lässt die Unterschiede der Wahlkampfberichterstattung besonders drastisch hervortreten. Während über die Wahlkreise in Brandenburg und Sachsen relativ ausführlich berichtet wurde, war die Berichterstattung über Thüringen sporadisch und in erster Linie auf den Ministerpräsidenten zugeschnitten. Tatsächlich ist hier der Begriff vom Totschweigen nicht fehl am Platze. Die Anschläge in Halle polarisierten die Endphase des Wahlkampfes in Thüringen zusätzlich.

Eine vierte Verharmlosungsstrategie zieht demografische Aspekte in die Deutung der Wahlerfolge ein. Abwanderung und Alterung sowie Schrumpfung gelten als Faktoren, die der AfD Wähler in die Arme treibt. Diese Faktoren treffen in erster Linie für den ländlichen Raum zu und kumulieren im Osten, der aufgrund der De-Industrialsierung und der damit verbunden Abwanderung insbesondere junger Frauen in den Nachwendejahren und Anfang des Jahrtausends sozusagen ausblutete. Zurückblieben vor allem junge Männer, die für den Rechtsextremismus anfällig waren. Im Westen dagegen sind die Verhältnisse weniger krass, wodurch die AfD hier (noch) weniger anschlussfähig ist. Diese Sicht wurde lange Zeit mit der Sozialfigur des Abgehängten gleichgesetzt. Doch dies greift zu kurz, denn in den abgehängten Regionen leben keineswegs ausschließlich Abgehängte oder sich abgehängt fühlende Menschen.

Hier könnten noch mehr Verharmlosungsstrategien aufgezählt werden, doch solche monokausalen Erklärungen des AfD-Erfolges greifen zu kurz, weil sich der AfD-Erfolg aus sehr vielen Quellen speist. In letzter Zeit sind Ansätze entstanden, die ein ganzes Faktorenbündel umfassen. Der bislang facettenreichste Ansatz stammt von Cornelia KOPPETSCH und wird im Buch Die Gesellschaft des Zorns ausgebreitet, das dieses Jahr erschienen ist.

Ein "neues" Narrativ will die symbolischen Kämpfe um eine neue Gesellschaftsordnung erklären

Lange galt die Vorherrschaft des kosmopolitisch geprägten progressiven Neoliberalismus als alternativlos. KOPPETSCH zeigt in ihrem Buch Gesellschaft des Zorns jedoch auf, dass diese Vorherrschaft durch eine - nicht nur nationale Gegenbewegung - bedroht ist. Die Soziologin, Jahrgang 1967, die somit der Generation Golf bzw. den Babyboomern zugeordnet werden kann, bringt die heutigen Kämpfe historisch mit den Werten von 1968 und 1989 in Verbindung. KOPPETSCH sieht in den gegenwärtigen Konflikten, deren Symptom die AfD ist, keinen schnell überwindbaren Konflikt, sondern eine neue Epoche politischer Konflikte. Dies wird folgendermaßen beschrieben:

Die Gesellschaft des Zorns

"Seit der Parteigründung der Alternative für Deutschland (AfD) im Jahre 2013 wurde in regelmäßigen Abständen deren nahender Untergang vorausgesagt (...), weshalb man den Einzug der AfD in den Bundestag im Jahr 2017 noch im Frühjahr desselben Jahres für schlechterdings unmöglich gehalten hatte. Indessen ist die AfD nicht nur kontinuierlich stärker geworden, sondern ist in einigen Bundesländern zur zweitstärksten Partei aufgestiegen und rangiert im Frühjahr 2019 in Umfragen wenige Prozentpunkte hinter der SPD. (...).
Der Aufstieg der neuen Rechtsparteien (...) widerlegt zum einen die modernisierungstheoretischen Gesellschaftserzählungen, die mehr oder weniger unausgesprochen davon ausgegangen sind, dass wir mit der Globalisierung in Bälde eine neue und letzte Stufe der Erweiterung gesellschaftlicher Großkörper auf eine höhere und inklusivere Einheit, d.h. auf die Ebene der Weltgesellschaft, erreichen würden. (...).
Der Aufstieg der Rechtsparteien widerlegt aber auch solche Gesellschaftsnarrative, die darauf hofften, dass eine neue globale Arbeiter- oder linke Antiglobalisierungsbewegung (zum Beispiel Occupy Wallstreet) dem über die Maßen ausbeuterischen und gefräßigen Kapitalismus bald schon einen Maulkorb verpassen könnte. Ganz im Gegenteil: Soziale Ungleichheiten sind heute größer denn je in der Geschichte der Bundesrepublik - gleichzeitig ist die effektive Macht der global agierenden Unternehmen und der Finanzindustrie ungebrochen.
Das utopische Denken selbst, das sich in Hoffnungen auf eine Weltgesellschaft und eine Abkehr vom neoliberalen Kapitalismus ausdrückte, scheint mit dem Aufstieg von Rechtsparteien (...). lahmgelegt. So ist im politischen Denken ein Vakuum entstanden. In allen politischen Lagern kann demgegenüber eine kollektive Rückwärtsgewandtheit beobachtet werden".

(2019, S.10f.)

Es ist unschwer zu erkennen, dass hier sowohl die Sicht des Dritten Weges von New Labour, für den Soziologen wie Anthony GIDDENS und Ulrich BECK stehen, und der eine kosmopolitische Weltinnenpolitik phantasierte, als auch die Sicht der linken Antiglobalisierungsbewegung aufgenommen werden. Das Narrativ, das KOPPETSCH entwickelt, stellt einen neuen Rahmen für das linksliberale Denken zur Verfügung, ist also keineswegs wertfrei. Es wird versucht die bisherigen Illusionen des linksliberalen Kosmopolitismus sichtbar zu machen und gleichzeitig einer neuen progressiven Weltsicht zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu wird ein Koordinatensystem entwickelt, das die - teils tabuisierten - Konflikte sichtbar machen soll. Bevor dieser Ansatz ausführlicher vorgestellt wird, soll jedoch noch einmal anhand der Wahlerfolge der AfD verdeutlicht werden, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die AfD nur eine Eintagsfliege ist.

Die Rasanz des Aufstiegs der AfD sollte zu denken geben

Eine erfolgreiche Etablierung einer neuen Partei in Bund und Ländern ist in der deutschen Nachkriegszeit eher die Ausnahme gewesen. In den 1980er Jahren schafften dies die Grünen, die das linksliberale Spektrum erweiterten. Der Vergleich mit den Grünen zeigt deutlich, dass die AfD in viel kürzerer Zeit Wähler hinzugewann. Die Parteigründung der Grünen erfolgte im Januar 1980. Der Einzug in den Bundestag im gleichen Jahr wurde verpasst. Erst im Jahr 1983 kamen die Grünen mit 5,6 % knapp über die 5-Prozent-Hürde im Bundestag. Lediglich im Jahr 2009 erreichten die Grünen im Bund knapp ein zweistelliges Ergebnis (10,7 %). Dagegen wurde die AfD - nur 4 Jahre nach ihrer Gründung - im Jahr 2017 mit 12,6 % drittstärkste Partei im Bundestag. Auf Landesebene traten die Grünen erstmals 1985 - also 5 Jahre nach ihrer Gründung - in eine Koalition auf Landesebene ein - und zwar in Hessen. Die Grünen hatten zudem mit Rückschlägen zu kämpfen. So verfehlten sie 1990 den Einzug in den Bundestag durch eigenes Verschulden. Die etablierten Parteien werden nicht müde, die Wahlerfolge der AfD kleinzureden. Die folgenden Tabelle zeigt die Entwicklung von Grünen und AfD bei zwei Bundestagswahlen und den ersten fünf Landtagswahlen seit Parteigründung:

Wahlen in Bund und Ländern Grüne AfD
Parteigründung 1980 2013
Erste Landtagswahl 1980: 5,3 % (Baden-Württemberg) 2013: 4,1 % (Hessen)
Zweite Landtagswahl 1980: 2,9 % (Saarland) 2013: Nichtteilnahme in Bayern
Dritte Landtagswahl 1980: 3,0 % (Nordrhein-Westfalen) 2014: 9,7 % (Sachsen)
Erste Bundestagswahl 1980: 1,5 % 2013: 4,7 %
Vierte Landtagswahl 1981: 7,2 % (Abgeordnetenhaus Berlin) 2014: 12,2 % (Brandenburg)
Fünfte Landtagswahl 1982: 6,5 % (Niedersachsen) 2014: 10,6 % (Thüringen)
Zweite Bundestagswahl 1983: 5,6 % 2017: 12,6 %

Bereits dieser kurze Abriss zeigt, dass linksliberale Parteien mit größeren strukturellen Problemen bei der Wählermobilisierung zu kämpfen haben als Parteien aus dem rechten Spektrum. Die Rückschläge in der Parteiengeschichte der Grünen zeigen zudem, dass Aufstiege nicht geradlinig verlaufen müssen. Wenn die etablierten Parteien nun herausstreichen, dass die AfD hinter die Ergebnisse früherer Wahlen zurückgefallen ist, dann ist das eine Verharmlosung der bundesweiten Tendenzen, die aus der folgenden Tabelle ersichtlich sind:

Bundesland Bundestag
2013
Europa
2014
LTW
2015
LTW
2016
LTW
2017
Bundestag
2017
LTW
2018
Europa
2019
LTW
2019
Sachsen 6,8 % 10,1 %       27,0 %   25,3 % 27,5 %
Thüringen 6,2 % 7,4 %       22,7 %   22,5 % 23,4 %
Brandenburg 6,0 % 8,5 %       20,2 %   19,9 % 23,5 %
Sachsen-Anhalt 4,2 % 6,3 %   24,3 %   19,6 %   20,4 %  
Mecklenburg-Vorpommern 5,6 % 7,0 %   20,8 %   18,6 %   17,7 %  
Deutschland 4,7 % 7,1 %       12,6 %   11,0 %  
Bayern 4,3% 8,1 %       12,4 % 10,2 % 8,5 %  
Baden-Württemberg 5,2 % 7,9 %   15,1 %   12,2 %   10,0 %  
Berlin 4,9 % 7,9 %   14,2 %   12,0 %   9,9 %  
Hessen 5,6 % 9,1 %       11,9 % 13,1 % 9,9 %  
Rheinland-Pfalz 4,8 % 6,7 %   12,6 %   11,2 %   9,8 %  
Saarland 5,2 % 6,8 %     6,2 % 10,1 %   9,6 %  
Bremen 3,7 % 5,8 % 5,5 %     10,0 %   7,7 %  
Nordrhein-Westfalen 3,9 % 5,4 %     7,4 % 9,4 %   8,5 %  
Niedersachsen 3,7 % 5,4 %     6,2 % 9,1 %   7,9 %  
Schleswig-Holstein 4,6 % 6,8 %     5,9 % 8,2 %   7,5 %  
Hamburg 4,2 % 6,0 % 6,1 %     7,8 %   6,5 %  

Die Abkürzung LTW steht für Landtagswahlen bzw. Bürgerschaftswahlen (Bremen, Hamburg) und Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin. Bei den drei Landtagswahlen in diesem Jahr erzielte die AfD jeweils ihr bestes Ergebnis in diesen Bundesländern. Dass die AfD bei der Europawahl 2019 schlechter abschnitt als bei der Bundestagswahl 2017 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bislang einen ungebrochenen Aufwärtstrend gibt.

