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Kommentierte Bibliografie

 
   

Multilokalität in Deutschland

 
   

Eine Bibliografie der Debatte um Living apart together, Fernbeziehungen und Paare ohne gemeinsamen Haushalt

 
   
     
 

Einführung

Die Multilokalitätsforschung ist eine neue Forschungsrichtung, die die in den 1980er Jahren beginnende Debatte um die Single-Gesellschaft aufgreift und den unfruchtbaren Single-Begriff, der nicht zwischen Partnerlosen und Paaren unterscheidet, differenzierter betrachtet. Auf dieser Website wurde die Unbrauchbarkeit des Single-Begriffs von Anfang an kritisiert. Mit Beiträgen zu Alleinlebenden und Einpersonenhaushalten wurde auf die Mängel der "Single"-Statistik hingewiesen. Erst in den 1990er Jahren kamen Paare ohne gemeinsamen Haushalt als Living apart Together (LAT) oder Fernbeziehungen genauer in den Blick. Die Multilokalitätsforschung weitet nun diesen Blick nochmals aus, in dem sie alle multilokalen Arrangements (manche sprechen auch von translokalen Arrangements) erforscht. Paare ohne gemeinsamen Haushalt werden jedoch weiterhin vernachlässigt. Mit dieser Bibliografie soll diese Debatte der vergangenen Jahrzehnte nachvollziehbar gemacht werden.

Kommentierte Bibliografie

TA (2001): Eine Liebe für den Sonntag.
Mobilität, Flexibilität, das wünschen sich viele Firmen von ihren Mitarbeitern. Rund 80.000 Thüringer pendeln zur Arbeit in Nachbar-Bundesländer. Manchmal ziehen sie der Arbeit auch weit hinterher. Dann muss die Liebe, muss die Familie warten - meist bis zum Wochenende,
in: Thüringer Allgemeine v. 18.06.

WILHELM, Ulrike (2001): Flieg in meine Arme.
Wieviel Nähe braucht die Liebe? Wie viel Distanz kann sie ertragen? Vier Paare, die zwischen 15 und 6500 Kilometer auseinander leben, erzählen von Sehnsucht, Leidenschaft - und warum es (trotzdem) klappt,
in: Cosmopolitan Nr.11, November

Ulrike WILHELM hat Ergebnisse der Studie von Norbert F. SCHNEIDER in ihren Bericht über Distanzbeziehungen (Living apart together/LAT) einfließen lassen und einige besser verdienende Paare befragt. Mehr Erfahrungsberichte finden sich bei Karin FREYMEYER & Manfred OTZELBERGER sowie bei Franziska PFEIFFER.

Wilhelm sieht in diesen LAT-Beziehungen keinen Ausdruck von Karrieresucht und Egoismus der Generation Golf (davon abgesehen ist das auch gar keine Erfindung dieser Generation, sondern eine Folge der Bildungsreform in den 1960er Jahren, von der in erster Linie Frauen - und nicht die Arbeiterschicht - profitierten).

WILHELM stimmt mit Michael MARY damit überein, dass LAT-Paare dem romantischen Liebesideal folgen. MARY sieht in der Distanz eine Voraussetzung für Leidenschaft. Nähe ist dagegen ein Leidenschaftskiller. Die Nähe-Distanz-Thematik ist aber nur eine von vielen Faktoren, die solche Beziehungen bestimmen.

JAUER, Marcus (2003): Gang raus und rollen lassen.
Pendeln zwischen Ost und West, des Lebens wegen: "Es klingt vielleicht blöd, aber irgendwie vergeht die Zeit".
Armes Deutschland (VII): Das Schicksal einer ostdeutschen Familie: Er arbeitet in München unter seinen Fähigkeiten, und sie wartet in Kodersdorf auf das Wirtschaftswunder,
in: Süddeutsche Zeitung v. 26.02.

In den 1980er Jahren kamen die "Aristokraten der Liebe". Living apart together wurde zum Schicki-Micki-Lifestyle. Mit dem Umzug der Regierung nach Berlin flossen sogar Forschungsgelder für wissenschaftliche Untersuchungen über mobile Lebensformen. Das Ergebnis liegt nun seit letztem Jahr vor. Mobil, flexibel, gebunden heißt das Werk und Marcus JAUER hätte es vor der Reportage lesen sollen, dann hätte er die mobile Lebensform seiner Fallgeschichte besser einordnen können und es hieße nicht lapidar:

"Er ist ein Pendler. Einer von 300000 Ostdeutschen, die jeden Tag, jede Woche oder jeden Monat zur Arbeit in den Westen fahren".