Die AfD konnte zudem in Thüringen genauso viele Wahlkreise gewinnen wie die Linkspartei, die stärkste Partei wurde und den Ministerpräsidenten stellte. Trotz massiver Anti-AfD-Kampagnen konnte die AfD ein Viertel der Mandate erringen (11 von 44). Die beiden Websites, die Prognosen bereitstellten, sahen die Linkspartei dagegen vor den Wahlen bei doppelt so vielen Mandaten wie die folgenden Tabelle zeigt:

Tabelle: Vergleich von Wahlkreisprognosen mit Endergebnis
Ergebnis und Prognosen Linkspartei AfD CDU SPD
Vorläufiges Endergebnis 11 11 21 1
election.de
(25.10.2019)
21 3 19 1
wahlkreisprognose.de
(25.10.2019)
24 8 11 1
wahlkreisprognose.de
(20.10.2019)
22 10 11 1

In Brandenburg siegte die AfD sogar in 15 der 44 Wahlkreise. Die SPD, die dort den Ministerpräsidenten stellte, kam auf 25 Mandate. In Sachsen kam die AfD ebenfalls auf 15 Mandate. Jedoch gab es dort 60 Wahlkreise. Die CDU, die den Ministerpräsidenten stellte, kam auf 41 Mandate. In allen drei Bundesländern zusammen holten CDU (64) und AfD (41) fast 71 % aller Direktmandate. Das zeigt eine eklatante Schwäche der linksliberalen Parteien an. SPD (26) Linke (15) und Grüne (4) holten zusammen nur 45 Mandate. Das sind kaum mehr als die AfD.   

Die gesellschaftliche Neuordnung des sozialen Positionsgefüges durch den kosmopolitisch geprägten progressiven Neoliberalismus

KOPPETSCH geht im Buch Die Gesellschaft des Zorns von einem Epochenbruch aus, dessen Kumulationspunkt in Deutschland der Mauerfall von 1989 war und den Aufstieg der AfD begünstigte. Dieser Epochenbruch steht deshalb im Mittelpunkt des Buches:

Die Gesellschaft des Zorns

"Rechtspopulismus zeigt gewissermaßen einen »Strukturwandel« und einen »Mentalitätswandel« an, die durch einen politisch und gesellschaftlich bislang unbewältigten Epochenbruch ausgelöst worden sind. Diesen Wandel, der sich nicht plötzlich vollzogen, sondern etwa dreißig Jahre lang angebahnt und im Auftauchen des Rechtspopulismus lediglich einen vorläufigen Höhepunkt erfahren hat, aufzuspüren und zu erklären, ist die Zielstellung dieses Buches. (...).
Bei diesem Umbruch handelt es sich um die im Mauerfall kulminierende Neuausrichtung westlicher Gesellschaften von einer im nationalen Rahmen verankerten Industriemoderne hin zu einer Ordnung, die in diesem Buch als globale Moderne bezeichnet wird und die kulturell durch das Regime des progressiven Neoliberalismus abgestützt wird (Fraser 2017).

(2019, S.12ff.)

Mit dem Aufstieg des globalen Finanzkapitalismus und der Standortkonkurrenz als Druckmittel des Kapitals ist für KOPPETSCH zugleich der Aufstieg von global cities als kosmopolitische Machtzentren und der Abstieg der Peripherie verbunden:

Die Gesellschaft des Zorns

"Ein (...) Strukturmerkmal der globalen Moderne stellt der Aufstieg der global cities zu transnationalen Steuerungszentren dar (...). Diese sind Knotenpunkte einer neuen Geografie der Macht. (...). In der globalen Stadtlandschaft von Amsterdam bis Tokio, Frankfurt bis Paris, Philadelphia bis Rio de Janeiro ballt sich der gesellschaftliche Wandel in räumlicher Form. In diesen global miteinander vernetzten urbanen Zentren konzentriert sich die postindustrielle Gesellschaft der globalen Moderne in verdichteter Form, denn hier verschränken sich die globalen Dienstleistungszentren, die polarisierte Sozialstruktur von neuer transnationaler Mittelklasse und neuer Unterklasse sowie die Politik der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. In den großen Städten konzentriert sich ein Großteil hochqualifizierter Dienstleistungsarbeit (...). Gleichzeitig konzentriert sich hier auch ein Großteil der einfachen Dienstleistungsarbeit sowie der unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen. Die so aufgewerteten modernen Großstädte, besonders ihre Innenstädte, werden dabei zu Bühnen des neuen multikulturellen Urbanismus (...). Hier ist die ethnische Durchmischung Teil einer kosmopolitischen Kultur (...).
Spiegelbildlich zum Aufstieg metropolitaner Zentren ist es zur Entleerung und Verödung ganzer Landstriche in ländlichen Regionen, d.h. zur Herausbildung neuer Peripherien inmitten Europas, gekommen.
Aus den deindustrialisierten Gebieten etwa in Ostdeutschland und vielen Regionen Osteuropas sind immer größere Teile der aktiven Bevölkerung abgewandert - Arztpraxen, Schulen, Kindergärten und Geschäfte mussten schließen. Eine ähnliche Verödung von ländlichen Regionen zeigt sich auch in Frankreich in der größer werdenden Kluft zwischen den Metropolen und la France périphérique. Diese Trennlinien zwischen prosperierenden globalen Städten und schrumpfenden Peripherien haben Auswirkungen auf das kulturelle Selbstverständnis: Während sich die (...) Bewohner der global cities häufig schon (...) als postnationale Kosmopoliten begreifen, empfinden die Bewohner der schrumpfenden Regionen gerade die kosmopolitischen Werte (...) als Bedrohung. (...). In den entvölkerten Dörfern, aus denen junge Familien fortziehen und in den Läden und Infrastrukturen zunehmend verschwinden, wird der Zustrom durch Migranten daher nicht als Trost empfungen. Die Ankunft von Migranten verstärkt die demografische Melancholie in diesen Regionen und das Bedürfnis, zu den Strukturen des Industriezeitalters zurückzukehren."

(2019, S.16ff.)

Der geografischen Kluft zwischen Metropole und Peripherie entspricht eine zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich. KOPPETSCH spricht hier von einer "Transnationalisierung sozialer Ungleichheitsverhältnisse". Die nationale "Klassengesellschaft" wird in dieser Sicht um eine globale Oberschicht ("globales Oben") und eine globale Unterschicht ("globales Unten") in den urbanen Zentren erweitert. Das "transnationale Unten" beschreibt KOPPETSCH so:

Die Gesellschaft des Zorns

"Transnationalisierung ist (...) nicht mit Migration identisch (...). Transnational ist diese Klasse, weil sie faktisch nicht mehr unter dem Dach der nationalen Volkswirtschaft angesiedelt ist, auch wenn ein Teil ihrer Mitglieder alle Rechte der Staatsbürgerschaft genießt. Dieses transnationale Unten hat die traditionelle Arbeiterklasse abgelöst und ist weitaus heterogener, als diese es war. Es umfasst sowohl unterschiedliche geringqualifizierte bis gut ausgebildete Migranten wie auch gering- und de-qualifizierte einheimische Arbeitnehmer und setzt sich aus einfachen Dienstleistern, Randbelegschaften im industriellen Sektor, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern zusammen."
(2019, S.19)

Im transnationalen Unten treffen aufwärtsmobile Migranten aus der Mittelschicht des globalen Süden auf abwärtsmobile einheimische Geringverdiener, was den Sprengstoff in dieser Unterschicht aufzeigt. Zwischen dem transnationalen Oben und Unten verortet KOPPETSCH die auseinanderdriftenden, nationalen Mittelschichten. Dies beschreibt die Soziologin folgendermaßen:

Die Gesellschaft des Zorns

"Zwischen dem transnationalen Oben und dem transnationalen Unten befinden sich nun die noch in den nationalen Wirtschafts- und Wohlfahrtsraum eingebundenen Mittelschichten, deren Wohlstandsniveau nach wie vor umfassend von innerstaatlichen und nationalen Institutionen geprägt wird. Allerdings verlieren diese Gruppen zunehmend ihren gesellschaftlichen Einfluss. Über Lebenschancen und Ressourcenzuteilungen entscheiden immer weniger die klassischen Anwälte der Mitte, wie etwa die Gewerkschaften oder die Volksparteien, sondern globale Wirtschaftsverflechtungen sowie supra- oder transnationale Einrichtungen (...). Es zeichnet sich somit immer deutlicher eine zentrale Spaltungsachse innerhalb der Mittelschicht ab: Die akademisch ausgebildete urbane Mittelschicht wird zunehmend in die globale Oberschicht integriert, während die in den Regionen und Kleinstädten angesiedelte mittlere und untere Mittelsicht zunehmen in die Defensive gerät (...). Dies traditionellen Mittelschichtfraktionen können gewissermaßen als die unmittelbaren Nachfahren der »nivellierten Mittelschicht« der Industriemoderne gesehen werden."
(2019, S.20)

Diese Neuformierung des gesellschaftlichen Positionsgefüges bietet für die AfD nach Ansicht von KOPPETSCH ein Wählerpotenzial, das mobilisierbar ist:

Die Gesellschaft des Zorns

"Ehemals Privilegierte (...) sollen symbolisch entschädigt und von Neuem mit Macht und Einfluss ausgestattet werden. Angesprochen werden Gruppen und Individuen mit sehr unterschiedlichen Deklassierungserfahrungen: entmachtete Eliten, enttäuschte Familienväter, Ostdeutsche mit entwertenden Biografien oder ganz allgemein marginalsisierte Belegschaften und Berufsgruppen. Die unterschiedlichen Adressaten können dabei keiner einzigen Klassenlage zugeordnet werden, sie bilden vielmehr ein vertikales Bündnis unterschiedlicher zurückgefallener Gruppen. Allerdings sind nicht alle Deklassierten gleichermaßen durch Rechtsparteien mobilisierbar. Neben einer Abstiegs- oder Verlusterfahrung muss als eine weitere Bedingung auch eine kulturelle Entfremdung vorliegen: Die Anhänger der Rechtsparteien rekrutieren sich schwerpunktmäßig aus den konservativen Fraktionen in Ober-, Unter- und Mittelschichten, deren Wertorientierungen und Lebensformen durch den Aufstieg des Kulturkosmopolitismus an den Rand gedrängt worden sind."
(2019, S.24f.)

Der Glaubwürdigkeitsverlust der liberalen Demokratie als Nährboden der rechten Protestbewegungen

Anschließend an die politische Soziologie des französischen Ungleichheitsforschers Pierre BOURDIEU entwirft KOPPETSCH das Bild des kulturell entfremdeten Deklassierten, für den die politischen Angebote der AfD besonders attraktiv sind. KOPPETSCH beansprucht für ihre Sichtweise eine Distanzierung von der üblichen Gleichsetzung des kosmopolitischen Lebensstils mit dem einzig richtigen Lebensmodell, das sich als "moderner" bzw. "fortschrittlicher" inszeniert. Wer die früheren Äußerungen von KOPPETSCH kennt, der weiß, dass sie sich insbesondere zur kulturalistischen Sichtweise von Andreas RECKWITZ ("Die Gesellschaft der Singularitäten", 2017) abgegrenzt hat. Eine frühe Darlegung des Ansatzes findet sich im Artikel Aufstand der Etablierten? (Soziopolis v. 12.04.2017). Eine Abgrenzung zu RECKWITZ findet sich dagegen im Artikel Eine Welle der Nostalgie:

Eine Welle der Nostalgie. Die akademische Mittelschicht und die illiberale Gesellschaft

"Wenn (...) Andreas Reckwitz die Trägergruppen des Rechtspopulismus als Kulturalisierungsverlierer schildert, bedient er ein (...) dichotomes Muster der Welterklärung. Die Hinwendung zu partikularen Gemeinschaften erklärt sich für ihn vor allem daraus, dass diese in den spätmodernen Wettbewerben um Besonderheit zu kurz gekommen seien, weil sie über zu geringe Ressourcen verfügten, ihr Leben zu »kuratieren« (...) und infolge von Kränkungserfahrungen nun Zuflucht in identitären Gesellschaftsbildern suchen. In diese Betrachtung eingemeißelt ist die naturalisierende Bejahung einer hyperkulturellen Gesellschaftsordnung und die unverbrüchliche Überzeugung, dass liberale Politik- und Kulturmuster besser und fortschrittlicher seien."
 (Merkur Nr. 832, September 2018, S.54)

Buchlesern wird diese Auseinandersetzung vorenthalten, sodass der Eindruck entstehen könnte, dass KOPPETSCH sich inzwischen dieser Sichtweise angenähert hat, ohne dies offenlegen zu wollen. Bei der Verleihung des Bayerischen Buchpreises hat dies - wegen Plagiatsvorwürfen - zu einem Eklat geführt, den sich KOPPETSCH auch selber zuzuschreiben hat.