Norbert F. SCHNEIDER und seine Mitarbeiter haben die mobilen Lebensformen, die JAUER unter dem Begriff "Pendler" abhandelt, genauer unterschieden.

Den Fall, den JAUER präsentiert, bezeichnet SCHNEIDER als "Shuttle" (Wochenendpendler). Wenn die beschriebene Person plant, seine Frau nachzuholen, dann würde er in die Kategorie "Umzugmobile" fallen. Davon zu unterscheiden sind Fernbeziehungen, Fernpendler, Varimobile oder Auslandstätige. Jede mobile Lebensform ist durch spezifische Vor- und Nachteile gekennzeichnet, die SCHNEIDER herausgearbeitet hat.

Als SCHNEIDER seine Untersuchungen durchführte, da zeichnete sich zwar schon ab, dass mobile Lebensformen keine Schicki-Micki-Lifestyle-Optionen sind, sondern immer mehr Menschen unfreiwillig zu "Aristokraten der Liebe" werden. Einen Einfluss auf die Buchveröffentlichung hatte das jedoch nicht. Den neuen Realitäten gerecht zu werden, das bleibt anderen Büchern vorbehalten.

Die verschärften Zumutbarkeitskriterien für Menschen, die der Single-Kategorie zugeordnet werden, obgleich sie vielfach gebunden sind, wird die Verbreitung dieser mobilen Lebensformen fördern.

FOCUS-Titelgeschichte: Die Single-Partner.
Lust und Frust von Fernbeziehungen. Und wie sie überhaupt funktionieren können

SACHSE, Katrin (2003): Pakt mit der Sehnsucht.
Fernbeziehungen fördern die Karriere, belasten aber die Liebe. In Deutschland lebt bereits jedes achte Paar auf Distanz - Tendenz steigend,
in: Focus Nr.17 v. 19.04.

STOLDT, Till-R. & Sonja BANZE (2004): Die Trolley-Gesellschaft: Pendeln als Lebensform.
WAMS-Thema: Deutschland ist in Bewegung. Millionen Menschen arbeiten weit entfernt von dem Ort, an dem sie leben. Am Wochenende oder sogar täglich reisen die Pendler durch das Land. Experten erwarten, dass der Trend stark zunimmt - mit großen Folgen für die gesamte Gesellschaft, vor allem aber für die Liebe,
in: Welt am Sonntag v. 15.08.

Paare ohne gemeinsamen Haushalt werden von Konservativen genauso angefeindet wie Singles. Eigentliche Zielscheibe ist Ihnen der Feminismus, der dafür verantwortlich gemacht wird, dass Frauen nicht mehr ihrem Ehemann nachziehen und den Haushalt führen, wie es der katholische Sozialstaat vorsieht.

In dem Artikel wird ein privilegiertes Paar vorgestellt. Im Rahmen der Hartz-Reformen sind es jedoch mehr und mehr Geringverdiener, die zu Fernbeziehungen verdammt werden. Das interessiert die WamS jedoch nicht. Klaus ZIMMERMANN sieht zwar im zunehmenden Druck des Wirtschaftssystems und des Sozialstaats auf Arbeitnehmer die Ursache für die Zunahme von Fernbeziehungen und ein Personalberater nennt räumliche Mobilität als Grundvoraussetzungen für Karrieren. Dagegen wird Norbert F. SCHNEIDER, der bisher die einzigste repräsentative Studie zum Thema Lebensform und Mobilität durchgeführt hat, mit dem "Verbindlichkeitsverlust traditioneller Lebensmodelle" zitiert. Selbstverwirklichung im Beruf, statt Dienen der Frau wie es unlängst der Vatikan gefordert hat.

STOLDT, Till-R. (2004): Einmaleins der "Distanzbeziehungsführer": Wo bin ich gerade?
WAMS-Thema: Erstmals werden in Deutschland therapeutische Kurse für Fernbeziehungen angeboten,
in: Welt am Sonntag v. 15.08.

Die Probleme von Fernliebenden sind kein Politikum, sondern Psychologen wie Joachim LASK, Leiter des Mühltaler Worklife-Instituts, erhoffen sich mit "Kursen für Fernliebende" einen lukrativen Markt. Für 1700 Euro (Einzelkurs) oder 600 Euro (Gruppenkurs) sollen Besserverdienende ihre Probleme (in der WamS steht natürlich der Kinderwunsch im Mittelpunkt) bearbeiten.

BANZE, Sonja (2004): "Die Kosten sind sehr hoch".
WAMS-Thema: Ökonom Miegel warnt Pendler vor Selbstbetrug,
in: Welt am Sonntag v. 15.08.