Als Angehörige der dominanten Klasse fällt eine Distanzierung natürlich schwer, weshalb hier auch die größten Defizite der Erzählung liegen. Nichtsdestotrotz werden einige Illusionen dieses Milieus aufgezeigt, statt den kosmopolitischen Lebensstil nur zu idealisieren. KOPPETSCH argumentiert nicht jenseits von Rechts und Links, sondern stellt das Rechts-Links-Schema in den Mittelpunkt der Analyse:

Die Gesellschaft des Zorns

"Die Anhänger rechter Bewegungen rekrutieren sich überwiegend aus sozial absteigenden Gruppen, deren Blick, anders als der sozial aufsteigender Gruppen, nicht primär nach oben, in Richtung der beneideten Eliten, sondern eher nach unten, in Richtung der aufholenden Neuankömmlinge gerichtet ist, deren tatsächliche oder vermeintliche Konkurrenz als illegitim empfunden wird. Demgegenüber rekrutieren linke Protestbewegungen ihre Klientele eher aus aufstiegsorientierten, aber im Aufstieg blockierten Gruppen und entzünden sich, konträr zu rechten Protestbewegungen, nicht an der Verteidigung bereits etablierter Rechte und Privilegien, sondern gegen die Etablierten Partei für die Neuankömmlinge.(...).
Charakteristisch für linke Protestbewegungen (...) ist der Protest aufstrebender unterprivilegierter Gruppen gegen Benachteiligungen oder Ausbeutungsverhältnisse durch herrschende Gruppen."

(2019, S.44)

Hier zeigt sich aber eine Unschärfe der Analyse, denn linke/rechte Parteien sind keineswegs identisch mit Protestbewegungen. Die Analyse stimmt also lediglich für die erste Phase, nämlich die Gründungsintentionen linker/rechter Parteien. Die Protestbewegungen der 1968er mündeten in die Gründung der Grünen als Reaktion auf die Unbeweglichkeit der SPD. Die Protestbewegung der 1989er mündeten dagegen in die Gründung der Partei AfD als Reaktion auf die Unbeweglichkeit der CDU/CSU.

Die Sicht von KOPPETSCH kann außerdem die Entstehung der Linkspartei und ihre Entwicklung nicht angemessen einordnen. Sie müsste sozusagen als Reaktion auf die Agenda 2010 und die Hartz-Gesellschaft als rechte Protestpartei gelten, da sie ihre Klientel aus abstiegsbedrohten Wählern rekrutierte, wird jedoch allgemein als links eingeordnet. In diesem Punkt macht es sich also KOPPETSCH zu einfach. Außerdem wird die liberale "Postpolitik" als implizit rechte Politik eingestuft:

Die Gesellschaft des Zorns

"Auch das Politische (...) befindet sich auf dem Rückzug. Die Idee der reflexiven Gestaltung des Sozialen (...) wurde zunächst aus dem Alltagsleben getilgt und schließlich auch in den politischen Institutionen durch eine Politik der Alternativlosigkeit zurückgedrängt. So (...) werden politische Entscheidungen mit großer Selbstverständlichkeit politischen Debatten entzogen, indem man sie mit wissenschaftlichem Expertenwissen begründet. Eine besonders ausgeprägte Form einer solchen »Postpolitik« zeigt sich in den Entscheidungsroutinen des Europaparlamentes, die sich fast vollständig den öffentlichen Blicken entziehen, weshalb die Europäische Union nicht ohne Grund oftmals auch als »Elitenprojekt« bezeichnet wird. An die Stelle demokratischer Entscheidungsfindung tritt also zunehmend eine primär auf Wissenschaft gestützte, welche Akademiker privilegiert und akademische Bildung zur Voraussetzung politischer Partizipation macht (...). Die daraus entstandenen Mentalitäten sind zwar nicht explizit rechts, doch enthalten sie eine spezifische Grundbotschaft: Die Gesellschaftsordnung ist nicht verhandelbar und verlangt unbedingte Anpassung und Unterordnung. Dies hat zu einem Glaubwürdigkeitsverlust liberaler Demokratien geführt und die Gesellschaft mit performativen Selbstwidersprüchen durchsetzt"
(...).
Rechts sind also nicht nur die rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen (...), rechts sind auch die gesellschaftlichen Tendenzen der Verhärtung, die eine Abwendung von der Idee der Gesellschaft und des Politischen implizieren. Diese sind nicht explizit, sondern implizit rechts und haben zur inneren Aushöhlung der liberalen Demokratie beigetragen."

(2019, S.56 und 59)

Für KOPPETSCH ist eine doppelte Repräsentationslücke im deutschen Parteiensystem entstanden, wobei die Grünen zur Partei der Kosmopoliten par excellence stilisiert werden:

Die Gesellschaft des Zorns

"Von ihrer einstigen Systemopposition ist (...) nicht mehr viel übrig geblieben. (...). Zudem profitieren die Grünen vom Aufstieg der AfD, deren direkte Antipode sie sind, da sie in keiner Weise Gefahr laufen, deren Themen zu übernehmen, sondern die Gruppe der kosmopolitisch-akademischen Mittelschicht in Reinform vertreten. Dessen ungeachtet zeigt sich, dass auch die Grünen (...) den Kampf gegen wachsende ökonomische Ungleichheiten kaum aufnehmen.
Sichtbar wird damit eine doppelte Repräsentationslücke im politischen Raum des bürgerlichen Parteiensystems: Zum einen haben sich die etablierten Parteien durch Übernahme wirtschaftsliberaler und kulturliberaler Positionen einander angeglichen (...) und zum anderen haben sie auch die soziale Frage, d.h. die Problematik wachsender sozialer Spaltungen, vernachlässigt. Statt Solidarität mit breiten Bevölkerungsschichten wie der Arbeiterschaft oder den traditionellen Mittelschichten herzustellen, konzentrieren sie sich zunehmend auf wirtschafts- und bildungsbürgerliche Eliten. Die sich dadurch öffnenden Flanken werden nun durch die Rechtspopulisten, die ihre Wähler sowohl in den sozial deprivierten unteren wie auch in den konservativen mittleren und oberen Schichten finden, besetzt."

(2019, S.79f.)

Weiter oben wurde bereits angedeutet, dass es nicht reicht, dass die Grünen sich als "Antipode" positionieren. Dies gilt umso mehr, wenn soziale Themen für die Wähler wichtiger sind als Öko-Themen. Hyperpersonalisierung und Polarisierung nützen nicht den Grünen, sondern den Parteien, die den Ministerpräsidenten stellen. Dieses taktische Verhalten der kosmopolitischen Milieus trifft dann besonders die kleineren Parteien. 

Die akademische Mittelschicht als Teil des Problems

Die linke, akademische Globalisierungskritik ist für KOPPETSCH blind für die eigene privilegierte Position und ihre Schlüsselstellung bei der Aufrechterhaltung des progressiven Neoliberalismus. Akademiker werden als Komplizen der herrschenden Ordnung beschrieben. Dies deckt sich mit der Sicht, die auf dieser Website bereits in den Nuller Jahren aufgezeigt wurde, wobei hier nicht von "akademischer", sondern von "oberer" Mittelschicht gesprochen wurde, denn schließlich haben nicht alle Akademiker eine Stellung in der obersten Führungsebene bzw. sind als "Sinn- und Kulturvermittler" tätig. Die Verteidigung der Privilegien durch Abgrenzung nach unten durch das "neue Bürgertum" wurde ausführlich beschrieben. KOPPETSCH formuliert das so:

Die Gesellschaft des Zorns

"Ein erhöhter Anpassungs- und Konformitätsdruck sowie ein verschärfter Zwang zur Selbstdisziplinierung sind der Preis, den die neue Mittelklasse für das Aufschließen in die herrschenden bürgerlichen Schichten zu zahlen hat. Doch wurde diese Anstrengung zuweilen von einem Klassenselbstbewusstsein begleitet, das erstens darin besteht, besser zu sein als die anderen - besser etwa als die kulturkonformistischen »Kleinbürger«, die »einfachen« Arbeitnehmer oder auch die »korrupten« Kapitalisten aus dem Finanzadel -, und zweitens impliziert, immer noch besser werden zu wollen (...). Wesentliche Teile der akademischen Mittelschicht avancierten zum neuen Bürgertum und wurden im Zuge der charismatierenden Selbstveredelung zum zentralen Agenten auch einer durch exklusive Lebensstile und hochpreisige Stadtquartiere forcierten sozialen Schließung, während die traditionelle untere Mittelschicht zunehmend in die Defensive gerät."
(2019, S.82)

Ein anderer Aspekt im Rahmen des progressiven Neoliberalismus ist die Herausbildung eines Elitenfeminismus, bei dem die Doppel-Karriere-Familie zum Maß der Dinge wurde, obwohl lediglich in der oberen Mittelschicht die dafür notwendigen Ressourcen vorhanden sind. Der ressourcenarme Doppelverdiener-Haushalt war jedoch alles andere als ein feministischer Fortschritt. Und die Doppel-Karriere-Familie erforderte zudem eine Dienerschaft bzw. soziale Infrastruktur, die uns von Gösta ESPING-ANDERSEN als Errungenschaft eines neu verstandenen Sozialstaatsverständnisses gepriesen wurde. Bei KOPPETSCH liest sich das so:

Die Gesellschaft des Zorns

"Unter der Ägide poststrukturalistischer Gender Studies (...) transformierte sich der Feminismus zunehmend in einen »bürgerlichen« Postfeminismus, der (...) allem die Frauen der akademischen Mittelschicht anspricht (...). So wird zum Beispiel der Doppelverdiener-Haushalt als feministischer Fortschritt präsentiert, doch bedeutet er für viele weniger privilegierte Frauen schwindende soziale und Arbeitsplatzsicherheiten. Denn eine wachsende Zahl »emanzipierter« Frauen ist nun bemüht, Haus- und Sorgearbeit auf andere Frauen, vor allem auf unterbezahlte Migrantinnen, abzuwälzen. Dies vergrößert die soziale Kluft zwischen Frauen unterschiedlicher Klassen und ihre unterschiedlichen Lagen treten umso schärfer hervor. Es bildet sich ein neuer Geschlechtervertrag, der die Bereitschaft zur Teilnahme am neoliberalen Marktregime als eine Art Feminismus-Ersatz versteht, dabei allerdings ausschließlich den Frauen aus den privilegierten, gebildeten Schichten nützt."
(2019, S.89)

Die Komplizenschaft von oberer Mittelschicht und Oberschicht bei der Vormachtstellung des progressiven Neoliberalismus und der Elitenfeminismus haben zur Vertiefung der Kluft in Sachen sozialer Ungleichheit beigetragen. Bereits im Buch Die Single-Lüge von Bernd KITTLAUS aus dem Jahr 2006 wird diese Problematik unter dem Stichwort einer Ökonomisierung des Sozialen gefasst. Es geht dabei um die Konturen der neuen Klassengesellschaft:

Die Single-Lüge

"4 Die Konturen der neuen Klassengesellschaft
In diesem Kapital stehen nun die Konsequenzen der beschriebenen Trends im Mittelpunkt. Wohin treibt unsere Gesellschaft? Zwei Eliten mit unterschiedlichen Vorstellungen über die Gesellschaftsordnung haben in der Vergangenheit die Entwicklung geprägt. Während die
»neue Mitte« den Trend zur Ökonomisierung des Sozialen vorangetrieben hat, zielt die »alte Mitte« auf die Biologisierung des Sozialen. Mit den neuen Werteeliten wird die treibende Kraft vorgestellt, die gegenwärtig eine neuen historischen Kompromiss anstrebt, der zu Lasten der Normalos geht. Und nicht zuletzt hat der flexible Kapitalismus mit seinen neuen Mobilitätsanforderungen Auswirkungen auf die Lebensformen.
4.1 Die Ökonomisierung des Sozialen
Mit der Ökonomisierung des Sozialen sind Strategien zur Vereinbarkeit von Beruf und Leben gemeint. Hier geht es um die Konsequenzen des postfeministischen Geschlechterarrangements, um die Frage, wer welche Dienstleistungen herstellt und bezahlt, und nicht zuletzt darum, welche Rolle dem Sozialstaat zukommt."
(2006, S.217)

Die angesprochenen beiden Werteeliten sind identisch mit jenen, die bei KOPPETSCH als Kontrahenten im Kulturkampf zwischen Kosmopoliten und Konservativen beschrieben werden. Im Buch Die Single-Lüge werden die Nationalkonservativen, also jener Teil, der in der AfD dominiert, als Verfechter einer Biologisierung des Sozialen beschrieben. Im Kapitel 4.1.1 wird die Auslagerung der Hausarbeit im Mitte-Milieu behandelt (vgl. 2006, S.217). Der Originalartikel ist hier zu lesen. Wenn von einem historischen Kompromiss der zwei Werteeliten gesprochen wird, dann bedarf dies einer Erläuterung, die zurückführt ins Jahr 2006.

Exkurs: 2006 - Das Jahr in dem die kulturelle Spaltung der Mittelschicht sichtbar wurde

Das Buch Die Single-Lüge erschien im Mai 2006, doch die Idee der Bilanz entstand angesichts der geplanten ersten Großen Koalition, die inzwischen nach rund 14 Jahren deutliche Erschöpfungsspuren zeigt. Diese damalige Situation ist zum einen hier anhand eines Tagebuchs der Buchveröffentlichung nachzulesen und zum anderen als Jahresrückblick. Im März 2006 erschien das Buch Minimum von Frank SCHIRRMACHER. Darin verteidigte der FAZ-Herausgeber die traditionelle Familie am Donnerpass und beschwor die Familie als Schicksalsgemeinschaft, die durch den progressiven Neoliberalismus dem Untergang geweiht sein sollte. Deutschland stand sozusagen am Abgrund und im Spiegel erschien damals die letzte große, aber gleichzeitig heftig umstrittene Titelgeschichte unter Matthias MATUSSEK, der sich unter Wölfen sah. Die Biografie von MATUSSEK liest sich ab 2006 wie ein Deklassierungsgeschichte. Bis 2008 war er noch Leiter des Kulturressorts des Print-Spiegels, aber bereits ab 2006 verlegten sich seine Aktivitäten immer mehr ins Internet. Eine letzte Heimat war dann die Springer-Presse. Selbst dort wurde er 2015 dann abserviert. Frank SCHIRRMACHER, der nie ein Vordenker war, aber ein Gespür davon hatte, wann es sich lohnte auf die fahrenden Debattenzüge aufzuspringen, um einen Bestseller zu landen, beendete mit Minimum seinen Ausflug in die Debatte um den demografischen Wandel und das einzig wahre Familienmodell. Erst 3 Jahre später erschien das Buch Payback, das sich mit dem Internet beschäftigte. Mit dem Tod von SCHIRRMACHER im Jahr 2014 verlor das FAZ-Feuilleton endgültig seine Bedeutung für die politischen Debatten der Gegenwart.

Auch die große Zeit des nationalkonservativen Bevölkerungswissenschaftler Herwig BIRG ging 2006 zu Ende. Mit seinem Buch Die demographische Zeitenwende (2001) war er in aller Munde. Das letzte breit aufgegriffene Buch war Die ausgefallene Generation (2005), das auf einem 10teiligen Grundkurs Demographie im SCHIRRMACHER-Feuilleton des selben Jahres basierte. Mit der Elterngeldreform, die im Juni 2006 vom Bundestag beschlossen wurde und Anfang 2007 in Kraft trat, war das letzte große Gefecht der alten Mitte gegen das neue Familienleitbild der Doppel-Karriere-Familie geschlagen. Die seit 2008 durchgeführten Mikrozensus-Erhebungen zur Kinderlosigkeit in Deutschland entzogen zudem der populistischen Propaganda à la BIRG den Boden. Heute ist BIRG der Säulenheilige der nationalkonservativen und völkischen Strömung in der AfD. Der aktuelle Wikipedia-Eintrag zu Herwig BIRG zeugt von seiner krassen Deklassierung, die praktisch einem medialen Tod gleichkommt. Zu seinen Debattenbeiträgen heißt es dort kurz zusammengefasst: "Im Rahmen seiner Debattenbeiträge zur demografischen Entwicklung in Deutschland warf Björn Schwentker Birg vor, in seiner Interpretation des demografischen Wandels zur Dramatisierung zu neigen." Dazu wird auf den ZEIT-Beitrag von Björn SCHWENTKER vom 8. Juni 2006 verwiesen.

In der Welt polemisierte deren nimmermüder Chefkorrespondent und Kolumnist Konrad ADAM gegen den progressiven Neoliberalismus und verteidigte mit Herwig BIRG die traditionelle Familie. 2007 war dort die Karriere des ehemaligen Feuilletonredakteurs der FAZ zu Ende. Mit seiner nationalkonservativen Gesinnung gehörte er dann 2013 zu den Gründungsmitgliedern der AfD. Solche Deklassierungsgeschichten in den Mitte-Medien zeigen den Bedeutungsverlust der konservativen Werteelite und deren Bedeutung für die Entstehung und Erfolgsgeschichte der AfD.   

Wenn RECKWITZ also die alte Mittelschicht als Kulturalisierungsverlierer beschreibt, dann spielt das Jahr 2006 die entscheidende Rolle. Damals gewannen die Verfechter einer Vereinbarung von Beruf und Familie die entscheidende Schlacht um die Neubestimmung der Familie in der Gesellschaftsordnung. Statt eines historischen Kompromisses der beiden Werteeliten, fand dann zuerst eine Kompromisslösung Light statt und schließlich die Auswanderung der deklassierten Werteelite zum Rechtspopulismus.

Kompromisslösung Light bedeutete, dass die Konservativen der CDU ihre letzte Bastion in der CSU fanden. Die heftige Debatte um die Einführung eines Betreuungsgeldes, die im Jahr 2013 stattfand, zeugt von dieser Phase. Die Einkassierung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2015 zeigt, dass der progressive Neoliberalismus seine Hegemonie nutzte, um das neue Familienleitbild erfolgreich zu verteidigen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Kulturkampf, der hier auf dem Felde des Familienleitbildes dargestellt wurde, und im größeren Kontext des demografischen Wandels zu sehen ist (Steigerung der Geburtenrate einheimischer Frauen contra Zuwanderung), zu einer kulturellen Spaltung zwischen neuer und alter Mittelschicht führte. Durch die von da an in Gang gesetzte Verdrängung der alten Mittelschicht mitsamt ihrer Werteeliten aus der politischen Debatte entstand eine zunehmende Repräsentationslücke im politischen System, die den Deklassierten ihrer Stimme beraubt hat. Die AfD kann deshalb aus diesem Wählerreservoir schöpfen.

Der linksliberale Mainstream in der Wissenschaft und seine Selbstgerechtigkeiten

Die Zeitdiagnose von KOPPETSCH ("Die Gesellschafts des Zorns") konkurriert mit dem kulturalistischen Ansatz von RECKWITZ ("Die Gesellschaft der Singularitäten") um die Deutungshoheit zum Stellenwert der akademischen Mittelschicht in der neuen Klassengesellschaft. Beide Gesellschaftsdeutungen setzen auf breite wissenschaftliche Anschlussfähigkeit. Sie beanspruchen die Erbschaft der Individualisierungsthese von Ulrich BECK in härteren Zeiten anzutreten. Im Buch Das Ende der Illusionen versucht RECKWITZ genauso wie KOPPETSCH eine Antwort auf den Rechtspopulismus der AfD zu geben, das der neuen, kosmopolitisch geprägten Mittelschicht die weitere Deutungshoheit sichern soll. Dabei berufen sich beide Autoren auf die Klassentheorie von Pierre BOURDIEU.

Doch wie bereits weiter oben angedeutet, gibt es dabei entscheidende Differenzen. RECKWITZ beschreibt ein "Drei-plus-eins-Klassen"-Modell, das den Rahmen für die klassischen Milieu- und Lebensstilvorstellungen bilden soll. Im Jahr 2004 wurde auf dieser Website bereits die Unzulänglichkeit dieser klassischen Milieu- und Lebensstilforschung angesichts der Hartz-Gesellschaft aufgezeigt. Dies ist auch in dem 2006 erschienenen Buch Die Single-Lüge nachzulesen (vgl. Kapitel 1.2.3 Eine Festschrift gegen den Strich gelesen, S.47ff.). Was bei RECKWITZ also als neuer Ansatz präsentiert wird, nämlich die Einhegung der Milieu- und Lebensstilmodelle durch eine Klassentheorie, kommt reichlich spät. RECKWITZ beschreibt diese Einhegung folgendermaßen:

Das Ende der Illusionen

"(Es) existiert innerhalb dieser Klasse eine erhebliche Bandbreite zwischen (...) Einkommen und Vermögen (...). Vor diesem Hintergrund dieser Bandbreite der Einkommen ist es vielmehr die Quantität und Qualität des kulturellen Kapitals, die der Lebensführung (...). ihre spezifische Form geben."
(2019, S.90f.)

RECKWITZ dreht sozusagen die soziale Frage um: Nicht die Verteilungsfrage (Einkommen und Vermögen) der traditionellen Klassentheorien, sondern der Habitus (BOURDIEU) der Lebensführung stellt die entscheidende Differenz der neuen Klassengesellschaft dar. Der Habitus wird für RECKWITZ in erster Linie durch das kulturelle Kapital bestimmt. Innerhalb des kulturellen Kapitals sieht er zudem den formellen Bildungsabschluss als entscheidend an. Eine solche Sicht schmeichelt zwar der Akademikerklasse, die er als neue Mittelschicht bezeichnet, aber die gesellschaftlichen Realitäten trifft das eher nicht. Diese extreme Kulturalisierung der sozialen Frage bricht an manchen Stellen auch bei KOPPETSCH durch, aber bei RECKWITZ macht sie den entscheidenden Unterschied einer Überhöhung der Kosmopoliten. RECKWITZ benutzt statt der Fahrstuhlmetapher (Ulrich BECK) eine Paternostermetapher, um die Dynamik der Klassenstrukturverschiebung zu beschreiben:

Das Ende der Illusionen

"An ihre Stelle (Anm.: nivellierte Mittelstandsgesellschaft) tritt sukzessive eine dreigliedrige Sozialstruktur, bestehend aus neuer Mittelklasse, neuer Unterklasse und - zwischen ihnen - der alten Mittelklasse, der Erbin der nivellierten Mittelstandsgesellschaft. Hinzu kommt on top die kleine Oberklasse der Superreichen. Die Dynamik der spätmodernen Sozialstruktur umfassen also zwei Richtungen: Nach oben steigt eine neue Mittelklasse aus der traditionellen Mittelklasse empor, nach unten fällt eine prekäre Klasse aus ihr heraus - wir befinden uns im spätmodernen Paternoster (...).
Die neue Mittelklasse, die zugleich eine Akademikerklasse ist, befindet sich im Zentrum aller drei (...) ökonomisch-kulturellen Wandlungsprozesse und stellt sich damit als die treibenden Kraft der gesellschaftlichen
Entwicklung der letzten Jahrzehnte dar. Sie ist die Trägerin der Bildungsexpansion ebenso wie der Postindustrialisierung (...). Zugleich ist sie die wichtigste Vertreterin des mit dem Wertewandel verknüpften Liberalisierungsprozesses. Auch die neue Mittelklasse ist weiterhin Mittelklasse (...). Zugleich verschiebt die neue Mittelklasse jedoch die gesellschaftlichen Maßstäbe dessen, was eine Lebensform der »Mitte« ausmacht.
(2019, S.86f.)