ZEKRI, Sonja (2005): Tausend Tage unterwegs.
Aufzeichnungen einer Wochenend-Pendlerin. Montage sind Mitchum-Tage. Oder: München vs Berlin - ein Leben zwischen zwei Welten,
in: Süddeutsche Zeitung v. 06.08.

DECKER, Kerstin (2005): zu mir zu dir? oder.
Sie sind ein Paar, aber in der Wohnung wollen sie alleine sein. Ein Essay über die Kunst der distanzierten Liebe,
in: Tagesspiegel v. 07.08.

HAARHOFF, Heike (2006): Hin und Weg.
Bei den Wochenendpendlern von Philippsreut: Hier lebt in jedem zweiten Haushalt mindestens ein Pendler. Einer, der nur am Wochenende daheim ist, der sich in seinem eigenen Haus fühlt wie ein Besucher. Denn Philippsreut in Bayern ist malerisch, das macht sesshaft. Aber Philippsreut ist auch arm, und das macht zwangsläufig mobil,
in: TAZ v. 10.01.

GARBERS, Sandra & Felix MÜLLER (2006): "Evolutionsbiologie ist Comedy".
TV-Entertainer Jürgen von der Lippe über die Vorzüge des Singledaseins, den männlichen Jagdtrieb und die Frage, wie ein guter Witz entsteht,
in: Welt v. 31.01.

SCHRÖDER, Alena (2006): Zurückbleiben, bitte!
Dossier: Montag früh, Berlin Ostbahnhof. Der ICE 1618, Abfahrt 7.30 Uhr von Gleis 3 Richtung Hamburg fährt ein. Über das Reisen in Deutschlands beliebtestem Beziehungspendlerzug,
in: Brigitte Nr.5 v. 15.02.

NEON-Titelgeschichte: Holst du mich ab?
Wie man Fernbeziehungen aushält - und wann Liebe auf Distanz sogar das Beste ist

KIENLE, Dela (2006): P.S. Ich vermisse dich!
Jedes zehnte Paar liebt aus der Ferne - ohne normalen Alltag, dafür mit Reisestress und ewiger Sehnsucht. "Na und?", sagen viele. "Unser Happy End, das kommt schon noch." Bis dahin leben sie Die FERNBEZIEHUNG mit allen Tiefen - und mit allen Vorteilen. Die gibt es nämlich auch,
in: Neon, Mai

LOLL, Anna (2006): Der getrennte Alltag hat auch Vorteile.
Karriere und Partnerschaft,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.06.

DECKERT, Marc (2006): Auf dem Sprung.
"HOCHMOBILE" Menschen leben und arbeiten heute hier, morgen dort. Ihr Leben klingt verlockend. Aber wie gehen sie mit den ständigen Ortswechseln um? Und können sie jemals Wurzeln schlagen?
in:
Neon, August

"Das Recht auf Heimat scheint weltweit in Gefahr zu sein: Und manchmal lässt sich kaum noch sagen, wie freiwillig oder unfreiwillig jemand auf Achse ist. Auch den jungen Deutschen geht es so: Dauerpraktikanten, die nach Abschluss ihres Studiums durch die Büros oder Agenturen sämtlicher Großstädte tingeln. Fernbeziehungspaare, die sich jeden Freitagabend auf einem anderen deutschen Bahnsteig umarmen. Die vagabundische Existenz verspricht längst keine Karrierevorteile mehr, sondern ist oft die einzige Chance, überhaupt den Einstieg zu schaffen. Aber dann gibt es ja auch noch die echten Freiwilligen: Kreative, oft in Medien- oder künstlerischen Berufen", schreibt Marc DECKERT über die Situation hochmobiler Menschen.

ZITTY-Titelgeschichte: Neue Liebe...
Heute arbeiten wir überall. Deshalb werden Fernbeziehungen immer normaler. Und so funktionieren sie

SENNA, Marco (2006): Fernbeziehungen sucht man sich nicht aus. Sie kommen. Und immer öfter bleiben sie sogar.
Ist die Liebe auf Distanz besser? Sicher ist nur eines: Sie ist ganz anders,
in: zitty Nr.23 v. 09.11.