Diese Beschreibung der Auf- und Abstiegsprozesse innerhalb der neuen Klassengesellschaft ist gegenüber der Sicht von KOPPETSCH geradezu holzschnittartig und unterkomplex. In der Sicht von RECKWITZ wird das kulturelle Kapital zur Grundlage eines Überlegenheitsgefühls der Akademikerklasse, das materielle Unterschiede innerhalb der Akademikerschicht als unbedeutend erscheinen lässt. Einer solchen Sicht ist eine gewisse Herablassung zu eigen.

Dagegen entstehen für KOPPETSCH Risse innerhalb der Akademikerschicht, die nicht durch kulturalistische Überlegenheitsgefühle gekittet werden können. Formelle Bildungsabschlüsse sind keineswegs ein ausreichendes Distinktionsmerkmal gegenüber der alten Mittelklasse. RECKWITZ beschreibt einen Kulturkampf zwischen alter und neuer Mittelklasse, der sich zwischen der kosmopolitischen ("neue Mittelklasse") und der konservativen ("alte Mittelklasse") abspielt. Die Anfangsphase dieses sich lange abzeichnenden Kulturkampfes wurde in dem Buch Die Single-Lüge folgendermaßen beschrieben:

Die Single-Lüge

"In den vergangenen 20 - 25 Jahren hat sich in Westdeutschland ein neues Establishment der Mitte-Eliten herausgebildet. Inwieweit die Eliten aus den neuen Bundesländern zukünftig eine stärkere Rolle spielen werden, bleibt hier offen. Es geht mir um jenes Establishment, das sich historisch in den alten Bundesländern herausgebildet hat. Mit »alter Mitte« sind jene Milieus gemeint, die für die Adenauer-Republik prägend waren und deshalb in der CDU/CSU ihre parteipolitische Heimat haben. Mit »neuer Mitte« sind dagegen jene Milieus gemeint, die durch die Entwicklungen seit Mitte der 60er Jahre geprägt wurden. Ihren originären parteipolitischen Ausdruck haben sie in der Partei Der Grünen gefunden. Mit Gerhard Schröder ist die »neue Mitte« jedoch auch im Machtzentrum der SPD angekommen.
Zukünftig dürfte die Unterscheidung zwischen »alter« und »neuer Mitte« wesentlich weniger Sinn machen, denn hier wird die Position vertreten, dass gegenwärtig ein neuer politischer Konsens ausgehandelt wird, der zu Lasten der so genannten Normalos geht. Diese Allianz wird von mir auch als Bobokratie bezeichnet. In einer schwarz-grünen Koalition fände dieses Bündnis seinen originären Ausdruck. Schwarz-Rot wäre dann nur ein notwendiges Übergangsphänomen auf dem langen Weg zur schwarz-grünen Republik. Mit den beiden Elite-Positionen sind - und damit sind wir beim eigentlichen Thema - unterschiedliche Familienleitbilder verbunden. Daraus speist sich ein Kulturkampf um das einzig richtige Familienbild".
(2006, S.8f)

KOPPETSCH beschreibt den Kosmopoliten - wie in dem Buch Die Single-Lüge - als Bobo. Die Herrschaft der Bobos ist dann als "Bobokratie" zu bezeichnen:

Die Gesellschaft des Zorns

"Der Publizist David Brooks (2000) hat die hybride Kultur des neuen Bürgertums in einem Essay mit dem treffenden Titel »Bobos in Paradise« erstmals für die USA beschrieben. Demnach ist der Lebensstil der herrschenden Klasse der Gegenwart gleichermaßen von der bourgeoisen Welt des Kapitalismus und der Gegenkultur der Bohème geprägt."
(2019, S.214)

Während in dem Buch Die Single-Lüge zwar das Familienleitbild im Mittelpunkt stand, wird - wie weiter oben bereits angesprochen - doch auch der breitere gesellschaftliche Kulturkampf beschrieben, den RECKWITZ jedoch mit sozialstrukturellen und sozialräumlichen Aspekten verknüpft:

Das Ende der Illusionen

"Die alte - man könnte auch sagen: die traditionelle - Mittelklasse (...) war einmal das »Maß aller Dinge«, sie verkörperte »Mitte und Maß« (...). Inzwischen hat sie diese kulturell dominante Position jedoch eingebüßt. Plakativ gesagt: Die Gesellschaft und die Welt um einen herum hat sich extrem verändert, man selbst sich aber kaum. Angesichts des Aufstiegs der neuen Mittelklasse droht man gewissermaßen (...) kulturell, medial und politisch unsichtbar zu werden.
Die alte Mittelklasse umfasst vor allem Personen in mittleren beruflichen Positionen mit mittleren Bildungsabschlüssen: Facharbeiter, Angestellte mit Berufsausbildung, die klassische Büro- und Dienstleistungstätigkeiten ausüben, Beamtinnen im mittleren Dienst, selbständige Handwerker. Meist hat man keine Hochschule besucht, vielmehr oft einen Highschool-Abschluss, eine berufsspezialisierendes Baccalauréat, ein Fachabitur oder eine berufliche Lehre nach einem Haupt- oder Realschulabschluss. (...). Im Unterschied zur auf die Metropolregionen konzentrierten neuen Mittelklasse ballt sie sich in den Klein- und Mittelstädten sowie im ländlichen Raum. In der Regel sind dies auch die Herkunftsregionen: Die alte Mittelklasse ist ein sesshaftes Milieu (...).
Man hat den spätmodernen Wandel der Leitprinzipien vom Lebensstandard zur Lebensqualität inklusive der Singularisierung aller Lebensbereiche nur in geringem Umfang mitgemacht, Statusfragen sind hier im Kern weiterhin materielle Wohlstandsfragen. Statusinvestition, vor allem in die Entwicklung ökonomischer Ressourcen, prägt daher diese Lebensform. (...). Das Individuum verlangt von sich und anderen Disziplin (...). Dem eigenen Selbstverständnis zufolge setzt dies enge soziale Bindungen und Verpflichtungen voraus, und zwar häufig an jene und gegenüber jenen, für die man sich nur bedingt aktiv wählend entschieden hat: an die Familie - sowohl die Kleinfamilie als auch die erweiterte Familie.

(2019, S.97ff.)

Was im Buch Die Single-Lüge mit dem Begriff "Normalo" bezeichnet wird, das entspricht sozusagen der traditionellen Mittelklasse. RECKWITZ zeichnet jedoch aus Sicht der herrschenden Bobokratie ein Klischeebild dieses Sozialstruktursegments. Wer die Auswirkungen dieses Kulturkampfes wie der Verfasser dieses Beitrags auch aus dem eigenen beruflichen und privaten Alltag an der Schnittstelle beider Mittelklassen kennt, für den stellt sich die Angelegenheit anders dar als für einen Beobachter aus dem Elfenbeinturm der Kulturwissenschaften. Aber diese Geschichte würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. 

Während im Jahr 2006 von einer Alternative für Deutschland noch nichts zu sehen war, ist die schwarz-grüne Allianz als Zentrum des (noch unverbrüchlich scheinenden) Anti-AfD-Bündnisses inzwischen jedoch sichtbarer geworden. Diese Allianz ist - nicht ausschließlich - im Osten so schwach, dass sie einen erweiterten Mitte-Konsens erfordert. Kenia-Koalitionen können in diesem Sinne als Herrschaftssicherungspolitik der Kosmopoliten verstanden werden. Sowohl der neoliberalisierten SPD als auch der gesellschaftspolitisch nach links gerückten CDU/CSU drohen angesichts der Herausforderung durch die AfD jedoch weitere Wählerverluste. Sowohl für KOPPETSCH als auch für RECKWITZ ist der kulturell entfremdete Deklassierte die Zielgruppe der AfD.          

Das Wählerpotenzial der AfD: Der kulturell entfremdete Deklassierte

KOPPETSCH beschreibt eine neue horizontale, also klassenübergreifende Konfliktlinie ("Querfront"), nämlich jene zwischen Kosmopoliten und Konservativen. Zugespitzt formuliert tritt in der postindustriellen Gesellschaft die kreative Klasse mit ihrem marktaffinen Lebensstil an die Stelle "sozial verwurzelter Wissens- und Sinnorientierungen" der traditionellen Professionsethik. Luc BOLTANSKI & Eve CHIAPELLO ("Der neue Geist des Kapitalismus", 2003) und Richard FLORIDA ("The Rise of the Creative Class", 2000) stehen für diese neue kosmopolitische Geisteshaltung der Globalisierungsgewinner. Die Individualisierung der sozialen Ungleichheit wie sie für den entfesselten Kapitalismus typisch ist, setzt auf Eigenverantwortung statt auf traditionellen Sozialstaat. Jeder ist nunmehr seines Unglücks Schmied. In der neuen Klassengesellschaft werden Klassenkämpfe mittels klassenübergreifender Koalitionen ausgetragen:

Die Gesellschaft des Zorns

"Politische Kämpfe (...) sind nur dann wirksam, wenn sie Koalitionen zwischen unterschiedlichen Klassenfraktionen stiften, wenn sie also unterschiedlichen, aber strukturell verwandten Gruppen, die kein Wissen über ihre Gemeinsamkeiten haben, auch eine subjektive, für die beteiligten Akteure wahrnehmbare Realität geben und sie dadurch überhaupt erst als politisch handlungs- und konfliktfähige Aktionsgemeinschaft ins Leben rufen (...). Diese mobilisierte Klasse ist das Ergebnis eines symbolischen Kampfes um die Durchsetzung einer Sichtweise (..) welche (...) die Dominanz der kosmopolitischen Klassenfraktionen aus Mittel- und Oberschicht in Frage stellt."
(2019, S.130)

Die AfD wird in dieser Sicht als Sammelbecken für ganz unterschiedlich motivierte Wählergruppen beschrieben:

Die Gesellschaft des Zorns

"In der AfD finden sich Protestwähler, die ihrer Partei einen Denkzettel verpassen wollen. Dies sind wertkonservative, traditionalistische Wähler, denen die Unionsparteien nicht mehr konservativ genug sind (...). Genauso gehören auch rechtsradikale Gruppen zu Wählerschaft. (...). Nationalkonservativ gesinnte Mittelschichteliten und  »Wutbürger« gehen mit Globalisierungsverlierern und deklassierten Milieus, etwa den »Zurückgebliebenen« in den deindustrialisierten Regionen Ostdeutschlands und Nordrhein-Westfalens, eine politische Koalition ein."
(2019, S.131)