"Lange galt die Fernbeziehung eher als etwas für Privilegierte. Manager pendelten oder Geschäftsführer, eben all die Leute, die Business Class fliegen. Mehr und mehr ist nun das Pendeln zur Arbeit immer weniger eine verfügbare Option, vielmehr gibt es oft einfach keine andere Möglichkeit.
Man muss woanders eine Ausbildung, Stelle oder einen Studienplatz annehmen, weil man in der eigenen Stadt keinen findet. Die Reise zur Arbeit ist der Kampf gegen den Abstieg",

schreibt Mereceds BUNZ im Editorial. Bereits im März 2002 war von single-dasein.de anlässlich der Präsentation der ersten repräsentativen Studie zum Phänomen "Berufliche Mobilität und Lebensform" bemängelt worden, dass die politisch korrekte Studie dem aktuellen Strukturwandel der Wirtschaft nicht Rechnung trägt:

"Berufsbedingte Mobilität als eine geplante und zeitlich begrenzte Lebensphase ist auch nicht das Hauptproblem. Problematisch werden Lebenssituationen, die sich aufgrund äusserer Umstände verfestigen. Mobile Lebensformen können sich im Kampf gegen den sozialen Abstieg zur langandauernden Lebenssituation wandeln, die sich einer befriedigenden Partnerschaft genauso entgegenstellen wie einer Familiengründung."

In einer Rezension des Buches Global Players von Sascha LEHNARTZ hat single-generation.de dann im Oktober 2005 resümiert:

"LEHNARTZ hat die Problematik von Fernbeziehungen in Zeiten der Globalisierung aufgezeigt.
        
 Was für die globale Klasse das Flugzeug ist, das wird in Zukunft für die Normalos Bahn und Auto sein. Wer das Glück hat, zu den Globalisierungsgewinnern zu gehören, den unterstützt in Zukunft die Firma.
        
 Die Normalos dagegen haben mit dem sozialen Abstieg zu kämpfen. Sie haben dann nur noch die Wahl auszusteigen oder die Kosten selber zu zahlen. Es handelt sich dabei nicht allein um finanzielle Kosten, sondern auch um physische, soziale und psychische.
        
 Eine individuelle Therapie, die den Schaden begrenzt, werden sich Normalos nicht leisten können. In der Hartz-Gesellschaft werden die Ausstiege aus dem gesellschaftlichen Verpflichtungszusammenhang erschwert. (...). 
        
 Was bleibt für jene, die nicht zur Erbengeneration gehören, ist die politische Organisation von Singleinteressen.
        
 
Es geht darum die singlefeindliche Medienberichterstattung zu bekämpfen, die uns eine Single-Lüge auftischt."

Im Thema des Monats April über Fernbeziehungen hat single-generation.de dieses Jahr beschrieben wie der veränderte Arbeitsmarkt unsere Liebesbeziehungen prägt.

Es hat also ca. 4 1/2 Jahre gedauert, bis das Thema Fernbeziehung als Kampf gegen den Abstieg, das erstmals in Deutschland auf single-dasein.de thematisiert wurde, im Hauptstadtmagazin angekommen ist...

MÜLLER, Falko/HÖRMANN, Rainer/TUCKER, River (2006): Warum in die Nähe schweifen...
...wenn das Gute liegt so fern? Fünf Fernbeziehungen, fünf Protokolle,
in: zitty Nr.23 v. 09.11.

MUTH, Miriam (2006): "Nicht am Wochenende heile Welt spielen".
Die Journalistin und Buchautorin Christine Koller über 18 Jahre dauernde Fernbeziehungen, ihren Mann auf Mallorca und die Essentials für eine gelungene Fernliebe,
in: zitty Nr.23 v. 09.11.

DEMMER, Christine (2007): Ich will keine Fernbeziehung.
Jobcoach,
in: Süddeutsche Zeitung v. 14.04.

Christiane DEMMER rät einer Akademikerin sich lieber auf eine Fernbeziehung einzulassen als den Job vom Arbeitsort ihres Partners abhängig zu machen:

"Potentiell gefährlich für Ihre »employability«, also für Ihre Kompatibilität mit dem Arbeitsmarkt, ist (...) Ihr Vorsatz, den Arbeitsort - und das heißt: Ihren künftigen Job - so bereitwillig von dem Ihres Lebensgefährten abhängig zu machen. Das lässt sich in einem Bewerbungsgespräch nicht gut vermitteln".

DAS MAGAZIN-Titelgeschichte: Neuzeitnomaden.
Liebe, Arbeit, Studium: Vom Glück & Unglück der Weltenwechsler

PUSCHMANN, Thomas (2008): NeuzeitNomaden.
Auslandssemester, Jobangebote jenseits der Grenze, eine ferne Liebe - junge Leute kurven heute international viel herum. Welche Rituale helfen ihnen klarzukommen, wo fühlen sie sich zu Hause? Eifrige und vorsichtige Weltenwechsler erzählen,
in: Das Magazin, April

SPIEß, Martin (2008): Glück auf Raten.
Daniel und Sara führen seit neuen Jahren eine Fernbeziehung. Er lebt in Kiel, sie in Atlanta. Wie funktioniert das?
in: Das Magazin, April

PUPPEL, Catharina (2008): Kleiner Mann auf großem Flug,
in: faz.net v. 14.04.