Deklassierung drückt sich für KOPPETSCH in abwärtsmobilen Flugbahnen aus, die relational (Zurückfallen innerhalb des Gesamtgefüges), dynamisch (Abwärtsmobilität im Zeitverlauf) oder kollektiv (Zurückfallen von Gruppen) verlaufen können. Gemeinsam ist ihnen die Wahrnehmung gefährdeter Privilegien. Solche abwärtsmobilen Flugbahnen sind weder mit ökonomischer Verschlechterung noch mit beruflichen Abstiegen gleichzusetzen, sondern können durch den Aufstieg anderer Gruppen oder symbolische Geltungs- bzw. Statusverlusten (siehe obigen Exkurs) verursacht werden. Diese Abwärtsflugbahnen können zudem in allen Klassenlagen stattfinden. Im Buch wird dieser Aspekt unterbelichtet, obwohl er doch eine zentrale Funktion im Erklärungsmodell einnimmt. Im Sammelband Soziale Ungleichheit der Lebensführung schreibt KOPPETSCH über das postindustrielle Bürgertum und die illiberale Gesellschaft. Dabei wird die alte (nationale) Mittelschicht folgendermaßen in drei Fraktionen unterteilt:

Das postindustrielle Bürgertum und die illiberale Gesellschaft

"Die alte Mittelschicht stellt (...) gewissermaßen ein Umschlagort der gegenwärtigen sozialstrukturellen Polarisierungstendenzen dar (Reckwitz 2017, S.367). Dies ist eine zwiespältige Situation: Zwar gibt es nach wie vor eine Fraktion, die sich verhältnismäßig stabil in der Mitte reproduziert (...). Eine zweite Fraktion blickt nach oben, ist am Vorbild des Lebensstils des postindustriellen Bürgertums orientiert und strebt den Weg der Qualifizierung durch Bildung an. In diese Fraktion gehören auch die halbakademischen Berufe (Semiprofessionen mit Fachhochschulabschluss) (...). Eine dritte Fraktion der Mittelschicht sieht sich gewissermaßen in einer Sandwich-Position, mit Abstiegsgefährdungen nach unten sowie Ressentiments nach unten und nach oben. Diese defensive Fraktion der alten Mittelschicht, zu der das Milieu der industriellen Facharbeiter und Fachangestellten zu rechen ist und deren berufliche Basis (...) geschrumpft ist (...), spürt sehr deutlich, dass sie (...) historisch ins Hintertreffen geraten ist.
Dieses Zurückfallen kann nicht allein an ökonomischen Faktoren, also an Einkommensverlusten oder Prekarisierungstendenzen   festgemacht werden (Koppetsch 2017a). Die Betroffenen selbst mögen sich gar nicht bewegt haben und haben aufgrund von Verschiebungen im Gesamtgefüge sozialer Lagen Positionsverluste hinnehmen müssen. Ein weiterer Aspekt des Zurückfallens besteht in der Entwertung von Entitlements: Die gesellschaftlichen Bewertungsmaßstäbe (...) haben sich geändert und die zu einem früheren Zeitpunkt erworbenen Lebensführungsmuster, Anwartschaften und Berechtigungen verlieren ihre Gültigkeit, geraten in Widerspruch zu den veränderten Ordnungen, wodurch die Betroffenen wesentliche Teile ihres »Kapitals« einbüßen. Statusverluste können auch aus dem Aufstieg bislang unterlegener Gruppen resultieren. Hinzu kommt, dass die traditionellen Milieus der Arbeitnehmermitte, die in den 1990er Jahren noch die klassische Mittelschicht repräsentierten (...) an den Rand gedrängt worden sind"

(2019, S.131)

Das hier genannte postindustrielle Bürgertum entspricht den globalisierten, kosmopolitischen Milieus. Die dritte Fraktion ist jene, die in dieser Sicht für die "regressiven" Angebote der AfD offen sind. Solche Deklassierungen sind aber wie gesagt keine hinreichende Bedingung, um die Angebote der AfD attraktiv zu finden. Hierzu müssen kulturelle Entfremdungserfahrungen ("Heimatlosigkeit") hinzukommen. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass bei KOPPETSCH materielle und kulturelle Aspekte zusammenwirken, wobei die materielle Dimension gegenüber der kulturellen Dimension zu sehr in den Hintergrund gerät.

Sowohl KOPPETSCH als auch RECKWITZ ziehen zur Beschreibung des AfD-Wählerpotenzials die SINUS-Milieus heran. Gemäß KOPPETSCH, die sich auf eine Studie der neoliberalen Bertelsmannstiftung bezieht, rekrutieren sich zwei Drittel der AfD-Wählerschaft aus dem konservativ-etablierten Milieu (11 %), dem traditionellen Milieu (14 %), der bürgerlichen Mitte (13 %), dem hedonistischen Milieu (13 %) und dem prekären Milieu (9 %). Die Prozentzahlen geben jeweils die Gesamtstärke des Milieus in Deutschland an. Die Kosmopoliten rekrutieren sich dagegen aus dem liberal-intellektuellen Milieu (7 %), dem Milieu der Performer (8 %), dem sozialökologischen Milieu (7 %), dem expeditiven Milieu (7 %) und dem adaptiv-pragmatischen Milieu (10 %). Daran lässt sich bereits erkennen, dass die Rekrutierungsbasis der AfD gesellschaftlich breiter angelegt ist, als diejenige des Anti-AfD-Bündnisses. Sollte der AfD also eine noch stärkere Mobilisierung der Nicht-Wähler gelingen, dann könnte das Anti-AfD-Bündnis schnell an seine Grenzen kommen.

Die materielle Dimension bleibt beim Fokus auf die symbolischen Kämpfe um die Hegemonie unterbelichtet

Es wäre falsch die soziale Frage auf die klassische Einkommens- bzw. Vermögensungleichheit ("Verteilungskonflikte") und die damit verbundene zunehmende Kluft zwischen Oben und unten zu reduzieren. KOPPETSCH widmet sich vorwiegend den kulturellen Hintergründen der Auseinandersetzungen zwischen Kosmopoliten und Konservativen. Dabei wird bei den Kosmopoliten zu sehr das Ideal der kosmopolitischen Lebensweise beschrieben. Dieses schmeichelt zwar dem Selbstbild der Kosmopoliten, wird aber den Widersprüchen zwischen Anspruch und Realität nur selten gerecht.

Eher in den Blick kommen dagegen die Konsequenzen der ökonomischen Grenzziehungen der Kosmopoliten, die durch Privatisierung der Daseinsfürsorge, Segregation und Gentrifizierung in den Großstädten gekennzeichnet sind. KOPPETSCH fasst dies unter den Begriff der sozialräumlichen Exklusivität und stellt den ökonomischen Grenzregimes der Kosmopoliten die politischen Grenzregimes der Konservativen entgegen:

Die Gesellschaft des Zorns

"Zu den wirkungsvollsten Grenzanlagen gehört die kapitalistische Ausrichtung des Lebensstils, denn das eigene Territorium wird primär im Modus ökonomischer Grenzen verteidigt. Kulturelle Offenheit wird somit kompensiert durch ein hochgradig effektives Grenzregime, das über Immobilienpreise und Mieten, über ein sozial und ethnisch hoch selektives Bildungswesen sowie über den Zugang zu exklusiven Freizeiteinrichtungen und Clubs gesteuert wird. Die Abgrenzung erfolgt nicht nach außen, sondern nach unten. Es sind vor allem die ökonomischen Privilegien, die wirkungsvolle Schutzräume gegenüber unteren Schichten und Migranten darstellen. Gut situierte und gebildete Migranten werden von den einheimischen Kosmopoliten als unproblematisch empfunden, sozial schwache und gering qualifizierte Migranten hingegen kommen in den privilegierten Quartieren gar nicht erst vor. Deshalb werden sie von den Bewohnern der kulturell homogenen Milieus auch gar nicht als Konkurrenten (...) wahrgenommen.
Das erklärt auch, warum sich Kosmopoliten für gewöhnlich nicht von Migranten irritieren lassen. Für Kosmopoliten in Berliner Bezirken wie Kreuzberg oder Prenzlauer Berg oder im Hamburger Schanzenviertel, die zumeist über exklusive Lebensräume und höhere Gehälter verfügen, besitzen fremdenfeindliche Anwandlungen schlicht keine lebensweltliche Grundlage. Migranten kommen in dieser Welt in zwei Gruppen vor: als hochqualifizierte, urbane »Expats«, die (...) einen Teil des transnationalen Oben bilden, oder aber als Vertreter des transnationalen Unten, d.h. als einfache Dienstleister - buchstäblich als »Diener« (...). Als Angehörige eines neuen Dienstleistungsproletariats (...) haben gering qualifizierte Migranten zwar ihren Arbeits-, aber eben nicht ihren Lebensmittelpunkt in den Vierteln der kosmopolitischen Mittelschicht. Sollten Zuwanderungen dennoch einmal Anlass zu Irritationen geben, etwa weil Migrantenkinder mit Sprachschwierigkeiten (...) in dieselbe Schulen gehen wie der hoffnungsvolle Nachwuchs (...), reagieren die betroffenen Eltern nicht selten (...) indem sie ihre Kinder (...) abmelden und sie in exklusive oder gleich in private Schulen schicken (...). Für zukünftige Familien wird das vermutlich gar nicht mehr nötig sein, da die polarisierende sozialräumliche Segregation in attraktive Wohngegenden und soziale Brennpunkte mit hohen Migrantenanteilen mittel- bis langfristig ohnehin für weitgehend homogene Schülerschaften sorgen wird.

(2019, S.244ff.)

KOPPETSCH zeigt auf, dass auf beiden Seiten der Kontrahenten mit Grenzziehungen gearbeitet wird, die Unerwünschte ausgrenzt, wobei sich jedoch die Unerwünschten unterscheiden. Auch hier werden wichtige Aspekte unterschlagen. Für die Akademiker sind Migranten nicht nur als Diener nützlich, sondern sie schaffen z.B. als Asylsuchende Arbeitsplätze in der Verwaltung und auf Behörden. Bildungsdefizite werden zu Arbeitsplätzen in den Bildungsinstitutionen. Auf diesen Aspekt des Sozialstaates als Sicherung akademischer Arbeitsplätze für Hochqualifizierte hat Berthold VOGEL in seinem Buch Wohlstandskonflikte aus dem Jahr 2009 bereits frühzeitig hingewiesen. Der Sozialstaat ist nämlich nicht identisch mit einem Sozialtransferstaat, als der er vorrangig in der Kritik steht, sondern ist als materielle Infrastruktur und Dienstleister gefragt. In dem Artikel Die Zurückgebliebenen, in dem es um die Bewertung der Fremdenfeindlichkeit im Osten des Jahres 2015 geht, schreibt KOPPETSCH:

Die Zurückgebliebenen

"Doch wer glaubt, der Westen Deutschlands sei gegen solche Entwicklungen gefeit, täuscht sich. Auch im Westen hat sich der Staat weitgehende zurückgezogen - insbesondere aus der Funktion der sozialen Absicherung. Wohlfahrt, Bildung, Gesundheit und selbst Arbeit sind inzwischen zu Gütern geworden, die der Staat nicht mehr fraglos zur Verfügung stellt, sondern von den Einzelnen erkämpft werden müssen. Dabei schneiden jene besonders schlecht ab, die Hilfe am dringendsten benötigen. Der westliche Staat genoss nur deswegen eine breite Zustimmung, weil er in der Vergangenheit immer wieder als Wohlfahrtsstaat auftrat. Viele Menschen wissen heute nicht mehr, warum sie einen Staat unterstützten sollen, der Wohlfahrtsgüter nicht halbwegs gerecht zur Verfügung stellt. Besonders gravierend scheint es da, wenn nun Leute mit Zuwendungen versehen werden, die vermeintlich nicht dazu gehören: Flüchtlinge und Migranten. Flüchtlingspolitik ist eben auch Sozialpolitik."
(Freitag Nr.35 v. 27.08.2015)

Hier zeigt sich bereits die Ausklammerung der Bedeutung des Wohlfahrtsstaates für das Akademikermilieu, denn es geht keineswegs nur darum, wer Hilfe in Anspruch nehmen darf, sondern auch darum, wer die Entscheider und Arbeitsplatzinhaber in der Sozialbürokratie sind. Der Paradigmenwechsel beim Sozialstaat vom sorgenden zum gewährleistenden Wohlfahrtsstaat, war und ist zugleich ein Motor für Aufstiegs- und Abstiegsprozesse insbesondere im Akademikermilieu. Was für die einen als "Umbau" oder "Paradigmenwechsel" erscheint, ist für andere ein "Abbau". Der aktivierende Sozialstaat belohnt in erster Linie die Akademikermilieus und ist damit ein zentraler Aspekt der neuen sozialen Ungleichheit. Diesem Aspekt wird bei KOPPETSCH nur ungenügend Aufmerksamkeit gezollt.  