Catharina PUPPEL berichtet über "Unaccompanied Minors", d.h. allein reisende Kinder, die mit dem Flugzeug unterwegs sind. Die Zunahme dieser Passage erklärt sie folgendermaßen:

"An den Wochenenden fliegen viele Jungen und Mädchen vor allem zwischen Mutter und Vater hin und her. Die Tatsache, dass pro Jahr etwa zweihunderttausend deutsche Ehen geschieden werden, trägt erheblich dazu bei, dass immer mehr Kinder zu dem Elternteil reisen müssen, bei dem sie nicht ständig leben. Kinder, deren Eltern aus beruflichen Gründen mobil sein müssen, sitzen ebenfalls häufig im Flugzeug. So gingen bei Lufthansa in Frankfurt und München im Jahr 2007 schon mehr als achtzigtausend allein reisende Jungen und Mädchen an Bord. Bei Air Berlin stiegen im vergangenen Jahr knapp fünfunddreißigtausend kleine Passagiere zu"

BÖNISCH, Julia (2008): "Akademiker pendeln, um nicht abzusteigen".
Die Deutschen sind erstaunlich mobil - erzwungenermaßen: Denn Firmen verlangen, dass ihre Angestellten beweglich und flexibel sind. Der Soziologe Detlev Lück über Arbeit, Reisen und soziale Belastungen,
in: sueddeutsche.de v. 30.05.

GÖRICKE, Jutta (2008): Pendeln für die Karriere,
in: Süddeutsche Zeitung v. 31.05.

Der Soziologe Norbert F. SCHNEIDER berichtet über neue Erkenntnisse zur berufsbedingten Mobilität. Der Tenor des Interviews entspricht dem gestrigen Oline-Interview mit seinem Assistenten Detlev LÜCK.

SEIBT, Gustav (2008): Heimat existiert.
Das überraschende Resultat einer Umfrage zum Wohnverhalten der Deutschen zeigt: Die Bürger sind auffallend standortfest,
in: Süddeutsche Zeitung v. 19.07.

Was Gustav SEIBT als Überraschung präsentiert, ist nichts als eine Binsenweisheit. Jede wissenschaftliche Studie der letzten Jahrzehnte hat ergeben, dass die Deutschen nicht so mobil sind, wie es die Wirtschaft, die Politik (Moblitätszwang durch die Hartz-Reform) und die Demografen (Nesthocker gründen keine Familien) fordern. Statt umzuziehen, pendeln die Deutschen lieber. Dies als "Gekräusel an der Oberfläche" abzutun, verharmlost die Tatsache, dass dieser Spagat der Vereinbarkeit von Beruf und Partnerschaft/Familie mit erheblichen Kosten verbunden ist.

NIENHAUS, Lisa & Bettina WEIGUNY (2008): Das teure Leben der Pendler.
In Köln wohnen - in Frankfurt arbeiten. Den Liebsten in Lausanne - den Job in Berlin. Der Anteil der Menschen, die weite Strecken zur Arbeit fahren oder fliegen, wächst. Nicht nur, weil sie in der Heimat keinen Job finden. Fünf Pendler erzählen,
in: faz.net v.  21.07.

GÖRISCH, Daniel-Patrick (2008): Liebe in Zeiten der Ölkrise.
Fernbeziehungen sind heute teurer denn je. Trotzdem sollte man sich mindestens einmal im Monat sehen,
in: Welt v. 09.08.

GESTERKAMP, Thomas (2008): Fernpendeln gefährdet die Gesundheit.
Immer mehr Deutsche arbeiten so weit weg von ihren Wohnorten, dass sie nur am Wochenende dorthin zurückkehren. Die ständige Mobilität erzeugt Stress, macht krank und belastet die Partnerschaft. Das zeigt eine neue Studie,
in: TAZ v. 19.08.

BOPP, Lena (2008): Wenn 48 Stunden genügen müssen.
Eine grenzenlose Liebe gegen die paar hundert Kilometer: Wie leben Paare in einer Fernbeziehung? Mit Ritualen, Zweifeln, Sehnsucht. Wichtig ist: Distanz selbst in der Nähe,
in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 12.10.

WEISKE, Christine/PETZOLD, Knut/ZIEROLD, Diana (2009): Multilokale Haushalte - mobile Gemeinschaften.
Entwurf einer Typologie multilokaler Lebensführung,
in:
Sozialer Sinn, Heft 1

BÄUERLEIN, Theresa (2009): Liebe ohne Alltag.
Sie sind ein Paar - aber um gemeinsam zu essen, müssen sie die Webcams einschalten. Wie liebt es sich in einer extremen Fernbeziehung?
in: Tagesspiegel v. 05.04.

RIFFLER, Konstantin (2009): So nah und doch so fern - die digitale Fernbeziehung.
Trotz der Distanz Nähe schaffen, Vertrauen aufbauen und Perspektiven entwickeln - das sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Fernbeziehung. Ein Liebesprojekt, dass heute viele junge Paare angehen und das dank diverser Kommunikationsmittel funktionieren kann,
in:
Stuttgarter Zeitung v. 27.05.

STOLZ, Matthias (2009): Die Skype-Liebe.
Das Videotelefon hat die Fernbeziehung revolutioniert - macht es sie tatsächlicher einfacher?
in:
ZEIT-Magazin Nr.23 v. 28.05.

KALS, Ursula (2009): Ein Paar, zwei Orte.
Die Arbeit läuft gut, die Liebe hat das Nachsehen. Aus beruflichen Gründen lebt heute jedes siebte Paar in einer Fernbeziehung. Und die Zahl steigt,
in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.05.

BRANDSTETTER, Barbara (2009): Zweitwohnung ist auch Sache des Fiskus,
in: Welt am Sonntag v. 19.07.

SCHEIB, Katrin (2009): Eine Fernbeziehung ist lästig und schmerzhaft,
in: WAZ Online v. 22.07.

BUTTJER, Mareeke (2009): Im Namen der Liebe.
Unverheiratete Pendler dürfen sich freuen: Der Fiskus zahlt bei einer Zweitwohnung am Arbeitsort künftig mit - zwei Urteile machen es möglich,
in: Financial Times Deutschland
v. 05.08.

OPPERMANN, Nicole (2009): Pendlerin zwischen Heimat und Einsamkeit.
Putzjobs:
In Berlin hat Bascha Arbeit. Keine legale, aber immerhin. Und in Sagan wohnt ihre Familie. Bascha pendelt zwischen Einsamkeit und Heimat,
in: Berliner Morgenpost v. 24.08.

SCHNEIDER, Carola (2009): Rückzugsort und Wohlstandsphänomen.
Weshalb sich Menschen Zweitwohnsitze zulegen,
in: Neue Zürcher Zeitung v. 17.10.

REUSCHKE, Darja (2010): Multilokales Wohnen. Raum-zeitliche Muster multilokaler Wohnarrangements von Shuttles und Personen in einer Fernbeziehung, Verlag für Sozialwissenschaften  

Multilokales Wohnen

"In dem Buch wird das multilokale Leben und Wohnen von Personen mit einem beruflich genutzten Zweitwohnsitz (Shuttles) und von Personen in einer Partnerschaft mit getrennten Haushalten über große Distanzen (Fernbeziehungen) im Kontext beruflicher Mobilitätsanforderungen und des sozialen Wandels empirisch untersucht. Die Ergebnisse der Arbeit beruhen auf einer standardisierten Befragung von zufällig ausgewählten Zugezogenen in vier deutschen Großstädten und vertiefenden qualitativen Interviews. Besonderheiten multilokaler Lebens- und Wohnformen werden in Bezug auf sozialstrukturelle Merkmale, Wohnbedingungen und Wohnbedürfnisse mittels Vergleichsgruppenanalysen untersucht. In der Arbeit werden die Entstehungszusammenhänge sowie die Dauer und Perspektiven eines multilokalen Lebens, die Wohnsituation und das Mobilitätsverhalten von Personen mit einem beruflich genutzten Zweitwohnsitz (Shuttles) und von Personen in einer Partnerschaft mit getrennten Haushalten über große Distanzen (Fernbeziehungen) empirisch untersucht. Die Ergebnisse der Arbeit beruhen auf einer standardisierten Befragung von zufällig ausgewählten Zugezogenen in vier deutschen Metropolen. Besonderheiten multilokaler Lebens- und Wohnformen werden in Bezug auf sozialstrukturelle Merkmale, Wohnbedingungen und Wohnbedürfnisse mittels Vergleichsgruppenanalysen untersucht." (Klappentext)

DORBRITZ, Jürgen & Robert NADERI (2013): Getrennt leben und eine intime Beziehung führen.
Bilokale Paarbeziehungen in Deutschland,
in:
beziehungsweise, November

GEOGRAPHISCHE RUNDSCHAU-Thema: Multi- und Translokalität

DIDERO, Maike & Carmella PFAFFENBACH (2014): Multilokalität und Translokalität.
Konzepte und Perspektiven eines Forschungsfelds,
in: Geographische Rundschau,
November