KOPPETSCH erteilt zudem der Aufklärung vorschnell eine Absage, wobei der Aufklärungsbegriff offensichtlich sehr eng gefasst wird. Denn Aufklärung kann auch heißen, über die Mechanismen aufzuklären, die als unhinterfragte Selbstverständlichkeiten die politischen Debatten steuern.

Zukunftsorientierte Politik als Gegengift gegen die AfD?

Der Ansatz von KOPPETSCH läuft auf eine politische Angsttherapie hinaus, die sie folgendermaßen beschreibt:

Die Gesellschaft des Zorns

"Wie könnte eine demokratische Gefühlspolitik aussehen? Sicherlich wäre die beste Maßnahme gegen das in manchen Bevölkerungsgruppen grassierende Katastrophenbewusstsein das Betreiben einer zukunftsorientierten Politik, durch die sich allumfassende Bedrohungen in umgrenzte Risiken, diffuse Ängste in eine weitaus besser beherrschbare Furcht vor definierten Gefahren verwandeln ließen."
(2019, S.256)

Als Politikfelder werden der Klimawandel, der demografische Wandel und die Digitalisierung genannt. KOPPETSCH beklagt das Fehlen eines verbindlichen Zukunftsnarrativ und stimmt ein in den kosmopolitischen Fake-News-Chor, dass an die Stelle von Wissen "Meinungen, Ahnungen, Beschwichtigungen oder auch Verschwörungstheorien" getreten seien. Hier zeigt sich ein gewisser Widerspruch, dass einerseits die Expertokratie als Postpolitik beklagt wird, andererseits aber die Unstrittigkeit von Wissen angenommen wird.

Was aber, wenn ausgerechnet die Sehnsucht des kosmopolitischen Milieus nach Dystopien das eigentliche Problem ist? Ist es nicht gerade die mediale Hysterisierung des Klimawandels und des demografischen Wandels, die Ängste schafft und den politischen Ausnahmezustand auf Dauer zu stellen versucht?

Die Inkonsequenz linker Parteien als Problem

KOPPETSCH betrachtet die linke Kapitalismuskritik als zahnlosen Tiger, weil die Linken als Angehörige des kosmopolitischen Milieus selber zur Aufrechterhaltung der Gesellschaftsordnung beitragen:

Die Gesellschaft des Zorns

"Wenn die Rechtspopulisten Vorteile aus der prekären Lage der Deklassierten schlagen, was hält dann die linken Bewegungen davon ab, ihrerseits dasselbe zu tun? Die traurige Implikation der Tatsache, dass diese offensichtliche Frage nicht gestellt wird, ist, dass die kritisierten Klassentrennungen Teil einer Gesellschaftsordnung sind, die auch durch die Linken, so kritisch deren Haltung im Einzelnen auch sein mag, in letzter Konsequenz verteidigt wird."
(2019, S.255)

Betrachtet man die Wahlberichtserstattung in Thüringen, dann wird deutlich, dass diese Sicht keineswegs ganz aus der Luft gegriffen ist. Da wurde der thüringische Ministerpräsident Bodo RAMELOW als Charismatiker präsentiert, dessen Partei eher die SPD als die Linkspartei sein könnte. Die Linkspartei wiederum möchte als Teil der politischen Mitte wahrgenommen werden und ist verbittert darüber, dass sie von der CDU am "linken Rand" gesehen wird.

Die ostdeutsche Linkspartei gehört längst zum Establishment und hat ihre Rolle als Protestpartei - selbst in Sachsen, wo sie immer in der Opposition war - eingebüßt. Sozialdemokratie und Grüne sind dagegen längst Sprachrohr der kosmopolitischen Milieus, denen die soziale Frage abhanden gekommen ist. Stefan REINECKE fragt in der taz anlässlich der Wahl einer neuen Fraktionsspitze deshalb zu Recht:

Der Verfeindugnskomplex

"Kann die Linkspartei gleichzeitig gewerkschaftsnah, öko-hip und Traditionspartei Ost sein - oder muss sie eine dieser Rollen aufgeben?"
(taz v. 13.11.2019)

Infrastrukturpolitik ist mittlerweile ein Kernthema der sozialen Frage geworden. Doch die Neoliberalisierung der linken Parteien, die dadurch zu zentralen Akteuren der Privatisierung der Daseinsvorsorge geworden sind, hat dem Ansehen linksliberaler Parteien gewaltig geschadet. Re-Kommunalisierung wirkt deshalb als Eingeständnis des Politikversagens, aber nicht als zukunftsorientierte Politik. Die AfD profitiert letztlich auch vom Schlingerkurs der Linken, der wenig vertrauenserweckend ist.

Die Bedeutung lokaler Eliten als blinder Fleck

Die AfD ist insbesondere auch deshalb ernst zu nehmen, weil sie eine starke Verankerung im kommunalen Bereich - insbesondere in Ostdeutschland und den ländlichen Räumen - aufweist. So hat z.B. der sächsische Generalsekretär der CDU, Michael KRETSCHMER, seinen sicher geglaubten Wahlkreis bei der Bundestagswahl 2017 an einen bundespolitischen Nobody der AfD verloren. Der Politikwissenschaftler Wolfgang SCHROEDER sieht in der lokalen Elite einen wichtigen Faktor für den Wahlerfolg der AfD:

"Ein entscheidendes Kriterium ist die Handwerkerdichte"

"Im ländlichen Raum sind die beiden entscheidenden Kriterien für die Wahrscheinlichkeit von verstärkter AfD-Wahl der erhöhte Altenquotient und eine höhere Handwerkerdichte. (...).
Wen ich wähle, geht oft auf den Einfluss von Leuten zurück, die etwas zu sagen haben und für mich orientierend sind. Im ländlichen Raum sind das häufig auch Handwerker, Kleingewerbetreibende, die schon in der DDR eine wichtige soziale und kulturelle Rolle einnahmen. Diese Rolle spielen sie jetzt eigentlich wieder. Sie selbst haben aber für sich den Eindruck, ihre Leistung wird nicht so anerkannt, wie das ihrer Bedeutung entsprechen sollte, und sie fühlen sich vom Staat und den IHKs gegängelt. Deshalb suchen sie in einer Alternative zum Establishment eine Adresse für ihren Unmut.
"
(taz v. 04.11.2019)

Es wäre jedoch falsch, das Problem auf die "Handwerkerdichte" zu reduzieren, statt die gesamte Problematik in den Blick zu nehmen. So war der Gegenspieler von KRETSCHMER ein Maler- und Lackierermeister, der ehrenamtlich in der Politik der stark schrumpfenden Stadt Weißwasser tätig war. Die im Osten selbstherrlich regierenden Volksparteien haben es versäumt die parteipolitische Verankerung auf der kommunalen Ebene voranzutreiben. Auf tönernen Füßen sah daher die Journalistin Christine KEILHOLZ die sächsische CDU zu Recht (FAS 31.08.2018). Die gravierende Schwäche der CDU in Sachsen findet eine Entsprechung bei Rot-Rot-Grün, deren Direktwahlerfolge sich den Großstädten und deren Speckgürtel verdanken, während der ländliche Raum von vornherein als verloren angesehen wurde.

Zukunftsorientierte Politik als Leuchtturmpolitik - Das Beispiel Verkehrswende

Im ostdeutschen Wahlkampf versuchten die Parteien mit Leuchtturmprojekten Stimmen zu gewinnen. Dafür stehen zum einen das VW-Werk im sächsischen Zwickau, in dem die E-Mobilität vorangetrieben werden sollte, (mehr hier) und das geplante chinesische Batteriezellenwerk im thüringischen Arnstadt, dem insbesondere die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Vielzahl von Artikeln widmete:

Elektrisiert

"Das chinesische Unternehmen CATL, der größte Produzent von Batteriezellen für Elektroautos auf der Welt, will hier, eine halbe Autostunde von Erfurt entfernt, ein Werk bauen. Das erste außerhalb seines Heimatlandes. 60 Hektar Land (...) hat der Konzern dafür gesichert. Am 18. Oktober ist Spatenstich, Ende 2021 sollen die ersten Batteriezellen in Arnstadt entstehen. (...).
Die Investition (...) wurde im Sommer vergangenen Jahres im Rahmen der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen verkündet. Damals war erst von 240 Millionen Euro die Rede. Doch seitdem ist viel passiert. (...). So kommt es, dass CATL sein Investitionsvolumen immer weiter aufgestockt hat. 1,8 Milliarden Euro sollen jetzt in die Fabrik
fließen, soll die größte dieser Art in ganz Europa werden. Die Frage ist: Was macht so eine große Investition mit einer kleinen Stadt wie Arnstadt? (...) (Eine) beschauliche 28.000-Einwohner-Stadt mit ihrem Marktplatz, den vielen Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflastergassen. Dort, mitten in der Altstadt, liegt das Büro von Frank Spilling. Der 47-Jährige ist seit anderhalb Jahren Bürgermeister der Stadt (...). Sieben Fraktionen sind im Stadtrat vertreten. Bei der Gemeinderatswahl im Mai diese Jahres bekam die Initiative »Pro Arnstadt« mit 24,7 Prozent die meisten Stimmen, gefolgt von der AfD und der CDU. Spilling selbst war mal Mitglied der CDU, aber das ist lange her. »Heute hilft es eher, wenn man parteilos ist«, sagt er. (...).
Der große Vorteil der Stadt: Sie liegt strategisch günstig. Das Erfurter Kreuz ist nicht weit entfernt (...). Zur Attraktivität der Region trägt auch bei, dass Erfurt seit zwei Jahren einer der wichtigsten Knotenpunkte im ICE-Netz der Deutschen Bahn ist. (...). Auch der Weg zum BMW-Werk in Leipzig ist nicht weit. Es ist kein Zufall, dass der Münchner Autohersteller der erste Kunde war, mit dem CATL einen Vertrag über Batteriezellen aus dem neuen Werk abgeschlossen hat. Auch mit Bosch und Volvo sind Kooperationen vereinbart. (...). Bis zu 2.000 Arbeitsplätze sollen in dem Werk entstehen"

(Julia Löhr in der FAZ v. 11.10.2019)

Das Prestigeprojekt sollte der SPD zu Stimmen verhelfen. Doch wie das E-Mobilitätsprojekt in Sachsen half das Projekt der SPD auch in Thüringen nicht, sondern der Wahlkreis fiel an die AfD. Ob diese Leuchtturmprojekte in der Zukunft die Stimmung wenden können, ist zweifelhaft.