DIDERO & PFAFFENBACH beschreiben Multilokalität als ein Konzept europäischer Mobilitätsforschung, was insbesondere für die soziologische Forschung zu kurz gegriffen ist. So stützte sich die soziologische Multilokalitätsforschung der 1990er Jahre und selbst noch Anfang des Jahrtausends auf nationale Erhebungen, sodass staatenübergreifende Paar- und Elternbeziehungen unberücksichtigt blieben. Der Beitrag geht den Ursachen der Multilokalität nach, wobei es zum Unterschiede zwischen erzwungenen und freiwilligen Formen der Multilokalität gibt, was die Autorinnen in dem Kapitel Multilokale Lebensarrangements zwischen Beruf und Lebensstil beschreiben. Dabei machen es sich die Autorinnen zu einfach, wenn sie zwischen dem globalen Norden und Süden dahingehend unterscheiden, dass in ersterem Multilokalität ein Wohlstandsindikator sei, während sie im globalen Süden erzwungen sei. Mit dem Anwachsen der sozialen Ungleichheit innerhalb der Länder des globalen Norden und dem Aufstieg der Mittelschichten jenseits der westlichen Industrienationen, ist diese Zweiteilung zu simpel. Gerade Deutschland ist mit seiner Hartz-Gesetzgebung ein Beispiel für die Zunahme erzwungener Multilokalitä. (Darja REUSCHKE sieht insbesondere das Ost-West-Pendeln als erzwungene Multilokalität. Das mag für Länder, in denen der internationale Tourismus ein großer Wirtschaftsfaktor ist, anders sein:

"Oftmals ist Multilokalität auch ein Wohlstandsindikator oder Ausdruck eines sozialen »Prestige- und Aufstiegsbedürfnisses« (Rolshoven 2006, S.192), denn jeder Freizeitwohnsitz im In- oder Ausland, der regelmäßig aufgesucht wird, ist ebenfalls ein Indikator für Multilokalität. In manchen Ländern wie der Schweiz und Österreich sind es sogar häufiger freizeitbezogene als berufsbezogene Aspekte, die zu multilokalen Lebensformen führen". (2014, S.5)

Unberücksichtigt bleibt in dem Beitrag vor allem, dass die Forschung zur Multilokalität eine andere Perspektive auf die Einpersonenhaushalte ermöglicht, wobei dieser Aspekt unterbelichtet ist. Aus Sicht der Multilokalitätsforschung kann dann nicht mehr einfach von "Single-Gesellschaft" gesprochen werden, sondern die "Paar-Gesellschaft" wird sichtbarer. Eine solche Sichtweise könnte den grassierenden Sozialpopulismus relativieren, der sozial- bzw. bevölkerungspolitisch motiviert ist.

SCHIER, Michaela (2014): Multilokalität von Familie in Deutschland,
in: Geographische Rundschau, November

Michaela SCHIER grenzt den Begriff der Multilokalität von Familien gegen den Begriff der "multilokalen Mehrgenerationenfamilie" des Soziologen Hans BERTRAM ab:

"Der Begriff »multilokale Mehrgenerationenfamilie« (Bertram 2002) bezieht sich auf das getrennte Wohnen von Eltern und ihren erwachsenen Kindern. »Multilokalität von Familie in frühen Familienphasen« (Schier 2013) meint hingegen eine familiale Lebensführung, bei der Eltern und ihre minderjährigen Kinder periodisch voneinander getrennt leben und mindestens ein Mitglied der Familie im Wechsel mehrere Behausungen bewohnt." (2014, S.10)

SCHIER unterscheidet zwei Typen solcher multilokalen Familien:

"Familien nach Trennung und Scheidung sowie erwerbsbedingt multilokale Familien." (2014, S.10)

SCHIER verwendet einen sehr weiten Begriff von Multilokalität, wenn sie solche Familien definiert als

"Familien, bei denen ein Elternteil mindestens 15 Mal im letzten Jahr beruflich bedingt auswärts übernachtet hat". (2014, S.11)

In ihrem Beitrag widmet sich SCHIER drei Typen eines multilokalen Familienalltags:

1) Intrakommunal multilokale Familien
2) Transregional multilokale Familien
3) Transnational multilokale Familien

Die Fälle entsprechen sorgerechtlich gesehen dem Wechselmodell bei Nachtrennungs- bzw. scheidungsfamilien, wobei in ersterem Fall die getrennten Eltern innerhalb einer Gemeinde wohnen, während sie im zweiten Fall in unterschiedlichen deutschen Gemeinden (im Beispiel sind es Gemeinden in unterschiedlichen Bundesländern) wohnen. Im letzten Fall leben die Eltern in unterschiedlichen Staaten.