Das E-Auto ist kein Beitrag für eine nachhaltige Verkehrswende, von der breite Bevölkerungsschichten profitieren würden. Insbesondere SPD, Grüne und Linkspartei beteuern gerne, dass sie den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) vorantreiben möchten, doch das schlägt sich in der Wahlkampfberichterstattung und den Koalitionsvereinbarungen nicht angemessen nieder. Entgegen allen Beteuerungen stellt der Autoverkehr in Deutschland im ländlichen Raum mehr als zwei Drittel des aufkommenden Verkehrs dar. Selbst in den Großstädten kommt der ÖPNV-Anteil nicht einmal auf 20 Prozent (vgl. Monique DORSCH, "Öffentlicher Personennahverkehr", 2019, S.16)

Im Gegensatz zu den Leuchtturmprojekten, bei denen Verlagerungen ins Ausland die Regel sind, wenn die Profite bzw. Subventionen nicht mehr stimmen, sichern Arbeitsplätze im Bereich des ÖPNV auch langfristig den Standort Deutschland. Bei Monique DORSCH heißt es:

Öffentlicher Personennahverkehr

"Nicht zu vernachlässigen ist die Bedeutung des ÖPNV als Wirtschafts- und Standortfaktor. Viele der direkt bzw. indirekt aus dem ÖPNV resultierenden Arbeitsplätze weisen eine regionale Bindung auf und können somit nicht ins Ausland verlagert werden..
Auch die Produktion von Fahrzeugen für den ÖPNV hat Auswirkungen auf die Beschäftigung. Durch die Herstellung von Kleinserien, die auf spezielle Anforderungen von Betreibern und genehmigenden Behörden angepasst werden, ist ein Automatisierungs- bzw. Standarisierungsgrad wie in der Automobilindustrie nicht möglich. Zudem ist die Instandhaltung der Fahrzeuge sowie der auch der Infrastruktur beschäftigungsintensiv."

(2019, S.16)

Mit dem Ausbau des ÖPNV lässt sich zudem die Wohnungsknappheit in den Metropolen verringern. Die im sächsischen Zwickau lehrende Professorin DORSCH zeigt an 25 Fallbeispielen die Spannbreite zukünftiger ÖPNV-Konzepte auf. Dazu gehören auch sächsische Beispiele aus Chemnitz, Dresden und dem Vogtland, die nicht nur modellhaft sind, sondern auch zeigen, dass Sachsen besonderen Nachholbedarf in Sachen ÖPNV hat.

Die Autorin geht - für das Autoland Deutschland typisch - davon aus, dass der Autonutzung bei den Älteren nur finanzielle Gründe entgegenstehen. Der ÖPNV ist in dieser autozentrierten Sicht lediglich ein Verkehrsmittel derjenigen, die keine andere Wahl haben ("Zwangskunden"). Dem ÖPNV wird in Großstädten und Ballungsräumen lediglich aufgrund von Umwelt- , Landschafts- und Ortsschutz eine Attraktivitätskrise zugeschrieben.

Die Zukunft des ÖPNV wird in dieser vergangenheitsfixierten Verkehrswirtschaftslehre also analog zur derzeitigen urbanen Standortlogik gesehen und die Vernachlässigung des ländlichen Raums festgeschrieben. Es wird zum einen von fortschreitenden Schrumpfungsszenarien und zum anderen von lediglich ökologisch erzwungenen Veränderungen im Verkehrsnutzungsverhalten ausgegangen. Beides könnte sich als Trugschluss erweisen. Bereits die Entwicklungen der vergangenen 20 Jahre hätte es nach Prognosen nicht geben dürfen. ÖPNV-Pläne haben jedoch massive Auswirkungen auf das Verkehrsnutzungsverhalten sowie Rückwirkungen auf das Wohnverhalten.

Fazit: Was in Deutschland auf dem Gebiet der Verkehrswende geschieht, ist alles andere als eine zukunftsorientierte Politik. Die Leuchtturmpolitik wird - wenn nicht alles täuscht - die Probleme weiter verschärfen, statt die Lage zu entspannen. Die Gefahr, dass hochgesteckte Erwartungen durch die Wahlversprechen enttäuscht werden, ist groß. Die etablierten Parteien haben sich damit lediglich Zeit erkauft. Bei den nächsten Wahlen werden sie danach beurteilt werden, was geliefert wurde.  

Fazit: Desillusionierungen im kosmopolitischen Milieu und die Erfolge der AfD sind Warnhinweise, dass es nicht weitergehen kann wie bisher

Die Lehren, die gegenwärtig aus den Erfolgen der AfD in den drei ostdeutschen Bundesländern gezogen werden, beschränken sich auf die Verharmlosung. Das reicht vom "Zurückkehren zur Tagesordnung" über die Reduzierung der AfD auf den völkischen Flügel mitsamt den fatalen Nebenwirkungen bis zur Negierung der Bedeutsamkeit der Erfolge für die gesamtdeutsche Parteienlandschaft. Ostdeutschland gilt den westdeutsch geprägten Parteien als Versuchsanstalt, um dort neue Machtsicherungsformen auszuprobieren. Hier dagegen wird argumentiert, dass Ostdeutschland eher drohendes Unheil für Gesamtdeutschland ankündigt.

Es ist nicht zu erwarten, dass die AfD sich von selbst erledigen wird, denn sie unterscheidet sich von den rechtsextremen Kleinparteien der deutschen Vergangenheit dadurch, dass sie ihr Wählerpotenzial selbst in der gesellschaftlichen Mitte findet. Viele der Parteimitglieder und -funktionäre der AfD kommen gar aus den etablierten Parteien, allen voran der CDU. In Thüringen wird voraussichtlich nach Sachsen-Anhalt die nächste Minderheitsregierung im Osten die Regierungsgeschäfte übernehmen. Das Magdeburger Modell war alles andere als ein Erfolg. In Sachsen-Anhalt regiert seit dem Ende der Minderheitsregierung eine Kenia-Koalition wie sie nun auch in Brandenburg und Sachsen geplant ist. Sachsen-Anhalt ist zudem das erste ostdeutsche Bundesland, das durchgehend als gefährdet gilt. Für Thüringen gilt das für drei Viertel der Raumordnungsregionen.

In Westdeutschland wähnt man sich dagegen - insbesondere aus demografischen Gründen - auf der sicheren Seite. Doch auch in Westdeutschland hat die AfD bereits in der Hälfte der Flächenländer zweistellige Ergebnisse bei Landtagswahlen erreicht - allen voran mit 15,1 Prozent in Baden-Württemberg, das seit 2011 vom grünen Ministerpräsidenten Winfried KRETSCHMANN regiert wird.

Dem kosmopolitischen Milieu, das den herrschenden progressiven Neoliberalismus prägt, ist nach und nach die Glaubwürdigkeit abhanden gekommen. Erste Risse in diesem Lager deuten darauf hin, dass die Zeit vorbei ist, wo man sich in den eigenen Illusionen ungestört sonnen konnte. Unter dem Motto Die netten Jahre sind vorbei wurden auf dieser Website bereits die Verarbeitungen von Desillusionierungen im Akademikermilieu auf eine Formel gebracht. Im Jahr 2010 wurde das neue Klassenselbstbewusstsein der kosmopolitischen Akademiker der Babyboomer-Generation ("Generation Leistungsträger") und die Abgrenzung zur Unterschicht in den Mittelpunkt gestellt. Im Jahr 2011 wurde dann anhand des Buchs Knochenarbeit die "Krise der Mittelschicht" und die "neue Bürgerlichkeit" sowie die Verschärfung der Abgrenzung zur Unterschicht thematisiert. Ebenfalls im Jahr 2011 wurden anhand des Buchs Echtleben die Deutungs- und Bewältigungsmuster der akademischen Karrierefrau angesichts einer Lebenskrise in Zeiten von Hartz IV sichtbar gemacht. Im Jahr 2017 folgte dann anhand der Bücher Rückkehr nach Reims und Proleten Pöbel Parasiten wie sich erfolgreiche soziale Aufsteiger in die Akademikerschicht in Zeiten des Erfolgs rechtspopulistischer Parteien zu ihrer Herkunft positionieren. Das Buch von Didier ERIBON wird gerne einer nostalgischen Rückwendung zugerechnet, doch es zeigt vielmehr die Veränderung der Aufstiegsmöglichkeiten an. Die vier Texte können als Vorgeschichte dessen gelesen werden, was bei KOPPETSCH und RECKWITZ nun als Kulturkampf zwischen Kosmopoliten und kulturell entfremdeten Deklassierten beschrieben wird. Dabei zeigt sich, dass zwischen dem Ideal des kosmopolitischen Lebensstils und der konkreten Lebenspraxis der Akademikerschicht durchaus Welten liegen können, die in den Zeitdiagnosen zu kurz kommen. Desillusionierungen im kosmopolitischen Milieu resultieren eben keineswegs nur aus den rechtspopulistischen Erfolgen, sondern bereits aus der problembehafteten Alltagsbewältigung.

Die Desillusionierung durch den rechtspopulistischen Erfolg der AfD wird bei RECKWITZ zur Chance eines "einbettenden Liberalismus". In der Nachkriegszeit hieß das schlicht Ordoliberalismus. Neoliberalismus hieß damals noch "Laissez-faire-Liberalismus". RECKWITZ spricht von einer "Überdynamisierungskrise" und fordert ein neues "Regulierungsparadigma". RECKWITZ verortet seine Sicht zwischen einem naiven Fortschrittsglauben und nostalgischer Rückwendung. Für RECKWITZ ist die Zukunft ungewiss und hängt von der weiteren ökonomischen Entwicklung ab. Er entwickelt deshalb drei mögliche Szenarien (vgl. S.131ff.): zum einen eine weitere Verschärfung der Polarisierung zwischen Bildungsgewinnern und -verlierern. Zum anderen eine Abstiegsgesellschaft, in der auch Bildungszertifikate nicht mehr vor Abstiegen schützen und zuletzt eine positive Sicht der sozialstrukturellen Entwicklung, die zu einer neuen liberalen Allianz im Zeichen eines einbettenden Liberalismus führt. Diese Sicht soll hier ans Ende gestellt werden, weil sie beispielhaft für das kosmopolitische Suchen nach einem politischen Ausweg steht:

Das Ende der Illusionen

"Ein drittes Szenario geht von (...) einem Schrumpfen der prekären Klasse und einer Stabilisierung der alten Mittelklasse bei gleichzeitig weiterhin expansiver neuer Mittelklasse. Dies wäre ein Szenario der Integration der bisherigen Unterklasse und eines neuen historischen Kompromisses zwischen den beiden Mittelklassen. Die treibende Kraft eines solchen Prozesses könnte zum einen die demografische Entwicklung insbesondere in Europa sein: Der Arbeitskraftmangel, der sich in den nächsten Jahrzehnten angesichts der niedrigen Geburtenraten anbahnt, könnte viel der Arbeiten der service class und der traditionellen Mittelklasse als gesellschaftlich wertvoller erscheinen lassen, als das bisher der Fall war. Dies könnte sich nicht nur materiell auswirken, sondern auch einen Zugewinn an Prestige bedeuten. Zu einer solchen Entwicklung könnte auch ein entsprechender Paradigmenwechsel der staatlichen Politik beitragen, der versucht, die Unterklasse zu »entprekarisieren« und - in Reaktion auf den rechten Populismus - einen Ausgleich zwischen den Kosmopoliten der neuen Mittelklasse und den Kommunitariern in der alten Mittelklasse schaffen. Hier wäre ein politischer Paradigmenwechsel in Richtung eines - wahlweise stärker progressiv oder stärker konservativ konnotierten - »einbettenden Liberalismus« gefragt, der die Symbiose von Neoliberalismus und Linksliberalismus hinter sich lässt. Für diesen Pfad könnten im politischen System der Zukunft die Konservativen und die Sozialdemokraten doch wieder eine wichtige Rolle spielen."
(2019, S.132f.)

 
     
 
       
   

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webmaster@single-generation.de Erstellt: 13. November 2019
Update: 13. November 2019