SCHIER unterscheidet 5 Anforderungen an eine multilokale familiale Lebensführung:

1) Gestaltung des gemeinsamen Alltags
2) Gestaltung der Übergänge zwischen An- und Abwesenheiten
3) Gestaltung des getrennten Alltags
4) Gestaltung der wiederkehrenden räumlichen Mobilität
5) Aneignung der verschiedenen Lebensorte

BRODMERKEL, Anke (2014): Ein Paar, zwei Wohnungen.
Zusammensein in einer festen Partnerschaft, aber getrennt wohnen: Immer mehr Paare sehen darin keinen Widerspruch. Vor allem im mittleren Alter wächst die Zahl derer, die zwar ihr Leben, nicht aber Küche und Schlafzimmer mit dem Partner teilen. Was sind die Vorteile dieser Beziehungsform – und was die Stolpersteine?
in: Psychologie Heute,
Dezember

Paare ohne gemeinsame Wohnung gelten amtsstatistisch als zwei Alleinlebende. Die Forschung versucht in diesem Sinne nachzuweisen, dass dies berechtigt ist und solche Paare gar keine richtigen Paare sind. Der französische Soziologe Jean-Claude KAUFMANN spricht z.B. in seinem Buch Schmutzige Wäsche von "Quasi-Paaren". In dieser Tradition steht auch der Artikel von Anke BRODMERKEL, der Untersuchungen von Jens ASENDORPF, Robert NADERI und Alexander NOYON & Tanja KOCK in diesem Sinne interpretiert.

Paare mit zwei Wohnungen werden danach unterschieden, ob sie das freiwillig tun oder gezwungenermaßen. Als Indikator dient dazu die Entfernung der beiden Wohnungen. Fernbeziehungen gelten demnach als unfreiwillig, während Wohnungen in der gleichen Stadt bzw. im gleichen Haus als freiwillig gelten. Der Begriff Living apart together wird inzwischen häufiger nur noch für die freiwillig gewählte Form verwendet.

Der Artikel widmet sich den freiwilligen Paaren mit zwei Wohnungen. Diese finden sich vorwiegend im mittleren Lebensalter. Dabei werden auch Alleinerziehende betrachtet, die amtsstatistisch nicht zu den Alleinlebenden zählen. Im Artikel wird hinsichtlich des Living apart together auch von "bilokaler Partnerschaft" gesprochen.

Leider beziehen sich die im Artikel präsentierten Daten zu solchen Partnerschaften nur auf den Zeitraum zwischen 1992 und 2006, obwohl sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seitdem offenbar entscheidend geändert haben. Die Autorin zitiert aus einer noch unveröffentlichten Studie von Jens ASENDORPF über deren Repräsentativität nichts gesagt wird.

"Häufig sehen die Menschen, die eine LAT-Beziehung führen, in dem dem anderen einfach nicht den Partner fürs Leben",

wird der Psychologe zitiert. Kann man jedoch solche Beziehungen über einen Kamm scheren oder müsste nicht zwischen verschiedenen Typen unterschieden werden? Und warum sollen sich Paare mit zwei Wohnungen von zusammenwohnenden Paaren unterscheiden. Was, wenn einfach die Lebensumstände unterschiedliche Formen des Zusammenlebens erforderlich machen bzw. eine unterschiedliche Lebensphase wiederspiegeln? Statt irgendwelche Persönlichkeitsunterschiede zu suchen, wäre dann eine Unterscheidung der Lebensumstände notwendig.

Paare mit zwei Wohnungen werden offenbar weniger empirisch als ideologisch betrachtet. Da es sich quantitativ betrachtet um ein relativ neues Phänomen handelt, das den veränderten Bildungs- bzw. Ausbildungsbedingungen, Arbeitsmarktbedingungen (Globalisierung), technologischen Entwicklungen (Skype, Hochgeschwindigkeitszügen, Veralltäglichung von Flügen usw.) und der Zunahme berufstätiger Frauen geschuldet ist, dürften sich Persönlichkeitsunterschiede mit der weiteren Verbreitung multilokaler Lebensformen als wenig ergiebig zeigen.

Dass solche bilokale Partnerschaften häufig kinderlos sind, ist auch wenig verwunderlich, da bilokale Familien gewöhnlich durch eine gemeinsame Haupt- und eine Nebenwohnung gekennzeichnet sind. Zudem müssen Kinderlose gezwungenermaßen flexibler sein als Eltern.

 
     
 
       
   

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Bernd Kittlaus
webmaster@single-generation.de Erstellt: 15. Mai 2016
Update: 31. Mai 2016